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(S)
^6
DIE RUINEN ROMS.
DIE
RUINEN ROMS
VON
D« FRANZ REBEE.
ZWEITE VERBESSERTE AUSGABE.
MIT 37 LITHOGRAPHIRTEN ABBILDUNGEN IN TONDRUCK, 7 PLÄNEN, EINEM STADTPLAN
UND 72 HOLZSCHNITTEN.
GEM-UNTERMHAUS
FR. EUGEN KÖHLER.
Alle Rechte vorbehalten.
Vorwort zur zweiten Ausgabe.
Das vorliegende Buch wurde zwischen dem zweiten und dritten
römischen Aufenthalt des Verfassers 1857 und 1861 hergestellt. Ver-
anlasst durch die Schwierigkeiten, welche die damals hervorragendsten
deutschen Hilfsmittel, die Bunsen-Ürlichs-Platner'sche Beschreibung der
Stadt Rom wie die Becker'sche Topographie Roms, beim Studium der
Ruinen immer noch verursachten, schien es auch bei seinem Erscheinen
1862/63 als den Bedürfnissen des Ruinenbesuchers entsi)rechend einiger
Popularität sich erfreuen zu dürfen. Allein es fügte sich, dass gerade
in dem Zeitpunkte der Publication in das seit der ersten französischen
Besetzung Roms unter Napoleon I. ziemlich träge Ausgrabungswesen ein
ungeahntes Leben kam, welches, von herrlichen Erfolgen begleitet, rasch
wichtige Abschnitte und somit das ganze Buch veraltet machte. Die
ungewöhnlich aufwandvolle Ausstattung desselben liess diesen Umstand
doppelt beklagen und musste billig den Verfasser aufdringenden Wunsch
der Verlagshandlung bestimmen, zu einer entsprechenden theil weisen
Umarbeitung die Hand zu bieten. Er kann jedoch nicht leugnen, sich
ungern zu der mühevollen und als solche nicht allzu erfreulichen Stück-
arbeit entschlossen zu haben; ja er würde auch nach der Inangriffnahme,
nachdem seinem während der Arbeit sich steigernden Verlangen aus
materiellen Gründen eine vollständige Neuausarbeitung versagt werden
musste, noch zurückgetreten sehi, wenn nicht zwei neue Romfahrten
1876 und 1877 die alte Lust an der vor zwanzig Jahren begonnenen
Arbeit wieder angefacht hätten.
VI Vorwort zur zweiten Ausgabe.
In der That fand sich das Material riesig verändert. Nicht blos
an verschiedenen Punkten der Stadt, sondern gerade in den wichtigsten
grösseren Complexen hatten umfassende Aufdeckungen stattgefunden.
Das Forum Romanum, 1861 kaum zu einem Dritttheil oH'en, war bis
1877 mit alleiniger Ausnahme der Nordostgränze völlig blosgelegt worden.
Seit anderthalb Jahrzehnten war auch vom palatinischen Hügel die
grössere Hälfte, erst auf Veranlassung und auf Kosten Napoleon III.,
welcher zu dem Zwecke die farnesischen Gärten käuflich an sich ge-
bracht hatte, dann unter den Auspizien der italienischen Regierung selbst,
vom Schutte befreit worden. Endlich hatte die Verlegung des Bahn-
hofes nacli dem Innern der Stadt bei den Thermen des Diocletian den
Anstoss zu Untersuchungen im Gebiete der nördlichen Hügel gegeben,
welchem mit der Verlegung des Regierungssitzes für das geeinigte
Königreich Italien nach Rom die vielleicht zu weit greifende Anlage
neuer Stadttheile am quirinalischen , viminalischen und esquilinischen
Gesammtplateau bis zu den aurelianischen Stadtgränzen folgte.
Es wurden aber nicht blos die zu antiquarischen Zwecken vor-
genommenen Ausgrabungen, abgesehen von einer in technischer Hin-
sicht tadellosen Leitung (zumeist von P. Rosa), schrittweise von gründ-
licher topographischer Forschung begleitet, statt wie früher vorwiegend
auf die beweglichen Fundobjecte hin in Betracht gezogen zu werden,
sondern man benutzte auch unter Einsetzung einer städtischen archäo-
logischen Commission die mit dem Bahnhofbau und der Stadterweiterung
verbundenen umfänglichen Erdarbeiten mit Gewissenhaftigkeit und Ein-
sicht zu topographischen Untersuchungen, welche der Kenntniss von
diesen Hügeln ein neues Gepräge geben inussten. Traten aber auch in die-
sem Gebiete die bisherigen Hauptorgane der archäologischen Forschungen
in Rom, die Publicationen des deutschen archäologischen Instituts, mit
Ausnahme des epigraphischen Theiles hinter dem von R. Lanciani, C.
L. Visconti, Conte V. Vespigniani u. a. musterhaft besorgten Organ
der Municipal-Comission etwas zurück, so konnte es doch nicht fehlen,
dass auch die deutsche Forschung den örtlichen Untersuchungen der
italienischen Fachmänner mit lebhaftester Antheilnahme folgte, und es
fehlte namentlich nicht an einer hervorragenden deutschen Kraft, welche,
Vorwort zur zweiten Ausgabe. VII
.sich der Sache ganz widmend, die wissenschafthchen Consequenzen mit
jener Schärfe zog, welche die deutschen Philologen seit Langem aus-
gezeichnet hat. Ich meine H. Jordan, welcher ausser zahlreichen Einzel-
schriften besonders in zwei grösseren Arbeiten der Kenntniss des alten
Rom wie weiland Becker einen epochemachenden Vorschub leistet,
nemlich mit der ersten kritischen und erschöpfenden Herausgabe des
capitolinischen Planes und mit einem neuen Compendium der Topo-
graphie des alten Rom.
Es war dem Verfasser dieses Buches Gegenstand ernster Erwägung,
ob Angesichts solcher Arbeiten und besonders während des Erscheinens
der letztgenannten ein Ein greifen in das damit bestvertretene Gebiet nicht
ganz überflüssig und sogar höchst gewagt sei. Allein erstlich war,
des ümstandes nicht weiter zu gedenken, dass die eigene Arbeit zum
grössten Theile bereits vorhanden gewesen, derselben jeder Concurrenz-
versuch schon des Inhalts wegen gänzlich fremd. Denn nicht eine
Topographie Roms sollte das vorliegende Werk sein, sondern eine
Beschreibung der Ruinen, mit welcher den Anforderungen des Kunst-
luid besonders Architekturfreundes ebenso Rechnung getragen werden
sollte, wie demjenigen, der den stummen und auf den ersten Anblick
unverständlichen Trümmern gegenüber das Verständniss ihres localen
wie geschichtlichen Zusammenhanges gewinnen wollte. Das antike
Rom in den verschiedenen Epochen zu reconstruiren und alle daran sich
knü})fenden antiquarischen Fragen eingehend zu erledigen, musste dem-
nach dem Verfasser ferner liegen und konnte nur Anspruch auf summa-
rische Darstellung in der Baugeschichte wie in den Capiteleinleitungen
erheben. Was daher für die Topographie nur theilweises Material,
wurde für die vorliegende i\.rbeit, wie diess auch der Titel be-
sagt, Zweck.
Dazu kam noch als zweites Moment der Umstand, dass vor-
liegendes Buch nicht lediglich für Philologen, wie diess bei Jordans
vortrefflicher Arbeit sicher der Fall ist, geschrieben sein sollte. Ver-
fasser hat sich jeden Gebildeten als Leser gedacht, vorab freilich den
Vollreifen, nicht den Schüler, wie C. Ziegler in seinem für diesen Zweck
ganz tüchtigen Buche: Illustrationen zur Topographie des alten Rom.
VIII Vorwort zur zweiten Ausgabe.
Stuttg. 1873. Doch aiicli demjenigen, welcher philologisch zu prüfen
in der Lage oder geneigt ist, wurde Gelegenheit hiezu dadurch geboten,
dass jeder Behauptung, soweit sie nicht persönliche Schlussfolgerung, das
entsprechende (Jitat beigegeben ist, wie diess auch mit der vorliegenden
neuen Literatur geschah. Er wird vielleicht dabei finden, dass der Ver-
fasser keineswegs in bequemem Anlehnen lediglich irgend einer Vorarbeit
gefolgt ist, und dass, wenn auch der philologisch - antif[uarische Theil
nicht der Hauptzweck des Buches, doch dieser weder oberÜächlich noch
unkritisch behandelt ist, wie denn auch in dem schmalen ßaum der
Citate mehre Lebensjahre des Verfassers begraben liegen.
Selbstverständlich wurde aber der vorliegenden Ausgabe niclit
blos das durch Ausgrabungen wie literarisch neu Hinzugekoinmene ein-
gefügt, sondern die Gelegenheit der ümarbeit zu Berichtigungen und
Verbesserungen manigfacher Art benutzt. Wenn nicht immer (wie
meistens) die mittlerweile aufgetauchten abweichenden Annahmen adop-
tirt worden sind, so möge man dies der eigenen langjährigen Beschäf-
tigung des Verfassers mit dem Gegenstande zu Gute halten, dem
Vorurtheile und Verstocktheit kaum zum Vorwurf gemacht werden
können. Leider freilich konnten nicht alle Aenderungen und Zusätze
im Texte selbst angebracht werden, sondern mussten die minder wich-
tigen Dinge wie die resultatlosen Controversen auf die Schluss-
anmerkungen verschoben werden, da der Verfasser, wie oben erwähnt
wurde, etwas eingeengt war. Auch brachte die Art der Ergänzung
eine Fülle von Fesseln mit sich, die nicht alle ohne einige Ungleich-
heit zu bewältigen waren. Denn völlig neu konnten nur die Parthien
von S. 1—72, 99—102, 129—152, 161—168, 205—208, 225—236,
249—252, 321—328, 353—392, 433—448, 481—496, 545—574 her-
gestellt werden.
Sprechen die textlichen Neuerungen wohl für sich selbst, so ist
hier der Ort, den neu hinzugekommenen graphischen Theil einigermassen
zu beleuchten. Es ist dabei weniger von den neuen Holzschnitten zu
reden , von welchen z. B. die Ansicht eines Stückes des servischen
Agger (Fig. 58^) von dem Verfasser gezeichnet, der Plan des sog.
Hauses der Livia (Fig. 36), wegen einiger Fehler des bisher publicirten
Vorwort zur zweiten Ausgabe. IX
neu von demselben aufgenommen, der Plan und Durchschnitt des an-
geblichen Auditorium des Mäcenas (Fig. 58^), der Monographie von
V. Vespignani u. C. L. Visconti entlehnt, keiner weiteren Erläuterung
als der im Texte gegebenen bedarf, während bei dem Plan der Reste
des capitolinischen Tempels (Fig. 1) vielleicht entschuldigt werden wird,
dass den Überbleibseln der Substruction, wie sie Jordan durch L. Schupmann
aufnehmen liess, möglicherweise verfrüht ein ungefährer Tempelplan auf-
gezwängt ist, weil diess für jene Leser, die Laien im Fache sind, unent-
behrlich erschien. Was die neuen lithographischen Tafeln abgesehen
von der selbstverständlichen Abänderung des Stadtplanes auf den Be-
stand von 1877 betrifft, so kann es fürs erste nur als dankenswerth er-
scheinen, dass Herr Direktor Gnauth in Nürnberg verstattete, die von
ihm in der Florentiner Sammlung entdeckten und durchgezeichneten
cinquecentistischen Aufnahmen der drei Tempel von S. Nicola in Car-
cere (von Bald. Peruzzi?) und zwar nach seiner eigenen ebenso fach-
kundigen als sorgfältigen üebertragung in eine saubere moderne Zeich-
nung in das Werk aufnehmen zu dürfen. Die schöne Pittoreske aus
dem angeblichen Hause der Livia auf dem Palatin, kostspielig durch
Erwerbung der Original aquar eile wie durch polychrome Ausführung
ist der speci eilen Opferwilligkeit des Herrn Verlegers zu verdanken.
Bei Herstellung des Palatinplanes hat sich der Verfasser auf die Dar-
stellung des wichtigeren Ausgrabungsgebietes beschränken zu müssen
geglaubt um bei der unüberschreitbaren Grösse des Blattes nicht so
viel an Dimensionen zu verlieren, dass die Details nicht mehr erkenn-
bar oder wenigstens unklar geworden wären. Es ist demselben der
auf Rosa's Aufnahmen zurückgehende Plan, welchen Visconti und Lan-
ciani ihrem Palatinführer beigegeben haben, zu Grunde gelegt, doch ist
diesem an Ort und Stelle manche Correctur zu Theil geworden, und
der Hauscomplex an der Westecke neu hinzugefügt. Der neue Plan
des Forum Romanum ist von dem Verfasser mit Unterstützung des
Ingenieurs 0. Koch in Rom neu aufgenommen worden, was ich aller-
dings nachträglich bedauern musste, da gleichzeitig Ferd. Dutert's Plan
(Le Forum Romain Paris 1876) erschien, welcher die zeitraubende und
beschwerliche Arbeit überflüssig machte. Gleichwohl blieb ich bei dem
F. Heber, Rom. ])
X Vorwort zur zweiten Ausgabe.
eigenen Elaborate, welches wenigstens an manchen Stellen klarer er-
scheint, als die Dutert'sche Aufnahme. Auf Grund meines Planes ist
dann von dem bekannten Architekturmaler G. Bauernfeind in München
die restaurirte Ansicht des Forum Roinanum in der Kaiserzeit herge-
stellt worden, wobei übrigens zu bemerken ist, dass die Ehrensäule im
Vordergrunde rechts eine Zugabe des Künstlers ist.
Endlich ist dem Vorworte selbst eine synoptische Tafel mit den
sicher bestimmbaren Resten des capitolinischen Planes beigegeben,
welche noch einer besonderen Erörterung bedarf. Die Zugrundelegung
von Jordan's Forma Urbis Romae ist so selbstverständlich, wie es nur
bei einer derartig epochemachenden Arbeit sein kann. Doch sah sich
Verfasser zu einigen nicht unwesentlichen Abweichungen von der sy-
noptischen Tafel Jordan's gezwungen. Leider ist kein bestimmbares
Stück mehr an Ort und Stelle gefunden worden, und nach den Dar-
stellungen der letzten Ausgrabungen hinter SS. Cosma und Damiano *)
ist wohl auch keine Hoffnung dazu vorhanden. Es ist demnach die Frage
offen, in welcher Orientirung der Plan an jener Wand befestigt war,
und in Beantwortung dieser Frage muss ich von Jordan, wie von
Trendelenburg **) abweichen. Ist nemlich der Plan für die Wand, d. h.
für verticale Aufnahme und nicht etwa ursprünghch für ein Paviment
gemacht, so scheint unzweifelhaft, dass für die Entscheidung hinsichtlich
der ursprünglichen Orientirung die Schrift massgebend sein müsse.
Und zwar in dem Grade, dass nicht blos nirgends die Schrift für den
Beschauer verkehrt stehe, sondern auch sonst dem Standpunkt desselben
entspreche. So zeigt die wiederholt vorkommende Stellung der Buch-
staben senkrecht untereinander wie bei „Via nova" oder „Circus maxi-
mus" unzweifelhaft an, dass die annähernd senkrechte Lage der Zeile
an schmalen Raumstreifen den Zeichner veranlasste, von der sonstigen
Schreibweise abzugehen, während auch sonst Abweichungen von der
*) E. L. Tocco, Scavi di SS. Cosma e Damiano. Mon. d. I. vol. VIII tv. XL VIII a. Ann. d.
I. d. c. a. 1867. p. 408 sg. mit Anhang von W. Henzen. — Gr. B. de ßossi, Le tre antichi edi-
fizi componenti la cMesa die SS. Cosma e Damiano. Bull. d. arch. crist. Sett. Ott. 1867. — Ur-
lichs, Sitzungsbericht der Münch. Akademie, Phil. hist. Cl. 1870. S. 473.
**) Die Orientirung des capitolinischen Stadtplanes. Arch. Zeit. 1873 S. 14 fg.
Vorwort zur zweiten Ausgabe. XI
naturgemässen Stelle für eine Inschrift wie beim Aquädiict am Cälius,
bei „Theatrum Pompei" u. s. w. auf das Bestreben hinweisen, die
Schrift dem Beschauer möglichst lesbar hinzustellen. Da überdiess
manche Schriften in annähernd entgegengesetzten Linien antipodisch
gegeneinander stehen, wie „Libertatis" und „Basilica Julia" einerseits
und „Theatrum Marcelli'^ anderseits, so erscheint es beinahe unerlässlich,
die Orientirung so zu denken, dass die Senkrechte (also jene Linie,
an deren Enden wir in moderner Kartographie Nord und Süd an-
nehmen) der Richtung jener sich entgegenstehenden Inschriften ent-
sprechend gelegt werde.
Diese aber würde sich so stellen, dass sie Südost oben und
Nordwest unten zeigte. Bei dieser Orientirung allein erscheint keine
Inschrift verkehrt und es stimmt auch sonst die Lage aller übrigen In-
schriften nach den oben angegebenen Gesichtspunkten bis auf eine
nemlich die der Septa Julia nach der gewöhnlichen Application der
bezüglichen Fragmente. Was diese betrifft, so steht wegen der Gestalt
der Pfeilerdarstellung fest, dass sie nicht etwa durch einfache Umkehr-
ung der im Texte (S. 279) oder bei Jordan gegebenen Zusammenstellung
entsprechend gemacht werden könne. Dagegen steht es keineswegs
fest, dass die kleineren Fragmente in die Linie des grösseren erhaltenen
Stückes gehören, da es nicht blos möglich sondern selbst wahrscheinlich ist,
dass die Arkaden der Septa mehrseitig waren. Es muss freilich dahin
gestellt bleiben, ob eine solche Einbiegung am Nord- oder Südende
oder beiderseits vorhanden war, ob sie rechtwinklig war oder nicht,
und ob die Schriftfragmente an die nördliche oder südliche Querlinie
zu setzen seien; gewiss aber scheint mir, dass wir uns durch die nicht
gesicherte Placirung der Septainschrift nicht zwingen lassen dürfen, ab-
solute Unmöglichkeiten wie die Verkehrtstellung der Foruminschriften
und des „Libertatis" anzunehmen, sondern dass vielmehr die Lage
dieser unzweifelhaft richtig locirten Inschriften uns zwingen müsse,
bei den Septa auf einen Ausweg zu denken.
Mit dem vorliegenden Vorschlage soll jedoch keineswegs be-
hauptet werden, dass diese Orientirung eine generelle oder rituelle Be-
deutung gehabt haben musste. Auch kann nur vermuthet werden, dass
XII Vorwort zur zweiten Ausgabe.
etwa die Axenlinie des Forum Romanum, die Formation des Capitoli-
nus, Palatinus mid Aventinus die Richtung der drei Zungen des Esquilinus,
Viminalis und Quirinalis u. s. w., welche der Axenlinie von SO. nach
NW. in ihren Linien annähernd parallel oder rechtwinklig entsprechen,
auf die Wahl dieser Orientirung gerade für den Stadtplan eingewirkt
habe; behaupten will jedoch der Verfasser nichts weiter als das Factum.
München im December 1878.
Franz Reber-
INHALTSVERZEICHNISS.
Seite
Einleitung.
Baugeschichte des allen Rom 1
Die ßuinen der Stadt.
I. Der Capitolinus.
1. Der capitolinische Tempel und die Burg 65
2. Das Tabularium 69*
II. Das Forum. Boraauum.
3. Der Tempel der Concordia 75
4. Die Aedicula der Fauslina 80
5. Der Tempel des Vespasian 81
6. Die sogenannte Schola Xantha 86
7. Die Area der Dii Consentes 88
8. Der Tempel des Saturnus 91
9. Die Graecostasis (lulia) 96
10. Die Rostra der spätem Kaiserzeit 98
11. Der Umhilicus Romae und das Miiiarium aureum 99
12. Der Triumphbogen des L. Septimius Severus 102
13. Das (mamertinische) Gefängniss 107
14. Die nordöstliche Langseite des Forum (die Basilica Porcia, der Curiacomplex, die Basilica Aemilia) 114
15. Der Tempel des Antoninus und der Faustina 129
16. Tempel und Rostra Cäsar's, der Veslacomplex und andere Reste 132
17. Der Tempel des Castor und Pollux 136
18. Die Substructionsmauern hinter dem Castorterapel 142
19. Die Basilica lulia 142
20. Die Ehrensäule des Phokas 147
21. Die übrigen Reste des Platzes selbst 149
m. Die Eaiserfora.
22. Das Forum lulium 155
23. Das Forum des Augustus. Der Tempel des Mars Ultor 158
24. Das Forum des Nerva. Die Porticus der Minerva (Lc Colonnacce) 163
25. Das Forum Pacis 168
26. Das Forum des Traianus 171
XIV Inhaltsverzeichniss.
IV. Das Marsfeld. Seite
27. Das Grabmal des Bil.ulus .199
28. Reste von Wohngebäuden 201
29. Das Theater des Marcellus 202
30. Die Ueberreste der drei Tempel in S. Nicola in Carcere. (Angeblich die Tempel der Pietas,
Spes und luno Sospila.) 205
31. Die Porticus der Octavia. Der Tempel der luno 210
32. Die Crypta des Baibus .220
33. Der angebliche Tempel des Mars 223
34. Der angebliche Tempel des Hercules Custos 226
35. Das Theater des Pompeius 228
36. Das domitianische (alexandrinische) Stadium (Piazza Navona) 239
37. Der Obelisk auf Piazza Navona 241
38. Das Pantheon 241
39. Die Thermen des Agrippa 253
40. Der Obelisk auf Piazza della Minerva 255
41. Der Obelisk auf Piazza della Rotonda 257
42. Angeblicher Tempel des Neptun 257
43. Reste einer unbekannten Porticus 262
44. Der Obelisk auf Monte Citorio 262
45. Die Ehrensäule des Antoninus Pius 265
46. Die Säule des Marcus Aurelius 269
47. Die Septa lulia 276
48. Das Strassendenkmal der Aqua Virgo 281
49. Die Reste vom Triumphbogen des Marc Aurel 285
50. Das Mausoleum des Augustus 287
V. Das transtiberinisclie Gebiet und die Brücken (Vaticanus, laniculus. Tiberinsel).
51. Die älische Brücke (Ponte S. Angelo) 297
52. Das Grabmal des Hadrianus 299
53. Die Triumphalbrücke 308
54. Die vaticanische Brücke 308
55. Der Obelisk auf Piazza di S. Pietro 309
56. Die aurelische Brücke (Ponte Sisto) 312
57. Die fabricische Brücke (Ponte Quattro Cajti) 314
58. Die Tiberinsel (Isola di S. Bartolommeo) 317
59. Die Brücke des Cestius (Ponte di S. Bartolommeo) 319
59a. Station der siebenten Cohors vigilum 321
60. Die ämilische Brücke (Ponte rotto, ferrato) • 323
61. Die muthmasslichen Beste der Brücke des Theodosius und Valenlinianus (angeblich Sublicius) . 326
VI. Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinus und Aventinus.
(Forum Boarium, Velabrum, Vicus Tuscus, das Thal des Circus Maximus).
62. Der angebliche Tempel der Fortuna Virilis (S. Maria Egiziaca) 334
63. Der mulhmassliche Tempel des Hercules. (Angeblicher Tempel der Vesta.) 337
64. Der Tempel der Ceres, des Liber und der Libera (S. Maria in Cosmedin) 339
65. Der lanus Quadrifrons 343
66. Die Ehrenpforte des L. Septiuiius Severus 345
Inhal tsverzeichniss. XV
Seite
67. Die Cloaca Maxima 347
68. Der mutlimasslich antike Rundbau von S. Teodoro 350
69. Der Circus Maximus 351
VII. Der Palatinus.
70. Die Ruinen an den Abhängen der Nordweslhälfte des Palalin 373
71. Die Ruinen des nordwesUichen Plateau's 379
72. Die Ruinen der südUchen Höhe des Palatin 386*
Vni. Die Velia und das Thal des Colosseum.
74. Der Romuluslempel. (SS. Cosma e Damiano) 390*
75. Die Basihea des Constanlin . 392*
76. Der Triumphbogen des Titus 397
77. Der Tempel der Venus und Roma 400
78. Das Piedestal des neronischen Kolosses 405
79. Das flavische Amphitheater (Colosseum) 407
80. Die Meta Sudans 422
81. Der Triumphbogen des Constanlin 423
IX. Der Aventin und der Cälius.
82. Das Emporium 440
83. Reste der servischen Mauer an der Westseite des Aventinus 442
84. Die servische Mauer in der Vigna Torlonia 443
85. Die Reste der Höhe von S. Saba und S. Balbina 444
86. Die Thermen des Caraealla 445
87. Die Columharien der Vigna Codini i ... 451
88. Das Grabmal der Scipionen 455
89. Der muthmassliche Bogen des Drusus 461
90. Der lateranische Obelisk 462
91. Der neronisehe Zweigaquäduet 464
92. Der Bogen des Dolabella und Silanus 464
93. Das muthmassliche Macellum. (S. Stefano Rolondo) 465
94. Der Obelisk in der ehemaligen Villa Mattei 466
95. Die Arcaden bei SS. Giovanni e Paolo 467
96. Der angebliche Tempel des Claudius . ' 468
X. Die Esquilien.
97. Die Thermen des Titus 473
98. Ueberreste der neronischen Aurea Domus 475
99. Der Bogen des Gallienus 481
100. Das muthmassliche Nymphäum des Alexander Severus 483
101. Der angebliche Tempel der Minerva Medica 485
102. Das Sessorium und einige Columharien 486
103. Das angebliche Auditorium des Mäcenas 488
104. Der Agger (Wall) des Servius Tullius 491
XI. Die CoUes. Viminalis, Quirinalis und CoUis Hortorum (Pincius).
105. Die Thermen des Constantin 496
106. Die Dioskuren und der Obelisk von Monte Cavallo 500
XVI Inhaltsverzeicbniss.
Seite
107. Die Thermen des Diocletian " . 502
108. Die salustischen Gärten 506
109. Reste der servischen Mauer am Quirinalis 509
HO. Der Obelisk vor S. Trinitä de Monti . . ^ . . . 510
111. Der Obelisk im Giardino del Pincio 510
112. Der Obelisk auf Piazza del Popolo 511
Xn. Die aurelianische Mauer.
113. Die Porta Flaminia (Porta del Popolo) 516
114. Die Porta Pinciana 517
115. Die Porta Salaria 518
116. Die Porta Nomentana 519
117. Das prätorianische Lager 520
118. Die Porta clausa und die Porta Tiburtina (di S. Lorenzo) 522
119. Strassen bogen der Aqua Marcia, Tepula und Julia 524
120. Die Porta Praenestina (Labicana) oder der Strassenübergang der Aqua Claudia und Anio Nova
(Porta Maggiore) 528
121. Grabmal des Eurysaces und Ueberreste anderer Grabmäler 532
122. Das Amphitheatrum Castrense 533
123. Die Porta Asinaria 535
124. Die Porta Metronis 536
125. Die Porta Latina 537
126. Die Porta Appia (Porta S. Sebastiano) 538
127. Die Porta Ardeatina und die Porta Ostiensis (di S. Paolo) . 539
128. Die Pyramide des Cestius und die sich anschliessende Mauerlinie. Monte Teslaccio 540
129. Die Porta Aurelia (Pancraziana) 543
130. Die Porta Septimiana 544
XIII. Die Umgebung Roms.
Zusätze und Berichtigungen 561
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Thermae Antoiuittaiue
Vetlacj v.T.O.Weigel in. Leip zig
M. lJü\.AiistY.W.Lo«iJletjr.Berlm
Der capitolinische Plan
Ballgeschichte des alten Rom.
Längst ehe die Bewohner des Albaner- und Sabinergebirges mit den Herren
der Campagna di Roma in jene Kämpfe geriethen, welche die Bedeutung Roms be-
gründeten, ja lange bevor überhaupt eine Stadt in dem weiten Umkreise Latiums sich
erhob, hatten Berg und Thal selbst in wildem Naturkampfe gegeneinander gelegen.
Im Norden und Süden rauchten mächtige Vulcane und ergossen breite Lavaströme von
beiden Seiten her dem Flusse zu, der seine trüben Fluthen durch die zwischenliegende
sumpfige Ebene dahinwälzte. War aber ein grosser Theil der Apenninenhalbinsel da-
mals in Aufregung, indem zu Füssen jener Essen des Vulcanus durch die Stösse ge-
waltiger Eruptionen der Boden erschüttert nnd umgestaltet, bald zerklüftet und gesenkt,
bald emporgedrängt und gehoben wurde, so musste in den feuchten Niederungen des
Tiber, wo die Flammenbäche der Vulcane prasselnd sich kühlten, der Kampf der Ele-
mente den manigfachsten Ausdruck gefunden haben. Freilich, kein Augenzeuge hat
davon berichtet, ja selbst die Tradition scheint in frühester historischer Zeit nichts mehr
davon gewusst zu haben, aber wir haben die ebenso unzweideutigen als unverwüst-
lichen Denkmäler dieses wohl Jahrhunderte währenden Kampfes noch vor uns, und
wie wir noch mehre Krater verschiedener Epochen erkennen und deren Lavaströme
zu verfolgen vermögen, so finden wir mitten unter den gleichförmigen Lavawellen auch
frühere vulkanische Schöpfungen, kahle, meist schroffe Hügel aus einem älteren vulca-
nischen Gestein, dem Tuf, welcher, je nach seiner Epoche und Zusammensetzung von
verschiedener Farbe und Consistenz fast allenthalben in der Campagna zu Tage tritt.
Wie viele Jahrhunderte oder Jahrtausende vor der ersten historischen Kunde es
geschehen, dass der nördliche Krater in sich zusammenbrach, um sich für immer mit
den Wassern des sabalinischen See's, des heutigen Lago di Bracciano zu füllen, oder
dass in der Mitte des gewaltigen Kraters des südlichen Vulcans ein neuer vulcanischer
Berg, der Mons Albanus, sich erhob und die kleinen Feuerschlünde zu seinen Füssen
F. Rebek, Rom. 1
2 Baugeschichte des alten Rom.
durch die Wasser der Seen von Albano und Nemi löschte, wer vermöchte das zu be-
rechnen! Freilich vs^ar auch in historischer Zeit noch nicht jede Regung dieser Vul-
cane erstorben. Doch dachte Niemand daran, das plötzliche Steigen des Albanersee's
während der Belagerung von Veji mit einem neuen Erwachen des vulcanischen Bodens,
dem dadurch bewirkten Erguss eines bisher verschlossenen Zuflusses oder der Ver-
schliessung eines vorher bestehenden Abflusses in Verbindung zu bringen. Es begreift
sich daher um so leichter, dass während der Tuf des Landes ursprünglich das fast
einzige Baumittel war, während man auf dem Rücken des langen Lavastromes, der
sich vom Albanergebirge bis zum Grabmale der Cäcilia Metella ausser einer geringen
Abweichung gradlinig hinzieht, die Via Appia anlegte, und überdiess alle Strassen der
Stadt und Umgegend mit den Basaltpolygonen pflasterte, die man an den Lavawcllen
selbst brach. Niemand die Natur dieses Gesteins ahnte. Uebrigens war der vulcanische
Grund, wie noch jetzt, fast durchaus mit einer Schichte von Humus bedeckt, zum Theil
in solcher Tiefe, dass die üppigste Vegetation gedeiht, zum Theil aber so dünn, dass
sie den Getreidebau entweder gar nicht verträgt oder wenigstens unergiebig macht
und nur Weidewirthschaft zulässt, welch letzterer man jetzt in der Campagna di Roma
leider fast anschliessend huldigt.
Die gleichheitliche Mischung von Acker- und Weidewirthschaft , welche sich
schon mit dem ersten Auftauchen geschichtlicher Nachrichten findet, war sonach nicht
ohne grosse Ertragsgenügsamkeit und Anstrengung durchführbar. Allein nur der Verein
von beiden landwirthschaftlichen Richtungen machte die dichte Bevölkerung in der Tiberebene
möglich, welche wir von der frühesten Zeit an erwähnt finden, und welche das Maass
der gegenwärtigen weit überschritten haben musste. Welches Volk es nun war, das
sich zuerst in dieser Gegend niederliess, wird trotz der zahlreichen vorgeschichtlichen
N^otizen, die namentlich Dionysios von Halicarnassos überliefert hat, eine unbeantwort-
bare Frage bleiben. Es handelt sich auch hier nicht um die Namen jener Urvölker,
aus deren Verdrängung, Verschmelzung oder Sonderung die Völkergruppen hervorgin-
gen, welche wir in historischer Zeit finden. So viel ist gewiss : lange vor dem histo-
rischen Rom erhoben sich auf allen geeigneten Höhen Städte oder vielmehr Flecken,
insgesammt befestigt wegen des friedlosen Zustandes, der durch die Berührung ver-
schiedener Nationalitäten in der Mitte Italiens wenn nicht hervorgerufen so doch unter-
halten und genährt worden war. Von solchen schon im Anfang der historischen
Zeit verschwundenen Städten finden sich jetzt noch deutliche Spuren, wie z. B. von
Collatia, dessen Bestimmung auf einem Hügel in der zwischen Rom und Tibur am
linken Anioufer jetzt als unumstösslich gelten kann, und von Apiolä (dessen Namen
jedoch noch gewichtige Einwürfe zulässt) zur Rechten von der Via Appia zwischen
dem 8. und 9. Meilensteine.
Uralte städtische Ansiedliingen in der Campagna. 3
In einer Zeit aber, in welcher man der Anlage einer Stadt in der Niederung
ganz und gar abgeneigt war, und immer zwar massige aber möglichst steil abfallende
Höhen für Niederlassungen erkor mussten vor allen die quellenreichen Hügel am Tiber,
welche nachmals Rom einnahm, für Ansiedler lockend erscheinen, sowohl durch ihre
eigene Beschaffenheit, welche die Defensive sicherte, als durch den unmittelbar nahen
Fluss, welcher ausser dem nicht unwesentlichen Schutze sowohl den Angriff auf an-
dere als auch den friedlichen Verkehr erleichterte.
Im römischen Volke selbst lebten Traditionen von dem Bestehen uralter vor-
romulischer Gemeinden auf einzelnen der sieben Hügel. Da man jedoch hierin nichts
Sicheres wusste, so half der Mythus aus, der rein etymologischer Natur war, gemacht
aus sonst unerklärlich scheinenden Lokalnamen. So soll lanus auf dem Hügel jenseits
des Tiber die Burg laniculum, für welche überdies ein alter griechischer Nebenname,
Anlipolis, sich findet,^ Saturnus auf dem nachmals Capitolinus genannten Hügel Salnr-
nia gegründet haben. ^ So mussten es auch Arkader gewesen sein, welche später un-
ter Evander auf dem Palatinus sich niederliesscn, um den alten Namen dieses wohl
wahrscheinlicher von palcs (Weideplatz) benannten Berges, Palanteum, mit der gleich-
namigen arkadischen Stadt in Verbindung zu bringen. ^ Im Allgemeinen wird auch sonst
von vorromulischen Ansiedelungen auf den Hügeln der ewigen Stadt häufig gespro-
chen, * und namentlich in dem Feste SeptimonUum scheint eine Erinnerung an einen
vorromulischen Gemeindeverein zu liegen,^ bei welchem Verein jedoch auf den Wort-
laut nicht zu viel Gewicht zu legen ist, denn unter den sieben Stätten war wenigstens
die Subura nach der späteren Bedeutung des Namens sicher kein Hügel. Wenn sich
allerdings gegen solche Notizen, abgesehen von der mythischen Form der Ueberliefe-
rung, einwenden lässt, dass sie aus dem Bestreben, das Bestehen Roms in eine mög-
lichst hohe Zeit hinaufzuschrauben, sowie aus der Absicht, mit Hellas Anknüpfungs-
punkte herzustellen, hervorgingen, so erlaubt es doch die Natur der Sache, anzuneh-
men, dass man einen so günstigen Platz nicht bis in die angebliche Zeit des Romu-
lus unbesetzt gelassen habe, während nachweislich ringsum auf weniger vortheilhaften
Höhen Städte — wenn man sie so nennen kann — gegrivndet wurden.
Die Aeneassage kann man füglich auf gleiche Linie stellen, wie die von Evan-
der. Hier erscheint jedoch neben dem Bestreben, die Anfänge Roms zu hellenisiren,
noch die Sucht nach Genealogien, welche überhaupt zu Ende der römischen Republik
1 Plin. H. N. III. 5, 9, 68. 2 virgil. Aen. VIII. v. 357 sq. Serv. ad Virg. Aen, v. 319. 3 Liv.
I. 5. Dionys. I. 31. Virg. Aen. VIII. v. 52 sq. Serv. ad I. c. * Varro L. L. V. 8, 17. Dionys. I. 72.
73. Plin. H. N. 1. c. Dio Cass. fgm. Vales. 3. Serv. ad Virg. Eclog. 1. v. 20. Aen. VII. v. 678. (Salust.)
Fest. B. V. Roinam s. v. Saturnia. » Varro L. L. V 7. 13. Ms. Florent. (Nieb.) (in den meisten Hdschr. cor-
rumpirt. cf. Spengel V. 5, 12 et 7, 13.) Fest. s. v. Sacrani.
1*
4 ßaugeschichte des alten Rom.
der Stammbaumsucht des vorigen Jahrhunderts in nichts nachgestanden zu sein scheint.
Und dass man, nachdem schon vorher die Aeneas - und Romulussagen in der römischen
Urgeschichte die populärsten geworden waren, namentlich in der ersten Kaiserzeit mit
Vorliebe die ( hne Zweifel fingirte Königstafel der Aeneiden entwickelte, erklärt sich
leicht aus dem Umstände, dass Cäsar selbst sein Geschlecht durch Aeneas mit Aphro-
dite in Verbindung zu setzen beliebte.
Als selbständig organisirler Staat erscheint die Ansiedelung in der Ueberliefe-
rung ert mit Romulus, einem angeblichen Descendenten aus dem Geschlecht der Ae-
neiden. Doch auch von diesem ist höchst wahrscheinlich, dass man unter seinem Na-
men nur den verkörperten Zeitpunkt der Entstehung eines Staates im eigentlichen Sinne
zu verstehen habe, ein Gedanke, der jedoch keineswegs der neueren Zeit angehört,
indem schon im Alterthume die Ableitung seines Namens von Roma erwähnt wird. ^ Da-
mit muss die althergebrachte und unzähligemal recitirte Gründungs- nnd Stadtbenen-
nungsgeschichte fallen. Romulus ist übrigens nicht die einzige der von dem Stadtna-
men abgeleiteten Personificationen: es finden sich mehrfache Erwähnungen eines Romus,
der in unmittelbare Verbindung mit Aeneas, somit chronologisch höher hinaufgesetzt
wird, von welchem angeblich die Stadt ihren Namen erhalten haben soll. ^ Mehre an-
dere bezeichnen die Hierin Rome oder eine Göttertochtcr und Seherin gleichen Namens
als Namengeberin. ^ Wenn wir nun den Romus und die Rome ebenso wie den Romu-
lus nur als Personificationen des Stadtnamens betrachten, so bleibt die Erklärung des
letzteren wieder unerledigt. Die bisherigen Versuche haben auch die Frage keineswegs
zum Abschluss gebracht. Ganz unwarscheinlich ist es, im Anschluss an eine alte
Notiz ^ dabei an „pW|U/y" (Kraft) zu denken, sowohl" wegen der Ferne griechischen Ein-
flusses, als auch wegen der Ungewöhnlichkeit allegorischer Renennungen von Städten
in Italien. Mommsen vermuthet, dass sich der Name aus „rama" — Zweigstaat —
gebildet habe: am wahrscheinlichsten bleibt es, mit anderen Autoritäten den Namen
von rumis oder ruma (die säugende Rrust oder eine andere Anschwellung) abzuleiten,
was jedoch nicht, wie dies im Alterthume geschah, ^ auf die Säugung des Romulus
und Remus durch die Wölfin zu beziehen sein dürfte, welcher Mythus eher umgekehrt
aus dem Namen entstanden ist, sondern vielmehr auf die brustähnliche Gestalt der bei-
den urrömischen Hügel, sowohl des Capitolinus mit seinen Doppelkuppen als auch des
ähnlich getheilten Palatinus an und für sjch, wie nicht minder dieser beiden Hügel zu-
sammen. Die Vereinigung von Palatinus und Capitolinus zu einer Stadt schreibt auch
die Ueberlieferung dem Romulus zu.
1 Serv. ad Virg. Eclog. I. 20. 2 Kephalon Gerg. ap Dionys. I. 72. Apollod. ap. Fest. s. v. Eomam.
3 Dionys. 1. c. Marinus ap. Serv. in Virg. Ecl. I. v. 20. Galatas ap. Fest. 1. c. * Fest. (Paul.) s. v. Komulus.
« Fest. 1. c.
Gründungssagen. Ursprüngliches Stailtgebiet. Latiner, Sabiner, Etrusker. 5
Ursprünglich aber war seine jedenfalls latinische Stadt auf den Palatinus be-
schränkt, einen Hügel von nur 2000 Meter im Umfange. Auf dem gegenüberliegenden
Capitolinus scheint damals eine sabinische Niederlassung festen Fuss gefasst zu ha-
ben. Die Unmöglichkeit ihrer Vertreibung führte zuletzt zu dem Auskunftsmittel fried-
licher Verschmelzung, und als damit die nationale Einheit einmal aufgegeben war,
konnte sich leicht ein Freistaat entwickeln, der durch sein geheiligtes Asyl auf dem
capitolinischen Hügel auch Flüchtlingen anderer Völkerschaften einen Zufluchtsort dar-
bot. Mochten aber von dem Asylrecht auch fernere Stämme gelegentlich Gebrauch machen,
die Hauptbestandtheile der Bevölkerung der sich rasch vergrössernden Stadt lieferten
die drei Nationen, welche sich am Tiber berührten, die Latiner, Sabiner und Etrusker.
Wie der Kern der römischen Ansiedelung aus Latinern bestand, so auch ent-
schieden der meiste Zuwachs. Das nächstbedeutende Element waren die Sabiner. An
dritter Stelle stehen die Etrusker, welche, obwohl in staatlicher Beziehung fast ohne
sichtbaren Einfluss, doch in Hinsicht auf Cult und Kunst und deshalb für unsere Be-
trachtung von höchster Bedeutung waren. Was die etruskische Kunst betrifft, so ist
zwar in neuester Zeit sowohl ihr Werth überhaupt, als auch ihre Geltung in Bom über
die früiiere Schätzung herabgesetzt worden, allein um zu belegen, dass der Kunstbe-
trieb in Bom in den ersten Jahrhunderten der Stadt in den Händen der Etrusker war,
dafür würden schon die einzigen Worte Varro's ausreichen : ^^ante hanc [CererisJ aedem
Tuscanica omnia in aedibus fuisse"^ Denn der Cerestempel, welcher 17 Jahre nach
der Vertreibung der Könige geweiht wurde, ^ war der erste, der von griechischen Bild-
hauern und Malern ausgeschmückt wurde. Merkwürdig ist jedoch, dass der Tempel
selbst von Vitrnv als (tuscischer?) Aräostylos d. h. als weitsäuliger bezeichnet wird, ^
woraus abzunehmen ist, dass man in der Architektur an der tuscischen Anlage noch
festhielt, welcher unter anderen nachweislich auch der kurz vorher vollendete bedeu-
tendste Tempel Boms, der des capitolinischen Jupiter, angehörte. ^
Ueber die Gestalt der Stadt in der romulischen Zeit (zweite Hälfte des 8. Jahrh.
v. Chr.) sind uns nur dürftige Züge überliefert. Die palatinische Stadt, die Roma qua-
draia^'^ war für sich mit einer Mauer umgeben, welche durch drei oder vier Thore
unterbrochen war, ** an den zugänglicheren Stellen gewiss auch der Capitolinus. Von
der palatinischen 3Iauer glaubt man sogar Ueberreste in fünf einzelnen Mauerstücken
ursprünglicher Fügung an verschiedenen Stellen des Palatin gefunden zu haben, von
welchen im Laufe der Besciireibung ausführlicher die Bede sein wird. Der Thalein-
schnitt zwischen den beiden Hügeln bestand aus einem Sumpfe, noch früher aus einem
See, und es finden- sich noch sagenhafte Anklänge an eine Zeit, in welcher man das
1 Plin. H. N, XXXV. 12, 45, 154. 2 Dionys. VI. 94. ^ Vitniv. III. 3, 27. < Liv. I. 56. Vitruv. 1. c.
* Varro ap. Solin. I. 17. ^ pijn. H. N. III 5, 9, 66. Das Nähere bei der BeschreibuDg des Palatin selbst.
Q Baugeschichte des allen Rom.
Velabrum auf Kähnen überfuhr.^ An der Stelle, an welcher sich die Thalsohle gegen
Norden hin etwas hob, in der Gegend des späteren Forum scheint jedoch der Boden
schon seit Roms Anfängen trocken und zugänglich gewesen zu sein. Hier war der ge-
meinsame Marktplatz eingerichtet und ein Theil desselben für das Comitium abgegränzt,
der Platz, auf welchem ursprünglich die Häupter der beiden Stämme, der Latiner und
Sabiner (Romulus und T. Tatius) zur gemeinschaftlichen Berathung zusammengetreten
sein sollen CcomireJ.'^
Das Innere der Doppelstadt aber musste ein sehr ärmliches Aussehen gehabt
haben. Der angebliche Palast des Romulus, der bis in späte Zeit als Nationalheilig-
thum unterhalten wurde, war eine strohbedeckte Hütte, ^ und wenn wir auch mit Recht
bezweifeln, dass Romulus wirklich der Besitzer war, so erlaubt uns doch die Antiquität
einen Schluss auf- die Beschaffenheit der Wohngebäude des ursprünglichen Rom im
Allgemeinen. Solider, wenn auch einfach und verhältnissmässig schmucklos dürften
jedoch die ersten Tempel gewesen sein, von welchen der neuerlich auch wieder lokal
nachgewiesene, angeblich von Romulus erbaute Tempel des Jupiter Stator der bedeu-
tendste gewesen sein mag; auf Ringmauern und Tempel scheint sich jedoch der Stein-
bau beschränkt zu haben.
Der Palatin, welcher ein ziemlich geräumiges und nur durch eine leichte Ein-
senkung getheiltes Plateau darbot, war offenbar für eine städtische Ansiedelung weit
geeigneter, als der gegenüberliegende Capitolin, welcher schon durch seine Gestalt
mehr zur Burg als zur eigentlichen Stadt sich qualificirte. Denn ohne bequemen Raum
für eine Niederlassung darzubieten, erhebt sich dieser in zwei Spitzen, die durch eine
ziemlich tiefe Einsattelung getrennt sind. Die letztere ist nur so gross, dass sie jetzt
den drei Gebäuden, welche das moderne Campidoglio ausmachen, dem Senatorpalast,
dem capitolinischen Museum und dem Conservatorenpalast Raum giebt, während die
südliche Höhe vom Palazzo Caffarelli und den wenigen Häusern der via di Monte Ca-
prino, und die nördliche von Kirche und Kloster S. Maria in Araceli fast vollends be-
deckt sind. Die südliche Höhe, fiel an den drei freien Seiten in grossentheils nackten
Tufwänden schroff ab, was sich jetzt natürlich durch den hinabrollenden Schutt an ei-
nigen Stellen verändert hat. Die nördliche Höhe aber (die Höhe von Araceli), welche
die andere etwas überragt, hing ursprünglich durch eine sanfte Abdachung, die jedoch
Trajan bei der Anlage seines Forum abgraben Hess, mit dem Quirinalis zusammen.
Von dem letztgenannten mit dem zu engen Capitolin in Verbindung stehenden Hügel
1 Varro L. L. V. 7, 14. TibuU. IL el. 5. v. 33 sq. Propert. IV. el. 9. v. 5 sq. . ^ Plutarch. Eomul. 19.
3 Dionys. I. 79. cf. Plut. Eom. 20. Vitruv. II. 1, 5, der freilich irrig den Capitolinus als die Stätte der Eo-
mulushütte angiebt. Sie wird noch in nachconstantinischer Zeit als existirend erwähnt. Notitia und Curio-
sum ü. E Eeg. X,
Besetzung der sieben Hügel. 7
nahmen auch die Sabiner einen Theil in Besitz, ^ sei es nun, dass die Besetzung des
Capitolinus voranging, oder die der beiden Hügel gleichzeitig war, oder dass, wie Nie-
buhr^ wahrscheinlich macht, die Sabiner vom Quirinalis als vorher gewonnenem Punkte
aus sich des Capitolinus bemächtigten, wonach die launisch- sabinische Doppelstadt
schon in der sogenannten romulischen Zeit über drei Hügel sich erstreckt hätte. Auch
soll schon Romulus theilweise den Caelius, der von dem Eichönwalde, mit dem er be-
deckt war, Querquetulanus hiess, ^ besetzt haben, indem er ihn seinen angeblichen
Verbündeten, einer Schaar Etrusker unter Caeles Vibenna oder Caelius Vibennus ein-
räumte. ^ Andere Nachrichten setzen (wohl mit Unrecht) diess Ereigniss in eine spätere
Zeit, nemlich in die des Tarquinius Priscus; in welchem Falle die Besetzung des Cae-
lius durch die Bewohner des durch Tullus Hostilius, den dritten König Roms, zerstör-
ten Alba Longa ^ vorausgegangen und ohne Bestand gewesen wäre So viel ist we-
nigstens sicher, dass der Caelius in romulischer Zeit noch ohne städtische Mauerab-
gränzung war. Noch weniger aber kann der Aventinus in den Kreis der romulischen
Stadt gezogen werden, wenn auch erwähnt wird, dass Romulus ihn schon vor dem
sabinischen Kriege befestigt habe. "^ Denn abgesehen davon, dass diese frühe Zeit der
Befestigung in einigen Zweifel gezogen werden kann, halte dieselbe ausgespro-
chenermaassen nur den Zweck, für die Zeit einer feindlichen Invasion den Landleuten
und den Heerden vorübergehenden Schutz zu gewähren. Eine wirkliche Ansiedelung
auf dem Aventin wird dem vierten Könige, Ancus Marcius, zugeschrieben. '
Des Romulus Nachfolger Numa Pompilius befestigte den qnirinalischen Hügel,
der, vom Capitolinus an zuerst in nördlicher Riclitung, dann östlich sich hinziehend, an
den ausgedehnteren Höhenrücken sich anschliesst, von welchem noch zwei andere Hügel
Roms, der V'iminalis und der Esquilinus, die Ausläufer sind. Tullus Hostilius, der dritte
König Roms und Zerstörer von Alba Longa, führte das unterworfene Volk von dort
nach Rom und gab ihm, Avie schon erwähnt, den Caelius als Niederlassung. Dieser
Hügel ist durch ein schmales Thal, dessen Richtung durch die Via di S. Gregorio be-
zeichnet wird, von dem östlichen Abhänge des Palatin getrennt und erstreckt sich in
einem Umfange von 5000 Meter ostwärts mehrfach eingebuchtet bis an die Aurelians-
mauer. Im Widerspruche mit der Angabe des Dionysius wird indess anderwärts '^ die
Ummauerung dieses Hügels erst dem Nachfolger des genannten Königs, dem Ancus Mar-
cius zugeschrieben. Dieser soll auch^ nachdem er Tellenae und Politorium und andere
Städte eingenommen hatte, mit den Unterworfenen den fünften Hügel Roms bevölkert
haben, nemlich den Aventin, ^ welcher von dem südwestlichen Abhang des Palatinus
iDionys. II. 50. 2 Nicbuhr, Eöm. Gesch. I. S. 321 fg. cf. Strabo V. 3. 7. 3 Tacit. Annal. IV. 65.
< Varro L. L. V. 8, 14. Dionys. II. 36. Paul. Diac s. v. Caelius luons. « Dionys. III. 1. Liv. I. 30.
6 Dionys. II. 37. 7 Dionys. III. 43. Liv. I. 33. » Strabo V. 3, 7. » Dionys. III. 43. Liv. I. 38.
8 Baugeschichte des alten Rom.
durch das Thal des Circus geschieden ist und im Osten vom Tiber bespült wird. Die
Nachricht von dieser Bevölkerung des Hügels ist sehr bedenklich; vs'enn sie jedoch
richtig ist, so hatte jedenfalls diese Ansiedelung keine Bedeutung: denn im J. 298 d.
St., 456 V. Chr., kurz vor der Decemviralherrsohaft, war der Hügel noch grösstentheils
ager publictis, als die lex Icilia de Aventino publicando ihn der Plebs zur Niederlas-
sung überliess,^ Merkwürdig ist überdiess, dass der Aventin, selbst nachdem er durch
die gemeinsame Stadtmauer in den Stadtbezirk gezogen worden war, vom Pomoerium
ausgeschlossen blieb, in welches ihn erst Kaiser Claudius aufnahm, was keinen andern
Sinn haben kann, als dass man den Hügel nicht als einen integrirenden, gleichberech-
tigten Stadttheil, sondern vielmehr als eine Art von vorstädtischem Gau betrachtete.^
Während bisher diese fünf Hügel, wie es scheint jeder für sich, selbständig be-
festigt waren, unternahm es des Ancus Nachfolger Tarquinius Priscus, die gesammten
unter der Autorität der palatinischen Römer verbündeten Gemeinden durch eine ge-
meinsame Mauer zur einigen Stadt zu erheben. ^ Dem Tarquinius Priscus wird jedoch
nur ein geringer Antheil an der Ausführung dieses Unternehmens zugeschrieben, da
dieses schon im Beginne durch einen Sabinerkrieg unterbrochen worden sein soll.
Erst des älteren Tarquinius Nachfolger Servius Tullius, der auch den Rest des quiri-
nalischen Hügels, den Viminalis und den Esquilinüs, der Stadt einverleibte, brachte
das Werk zu Stande.'* Wie die alten Namen des Caelius und Aventinus, nemlich Quer-
quetulanus und Murcus, ^ von dem sie bedeckenden Gehölz, Eichen und Myrthen, her-
rühren, was allerdings bei dem letzteren nicht unbestritten ist, so deuten wohl auch
die Namen der beiden letztaufgenommenen Hügel auf Wälder von Wintereichen [esculnsj
und Weiden (vimen, salix vimhialisj. ^ Der Quirinalis aber soll früher den Namen
Agonus, gehabt haben, ' über dessen Bedeutung es an Nachweisen fehlt. Die Befe-
stigung dieser drei letzten Hügel, welche nordöstlich miteinander in Verbindung stehen,
verstärkte an der Ostseite noch der letzte der sieben Könige, Tarquinius Superbus, ^
da wo Plinius den stattlichen Wall vorzüglich bewundert. '^
Wenn schon Dionys sagt, ^"^ dass man bereits zu seinerzeit die Linie der ser-
vischen Befestigung nicht mehr genau verfolgen, sondern, da sie unter den Gebäuden
des sich immer mehr erweiternden Rom verschwunden und als unbrauchbare Antiquität
grossentheils abgetragen war, nur annähernd vermuthen könne, so kann natürlich
in unseren Tagen ihr Lauf im Einzelnen noch weniger genau angegeben werden.
Die Schwierigkeit ist aber insbesondere bei den Thoren gewachsen, da in den mo-
1 Dionys. X. 31. 32. Liv. III. 31. 32. 2 Qell. XIII. 14 . 3 Dionys. III. 67. Liv. I. 36. 38. Aurel. Vict.
de vir. 111. 6. * Strabo 1. c. Liv. I. 44. 5 Paul. Diac. s. v. Murciae. e Vano L. L. V. 8. § 16. Juvenal.
Sat. IIT, V. 71. Fest. s. v. Viminalis. ' Pest. s. v. Quirinalis. Paul. Diac. s. v. Agoniuni. ^ Dio^yg jy 54^
»Plin. H. N. III. 5, 9, 67. jo Dionys. IV. 13.
Gang der servischen Mauer. 9
dernen Rom auch die Strasseiilinien vielfach gewechselt haben. Doch lässt sich
der Zug der servischen Mauer aus dem Zusammenhalt der classischen Notizen vs^enig-
stens theilweise noch mit Bestimmtheit nachweisen, ^ wie denn auch die neuesten Aus-
grabungen noch manchen Rest als Anhalt und Beleg zu Tage gefördert haben.
Nur ein verhältnissmässig schmaler Theil des servischen Stadtbezirks, die Thal-
ebene zwischen dem tarpeischen Fels und dem Aventin stiess an den Tiber, und hier
fehlte die Mauer, als durch den Schutz des Flusses entbehrlich, gänzlich. Am Nordendc
dieser Flussgränze begann die Mauer zwischen Ponte rotto und der Via della Con-
solazione d. h. zwischen zwei antiken Marktplätzen, dem Forum boarium, welches im
Innern, und dem Forum olitorium, welches ausserhalb lag.^ Nahe am Ufer befand sich
ein Thor die Porta Flumentana.^ Wenn es dann überhaupt eine Porta triumphalis ge-
geben hat, die jedoch keine Verkehrsbedeutung gehabt haben und nur bei Triumphal-
festlichkeiten geöffnet worden sein konnte, so lag diese nicht weit davon.* Sehr wich-
tig für den Verkehr war dagegen die häufig erwähnte, am südwestlichen Fasse des
Capitols liegende Porta Carmentalis, von welcher aus der Vicus jugarius nach dem Fo-
rum Romanum führte. Nun stieg die Mauer bei der Mündung der Via di Monte Ca-
prino zur halben Höhe des Capitoliums hinan und umzog diesen Hügel an der Nord-
westseite bis zum Grabmal des Bibulus. Thor und Aufgang hatte der Berg an dieser
Seite wohl über ein halbes Jahrtausend nicht, bis der servische Mauerring als ohne
strategischen Werth auflässig geworden war, und die immer dichtere Besetzung des
Marsfeldes in der Kaiserzeit wenigstens einen Treppensteig auch an der Nordseite un-
entbehrlich machte.^
Südlich vom Bibulusgrabe, welches nach altem römischen Gesetze ausserhalb
des Stadiringes sein musste, zweigte die Mauer wieder vom Capitol ab, und bildete,
wie die Ausgrabungen des Jahres 1862 anlässlich der Tieferlegung der Via di Marforio
ergeben haben, zwischen 81 C und 81 E dieser Strasse wieder ein Thor, die Porta
Ralumena.*^ Nun überschritt sie die ursprünglich sanft abdachende und erst durch Traian
beträchtlich tiefer gelegte Einsenkung zwischen Capitol und Quirinal etwa in der Linie
der nachmaligen Basilica Ulpia und stieg dann wieder am östlichen Rande des Quiri-
nalis empor zu jener Stelle, wo jetzt die neue Via del Quirinale in die hier bei Villa
Rospigliosi durchgebrochene Via Nazionale einmündet, bei deren Zusammenstoss in-
1 Nibby, Le mura di Eoma. Koma 1820. Piale, delle porte settentrionali &c. del recinto di Servio.
Roma 1833. 1834. Platner, Bunsen, Gerhard u. A., Beschreibung der Stadt Eora. Stuttgart 1830. L. Canina,
ludicazione topografica di Roma antica. Roma 1841. (3. Ed.). Becker, de Romae veteris muris atque portis.
Lips. 1842. R. A. Lanciani, Sülle mura e porte di Servio. (Ann. d. I. d. C. a. 1871 Vol. XLIII. p. 40—85. Mon.
d. J. vol. IX. tav. XXVII.) 2 Liv. XXV. 7. Ovid Fast. VI. 471. 3 Cic. ad Att. VII. 3. Liv. XXXV. 9. 21.
Paul. Diac. p. 89 ed. Müller. * Cic. in Pis. 23. Flav. Jos. Bell. lud. VII. 5. 4. » H. Jordan, suUa posizione
der arce capitolina. (Ann. d. I.d. c. a. 1867 p. 385—389.) epiut. Popl. 13. Plin. H. N. VIII. 42 Solin. 193. 3.
F. Reber, Rom. 2
iO Baugeschichte des allen Rom.
folge bedeutender Tieferlegung (1876) Mauer- und muthmasslioh sogar Thorreste (Porta
Fontinalis)^ zu Tage kamen. Weitere Mauerreste finden sich dann unter den angeb-
lichen Substructionen des Soltempels in Giardino Colonna links für den die Via del
Quirinale hinansteigenden, während noch ein anderes bedeutendes Stück im oberen
Theil des neuen Aufganges zum Quirinal zwischen der sog. Panatteria und den Stalle di
Bernini, 1866 entdeckt wurde, beide den Mauerzug unzweifelhaft bis zum nächsten
Thore bestimmend. Dieses aber entsprach, wie die Auffindung eines Grabmals bei S.
Feiice (1866) sowohl hinsichtlich der Strassenrichtung wie als Gränzpunkt, da das Thor
innerhalb gelegen sein musste, lehrte, der Via Dataria und hatte den Namen Porta San-
qualis.^ Von da ab zog sich die Mauer ohne Zweifel am Abhang des Quirinal unge-
fähr der Mauer der jetzt königlichen Quirinalsgärten entsprechend hin, und überschritt
bei Palazzo Barberini, in dessen Garten zu Bartoli's Zeit die sichersten Spuren davon
gefunden wurden,^ die Via di quattro Fontane. Die Einbuchtung der Hügelformation
an dieser Strasse, welche ein bequemeres Ansteigen und anderseits auch die Verthei-
digung des Zuganges beförderte, und Bartoli's Notiz, welche einer Einziehung der Mau-
erlinie hier erwähnt, lassen vermuthen, dass hier, etwa der südlichen Ecke des Palazzo
Barberini entsprechend die Porta Salutaris ^ lag. Weitere Mauerreste werden dann
an der mächtigen Substruction der ehemaligen Villa Barberini, jetzt Spithöver sichtbar,
und zwar an fünf Punkten, so dass kein Zweifel ist, dass die Mauerlinie und die
Linie der aus verschiedenen Zeiten stammenden Substruction identisch sei, wenn auch
jene Mauerreste von den übrigen der servischen Mauer sich dadurch unterscheiden,
dass deren Quadern etwas unter dem sonst gewöhnlichen Höhenmaasse stehen und
nicht so regelmässig der sog. etrurischen Lagenordnung folgen. Das bedeutendste auf
dem Spithöver'schen Grunde in der Nähe der Abzweigung der Via Salaria von der Via
Venti Settembre gefundene Mauerstück, neun Lagen hoch, zeigt überdiess, nachdem der
nördlichste Punkt erreicht ist, die Wendung nach Osten.
In dem genannten Strassenwinkel aber hört das Terrain auf die Befestigung zu
unterstützen, indem nun die Hochebene beginnt, als deren südwestliche Ausläufer die
Hügel Quirinalis, Viminalis und Esquilinus (Cispius und Oppius) zu betrachten sind.
Es musste daher von hier ab das Befestigungswerk verstärkt werden, was durch den
„agger^' des Servius TuUius geschah.^ Vor Kurzem noch war der Anfang dieses Wal-
les in der Ecke zwischen Via Venti Settembre und der jetzt beseitigten Via del Maccao
im ehemaligen Karthäuserkloster sichtbar, jetzt ist mit der Erbauung des Finanzmini-
steriums auch jene Anfangsstelle als der letzte Best geebnet, wie überhaupt die gründ-
7 Liv. XXXV. 10. 2 Paul. Diaconus ed. Müller 345. 3 ßartoli Memoria ed. Fea Mise. I. 230. * Paul.
Diac. ed. Müller 327. » Dionys. IX. 68. Strabo V. 3. cf. Bergau & Pinder, gli avanzi dell' aggere e del
niuro di Servio Tullio scoperti nella Villa Negroni. (Ann. d. J. 1862 p. 126—137).
Gang der servischen Mauer. \i
liehe Neuanlage dieses Stadttheiles mindestens ebensoviel zur Zerstörung als zur Ent-
deckung beigetragen hat. Jedenfalls aber boten die Erdarbeiten bei Anlage des Bahn-
hofes die vorher noch nicht gegebene Gelegenheit, den Durchschnitt dieses Befestigungs-
werkes auf's Genaueste kennen zu lernen. Der Agger hatte, wie das auch die
classischen Nachrichten geben, aussen einen Graben vor sich, der mindestens 30 Met.
breit und mit Dionys von Halicarnass von der Höhe der Mauer an gemessen, über 9
Meter, vom Niveau der nächsten Umgebung an aber wenig mehr als 3 Met. tief, die
sonst vor den Hügeln liegenden Thäler ersetzen sollte. Die Spuren davon haben sich
gefunden, es liess sich nemlich die nachmalige Schuttausfüllung deutlich von dem
jungfräulichen ursprünglichen Boden unterscheiden, wodurch sich auch die obigen Maass-
angaben des Dionys von Halicarnass bestätigten. An der Aussenseite des wasserlosen
Grabens lief eine Strasse entlang, von welcher sich 1867 und 1871 Reste, nachmals
beseitigt, gefunden haben. An der Innenseite des Grabens erhob sich der Wall, eine
Erdaufschütlung aus dem vom Graben gewonnenen Material, welche nach aussen, gegen
den Graben hin, von einer starken Substructionsmauer gestützt war.
Anfang, Mitte und Ende des Agger aber war durch Thore bezeichnet. Die
Porta Collina befand sich nach Strabo^ wie nach den neueren Gräber- und anderen Ent-
deckungen von Porta Salaria und Pia zweifellos an der jetzigen Via di Venti Settem-
bre, etwa an der Stelle der Nordecke des neuen Finanz-Ministeriums. Die Porta Vi-
minalis lag nach demselben Gewährsmann in der Mitte des Walls, ob indess dieses
im buchstäblichen Sinne verstanden werden kann, ist zweifelhaft, da mehr nördlich da-
von in der Nähe der Nordecke des Bahnhofes Reste eines alten Vicus (Portae Vimi-
nalis?) sowohl innerhalb als ausserhalb der Walllinie gefunden wurden,^ wogegen frei-
lich die an der Stelle des ehemaligen Monte di Giustizia präcisirte Auffindung der
Leitungen der Aqua Marcia Tepula und Julia, welche nach Frontin bei der Porta Vi-
minalis in die Stadt traten, im Sinne Strabo's zu sprechen scheint. Am Ende des
Agger aber befand sich die Porta Esquilina, über deren Lage an der Stelle des im
3. Jhrh. n. Chr. gebauten Gallienusbogens nach den letzten Entdeckungen der Mauer-
reste bei S. Vito kein Zweifel mehr bestehen kann, zudem da jetzt, so lange der
ganze Raum von S. Vito bis zum Bahnhofe zum Zweck der neuen Stadtanlage geebnet
und offen ist, die Linie des Agger an den erhaltenen Resten der Aussenmauer leicht
zu verfolgen ist. Es wird demnach die durch P. Esquilina in die Stadt führende Strasse
ungefähr der Via di S. Sisto und der Via di S, Lucia in Selce entsprochen haben.
Von der Porta Esquilnia weg lief die servische Mauer, nun wieder einfach und
1 Strabo V. 3. 2 r. Lanciani, delle scoperte principali awenute nei colli Quirinale e VimJnale. Bulle-
tino della coramissione archeologica municipale di Roma. Sett. — Ottobre 1873.
2*
\2 Baugeschichte des alten Rom.
wegen der Beschaffenheit der Terrains ohne Grabenverstärkung am östlichen Rande je-
nes Theiles des Esquilinus hin, der im Alterthume Oppius hicss, d. h. die heutige
Via in Merulana durchschneidend; im weiteren Verlauf innerhalb (westlich) von der-
selben dem Liguorianerkloster gegenüber kamen auch noch Reste in der Via Seite
Säle zu Tage. Die folgende Mauerlinie aber ist für eine Strecke schwer bestimmbar.
Ziemlich sicher erscheint, dass sie an der Ecke des Esquilinus (Oppius) angelangt,
ehe die heutige Via Merulana die jetzige Via Labicana durchschneidet, in dem Thal-
einschnitt zwischen Esquilinus und Colins sich etwas einwärts zog, und in dieser Ein-
ziehung unmittelbar am Fusse des ersteren Hügels, somit ungefähr der heutigen Via
Labicana entsprechend die Porta Querquetulana bildete.^ Die weitere Mauerlinie, an der
Substruction von Quattro Coronati südlich an der gleichnamigen Strasse wieder Reste
darbietend, wurde am Colins etwa zwischen S. S. Quattro Coronati und S. Stefano ro-
tondo an einem nicht sicher zu bestimmenden Punkte von der Porta Coelimontana
durchbrochen, welche wir uns der aurelianischen Asinaria entsprechend denken müssen.
Die Südseite des Coelius zeigte noch Mauerreste in halber Höhe des Abhanges bis
gegen S. Gregorio hin, in dessen Klostergebiet von den Mönchen ein beträchtliches
Stück an den zum Kloster gehörigen Kapellen biosgelegt worden ist.^ Südlich von
diesem Kloster aber muss die Porta Capena angenommen werden.
Von hier ab sprang die Mauer im rechten Winkel südwärts und zog sich am
östlichen Hügelrande von S. Balbina und S. Saba (Pseudoaventin) entlang, ihre Lage
und Richtung noch jetzt durch ein beträchtliches Mauerstück von 11 Lagen der bekann-
ten Tufquadern rechts von der Via di S. ßalbina unmittelbar vor der Platform der
Kirche beweisend. Weitere Mauerreste fanden sich an der Westseite des Klosterge-
bäudes von S. Saba, wie in der Mauer zwischen dem Klostergarten und der Vigna
Codini, von welchen sich jedoch nur die ersteren erhalten haben. Ein ferneres Stück
hat sich in der Vigna zwischen S. Saba und der Vigna di Porta S. Paolo gefunden,
kurz bevor die Mauer die Einsenkung zwischen dem Pseudoaventin und dem eigent-
lichen Avenlin überschreitet. Am Südabhang der letzteren aber findet sich das be-
deutendste aller erhaltenen Stücke des ganzen Umfanges, der imposante erst 1869 bis
an die Basis biosgelegte Mauerrest der Vigna vormals Maccarani jetzt Torlonia, unfern
von der Einmündung der Via S. Prisca in die Via di S. Paolo. An der höchsterhal-
tenen Stelle des 35 Meter langen Fragments zählt man noch 25 Lagen von Tufböcken,
in einer Gesammthöhe von 15 Meter; ein anderes Stück von 11 Lagen ist nur 30
Meter von diesem entfernt. Da wo jetzt die Bastion Paul IH. bog die Mauerlinie um
die Südecke des Aventin, zog sich dann, wie die Mauerreste oberhalb dem sog. La-
iFest. ed. Müller 261. Ain. H. N. X. 15. Varro L. L, V. 8. 2 p. Rosa, Avanzo delle mura Serviane
presse S. Gregorio. (Bull. d. I. d. c. a. 1869 p. 68. 69. 131.)
Gang der servischen Mauer.
13
zarusbo^en und im anstossenden Klostergarten von S. Sabina zeigen, noch eine Strecke
am Nordwestabhang des Aventin hin, und sprang endlich im rechten Winkel zum
Flusse ab.
Schwieriger als die Verfolgung des Mauerzugs ist die Bestimmung der Thore
in der aventinischen Mauerlinie, da durch die aurelianische Befestigung und den mehr-
fachen Umbau derselben zwischen Porta S. Sebastiano und S. Paolo die ursprünglichen
Strassenlinien wesentlich geändert worden sind. Wahrscheinlich befand sich die Porta
Naevia^ zwischen S. Balbina und der Westecke der Umfassungsbauten der Caracalla-
thermen, der Via Ardeatina entsprechend, welche möglicherweise an der Stelle der
Bastion des San Gallo ihre Mündung durch die aurelianische Befestigung hatte. Die
Lage der Porta Raudusculana, wie jene in der XII. Region (Piscina) befindlich, entsprach
dann muthmasslich der Südspitze des Pseudo-Aventin, bei S. Saba, die der Porta La-
vernalis, welche Varro neben den beiden vorgenannten aufführt, und die in der aure-
lianischen Mauer als Porta Ostiensis (S. Paolo) vorgeschoben erscheint, der Mündung
der Via di S. Prisca in die Via di Porta S. Paolo im Thaleinschnitt zwischen Aventin
und dem Hügel von S. Saba und S. Balbina. — Ob es dann überhaupt eine Porta
Minucia gegeben ist zweifelhaft, weniger die von Becker bestrittene Existenz der Porta
Navalis, welche an einem nicht näher bestimmbaren Punkte wahrscheinlich östlich von
der Bastion Paul III. angenommen werden muss. Kurz ehe die Mauer am Flusse en-
digte, vermittelte die Porta Trigemina den äusseren und inneren Quai, muthmasslich
bei Arco della Salara.
Die Construction des
Mauerbaues ist aus den vor-
liegenden Resten ziemlich
klar: es war durchaus Quader-
bau. Das frühe Erscheinen des-
selben ist jedoch keineswegs
ein Beweis eines besonderen
technischen Fortschrittes wie
einer verhältnissmässigjünge-
ren Entstehungszeit verglichen
mit den zahlreichen cyklopi-
schen Mauerresten des itali-
schen Gebirgslandes beson-
ders im Sabinergebiete. Denn
Pig, a. Stück der pelasgischen Mauer von Signia (F. ß.)
1 Bas. Cap. Eeg. XII.
14
Baugeschichle des alten Rom.
die sogenannten cyclopischen oder pelasgischen Mauern von Tibur, Praeheste, Signia,
Norba u, s. w. sind zumeist jünger als die servische, gesciiweige denn die romulisclie
Ummauening Roms. Es lässt sich auch in der cyclopischen Art so gut wie in den
in Quaderbau ausgeführten Mauern eine Entwicklung entdecken, die beiderseits in
Reduction der Dimensionen der einzelnen Blöcke wie in wachsender Genauigkeit der
Fügung und des Systems der letzteren beruht; denn auch bei cyclopischen Mauern zeigt
das exacte Zusammenpassen deutlich eine jüngere Entstehung an, besonders kennbar
in jenen Fällen wo ein oberer Mauertheil in der einen oder anderen Beziehung, von
den unteren (älteren) Schichten sich unterscheidet (vgl. Fig. a.)
Die beiden Slructurweisen gingen lange Zeit nebeneinander her, jedoch so, dass
die cyclopische sich auf gewisse Gebirgsstriche beschränkte. Der Grund der Verschie-
denheit aber liegt in dem jeweilig zu Gebote stehenden Material, dem Landstein. Der
cyclopische Mauerbau findet sich nemlich nie bei
Tufslein, sondern nur im Kalkstein. Der Kalkstein
brichtj polygonal, der Tuf seiner Lagerung ent-
sprechend in Parallelen. Man kann in der römi-
schen Campagna und im Albanergebirge Tufschroffen
sehen, welche durch ihre horizontalen Risse glauben
machen, dass man eine Mauer erblicke. Wenn nun
die Natur selbst schon die Hälfte der Arbeit gethan,
so war es wohl nicht möglich zu einem dieser
Materialvorarbeit ganz unangemessenen und da-
durch weit schwierigeren Verfahren zu greifen, da
überdiess der Vorzug horizontaler Lagen im Mauer-
bau selbst bei verhältnissmässig niedrigem Cultur-
stande Niemandem entgehen konnte. So wenig aber
demnach das Vorkommen der einen oder anderen
Structurart ein höheres Alter des einen Restes vor
dem anderen bedingt, eben so wenig ist in der
einen der beiden Arten etwas Nationales zu ent-
decken. AlsmaniK)ch(vorAbeken's epochemachen-
Fig.b. Mauerrest von Lanuviuni. (P. E.) ^^^ g^^^^^^i^ der allgemeinen Ausicht war, dass
nicht bloss die älteste römische Kunst, sondern auch . alle urrömische Technik von
Etrurien herübergenommen sei, wies man dem altrömischen Mauerban dieselbe
Herkunft zu, da in der That in Etrurien sich häufig eine ganz ähnliche Structur fin-
1 W. Abeken, Mittelitalien vor den Zeiten römischer Herrschaft nach seinen Denkmalen, Stuttgart 1843.
Construction des servischen Mauer- und Thorbaues. 15
det; allein dieselben Mauern finden sich auch ausser Rom im übrigen Latium, und zu-
meist an den nachweislich ältesten Stätten, so z. B. in Civita Lavinia, (Lanuvium vgl. Fig. b.)
in dem angeblichen Apiolae, zu Gabii und im Albanergebirge, kurz allenthalben wo
man in Tuf baute. Und ebenso wenig könnte man diese Structur eine latinische nen-
nen, denn in einem grossen Theile von Latium finden sich bedeutende Reste der pe-
lasgischen Art, nemlich überall, wo Kalksteingebirge das Material lieferten.
Der Quaderbau der romulischen Ummauerung des Patatin ist noch ziemlich un-
regelmässig. Die Höhe der Lagen, wie die Länge der Blöcke ist noch sehr ungleich,
und die Bearbeitung der Blöcke erstreckt sich nicht mehr auf die Innenseite, wo die
Quadern unregelmässig auf einander stossen. Die Länge der Bausteine steigt bis zu
1 Meter, die Höhe bis zu 0,80. Bindemittel ist keines angewandt. Doch wechseln
die Lagen , wenn auch nicht consequent nach dem Läufer- und Bindersystem ab , in
der sogenannten etrurischen Art, wonach die eine Lage die Langseiten, die folgende
die Kopfseiten der Blöcke nach aussen kehrt. Das Tufmaterial scheint am Palatin
selbst gebrochen zu sein. Die servische Mauer zeigt dieses System vollkommen regel-
recht durchgeführt; die Länge der Blöcke ist zwar nicht völlig gleich, fast durchgängig
gleich aber die Höhe derselben, wie denn die Quadern immer quadratische Kopfflächen
zeigen. Das durchschnittliche Maass der Lagenhöhe ist 0,59 Met., die Abweichungen
davon sind sehr gering. Die Mauerstärke scheint zwischen 1,30 und 2 Met. zu schwan-
ken. Auch hier fehlt jedes Bindemittel: nicht völlig regelmässige Einschnitte aber,
die sich an den Steinen meist aussen finden, dienten wohl wahrscheinlicher zum Ein-
setzen der Hacken beim Versetzen der Blöcke als vielmehr zu irgendwelcher Verklam-
merung. Das Material ist der an den Hügeln gebrochene Tuf und nur am Agger tritt
eine thcilweise Anwendung des Peperin, des grauen Tuf, mithin importirtes Material
vom Fusse des Albanergebirgs auf. Die Herstellung des Agger wird indess bei des-
sen Ueberresten noch besondere Besprechung finden.
Ueber den Thorbau haben wir nur Vermuthungen. Der Plan scheint derselbe
gewesen zu sein, wie in Etrurien, nemlich in Kammerform, so dass man durch das
äussere in der Mauerlinie liegende Thor zunächst in einen ungefähr quadratischen
Raum gelangte, aus welchem dann erst ein zweiter Thorweg in die Stadt führte:
dass diess schon an der romulischen Stadt der Fall war, mag dahin gestellt bleiben,
obwohl der Lanustempel als eine Reminiscenz des Thorbaues zu betrachten ist. Die
Absicht dieser Anlage war ein doppelter Schutz, indem hierbei die Einnahme des
äusseren Thores noch nicht in den Besitz der Stadt setzte. Wie der Thorweg
selbst construirt war, ist ebenfalls ungewiss, an der romulischen Stadt entweder mit
Heranziehung von starken Balkenlagen als Thürsturz odec durch gleichfalls hori-
zontale Abdeckung mit Monolithen, wie diess erhaltene Thore cyklopischer Mauerringe
16
Baugescliichte des allen Rom.
zeigen. (Vgl. die beifolgenden Abbildungen sines solchen Thores von Segni oder
das kleine Pförtchen der Mauer von Norba, Fig. c). die Durchgänge der servischen
Mauer waren wahrscheinlich bereits rundbogig abgeschlossenj wie dies mehre etrurische
Thorreste aufweisen. Auch scheinen wenigstens an manchen Thoren je zwei Durch-
gänge nebeneinander befindlich gewesen zu sein, ob aber lediglich durch einen in der
Mitte aufgestellten Thürposten gedoppelt, oder geradezu in zwei Thorbogen herge-
stellt, ist nicht zu entscheiden.
Von der inneren Gestalt Roms in der Zeit des Servius ist wenig zu sagen.
Mauern und Thore lassen jedoch darauf schliessen, dass man wenigstens des regel-
mässigen Mauerbaues kun-
dig war, und die Erwähnung
von Tempeln, Staatsgebäuden
und ausgedehnteren Königs-
wohnungen, dass man ihn
auch verwandte. Wenn je-
doch jedenfalls bei dem
grossen von Servius Tullius
erbauten^ latinischen Bun-
destempel der Diana auf dem
Aventin, der wahrscheinlich
bis zu Augustus' Zeit in der-
selben Gestalt verblieb, auch
architektonischer Schmuck,
namentlich von Säulen, nicht
gefehlt haben kann, wenn
ferner die von Romulus an
häufig errichteten kleineren Heiligthümer wohl zumeist als von drei oder vier Wänden
gebildete und nicht ganz schmucklose Gellen zu denken sind, so scheint es doch nicht
statthaft, die Wohngebäude, die Königshäuser vielleicht ausgenommen, in ähnlich soli-
der, oder gar in säulengeschmückter Gestalt sich vorzustellen. Nachdem man in dem
letzten Menschenalter erst Holz und Gesträuch auf den Hügeln ausgerodet, konnte von
schönen Strassen und Wohngebäuden keine Rede sein, und es ist nichts wahrschein-
licher und natürlicher, als dass man sich derselben Bäume, die man bei der Besitznahme
der Hügel daselbst fällte, für Wand und Dach der Wohnungen bediente.
Wie aus den Erzählungen der einzelnen Niederlassungen hervorgeht, waren es
Mauerstück von Norba
1 Dionys. IV. 25. 26. Liv. I. 45.
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09
Beschaffenheit der ältesten Mauern. 17
zunächst die Hügel, welche bisher besetzt wurden: was von den Gebäuden auf den
Höhen selbst nicht Platz fand, lehnte sich an die Abhänge. Von einer bleibenden
Ansiedelung in den Niederungen giebt es ausser der unklaren Kunde von der Subura
als eines Bestandtheiles des Septimontium und der nicht unbedenklichen Notiz von
der Anlage des Vicus Tuscus keine Berichte. Während nemlich die Bevölkerung des
letzleren von den einen mit Porsenna in Verbindung gebracht und somit in die erste
Zeit der Republik gesetzt wird,^ berichten andere, dass nach Caeles Vibenna's Tode
die auf dem Cälius angesiedelten Tusker in Folge ihrer besorgnisserregenden Haltung
in die Niederung zwischen P^Jatin und Capitolin herabgezogen wurden, worüber in
chronologischer Beziehung wieder eine doppelte Tradition vorliegt, je nachdem Vibenna
in die Zeit des Romulus^ oder in die des Tarquinius Priscus^ gesetzt wird. Um nun
die Niederungen für die Ansiedelung nutzbar zu machen, hatte man es wohl schon
vor dem grossartigen Unternehmen des Cloakenbaues versucht, das Sumpfwasser da-
selbst durch Gräben abzuleiten, und erst, als diese sich unzureichend erwiesen, zu der
staunenswerthen Arbeit gegriffen, als deren Urheber von den Alten einstimmig Tarqui-
nius Priscus genannt wird.^ Wie weit diese Arbeiten unter ihm gediehen, lässt sich
nicht bestimmen. Aus der Natur der Sache geht jedoch hervor, dass der Anlage der
unterirdischen Kanäle ein umfassender Uferbau vorangehen musste. Mit mehr Bestimmt-
heit wird von dem zweiten Tarquinius angegeben, dass er die einzelnen Kanäle in
der Nähe des Forum in einen grossen zusammenleitete, und diesen einen, die Cloaca
tnaxiffia, nach dem Tiber führte.'' Von dieser grossen Cloake wird im Laufe der Be-
schreibung noch gesprochen werden.
Die Cloaken (von cluare oder cluere, reinigen) hatten die Bestimmung, sowohl
die stagnirenden Wasser zum Abfluss zu bringen, als auch die vielen Quellen, die von
den Hügeln flössen, zu sammeln und in den Tiber zu führen. Die auf dem Rücken
der Hügel hervorbrechenden Quellen wurden durch rohe, unregelmässig in den weichen
Tuf der Berge selbst gewühlte Kanäle zu den Cloaken geleitet. Derartige Abzüge
fanden sich am Capitolinus [Fmissae CapiloUnaeJ und in neuerer Zeit an der Süd-
westspitze des Palatinus und auf der Westseite des Aventin. Jetzt sind die meisten
der Quellen, die zu dieser Arbeit veranlassten, versiegt, verschüttet oder unter der
Aufhöhung des modernen Bodens verborgen. Man hat vor einigen Jahren*^ und zwar
mit Anklangt die Ansicht ausgesprochen, dass diese Kanäle, in fiühesler Zeit gegra-
1 Dionys. V. 36. Liv. II. 14. Paul. Diac. s. v. Tuscus vicus. 2 Varro L. L. V. 8, 14. Dionys. II. 36
Paul. Diac. s. v. Coelius mons. Tacit. Ann. IV. 65. ^ Dionys. III. 68. Liv. I. 38. Plin. H. N. XXXVI
15, 24, 106. Cassiodor. Chron. ^ DJonys. IV. 44. Liv. I. 56. ^ E. Braun, SuUe sostruzioni antichissime del
Quirinale e del Palatino, Annali dell' Inst, di Corrisp. archeol. 1852. p. 327 sq. 7 Th. Mommsen, Rom. Gesch.
I. Bd. S. 217 der 2 Aufl.
F. Rkreh, Rom. 3
18 • Baugeschichte des alten Rom.
ben, dazu gedient hädcn, einen künstlichen Luftwechsel zu erzeugen; allein es scheint
eine so raffinirle Gesundheitsmassregel mit dem Leben der Altrömer nicht im Ein-
klang zu stehen. Auch werden diese Bergdurchstiche ausdrücklich als zu dem Bau
der Cloaken gehörig erwähnt.^
Gegen die Ein- und Rückwirkungen des Stromes schützten die Kanäle nicht.
Zwar machten es die Uferbauten möglich, dass die Mündungen der Cloaken, wie dies
noch bei der Cloaca Maxima ersichtlich ist , verhällnissmässig hoch angelegt werden
konnten, doch war nicht zu vermeiden, dass der Strom bei hohem Wasserstande in
die Kanäle eindrang und das herabfliessende Wasser aufstaute. Auch wird öfter er-
wähnt, dass der Strom, über seine Ufer tretend, das ganze Marsfeld und auch die
südlicheren Niederungen überschwemmte. In diesem Falle boten die Cloaken den
Vortheil, dass nach Verminderung der Fluth das Wasser durch sie rasch wieder in den
Strom zurücktrat.
Allmälig verzweigten sich die Cloaken bei der gesteigerten Aufmerksamkeit, die
man ihnen widmete, in der künstlichsten Weise über die ganze Stadt, und ihr bedeu-
tender Umfang lässt sich wohl aus der Summe von 1000 Talenten (an IV2 Mill. Thaler)
entnehmen, welche einmal nur für Ausbesserung und Reinigung derselben von den
Censoren bestimmt wurden.^ Leider ging die Kenntniss des Cloakensystems in Rom
im Mittelalter verloren, und ohne unaufhörliche Beaufsichtigung musste durch Verstop-
fung und Einsturz einzelner Kanäle das ganze Netz verfallen. Jetzt sind von den an-
tiken nur noch zwei Hauptleitungen im Gange, die Cloaca Maxima und die Cloake des
Marsfeldes, welche wahrscheinlich Aprippa vom Pantheon an zum Tiber führte.^ Von
unterbrochenen Kanälen verschiedener Epochen hat man bei den Ausgrabungen am
Forum und in dessen Umgebung zahlreiche Reste gefunden.
Ausser den Mauerresten des Servius und der Cloaca Maxima ist nur noch ein
nachweisliches Denkmal aus der Zeit der römischen Königsherrschaft näher erkennbar
auf uns gekommen, nemlich der (Mamertinische) Kerker, von Ancus Marcius erbaut
und von Tullus Hostilius erweitert und vollendet. Von den beiden übereinanderlie-
genden Kammern zeigt die untere, soweit sie von der ersten Anlage erhalten ist, keine
Kenntniss von Steinschnitt und Gewölbestructur. Die genauere Beschreibung dieses
Gefängnisses wird geeigneten Ortes erfolgen; hier dürfte es genügen, auf die höchst
merkwürdige Erscheinung hinzuweisen, dass an der Cloaca Maxima sich schon Steinschnitt
und Bogen in vollkommener Weise findet, während die untere Kammer des sog. Mamerti-
nischen Gefängnisses in der ursprünglichen Anlage noch keine derartige Technik ver-
räth. Wie nemlich aus dem unteren von der ersten Anlage erhaltenen Theil dieses
iPlin. H. N. XXXVl. 15, 24, 104. 2 Dionys. III. 68. 3 cf. Plin H. N. 1. c. Dio Cass. VLIV. 43.
Cloaken, Carcer, Gewölbeslructur,
19
Rundbaues (Tholus) zu schliessen ist, war der Gewölbeschluss wahrscheinlich in der-
selben Weise hergestellt, wie sie der ganz erhaltene Tholus von Mykene zeigt, nem-
lich durch allmälige in parabolischer Form bewirkte Verengerung der horizontal geleg-
ten Steinringe, mithin ohne eigentliche Gewölbebildung vermittelst keilförmig geschnit-
tener Bausteine, wobei es dann auch der Kreis-
form des Planes entsprechend selbst jenes gleich-
falls hochalterthümlichen aber nur einer recht-
winkligen Anlage entprechenden Abschlus-
ses nicht bedurfte, wie er sich im Brunnenhaus
von Tusculum (vgl. Fig. d) findet, wo die Decken-
blöcke, auf die Kante der Längswände gesetzt,
sich giebelförmig gegeneinander lehnen. Bei
ganz geringen Spannweiten wurde zwar auch
weiterhin mit horizontalen Steinbalken abgedeckt,
besonders in unterirdischen wie hochgeführten
Wasserleitungen. Doch findet sich auch in sol-
chen Fällen häufig eine Spur von Bogenschnitt:
So an der Mündung des Emissärs am Albaner-
/ , T7- \ j AI I 1 d. das Brunnenhaus von Tusculum. (F. R.)
See, (vgl. Flg. e) dessen Anlage kurz vor der
Einnahme von Veii eine unbestrittene Sache ist, wo trotz der geringen Breite dieses
Kanalganges (1 Meter), bei welcher ein horizontaler Steinsturz keineswegs auffallend,
doch derselbe an seinen Enden nach Art eines Bogenschlüssels abgeschrägt ist.
Von Architektur im eigentlichen Sinne kann bei diesen Resten noch keine Rede
sein. Als Kunst trat die Bauthätigkeit erst bei einigen hervorragenden Tempeln in der
letzten Königszeit auf, wahrscheinlich, wie schon erwähnt, bei dem von Servius er-
bauten Dianentempel auf dem Avenlin, nachweislich aber bei dem Jupitertempel auf
dem Capitolin. Schon vor Servius hatte der ältere Tarquinius die südliche Spitze des
capitolinischen Hügels zur Erbauung des grossen Jupitcrtempels geebnet,^ der in der-
selben Weise, wie der Dianentempel den Latinern, so den Römern ein Nalionalheilig-
thum sein sollte. Servius Tullius scheint trotz einer dafür sprechenden Notiz^ diesen
Bau nicht betrieben zu haben, und erst dessen Nachfolger Tarqinius Superbus führte
das Werk aus.^ Beim Graben des Grundes soll man ein frisch erhaltenes menschliches
Haupt gefunden haben, das dem Berge (früher Saturnius nach einer mythischen An-
siedlung des Saturnus, und Tarpeius nach einer ebenfalls mythischen Jungfrau gc-
1 Dionys. III. 70. Liv. I. .38.
Tacit 1. 1. Plutarch. Poplic. 14.
2 Tacit. Hist TU 72.
'Dionys. VI. 59 — 61. Liv. I, 55. 56.
20
Baugeschichte des alten Rom.
nannt) erst den Namen CapUoUnus gegeben habe.^ Wir besitzen in den angeführten
Stellen ausführliche Schilderungen dieses nicht blos in tuscischem Style , sondern
selbst von beigezogenen tuscischen Technikern erbauten Tempels : es möge aber hier
genügen, dass er, wie überhaupt die Tempel tuscischen Styls,^ fast so breit als lang
und in seinen architektonischen Einzelheiten von Tem-
peln dorischen Styls hauptsächlich durch beinahe ver-
doppelte Säulenweiten und durch Holzgebälke un-
terschieden war. Aus der unverhältnissmässigen Breite
der Stirnseite und der dadurch bewirkten Mächtigkeit
des Giebels ist leicht abzunehmen, dass der Eindruck
des tuscischen Tempels nicht der wohlthuende und
befriedigende gewesen sein könne, wie ihn der
griechische Tempel darbot, sondern dass er, wie dies
auch von einem römischen Architekten bezeugt wird, ^
platt und gedrückt aussehen musste — als ein Ge-
bilde, das immerhin aus griechischen Elementen, aber
unmöglich in dem Gefühle für ebenmässige Verhält-
nisse, wie es die Griechen besassen, .sich entwickeln
konnte. Ursprünglich freilich war der tuscische oder
richtiger altitalische Tempelslyl in seinen Details dem
altgriechischen ziemlich gleichartig, denn da zu bei-
den Seiten des adriatischen Meeres wenigstens in
den ältesten Zeiten Holzarchitektur in sofern ange-
nommen werden muss, als die Holzdecke auch die Herstellung des Gebälks, was wir
ursprünglich als die äussere Erscheinung und erst später als das Symbol von Decke
und Dach betrachten müssen, in Holz veranlasste, so wird wohl auch in Griechenland
um die Zeit des Beginns der Olympiadenrechnung der Säulenbau noch nicht jenes schwere
Gepräge und ebenso noch nicht jene Engstellung gezeigt haben, wie sie erst als Conse-
quenz der Herstellung des Gebälks in Stein sich darstellen. Dagegen scheint schon
von vornherein ein wesentlicher Unterschied zwischen dem nahezu quadratischen ita-
lischen Tempelplan und dem entschieden oblongen hellenischen bestanden zu haben.
Auf der Apenninenhalbinsel, soweit sie nicht hellenisch colonisirt wurde, hatte nemlich
das templum im weiteren Sinne, d. h. der geweihte Raum eine architektonisch ausge-
bildetere und auch der Form nach durch den Ritus bestimmter normirte Bedeutung als
sie dem hellenisciien Temenos gewöhnlich zukam, indem in Italien die I^mschliesSung
e. Emissär des Albanersee's.
1 Vano L. L. V. 7, 13. Dionys. 1. c, Plin. H. N. XXVIII 2, 4. 2 Vitruv. IV. 7. 3 Vitruv. III. 2.
Der älteste Tempelbau. 21
des ganzen Tempelhofes durch ein Maiierquadrat als ursprünglich angenommen werden
muss. Ferner lehnte sich das eigentliche Tempelhaus (C'^desJ mit der Rückseite an
diese Umschliessung, während der hellenische Naos von vorneherein frei in die Mitte
des Tempelbezirkes gestellt zu werden pflegte. Dann war das italische Tempelhaus,
dem geweihten und abgeschlossenen Areal entsprechend ebenfalls in annähernd qua-
dratischer Form, nemlich mit einer Stirnseite von fünf Sechstheilen der Länge ange-
legt, während am hellenischen Tempel wenigstens in seiner vollendeten Form das Ver-
hältniss der Breite zur Länge wie J : 2 sich gestaltete. Endlich hatte sich der Säu-
lenschmuck am altitalischen Tempel nicht wie am hellenischen zum Peripteros, (zur
ringsumsäuligen Anlage) sondern nur zum Prostylus (zur Vorhallenbildung) entwickelt,
indem die Anlage in eine vordere und rückseitige Hälfte getheilt und die letztere für
eine Cella oder für mehrere (gewöhnlich drei) Gellen verwendet, die erstere aber als
freie Säulenvorhalle gestaltet wurde.
Diese tuscischen oder altifalischen Planeigenthümlichkeiten besassen aber un-
zweifelhaft die grösseren Tempel der Königszeit, welche über die einfachste Cellen-
bildung hinausgingen, denn die Notiz, dass dem Servius Tullius bei der Gründung
des Dianentempels auf dem Aventin das panionische Artemisheiligthum zu Ephesus vor-
schwebte,^ dürfte wohl nicht im baukünstlerischen Sinne verstanden werden können.
Einer solchen Auffassung würde die weit gewichtigere schon erwähnte Nachricht Varro's '^
im Wege stehen, in welcher dieser zuverlässige Gewährsmann constatirt, dass erst in
der Zeit der Republik und zwar unmittelbar vor der Decemviralherrschaft zum erslen-
male griechische Künstler in Rom arbeiteten, beauftragt, den überdiess noch im tusci-
schen Style, nemlich aräostyl erbauten^ Cerestempel auszuzieren. Dass jedoch, nach-
dem einmal griechische Künstler beigezogen waren, auch von rein griechischer Baukunst
nicht mehr lange Umgang genommen werden konnte, ist selbstverständlich, wenn auch der
von Camillus gegründete Concordientempel auf dem Forum die tuscische Planbildung selbst
noch in seinem Umbau aus der Kaiserzeit unzweifelhaft verräth. Mochte aber auch die
etruriche oder altitalische Kunst noch Jahrhunderte lang nicht ganz ausser Gebrauch gekom-
men sein, so wurde sie doch, sobald einmal die Römer mit den campanischen Griechen in
nähere Berührung getreten waren, von der griechischen bei weitem überflügelt.
Es erscheint nun auf den ersten Blick auffallend, dass der in der Architektur des
hellenisirten Unteritaliens, wo die Römer zuerst die Griechen genauer kennen lernten,
meistangewandte Baustyl, nemlich der dorische, bei den Römern keinen entschiedenen Ein-
gang fand. Man möchte doch glauben, dass die dorische Kunst den ernsten und kräftigen
Römern ebenso zusagend als der ionische Styl sein musste, wie eine entschiedene
iDiouys. IV. 25, 2G. Liv. I. 45. 2 Plin. 11. N. XXXV. 12, 45, 154. 3 Vitiuv. 1. c.
22 Baugeschichte des alten Rom.
Aehnlichkeit des Charakters den Römer mehr zu dem kampfliebenden und strengen
Dorer als zu dem weichlicheren und civilisirteren loner hinziehen musste. Es lässt
sich jedoch diese auffallende Erscheinung wohl dadurch erklären, dass der tuscische
oder altitalische Styl schon zu viele Aehnlichkeit mit dem dorischen hatte, als dass
der eine neben den andern gesetzt werden konnte, während andrerseits die Anhäng-
lichkeit an den traditionellen. Landesstyl gross genug war, um ein völliges Ersetzen
desselben durch einen imporlirten Styl unmöglich zu machen. Man fand sich daher
nur mit einer theilweisen Ausgleichung im decorativcn Sinne ab, welche indess den
ursprünglichen Sinn beider Construclionsweisen vermischend aufhob, und an die Stelle
des früheren Styles die mit der Construction in keinem weiteren Zusammenhange
stehende „Ordnung" setzte. Es ist diess jene toscanisch-dorische Ordnung, welche
dann nicht bios in der römischen Architektur in Geltung blieb, sondern durch diese
auch in die Renaissance überging, und auch hier den rein dorischen Styl zu keiner An-
wendung kommen liess. Die Säule wurde im Vergleich mit der tuscischen am wenig-
sten, übrigens zum Theil durch ionische Einflüsse, alterirt. Es blieb die wulstarligc
Basis, es blieb das schlanke Höhenverhältniss bis zu 8 unteren Durchmessern, es blieb
in der Regel oder wenigstens im untern Theil die glatte Schaftbildung, wozu wohl durch
ionische Einwirkung die An- und Ablaufbildung kam. Fs blieb ferner statt der Kerbe am
unleren Ende des Säulenhalses, welche im dorischen Style die Fuge zwischen dem Schaft-
cylinder und dem Capitälstücke so schön charakterisirt, der rundstabförmige Ring, wäh-
rend die Capitälsplalte in der Regel mit einem Wellleisten (Kyma) geschmückt wurde,
welcher der ionischen Architektur entlehnt ward. Die Verhältnisse der einzelnen Theile
unter einander und zum Ganzen aber wurden in ein Schema gezwängt, welches an die
Stelle der feinsinnigen und jedem einzelnen Bau angepassten freien Verhältnisse der
griechischen Vorbilder trat, und damit dem Künstler die Arbeit zu Gunsten des Werk-
meisters abnahm. Die Säulen wurden übrigens nach griechischem Vorbilde enger ge-
stellt, da man nun das Holzgebälke aufgab, und dessen Theile wie in Griechenland in
Stein herstellte. Nicht selten setzte man nun geradezu ionisches Gebälke auf die tos-
kanisch-dorischen Säulen, besonders in jenen Fällen, wo man sich in Halbsäulenbil-
dung bewegte, (wie an Pfeilerarkaden) während anderseits auch der dorische Trigly-
phenfries mit dem ionischen Zahnschnitt verbunden ward (Sarkophag des Scipio Bar-
batus). Wo man jedoch dem dorischen Vorbilde auch in der Gebälkbildung treu
blieb, liess man das griechische Verhältniss der einzelnen Glieder untereinander völlig
ausser Acht. Die Weise der alten tuscischen Baumeister, welche das durch mehrere
übereinandergelegte Existylbalken ziemlich hoch gewordene Gebälke wahrscheinlich ohne
weitere constructive Symbolik lediglich durch angeheftete Schaustücke, Bukranien, Festons
u. s. w. decorirt hatten, liess man zwar fallen^ dafür aber rückte man den Triglyphen-
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Die loscanisch-dorische Ordnung. Gestallung des Tempelplans. 23
fries so weit herab, dass der Architrav (das Exislyl) zu einem schmalen Streifen ver-
schrumpfte, welcher nicht mehr selbständig hergestellt werden konnte, sondern mit dem
Triglyphenglied aus einem Stücke gearbeitet werden musste. Vom letzteren erhalten die
Triglyphen eine sehr kleinliche flache Bildung mit oben rechtwinklig abgeschnittenen
Schlitzen und werden so vertheilt, dass je zwei, in der Mitte der Fronte sogar je drei
über jedes Intercolumnium entfallen, während sich gelegentlich je eine halbe Metope an
den Ecken findet, w^odurch auch der dorische Fries zum reinen Ornament herabgesun-
ken erscheint. Endlich verliert das vorne schräg übergeneigte Geison des dorischen
Styles zumeist jene Neigung, wie auch den Dielenköpfen die Tropfen in der Regel
nicht mehr aufgesetzt werden, so dass diese nur mehr als horizontale Consolplatten er-
scheinen, aus welchen auch nach einer Notiz bei Vilruv^ durch Unterlegung einer
Doppelspirale die Kragsteine der korinthischen Ordnung geworden sind. Die Normen
für diese Gestaltung der toscanisch- dorischen Ordnung giebt Vitruv,^ das erhaltenste
Beispiel unter den Ruinen aber bietet der schöne Tempel von Cori, von welchem bei-
stehende Abildung eine Ansicht vermittelt.
Einen wichtigen Einfluss aber äusserte das Bekanntwerden mit griechischen
Tempelbauten auf die Plangestaltung des römischen Tempelbaues. Die bisherige konnte
die etrurische genannt werden, welche nun ebensowenig streng beibehalten w^urde,
als man sich zum gänzlichen Aufgeben derselben entschloss. Es konnte aber den Rö-
mern nicht entgehen, in welch entschiedenem Vortheile in Hinsicht auf äussere Er-
scheinung der griechische Tempel dadurch war, dass die Stirnseite von verhäKnissmässig
geringerer Breite und somit von ansehnlicherem Höhenverhältnisse war, wie denn
auch dadurch das Giebeldreieck nicht zu der lastenden Gestalt erwachsen musste,
welche am etrurischen Tempel durch die Breite seiner Basis unvermeidlich war. Da-
zu kam die von der Einführung des Steingebälkes unzertrennliche Engerstellung der
Säulen, welche gleichfalls entweder zur Verdoppelung derselben oder zur Reduction der
Gesammtbreite führen musste. Verliess man nun auch die Anordnung des Tempel-
schema's nicht, so ging man doch von dem Gesammtverhältnisse in so weit ab, als
man den annähernd quadratischen Grundriss jetzt in die Länge streckte und dadurch dem
griechischen Tempelplane näherte. Weniger wich man von jener Eintheilung ab, welche
die rückseitige Hälfte ganz als Cellenraum, den vorderen Theil ganz als Vorhalle be-
handelte, doch vergrösserte man den Cellenraum ein wenig auf Kosten der Säulenhalle,
welche letztere übrigens immer noch geräumiger blieb, als diess der griechische Tempel
kannte, während der erstere dadurch eine geräumigere Saalgestalt erhielt. Man ge-
1 Diess der Sinn der bisher nicht gewürdigten Stelle IV, 1, 2. 2 Vitruv IV. 3 beschreibt die dorische
Ordnung unter dem Einfluss der toscanisch dorischen Art. Vgl. Fig. 15 meiner üebersetzung.
24 Baijgeschichte des allen Rom.
langte mithin von der etrurischen Anlage zu einer prostylen, welche aus einem Com-
promiss zwischen dem einheimisch altitalischen (etrurischen) Plane und den hellenischen
Einflüssen hervorgegangen und als die Grundform des römischen Tempelbaues festzu-
halten ist.
Die peripterale Gestalt (ringsumsäulige Tempelanlage) aber scheinen die Römer
bis kurz vor der Kaiserzeit zurückgewiesen zu haben. Für sie, das eminent praktische
Volk, konnte, ganz abgesehen von der Neigung, an dem Traditionellen und Einheimi-
schen festzuhalten, die Auffassung der Hellenen nicht gerechtfertigt erscheinen, welche
in ihrem Tempelbau entschieden einer monumentalen Tendenz huldigten, neben welcher
die räumliche Benutzbarkeit sehr in den Hintergrund trat. In der That entspricht der
Innenraum eines hellenischen Peripteros nicht einmal der Hälfte des bedachten Rau-
mes. Auch hat er mit dem zwiefachen Nachtheil einer coridorartigen Gestrecktheit
und einer sehr mangelhaften Beleuchtung zu kämpfen, wenn man nicht in letzterer Hin-
sicht mit einer hypäthralen Dachbildung einen Nothbehelf schuf, durch welchen die
Bedachung gerade da durchbrochen wurde, wo sie der Natur der Sache nach noth-
wendiger gewesen wäre, als an den äusseren Säulenhallen. Obwohl nun den Römern,
welchen das raumbildende Element der Architektur näher lag als das ideal-monumen-
tale, dergleichen nicht zusagen konnte, vermochten sie doch der allseitigen Schönheit
des hellenischen Peripteros nicht völligen Widerstand zu leisten, und wurden dadurch
zu dem weiteren Compromiss gedrängt, als welcher sich der Prostylos pseudoperipteros
darstellt, jene Tempelform, welche von dem einfachen Prostylos dadurch abweicht, dass
sich die Säulenstellung der Vorhalle in Halbsäulenform an den Cellenwänden herum
fortsetzt. Es wurde dadurch äusserlich das Ansehen eines Peripteros erreicht, und doch
die grössere Räumlichkeit der Cella nicht preisgegeben, welche nun auch nöthigenfalls
durch Fenster zu erleuchten war, wie es die Griechen ausser dem Erechtheion selten
versucht zu haben scheinen. Die völlige Aufnahme des Peripteros dürfte in der re-
publikanischen Zeit Ausnahme gewesen sein, und selbst später blieb die prostyle An-
lage Regel, wie diess mehrere Kaisertempel auf dem Forum Romanum, der Vespasian-
und Fauslinatempel, wahrscheinlich auch der Caesartempel zeigen. Doch auch in diesen
Fällen verliess man den ziemlich hohen senkrechten Unterbau nicht, welcher dem rö-
mischen Tempelbau im Gegensatz zu dem terrassirten Unterbau der Griechen ebenso
charakteristisch blieb, wie die mächtige Freitreppe an der ganzen Fronteseite.
Während indess das Vorhandensein eines dem dorischen verv^^andten einheimischen
Styles der Aufnahme des in Unteritalien so reich entwickelten dorischen Styles hinder-
lich war, stand nichts im Wege, dem Import des ionischen weitergehende Concessionen
zu machen. Nur musste auch dieser Styl sich die Umwandlung in eine blosse Ord-
nung und jene handwerksmässige Schematisirung gefallen lassen, wie sie auch aus
E
Die ionische Ordnung. Entstehung der korinthischen Ordnung. 25
der Mischung des toscanischen und dorischen Styles sich ergeben sollte. Die ionische
Basis ging zu Gunsten der attischen ganz verloren. Auch die Canelluren Hess man
häufig und bei kleineren Dimensionen um so lieber weg, als sie an dem etwas grob-
körnigen Material der republikanischen Zeit nicht leicht auszuführen waren^ wenn man
nicht stark mit Verputz nachhelfen wollte. Das Capital vereinfachte sich gleichfalls,
besonders aber schuf man sich sofort für die Spirale, welche von den Griechen aus
freier Hand gezogen w^orden zu sein scheint, eine feststehende Formel. Dem schema-
bedürftigen Römer aber musste namentlich das Capital der Ecksäulen Schwierigkeiten
bereiten, da dieses nicht nach der Lehre der übrigen Capitäle herzustellen, sondern
wegen der Nothwendigkeit, die Spiralen an zwei anliegenden Seiten zu zeigen, zu einer
complicirten Verzerrung gedrängt war. Diese Schwierigkeit scheint, wenn auch erst
ziemlich spät, zu dem weiteren Schritt geführt zu haben, die Polsterbildungen der zwei
Nebenseiten ganz wegfallen zu lassen, und die Spiralenfronte an allen vier Seiten zu
wiederholen (Saturntempel), wodurch wieder ein Schema für alle Capitäle eines Ge-
bäudes tauglich wurde, wie in der toscanischen und korinthischen Ordnung, deren Ca-
pi(äl-Ranken vielleicht auch Mitursache jener Aenderung gewesen sind. — Das Gebälk
vereinfachte sich namentlich durch Reduction der Blattleisten und Astragale, welche
letzteren in den rauheren Materialien der republikanischen Epocjie geradezu unausführ-
bar waren. Die Verhältnisse der drei Glieder aber wurden gleichfalls in einen höchst,
einfachen Canon gezwängt.^ (Vgl. beifolgende Abbildung des Tempels angeblich der
Fortuna Virilis).
So lange man die Tempel aus Tuf und Travertin baute, konnte sich auch der
bauliche Schmuck nicht leicht über die Mittel der toscanisch- dorischen und der ioni-
schen Ordnung erheben. Als aber gegen Ende der republikanischen Epoche und be-
sonders seit der Unterwerfung Griechenlands überseeischer Marmor an die Stelle des
landeigenen Materials Mittelitaliens trat, was der Benutzung der lunesischen (Carrara)
Marmorbrüche vorausgegangen zu sein scheint, verdrängte eine erst in der hellenischen
Verfallszeit ausgedehnter angewendete Säulen- oder richtiger Capitälform des ionischen
Styls, nemlich die korinthische, die zwei andern Ordnungen in der Weise, dass von
der Zeit an selten mehr ein namhafter Tempel in anderer Ordnung als in der korin-
thischen erbaut ward. Bekanntlich kennt die hellenische Architekturgeschichte bis zu
der Diadochenzeit die aus einem Phantasie-Capitäl hervorgegangene korinthische Ord-
nung noch nicht, w^enn auch kein Grund zu zweifeln vorliegt, dass wirklich Kallimachus
der Erfinder jenes Capitäls war, mochte nun dieser den Anlass aus der von Vitruv er-
zählten Begebenheit^ oder aus einer anderen seiner tektonischen Schöpfungen (z. B.
1 Vitruv. III, 5. 2 Vitruv IV, 1, 9, 10.
F. Reder, Rom.
26 Baugeschichte des alten Rom.
der ehernen Lampe im Erechtheion) oder vielleicht sogar aus dem Vorbilde der ägyp-
tischen Kelchcapitäle geschöpft haben. In der That erscheint die korinthische Säule
selbst da, wo sie nicht mehr blos vereinzelt unter ionischen Säulen, sondern ausschlie-
ssend vorkommt, wie an dem Monumente des Lysikrates und an dem Thurm der Winde
noch unentwickelt oder in Halbsäulenform, welche ihrerseits wieder an gewisse Erscheinungen
am Pilastercapitäl erinnert, und ohne kanonisches Gepräge. Namentlich zeigt sie noch kei-
nen Einfluss auf das rein ionische Gebälk, dessen Umbildung erst von einer korinthischen
Ordnung zu sprechen erlaubt. Ob nun diese Umbildung noch das Werk des Helle-
nismus und eine Schöpfung der prachtliebenden Epoche der Erben Alexanders des
Grossen, oder ob sie wirklich römisches Product ist, muss dahingestellt bleiben. Viel-
leicht ist hier ein Zusammenwirken zu constatiren. Denn wenn wirklich ein römischer
Architekt (Cossutius) im Auftrage eines syrischen Königs jenen olympischen Jnpiter-
tempel in Athen erbaute, dessen korinthische Säulen Sulla nach Rom schleppte um mit
diesen den während seiner Abwesenheit abgebrannten capitolinischen Jupitertempel wieder
aufzubauen, so Hesse sich an eine combinirte Urheberschaft denken. Das korinthische
Gebälke aber zeigt in Architrav und Fries die ionische Bildung beibehalten, und nur das
Kranzgesims gewann eine Neuerung in den schönen Kragsteinen. Diese sind dem
Wesen nach verwandt den Triglyphen der dorischen und dem Zahnschnilte der ionischen
Architektur, indem sie ihrer horizontalen Lage nach als Symbol der horizontalen Deck-
balken sich darstellen. An eine solche Symbolisirung konnte jedoch in jener Zeit nicht
mehr gedacht werden, und sie scheinen vielmehr aus der Vergrösserung und sculpturalen
Ausbildung des Zahnschnittes oder richtiger aus einer Verbindung desselben mit den in
der toscanisch-dorischen Architektur horizontal gewordenen Mutuli erwachsen zu sein.
Dass man aber das Vorbild der Parotides an der hellenischen Thürgewandung hiezu,
freilich in horizontaler statt senkrechter Lage wählte, war ein höchst glücklicher Griff,
um so mehr, als sich dadurch der Blätter- und Rankenschmuck des korinthischen Ca-
pitäls auch auf das Gebälk überleiten liess, und hier abgesehen von den reichen Blatt-
leisten der Gliederungen und von den Blattranken im Friese, in der klar profiliiten
Kragsteinreihe kräftig und üppig ausklang.
Wie aber die Prachtliebe der Römer von früher Zeit an zur Mischung der Mo-
tive der einzelnen Style geneigt war, und so z. B. gewöhnlich den ionischen Zahn-
schnitt neben der korinthischen Kragsteinbildung bestehen liess, so gelangte sie auch
dahin die Verschmelzung der ionischen Formen mit der korinthischen Neuerung dadurch
zu bekrönen, dass sie selbst das korinthische Capital trotz der organischen Verschie-
denheit mit dem ionischen in Verbindung brachte. Es entstand dadurch das sog. rö-
mische oder Compositcapitäl, welches auf der unteren Hälfte des korinthischen, d. h.
auf dessen zwei Blattreihen das ionische Capital aufgepflanzt zeigt. Freilich konnte
Die korinthische Ordnung. Das Compositcapitäl. 27
diess nur mit jener Bildung des letzteren geschehen, welche in der oben bereits bespro-
chenen Weise auf allen vier Seiten die Spiralenbildiing darbietet, wodurch sich auch die
der Rankenbildung des korinthischen Capitäls ähnlichen vorspringenden Ecken ergeben.
Doch scheint auch diese Verquickung, welche wir an den Säulen des Cerestempels (S.Maria
in Cosmedin) und an den Triumphbögen des Titus wie des Septimius Severus finden wer-
den, nicht vor der römischen Kaiserzeit gewagt worden zu sein , wie überhaupt die
besprochenen Formenentwickelungen zum grossen Theile einer vorgerückteren Periode
angehören, als wir sie in unserer Baugeschichte bisher erreicht haben.
Nebenher muss noch einer bei den Römern besonders beliebten Tempelart ge-
dacht werden, welcher auch Vitruv^ eine eingehende Besprechung widmet, nemlich des
Rundtempels. Dabei trat die kreisförmige Cella, wenn sie umsäult war, über die
mit Pultbedachung ringsum sich anschliessende Säulenhalle empor, und wurde mit
einem flachen Zclldach selbständig abgedeckt. Wenn sich auch diese Tempclform
aus Cultgründen für das Vestaheiligthum besonders eignen mochte, so war sie doch
keineswegs auf diesen Zweck beschränkt, wie denn gerade der erhaltene Rundtempel
Roms wahrscheinlich dem Hercules geweiht war, während die Bestimmung der Perle
unter den Ruinen in Tivoli (vgl. die beifolgende Abbildung) ganz ungewiss ist.
Die Grösse der römischen Baukunst beruht jedoch keineswegs im Säulenbau,
welcher weder selbständiges Eigenthum der Römer war, noch i.) der stylvollen Reinheit
und Sinnigkeit der Griechen geübt wurde. Während nemlich in Hellas die organische
Bedeutung der Stylarten und des Säulenbaues immer in Kraft blieb , sanken diese grie-
chischen Schöpfungen in Rom zu nebensächlicher Decoration herab. Die Hauptsache war
von vornherein und blieb die Conslruction. Nur durch sie konnte die römische Architektur
jene Unverwüstlichkeit und jene Dimensionen erreichen, welche der griechischen unerreich-
bar waren. Man konnte die Dimensionen der griechischen Säule nur bis zu einer gewissen
Gränze steigern, denn wenn es auch möglich war, riesige Säulentrommeln aufeinander zu
thürmen, so erwuchs aus der erforderlichen Länge der Architravblöcke ein unübersleig-
lichesHinderniss, falls man nick!, wie am Jupitertempel zuGirgenti die Bedeutung und Wir-
kung der Säulenstellung durch Zwischenwände wieder gänzlich aufheben wollte. Auch das
Uebercinanderstellen mehrer Säulenreihen, um eine bedeutende Höhe und mehre Stockwerke
zu erzielen, wie das gelegentlich und zu vorübergehenden Zwecken bei den Scenen römi-
scher Theater, wovon gehörigen Ortes gesprochen werden soll, oder für bleibende Monu-
mente (Septizonium) in mehren Etagen versucht ward, konnte den auf Nutzen und Solidität
vor Allem bedachten Römern nicht vollends entsprechen. Man zog es daher vor, diesen
architektonischen Schmuck an höher cmporgeführlcn Werken niciit selbständig auszuführen.
1 Vitruv. IV. 8.
4*
28 Baugeschichte des allen Rom.
sondern nur an den Mauern selbst anzudeuten, indem man zu jenem Halbsäulen- und
Pilastersysteme griff, das den Griechen zwar nicht unbekannt, aber doch von ihnen nicht
weit entwickelt war. Es wurde dadurch der Mauerbau, der von den Griechen in un-
tergeordneter architektonischer Einfachheit und Schmucklosigkeit belassen worden, zu
einem völlig neuen Leben erweckt, welches verschiedene Umstände beförderten, in
erster Linie aber die Art des zu Gebote stehenden Materials.
Da nemlich die nächste Umgebung von Rom an Bruchsteinen nur schlechtes
Älaterial, vulkanische Tufarten, den weichen röthlichbraunen von Rom selbst und vom
Anio und den grauen besseren (Peperino) von gewissen Brüchen in der Campagna
und im Albanergebirge darbot, und die Herbeischaflung schöneren Materials, des weiss-
liehen Kalksteines von Tibur (Travertino), auch nachdem sie durch Unterweifung der
Tiburtiner ermöglicht oder erleichtert worden war, doch kostspielig sein musste, so
konnte der Bau aus Bruchsteinen nicht zur allgemeinen Anwendung kommen. Dieser
Mangel führte zu der grossen Vollendung des Ziegelbaues, worin die Römer bald alle
übrigen Völker übertrafen. Was die Ziegel selbst betrifft, so waren sie für den Pri-
vatbau zumeist nur an der Sonne getrocknet. Diese konnten natürlicii nicht Jahrtau-
sende überdauern: die gebrannten Ziegel jedoch, welche in zahlreichen Backsteinruinen
von verschiedenen Epochen der römischen Herrschaft erhalten sind, zeigen eine ganz
vorzügliche Schönheit, Feinheit der Masse und Exactheit der Form und haben auch seit
fast zwei Jahrtausenden an Festigkeit wenig oder nichts verloren. Die gewöhnlichen Halb-
ziegel sind etwas grösser als die jetzt üblichen, dafür bedeutend flacher, in der besten Zeit
nur 3 Centimeter hoch. Doch bei Mauern von einiger Dicke war dieser Backsteinbau
nur die äussere Bekleidung: der Kern bestand aus einer durch Mörtel verbundenen
Gussmasse kleiner Steinstücke verschiedener Art [fartnra^ Gusswerk). In Abständen
von je einem Meter aber erscheint an solchen Mauern eine Lage oder mehre von dop-
pelt so grossen Ziegelplatten fast quadratischer Form, welche durch die ganze Mauer-
dicke gehen und so das Gusswerk unterbrechend zu grösserer Festigkeit beitragen.
Diese Ziegelplatten sind dem Archäologen überaus wichtig durch den an denselben an-
gebrachten Fabrikstempel, der meist das Consulatsjahr, in welchem sie verfertigt sind,
angiebt, und zu den wichtigsten Hilfsmitteln für die Bestimmung der Erbauungszeit des
betreffenden Gebäudes gehört.
An der Stelle dieser Backsteinmauer oder vielmehr Bekleidung findet sich noch
eine andere ganz besondere Art von Technik, die jedoch von geringerer Bedeutung ist,
nemlich das Netzwerk [opus reücnlatumj mit einer weniger vollKommenen (früheren?)
Unterart derselben, dem opus anliquum oder inceräim. Beide sind aus keilförmigen
Stücken von Bruchstein gebildet, und zwar so, dass diese die spitze Seite nach innen
kehren und nach aussen die quadratische Stirnfläche zeigen, deren eine Diagonale senk-
o.
E
Material, Technik, Wölbung. 29
recht zu stehen kommt. Waren diese Stücke, die mit Mörtel verbunden wurden, regel-
mässig aneinander gereiht, so dass die Fugen in geraden Linien sich kreuzten, so
wurde die Mauer wiegen ihres netzförmigen Ansehens opus reticulatum, wenn unregel-
mässig opus anüqmim genannt. Hinsichtlich ihrer relativen Dauerhaftigkeit giebt schon
Vitruv^ dem letzteren Verfahren den Vorzug, w^as sich auch leiciit dadurch erklärt, dass
die ununterbrochen geradlinigen und schrägen Fugen sich leichter lösten, als unregel-
mässige bei gleich guter Fügung. Die grössere Scliönheit des regelmässigen Netz-
werkes aber war deshalb von geringer Bedeutung, weil derlei Wände in der Regel
nicht ohne Verputz blieben. Nichts desto weniger war die erstere Art entschieden
mehr im Gebiauche, und man sieht davon noch zahlreiche Reste an den Ruinen von
Gräbern und Villen um und in Rom. Solche Wände aber sind in gewissen regelmäs-
sigen Abständen von einigen Lagen ziegeiförmiger Steinplatten und später wirklicher
Ziegel durchzogen und in gleicher Weise an allen Ecken eingefasst.
Ist aber die vollendete Technik des römischen Mauerbaues als die Grundlage
für die erstaunliche Enlwickelung des römischen Massenbaues zu bezeichnen, so gilt
dies ganz besonders von der wandbelelebenden Kunst des Wölbens, deren Erfindung
ohne Bedenken die folgenreichste in der Baukunst genannt werden kann. Dass Demokrit
den Steinschnitt und die Wölbung erfunden habe, dürfte, übrigens schon von Seneca ^
in Abrede gestellt, Angesichts der Gewölbe der Cloaca Maxima und anderer in Etrurien,
in Pästum und anderwärts vorkommender w^ahrscheinlich älterer Steinbogen kaum auf-
recht zu halfen sein. Audi ist es wegen einiger anderweitiger Beispiele noch nicht
so ganz sicher, den Bogenschnitt eine etruskische Erfindung zu nennen, und so müssen
wir uns wie fast bei allen Anfängen zu der Erklärung entschliessen, dass wir eben
die Herkunft dieser wichtigen Kunst nicht kennen. Der Bogen- und Gewölbebau aber
gelangte in Rom, muthmasslich nach dem Vorgang von Antiochia und Alexandria zu
der ausgedehntesten Anwendung, wesentlich gefördert durch den Backsleinbau. Dieser
erleichterte die Ausbildung der verschiedenen Formen vom einfachen Bogen und Ton-
nengewölbe bis zum complicirteren Kreuz- und Kuppelgewölbe mit ihren besonderen
Abstufungen, und deren Benutzung auch für grössere Räume. Von den verschiedenen
Arten finden sich zahlreiche Beispiele unter den Ruinen Roms. Kleinere Tonnenge-
wölbe wurden und zwar vermuthlich schon in sehr früher Zeit einfach gegossen, wo-
bei man sich allerdings auf die Haltbarkeit des Bindemittels verlassen musste, wozu
man übrigens durch die fast beispiellose Vortrefflichkeit desselben in dem grössten
Theile von Mittelitalien, namentlich um Rom, wohl berechtigt war. Um solche Gewölbe
aus Gusswerk noch leichter und darum gefahrloser herzustellen, mengte man die Guss-
1 Vitruv. II. 8. 2 Senec. Ep. 90.
30 Baugeschiclite des alten Rom.
masse gerne mit Bimssteinstücken und Thonscherben, während man bei grösseren und
besonders Kuppelgewölben in später Zeit zu gleichem Zwecke ineinandergesteckte
Topfe von gewisser Form einsetzte, deren Gewicht im Verhältnisse zum Volumen ihrer
Hohlheit wegen natürlich das geringste war, während ihre Verbindung unter sich die
Haltbarkeit erhöhte.^
Kehren wir aber nach diesen allgemeinen Betrachtungen über römische Archi-
tektur und Technik nun zur unterbrochenen Baugeschichte der Stadt selbst zurück, so
sehen wir, dass, wenn auch die Technik seit den Königsbauten sich in der bespro-
chenen Weise fortentwickelte, doch das, was über die römische Fortbildung griechi-
scher Architektur gesagt worden ist, auf das erste Jahrhundert der Republik nur wenig
Anwendung findet. Die Römer fuhren fort, den Göttern zahlreiche aber eben darum
minder bedeutende Heiligthümer zu erbauen, und begnügten sich selbst, die wenigen
Monate, die sie nicht im Felde standen, in unansehnlichen Wohnungen zu verleben.
Oetfentliche Gebäude, an welchen sich hauptsächlich die römische Architektur, ebenso
wie die griechische an den Tempeln^ entwickeln musste, gab es nur wenige. Der
Circus^ welcher schon mit dem Beginne der Stadt erscheint, bestand nur aus einer
geebneten Rennbahn und aus rohen Holzgerüsten, welche überdiess, wie es scheint,
zum grössten Theile lediglich für die Zeit der Spiele aufgeschlagen wurden, so dass
er in seiner damaligen Gestalt nur sehr unoigentlich ein Gebäude genannt werden kann.
Die Curien entsprachen nach Gestalt und Charakter schlichten Tempeln. Das Forum,
um welches sich die spätere römische Pracht in einer Anzahl ölfenlicher Bauwerke
lagerte; war damals ein einfacher Marktplatz mit Verkaufsbuden. Selbst der hervor-
ragendste Theil desselben, das Comitium, war ungepflastert, ebenso die Strassen; über
den Fluss führte nur eine hölzerne Brücke. Doch scheint die Stadt nicht ohne einen
bestimmten Plan angelegt gewesen zu sein, da besonders die Cloaken den Strassen
entsprachen, wodurch eine regelmässige und ziemlich geradlinige Verzweigung derselben,
namentlich in der Richtung nach dem Flusse hin, bedingt war.
Fast alles Vorhandene verwüstete die Einnahme Roms durch die Gallier i. J. d. St.
364 (390 V. Chr.). Die Zerstörung selbst ist eben nicht zu sehr zu beklagen, da in
allen Gebäuden noch grosse Aermlichkeit geherrscht hatte, welclie den Schaden doch
nur massig machte, und da auch noch kein bedeutendes Kunstdenkmal vorhan-
den w^ar, das darunter hätte leiden können. Weit mehr Naohtheil als die Zerstörung
brachte für die ganze Folgezeit der übereilte Wiederaufbau der Stadt. Man kümmerte
sich nicht darum, die urprüngliche Anlage zu beobachten; Jeder baute, wo er eben
1 R. Bergau. Su' vasi fittili usati per la costruzione delle volte. Ann. d. J. d. c a. 1867 Vol. XXXIX.
p. 405 — 408 tav. d'agg. L. 2—7. I. d.
Zerstörung und Wiederaufbau der Stadt. Erste Wasserleitung. Strassen. 3|
leeren Raum fand. Die Linien der Cloakcn wurden mit Wohnhäusern überbaut, und
die Einzelnen lenkten die Richtung der Strassen oder vielmehr Gassen nach ihrem Be-
lieben oder wie es ihnen die üebereiiung gerade eingab; denn gegen die Verpflich-
tung, innerhalb eines Jahres sein Gebäude zu vollenden, konnte Jeder unentgeltlich
seinen Bedarf an Material aus Staatsbesitz nehmen wo er wollte.^ So erstand die Stadt
schnell wieder, doch ohne überlegten Plan, als ein Gewirre von Gebäuden: und diess
hatte die Folge, dass die damals schon bewohnten Stadttheile nie mehr zu einer
schönen und für den Verkehr zweckmässigen Anlage gelangten. In baulicher Hinsicht
erhoben sich die Privatgebäude, wie vorher, in ungebrannten Ziegeln auf einem nie-
drigen Unterbau von Bruchsteinen.^ Im Gegensatze zu dem Berichte des Livius (a. a.
0.) wird anderwärts^ sogar erwähnt, dass die Bedachung der Wohngebäude bis zur
Zeit des Krieges mit Pyrrhus (474 d. St., 280 v. Chr.), seit welcher Zeit die Ziegel-
platten in Aufnahme kamen, aus Holz bestand.
Nach der gallischen Verwüstung der Stadt finden sich fast hundert Jahre lang
keine Berichte über die Ausführung hervorragender öffentlicher Bauten. Der Sinn der
Römer war auf die Sicherung der staatlichen Existenz und des Uebergewichtes nach
aussen wie auf die Erhaltung und Erringung von Rechten unter den Ständen im Innern
gerichtet, das Staats- und Privatvermögen gering, und das Gefühl für die Schönheit der
Kunst noch nicht geweckt. Erst als der Zusammenstoss mit dem hellenisirten Südita-
lien, dann mit Hellas und Kleinasien den Römern die verfeinerte gesellschaftliche Cul-
tur gezeigt, Prachtliebe und Genusssucht angeregt hatte, begann man auch zu Rom,
ausgerüstet mit den Schätzen mehrcr unterworfener Völkerschaften, sich nicht mehr auf
das Nöthigste zu beschränken, sondern auch für die Verbesserung und Verschönerung
der öffentlichen Anstalten, für Bequemlichkeit und Vergnügen zu sorgen. Gleichzeitig
mit der ersten Wasserleitung, der Aqua Appia, die in einem unterirdischen Kanäle
nach der Stadt geführt wurde, um diese theilweise mit besserem Trinkwasser zu ver-
sorgen, als es bisher der Tiber und die wandelbaren Hügelquellen geboten hatten,
baute der Censor Appius Claudius, mit dem Beinamen „der Blinde", im Jnhre 442 d.
St. (312 V. Chr.), vierzehn Jahre nach dem Ausbruche des Samniterkrieges, die erste
Heerstrasse, und zwar von Rom nach Capua. Sie bestand aus einem Damm, der nicht
gepflastert, sondern mit Schotter beworfen war:* so wenigstens erhellt, wenn auch die citirte
Notiz Diodors dagegen zu sprechen scheint, aus dem genauer unterrichteten Livius, nach
welchem erst die Aedilen Cn. und Q. Ogulnius (456 d. St. 298 v. Chr.) den Fussweg
neben dieser Strasse vom Capenischen Thore bis zum Tempel des Mars, d. h. an der
'Liv. V. 55. 2(Varro) Sueton. Aug. 29. 3 pun. H. N. XVI. 10, 15. *Liv. TX. 29. Diodor
XX. 36. Frontin. de aquaed. 1.
32 Baugeschichte des alten Rom.
Strecke etwa von S. Gregorio bis wenig ausserhalb der heutigen Porta di S. Seba-
sliano, mit quadratisch behauenen Steinen belegen Hessen/ während erst im J. 469
d. St. (295 V. Chr.) aus eingezogenen Strafgeldern die Strasse selbst vom Marstempel
bis Bovillae (dessen Ruinen noch bei Albano zu sehen sind) mit den fortan hiefür
üblichen Basaltpolygonen [silexj gepflastert wurde.^ Von dieser Zeit an galt die
Anlegung von Strassen für eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit und ward
in der Folge mit ungeheurem Aufwände betrieben. Man wählte meist gerade Linien,
wie denn z. B. die Via Appia von der Höhe des Grabmals der Caecilia Metella bis
Albano in einer nur einmal fast unmerklich unterbrochenen Geraden sich hinzieht, und
um Krümmungen und Senkungen zu vermeiden, wurden häufig ganze Thäler überbrückt
und Berge durchschnitten.
Die beiden Werke des Appius waren jedoch nur vereinzelte Vorläufer gross-
artiger Bauunternehmungen, denn es verging wieder fast ein Jahrhundert, bis endlich
ein in dieser Beziehung fast unerhörter Aufschwung begann, welcher nach den ver-
schiedensten Richtungen öffentlicher Bedürfnisse durchgriff. An der Spitze steht der
Bau des Circus auf dem Marsfelde, den der Censor C. Flaminius ausführte,^ derselbe
Censor, der auch die Flaminia anlegte. Im J. 562 d. St. (192 v. Chr.) erhoben sich
Säulengänge vor der Porta Trigemina und vor der Porta Fontinalis, von denen der erste
am Fusse des Aventin, der letztere am Fusse des Quirinalis gegen das Marsfeld sich
hinzog.'' In derselben Zeit fing man auch an, die Strassen der Stadt mit Basaltpolygonen
zu pflastern,^ der Landungsplatz am Tiber vor der Porta Trigemina wurde mit behau-
enen Steinen belegt und mit Stufen und Pfählen zur Befestigung der Fahrzeuge ver-
sehen,^ das Cloakennetz erfuhr ausser einer gründlichen Reinigung eine beträchtliche
Erweiterung. "^ Und nachdem fast ein halbes Jahrtausend eine hölzerne Brücke dem Ver-
kehrsbedürfnisse hatte genügen müssen, begann endlich im J. 575 d. St. (179 v. Chr.)
der Censor M. Flaccus Nobilior den Bau der ersten steinernen Brücke, und warf hiezu
gewaltige Pfeiler in den Strom, über die jedoch erst in 37 Jahren die Bogen gesprengt
wurden.^ Gleichzeitig erbaute Flaccus Nobilior unterhalb der Brücke einen Hafen für
Flussfahrzeuge.
In derselben Epoche wurde auch durch M. Porcius Cato nach griechischem
Vorbilde und unter dem Namen der athenischen Gerichtshalle des Archon Basileus die
erste Basilica (Gerichtssaal) erbaut,^ welcher bis in die späteste Kaiserzeit mehre nach-
folgten. Die Gestaltung und Entwickelung der Basilica ist dadurch ausserordentlich be-
deutsam, dass ihre Planform die Grundlage des christlichen Kirchenbaues darbot. Hat
1 Liv. X. 23. 2 id. X. 47. 3 Liv. Epit. XX. * id. XXXV. 10. » id. XXXVIH, 28. XLI. 27.
« id, XLI. 27. 7 id. XXXIX. 44. 8 Liv. XL, 51. »id. XXXIX. 44. AureL Vict. de vir. ill. 47.
Circus Flaminius. Portiken. Die erste steinerne Brücke. Die Basilica Porcia. 33
es sich nemlich auch als falsch herausgestetlt, dass die öffentlichen Gerichtshallen als
unmittelbares Vorbild dienten, da vielmehr die Privatbasilika als die Wiege des christ-
lichen Cultus besonders in der römischen Gemeinde zu betrachten ist/ so ist doch der
Zusammenhang zwischen der forensen und Hausbasilika nicht zu bestreiten und das
gegenseitige Verhältniss vom Verfasser dieses klar zu legen versucht vs^orden.^ Der-
selbe hat auch in der angezogenen Abhandlung die Urform der römischen Basilika
durch den Nachweis der Gestalt der Basilica Porcia mit den zu Gebote stellenden
Mitteln zu entwickeln gestrebt, und dabei Folgendes als zweifellos befunden: Die ge-
nannte Basilika hatte eine Schmalseite als Fronte und besass an dieser eine Säulen-
vorhalle, welche selbst ohne Bedachung war und vielmehr eine Estrade trug. Das In-
nere war mit Säulengängen rings umgeben, also nicht in Schiffe getheilt, was die
Säulenstellungen auf die Längsrichtung beschränkt haben würde. Die ringsum laufenden
Säulengänge waren in zwei Stockwerke gedoppelt, während der Mittelraum ohne Stock-
werktheilung bis zur gemeinsamen Decke emporstieg. Gemeinsam aber war Holzdecke
und Dach für Mittel- und Nebenräume und nicht der Mittelraum überhöht und mit Fen-
stern versehen, deren er, da die Langseiten zur Fensterbildung in zwei Etagenreihen
nach Art der Pfeilerarkaden der Theater und Amphitheater oder auch in einer einfacheren
Weise Gelegenheit genug boten, nicht bedurfte während erst in der Privatbasilika der Ein-
schluss des Saalbaues zur Ueberhöhung des Mittelraumes behufs Anlage der Hochfen-
ster, damit abcrauch zur Reduction der Ringsumsäuligkeit des Innern auf die parallelen
Säulenstellungen zwang. Die der Eingangsschmalseite gegenüberliegende andere Schmal-
seite enthielt jene kreisförmige Ausweitung, welche je nach horizontaler oder halbkup-
pelförmiger Bedeckung Exedra oder Apsis genannt wurde, und in welcher sich das
Tribunal des Richters befand. Von der Porcia nun wissen wir bestimmt, dass die Säu-
lenstellung des Umganges unterbrechungslos an der Apsis vorbeilief, wodurch die Apsis
eine gewisse Absonderung von dem Innenraum erfuhr. Die Beweise für die angege-
benen Behauptungen sind in der angeführten Abhandlung beigebracht.
Der hiermit gegebene Urtypus scheint bis zum Anfang der Kaiserzeit beibehalten
worden zu sein, namentlich war er noch herrschend als der Palastbau der römischen
Nobilität gegen Ende der Republik den basilicalen Saalbau mit den oben angedeuteten
Modificationen unter seine manigfachen Saalanlagen aufnahm. =^ Die öffentlichen Basili-
ken aber änderten ihre Gestalt seit dem Beginne der Kaiserzeit wesentlich. Um nur
von den bekannten römischen zu sprechen zeigt die Basilica Julia auf dem Forum Ro-
1 J. A.Messmer, Ueber den Ursprung der christlichen Basilika. (Zeitschrift für christl. Arch. u. Kunst.
Leipzig 1859). 2 p Reber, Die Urform der römischen Basilika. Mittheilungen der k. k. Centralcommission
für Baudenkmale. Wien 1869. p. 35 fg. » Vitruv, VI. 3, 9.
F. RF.nEn, Rom. 5
34 Baiigeschiclite des alten Rom.
manum eine Langseite als Fronte, keine Apsis, und die Umgänge auf Pfeilcraikadcn
gelegt, somit gar keine Säulen. Die Basilica Ulpia am Traianforum war ebenfalls so
situirt, dass die Langseilen beiderseits die Fronten bildeten, während die Schmalseiten
in die halbkreisförmigen Exedren ausliefen. Die Granitsäulen des Innern aber stehen
fragmentirt noch zum Theil an ihrer Stelle. Die Basilica des Maxentius oder. des Con-
stantin endlich war reiner GewOlbebau auf mächtigen Pfeilern, dreischilTig sowohl der
Länge als der Breite nach, wie auch sie zwei Fronten, jedoch eine an der Lang- und
eine an der Breitseite besass, welchen an den gegenüberliegenden Seiten auch zwei
Apsiden entsprachen. Diese aus den Ruinen noch ersichtlichen Umbildungen des ur-
sprünglichen Planes im Zusammenhalt mit den sonst durch Ueberreste wie durch Vi-
truv's Beschreibung^ bekannt gewordenen öffentlichen Basiliken der Kaiserzeil zeigen,
dass man sich in keiner Weise mehr an traditionelle Vorbilder band, sondern sich lediglich
darauf beschränkte, Saalbauten herzustellen, welche dem jeweiligen öffentliciien Zwecke
wie dem zu Gebote stehenden Areal entsprachen. Halten die forensen Basiliken der
Republik als Vorbilder der Hausbasiliken noch einen mittelbaren Zusammenhang mit
der christlichen, so hörte dieser seit der Kaiserzeit völlig auf, in welcher sich die
Hausbasilika völlig zum Typus der christlichen entwickelte, während die forense ihre
eigenen manigfaltigen Wege ging. An der Hausbasilika aber verwandelte sich die Rings-
umsäuligkeit in das Dreischiffsystem, wodurch die Ueberhöhung des Mittelschiffes bei
doppelgeschossiger Säulenstellung erst möglich wurde, wie sie auch erst nöthig ward
durch den Umstand, dass der basilikale Saalbau, die Fensteranlage in den Seitenschiffen
ausschliessend, mit den übrigen Saalräumen der römischen Domus in Verbindung trat.
Fahren wir in unserer Baugeschichte fort. Alle die aufgezählten Bauwerke vom
flaminischen Circus an bis zur Basilica Porcia, welche grösstenlheils als ganz neue Er-
scheinungen auftraten, erstanden innerhalb weniger Decennien. Doch bei allen bis-
herigen Werken hatte man vorzugsweise Zweck und Solidität ins Auge gefasst ohne
eine nennenswerthe Prachtentfaltung anzustreben. Diese Hess auch das schlichte Ma-
terial, dessen man sich bediente, (Landstein und Ziegel) nicht zu. Man verwendete an
den zahlreichen Tempeln noch keinen Marmor, und die Gölterbilder sowohl in den Gellen
als auf den Giebeln der Heiligthümer waren grösstenlheils von Thon. Man sah weder
vergoldete Dächer noch Bildsäulen, wie sie nachher so iiäufig wurden, und ausser den
Waffen der Legionen wenig ehernes Geräthe. Die Grüfte der edelsten Geschlechter
waren einfach in Tuffelsen gehöhlt und die Inschriften in Travertin gegraben (Scipio-
nengrab). Auch Ehrendenkmäler^ waren noch im 5. Jahrhundert eine seltene Auszeich-
nung, wie diess von den Reilerstaluen des Mänius und Camillus ausdrücklich erwähnt
» Vitruv. V. 1. 4— 10. 2D, Detlefsen, de arte Roraanorum antiquissima. Glückstadt 1867. 1868.
Erste Ehrendenkniäler. Gebäude für Spiele. 35
wird.^ Die dem C. 3Iänius nach Besiegung der Latiner 416 d. St. (3:^8 v. Chr.) er-
richtete Ehrensäiile ist sehr zweifelhaft,^ und als eines der ältesten sicheren Denkmä-
ler der Art erscheint die mit Schiffsschnäbeln der bei Mylae 494 d. St. (260 v. Chr.)
überwundenen carthagischen Flotte gezierte Säule des C. Duilius, die auf der Redner-
biihne aufgestellt ward^ und die „Rostra" mitcharakterisirte. Doch jetzt war die Zeit
des monumentalen Aufschwunges gekommen, von den unterworfenen Völkern strömte
reiche Beute in den Staatsschatz und die Feldherren fingen an, sich nicht mehr damit
zu begnügen, im Triumphe einzuziehen und das capitolinische Opfer darzubringen: es
entstanden nun dauernde Zeugen ihrer Triumphe. Von L. Stertinius wird erwähnt, dass
er im J. 558 d. St. (196 v. Chr.) zum erstenmale aus der Beute Ehrenbogen errich-
tete und darüber vergoldete Statuen aufstellte.''
Die Veränderung der Volkssitte der Römer im siebenten Jahrhundert und ihre
rasch vorsclireitende Ausartung von altehrwürdiger Einfachheit zum ausschweifendsten
Luxus lässt sich an der Geschichte der römischen Spiele am deutlichslen ersehen. Die
bauliche Form, welche Tarquinius Priscus dem für die Wagenrennen bestimmten Circus
gegeben,^ scheint, wie pben angedeutet worden ist, ziemlich unansehnlich gewesen zu sein.
Auf den hölzernen Gerüsten wurden nur für die Zeit der Spiele selbst die Schaubüh-
nen aufgeschlagen, und auch die Carceres (Schranken) waren von Holz. Letztere wur-
den erst i. J. 424 d. St. (330 v. Chr.) ständig eingerichtet, d. h. in Stein ausgeführt. ^
Die Fechtspiele, die erste Art von Spielen, die nach dem Circusrennen in Rom Eingang
fanden, ebenso wie die Wettfahrten des Circus ursprünglich im Gefolge einer religiö-
sen Ceremonie, wurden anfangs sogar ganz ohne bestimmten Schauplatz auf verschie-
denen Plätzen nur von Privaten bei Gelegenheit einer Leichenfeier Qmmera gladialoriaj
veranstaltet. Die ersterwähnten Gladiatorenspiele dieser Art waren um das J. 490 d.
St. (264 V. Chr.) auf dem Forum Boarium abgehalten worden;' im folgenden Jahrhun-
dert scheinen sie gewöhnlich auf dem grossen Forum gegeben worden zu sein. Eine
weitere Darlegung der geschichtlichen Entwicklung dieser Spiele wird bei der Beschrei-
bung des flavischen Amphitheaters erfolgen.
Auf dem Theater lastete in den ersten Jahrhunderten seines Bestehens die Ver-
achtung des Volkes: auch konnten die Tänze und mimischen Possen der etrurischen
Gaukler fkistrionesj ^ welche während einer anhaltend verheerenden Seuche zur Er-
heiterung des Volkes i. J. 390 d. St. (364 v. Chr ) zum erstenmale in Rom auftraten, ^
nichts anderes verdienen. Die römische Jugend, diese Tänze nachahmend, mischte
komische Verse hinein in dialogischer Form. Diess führte zu dem dramatischen Dialog
1 Liv. VIII. 13. 2PIin. XXXIV. 5, 11, 20. 3 id 1. c. * Liv. XXXIII. 27. » Dionys III. 69.
Liv. VIII. 20. TValer. Maxim. II. 4. 7. Liv. Epit. XVI. » Liv. VII. 2. Valer. Max. II. 1, 3.
36 Baugeschichte des alten Rom.
nach Art der oscischen Atellanen/ welche nicht den verufenen Charakter hatten, wie
das Spiel der Histrionen. Anderseits halte Livius Andronicus i. J. 514 d. St. (240 v.
Chr.) zum erstenmale versucht, ein zusammenhängendes Gedicht als Monolog, von einer
Flöte begleitet, zugleich mit mimischer Darstellung abzusingen, oder durch einen Knaben,
vortragen zu lassen, während er ihn mit dem entsprechenden Geberdenspiele begleitete. ^
Alles diess konnte auf öffentlichen Plätzen geschehen, ohne dass eine Bühne
nöthig w^ar: auch waren diese Spiele noch keine Dramen. Letztere scheinen die Römer
erst auf ihren Zügen gegen Macedonien und gegen Antiochus kennen gelernt zu haben,
denn sie begegnen uns im J. 563 d. St. (191 v.Chr.) zum erstenmale in Rom.^ Wäh-
rend vorher das Volk den Atellanen gemischt beizuwohnen pflegte, wurden nun für
die Senatoren — nicht ohne das Missfallen des Volkes zu erregen — die Plätze be-
sonders abgegränzt.^ Bühne uud Zuschauerraum waren indess schlecht gezimmert und
schmucklos. Von grösserer Bedeutung war erst das Theater, das der Censor M. Aemilius
Lepidus erbaute,^ doch war auch diess, wie alle folgenden im nächsten Jahrhundert,
von Holz, und nur für die Dauer weniger Tage berechnet. Im J. 599 d. St. (155 v. Chr.)
unternahm der Censor C. Cassius die Neuerung, nach Art der griechischen Theater
bei seinem Neubau Sitzplätze zu errichten : doch auf die Einsprache des Consuls P. Corn.
Scipio Nasica musste sein Theater kurz vor der Vollendung wieder abgetragen werden
und es wurde durch ein besonderes Gesetz eingeschärft, dass Niemand innerhalb der
Bannmeile um die Stadt ein Theater mit Sitzplätzen erbauen oder sitzend den Spielen
anw^ohnen sollte.^
Diess Gesetz, das sich überhaupt gegen hellenische Sitte und Verweichlichung
aussprach, scheint das Theater für einige Zeit zurückgedrängt zu haben, konnte aber
bei dem mit Macht erwachenden Luxus der Römer nicht von Dauer sein. Von der Mitte
des 7. Jahrhunderts wird erzählt, dass die scenische Ausschmückung, welche der Dichter
Pacuvius, soviel wir wissen, zum erstenmale angewandt,' bereits grosse Forschritte
gemacht habe. Die Decoration, welche der Aedil Claudius Pulcher ausführen Hess, soll
so vollkommen gemalt gewesen sein, dass angeblich selbst die Raben von der Natur-
wahrheit der scenischen Darstellung sich täuschen Hessen und den vermeintlichen Dach-
ziegeln zuflogen.^ Und nachdem sich die Decorationsmalerei zu so grosser Vollkom-
menheit aufgeschwungen hatte, erfolgte die Einführung des Sceneriewechsels vermittelst
drehbarer Prismen durch den Aedil Lucullus.."
Bald darauf, i. J. 676 d. St. (78 v. Chr.), gab Catulus bei den zur Feier der Ein -
1 Liv. 1. c. Valer. Max. 1. c. 2 cic. Brut. 18. Tuscul. Quest. I. 1. 3 Valer. Ant. bei Liv. XXXVI.
36. * Val. Max. II. 4, 2. 5 Liv. XL. 51. 6 Liv. Epit. XLVIIL Valer. Max. II. 4, 1. cf. Vell. Paterc.
I. 15. Appian. Bell. Civ. I. 28. • Plin. H. N. XXXV. 4, 7, 19. » id. 1. c. 9 Valer. Max. II. 4, 6. cf.
Vitiuv. V. 7. Serv. ad Virg. Georg. UI. 24
Entwicklung des römischen Theaterbaues. 37
weihung des capitolinischen Tempels veranlassten Spielen das erste Beispiel einer
überaus verschwenderischen Pracht, bekleidete die Bühne mit Elfenbein und zog ein
Zeltdach [velariumj als Schutz gegen die Sonnenstrahlen über den Zuschauerraum, zum
erstenmale das weichliche Vorbild der Griechen Campaniens nachahmend.^ Des Catulus
Pracht ward noch vor dem Ende desselben Jahrhunderts weit überboten: P. Lentulus
Spinther spannte ein Purpurzelt über das Theater, ^ und nachdem schon C. Antonius
die Thealergeräthe mit Silber bezogen hatte, liess Petreius die ganze Bühne mit Gold-
blech beschlagen.^ Allen bisherigen Aufwand übertraf noch das hölzerne Theater, das
der Aedil M. Scaurus i. J. 696 d. St. (58 v. Chr.) erbaute. Die Grösse des Zuschauer-
raumes (80,000 Sitze) ward seither von keinem scenischen Theater mehr übertroffen
und die Ausschmückung war um so unglaublicher, als der ganze Bau nur für den
Gebrauch in wenigen Tagen diente. Die Bühne allein war mit 360 kostbaren Marmor-
säulen und mit 3000 (?) ehernen Statuen geschmückt.''
Kurz darauf erhoben sich die Grundmassen des ersten steinernen, ständigen
Theaters zu Bom. Der allgewaltige Pompeius konnte es wagen, mit dieser Neuerung
dem lauten Missfallen der altrömischen Parthei entgegenzutreten, und hatte kaum mehr,
wie berichtet wird, nöthig, durch einen Vorwand sein Werk vor der censorischen Ein-
sprache und vor dem Schicksale zu schützen, w^elches vordem das Theater des C. Cas-
sius, der die Neuerung der Silzplälze einzuführen suchte, getroffen hatte. Wenn er
nemlich die marmornen Stufen des Zuschauerraumes zur Treppe eines Tempels machte,
den er auf der Höhe der Cavea erbaute, so geschah es wohl mehr, um dadurch dem
ganzen Theater eine Weihe als ihm Entschuldigung und Unverletzlichkeit zu geben.^
Das steinerne Theater des Pompeius war i. J. 699 d. St. (55 v. Chr.) einge-
weiht worden. Nichtsdestoweniger erhob sich noch ein hölzerner Theaterbau, in wel-
chem C. Curio, als Tribun im J. 704 d. St. (50 v. Chr.) von lulius Cäsar mit Geld-
milteln unterstützt, den Bau des Scaurus, den er durch Pracht und Grösse nicht über-
treffen konnte , durch ein ausschweifend kühnes Unternehmen zu überbieten suchte.
Er errichtete nemlich ganz nahe aneinander zwei sehr grosse Theater, jedes in seinem
Zuschauerräume dadurch drehbar, dass dieser im Schwerpunkte auf einen Zapfen ge-
stellt war, d. h. in einem Kolben ging, auf welchem die ganze Last ruhte. Zuerst
waren sie nun beide so gestellt, dass sich die halbkreisförmigen Caveen den Bücken
zuwandten, und so konnten zu gleicher Zeit auf beiden Bühnen Schauspiele gegeben
werden, ohne dass sie einander störten. Nachdem nun diese Spiele zu Ende waren,
wurden plötzlich und ohne dass die Gäste ihre Plätze verliessen, die beiden Zuschauer-
1 Plin. H. N. XIX 1, 6, 23. Valer. Max. II, 4, 6. 2 pün. 1. c. 3 Pliii. H. N. XXXIII. 3. 16, 53.
Val. Max. 1. c. ^ pün. H. N. XXXVI. 2, 5. 15, 24. 114. 115. XXXIV. 7, 17, 36. s Aul. Gell. X. 1.
Sueton. Claud. 21. cf. Plut. Pomp. 68.
38 Ballgeschichte des alten Rom.
räume herumgedreht, so dass die Hörner gegeneinander standen, und in dem dadurch
entstehenden freien Räume zwischen den Halbkreisen der Theater traten die Gladia-
toren auf. Ein abenteuerlicher Gedanke, durch Plinius emphatische Betrachtung, wie
so auf zwei Zapfen das Leben des römischen Volkes schwebte, bis zum Lächerlichen
geschraubt!^ Das Unternehmen musste, wie es beabsichtigt war, und wie es auch nichts
anderes verdiente, vereinzelt bleiben, in einer Beziehung jedoch war es nicht ohne
Folgen; denn hier zeigte sich zum erstenmale die Zweckmässigkeit eines kreisförmigen
oder elliptischen Zuschauerraumes für die Fechterspiele.
Indess hatte sich an das steinerne Theater des Pompeius ein Complex von
Prachtanlagen, Gärten, Säulenhallen und Staatsgebäuden angeschlossen , wie er vorher
in Rom noch nicht gesehen worden war. Es war noch kein Jahrhundert verflossen,
seit der Marmorbau in Rom Eingang gefunden hatte, was durch Metellus im Anfang
des 7. Jahrhundert geschehen sein soll. Dieser hatte durch einen Tempel, sowie
vielleicht auch durch jene die Tempel des lupiter und der Inno umgebende Porticus,
die nach der Restauration unter Augustus Porticus der Octavia genannt wurde und
von der nach einer zweiten Restauration des Septimius Severus noch ansehnliche
Reste erhallen sind, das erste Beispiel griechischer Marmorpracht gegeben, welche
durch zahlreiche griechisch- macedonische Bildsäulen, Meisterwerke der hellenischen
Künstler aus der Zeit Alexanders des Grossen, noch erhöht ward.^ Doch von seiner
bis zu Pompeius Zeit wurde in derselben Pracht nur mehr der Wiederaufbau des
capitolinischen lupitertempels, welcher i. J. 671 d. St. (83 v. Chr.) abgebrannt war,
ausgeführt, wozu Sulla die Säulen vom olympischen lupitertempcl zu Athen ver-
wendete,^ ohne jedoch dadurch diesen Tempel wegen der ursprünglich tuscischen
Anlage, deren Grundriss zu verändern nicht erlaubt schien^ zu griechischer Schön-
heit erheben- zu können. "* Lutatius Catulus, der den Tempel i. J. d. St. 676 (78 v.Chr.)
vollendete, liesss die ehernen Dachziegel vergolden, was damals zum erstenmale
geschah,^ bald aber nicht mehr selten war.
Die grossartige Theateranlage des Pompeius steht an der Spitze einer Reihe
von Prachtbauten, die von jetzt an in ununterbrochener Folge Jahrhunderte lang, stets
wo möglich einander überbietend, erstanden.
Die ebenso zahlreichen als allseitigen Bauunternehmungen des C. lulius Cäsar
zu beschreiben würde zu weil führen : hier kann nur das Hervorragendste davon auf-
gezählt werden. Auf dem grossen Forum allein verdankten die Basilica Aemilia,*^ die
ßasilica lulia,'' der Tempel der Felicitas und die neue Curia (lulia)^ ihm ihr Entstehen,
»Plin. H.N. XXXVI. 15, 24, 117-119. ^ Vgiiei. Paterc. I. 11. Plin. H. N. XXXVI. 5, 4. 3 Plin.
H. N. XXXIII. 6, 5, 45. Tacit. Hist III. 72. " Tacit. Hist. ]. c. Vitruv, 111. 2. s Plin. H. N. XXXIII. 3, 18
ß Plutarch. Caes. 29. Appian. B. C. II. 26. "' Monum. Ancyr. cf. Sueton. Octavian. 20. ^ Dio Cass. XLIV. 5.
Die Bauten des Pompeius und C. I. Caesar. 39
welche Gebäude jetzt mit Ausnahme der Basilica lulia noch unter ihrem Schutte be-
graben liegen. Unmittelbar daneben aber erhob sich ein ganz neues prachtvolles Forum,
das erste der innerhalb eines Jahrhunderts in sich steigender Pracht entstehenden fünf
Kaiserfora. In der Mitte dieses Forum lulium erbaute Caesar der Venus Genitrix, mit
welcher bekanntlich Caesar seinen Stammbaum eröffnete, einen prachtvollen Tempel,
zu welchem das Forum selbst gleichsam den Vorhof bildete, so wie er diess in der
Schlacht bei Pharsalus gelobt haltet Besondere Aufmerksamkeit widmete überdiess
Cäsar den Gebäuden für öftentliche Spiele. Der Zuschauerraum des Circus Maximus
ward erst unter ihm in seinem unteren Theile von Stein aufgebaut,^ die beiden ober-
sten Stockwerke blieben noch von Holz. Er war es auch, welcher das Theater zu bauen
begann, von dem wir noch so ansehnliche Reste an der Piazza Montanara besitzen, wel-
ches Theater von M. Marcellus, einem Neffen des Augustus und Sohne der würdigen
Octavia, deren Porticus sich ganz nahe befand, den Namen erhielt.^ Eifersucht gegen
Pompeius scheint die Veranlassung zu diesem Baue gegeben zu haben, doch erreichte
dieser weder den Umfang. noch die Pracht des Pompeius-Theaters. Ausserdem über-
raschte Cäsar das römische Volk durch ganz neue Bauwerke. Nachdem er schon für
die von ihm eingeführten griechischen Wettkämpfe das erste Stadium errichtet,'* erbaute
er nach dem Motiv des oben besprochenen Doppel-Theaters des Curio das erste Am-
phitheater, das jedoch ebenso wie das Stadium nur für einzelne Spiele innerhalb kur-
zer Zeit berechnet war und desshalb in Holz aufgeführt wurde. ^ In demselben Jahre
(708 d. St., 46 V. Chr.) vollendete er die ganz aus Stein gebaute Naumachie, ein gro-
sses vom Flusse aus zu füllendes Becken nahe am Tiber, in welchem unler ganz bei-
spiellosem Zu dränge des römischen Volkes Seegefechte aufgeführt wurden.*' Als jedoch
Cäsar in der Curia des Pompeius, seines überwundenen Nebenbuhlers, unter den Dol-
chen der republikanischen Mörder fiel, war noch der grösste Theil seiner Bauwerke
unvollendet, der zahlreichen Projecte nicht zu gedenken, deren Ausführung durch den
plötzlichen Tod des Dictators ganz verhindert worden war, und es ward daher seinem
Adoptivsöhne Ocfavianus, dem nachmaligen Augustus, die dankbare Erbschaft zu Theil,
die vielen und grossen Schöpfungen auszubauen und zu weihen.
Von den Bauwerken, mit welchen Angustus grossentheils durch seine Freunde
die Weltstadt schmückte, haben wir ausser den Berichten des Suetonius und Dio Cassius
ein authentisches Verzeichniss in dem sogenannten Monumelitum Ancyranum, einer
Marmorabschrift jener Bronzetafeln, welche Augustus am Eingange seines Mausoleums
hatte anbringen lassen.^
'Appian. B. C. II. 102. Dio Cass. XLIII. 22. 2 pün. H. N. XXXVI. 15, 24, 102. Dionys. III. 69.
Sueton. Caes. 39. 3 Dio Cass. LIII. 30. * Suetoii 1. c. » Dio Cass. XLlIl. 22. 6 Dio Cass. XLIII. 23.
Sueton. Caes. 39. 44. ^ gueton. Octavian, 101.
40 Baugeschichte des alten Rom.
Als fast 200 Jahre vor dem Ende der Republik C. Flaminius auf dem Mars-
felde seinen Circus errichtete, war dieser mitten im offenen Felde, ausserhalb der Stadt.
Am Ende der Republik sah man schon mehre Gebäude in demselben, unter denen das
Theater des Pompeius mit den anstossenden umfangreichen Anlagen besonders hervor-
ragte. Jetzt, nachdem sich die alte Stadt der sieben Hügel mit Wohngebäuden überfüllt
hatte und die servische Linie nach den übrigen Seiten hin längst überschritten war, bot
das Marsfeld den passendsten Platz für Prachtbauten jeder Art. Unter Augustus scheint
es auch schon so ziemlich den Charakter eines Stadttheiles bekommen zu haben, wie
aus der Regioneneintheilung dieses Kaisers, aus den dort angelegten Cloaken und der
Richtung der Aqua Virgo hervorgeht, so dass nur mehr der nördlichste Theil, jetzt un-
gefähr von S. Carlo bis zur Porta del popolo, ein unbebauter Raum blieb.
Was nun die Bauwerke der augusteischen Zeit im Einzelnen betrifft, so er-
freuten wieder zwei neue Erscheinungen das römische Volk : unter den Anspielen des
Imperators vollendete Statilius Taurus das erste steinerne, mithin ständige Amphitheater, ^
und Agrippa, der Freund und Schwiegersohn des Augustus, die ersten öffentlichen Lu-
xusbäder (Thermen).^ Von der verschwenderischen Pracht, mit welcher Agrippa das
letztere Werk zu Stande brachte, giebt uns das berühmte Pantheon einen Begriff, wel-
ches mit diesen Thermen in Verbindung stand und sich noch fast vollkommen erhalten
hat. Die Rotunde ist, wenn auch ihr ursprünglich nicht als freistehend beabsichtigtes
Aeusseres wie ihre Verbindung mit dem rechteckigen Pronaos dem griechischen Ge-
schmacks nicht entsprechen dürfte, wenigstens im Inneren ein Beispiel von vollendeten
Verhältnissen, von Reichthum ohne Ueberladung und von der damaligen Höhe der Bau-
technik. Die von Agrippa angelegten Cloaken,^ deren Hauptarm unter dem Pantheon
weg zum Tiber führt, sind noch im Gange , ebenso die Wasserleitung desselbe n, die
Aqua Virgo (jetzt Trevi),^ welche ihr vortreffliches Wasser in die erwähnten Bäder lieferte.
Vor dem Bau der Thermen des Agrippa beschränkten sich die Bäder auf die
Baderäume in den Privathäusern, und diese werden selbst bei Vornehmen als eng und
finster geschildert.^ Das Volk badete im Tiber oder in Miethbädern, und wahrscheinlich seit
Appius seine erste Wasserleitung nach Rom führte, in einem zum Theil künstlichen Teiche
(Piscina publica), der zwischen der Porta Ostiensis (Porta di S. Paola) und der Porta
Naevia der servischen Ummauerung sich befand.'' Die Thermen sind eigentlich römische
Prachtbauten, waren jedoch mit den griechischen Gymnasien verwandt, bei welchen indess
die Bäderanlage hinter den üebungsräumen zurückgeblieben war. Die Beschreibung
iSueton. Aug. 29 Dio Dass. LI. 23. 2 Dio Cass. LIII. 27. 3 Plin. H. N. XXXVI. 15, 24, 105.
*Dio Cass. LIV. 11. Frontin. I. 9. s geaeca, Ep. LXXXVI. 6 vgl. H. Jordan, Topographie der Stadt Eom
im Alterthnm. Berlin 1871. II. Band S. 106. .
Die Bauten des Augustus. 41
der inneren Einrichtung derselben wird bei dem erhaltensten unter den römischen Bau-
werken dieser Art, nemlich bei den Antoninischen Thermen erfolgen.
In der Nähe des Pantheon erstanden während der Regierung des Augustus noch
andere Prachtbauten, von denen einige allerdings schon von Cäsar begonnen worden
waren: die Septa lulia, ein grosser Raum für die Tribuscomitien/ über deren ümfas-
sungsbau uns die capitolinischen Planfragmente unterrichten. Unmittelbar daran stiess
wahrscheinlich das Diribitorium, ein Werk das Agrippa, ein grosser, bewundernswerth
weit gesprengter (100' Durchmesser) Saal, der eben wegen seiner gewalligen Decke
nach dem Brande unter Titus nicht mehr hergestellt werden konnte.^ Das Diribitorium
scheint für die Comitialabstimmung eingerichtet gewesen zu sein. Ebenfalls dem Agrippa
wird die Porticus des Neptun zugeschrieben,^ von welcher die Säulen in der Fapade
der Dogana dl terra Ueberreste sein sollen, deren Gebälke jedoch eine viel spätere
Kunstepoche erkennen lässt. Weiter nördlich am Flusse liess sich Augustus sein herr-
liches Grabmal erbauen, dessen einstige Gestalt und gegenwärtige Reste noch beson-
ders beschrieben werden.
Diess waren die hervorragendsten von den Gebäuden, mit welchen sich während
der langen Regierung des Augustus das Marsfeld zu füllen begann. Die bedeutendste
Anlage dieses Kaisers aber war ein neues Forum, welches sich neben dem Forum lu-
lium in nicht geringerer Pracht und wahrscheinlich noch grösserer Ausdehnung erhob,
angeblich weil der Platz für die Rechtsgeschäfte bei zunehmender Bevölkerung in den
beiden schon vorhandenen Fora zu enge wurde."* Von dem daselbst geweihten Tempel
des Mars Ultor, wie von den Umfassungsmauern haben sich noch ansehnliche Reste
erhalten , die besonders besprochen werden sollen. Die Seitenhallen des Forum waren
mit Bildsäulen geschmückt, und zwar, was bisher bei dem grossen Vorrathe griechi-
scher Beute noch selten vorkam, mit durchaus neuen, nemlich den Standbildern der
verdientesten Römer.^
Von den beiden durch Augustus gebauten Haupttempeln, dem des Apollo auf dem
Palatin^ und dem des Quirinus auf dem Quirinalis,^ sind keine oder nur sehr ungewisse
Reste vorhanden. Der erstere war überaus reich, sowohl an dem kostbarsten Material,
als an Kunstwerken der berühmtesten Meister Griechenlands, und stand mit einer grie-
chischen und lateinischen Bibliothek in Verbindung. Ausser diesen grösseren erbaute
Augustus noch mehre Tempel von geringerem Umfange neu auf, darunter namentlich
1 Dio Cass. LIII. 23. Cic. ad Attic. IV. 16, 14. a Dio Cass. LV. 8. Plin. H. N. XVI. 40, 76, 201.
3Dio Cass. LIII. 27. *Sueton. Aug. 29. 31. 56. Plin. XXXVI. 15, 24, 102. Monum. Ancyran. » Sue-
ton. Aug. 31 6 Dio Cass. LIII. 1. Sueton. Aug. 29. ' Dio Cass. LIV. 19.
F. Keber, Roqi. 6
42 Baugeschichte des alten Rom.
den Tempel des Jupiter Tonans auf dem Capitolinus;^ die Zahl der von ihm restau-
rirten Tempel jedoch belief sich auf achtundachtzig.^
Auch dem Strassen- und Wasserbau widmete Augustus seine Aufmerksamkeit.
Die Ufer des Tiber wurden regulirt^ und Hafenbauten unternommen. Die Stadt wurde
mit drei neuen Wasserleitungen, der Aqua lulia, Virgo und Alsietina, versehen, und
die drei schon vorhandenen, die Appia, Anio (vetus) und Marcia, wurden wieder her-
gestellt.'* Die Alsietina, die vom alsietischen See (Lago di Martignano) nordwestlich
von Rom Ursprung und Namen hatte, war die erste am rechten Tiberufer, doch lieferte
sie kein Trinkwasser, sondern versorgte nur die Gärten und insbesondere die Naumachie,
welche Augustus am rechten Tiberufer anlegte,^ da jene des Cäsar von diesem selbst
wieder abgetragen und ausgefüllt worden war.*^
Als ebenfalls neuen Schmuck der Stadt brachte Augustus aus Aegypten zwei
grosse Obelisken, von welchen er den einen auf der Spina des Circus Maximus, den
andern auf dem Marsfelde als die riesige Nadel einer Sonnenuhr aufstellte.'' Beide sind
noch vorhanden, stehen jedoch nicht mehr auf ihrem ursprünglichen Platze, jener auf
Piazza del popolo, dieser auf Monte Citorio, der letztere allerdings nicht sehr ferne
von seinem Fundorte. Von beiden wird gehörigen Ortes gesprochen werden.
Aus dieser gedrängten Aufzählung der hervorragendsten Bauwerke des Augustus
geht hervor, wie durch die Unternehmungen dieses Kaisers und seiner nacheifernden
Freunde die Gestalt Roms sich wesentlich und vortheilhaft veränderte. Die Wohnge-
bäude blieben auch hinter den öffentlichen nicht mehr zurück, denn kurz vor dem Ende
der Republik hatte auch der Privatbau angefangen, durch Pracht und Ausdehnung die
Gränze alterthümlicher Einfachheit weit zu überschreiten. Schon Clodius hatte sein
Haus um mehr als 20,000 Pfund Silbers erstanden.^ Manche Wohnhäuser waren ganz
von Marmor; wozu der römische Ritter Mamurra in Cäsars Zeit, der zuerst nur solches
Material für die Säulen seines Hauses nahm,^ das Beispiel gab. Da die Privatbaulust
der römischen Nobilität unter Augustus noch nicht durch die engherzige Eifersucht des
Herrschers und auch nicht mehr durch die Furcht vor gewaltsamem Besitzverlust, wie
diese während der Bürgerkriege nur allzugerechtfertigtigt war, eingeschränkt wurde, so
vermehrten sich die prächtigen Privatbauten der Grossen , die zu Ende der republika-
nischen Zeit noch verhältnissmässig wenig waren, ansehnlich. Nach dem Vorgange der
Caecilia Metella wie des Augustus, nahm auch der Prunk der Grabmäler bei den Pri-
vaten überhand. Es kam in dieser Beziehung so weit, dass eine Grabstätte wie die
der Scipionen selbst von ganz unberühmten Persönlichkeiten verschmäht worden wäre.
1 Dio Cass. LIV. 4. Sueton. 1. c. 2 Monum. Ancyr. ^ Sueton. Aug. 30. ■• Frontin I. 9. » Sue-
ton. Aug. 43. Tacit. Annal. XII. 56, Monum. Ancyr. 6 Sueton. Caes. 44. ^ püu. h.'N. XXXVI. 9, 14,
71. 10, 15, 72. Strabo XVII. 1, 27. « Plin. H. N. XXXVI. 15, 24, 103. 9 Plin. H. N. XXXVI. 6, 7, 48.
Luxus in Privatgebäuden und an Gräbern. 43
Und wie der Eindruck des Fremdländischen nie verfehlt, seine Wirkung auf die Nach-
ahmungslust der Prachtliebe zu äussern, so traten insbesondere die Grabmäler in den
verschiedensten, oft abenteuerlichsten Formen auf. So ist z. B. eine schöne Nachah-
mung der ägyptischen Königsgräber, der Pyramiden, in dem Grabmale des L. Cestius,
eines historisch ganz unbekannten Mannes ohne besondere Würden, aus dieser Zeit
noch erhalten. Die hervorragendsten 'Grabmäler v^'aren sonst meist cylinderförmige,
zeltdachförmig abschliessende Massen, auf quadratischen Unterbau gestellt, wie die
Mausoleen des Augustus und Hadrian, das prächtige Grabmal der Cäcilia Metella und
mehre andere namentlich an der Via Appia, an der Via Tiburtina u. s. w., die jedoch
dem Sturme der Zeiten weniger getrotzt haben. Die Grundform ist alt und von den
Etruskern entlehnt: ein sehr altes Beispiel derArt findet sich z. B. zu Corneto, dem an-
tiken Tarquinii, den Römern eigenthümlich ist aber die Höherführung des Cylinders,
wogegen der kegelförmige Tumulus zum niedrigen Zeltdach verschrumpfte.
Stellt man die Pracht und Regsamkeit des Privatbaues in dieser Zeit zusammen
mit dem, was Augustus und seine Freunde durch Herstellung so vieler alten, durch den
Ausbau so vieler begonnenen und durch die Unternehmung so vieler und herrlicher
neuen Bauwerke geleistet, so erscheint es keineswegs als übertriebener Bombast, wenn
er am Ende seines Lebens sagt: „er habe die Stadt aus ungebrannten Ziegeln erbaut
vorgefunden, und lasse sie in Marmor zurück."^ Er hatte die sieben Jahrhunderte vor
ihm insgescmmt überboten, und seine Werke wurden von keinem seiner Nachfolger
mehr übertroffen. Wenn unter diesen auch einzelne grossartige Bauten ausgeführt
wurden, so standen sie gewiss denen des Augustus an Zahl, Allseitigkeit und allge-
meinem Nutzen nach. Die Kunst stand überdiess auf dem höchsten Gipfel der Vol-
lendung, den sie in Rom erreichte, und die Bauwerke späterer Kaiser konnten die des Au-
gustus nur durch gesteigerten Luxus im Material und durch grössere Dimensionen
überragen.
Des Augustus Nachfolger Tiberius, der während der Regierung seines Stief-,
Adoptiv- und Schwiegervaters die Herstellung mehrer Tempel in dessen Auftrag mit
Sorgfalt und Eifer ausgeführt hatte, erwarb sich als Kaiser durch Bauten keine beson-
deren Verdienste. Den Tempel, welchen er dem Augustus zu erbauen begann, vollen-
dete erst Claudius.^ Bedeutender war wohl der Palast, den er sich, wie schon Augu-
stus gethan hatte, auf dem Palatin, dem Capitolium gegenüber, erbaute.^ Das prälori-
anische Lager aber, von dem noch drei in die aurelianische Mauer gezogene Seiten
der Umfassung grösstentheils erhalten sind, kann als einfacher Mauerbau mit seinen
schmucklosen Soldatenzellen den Prachtgebäuden Roms nicht beigezählt werden.*
• Sueton. Aug. 29. Dio Cass. LVI. 30. 2 Sueton. Tiber. 47. Dio Cass. LIX. 7. » Tacit. Hist. I.
27. Plut. Galb. 24. Sueton. Vitell. 15. * Tacit. Annal. IV. 2. Sueton. Tiber. 67.
44 Baugeschichte des alten Rom.
Caligula's ebenso grossartjge als wahnsinnige Bauunterrnehmungen fanden zum
geringeren Theile zu Rom ihren Schauplatz. Von den römischen steht die an den tiberiani-
schen Palast anschliessende Erweiterung des palatinischen Kaiserhauses bis zur Nordspitze
des Hügels mit Einschluss des Tempels der Dioskuren, seiner vermeintlichen Brüder,
obenan.^ Den Palatinus aber verband er mit dem Capitolium durch eine ungeheure
Brücke, um mit lupiter, dessen Freundschaft er zu pflegen vorgab, in stetem Verkehr
stehen zu können^ Diese Brücke ward nach seinem Tode wieder zerstört, wie auch
die Verbindung des Palastes mit dem Castortempel wieder aufgehoben wurde. Ein Werk
jedoch, das er für sein unausgeführtes naumachisches Amphitheater begonnen hatte,
eine gewaltige Wasserleitung, kam durch seinen Nachfolger zur Vollendung.^ Claudius
nemlich, welcher dem Aquaeduct den Namen gab, verband ihn mit einem zweiten, der
Leitung des Anio novus, der Reihe nach der zehnten und der höchsten von allen.
Wir werden bei Betrachtung des jetzt als Porta Maggiore dienenden Strassenübergangs-
bogens der Aqua Claudia Gelegenheit haben, den kollosalen Bau zu würdigen. Nach
diesem Werke vollführte auch Claudius ausser einigen Erweiterungen des palatinischen
Kaiserhauses nichts mehr von Bedeutung in der Stadt selbst. Von den baulichen Un-
ternehmungen des Claudius ausserhalb Rom aber gehört die Anlage des neuen Hafens
bei Ostia, sowie die Ableitung des Fucinersees (Lago di Celano) durch einen Emissar
nicht bloss zu den grossartigsten, sondern auch zu den gemeinnützigsten Werken der
römischen Kaiserzeit.
Nero erbaute neue Bäder mit einem damit verbundenen Gymnasium westlich
neben den Thermen des Agrippa.^ Doch alle vorige Pracht übertraf die ausgedehnte
Anlage seines Palastes. Dass er die Stadt selbst mit der Absicht niedergebrannt habe,
um Platz für sein riesiges Kaiserhaus zu gewinnen, ist eine spätere Erfindung: denn
er besass bereits vorher das ganze Gebiet, das später sein goldenes Haus umfasste.
Als er dem Claudius in der Regierung nachfolgte, bedeckten die Gebäude der Cäsaren
schon einen grossen Theil des Palatin soweit er nicht von Cultgebäuden in Anspruch
genommen war. Er selbst dehnte die Palastanlagen noch über die Velia, jenen Aus-
läufer des Palatin, auf welchem jetzt der Titusbogen und die Ruine der Venus und
Roma stehen, über die Thaltiefe zwischen Velia, Esquilin und Cälius, welche nachmals
grösstentheils das flavische Amphitheater einnahm, über den Esquilinus und den nord-
westlichen Theil des Cälius aus, wo er, in Dimensionen und an Pracht unübertroffen,
ein imposantes Atrium, einen Teich, verschiedenarlige Wohnhäuser und weitläufige, in
raffinirtester Ueppigkeit ausdestattete Lustgärten anlegte. Von dem verschwenderischen
1 Dio Cass. LIX. 28. Sueton. Calig. 22. 2 gueton. 1. c. s Frontin. I. 13. ■« Sueton. Nero 12.
Tacit. Ann. XIV. 47. Martial. Epigr. VII. 34.
Die Bauten Caligula's uod Nero's. Das goldene Haus. 45
Luxus dieser Anlage geben die dürftigen Reste von Wandmalereien, welche sich unter
den Thermen des Titus erhalten haben, nur einen unvollkommenen Begriff, einen ent-
sprechenderen die ziemlich ausführlichen classischen Berichte. Künstliche Haine, Seen
und Wasserwerke, jene mit dem seltensten Wild und diese mit auserlesenen Fischen gefüllt,
wechselten mit Säulenhallen, Tempeln und Gemächern, die mit den edelsten Metallen
und Marmorarten ausgeziert waren. Tausende von Bildsäulen, die Frucht der letzten
Plünderung Griechenlands, bevölkerten die weiten Räume, während im Atrium des Erbauers
riesiger Koloss, dessen Schicksale geeigneten Ortes in Betrachtung gezogen werden,
sich erhob. Auch war Alles aufgeboten, was die Mechanik dieser Zeit im Dienste
des Luxus zu leisten vermochte. So bewohnte Ein Mensch, wie er meinte einmal in
der Lage, „einigermassen menschlich zu wohnen,"^ halb Rom. Dass jedoch die Be-
schränkung nicht sehr fühlbar war, dafür hatte die claudische Dynastie, die mit Nero
erlosch, ausreichend gesorgt, denn die edelsten und reichsten Geschlechter waren aus-
gerottet, und die öffentliche Unsittlichkeit, genährt durch das schaudervolle Beispiel des
Palastes, arbeitete der blutigen Entvölkerung durch die Cäsaren in die Hände. Diese
bereits bis in die Zeit der Bürgerkriege zurückreichenden Uebelstände waren der Grund,
wesshalb die Weltstadt Rom weder an Umfang, noch an Bevölkerung die Grösse des
heutigen London erreichte, obwohl Rom weit mehr als jetzt London im Mittelpunkte
der bekannten Welt lag und dieselbe beherrschte. In der That dürfte dem Volksdistichon,
welches die Bevölkerung einlud, nach Veii auszuwandern, da das goldene Haus in
Rom keinen Platz zu wohnen mehr übrig lasse,^ um so weniger ein zu grosses Ge-
wicht beizulegen sein, als seit der Ueberschreitung der servischen Mauer der Erweite-
rung der Stadt kein Hemmniss im Wege stand. Was übrigens die Wiederherstellung
der zum grossen Theile verbrannten Stadt betrifft, so gebührt dem vielleicht zu viel
geschmähten Kaiser wenigstens das Lob, der Verbesserung der seit dem gallischen
Brande höchst unregelmässigen, unbequemen und unschönen Anlage seine Aufmerksam-
keit gewidmet und wahrhaft treffliche darauf bezügliche Verordnungen mit freigebiger
Unterstützung der Bauunternehmer gepaart zu haben. Der Schutt wurde auf Kosten
des Kaisers hinweggeräumt und zum Theil auf Schiffen nach Ostia geführt, um die
dortigen Sümpfe auszutrocknen. Die nun geraden und breiten Strassen wurden mit
Säulenhallen umsäumt, für welche Nero ebenfalls die Kosten übernahm. Dann setzte er
noch Prämien aus für rasche und entsprechende Vollendung der Gebäude, bei welchen
auf Solidität und Schutz durch Brandmauern neben der Schönheit Rücksicht zu nehmen
war.^ So entstand das neronische Rom regelmässiger und schöner, als es vorher ge-
'Tacit. Ann XV. 38—42. Sueton. Nero 31. Plin. H. N. XXXIV. 7, 18, 45. 2 Sueton. Nero. 39.
^ Tacit. Ann. XV. 43. Sueton. Nero 16.
46 Baugeschichte des alten Rom.
wesen; dass aber jene bei Tacitus ausgesprochene Ansicht, die engen, krummen und
von hohen Häusern beschatteten Gassen seien gesünder gewesen, als die nachmaligen
breiten und geraden, welche unter beständigem Sonnenbrande und unter dem vollen
Einflüsse gewisser schädlicher Winde litten, nicht völlig grundlos ist, hat die Erfahrung
vielfach bestätigt.
Von der kurzen Regierung des Galba, Otho und Vitellius wird kein besonderes
Baudenkmal erwähnt. Obwohl Otho den Bau des neronischen Palastes fortsetzte, ^schien
er doch dem unwürdigen Vitellius nicht gut genug, welcher fand, dass Nero schlecht
gewohnt und gemeines Hausgeräth gehabt habe.^ Noch ehe indess Rom seit dem ne-
ronischen Brande wieder ganz vom Schutte erstanden war, sank bei dem Aufstande
der Parthei des Vespasian gegen die Vitellianer das Capitolium zum zweitenmale in
Asche.^ Des Vitellius Nachfolger Vespasian, der Gründer des flavischen Herrscherhau-
ses, begann seine treffliche Regierung mit dem Wiederaufbau des capitolinischen Tem-
pels.^ Dagegen zerstörte er, den kaiserlichen Palast wieder auf den Palatin beschrän-
kend, einen Theil der neronischen Anlagen, das Uebrige gab er dem Volke als öffent-
liches Eigenthum. Auf dem zerstörten Theile, am westlichen Abhänge der Velia, er-
baute er den berühmten Tempel der Pax und umgab ihn in der Weise, wie Cäsar seinen
Tempel der Venus Genetrix, mit einem Vorhofe (später Forum Pacis oder Vespasiani).
Im Tempel selbst aber wurden nebst vielen anderen Schätzen besonders die bei der
Einnahme von Jerusalem ebeuteten goldenen Tempelgeräthe aufgestellt.^ Der von Ves-
pasian endlich ausgeführte Tempel des vergötterten Claudius scheint ebenfalls durch
seinen Umfang und durch seine herrliche Lage am Cälius von hoher Bedeutung ge-
wesen zu sein.^ Dann begann er den Bau des grössten der uns erhaltenen römischen
Denkmäler, des flavischen Amphitheaters, und wählte dazu den Platz des neronischen
Teiches [stagna NeronisJ. Der Bau gehört durch seine Grösse, Festigkeit und archi-
tektonische Schönheit zu dem Vollendetsten der römischen Kunst. Wie bei den Ge-
bäuden für die Spiele überhaupt war die Aussenseite von Landstein (Travertiv) und
nur die Sitze und innere Ausschmückung waren von Marmor Der Bau ward jedoch
erst, obwohl auch da noch unvollendet, von Titus, dem Sohne und Nachfolger des
Gründers^ eingeweiht.' Gleichzeitig eröff'nete dieser seine weitläufigen Thermen, die er
am Abhänge des Esquilinus über den Ruinen von Nero's goldenem Hause erbaut
hatte.^ Doch seine kurze Regierungszeit erlaubte weder, den Schaden, welchen wie-
iSueton. Otho. 7. 2 Dio Cass.LXV. 4. 3 Tacit. Hist. III. 71. 72. Sueton. Vitell.15. Dio Cass.
LXV. 17. 4 Tacit. Hist. IV. 53. Sueton. Vesp. 8. Dio Cass. LXVI. 10. s Dio Cass. LXVI. 15. Sueton.
Vesp. 9. loseph. Bell. lud. VII. 5, 7. Herodian, I. 14. Plin. H. N. XXXIV. 8, 19, 84. XXXVI. 15, 24, 102.
6 Sueton. Vesp. 9. 1 Sueton. Tit. Dio Cass. LXVI. 25. » 11. cc.
Die Bauwerke der Flavier. 47
derholte Brände auf dem Marsfelde angerichtet hatten, gut zu machen, noch den zum
drittenmale abgebrannten Tempel des capitolinischen lupiter wieder aufzubauen.
Des Titus Bruder und Nachfolger Domitian aber schritt sofort, nachdem er aus
Dankbarkeit für seine Lebensrettung dem lupiter Gustos einen Tempel errichtet hatte, ^
zur Wiederherstellung des lupitertempels auf dem Capitol. Die Säulen von pentelischem
Marmor kamen abermals wie bei dem sullanischen Wiederaufbau von Griechenland, der
etwas unförmliche tuscische Grundplan blieb derselbe. Von der Pracht der Anlage
mag der Umstand einigen Begriff geben, dass die Vergoldungen allein die Summe von
12,000 Talenten erforderten.^ Auch die beschädigten Gebäude des Marsfeldes stellte er
wieder her. Dann errichtete der baulustige Kaiser ein Stadium, ein Odeum für mu-
sikalische Wettkämpfe und eine Naumachie.^ Interessanter für uns sind zwei andere
Werke aus Domitians Regierungszeit, die uns noch theilweise erhalten sind, nemlich
der Tempel des Vespasian'' am capitolinischen Clivus, und der Triumphbogen des Titus,
beide übrigens vom Senate errichtet und durch ihre Dimensionen weniger hervorragend
als durch ihre künstlerische und innere Bedeutung. Domitian selbst errichtete an ver-
schiedenen Plätzen der Stadt noch viele andere Bogen (lanus) und Denkmäler,^ und in
der Mitte des grossen Forum sein kolossales Reiterbild.® Sein neues Forum, das er
zwischen dem Forum lulium und Augustum einerseits und dem des Vespasian oder der
Pax anderseits anlegte, schmückte er mit dem Tempel der Minerva, seiner Lieblings-
göttin, woher es auch den Namen Forum Palladium erhielt.' Von der Umfangsporticus
dieses Forum ist noch ein überaus schöner Ueberrest vorhanden, welcher besonders
beschrieben werden wird. Die meiste Pracht aber verschwendete Domitian an den Neu-
bau des Caesarenpalastes auf dem Palatin, welcher zu dem Tadel Anlass gab, dass
er mit einer förmlichen Sucht, Prachtbauten auszuführen, behaftet sei, und als zweiter
Midas Alles von Gold und Marmor haben wolle.^ Der domitianische Bau aber ist fortan
die eigentliche Kaiserresidenz geblieben wie bei Betrachtung seiner Ueberreste noch
näher erörtert werden soll.
Von Domitians greisem Nachfolger, dem edlen Nerva wissen wir nur, dass er
das von Domitian erbaute Forum vollendete und unter seinem Namen einweihte.^
Die Bauwerke seines Erben Traian sind dieses grossen Kaisers durchaus würdig.
Der bedeutendste Bau desselben aber war das eben so geräumige als prachtvolle
Forum Traianum, welches alle bisherigen Anlagen der Art in jeder Beziehung über-
traf. An der Spitze erhob sich, freilich erst zu Ende der Regierung und des Lebens
1 Tacit. Hist. III. 74. Sueton. Domit. 5. ' Plutarch, Poplic. 15. Saeton. Domit. 5. 3 Sueton.
1. c. 4Euseb. Chron. ß Sueton. Domit. 13. Plin. Panegyr. 54. « Stat. Silv. I. 1. Martial. Epigr.
I. 71. • Sueton. Domit. 5. Aurel. Vict. Caes. 12. 8 pi^t. Poplic. 15. Sueton. Domit. 14. Stat. Silv.
IV. 2. 9 Sueton. Domit. 5. Aurel. Vict. 1. c.
48 Baugeschichte des alten Rom.
Traians, eine imposante Ehrensäule in Marmor mit spiralenförmig sich daran hinauf-
schlingenden Reliefs, auf welcher das Kolossalbild des Kaisers stand und unter welcher
nach Traians Tode auch dessen Asche beigesetzt ward. Die Säule ist noch fast un-
versehrt vorhanden, dient aber jetzt dem h. Petrus als Piedestal. Von der grossen Ba-
silica, wolche zwischen der Säule und dem Forum im eigentlichen Sinne lag, haben
sich bei den Aufgrabungen am Anfange dieses Jahrhunderts ebenfalls noch ansehn-
liche Reste vorgefunden, welche gehörigen Ortes eingehender behandelt werden sollen.
Weniger sicher sind die Reste oder vielmehr Spuren, welche man den beiden Biblio-
theken, der griechischen und lateinischen, zugewiesen hat. Die Umfriedungs-Portiken
des Forum selbst sind mit Ausnahme der halbcirkeligen Ausweitung der Nordostseite
verschwunden.
Obwohl dieses Forum stets und mit Recht als eines der grössten und prächtigsten
Werke der römischen Kaiser betrachtet ward , und Traian auch ausserdem Bauwerke
verschiedener Art, die Thermen neben denen des Titus,^ ein Odeum und Gymnasium,
Tempel und Hallen^ errichtete, sagt doch ein gleichzeitiger Schriftsteiler, dass Traian
sparsamer im Erbauen als im Erhalten war.* In der That waren seine Herstellungen
so zahlreich und seine Inschriften an den öffentlichen Gebäuden so häufig, dass ihm
Constantin den Spottnamen „das Wandkraut" gab, weil sein Name gleichsam an allen
Wänden wucherte.^ Besondere Erwähnung verdient noch seine Erweiterung und Ver-
schönerung des Circus:^ wahrscheinlich ward erst unter ihm der ungeheure Bau, der
jetzt über 300,000 Zuschauer fasste, ganz in Stein aufgeführt. Die Werke Traians aus-
serhalb Rom stehen den aufgezählten hauptstädtischen in nichts nach.
Die kundige Baulust seines Nachfolgers Hadrian beschloss die Blüthezeit der
römischen Kunst auf eine glänzende Weise. Er selbst hatte sich auf seinen ausge-
dehnten Reisen zum tüchtigen Architekten gebildet, die Werke der verschiedenen Völ-
ker, besonders der Griechen, im Originale studirt, und hing mit Liebe und eifersüchtigem
Stolze an seiner Kunst. Sein erster Bau war der Tempel Traians auf oder vielmehr
an dessen Forum, auf welches Werk allein er seinen Namen schrieb,^ was um seines
Vorgängers willen erwähnt zu werden verdient. Dann erbaute er nach seinem ei-
genen Plane den merkwürdigen Doppeltempel der Venus und Roma an der Velia und
Sacra Via,* von dem wir noch die schmuckentblössten Reste sehen. Ausser einigen
kleineren Werken, worunter besonders das Athenäum,'^ ein zu rethorischen und poeti-
schen Uebungen und Vorträgen errichtetes Gebäude, gehört, schuf er noch das riesige
1 Pausan. V. 12. Aurel. Vict. Epit. in Traianum. 13. 2 Dia Cass. LXIX 4. 3 PUn. Panegyr. 51.
* Plin. 1. c. 5 Aurel. Vict. Epit. in Constant. 6 Dio Cass. LXVIII. 7 Plin. Pauegyr. 1. c. Pausan.
l. c. Tgcipt. Hist. Aug. (Spartian.) Hadrian. 19. »Dio Cass. LXIX. 4. 9 Aurel. Vict. Caess. 14.
Script. Hist. Aug. (Capitolin.) Gordian. 3.
Die Bauten des Traian und Hadrian. 49
Kaisergrabmal auf dem rechten Tiberufer, dem von Augustus erbauten, das keinen Raum
mehr bot, gegenüber, und dieses an Grösse und Pracht weit übertreffend. Gleichzeitig
erbaute er eine Brücke über den Tiber, welche nach seinem Vornamen Pons Aelius ge-
nannt ward und in gerader Linie zu dem Grabmale führte.^ Beide Bauwerke sind noch
vorhanden: jenes gleichwohl sehr verstümmelt, ist in die Engelsburg umgewandelt und bildet
jetzt, von Mauern und Wällen umgeben, die Citadelle der Stadt; und dieses, bis auf
die Geländer fast unversehrt erhalten, dient jetzt unter dem Namen Engelsbrücke als
Hauptverbindung der beiden Ufer, eine Bedeutung, welche die Brücke ursprünglich nicht
hatte, da die Stadt sich nicht so weit nördlich erstreckte, und auch das vaticanische
Gebiet nur zu Gartenanlagen benutzt war.
Die Hauptstadt allein war jedoch dem baulustigen Kaiser ein zu enges Feld :
auch war er von Geburt und Neigung zu wenig Römer, um für den Glanz der Stadt
besonders warm zu empfinden, und so kam es, dass die Werke, welche er ausserhalb
Rom ausführte, zahlreicher und sogar zum Theil umfangreicher waren. Einer besonderen
Bevorzugung erfreuten sich in dieser Beziehung Tibur und Athen, doch auch im übri-
gen Griechenland, in Kleinasien, Syrien, Palästina, Aegypten und Gallien erhoben sich
zahlreiche Schöpfungen des kunstkundigen Herrschers.
Mit Hadrian endigt die Blüthezeit der römischen Kunst. Doch kann man nur im
Zusammenhalt mit den nachfolgenden Leistungen die Schöpfungen der Flavier und Aelier
noch der höchsten römischen Kunstepoche beizählen, denn der Unterschied zwischen
den Werken augusteischer und hadrianischer Zeit ist nicht zu verkennen. An den
Capitälen und dem Gebälk des Marstempel herrscht bei aller Sorgfalt in der Ausfüh-
rung eine geschmackvolle Beschränkung, jener solide Reichthum, der die Absicht des
Prunkens ganz und gar nicht an der Stirne trägt, massige Ausladung und massige
Stärke der Ornamentik. Schon unter Tiberius wird z. B. an den Resten vom Concor-
dientempel Ueberladung fühlbar, mit welcher jedoch die feine Behandlung, die
massigen Grössenverhältnisse der Ornamentik und gleichförmige Durchführung wieder
versöhnen. Einen weiteren Schritt nimmt man bereits in dieser Beziehung an der Um-
friedung des von Domitian erbauten Forum Transitorium wahr, wo bei noch stärkerer
ornamentaler Fülle bereits einige Derbheit zu Tage tritt. Unverkennbar sind auch die
künstlerischen Untersciiiede zwischen dem Marcellustheater und dem flavischen Amphi-
theater. Wie hier die Kolossalität der Kunst Abbruch that, so drängte anderseits die
Sucht nach kostbarem Materiale, wie sie besonders dem Domitian zur Last gelegt wird,
die Rücksicht auf künstlerische Behandlung zurück. Traians nüchterner, allem eitlen
Schein abholder Charakter lenkte wohl wieder in bessere Bahnen ein, und namentlich
1 Dio Cass. LXIX. 23. Script. Bist. Aug. (Spartian) 1. c.
F. Reber, Rom.
50 Baugeschichte des alten Rom.
die Reste seines herrlichen Forum zeigen wieder eine erfreuliche Richtung-, wenn auch
die kolossale Ehrensäule daselbst in vieler Beziehung zu tadeln ist. Da trat Hadrian auf,
der Kaiser-Architekt, der mit Eifer und Erfolg auf die Originale zurückging, und die
erschöpfte Kunst auf einer Seite durch Reinigung, auf der andern durch neue Quellen zu
erfrischen suchte. Es ist jedoch schwer zu sagen, ob Hadrian durch die Wiederbelebung
hellenischer Kunst und zugleich durch die Einführung orientalischer Werke der Fort-
entwickelung der römischen Kunst nicht mehr geschadet als genutzt hat.
Was die Sculptur betrifft, so zeigt sich, insoweit sie in Relief und Ornamental-
statuen hier in Betracht kommt, dieselbe leise Abnahme von den Reliefs am Titusbogen
zu den traianischen am Triumphbogen des, Constantin und den ebenfalls daselbst be-
findlichen dacischen Gewandfiguren, i Dasselbe tritt natürlich noch klarer in den Samm-
lungen entgegen, wo insbesondere an den Porträt-Statuen und Büsten der Kaiser der
Kunstverfall deutlich zu verfolgen ist. Die Wiederbelebung der hellenischen Tradition
erklärt aber leicht den abermaligen kurzen Aufschwung, der sich an den plastischen
Schöpfungen der Periode Hadrians bemerklich macht.
Von Malerei kömmt hier ebenfalls nur die Ziermalerei, die ganz im Dienste der
Architektur steht, in Betracht. Sie ist dieselbe, welche wir die pompeianische Wand-
malerei zu nennen pflegen, weil das ausgegrabene Pompei uns hauptsächlich über diesen
Kunstzweig belehrt hat. Der Gegenstand ist zumeist eine leichte, phantastische Archi-
tektur, zum Theil perspectivisch dargestellt mit stabförmigen Säulchen und absonderlichen
Giebeln und Aedicülen. Die so umrahmten Felder sind mit schwebenden Gestalten,
gewöhnlich bacchantischen Tänzerpaaren, mit abenteuerlichen Thieren, auch mit schwe-
benden Geräthen weniger ausgefüllt als unterbrochen, in kleinen Rahmen erscheinen
selbst Landschaften, ländliche Jagd- oder Bühnen-Scenen. Die Architektur aber ist
reich mit Kränzen geschmückt, auch finden sich häufig förmliche Draperien gemalt.
Die Grundfarbe ist überdiess selten monoton, die Aedicülen und besonderen Rahmen
begränzen in der Regel andersfarbige Flächen. Die Tonnen- oder Kreuzgewölbe aber
zeigen entweder Felderung in manigfachen Formen oder lediglich gemaltes Laub-
werk, das in der Regel von Vögeln belebt ist. Manchmal kommen den Darstellungen
Stuckreliefs zu Hülfe, was jedoch selten ist. Der Charakter des Ganzen ist luftig und
heiter, wie denn auch die Darstellungen häufig an Tanz-, Liebes- und Tafelfreuden
erinnern. —
Die pompeianischen Wandgemälde gehören zumeist in die claudische Periode.
Auch in Rom gibt es noch manche Ueberreste von Wandmalereien der ersten Kaiserzeit,
• Ueber die kunsthistorische Bedeutung der römischen Historienreliefs vgl. A. Philippi, Die römischen Tri-
umphalreliefe und ihre Stellung in der Kunstgeschichte. Abhandl. d. Sachs. Ges. d. Wiss. Bd. VI. S. 245-306.
Kunstentwickelung von Augustus bis Hadrian. 51
wie in den Zimmern des sog. liberianischen Hauses, und in den Corridoren und Ge-
mächern, welche die Substruction der Titusthermen bilden und wohl zu den neronischen
Palastanlagen gehören. Die Malereien der letzteren sind, abgesehen von der ihnen ei-
genen schönen Composition, dem eleganten Vortrage und ihrer delicaten Ausführung
(Vorzüge, die sich jedoch bei dem traurigen Zustande von Zerstörung nur an wenigen
Stellen genau erkennen lassen), besonders merkwürdig durch die culturgeschichtliche
Bedeutung, welche sie als Vorbilder der Loggienmalerei bei den Schülern Raphaels,
namentlich durch Giovanni da üdine, gewannen, einer Richtung, die in der ornamen-
talen Malerei bis auf unsere Zeit herrschend geblieben ist.
Von der Technik dieser Epoche muss besonders die Vollendung des Ziegelbaues
hervorgehoben werden. Die ungemein exacte Fügung, der tadellos horizontale Lauf der
Lagen, die flachen, sorgfältig gearbeiteten und gebrannten Ziegel, die dünnen gleich-
massigen Schichten des Bindemittels, alles diess zeichnet die römischen Ziegelmauern
dieser Zeit vor allen Zeiten und allen Nationen in der rühmlichsten Weise aus. Nicht
minder vortrefflich sind die Bruchsteinmauern gefugt, selbst wenn sie mit Marmor be-
kleidet waren, häufig ohne alle Verkittung, während manchmal, wie an der Umfriedung
des Forum Augustum, die Quadern mit hölzernen Klammern verbunden sind. —
Nach Hadrian gingen Kunst und Technik einem raschen Verfall entgegen. Das
Glück des römischen Reiches unter der milden, friedlichen Regierung des Antoninus Plus
ersetzte die geringeren Verdienste dieses Kaisers um die Kunst und zunächst Baukunst
im reichlichsten Maasse. Doch versäumte er nicht, seinem Vorgänger und Adoptivvater
Hadrian einen Tempel zu erbauen.^ Der Senat errichtete auch seiner Gemahlin Faustina
einen Tempel, der wohl derselbe ist, den wir noch grösstentheils besitzen, und aus des-
sen Inschrift zu entnehmen ist, dass er nach des Kaisers Tode auch ihm geweiht wurde.^
(Vgl. die besondere Beschreibung.)
Seine Söhne und Nachfolger errichteten ihm eine Ehrensäule von Granit. Sie
ward wieder aufgefunden : als sie aber bei dem W^iederaufstellungs-Versuche unter Papst
Pius VI. stürzte und zertrümmerte, kam das Piedestal in den Giardino della Pigna des
Vaticans. Eine Seite zeigt noch die Inschrift mit den Namen der Errichter M. Aurelius
und L. Verus. Die Reliefs an den anderen Seiten verrathen schon einige Geschmacklo-
sigkeit in der Composition, eine unmotivirles Uebereinander, wie besonders bei dem Rei-
terrelief, und ein eigenthümliche Schwunglosigkeit, wenn nicht Steifheit an dem schwe-
benden Genius des Apotheose-Reliefs. Der Triumphbogen des Verus in der 1. Re-
Script. H. A. (Spartian.) Hadr. 27. (Capitolia.) Antonin.P. 8. 2 Script. H. A. (Capitolin.) Anton. P 6.
7»
52 Baugeschichte des allen Rom.
gioniist verschwunden, von dem des M. Aurelius aber, der im 17. Jahrhundert, weil
er den Corso zu sehr beengte, abgebrochen ward, sind die Reliefs noch erhalten und
im Treppenhause des Conservatorenpalastes aufbewahrt. Vergleicht man die Reliefs
des Titusbogens oder die traianischen an der Traianssäule und am Constantinsbogen mit
diesen antoninischen Leistungen der Kunst, so kann die fortgeschrittene Erstarrung,
wie der Verlust des feineren Formensinnes an den letzteren nicht verkannt werden.
Unferne von diesem Triumphbogen errichtete der Senat dem edlen Kaiser eine Ehren-
säule nach dem Vorbilde der traianischen^ und nach seinem Tode einen Tempel.^ Die
erstere ist noch vorhanden und trägt jetzt die Statue des heiligen Paulus. Eine ge-
naue Vergleichung der beiden Säulen nach ihren Reliefs kann ebenfalls nicht verfehlen,
die Kunstabnahme seit Traian vollkommen klar zu machen. —
Diese Denkmäler gehören in die Regierungszeit des unwürdigen Commodus, der
jedoch ausser den Thermen an der Porta Capena,* von denen keine Reste vorhanden
sind, sonst kein bedeutendes Bauwerk hinterliess. Die kurze Herrschaft des Pertinax,
Didius lulianus, Pescennius Niger und Clodius Albinus blieb, so viel wir wissen, ganz
ohne Baudenkmal. Grössere Regsamkeit zeigte sich wieder unter der kräftigen Regie-
rung des L. Septimius Severus : seinen Lieblingsgöttern, Bacchus, und Herkules, wurden
grosse Tempel errichtet,'^ von welchen wir jedoch keine Reste haben. Dann gab er
durch den Bau des sogenannten Septizoniums, eines räthselhaften Gebäudes, das wahr-
scheinlich seinen Säulenstockwerken den Namen verdankt, dem Palatin gegen die
Via Appia hin eine Art von Prachtfapade,^ zu welcher die interessante, aus drei Säu-
lenstockwerken bestehende Ruine gehörte, die im 16. Jahrhundert unter Sixtus V. an-
geblich wegen Baufälligkeit, wohl mehr behufs Materialgewinnung abgebrochen wurde.
Die fast allgemeine Identificirung dieses Fagadenbaues mit dem antoninischen Grab-
mal ist jedoch ein Irrthum, da einerseits das antoninische Grabmal nur als in der Art des
Septizoniums erbaut bezeichnet wird, und andrerseits das Septizonium an den Palatin
sich anlehnte, während das Grabmal an der Via Appia vor der Porta Capena lag. '
Allerdings scheint es ebenfalls Septimius Severus gewesen zu sein, der das antoninische
Grab durch Erweiterung und Verschönerung zur dritten Kaisergruft machte, da das Ha-
driansgrab keinen Raum mehr bot. Zwei andere Denkmäler aber, welche zu Ehren
dieses Kaisers und seiner Söhne M. Aurelius Antoninus (Caracalla) und Geta errichtet
worden waren, hat die Zeit verschont: den grossen Triumphbogen am Nordwestrande
des Forum, und die kleine Ehrenpforte am Forum ßoarium. An beiden ist wieder ein
^ Curiosum Urbis Komae Eegionum XIV. 2 ^.urel. Vict. Caess. 16. Epit. in M. Aurel. ^ Aurel.
Vict. 11. cc. Script. Hist. Aug. (Capitolin.) M. Aurel. 18. ''Script. H. A. (Lainprid.) Coramod. 17. Herodian.
I. 12. Curiosum Urbis Eomae (Keg. I.) »Dio Cass. LXXVI. 16. « Script. H. A. (Spartian.) Sept. Sever. 19.
'(Spartian.) Geta. 7.
Rascher Kunstverfall nach Hadrian. 53
bedeutender Schritt des Kunstverfalls wahrnehmbar, der sogar schon ausser Verhältniss
stehtzu der Kürze der Zeit seit den Antoninen. Die architektonische Anordnung ist geschmack-
los und ohne Verständniss, die Ornamentik überladen und überdiess roh und oberfläch-
lich gearbeitet. Die Reliefsculptur ist der Architektur entsprechend : in Bezug auf An-
ordnung ein flaches Uebereinander in parallelen Streifen ohne einheitliche Composition,
an die Zeilen einer Chronik gemahnend, bietet sie auch in den heftig bewegten Ge-
stalten weder Leben noch Ausdruck, in der Technik nur mehr Handwerksmässigkeit,
wie diess besonders an der harten Drapirung mit den gleichförmigen tiefgeschnittenen
Rinnenfalten sich aufdrängt.
Weit weniger als die Kunst hatte die ßautechnik bisher gelitten. Ein Beispiel
hievon geben uns die Ruinen der Tiiermen, welche des Septimius Severus Sohn, An-
toninus Caracalla, erbaute.* Die Unverwüstlichkeit der Mauern dieser unter allen Back-
steinbauten erhaltensten Ruine haben die Jahrhunderte zur Genüge erprobt. Die Zie-
gel sind zwar schon etwas derber und die Mörtellagen dicker, doch herrscht noch die
grösste Regelmässigkeit. Von den ungeheuren Wölbungen haben freilich nur wenige
dem Sturme der Zeiten getrotzt, sie konnten es aber auch nicht mehr, als man die
Bedachung vernachlässigte und die Säulen wegnahm, welche ihnen zur theilweisen
Stütze dienten. Doch die Weite der Sprengung zeigt grosse Erfahrung und Sicherheit
im Gewölbebau, wie denn schon den Architekten des nächsten Jahrhunderts eine dieser
Wölbungen, nemlich jene über der cella solearis, als schlechterdings unnachahmlich er-
schien.2 Höchst beachtenswerth sind auch die zahlreichen Reste von Musivböden, die
jedoch nur, soweit sie sich auf einfache Ornamentik beschränken, lobenswerth sind.
Das Nähere findet sich bei der besonderen Beschreibung. Ausser diesem Prachtbau
errichtete Caracalla noch eine Säulenhalle zu Ehren seines Vaters^ und mehre Tem-
pel der Isis und des Serapis.^ Nach Caracalla's Ermordung setzte sein angeblicher
Sohn Antoninus Elagabal den Thermenbau fort,^ und errichtete zwei Tempel des syri-
schen Sonnengottes.'* Seine Erbauung einer Curia, welche für die Berathungen der
Frauen über Modesachen und ähnliche Angelegenheiten bestimmt worden war, und in
welcher er den Vorsitz führte, ist ein vielerwähntes Curiosum." Nicht minder schimpf-
licher Natur war die Anlage öff'entlicher Bäder auf dem Palatin.^
Der würdige Alexander Severus schmückte das Forum des Traianus und das
des Nerva mit zahlreichen Statuen, jenes mit den Bildnissen grosser Männer, die er
allenthalben gesammelt hatte,'' dieses mit den Kolossalbildern der vergötterten Kaiser.*"
1 Script. H. A. (Spartian.) Antouin. Carac. 9. Aurel. Vict. Caess. 21. Eutrop. VIII. 20. 2 (Spartian.) 1. c.
3 id. 1. c. *id. 1. c. Aurel. Vict. Caess. 21. * Script. H.A. (Lamprid.) Autonin. Heliogab, 17. «id.
1. 3. 17. Herodian. V. 5, 6. ^ (Lamprid.) Antonin. Heliogab. 4. » id. 8. 25. » (Lamprid.) Alex.
Sever. 26. i" id. 28.
54 Baugeschichte des alten Rom.
Bekannt ist, dass unter den Bildsäulen der weisesten und tugendhaftesten Männer, die
er in seinem Lararium aufstellte, auch die von Abraham und Christus sich befanden,^
und dass er sogar damit umging, dem Lefzeren einen Tempel zu erbauen.^ Für das
Wohl des Volkes in jeder Beziehung aussergewöhnlich besorgt, führte er eine neue
Wasserleitung in die Stadt und vergrösserte die neronischen Thermen.^ Auch an an-
deren Plätzen der Stadt Hess er öffentliche Bäder errichten ;4 auf dem Marsfelde erbaute
er eine prächtige Basilica , tausend Fuss lang, und ganz von Säulen getragen.^ Von
allen seinen Werken jedoch, unter denen noch bedeutende Palastbauten besonders zu
erwähnen sind,'' haben wir ausser einigen Pfeilern seiner Wasserleitung und vielleicht
einer damit in Verbindung stehenden Brunnenruine keine kenntlichen Reste.
Die fünf Kaiser der nächsten drei Jahre hinterliessen kein Baudenkmal. Der
junge Gordianus III. scheint alle Kräfte an der Pracht seiner Villa an der pränestinischen
Strasse erschöpft zu haben, denn seine grosse Säulenhalle am Marsfelde kam nicht zur
Vollendung.'' Auch von Philippus, des Gordianus Verräther und Nachfolger, wird kein
Bauwerk erwähnt, doch scheint er viel für die Verschönerung des grossen Circus ge-
than zu haben, als er zur Feier des tausendjährigen Bestehens der Stadt die Jubilar-
spiele mit ungeheurem Aufwände und nie gesehener Pracht veranstaltete. ^
Decius erbaute in der aventinischen Region öffentliche Thermen, die jedoch nur
von geringer Bedeutung gewesen zu sein scheinen.^ Aus der kurzen Zeit der Regie-
rung des C. Trebonianus, Gallus Aemilianus und P. Licinius Valerianus (der Letztere starb
in persischer Gefangenschaft) haben wir kein Denkmal. Grössere Bauwerke begann des
Letzteren unwürdiger Sohn Gallienus, welche jedoch wegen ihrer unmässigen Verhält-
nisse und ihrer Zwecklosigkeit nach seinem Tode nicht bloss unvollendet blieben, sondern
sogar wieder vernichtet wurden. Dahin gehört der begonnene Koloss dieses Kaisers,
doppelt so gross als der neronische, der überdiess mit einem ehernen Viergespann in
Verbindung gebracht und mit entsprechender architektonischer Zuthat auf dem Esqui-
linus aufgestellt werden sollte; ferner der fünffache Säulengang vom Marsfelde bis zur
milvischen Brücke^" und Anderes. Gleichsam wie um all dieser maasslosen Pracht Hohn
zu sprechen, hat das Schicksal nur ein sehr unbedeutendes Denkmal dieses Kaisers ver-
schont, einen schmucklosen, ganz aus Landstein gebauten Ehrenbogen auf dem Esquilinus.
Aus ganz anderen und gerechteren Motiven konnten dem trefflichen Nachfolger
des Gallienus, dem M. Aurelius Claudius, welcher den Ehrennamen „Gothicus" durch die
Vernichtungsschlacht bei Naissus verdient hatte, goldene und silberne Bildsäulen errichtet
werden, ein Luxus, der übrigens erst in der letzten Zeit in Aufnahme gekommen war,
1 Script. H. A. (Lamprid) Alex. Sever. 29. ^ i^. 43. 3 id. 25. * id. 39. s id. 26. e i. c. ^ Script.
H. A. (Capitol.) Gordiani III. 32. » Euseb. Chron. ' Eutrop. IX. 4. Aurel. Vict, Caess. 29, wo balnea statt
valla. Curiosum ürb. Romae Reg. XIII. Cassiodor. Chron. lo Script. H. A. (Trebell. Poll.) Gallieni II. 18.
Von Alexander Severus bis Aurelianus. 55
nachdem es bereits nicht mehr genügte, die Statuen und Büsten aus den kostbarsten
verschiedenfarbigen Marmorarten und anderen Materialien, wie z. B. Elfenbein und Bern-
stein, zusammenzusetzen.^ Gebäude von ihm werden jedoch nicht erwähnt.
Mit Claudius Nachfolger, Aurelianus, begann für die Stadt Rom eine neue
Epoche. Seit den letzten Jahrhunderten der Republik befand sich Rom in der Lage,
von auswärtigen Feinden keinen Angriff befürchten zu müssen. Die Stadt hatte sich so
ausgedehnt, dass ein grosser Theil derselben ausserhalb der servischen Befestigungs-
linie lag, welche ihrerseits als ganz bedeutungslos grossentheils verfallen war.2 Rom
war dadurch eine offene Stadt geworden, konnte sich auch bisher dabei beruhigen und
sich mindestens ebenso sicher fühlen, als vormals Sparta. Jetzt aber hatten sich die
Verhältnisse wesentlich geändert, und bereits zeigten sich im Norden die Wolken, welche
einst sich über Italien entladen sollten. Obwohl aurelianus die barbarischen Nachbar-
völker auf allen Seiten mit Kraft und Glück zurückgedrängt halle, misstraute er dennoch
der zukünftigen Allgewalt und Unnahbarkeit Roms. Auch drängte sich die Möglichkeit
auf, gegen innere Feinde und militärische Thronprätendenten eines befestigten Herrscher-
sitzes zu bedürfen. Er Hess die Stadt mit einer neuen Mauer, und zwar aus Backstein,
von weit grösserem Umfange umgeben,^ welche in der Hauptsache noch jetzt als Stadt
mauer dient; ein Riesenwerk, das jedoch erst unter Probus vollendet ward. Es ist
natürlich schwer, an diesem Werke, das seit seiner Erbauung bis auf die neueste Zeit
den verschiedensten Herstellungsarbeiten unterworfen war, den Antheil Aurelians mit
Sicherheit zu erkennen, dass aber die bewunderte Technik im Ziegelbau, wie sie
frühere Jahrhunderte charakterisirt, damals im Rückgang war, ist demjenigen unver-
kennbar, der nach den ältesten Bestandtheilen der Mauer forscht; auch lässt die Hinein-
ziehung verschiedener schon vorhandener Substructionsmauern und die Benutzung älterer
Werke und namentlich Denkmäler auf eine nicht recht motivirte Eile schliessen, und
verräth Mangel an Mitteln, an Geschmack und an Achtung vor den Werken und sogar
Gräbern der Vorfahren. Eine eingehendere Beschreibung dieser Stadtmauer wird im
Verlaufe folgen.
Ausser diesem Befestigungsbau unternahm Aurelian in der kurzen Zeit seiner
Regierung noch andere grosse Bauwerke. Er Hess das Tiberbett an seichten Stellen
vertiefen und die Quai's von der Stadt bis zum Meere fortführen, von welchem kolos-
salen Werke jetzt nur mehr wenige Reste sichtbar sind." Auf dem rechten Tiberufer
legte er Winterthermen an/ und in den sallustischen Gärten eine Rennbahn, die er mit
einer Säulenhalle umgab. ^ Dem grossen Prachttempel aber, welchen er in der siebenten
1 Sript. H. A. (Trebell. Poll.) Claud. 3. 2 Dionys. IV. 13. » Script. H. A. (PI. Vopisc.) Aurelian.
21. 39. Aurel. Vict. Epit. in Aurelian. Eutrop. IX. 15. ■• (Vopisc.) Aurelian. 47. »id. 45. «id. 49.
56 Baugeschichte des alten Rom.
Region, auf dem Quirinalis dem orientalischen Sonnengotte errichtete/ werden wohl
mit Unrecht die riesigen Gebälkstücke im Giardino und die Substructionsmauern im Pa-
lazzo Colonna und hinter demselben zugeschrieben.
Während der nächstfolgende Kaiser, Tacilus, ausser neuen Thermen, die er an
der Stelle seines prachtvollen, von ihm selbst niedergerissenen Hauses errichtete, und
einem Tempel, der für die Standbilder der guten Kaiser bestimmt war,^ nichts von Be-
deutung ausführte, leistete sein trefflicher Nachfolger, Probus, für die Hauptstadt gar
nichts, wirkte aber um so erspriesslicher in den Donau- und Rheinprevinzen als Feld-
herr und als Regent, indem er nicht bloss die Gränzen erweiterte, sondern sie auch
durch Gründung befestigter Plätze schütze.^
Aus den drei Jahren der Regierung des Carus, Numerianus und Carinus ist kein
Baudenkmal bekannt. Den letzten Aufschwung nahm die römische Baukunst unter Dio-
cletian und seinem Mitkaiser Maximian. Durch das neue System der zwischen Impera-
toren und Cäsaren getheilten Regierung entstanden vier Residenzen, Rom, Mailand, Ni-
comedia und Carthago, von welchen drei mit kaiserlichen Palästen und öffentlichen Ge-
bäuden zu schmücken waren. In Rom, das solcher Gebäude nicht mehr bedurfte, er-
hob sich dafür der Riesenbau der diocletianischen Thermen,^ von denen ein grosser
Theil noch in den Hauptmauern, einige Säle jedoch mit dem hauptsächlichsten Schmucke
ganz erhalten sind. Dahin gehört der grosse Mittelsaal, der jetzt die Kirche S. Maria
degli Angeli bildet, mit einem anstossenden kleinen Rundsaale, der gegenwärtig der
genannten Kirche als Vorhalle dient, und eine andere Rotunde von einer Ecke des Um-
fassungsbaues, jetzt S. Bernardo. Ausser diesen Thermen erstand noch eine Säulen-
halle in der Nähe des Pompeiustheaters,^ welche nach dem Beinamen des Diocletian
Porlicus lovia hiess. Bekanntlich versetzte der baulustige Kaiser in den letzten Jahren
seines Lebens seinen Aufenthalt, der Herrschaft müde, weg von dem politischen Getriebe
der Hauptstädte und erbaute sich als Ruhesitz zu Salona in Dalmatien eine umfangreiche,
prächtige Villa,6 von der sich noch namhafte Reste zu Spalatro, einer ganz innerhalb
des Umkreises des kaiserlichen Landgutes befindlichen Stadt, erhalten haben. —
Die beiden mitregierenden Cäsaren und Nachfolger, Galerius und Constantius
Chlorus, führten ausser der Vollendung der von ihren Vorfahren begonnenen Werke keine
anderen aus. Um so mehr leistete der bei der Cäsarenwahl übergangene, und nun als
Usurpator auftretende Sohn des Maximianus, Maxentius, von dessen Bauten besonders
eine Basilica, die noch als gewaltige Ruine dem Nordwestabhange des Palatinus gegen-
über emporragt, und ein Circus ausserhalb der Stadt an der Via Appia, der ebenfalls
1 (Vopisc.)Aurelian. 25.39. Eutrop.IX. 15.Aurel.Vict.Caess.35 Curiosum U.R.Reg.VII. 2 (Vopisc.) Tacitus
Iinp. 9. 3 (Vopisc.) Prob. 13. « Script. Hist. Aug. (Trebell. Poll.) XXX. Tyr. 21. Curiosum Urbis Eoraae. Reg. VI.
5 Gruter. Inscr. p. CXI. 6. « Eutrop. IX. 27. 28.
Von Aurelian bis Constanlin. 57
unter allen Ruinen dieser Art die erhaltenste ist, Erwähnung verdienen. Wie jedoch
die letztere den Namen des Romulus, des Maxentius Sohn, erhalten und getragen zu
haben scheint/ so wurde die Basilica durch den Senat unter dem Namen des Constantin
eingeweiht, 2 der, alle Mitregenten besiegend, das ganze römische Reich wieder unter
seinem Scepter vereinigte. Betrachtet man diese beiden Werke von ihrer technischen
Seite, so findet sich die Unregelmässigkeit der Backsteinlage namentlich in den Bogen
und Gewölben, welche schon an den Ruinen der diocletianischen Thermen auffällt, noch
gesteigert. Es ist daher wohl nur der Vortrefflichkeit des Bindemittels zuzuschreiben,
dass trotz der Ungenauigkeit und Nachlässigkeit in der Ausführung, die riesigen Tonnen-
gewölbe dieser Basilica zum grossen Theile Stand zu halten vermocht haben. An den
Mauern des erwähnten Circus erscheint überdiess die ebenfalls erst in der letzten Zeit
in Aufnahme gekommene Eigenthümlichkeit, dass die Ziegellagen mit Bruchsteinlagen
regelmässig abwechseln, ein Verfahren, das "nun bald in allgemeine und lang andauernde
Anwendung kam. Die Bruchsteine sind klein und kaum doppelt so hoch wie die Ziegel,
die geringere Regelmässigkeit derselben aber forderte noch stärkere Mörtelschichteu
als sie selbst im schlechten Ziegelbau des letzten Jahrhunderts in Anwendung gekommen
waren, was indess die ungewöhnliche Cohärenz des Tufsandmörtels ohne Gefahr gestattete.
Wie tief aber, von der Technik ganz abgesehen, in dieser Zeit die Kunst ge-
sunken war, kann man aus dem wohlerhaltenen Triumphbogen schliessen, den der
Senat dem Constantin in der Nähe des flavischen Amphitheaters errichtete. Zu schwach
für entsprechende Neuschöpfung entschloss man sich hier, schon vorhandene Denkmäler
zur Ausschmückung des neuen zu berauben und die eigene Unfähigkeit durch Entleh-
nung von Kunstwerken einer früheren Zeit zu verdecken. Die wenigen Sculpturen an
diesem Denkmal, welche der constantinischen Zeit angehören, sind in dem Grade roh
und geschmacklos, dass man sich über einen so totalen Verlust aller künstlerischen
Traditionen seit einem Jahrhunderte nicht genug verwundern kann. Die Formen sind
plump und incorrect, die Gewänder striemenförmig gefurcht statt gefaltet, die Figuren
ohne Leben und Bewegung, die Köpfe hässlich und ohne allen Ausdruck, kurz es
verräth sich bereits jene Kunst, welche sich in den ältesten Mosaiken und Gemälden
christlicher Kirchen typisch gestaltete. Man that indess damit, was eben die Zeit zu
leisten vermochte : die Schamlosigkeit aber, mit der man ganz fremdartige Darstellungen
aus dem Leben eines früheren Kaisers an dem Ehrendenkmal eines Constantin anzu-
bringen wagte, und diesen auf so plumpe Weise gewissermassen betrog, verräth nicht
bloss die Kunstarmuth dieser Zeit, sondern auch den gänzlichen Verfall des einstigen
Hochsinnes der Römer. Ohne Zweifel ist auch nicht bloss der grösste Theil derBau-
1 Orelli Inscr. 1069, Nibby Dissert. del Circo di Romulo. Roma 1825. « Aurel. Vict, Caess. 40.
Curiosum U. K. Reg. IV.
F. Reber, Ruin. 8
58 Baugescliichle des alten Rom.
stücke von einem Traiansdenkmal genommen, und nur, wie diess an dem Ornamentalen
unverkennbar, ergänzend zusammengearbeitet, sondern es ist auch die architektonische
Composition, welche entschieden schöner als z. B. die des Septimius-Severus-Bogens,
als die des abgetragenen Traianbogens zu betrachten.
Obwohl Constantin Bom nur vorübergehend besuchte und die Kräfte und Ein-
künfte des Beiches auf den Bau seiner neuen Haupt- und Besidenzstadt Byzantion
(Constantinopolis) verwandte, so unterliess er doch nicht auch Bom, das ihn, als er
es zum erstenmale betrat, mit der grössten Bewunderung erfüllt hatte, mit neuen
Bauwerken zu schmücken. Er legte neue Thermen auf dem quirinalischen Hügel an, ^
von denen man im 17. Jahrhundert an der Stelle des jetzigen Palastes Bospigliosi
noch bedeutende Beste sah; auch verschönerte er den grossen Circus in verschiedener
Weise, wo indess nicht er,^ wie behauptet wurde, sondern erst sein Sohn Constantius
den grössten der in Bom befindlichen Obelisken (jetzt vor S. Giovanni in Laterano)
neben dem des Augustus aufstellen liess.
Mit der von Constantin vorgenommenen Verlegung des Begierungssitzes nach
der neuen Hauptstadt Byzantion endigt die Geschichte Boms als des weltbeherrschenden
Mittelpunktes. Die ewige Stadt tritt uns jetzt zunächst in der wechselvollen Stellung
einer gefallenen Grösse, bald sogar als die Beute barbarischer Horden entgegen. Doch
schon in die nächsten Jahrhunderte, wie gewöhnlich geschieht, den völligen Buin
der Stadt zu setzen, ist gewiss irrig. Wenn auch die Tempel bald nach Constantin
geschlossen wurden, so scheint man sich doch noch lange Zeit nicht daran vergritfen
zu haben. Diess erhellt aus dem Beispiele, dass der Papst Honorius I. im Anfange
des 7. Jahrhunderts die Erlaubniss des byzantinischen Kaisers Heraclius einholen musste,
um die Bronzeziegel vom Tempel der Venus und Boma zur Eindeckung der Basilika
des h. Petrus abnehmen zu dürfen. Auch die Einnahme und Plünderung der Stadt
unter Alarich im J. 410 hatte nicht die Zerstörung der Gebäude, sondern nur den
Baub alles edlen Mefalles zur Folge. Ebenso wird uns bei der Einnahme von Bom
durch den Vandalenfürsten Genserich im J. 455 nur die Plünderung der Stadt berichtet:
der Baub bestand in dem grössten Theile der vorhandenen ehernen Bildsäulen und in
den vergoldeten Bronzeziegeln des capitolinischen Tempels. Diess musste allerdings
den Verfall des grossen und prachtvoll geschmückten Heiligthumes zur Folge haben : doch
sonst lesen wir bei diesen beiden über Gebühr verrufenen Eroberungen nichts von
Zerstörung der Baudenkmale Boms. Einen ganz anderen und gewisseren Aufschluss
über das Verschwinden römischer Bauwerke gibt uns ein Gesetz vom Jahre 398,^ von
iGrut. Insc p. CLXXXVII. 1. Curiosum ü. R. Reg. VI. 2 Aurel. Vict. Caess. 40. Vgl. die Inschrift.
3 Cod. last. VIII. Tit. 12. XIII. Cod. Theod. XV. 1, 37. Gibbon, History of the decline and fall of tlie
Roman Empire, cbapt. 36.
Die constantinische Epoche. Plünderung durch Barbaren und Einheimische. 59
dem sich im folgenden Jahrhundert wiederholte Einschärfungen finden, welches die Ge-
nehmigung zum Abbruch ausser Gebrauch gekommener öffentlicher Bauwerke, die bisher
von feilen ünterbeamten auf geringfügige Vorwände und Bedürfnissangaben hin allzu
bereitwillig ertheilt worden war, unter Androhung der strengsten Strafen nur auf den
Senat und den Fürsten selbst beschränkt. Daraus geht wohl nicht unklar hervor, dass
das Volk selbst, welches die eigene frühere Grösse vergessen hatte und die herrlichen
Zeugen derselben missachtele , dasselbe Volk, welches im vorigen Jahrhunderte ein
Siegesdenkmal seines grössten Kaisers, Traian, abgetragen hatte, um mit den Stücken
dieses Werkes armselig genug einem neuen Herrn zu huldigen, die Zerstörung des
kaiserlichen Rom wesentlicher als die Barbaren gefördert habe. Die Kunst war nicht
mehr im Stande, Neues zu erzeugen: man nahm daher Säulen und Marmorwerke von
den Gebäuden einer besseren Zeit, die durch Mangel an Ausbesserung schadhaft ge-
worden waren, nicht bloss zur Erbauung der christlichen Cultstätten, der Basiliken,
sondern setzte sie oll auch zu Privatgebäüden geschmacklos und ohne Verständniss auf
einander. Selbst das Wandmaterial ward durch Abtragung der mit dem Aufhören des
öffentlichen Lebens entbehrlich gewordenen öffentlichen Gebäuden gewonnen. Anfangs
strebte man natürlich nach dem Marmor, der zugleich den Kalk zum Bindemittel lieferte,
als aber einmal die Wände ihres Sclimiickes entblösst dastanden, benutzte man auch
das geringere Material zum gewöhnlichen Häuserbau.
Obwohl die erwähnten Gesetze schon grosse Forlschritte in diesen zerstörenden
Maassnahmen erblicken lassen, so scheint doch dieser Raub an der römischen Baupracht
zwei Jahrhunderte lang noch nicht sehr fühlbar gewesen zu sein. Die Verwüstung,
welche Ricimer im J. 472 nach seiner Eroberung der Stadt anrichtete, erstreckte sich
bloss auf zwei Regionen, der Haupttheil der Stadt war verschont geblieben. Das
Traianforum hatte noch kurz vorher sogar Verschönerungen erhalten, so am Anfange
des 5. Jahrhunderts das Standbild des Dichters Claudianus,^ und im Jahre 435 die
Statue des gelehrten Feldherrn Merobaudes. Ebenso sicher ist es, dass selbst noch am
Anfange des 7. Jahrhundert das römische Forum, wenn auch schon mancher Zierden, na-
mentlich der Bildsäulen beraubt, doch in seinen baulichen Theilen noch ziemlich un-
versehrt war und insbesondere noch nicht begonnen hatte, sich in dem Schutte der
eigenen Prachtgebäude selbst zu begraben. Diess erhellt aus der Ehrensäule, die Smarag-
dus, Exarch von Ravenna, dem Kaiser Phokas in der Mitte des Forum errichtete.
Sie ist das letzte der römischen erhaltenen Denkmäler und zugleich ein Beispiel des
damaligen Kunslzustandes : jeder Stein erweist sich als von einem früheren Denkmale
entnommen.
1 Claudian. praefat. bell. Get. v. 7. Giut. Inscript. CCCXCI. 5.
60 Baugeschichte des alten Rom.
Auch unter den noch übrigen gewaltsamen Katastrophen bei der zweimaligen
Einnahme der Stadt durch den oströmischen Feldherrn Belisar scheint die Stadt nicht
sehr gelitten zu haben. Sie hatten allerdings den Ruin der Kunstwerke, mit denen
das Grabmal Hadrians geschmückt war, zur Folge, da die Gothen dieses besetzt halten
und die Statuen auf die Angreifer herabschleuderten.' Nicht allzulange aber, nachdem
Rom unter die Herrschaft des byzantinischen Exarchats zu Ravenna eingereiht ward und
die Stadt mit dem Range einer Provinzialhauptstadt alle Würde verloren hatte, begann
der gänzliche Verfall des alten Rom. Die Exarchen hinderten ihn nicht, und die ost-
römischen Kaiser sahen den Fall von Roms Herrlichkeit sogar mit Wohlgefallen und
führten selbst alle Bronze, die von den Barbaren noch übrig gelassen worden war, an
Statuen und Dachziegeln in ihre Münzstätten.^ Sobald einmal der Einsturz der in
jedem Betracht vernachlässigten und besonders dach- wie säulenberaubten Kolossal-
bauten grössere Dimensionen annahm, war man nicht blos nicht mehr im Stande diesem
Uebel zu steuern, sondern selbst nicht mehr, den massenhaften Schutt zu beseitigen.
Erdbeben warfen eine Menge der hervorragendsten Gebäude zu Boden: man be-
gann innerhalb der Mauern an den Ruinen, wie aus Steinbrüchen, das Material
herauszuarbeiten, und besonders an den Tempeln zerrte zelotischer Fanatismus. Seit
dem Ende des 6. Jahrhundert zitterte überdiess Rom vor den Langobarden; und das
Gefühl der äusseren wie der inneren Unsicherheit veranlasste zahlreiche Auswande-
rungen, so dass bei zunehmender Verödung der Stadt die aurelianischen Mauern viel
zu weit wurden. Durch Brand zerstörte oder überhaupt verfallene Gebäude stellte
daher Niemand wieder her, man verliess vielmehr den Schutt, der immer schwerer zu
bewältigen wurde, und wählte einen tauglicheren der vielen verlassenen Plätze. So
wandte sich Rom weg von der einst so dicht bevölkerten herrlichen Stätte und schaarte
sich auf dem Marsfelde enger zusammen. Die ruinösen Prachtbauten daselbst wurden
zumeist abgetragen, theilweise auch für Wohnplätze benutzt; aus den luftigen Hallen
wurden enge, dunkle Gassen, aus Theatern, Tempeln und grösseren Grabdenkmälern
befestigte Häuser, düstere Mauermassen ohne Rücksicht auf architektonische Schönheit
oder Wohnlichkeit; Selbsthilfe und Sicherstellung der eigenen Person und Habe war
das erste Princip in dieser nach aussen und innen überaus traurigen Epoche. Die
Mächtigeren unter den Römern trachteten vor Allem, durch Festigkeit ihrer Wohnungen
ihf Uebergewicht über die Nebenbuhler entschieden und dauernd zu machen. Da er-
hoben sich förmliche Burgen mit Mauern und Thürmen im Innern der Stadt, in den
rohen Mauern und in den Kalköfen verschwanden nicht bloss die ornamentalen Be-
standtheile der Marmorbauten der Kaiser, sondern mit gleicher Rücksichtslosigkeit auch
iProGop. bell. Goth. 1.22. 2 Anastasius Biblioth. de vit. pontif. (Vitalian.) Eom. 1718. tom. I. p. 132.
Gänzlicher Verfall. 61
die edelsten Erzeugnisse griechischer und römischer Sculptur sofern sie nicht schon
früher zertrümmert worden waren, oder im Schult eingestürzter oder zerstörter Gebäude
begraben lagen, um ein Jahrtausend zu ruhen, bis eiue bessere Zeit, dem rettenden
Schutte dankbar, sie wieder an's Licht schaffte. Was von den Gebäuden erhalten blieb,
weil es in irgend einer Weise dienlich war, wurde auf verschiedene Art oft bis
zur Unkenntlichkeit verunstaltet. Auf und in den Grabdenkmälern, in den TempelccUen
und zwischen den Säulen erhoben sich Häuser und Hütten, nnd selbst die Tiiumph-
bogen, welche durch die massive Festigkeit ihrer Pfeiler wie durch die Uuzugänglich-
keit der stets in einiger Höhe vom Boden angebrachten, zu den Innentreppen und zur
Attica führenden Thüren die gesuchten Vortheile darboten, wurden dazu benutzt, schlecht
gebaute Wehrlhürme zu tragen. Ausser dem ungehinderten Raub des Materials an-
tiker Gebäude zu ihren Burgen und anderen Bauten, welcher sich gewissermassen tra-
ditionell bis zum Anfange des 17. Jahrhunderts fortsetzte, und ausser dem von selbst
fortschreitenden Verfall, mit welchem die Zeit das Zerstörungswerk unterstützte, ver-
fehlten aber auch die immerwährenden Fehden der Grossen unter einander nicht, wesent-
lich zn der Verwüstung beizutragen, welche die Herrlichkeit des alten Rom mit so
verhältnissmässig wenigen Ausnahmen hinweggetilgt hat. Die im 12 Jahrhundert er-
fassten Mirabilien beweisen, dass in jener Zeit nicht blos der grösste Theil von Allem
verschwunden war, sondern dass auch an dem noch Erhaltenen nur mehr eine sehr
verworrene Tradition haftete, welche von der Kenntniss der eigenen Geschichte und
ihrer Denkmäler das traurigste Bild giebt. Eine eingehendere Darstellung dieser Ver-
hältnisse ist durch die weltbekannte Schöpfung der kundigsten Feder überflüssig geworden, i
Die jetzige Gestalt des alten Rom und seiner Denkmäler im Einzelnen zu be-
schreiben und in Bezug auf Kunst und Geschichte zu erklären, ist die Aufgabe dieses
Buches. Es ist uns freilich nur mehr ein geringer Theil des einstigen Bestandes, selbst
im Vergleich zu dem was noch erhalten unter dem eigenen Schutt begraben liegt,
geboten, aber wir haben wenigstens den Trost, dass späteren Generationen durch Be-
seitigung des Schuttes von manchen Stellen eher mehr als weniger sich bieten wird.
Man denke sich jedoch unter diesem Schult kein Trümmermeer, wie es vor tausend
Jahren gewesen sein mag. Auf den eingestürzten Gewölben entstand eine anfangs
kümmerliche, dann durch sich selbst üppigere Vegetation, welche um sich griff, je mehr
Jahrhunderte mit ihrem Sonnenstrahl und Regen hinübergingen; die Klüfte füllten sich
aus, der Humus wuchs, und endlich pflanzte der Nachkomme des grossen Volkes über
den Ruinen seine Reben und Gemüse. Da wo das alte Rom bewohnt blieb, ebnete
man einfach den Schutt, welchen hinwegzuschaifen man um so weniger bemüht war,
Gregoroviui-, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter.
62 Baiigeschichte des iilten Rom.
als kein Tyrann zu der ungeheuren Arbeit trieb, und kein Grund war, neue Hügel
daraus aufzuthürmen. Wir können desshalb nur den bei weitem geringsten Tiieil von
Allem, was sich vom alten Rom erhalten haben mag, kennen. An einigen Stätten
wohl und zwar an den bedeutendsten, worunter das Forum Romanum und das Forum
Traianum wie die Nordwcslhälfte des Plalalin hervorragen, hat man bereits einen
grossen Theil des namentlich über dem ersteren berghohen Schuttes hinweggeräumt
und zum grossen Gewinne der römischen Alterthumskunde den antiken Boden bloss-
gelegt, allein da die Interessen der Lebenden in erster Linie berücksichtigt werden
müssen, werden systematische Ausgrabungen besonders da, wo die moderne Stadt
sich ausgebreitet, nicht bloss beschwerlich, sondern nahezu unmöglich sein. Die mei-
sten Entdeckungen sind hier noch immer mehr oder weniger ein Spiel des Zufalls,
oder das Ergebniss von Arbeiten, die aus ganz anderen Veranlassungen unternommen
worden sind. Mehr Möglichkeit bietet der südöstliche Theil der alten Stadt, das ganze
Gebiet des Cälus und Aventinus dar, welches den Charakter einer Stadt ganz ver-
loren hat und sich wenig von der nächsten Umgebung Roms unterscheidet. Die Hügel
sind mit Gärten und Weinbergen bedeckt und zwischen den wenigen hervorragenden
Ruinen erheben sich einige Villen, einsame Kirchen und Klöster und armselige Land-
häuser. Auch der Palatin war bis auf die letzten Jahrzehnte fast gänzlich ununtersucht,
und selbst heute noch ist mehr als ein Dritttheil des Hügels, das noch im Besitze
von zwei Klöstern, so viel wie unbekannt. Die weite Hochebene des Esquilinus aber,
in den letzten Jahren behufs Anlage eines neuen Stadttheiles planirt, rechtfertigte die
in das Unterehmen gesetzten antiquarischen Hoffnungen nicht allzusehr, und lässt auch
nach Herstellung der projectirten Neubauten noch weniger erwarten. Dagegen wird
aber nicht mehr versäumt, von jedem gelegentlichen Funde sorgfältig Act zu nehmen,
wie auch die Regierung nach Thunlichkeit bestrebt ist, durch specielle Ausgrabungen
zu archäologischen Zwecken das vorliegende wissenschaftliche Material zu vermehren.
Und in der That ist, seit die Franzosen zu Anfang dieses Jahrhunderts begonnen
haben die wichtigsten Stellen des alten Rom bloszulegen, bis heute in dieser Bezieh-
ung Ungeheures geleistet worden.
a> cr>
fO -C
Beschreibung der Ruinen.
I. Der Capitolinus.
1. Der capitolinische Tempel und die Burg.
War es schon früher durch die Bedeutung des Platzes geboten, die Beschrei-
bung des alten Rom mit dem capitolinischen Hügel zu beginnen, so hat derselbe,
seit die Reste des römischen Nationalheiligthums gefunden, und damit die Zweifel
über dessen Lage endgültig beseitigt worden sind, ein doppeltes Recht, an die Spitze
gestellt zu werden. Freilich sind die baulichen Reste des Hügels, wenn man von
der dem Forum zugewandten Seite absieht, unansehnlich und entziehen sich unter
dem Eindrucke der stattlichen Gebäude des 1 6. Jahrhundert in der Einsattelung des
Hügels, wie der mittelalterlichen von Araceli vielleicht ganz dem Auge des Besu-
chers, aber sie bleiben darum nicht minder ehrwürdig und beachtenswerth in An-
sehung ihres Alters wie ihrer topographischen Wichtigkeit.
Zunächst kann Niemandem entgehen, dass der Capitolinus durch eine starke
Einsenkung in zwei Kuppen geschieden ist, von welchen die eine südwestlich die
andere nordöstlich gewendet ist, die erstere jetzt Monte Caprino, die letztere nach
der Kirche von Araceli genannt. Ebenso unzweifelhaft erscheint, dass diese Theilung
ursprünglich sei, wie denn auch schon im Alterthum die zwei Höhen verschiedene
Bestimmung und Bezeichnung, Capitolium und Arx, erhalten haben.* Doch waren
sie gemeinschafthch ummauert, wenigstens von der Zeit an, in welcher die sieben
Hügel durch die servische Mauer zu einer Stadt verbunden wurden; indess be-
schränkte sich diese Mauer naturgemäss auf die Nordwestseite des Hügels, und zog
sich zumeist in mittlerer Höhe des Abhanges hin, an beiden Seiten etwas steigend.
Die erhaltensten Stücke des CapitoHnus findet man, wenn man die Salita
delle tre pile, die neue Fahrstrasse rechts neben dem grossen Stufen weg, halbwegs
iLiv. VI. 20. Strabo V. 3. Gell. 5. 12. vgl. Becker Hdb. d. r. A. S. 386.
F. Reber, Rom.
QQ Der Capitolinus.
emporsteigt. Siebestehen aus 5 und 7 in den gewachsenen Fels gebetteten Lagen,
abwechselnd nach Läufer und Binder gelegt und in den einzelnen Quadern die be-
kannte Höhe von 0,58 — 0,59 Meter zeigend. Die moderne Ausgrabung (5. Nov. 1872) '
vermochte diese Reste nur in geringer Breitenausdehnung (1 ,0 und 2.15 Met.) bloszu-
legen, doch zeigen sie die Richtung von der Einfahrt des Palazzo Caffarelli zum
Abhänge über der Via Giulio Romano, vormals Via della Pedacchia, bestimmt an. Dass
sich die Mauer unterbrechungslos an der ganzen Länge der Nordwestseite des Hügels
hingezogen habe und bis in die Kaiserzeit von keinem Aufgange durchbrochen ge-
wesen sei, ist schon in der Baugeschichte dargethan worden. Durch die Tempelsub-
structionsbauten nachträglich verändert sind die Mauerreste an der Nordwestecke des
Vorplatzes von Palazzo Caftarelli über Vicolo della rupe Tarpeia. Die übrigen Reste
sind ihrer Lage nach mit Unrecht der servischen Befestigung zugeschrieben worden.
Von den beiden Kuppen des Doppelhügels trug die eine das capitolinische
Heiligthum, das andere die Burg. Dass ersteres auf Monte caprino, letzere auf
der Höhe von AraceH zu suchen sei war seit langem die übeiwiegende und be-
sonders von den deutschen Topographen vertretene Ansicht. Vor Allem musste es
unmöglich erscheinen, dass die grosse Anzahl von Tempeln wie Kapellen, welche
sich um das umfangreiche Nationalheiligthum des capitolinischen lupiter gruppirten,
auf dem verhältnissmässig sehr kleinen Plateau von Araceh Raum gehmden hätte,
zumal da die area Capitolina wenigstens noch so geräumig bleiben musste, dass
daselbst Volksversammlungen abgehalten werden konnten.^ Ausserdem fehlte es auch
nicht an Staatsgebäuden, wie die Curia Calabra, wo die Pontifices ihre calendari-
schen Geschäfte zu besorgen pflegten,^ mit den Rostra, wo Cicero, wie er selbst sagt, '*
einen seiner grössten Triumphe feierte. Dass sich auch ein Senaculum an der area Capi-
tolina befunden habe, wie behauptet wird, ^findet nur eine scheinbare Bestätigung in einer
verderbten Stelle des Livius, einem auch sonst höchst mangelhaften Abschnitte,*^ welche
Stelle überdiess, selbst wenn man sie als unverderbt gelten lassen wollte, nicht das sagt,
was davon abgeleitet worden ist. Von den zahlreichen Heiligthümern um den ca-
pitolinischen Tempel aber sind das Heiligthum des lupiter Feretrius^, ein kleiner, an-
geblich von Romulus selbst als erster der Stadt erbauter Tempel, der von Numa er-
baute Tempel der Fides, ^ die Tempel der Mens und der Venus Erycina, welche
während des hannibalischen Krieges erbaut wurden,» vollkommen sicher. Auch wird
1 R. Lanciani, Scoperte alla salita detta delle tre pile, Bull d. c. a. m. 1873. p. 138. 2 Liv. XXV.
3. XXXIV. 53. Plut. Aemil. Pauli. 30. 31. Appian. Bell. Civ. I. 15. &c. » Varro L. L. VI. 4, 59. Ma-
crob. Sat. I. 15. 4 010. ad M. Brut. I. 3. »Becker, H. d. r. A. I. S. 402. 6 Liv. XU. 27. " Liv.
I. 10. 33. IV. 20. Dionys. II. 34. Mon. Ancyr. &c. » Cic. off. III. 29. nat. deor. II. 23. Fast. Amit.
Kai. Oct. &c. 9 Liv. XXIII. 31. Kai. Maff. et Venus. VI. Id. lun. &c.
Der capitolinische Tempel und die Burg. 67
ein Tempel der Ops, unbekannter Herkunft, im Jahre 566 d. St. zum erstenmale
erwähnt, 1 und zwei Tempel des lupiter, welche im J. 560 gleichzeitig eingeweiht
wurden.^ Dazu kamen in der Kaiserzeit noch zwei bedeutende Tempel: erstlich
durch Augustus der mit Darstellungen aus der Gigantomachie geschmückte^ Tempel,
welchen dieser, als ein Blitzstrahl vor seiner Sanfte niederschlug und den voraus-
gehenden Fackelträger todt zu Boden streckte, dem lupiter Tonans gelobt hatte,
wobei sich der Donnerer gefallen lassen musste, zum Thürhüter des capitolinischen
lupiter erklärt zu werden;^ dann der grosse Tempel, den Domitian zum Danke für
seine Rettung in dem Kampfe mit den Vitellianern , bei deren Anstürmen auf das
Capitol er von einem Tempelaufseher versteckt worden war, dem lupiter Gustos
erbaute."* Weniger namhaft dürfte dagegen der Tempel der Wohlthätigkeit {eveQymia),
einer Göttin, deren Name vorhin nicht gehört worden war, gewesen sein, den M.
Aurelius auf dem Capitoi errichtete,** zugleich der letzte dieses Hügels, von dem
wir Kunde haben.
Ausser diesen zehn Heiligthümern werden noch mehre erwähnt, deren Hier-
hergehörigkeit jedoch nicht sicher festgestellt werden kann, abgesehen von den
Statuen, Weihgeschenken und Denkmälern in den Tempeln oder um dieselben herum.
Fügt man dazu den sehr umfangreichen capitolinischen lupitertempel selbst, von dessen
fast quadratischem Plane die Maasse (die Seite zu 200') überliefert sind,^ und den
noch freigebliebenen Theil der Area vor demselben, so wird es wohl klar, dass
die Höhe von Araceli alles diess nicht zu fassen im Stande gewesen wäre, während
die Höhe von Caffarelli hierzu weit geeigneter erscheint.
Kann indess diese Erwägung noch zu keiner vollgültigen Entscheidung ver-
anlassen, so fehlt es nicht an Notizen, welche uns hierin unterstützen. Es wird
ausdrücklich erwähnt, dass der capitolinische Tempel auf jener Höhe des Berges
gebaut wurde, welche den Namen Mons Tarpeius trug,^ ein Name der allerdings
mit Aufnahme der Bezeichnung Capitolium abhanden kam, oder vielmehr sich auf
eine gewisse steile Stelle des Berges beschränkte , nemlich auf das als Richtstätte '
häufig erwähnte Saxum Tarpeium. Die Lage dieses Saxum ist zwar nichts weni-
ger als sicher,^ allein gewissermassen traditionell erhielt sich der Name an der
Localität im weiteren Sinne bis auf den heutigen Tag. Der Nordwestabhang, Tor de'
Specchj gegenüber, heisst bis jetzt Rupe Tarpea, und das an denselben führende
Gässchen Vicolo di Rupe Tarpea, während auch auf der anderen Seite die Strasse,
iLiv. XXXIX. 22. Fast. Capran. Kai. Sept. 2 Liv. XXXV. 41. 3 ß. Stark, Gigantomachie auf
antiken Reliefs und der Tempel des lupiter Tonans in Rom. Heidelberg 1869. * Sueton. Aug. 29. Dio
Cass. LIV. 4. 5 Tacit. Hist. III. 74. Sueton. Domit. 5. e Dio Cass. LXXI. 34. ^ Dionys. IV. 61.
»Dionys. III. 70. Liv. I. 55. Varro L. L. V. 7, 13. » Dionys. VII. 35. VIII. 78.
9*
68 Der Capitolinus.
welche von der Via del Campidoglio und von Piazza della Consolazione auf die
Höhe hinter Palazzo Gaffarelh führt, den Namen Via di Rupe Tarpeo trägt. Trotz-
dem zwingt uns die Notiz, * dass die Hinrichtung des Cassius , der wegen anschei-
nenden Strebens nach der Tyrannis vom tarpeischen Felsen gestürzt wurde, vor
den Augen des am Forum versammelten Volkes vor sich ging, die Richtstätte nicht
nordwestlich,^ sondern vielmehr an dem Abhänge, der dem Palatin gegenüberliegt,
anzunehmen/
Es bleibt indess schon mit diesen Beweismitteln wahrscheinlich, dass der
Mons Tarpeius derselbe ist, den wir Monte Caprino oder die Höhe von Caffarelli
nennen, wodurch die obenerwähnte Nachricht, der capitolinische Tempel sei in
Monte Tarpeio erbaut worden (vgl. Anm.^S. 67), von topographischem Werthe wird.
Andere Notizen führen aber zu demselben Schlüsse. Als der Sabiner Appius Her-
donius im J. 294 d. St. Rom überrumpelte, bestieg er mit den Seinen nach der
Ueberheferung^ zuerst bei dem carmentalischen Thore das kaum ein Stadium vom
Flusse, auf dem er herabgekommen war, entfernte Capitohum, und nachdem er
sich desselben bemächtigt, »drang er von da auf die Burg, die mit dem Capitolium
zusammenhängt.« Erinnert man sich hierbei an die constante Unterscheidung von
Capitolium und Arx (vgl. S. 65 Anm.^), so werden auch die Notizen von dem
»ex Capitolio« in den Vicus lugarius herabgestürzten Felsblock, ^ wie von den Ca-
pitoliumsubstructionen super Aequimelium'' durch die Lage des Vicus lugarius wie des
Aequimelium am Südostfusse der Höhe von Monte Caprino auch für den capitoli-
nischen Tempel entscheidend. Es bedarf daher wohl kaum der Ausführung, wie
schwierig die Erklärung dieser Stellen für diejenigen ist, welche das (Capitolium
auf die Höhe von Araceli, die Arx auf Monte Caprino versetzen. — Nicht minder
überzeugend ist der Bericht^ von jener Brücke, welche der wahnsinnige Caligula,
um mit dem capitolinischen lupiter in stetem Verkehr stehen zu können, vom Pa-
latin über den Tempel des Augustus nach dem Capitole bauen liess. Denn wenn
der capitolinische Tempel auf der Höhe von Araceli gelegen wäre, hätte die Brücke
das römische Forum schräg durchneiden müssen, was selbst ein Caligula schwerhch
hätte wagen können, und was gewiss nicht unerwähnt gebheben wäre, da doch
Sueton die Richtung der Brücke durch den Augustustempel und die Basilica lulia,
die sie überschritt oder wenigstens berührte, bezeichnet. Lag dagegen der capi-
tolinische Tempel dem Palatin unmittelbar gegenüber, so läs&t sich die Brücke höchst
1 Dionys. VIII. 78. 2 Becker, Handb. d. r. A. 1. S. 411 ff. 3 Dureau de la Malle, Memoire sur
la Position de la röche Tarpeienne. Memoires de l'Academie 1819. Bimsen, Beschreibung der Stadt Rom. III.
B. Abth. 1. p. 28. 4 Dionys. X. 14. cf. Liv. UI. 13. » Liv. XXXV. 21. 6 Liv. XXXVIII. 28.
" Sueton. Calig. 22.
Der capitolinischc Tempel und die Burg.
69
angemessen erklaren. — Neustens haben sich die Beweisgründe noch vermehrt
durch die Bestätigung der Lage der Burg auf der Höhe von Araceli, wovon unten
die Rede sein soll.
Der wichtigste Beweis fiir die Lage des capitolinischen Tempels auf der
Höhe von Monte Caprino ist aber die neuestens gelungene Auffindung des Unterbaues
jenes Tempels selbst.^ Die ersten Auldeckungen zwar, welche 1865 unter Leitung
des Wiener Architekten Hauser ge-
macht wurden, schienen durch die
Richtung wie Dimensionen des Mauer-
werks eher zu verwirren, allein die
folgenden (1875) und besonders die
letzten, (1876), welche in diesem
Umfange erreicht zu haben Jordan's
Verdienst ist, lassen keinem Zweifel
mehr Raum. Der Tempelkörper lag
nach dem von Jordan aufgenommenen
Ausgrabungsbericht des Aichitekten
L. Schupmann in der Hauptsache
unter Palazzo und Giardino Catlarelli,
und zwar so, dass die südöstliche
Ecke der Fronte da (a) wo die
Pinakothek des Conservatojenpa-
lastes an die Nebengebäude der
kais. deutschen Gesandtschaft (Pal.
Catlarelli) stösst, die Via di Monte
Caprino berührt, und die Substruc-
tion der östlichen Längswand (b)
die sog. Aula temporanea (Rundge-
bäude) der capitoHnischen Museen
streift. Der damit bestimmten rech- Fig. i*. Der capitoiinische Tempel.
ten Frontecke entspricht als linke
oder südwestliche (c) jenes schon 1865 gefundene und beschriebene Stück, das
wieder unter dem modernen Boden des Giardino Cafl'arelli liegt, womit sich die
* P. Rosa, Scavi Capitolini Ann. d. I. d. c. a. 1865. p. 383—386. Mon. d. I. d. c. a. VIII. XXIII. 2 (Hauser).
R. Lanciani, II tempio dl Giove Ottimo Massimo. Bull. d. c. a. mun. III. OU.— Dec. -1875. p. 165 — 189. IV. Genn.
— Marzo 1876. p. 31—34. H. Jordan, Osservazioni sul tempio di Giove Capitolino. Ann. d.i. d. ca. 1876 p.
145—172. Mon. d. I. d. c. a. vol. X tav. XXX. a. Auf die in genannter Tafel gejiebcnen Pläne und Durch-
schnitte muss hauptsächlich verwiesen werden. Denselben sind L. Schupmann's Aufnahmen zu Grunde gelegt.
70 ' l^Pf Capitolinus.
Frontebieite zu 51 Met. bestimmt. Der Nordwestecke wird das sehr verstümmelte
Mauerstück (d) zugeschrieben, welches von Piazza della Rupe Tarpea und von dem
Platze vor Pal. CafFarelli aus sichtbar ist. Denmach würde die Länge der Substruc-
tion sich auf 74 Met. berechnen. Die Nordostecke ist spurlos verschwunden, doch
zeigten sich unter dem modernen Boden in dem Platze zwischen Palazzo Caifarelli
und den alten Stallungen noch Mauerreste, (e f) welche der Rückseite, wenn auch
nicht des Tempels, so doch eines Annexes angehört haben musste. Ausserdem
fanden sich in Giardino Caffarelli die Reste von Parallelmauern in der Längsaxen-
richtung des Tempels, von welchen die nächste an der Ostseite, (g) muthmasslich
in der ganzen Stylobathöhe erhalten, sich noch deutlich als solche darstellt. Sie
scheinen Corridore zwischen sich gelassen zu haben, von welchen wenigstens der
zwischen den zwei erhaltensten Parallelmauern an der Nordostseite belegene zweifel-
los ist, indem sich sogar» dessen Travertinpaviment in dem kammerartigen südlichen
Abschluss (h) erhalten hat. Es liegt nahe, hierbei an die Tempel-Schatzkammern zu
denken, welche wohl vom Tempelinnern durch Treppen zugänglich waren, und jene
Goldvorräthe enthielten, die von Camillus bis Pompeius Zeit als im »solium« des
capitolinischen Tempels aufbewahrt erwähnt werden. ^
Sichtbar bleiben konnte von diesen .Mauerresten begreiflicherweise wenig.
Der Platz vor dem Palazzo wie der Garten nmssten wieder eingeebnet, der Trakt
an Via di Monte Caprino wieder mit den neuen Stallungen, bei deren Anlage die
meisten Entdeckungen gemacht worden waren, verbaut werden. Die ansehnlichsten
noch sichtbaren Reste sind aber die Nordwestecke (d), die innere Parallelmauer
neben der Südostecke und ein Stück von dieser Ecke selbst in den Remisen öst-
lich von Giardino Caffarelli (g) und endlich ein Stück von der Fronte in der Einfahrt
zu den neuen Stallungen neben dem Brunnen (i). Die Reste der westlichen Mauer-
linie (k) in einem Souterrain unter dem Vorplätze vor dem Palazzo sind schwer
zugänglich, die Reste der östlichen Längsmauern im kleinen Hofe hinter der neuen
Museumrotunde des Conservatorenpalastes (b) kaum mehr deutlich. Dafür ist dort
das Stück eines Säulenschaftes eingemauert, welches bei einer Canellurenbreite von
0,19 (nach eigener Messung) auf einen Säulendurchmesser von mindestens 1 ,8o —
2,00 Met. schliessen lässt, je nachdem man das Fragment einem oberen oder un-
terem SchaftTheil zuschreibt. Diese Dimensionen erlauben kaum an einen anderen
Tempel als an den capitolinischen zu denken, da kein anderer des Hügels sich zu
Verhältnissen des Venus- und Romatempels, des Mars Ultortempelsoder des angeblichen
Soltempels erhoben haben kann, deren Säulen einen unteren Schaftduichmesser von
iPlin. H. N. XXXm. U.
Der capitolinische Tempel und die Burg. 7 t
1,80 — 1,90 Met. aufzuweisen haben. Ueberdiess verräth. das Fragment pentelischen
Marmor, ein sonst unter den römischen Ruinen seltenes Material, von welchem wir
aber zufällig wissen, dass es von Domitian beim letzten Neubau des capitolinischen
Tempels für die Säulen verwendet worden sei. ^
Das Material der Mauern ist der sog. Cappellacio, der aschfarbige und mürbe
Tuf des Hügels selbst^ in Blöcken von durchschnittlich 0,32 Höhe, O.eo Breite und
0,70 Länge, die ohne Bindemittel, und weil zum Massenbau des Stereobats ver-
wendet ohne die an den Stadtmauern auftretende Regelmässigkeit des Läufer- und
Bindersystems auf einander gelegt sind. An dei- höchsterhaltenen Stelle der
Ostecke des Giardino Catfarelli, wo sich die Mauer noch 4,70 Met. über das Pavi-
ment der oberen Remise der neuen Stallungen erhebt, fand sich noch eine
Schicht Gusswerk. Diese Stelle aber hindert uns da wo jetzt die neuen Stallungen
und der Giardino Cafiarelli die hohe^ Treppe des Tempels anzunehmen, welche
gleichwohl an der Südseite,'' oder vielmehr an der Stelle der jetzigen Via di Monte
caprino gesucht werden muss. Der Giardino entspricht daher wohl in der Haupt-
sache der Säulenvorhalle, welche hexastyl (sechssäulig) und in der Tiefe dreireihig
war. Auf diese Anlage weisen auch die Reste der 4 Parallelmauern zwischen den
zwei äussern Längsmauern hin, welche in constructiv geeigneter Weise für eine Fronte
von 6 Säulen und zwar in dreifacher Wiederholung sprechen, wobei die Abstände
derselben, beziehungsweise die Maasse von einem Mauermittel zum anderen auch
die aräostyle (weitsäulige) Anlage nach tuscischem Plane^ belegen. An der Stelle
des Palazzo Gaffarelli selbst scheinen sich dann die drei Gellen befunden zu haben,
von welchen sich die der Minerva rechts^ die der Inno links vom Mitteltempel lu-
piters befand. Wahrscheinlich aber nahmen die Gellen nicht die ganze Breite des
Unterbaues, 51 Met. in Anspruch, sondern Hessen beiderseits noch Raum für je eine
Säulenreihe, die von jeder Frontecke in der Längsrichtung bis an die beiderseits
vorspringende Schlusswand der Gellen lief, so dass an den Gellen die mittlere dem
muthmasslich etwas weiteren mittleren Intercolumnium, die beiden Nebencellen aber
den beiderseits benachbarten Intercolumniem entsprachen.
Begann aber da , wo die Mauerreste an der Südseite (bei den neuen Stal-
lungen und dem Giardino (Gaffarelli) in unzweifelhafter Weise einen Abschluss zei-
gen, schon die Tempelvorhalle, und nicht erst die Treppe, so können die Gellen
nicht so weit nordwärts sich erstreckt haben als es die aufgefundenen Mauern an-
zudeuten scheinen. Denn weder Dionys Angaben von 200'=61,g Met. an jeder
Seite sammt dem Zusätze, dass die Schmalseiten (Fronte) um 15' kürzer waren als
> Plutarch. Poplic. 15. 2 cf. Ponzi. Ann. d. I. d. c. a. 1865 p. 385. ^ Liv. VIII. 6. < Dionys.
IV. 61. 5Liv. I. 53. Vitruv III. 3, 5. 6 Liv. VII. 3.
72 Der Capilolinus.
die Langseiten, noch die durch Vitruv angegebenen tuscischen Tempelplanverhält-
nisse von 5:6 lassen eine so grosse Differenz wie sie die Mauerreste in der Fronte
(51 Met.) und in der Längsrichtung (74 Met.) ergeben haben zu, und es würde Nie-
mand im Stande sein, nach diesem Maasse die Gellen zu reconstruiren. Was die
von Dionys gegebenen Maasse betrifl't, so berechnet sich überdiess die um 15' ge-
ringere Fronteseite auf 57 Meter, so dass wir zu dem Maasse des Befundes noch
6 Meter zugeben und den Unterschied etwa dadurch erklären müssen, dass von
Dionys die äusere Verkleidung und vielleicht eine oder mehre Terrassenstufen des
Stereobats hinzugenommen waren. Umso mehr befremdet es, dass der Längen-
befund die Dionysische Maassangabe so bedeutend (I2V2 Met.) überschreitet. Ich
nehme daher keinen Anstand ein von Dionys nicht mitgerechnetes Areal hinter dem
Tempel anzunehmen, welches einem Theile des Platzes unmittelbar vor Palazzo
CafFarelli entsprochen haben muss, so dass die Fagade des Palazzo ungefähr auf die
Linie der Rückwand der drei Tempelcellen fällt. Denn nur so wird ausser der
Notiz eines Militärdiploms, ^ welche von einem Aufstellungsplatze »hinter dem capi-
tolinischen Tempel«, spricht namentlich die von Jordan nicht ganz befriedigend ge-
würdigte Stelle von dem dreimaligen Umlauf um den Tempel^ verständlich , da der
schroff abfallende Fels ein weiteres Hinausrücken eines offenen Platzes an der Nord-
westecke unmöglich macht.
Einige andere Mauerspuren deuten auf die Umfassung des Tempelareals.
So die zwei Reste , von welchen einer 1 872 auf der Höhe der Caprinotreppe in-
nerhalb der Porticus des Vignola am Eingange zum Ufficio municipale di sanitä ge-
funden und wieder verschüttet ward, während der andre in der Westseite der Sa-
lita di Monte Caprino, in der Mauer des vormaligen Giardino Montanari in etlichen
Tufquadern noch jetzt kennbar ist. Da beide Reste genau in einer Linie liegen, und
diese überdiess der Tempelaxe parallel ist, so ist kaum zu bezweifeln, dass wir in
diesen Spuren die Reste der Umfriedung des Temenos, der »area Capitolina,« zu
erkennen haben. Da der Abstand vom Tempel c. 40 Meter beträgt, so darf an der
Westseite wohl ein ähnlicher Abschluss in gleicher Entfernung vorausgesetzt werden.
Weiter lässt sich östhch die Abgränzung des jähen Hügelabfalls wegen nicht hinaus-
lücken. Construirt man aber das Quadrat dieses Areals nach der gesicherten Linie,
so springt in die Augen, dass namentlich die Herstellung der Ecken bedeutende
Substructionsbauten voraussetzte, die denn auch als selbst noch in der Kaiserzeit
sehenswerth,^ und als »unsinnig«* bezeichnet werden. Die Südseite war wahrschein-
hch wenigstens zum Theil offen und nahm den Clivus Gapitolinus auf, von welchem
^C. I. L. III. 2. p. 846. 2piin. H. N. VIII. 161. ^ Liv. VI. 6. < Plin. H. N. XXXVI. 104.
Der capitollnische Tempel und Hie Burg. 65*
Jordan mit Recht annimmt, dass er vom Saturntempel an in wenig gebogener Linie
direkt und ohne Schleifenbildung zur Höhe emporstieg. Der Anblick des Ganzen
aber mochte ebenso imposant als von malerischem Reize gewesen sein, wenn man
annimmt, dass die Substructionen keineswegs die Felsengruppe ganz verhüllten, wie
aus der Erwähnung des Saxum Tarpeium hervorgeht.
Unter der Area capitolina befanden sich die vielbesprochenen Favissae, jene
Schachte, in welchen nach Varro alte Götterbilder Weihgeschenke u. s. w. reponirt zu
werden pflegten. Dass jedoch diese nicht identisch sind mit jenen Grotten, welche
von der Via di Tor de' specchi, und von der Consolazione oder von einem Brun-
nenschachte im alten Institutsgarten aus zugänglich sind und zwischen 15 und 20
Meter unter dem antiken Plateau und z. Th. selbst ausserhalb der Area Capitolina
liegen, hat Jordan durch Beiziehung der Notiz ' gezeigt, wonach Catulus die area nicht
tiefer legen konnte, weil ihn die Favissae daran verhinderten. Dieselbe Stelle be-
weist auch, dass die Corridore im Pronaos des Tempels selbst mit den Favissae
nicht indentificirt werden dürfen.
Die Geschichte des Heiligthums ist bekannt. Von Tarquinius Priscus be-
schlossen und begonnen" ward es von Tarquinius Superbus ausgeführt,^ doch erst
nach dessen Vertreibung von M. Horatius Pulvillus dem Consul Suöectus d J. 245
d, St. (209 V. Chr,) geweiht.^ Die Erscheinung des ersten Baues muss trotz der
von vorneherein ansehnlichen Dimensionen von einer an Aermlichkeit streifenden
Einfachheit, wenn auch nicht ohne Würde gewesen zu sein, wozu besonders der
hohe Unterbau^ beigetragen haben mag. Die toscanischen Säulen waren von Pe-
perin und wahrscheinlich stuckbekleidet und gefärbt, das Gebälke von Holz. Ich
stelle mir abweichend von den vorhandenen Restaurationen*^ das hohe Gebälk ohne
Triglyphenschmuck somit ohne scharfe Unterscheidung von Epistyl und Fries vor,
und die oberen Balken etwa mit ursprünglich wirklichen später imitirten Bukranien
und Festons geschmückt, natürlich unter umfassender Anwendung von wenigen
aber energischen Farben. Das Kranzgesimse, weitausladend wie es Vitruv für den
tuscischen Styl schildert, bedingte ähnliche Schwere auch für den Giebel dessen
Ecken mit Thonfiguren geschmückt waren, worunter eine Quadriga am Giebelfirst,
Von Thon waren auch die Götterbilder des Innern: von der lupiterstatue wissen
wir,^ dass sie das Werk eines etrurischen Künstlers war, ferner dass deren Ge-
sicht mit Mennig bestrichen zu werden pflegte, während der Körper mit einer
wirklichen gestickten Tunika und Toga bedeckt war.
1 A. Gell. II. 10. 2 Liv. I. 38. 3 id. I. 53. * Plut. Popl. 15. C. I. L. I. 486 Liv. II. 8.
Dionys. V. 35. Tac. Hist. III. 72. Val. Max. V. 10, Senec. ad. Marc. 13. s Dionys. IV. 61 6 Ausser
früheren Versuchen Köhne Revue numismatique beige V. Ser. II. p. 51 so., Wieseler Nachrichten von der
k. Gesellschaft d. Wissenschaften z. Göttingen 1872 a 13. 7 pün. H. N. XXXV. 4.
K. Hkber, Itüin. 9*
66* Der Capitolinus.
Ohne dass anderes als die Area, welche 368 und 561 d. St. (386 und 191
V. Chr.) durch mächtige Substructionsbauten erweitert und geschützt wurde ^ we-
sentliche bauliche Umgestaltungen erfuhr, erhielt sich der Tempel bis 671 d. St.
(83 V. Chr.) in welchem Jahre er, von unbekannter Hand in Brand gesteckt, in Asche
sank. Die von Sulla begonnene Wiederherstellung, zu welcher er die korinthischen
Säulen vom olympischen lupitertempel in Athen nach Rom schleppte, ward durch
dessen Tod (676 d. St.) unterbrochen. Die Fortsetzung und Vollendung fiel A. Lu-
tatius Catulus zu, dem es bewilhgt ward, seinen Namen an die Tempelfronte zu
schreiben, 2 der auch bis Vitellius blieb, da Cäsar wie Augustus die ihnen angebo-
tene Ehre, ihre Namen an dessen Stelle zu setzen, ablehnten.^ Kaum von den Be-
schädigungen des neronischen Brandes wiederhergestellt, ward das Heiligthum wäh-
rend der Vitellianischen Wirren wieder em Raub der Flammen, und von Vespasian
wieder aufgebaut. Aber auch dieser 824 d. St. 70n. Chr. geweihte Neubau* bestand nur
wenige Jahre, da ihn schon der grosse Brand unter Titus wieder hinwegraffte, was
den letzten Wiederaufbau unter Domitian veranlasste, ^ von welchem wir nur wissen,
dass er die Säulen in pentelischem Marmor herstellen Hess, wie oben belegt und
den Resten gegenüber benutzt worden ist. Die Berichte aller dieser Neubauten
lassen aber ersehen, dass der Umfang und in gewissem Sinne auch der Plan stets
beibehalten wurde, und dass nur die Höhe geändert ward, wie diess schon die
Umwandlung des tuscischen Styles in die korinthische Ordnung mit sich brachte.
Diess erhöht aber den Werth der aufgefundenen Reste des Unterbaues.
Von dem Verfall wird die Einzelheit berichtet, dass schon Stilicho die Gold-
beschläge der Thüren wegnehmen hess.^ Doch scheint der durch die Vandalen 455
seiner Bronzeziegelbedachung beraubte Tempel' zu den frühest auch seiner edleren
Baumaterialien beraubten und somit zerstörten Heiligthümern gehört zu haben, und
die Reste waren sicher schon im zwölften Jahrhundert unbedeutend. Unter dem
alten Namen local bestimmt tritt er in der mittelalterlichen Literatur zuletzt um 800
im Einsiedler Itinerar*^ entgegen, welches noch ungleich höheren Werth für die
römische Topographie besitzen würde, wenn der mönchische Verfasser nicht jede
Tempelerwähnung auf seinen Wegbeschreibungen vermieden hätte. Dass er auf
dem Wege von Porta S. Petri nach S. Paul diese Abneigung gegen die heidnischen
Cultstätten überwindet, um nach der Porticus Octaviae zur Linken das Templum
lovis zu nennen, ist vielleicht ein Beweis, dass die Reste noch namhaft und noch
^Plin. XXXV. 15. 24. Liv. VI. 4. 2 Liv. Ep. XCVHI. Phlegon. ap Phot. III. p. 606. ed. Aul. Gell. II. 10.
C. I. L. p. 172. 3 Dio XLIII. 14. Mon. Ancyr. Tac. Hist. 3. 72. Val. Max. VI. 19. 5. * DiO LXVI. Aur.
Vict. Caess. cf. Plut. 1. c. Tac. Hist. IV. 53. Suet. Vesp. 8. 5 piut. 1. c. Suet. Dom. 5. Dio. LXVI 24.
6 Zosim. V, 38. 7 Procop. de bell. Vand. I. 5. 8 Cod. Einsiedl. nO 326, vormals dem Kloster Pfeffers
gehörig. Vgl. Jordan, Topographie d. St. Rom im Alterthum II. Berl. 1871 S, 330 fg.
Der capitolinische Tempel und die Burg. 67#
unter dem antiken Namen bekannt waren; jedenfalls aber liegt es weit näher,
unter dem Templum lovis das capitolinische Heiligthum, als mit Jordanien hipiter-
tempel der Porticus der Octavia zu verstehen, welcher relativ unbedeutende
Tempel bei unserem Autor weder eine Ausnahme veranlasst, noch gegen die topo-
graphische Reihenfolge eine Stelle nach S. Angelo in Pescaria gefunden haben
würde. Im 13. Jahrh.^ erscheint die Ruine als Templum maius auf monte caprino.
Im 15. Jahrh. beschränkten sich die Reste wohl auf einige Mauerstücke, sonst wäre
der Tempelplan des sienesischen Architekten Fr. di Giorgio Martini^ nicht so ganz
aus der Luft gegriffen worden, wenn auch die Reminiscenz sich noch an Monte
Caprino knüpte. Weiterhin ist gelegentlich von den Quadermauern die Rede, welche
(vermittelst Sprengung) demolirt wurden, wie von Resten gewaltiger Capitäle und
Gesimsstücke, die am Fusse des Hügels aufgelesen und wie Lanciani mit Recht be-
klagt verarbeitet wurden,* die, wenn erhalten, vielleicht die Mittel gewährt hätten,
den domitianischen Tempelbau wieder zu vergegenwärtigen.
Wenn aber angenommen ist, dass der capitolinische Tempel mit dem übrigen
Heiligthümercomplex des Capitolium auf der Höhe von Caflfarelh sich befand, so
musste die Burg auf der gegenüberliegenden Höhe von Araceli gestanden sein.
Das ist auch schon in der Erzählung von dem Ueberfalle des Appius Herdonius
(vgl. Anm.4 S. 68) klar ausgesprochen, und wird durch weitere Angaben bestätigt.
Zunächst wäre die Burg auf Monte caprino nach einer Notiz von Cicero^ unmöglich.
Denn wenn angegeben wird, dass die von der Arx^ aus beobachtenden Auguren in
dem Hause des Ti. Claud. Centumalus auf dem Caelius ein ihre Aussicht beschrän-
kendes Hinderniss fanden, so musste doch der Gähus überhaupt vom Beobachlungs-
standpunkte aus sichtbar sein. Diess ist aber nur von der Aracelihöhe aus mög-
lich.'^ Ferner wurde an der Stelle des Hauses des M. Manlius Capitolinus, des-
selben, der das Gapitol bei dem nächtlichen Ueberfall der Kelten gerettet hatte, der
aber nachher wegen hochverätherischer Umtriebe hingerichtet worden war, der
Tempel der Inno Moneta errichtet.^ Das Haus des Manlius aber wird ausdrücklich
als auf der Burg liegend bezeichnet,^ so dass über die Lage der Inno Moneta auf
der Burg kein Zweifel bestehen kann. Dazu kommt nun die Notiz^, dass neben
dem (^oncordientempel Stufen zur Inno Moneta führten. Es wird sich später er-
geben, dass der Goncordientempel der erste am Glivus Gapitolinus war zur Rechten
für den, der durch den Severusbogen zum Gapitole hinanschritt, und wenn die
»Top. II. 342 und 448. ^^ Bulle Anaktet II. aufgenommen in die Bulle Innocenz IV. von 1262 Wad-
ding Annales Minores III. 509 Jordan Top. II. S. 667. ^ i„ ,ie,. BiblioUiek zu Siena. R. Lanciani , Bull,
d. c. a. mun. Ott. — Dec. 1875 Ann. III. tab. 17. 18. * Flaminio Vacca, Meni. 64. Montagni \lirabili, Mus.
Gap. I. 6. n. 1. * Cic. de off. III. 16. *» H. Jordan Sulla posizione dell' arce capitolina Ann. d. I. d.
c. a. 1867. p. 385—389. '' Liv. VII. 20. l'lut. Camill. 36. 8 Liv. V. 47. VII. 28. « Ovid. Fast. I. 637 sq.
ß^* Per Capiloliniis.
Treppe bei diesem Tempel war, so konnte sie sicli nur zur Rechten zwischen der
Concordia und dem Carcer (Mamertinus) befunden haben, denn zur Linken machte
das Tabularium die Höhe unzugiingHch. Desshalb ist es schlechterdings unmöglich,
dass der Tempel der Inno Moneta sich irgend wo anders als auf der Höhe von
Araceli befunden habe, welche folglich auch die Burghöhe war.
Dem geringeren Umfang des Plateau's von Araceli entspricht es vollkommen,
dass sich hier ausser dem Tempel der Inno Moneta, bei welchem noch eine Präg-
stätte war,^nur noch ein Tempel erwähnt findet, nemlich der, welchen L. Manlius
im J. 536 d. St. der Concordia auf der Burg erbaute.^ Die Arx selbst bestand wohl
in wenig weiter, als in einem Mauerring um den Felsen, der demnach für Tempel
im Innern vollen Raum Hess. Nach dem zweiten punischen Kriege scheint jedoch
dieser Mauerring ebenso wie die servischen Mauern zur Antiquität geworden zu
sein, denn wenn er noch besonderen Schutz gewährt hätte, würde man die Arx
dem Capitole bei Bürgerkriegen vorgezogen haben, wovon sich jedoch keine Erwäh-
nung findet. Wie aber hier alles so spurlos verschwunden sei, so dass sich kaum
ein Mauerstück aufweisen lässt, w^elches über die Kaiserzeit hinaufgerückt werden
könnte,^ davon gibt uns die Geschichte keinen Aufschluss. Die einzige Reminiscenz
an die Burg dürfte vielleicht noch in dem Namen Araceli liegen, den Niebuhr, Hirt,
Platner und Becker als eine Entstellung von in arce betrachten.
Etwas schonender, als mit den beiden weltberühmten Höhen des capitoli-
nischen Doppelhügels verfuhr das Schicksal mit der Senkung zwischen den beiden
Gipfeln. Zwar entdeckt man, wenn man von der modernen Stadt her auf der
breiten Capitolstreppe zu dieser Einsattelung hinaufsteigt, zunächst keine baulichen
Ueberreste des Alterthums, wenn auch einige übrigens erst in den letzten Jahrhun-
derten auf der Balustrade aufgestellte Antiken nebst dem ebenfalls erst 1383 hier-
her versetzten ehemals vergoldeten Reiterbild des M. Aurelius, welches sich im 1 0.
Jahrh. unter dem Namen Caballus Gonstantini sicher auf dem Lateransplatze befun-
den hat. Die Lokalität hat sich im Gegentheile dadurch charakteristisch geändert,
dass jetzt die Haupttieppe und die Auffahrt da hinautluhrt, wo die Höhe in vor-
christlicher Zeit ganz unzugänghch war und ^schroff abfiel, und dass der Platz mit
Renaissancepalästen umgeben ward. Von diesen ist jedoch der Senatorpalast nur
in der Fronte neu, während er in seinen etwas unregelmässigen Schmalseiten und
in der dem Forum zugewendeten Langseite bedeutende bauliche Ueberreste aus
der antiken, ja sogar republikanischen Zeit darbietet. Wir müssen diesem Gebäude
eine besondere Betrachtung widmen.
1 Liv. VI. 20. 2 j^iv. XXII. 33. Fast. Praen. Non. Febr. 3 R. Lanciani Bull. d. c. a. mun. Ott.
Dec. 1875 p. 178.
Das Tahulariiim. 69=*
2. Das Tabularium.
Die moderne, gegen Nordwest (gegen die jetzige Stadt hin) gewendete Fa-
gade des Senatorpalastes verhüllt jede Spur des alten Gemäuers. Die nordöstliche
(Via deir Arco di Settimio Severo) zeigt eine Anfangs ganz niedrige, beim allmäligen
Absteigen des gestuften Weges immer höher werdende Linie einer wohl zum In-
nern des antiken Gebäudes gehörigen massiven Mauer aus gewaltigen Quadern.
Einen beträchtlicheren Theil von gleichartigem Gemäuer sieht man auf der entge-
gengesetzten, südwesthchen Seile (Via del Gampidogho), welche mit der Fa(,'ade
einen stumpfen Winkel bildet. Hier erreicht die antike Mauer eine Höhe von 7
Meter bei einer Länge von mehr als 20. Der hier bepfindliche grosse Eingang zu
diesem Theile des Gebäudes ward erst im Mittelalter, und zwar ohne Rücksicht auf
die Fugen, vermuthlich an der Stelle eines kleineren Pförtchens in die Mauer ge-
brochen. An diesem Bruche kann man die Structur der Hauptmauern am besten
untersuchen, welche an den Innenseiten in rothem, an den Aussenseiten in grauem
Tuf (peperino) hergestellt sind. Die Länge der einzelnen Blöcke beträgt durch-
schnittlich 1,10, die Höhe 0,48, die Breite 0,5s Met. In derselben Weise, wie bei
der servischen Mauer, wechseln auch hier in grösster Regelmässigkeit die Lagen
darin ab, dass die eine die Langseiten, die nächstfolgende aber die Stirnseiten
der oblongen Blöcke nach aussen kehrt. Die Fügung ohne Bindemittel ist vortrefflich.
Den bei weitem grössten Theil der erhaltenen Reste dieses antiken Gebäudes
zeigt jedoch die südöstliche (gegen das Forum gewendete) Seite, deren unterer Theil
erst in diesem Jahrhundert wieder an's Tageslicht gefördert worden ist. Denn vom
Anfange dieses Jahrhunderts bis zum Jahr 1845 ward durch Hinwegräumung des
kolossalen Schuttes von der Nordwestseite des Forum an bis zum Fusse des Ver-
bindungsrückens der beiden capitolinischen Hügelkuppen der grossartige Unterbau
des antiken Gebäudes, welches den Senatorpalast trägt, blossgelegt. Dieser Unter-
bau, zugleich als Substruction des Hügels dienend, besteht in einer gewaltigen Mauer
aus dem eben beschriebenen Material in derselben Construction und misst 71 Met.
in der Länge und fast 1 5 in der Höhe. Ob die wenigen fensterartigen Löcher, un-
regelmässig in dieselbe gebrochen, aus dem xMittelalter stammen, muss dahingestellt
bleiben. Ueber dieser durch keinerlei Architektur gezeichneten Substruction erhebt
sich eine Arcadenreihe, deren Bogenöffnungen, einen tonnengewölbten Verbindungs-
weg zwischen den beiden capitolinischen Höhen erhellend gegen das Forum sahen.
Seit jedoch Papst Nicolaus V. den gewaltigen Bau zur Grundlage für ein befestigtes
Gebäude benutzte, verschwand der Theil des Baues, über welchen jetzt die Via
k
70* Der Capitolinus.
dell' Arco di Settimio Severo geht, gänzlich , die diiecten Zugänge zum Hallengang
wurden auf beiden Seiten durch Eckbauten versperrt, und die Bogenöffnungen gegen
das Forum hin so vermauert dass von der ursprünglichen Gestalt wie von dem archi-
tektonischen Schmucke, ausser einem ofFengehaltencn Bogen, wenig Spuren mehr
übrig blieben. Im Jahre 1845 ging man nun allerdings mit dem Plane um, auch
die übrigen zehn noch vorhandenen Bogen wieder zu öffnen, allein es zeigte sich,
dass es nicht bloss Barberei war, die interessante Ruine durch Vermauerung zu
verunzieren : die Bogen erwiesen sich als derart beschädigt, dass ihnen ohne Aus-
füllung die Last des gewaltigen darauf gestellten Gebäudes nicht zugemuthet wer-
den konnte. Der offen gebliebene Bogen diente, Ende des 17. Jahrhunderts und
wohl noch später als Eingang zum Salzmagazin*. An dieser für den am Forum
stehenden Beschauer rechts neben dem nordöstlichen Eckthurm befindlichen Arcade
lässt sich die Gestalt der ganzen Reihe noch erkennen. Der Bogen ist 7, 50 Met.
hoch und hat eine Spannung von 3, 70. Die Pfeiler sind an der Stirnseite 2,4o Met.
breit und mit Ausschluss der Halbsäule aussen und des Pilasters innen 1,20 dick.
Die Halbsäulen sind 8,30 Meter hoch, dorischer Ordnung und cannellirt, ihre Capitäle
wie die Kämpfer der Pfeiler aus Travertin (Tiburtiri-Kalkstein). lieber diesen beiden
noch sichtbaren Halbsäulen des offenen Bogens sowie auch in der ganzen Länge
der im Uebrigen zugemauerten Arkadenreihe sieht man noch Spuren dorischen Ge-
bälkes mit den Triglyphen. Dass über dieser Arkadenreihe sich noch eine zweite
erhoben habe, wie aus einer etwas unklaren Notiz aus dem 1 5. Jahrhundert,^ wo
von gewölbten Hallen in doppelter Reihe die Rede ist, hervorzugehen scheint, wird
durch die Auffindung einer Treppe im Innern des Gebäudes noch nicht bewiesen ;
doch ist nach der Analogie der Theater Circi und Amphitheater deren Annahme möglich.
Tritt man durch den oben erwähnten, gewaltsam gebrochenen Eingang an
der Via di Gampidolio in das Innere des Gebäudes, so sieht man vorerst den Anfang
der Gemächerreiche des Innera. Hier wechseln die rothen und grauen Tutl)löcke
unregelmässig mit einander ab. Von da gelangt man in den erwähnten Aikaden-
gang, in welchem man im J. 1 830 noch Reste des Pflasters aus Basalt-Polygonen, den-
selben, womit die meisten altrömischen Strassen gepflastert waren, fand, wodurch
sich die Annahme bestätigte, dass der Corridor als öffentlicher Durchgang diente.
Die Wände im Innern haben zum Theil das Ansehen künstlicher Mauern fast ganz
verloren, da das Salz, welches im 1 ö. Jahrhundert in dieser vermauerten Halle auf-
geschüttet war,^ die Oberfläche angefressen und ungleich verwittert hat. Die Höhe
des Gorridors bis zum Gewölbescheitel misst 1 0,50 Meter. Am Ostende ist der
1 Du Perac, I vestigj dell' antichitä di Roma, Rom. 1674. tav. 1. ^ Poggius Florentinus, de fortunae
varietate urbis Romae et de ruina eiusdem descriptio. (Poggü opp. ßasileae s. a. p. 133.) ^ Poggius 1. c.
Das Tabularium. 71 *
Conidoi; durch eine moderne Mauer, die zu dem östlichen Eckthurme geholt,
geschlossen. Die Vermuthung, dass das Gebäude auch hier, wie an der noch theil-
weise erhaltenen Westecke in einen spitzen Winkel auslief, erhielt durch die Nach-
grabungen in der Via di S. Pietro in Carcere, im Jahre 1 85 I keine genügende Be-
stätigung, doch scheint es, dass der Corridor noch die ganze Breite des an ihn sich
anlehnenden Goncordientempels entlang sich erstreckte.^
Der beschriebene Corridor war nur die Forumseite eines grossen Gebäudes,
welches, wie aus dem Gesagten bereits hervorgeht, von der Form eines Trapezes
war, dessen längere Parallele gegen das Forum zu lag. Von dem Innern des Ge-
bäudes haben erst die neuesten Ausgrabungen genügende Kenntniss gegeben. Der
Hauptzugang scheint durch den Corridor und zwar an dessen östlichem Ende, dem
gegen das Forum hin oflFenen Bogen gegenüber vermittelt worden zu sein. Hier
fand man im Jahre 1843 eine Treppe, welche wiederhergestellt wurde, von deren
erstem Absatz die erste Stufe, aus einem einzigen Travertinstücke bestehend, und
vom zweiten neun Stufen erhalten waren. Diese Treppe, welche noch die antiken Ge-
wölbe aus Gabinblöcken zeigt, führte ursprünglich in den vielleicht peristylartig gebil-
deten Hof, in späterem Umbau an diesem vorbei zu zwei das Gebäude gegen Nordwest
abgrenzenden parallelen Corridoren, welche durch eine mächtige Pfeilerreihe, später
in Backstein wiederhergestellt getrennt sind. Der innere Corridor zeigte an seinem
südwestlichen Ende den Anfang einer schmalen Treppe, welche, wie man 1850
entdeckte, direct auf das Forum führte, aber frühzeitig dadurch ungangbar gemacht
wurde, dass der überwölbte Ausgang durch die Rückwand des zwichen Clivus Capito-
linus und unserem Gebäude eingebauten Vespasiantempels verbaut und bleibend ge-
schlossen wurde, weshalb sich auch die unteren Treppenstufen in unversehrtem Zu-
stande erhalten haben. Die Gemächer, welche sich südwestlich an den Hof an-
schlössen, sind modern umgebaut, die Räume an der nordöstlichen Seite dagegen in
ihren kahlen Mauern unbenutzt erhalten. Das erste derselben enthält die Treppe zu
einem durch kleine Fenster erleuchteten Corridor unter dem Arkadengang der Forum-
seite, welchen die Unebenheit des Bodens und die Vorschiebung des Gebäudes
über den Hügelrand veranlasst hatte.
üeber die Entstehung und den Zweck des Gebäudes belehrt uns eine In-
schrift, deren Vorhandensein bis zum 16. Jahrhundert in jenem mittelalterHchen
Salzmagazin berichtet wird, und welche also lautet:^
Q . LVTATI VS . Q . F . Q . N . CATVLVS COS S VBSTRVCTIONEM ET •
TABVLARIVM DE S S FACIVNDVM COERAVIT.,iDEMQVE PROBavit
' L. Canina, SuUe recenti discoperte fatte nel grande edifizio capitolino Annal. d. I. d. E. a. 1851. p. 268
—278. 2 Gruteri Inscr. p. CLXX. 6. e. Panvinio et Boissardo. cf. Jordan Ann. d. I. d. c. a. p. 158.
T^* Der Capitoliiius.
Im Jahre 1845 fand man in einer der grossen Kammern an der dem Carcer zu-
gewendeten Nordostseite eine theilweise gleichlautende Inschrift, auf zerstreut lie-
genden Quadern eingemeisselt, welche von L. Canina, der die Reinigungsarbeiten im
Tabularium leitete, zusammengefügt und über einem der Eingänge angebracht
wurde. ^ Sie lautet:
Q LuTATI VS Q F . Q . N . Catulus cos . ex sEN SENT FACl VNDVm co. ravil
EIDEMQVE PROBavit
Beide Inschriften, von denen die erste im 15. Jahrhundert fast unleserlich^ war und
jetzt ganz verschwunden ist, erheben zur vollen Gevvissheit, dass die eben beschrie-
benen Reste zu dem von Q. Lutatius Catulus, der mit M. AemiUus Lepidus im J. 673
d. St. Consul war, errichteten Aerarium oder Gebäude für die tabulae gehören.
Das Tabularium nemlich war der Aufbewahrungsort der tabulae, und zwar
sowohl der Gesetztafeln und Staatsacten ßabular'mm publlcnmj , als auch von
Privatverträgen u. dgl. ßab. privatum]. Schon vom Anfange des 4. Jahrhunderts der
Stadt an werden verschiedene Aufbewahrungsplätze für die tabulae erwähnt: der
Tempel der Geres, des Liber und der Libera,^das Atrium der Libertas* und insbe-
sondere der Tempel des Saturn^. Solche Tempelarchive konnten aber zu Ende der
Republik nicht mehr ausreichen. Lut. JCatulus nahm daher wahrscheinlich von dem
Brande, der beim Heranzuge Sulla's gegen Rom die capitolinischen Heiligthümer
hinwegratfte, Veranlassung, an der Stelle des mitverbrannten capitolinischen Tempel-
archivs^, ein neues und zwar grösseres und allgemeines Tabularium zu erbauen.
Die nächste Notiz von dem Tabularium wird aus einer Inschrift gezogen,
welche im 9. Jahrhundert » In Capitolio « gelesen wurde' und nach mehren Jahr-
hunderten wieder »«rf Septem lucernas^^ (Titusbt)gen) zum Vorschein kam:«
■n. CLDRVS.F CAESAVG GERM- PONT. MAX. TRIBPOT.V COS- MI. DES.
Mi! IMPIIPPEX S. C.CCALPETANVS .STATIVS SEX . METROBIVS . M •
PERPENNA LVRCO.T.SATRlVS.DEClANVS.CVRATTABVL,PVBL.FAC.CVR
Doch ist es fraglich, ob die Erwähnung eines Gurator tabularum pubhcarum (aus
der Zeit des Claudius) auf bauliche Thätigkeit am Tabularium schliessen lässt. Bei
dem capitolinischen Brande unter Vitellius muss das Gebäude beträchtlich gelitten
haben, denn bei der Wiederherstellung des Capitols verwandte Vespasian besondere
1 L. Canina, GH Ediüzj di Roma antica. Roma 1848. Vol. I. p. 302. ^ Poggius Florentinus 1. c.
3 Liv. m. 55. * Liv. XUII. 16 (18). ^ Liv. XXXIX. 4. Tacit. Ann. III. 51. XIII. 28. Sueton. Caos. 28.
Aug. 94. 6 Polyb. III. 26, ' Anonym. Einsiedl. Arch. f. Phil. u. Paed. V. S.-Bd. 1837, S. 125.
" Grut. Inscript. p. CGXXXVII. 8.
E
C
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oc:
if
Das Forum Romanum 73
Sorge darauf, die Abschriften von 3000 ehernen Tafeln, welche bei dem Brande zu
Grunde gegangen waren, im ganzen Reiche zu sammeln, und so das Fehlende wieder
herstellen zu lassend
In spater Kaiserzeit musste das Reichsarchiv zugleich mit den Gesetzen der Re-
publik seine Bedeutung verlieren. Die Bronzetafeln wurden dann eine Beute der Bar-
baren, und im zwölften Jahrhundert war auch der Name des Gebäudes in Vergessenheit
gesunken. Im folgenden Jahrhundert wurde auf den antiken Mauern die Senatorwohnung
aufgeführt, wozu Papst Bonifacius IX. die Befestigungen und den Capitolsthurm hinzu-
fügte. Nicolaus V. vermauerte den Corridor und verwandelte ihn in ein Salzmagazin,
welche Bestimmung er behielt bis zum Umbau des Senatorpalastes durch Michel Angelo,
bei welcher Gelegenheit der Corridor für den Marstall des Senators eingerichtet ward.
Seit 1 830 dauerten die öfters unterbrochenen Untersuchungs- und Reinigungsarbeiten
üJjer zwanzig Jahre lang : die Ergebnisse entsprachen jedoch dem Aufwände nicht , be-
sonders da es sich nicht als räthlich erwies, die Bogen wieder zu öffnen. Jetzt dient der
Corridor zur Aufbewahrung von Fragmenten antiker Gebäude, zunächst der Tempel am
Forum. Dort sind namentlich grosse Gebälkstücke der beiden an die Substruction des
Tabularium stossenden Tempel (des Vespasian und der Concordia) aufgestellt, welche
L. Canina mit angeblich siebenjähriger Arbeit aus den kleinen im Schutt gefundenen
Fragmenten kunstvoll zusammengefügt hat.
II. Das Forum Romanum.
Der Mittelpunkt nicht bloss der Stadt Rom, sondern auch des römischen Lebens,
die berühmte Stätte, auf welcher Rom zu seiner inneren Entwickelung gelangte und
später über die Geschicke von Nationen entschied, war das grosse oder — im ausge-
zeichneten Sinne gesprochen — römische Forum. Nach dem Grade der Weltberühmtheit
dieser Localität erscheint es fast als unglaublich , dass man im Laufe der Jahrhunderte
den Namen und sogar ihre Lage vergessen, und seit dem Beginn der Forschung
derselben theilweise wirklich eine Ausdehnung gegeben hat, welche dem durch die
neuesten Aufdeckungen unbestreitbar dargelegten Thatbestande ganz und gar wider-
spricht. Als Gewissheit musste von Anfang an angenommen werden, dass sich das
Forum in dem Thale südöstlich vom Capitolinus befand, denn eine andere Annahme
' Sueton. Vespasian. 8.
F. Red Kit , die Ruinen Roms. 1 0
74 Das Forum Romanum.
lassen die tausend Erwähnungen des Forum in der classischen Ueberlieferung nicht zu.
Allein obwohl schon frühzeitig auch die richtige Meinung über die Ausdehnung des
römischen Forum ihre Vertreter fand,^ so übten doch die Häupter der römischen Topo-
graphie^ einen ohne Vergleich grösseren Einfluss nicht bloss auf ihre Landsleute, die
Italiener, sondern auch auf ihre ganze Zeit , und es galt bis auf dieses Jahrhundert herab
und selbst, wenn auch nicht unangefochten, ^ noch in diesem als bewiesen, dass die
Richtung des Forum von Nord nach Süd ging und die beiden Langseiten desselben von
dem Ostabhange des tarpeischen Felsens und von der Westwand des Palatinus begrenzt
waren. Diese Ansicht beruht auf einigen missverstandenen classischen Stellen * und auf
dem Bestreben, dem grossen Forum die grösstmögliche Ausdehnung zu geben. Doch
seit den letzten Jahrzehnten hat die entschiedene Wiederaufnahme der ältesten Ansicht,
welche nur den nördlichen Theil des ganzen Thaies, einen verhältnissmässig schmalen
von Nordwest nach Südost gerichteten Abschnitt, dem Forum zuschreibt, durch die
namentlich von der deutschen Forschung beigebrachten allseitigen Beweise allgemeine
Anerkennung und überdiess durch die Ausgrabungen an Ort und Stelle die unwiderleg-
lichste Bestätigung erhalten, welche letztere der weiteren Beweisführung aus classischen
Stellen in der Hauptsache überhebt.
Demnach versteht man unter dem Forum Romanum das Thal, welches nord-
westlich vom Capitolinus, d. h. vom Verbindungsrücken der beiden Höhen, und südöstlich
von der Velia, jenem Zweige des Palatinus, der gegen die Esquilien hin ausläuft, be-
gränzt wird. Die Gränzen der beiden Langseiten jedoch sind durch die Natur nicht ge-
geben ; wenn man die das Forum umgebenden Gebäude nicht dazu zählt , waren es zwei
Strassen , welche von der Veha herab und zum Capitol führend , den freien Platz be-
gränzten, von welchen die nordöstliche die hochwichtige Sacra Via, die südwestliche
die Strasse sub veteribus (sc. tabernis) war. Ueber den Lauf der beiden Strassen wird
an entsprechenden Orten eingehender gesprochen werden. Die drei ersteren Gränzen
galten von jeher und allenthalben als sicher, und die Ansichten weichen nur hauptsächlich
hinsichtlich der letztgenannten durch die Via sub veteribus gebildeten Gränze von einander
ab, indem man vormals gewöhnlich das Forum südwestlich in das Thal zwischen dem
* Bufalini, Planta della Gitta di Roma. 24 Holzschnilttafeln. 1551. B. Marliani, Urbis Romae Topographia.
Roma 1534. Lib. III. c. 1. (Graev. Thes. Ant. Rom. tom. III. p. 10t sq.) G. Fabricii Roma. Basil. 1350. Lib. II.
c. 16. (Graev. Thes. Ant. Rom. tom. III. p. 416.) * A. Donatus de Urbe Roma. (Roma 1631.) Lib. II. c. 16.
(Graev. Thes. Ant. Rom. tom. III. p. 612 sq.) F. Nardini, Roma vetus. 1660. Lib. V. c. 2. (Graev. Thes. Ant. Rom.
tom. IV. p. 1131 sq.) G. Piranesi, Antichitä Romane. Roma 1784. R. Veniiti, Accurata e succinta descrizione
topografica delle antichitä di Roma. Roma 1803. 2'"» Ediz. Vol. I. p. 52. C. Fea, Nuova descrizione di Roma
antica e moderna. 1820. A. Nibby, del Foro Romano &c. Roma 1819. id. Roma nell' anno 1838. Roma 1839.
Parte II. antica p. 40 sq. ^ G. Guattani, Roma descritta ed illustrata. Roma 1806. Piale, Dissertazioni.
Roma 1832. Canina, Descrizione storica del foro Romano e sue adjacenze. R. 1835. * Dionys. II. 30. 66.
Varro, r. r. I. 2, 9.
Der Tempel der Concordia. 75
Mons Tarpeius (Monte Caprino) und Palatin hinein erweiterte, wodurch natüriich das
Oblongum des Forum eine andere Richtung erhielt. Seit jedoch die Ausgrabung auf die
letztgenannte Strasse stiess und das Paviment der geräumigen Basilica luHa, welche,
wenn das Forum siidwestHch sich noch weiter ausdehnte , dasselbe in zwei Hälften ge-
schieden hätte, an das Tageslicht kam, ist der Streit entschieden.
3. Der Tempel der Concordia.
Zu beiden Seiten des Tabularium oder des heutigen Palazzo Senatorio führen
Wege auf das Forum: links ein Stufenweg, die Via dell' Arco di Settimio Severo, rechts
die Fahrstrasse, die Via del Campidoglio. Letztere, obwohl an 1 0 Met. über dem antiken
Boden und auf einer Substruction geführt, vertritt in ihrer Richtung ungeßihr die Stelle
des Clivus Capitolinus , w orunter man das zum Capitolium aufsteigende Ende der Sacra
Via zu verstehen hat. Die verhältnissmässig hier rascher vorschreitende Anhäufung des
von den Höhen herabrollenden Schuttes bewahrte die antike Gestalt des ehrwürdigen
Bodens an dieser Stelle unversehrter, als diess sonst sich findet, und von drei einander
nahe liegenden Tempeln und anderen Bauwerken sind noch die deutlichsten Spuren vor-
handen , die sämmtlich , wie aus dem beiliegenden Plane ersichtlich ist , durch wahrhaft
grossartige Ausgrabungen seit dem Anfange dieses Jahrhunderts blossgelegt sind und
sich zu beiden Seiten des gleichfalls bis zu der Substruction der modernen Capitolsstrasse
aufgedeckten Clivus Capitolinus gruppiren.
An den östlichen Theil der Substruction des eben beschriebenen Tabularium sich
anlehnend und zum Theil noch unter der Via dell' Arco di Settimio Severo befindet sich
der Unterbau eines Tempels , welcher nach der Pracht der daselbst aufgefundenen
Sculpturreste zu den hervorragendsten Roms gehört haben musste. Die Form dieses
Tempels , welche grösstentheils durch den Augenschein , und insoweit sie durch die Sub-
struction der genannten Salita bedeckt ist, durch Analogie zu erkennen ist, erscheint als
eine seltene Abweichung von der gewöhnlichen Tempelform. Der Pronaos, welcher
2^ Met. in der Breite, H^ in der Tiefe misst, hat nicht die Breite der Cella und ist
daher mehr ein Vorbau derselben , als zum Tempelkörper selbst gehörend , und die Cella
ist beträchtlich breiter als tief, 45 M. breit, 24 M. tief (mit Einschluss der Mauern). Der
Unterbau , welcher in seinem Kerne aus Gusswerk besteht und aussen mit Travertin und
Tufquadern bekleidet ist, die ihrerseits wieder mit Marmorplatten bedeckt waren , wächst
mit der Abnahme des Clivus und erforderte durch seine Höhe an der Fronte des Pronaos
eine bedeutende Treppe, von welcher noch Reste der inneren Masse vorhanden sind.
Auch von dem Pavimente sowohl des Pronaos als der Cella haben sich namentlich in der
40»
76
Das Forum Romanum.
linken Ecke der letzteren Reste der kostbarsten verschiedenfarbigen Marmorarten er-
halten, besonders aber die kolossale Schwelle aus einem Stück von afrikanischem Marmor,
in welchem man die für den Thürschluss nöthigen Vertiefungen eingemeisselt sieht, unter
welchen ausser zwei kreisförmigen Vertiefungen die Form eines Caduceus , des von zwei
Schlangen umwundenen symboHschen Stabes aufföUt. Canina ist der Ansicht , der Ca-
duceus sei als solcher vormals mit Metall ausgelegt gewesen : die Form der Vertiefung
nöthigt indess nicht zu dieser Annahme, welche auch durch die sonstige Uebung nicht
erklärt wird, und ich glaube vielmehr, dass die Vertiefung für die Thüre Bedeutung hatte
und vielleicht die metallene Kapsel enthielt, in welcher ein Thürriegel ging. Die noch
erhaltenen Reste der Cellamauer an der linken Seite und besonders ein grösseres Stück,
das sich an die Substruction des Tabularium anlehnt, erheben sich nur zu geringer Höhe.
An der hnken Seite sieht man auch noch die Spuren von zwei grossen Basamenten,
vermuthlich von Statuen. Der Tempel scheint auch wirklich nach Plinius eine Art von
Pantheon gewesen zu sein, wie wir unten sehen werden. Sonst haben sich von dem
inneren Schmucke nur mehr wenige Sculpturfragmente gefunden, die jedoch alle von
phrygischem und afrikanischem Marmor sind. Unter diesen ist besonders merkwürdig eine
ungemein reich gearbeitete korinthische Säulen-Base von 0,94 M. Durchmesser, dermalen
im capitolinischen Museum. Auch von der äusseren Ornamentik haben sich hinlängliche Reste
^ ) 1 1 1 1 ! 1 1 1 1-
zMet.
I. Gesimsstück vom Tempel der Coiicordia. (P. R.)
gefunden, die Herstellung des Tempelaufriesses zu ermöglichen. Mit dankenswerther lang-
jähriger Mühe fügte L. Canina eine grosse Anzahl der gefundenen Gebälkfragmente zu-
sammen und ergänzte sie zu einem ganzen Stück, das, jetzt im Corridor des Tabularium
aufgestellt, durch den reichen und dennoch von aller Ueberiadung freien Styl die all-
Der Tempel der Concordia. 77
gemeine Bewunderung erregt. Von besonderer Schönheit sind die weitvorspringenden
Kragsteine, welche der korinthischen Ordnung überhaupt einen vorzüglichen Reiz
verliehen.
Dass wir in der beschriebenen Ruine den Tempel der Concordia vor uns haben,
wird durch classische Stellen, durch Nachrichten aus dem Mittelalter, durch gefundene
Inschriften nachgewiesen und durch eine Münze des Tiberius und ein Fragment des
antiken (jetzt im Treppenhause des capitoUnischen Museum eingemauerten) Planes der
Stadt Rom^ auf das Unzweifelhafteste bestätigt. Plutarch berichtet, dass man beschloss,
die von Camillus gelobte Concordia an dem Forum und Angesichts des Comitium zu
erbauen.^ Anderwärts wird die Concordia dem (Mamertinischen) Gefängniss, das wir als
noch vorhanden kennen, zunächstliegend genannt.^ Ovidius beschreibt diesen Tempel als
neben der Treppe liegend , die zur luno Moneta führte, von welcher schon oben erwähnt
wurde, dass sie auf der Burg [Araceli) ihren Tempel hatte.* Festus nennt in seiner
freilich in Bezug auf die Curia, die er selbst nicht mehr kannte, verwirrten Stelle ^
diese Concordia, welche zu seinerzeit noch stand, am CHvus Capitolinus, zwischen
Capitolium und Forum, und Servius bezeichnet sie als neben dem Tempel des Saturn
vor dem Clivus Capitolinus liegend.^ Statins endlich nennt die Tempel des Vespasian
und der Concordia nebeneinander und sagt bei der Beschreibung von Domitians Reiter-
statue, dass diese, in der Mitte des Forum stehend, gegen den Palatin hinsah und beiden
Tempeln den Rücken zuwandte.' — Durch diese classischen Angaben wird die Loca-
lität schon in ziemhch unverkennbarer Weise bezeichnet. Ueberdiess kannte man den
Tempel der Concordia auch noch im frühen Mittelalter. Im neunten Jahrhundert mussten
noch die Säulen mit einem grossen Theil des Gebälkes gestanden sein, denn man las
damals noch eine verstümmelte Restaurationsinschrift, welche wahrscheinlich auf dem
Architrav angebracht war : ^ Sie lautete :
S P Q R
AEDEM CONCORDIAE. VETVSTATE COLLAPSAMIN MELIOREM
FACIEM OPERE-ET CVLTVSPLENDJDJORE.RESTITVERVNT
Wie es nun möglich ist, dass man mehre Jahrhunderte später dieselbe Inschrift bei
S. Giovanni in Laterano gesehen habe, wie Nardini berichtet,^ ist mir unbegreiflich, da
die Inschrift jedenfalls auf das Gebälk und nicht auf eine einzelne transportable Platte ein-
gegraben war, die an einer Tempelfronte keinen Platz finden konnte. Noch unbegreif-
* Das Nähere darüber bei der Beschreibung des muthmasslichen Tempels der Penaten. * Pliit. Camill. 42.
' Dio Cass. LVIII. H. * Ovid. Fast. I. 637 sq. " Fest. s. v. Senacula, • Servius in Virgil. Aen. II. H6.
' Stat. Silv. Lib. I. Ep. \. v. 31. * Anonym. Einsiedl. ed. Haenel, Archiv f. Philo!, u. Paedag. Suppl.-Bd. V.
1837. S. 124. Ms. Miscell. Biblioth. Riccardian. ; cf. Osann, Sylloge inscr. ant. Graec. et Lat. Lips. 1834.
p. 518 sq. * F. Nardini, Koma Vctus. Lib. V. c. 6. (Graev. Thes. A. R. tom. IV. p. H62.)
V
78
Das Forum Romanum.
lieber aber ist mir, dass da die Inschrift nocb vollständiger gewesen, als sie im 9. Jahr-
hundert war. Es wird ihr nemlich hier noch folgender Theil vorausgesetzt :
D N • CONSTANTINO MAXIMO PIO • FELICl • AC
TRIVIVIPHATORI SEIVIPER AVGVSTO OB AMPLIFICATAM
TOTO • ORBE REIVIPVBLICAIVl • FACTIS CONSILIISQ
S P Q R- 1
Allein es ist nur zu augenföllig, dass die beiden Inschriften gar nicht zu einander gehören,
und was die Existenz der beiden in S. Giovanni in Laterano betrifflt, so las Nardini etwas
aus Marliani heraus, was ich daselbst nicht finden kann. Der letztere spricht einfach von
der Inschrift, ohne des Fundortes Erwähnung zu thun, dessen ein anderer Bericht gedenkt.^
Der Tempel wird ausser in der erwähnten Einsiedler Inschriftensammlung noch
zweimal als (wenigstens theilweise) bestehend genannt, und zwar neben dem Capitolium,'
und noch bezeichnender unmittelbar vor dem Triumphbogen des Septimius Severus.*
Weitere inschriftliche Nachweise für die Lage des Concordiatempels lieferten die Aus-
grabungen am Anfang dieses Jahrhunderts , bei welchen man an der bezeichneten Stelle
Votivcippen fand , die den Namen der Concordia tragen. So aus der Zeit des Augustus :
IVI ARTORIVS • GEMINVS
LEG • CAESAR • AVG • PRAEF AERAR IVIIL
CONCORDi/E
und aus der Zeit' des Tiberius :
VSITANIAE
DESIGN
pro SALVTE • Tl CAESARIS
AVGSTI OPTIIVII AC
IVSTISSIMI PRINCIPIS
CONCORDI/E
AVRl _P V
ARGENTi P X
Ein anderes hier gefundenes Bruchstück zeigt in grossen Buchstaben das verstümmelte
Wort: CONCOR...
Nach all diesen Beweisgründen für die Localität
bestätigen noch zwei antike Ueberreste die Iden-
tität der Ruine mit dem Tempel der Concordia
durch ihre Uebereinstimmung mit der bloss-
gelegten Gestalt des Grundplans, nemlich eine
Münze des Tiberius, welche dieselbe Eigenthüm-
2. Fragment des capitolin. Planes. (F. R.)
' B. Marlinani Urbis Romae Topographia Lib. II. c. 4 0
(Graev. Thes. A. R. tom. III. p. 891). Nardini 1. c. * L. Fauuo,
delle Antichitk della cittä di Roma. Ven. 1548. fol. 49. ■ Ordo
Romanus (12. Jahrh.) ed. Mabiilon. Mus. Ital. Par. 1689.
II. p. 143. * Liber de Mirabilibus Romae (12. .lahrh. ?] ed.
Montfaucon Diar. Ital. Par. 1702. p 293.
Der Tempel der Concordia. 79
lichkeit eines schmaleren sechssäuligen Pronaos und einer an beiden Seiten über den-
selben vortretenden Cella zeigt, und ein (freilich ergänztes) Stück des capitolinischen
Planes mit den Buchstaben DRDIA, auf welchem die Umrisse, soweit sie erhalten sind,
ebenfalls, wenn auch nicht sehr exact, mit unserer Substruction übereinzustimmen scheinen.
Somit dürfte die beschriebene Ruine keinen Zweifel mehr übrig lassen: die neueren
Topographen, Nibby, Bunsen, Becker und Canina sind auch darüber einig.
Der Tempel der Concordia ward von Camillus während seiner letzten Dictatur
im J. 387 d. St. (367 v. Chr.) gelobt, als es ihm gelungen war, die Stände dadurch zu
versöhnen , dass auf seine Vermittelung hin auch die Neubürger {plebs) zur Theilnahme
an der consularischen Würde berechtigt wurden : und als Camillus starb , noch ehe er
sein Gelübde gelöst hatte, wurde von Staatswegen beschlossen, den Tempel Angesichts
des Forum und Comitium zu erbauen.^ Von der Ausführung des Baues und dessen Ein-
weihung thun jedoch weder Livius noch Dionysios weitere Erwähnung. Er konnte auch
ursprünglich nicht von dem Umfange gewesen sein, wie nach dem Wiederaufbau durch
Tiberius, oder er musste wenigstens mehr gegen den Clivus gerückt und von dem
Tabularium isolirt gewesen sein, denn Lutatius Catulus hätte sonst unmöglich den
äusseren Theil seines Tabularium da, wo die Rückwand der Cella an den Pfeilern des
Corridors anliegen musste , mit dem architektonischen Schmucke versehen können , den
wir noch jetzt besonders an der offengelegten Bogenweite, welche der Tempelcella in
der Lage entspricht, sehen. Aus dem Umstände jedoch, dass auch schon vor dem Neubau
wie bekanntlich auf Cicero's Berufung ^ der Tempel als Versammlungsplatz für den Senat
diente, geht hervor, dass er nichtsdestoweniger nicht zu den kleineren Heiligthümern
gezählt werden darf. Hier war es auch, wo Cicero die verrathenen Catilinarier vor dem
Senate ins Verhör zog, und von den Stufen dieses Tempels aus theilte der verdiente
Consul dem am Forum versammelten Volke das Ergebniss dieser verhängnissvollen Senats-
sitzung mit in derselben Rede, welche wir noch, freilich in späterer Ueberarbeitung, als die
dritte catilinarische besitzen. Noch zu Lebzeiten des Augustus im J. 747 d. St. (7 v.Chr.)
begannen dessen Stiefsöhne Drusus und Tiberius den prachtvollen Wiederaufbau des
vor Alter baufälligen Tempels , und auf Augustus Wunsch setzte Tiberius selbst nach dem
Tode des Vaters und des Bruders dennoch des Drusus Namen neben dem eigenen auf
das Gebälke.^ Was die Zeit der Vollendung des Neubaues und dessen Wiedereinweihung
betrifft, so nennt die bereits erwähnte Münze des Tiberius die fünfte imperatorische
Acclamation (ti caesar divi avg • f • imp • v), während anderwärts das Consular-
jahr des P. Dolabella und C. Silanus* angegeben wird (763 d. St., 10 n. Chr.). Als
* Plut. Camill. 42. - Cic. in Catil. III. 9. Saliust. Conj. Catil. 46. 49. Plut. Cic. 19. * Dio Cass.
LV. 8. LVI. 23. * Fasl. Praenest. XVII Kai. Feb. Foggini Fastorum anni Rom. a Verrio Flacco ord. rel.
R. 1779. Dio Cass. I. c.
gO Das Forum Romanum.
Veranlassung zum Wiederaufbau werden die durch Drusus und Tiberius den Deutschen
abgerungenen Vortheile bezeichnet,^ die im erwähnten Calendarium (wenn die Text-
herstellung daselbst richtig ist) näher als ein Triumph über Pannonien bestimmt werden.
Nach der Abbildung auf der erwähnten Münze war der Tempel korinthischer Ordnung,
prostylos (nur am Pronaos Säulen) und hexastylos (sechs Säulen in der Fronte).
Während der erste Bau auf dem Giebel Yictorien trug,^ zeigt der Neubau des Tiberius
auf der Münzabbildung an deren Stelle Krieger, und auf dem Gipfel drei umschlungene
Figuren als Sinnbild der Eintracht. Die innere Ausschmückung aber muss überaus reich
gewesen sein: Plinius nennt die in diesem Tempel aufgestellten Götterbilder, den Apollo
und die Inno des Batton, den Aeskulap und die Hygia des Nikeratos, den Mars und
Mercur des Tisikrates ^ : Meisterwerke , welchen zwei Gemälde , der Marsyas des Zeuxis
und der Liber des Nikias, zur Seite standen.*
Wie aus den angezogenen Nachrichten erhellt, stand der Tempel wenigstens
grossentheils und unter seinem ursprünglichen Namen bis zum 1 3. Jahrhundert, Die Zer-
störung aber muss vor dem Ende des 1 5. Jahrhunderts stattgefunden haben, da in diesem
schon die naheliegende Tempelruine der acht Säulen unter dem falschen Namen der
Concordia erscheint : ^ und da sich in den Eckthürmen des Senatorpalastes und in den
von Nicolaus V. vermauerten Bogenweiten des beschriebenen Corridors dieselben Tuf-
stücke finden, wie sie die noch erhaltenen Reste der Cellamauer zeigen, so hat die
Ansicht^ alle Wahrscheinlichkeit für sich, dass unter Nicolaus V. der Tempel zur Ge-
winnung von Baumaterial abgetragen wurde. Die hauptsächlichsten Ausgrabungen an
der Stelle dieser Ruine fallen in die Jahre 1817, 1830 und 1835, in welchem letzt-
genannten Jahre die ganze Substruction , soweit es die Salita zur Rechten, die gleich-
wohl verengt wurde, zuliess, blossgelegt ward.
4. Die Aedicula der Paustina.
In dem schmalen Gange zur Linken vom Tempel der Concordia, zwischen
diesem und dem nebenliegenden Tempel der drei Säulen, stiess man im Jahre 1829
auf eine ganz kleine, nur 2, so Met. breite und 4,io Met. tiefe Cella von Backsteinen,
mit den Seiten an die beiden genannten Tempel und mit der Rückwand an die Sub-
struction des Tabularium sich anlehnend. Die Wände waren, wie man noch bei der
Ausgrabung sah, mit bemaltem Stuck bekleidet, und im Innern fand man ein kleines
Piedestal mit der Inschrift : divae • piae
FAVSTINAE
VIATOR Q
' * AB AER • SAT
. . * Ovid. Fast. I. 645 — 648. VLiv..XXVI. 23. '' Plin. H. N. XXXIV. 8, -19, 73. 80. 89. * id.
}p:XV. 10, 36, 66. 131. " Poggius Florentinus 1. c. « A. Nibby, Roma nell' anno 1838. Parte I. antica p. 539.
Tempel des Vespasianus.
Der Tempel des Vespfisian. g/j
Daraus erhellt, dass hier der Executor des Aerarqulistors der vergötterten Faustina
(welcher von beiden , der Gemahlin des Antoninus Pius oder der des M. Aurelius , ist
ungewiss) w ohl aus Dankbarkeit für irgend eine erwiesene Gnade eine Statue errichtet
und diese durch eine Art Kapelle eingeschlossen habe. Der Zugang dazu, oder vielmehr
der, Zwischenraum zwischen der Concordia und dem Tempel der drei Säulen, war mit
TravertinplaKen belegt, von denen noch einige sich an Ort und Stelle befinden.
5. Der Tempel des Vespasian.
Neben dem Unterbau der Concordia und ebenfalls mit der Stirnseite gegen
den Clivus Capitolinus gewendet und mit der Rückseite sich an das Tabularium an-
lehnend, erheben sich die Reste eines regelmässigen Tempels von 33 Met. Länge und
:22^ Met. Breite. Der noch grösstentheils erhaltene Unterbau besteht in seinem Kerne
aus Gussmasse, die durch Tufquadern eingeschlossen und mit Marmor bekleidet war.
Von der Treppe, deren oberste Stufe, um Raum zu ersparen, zwischen die Säulen
hineingerückt w ar, sind nur die Spuren des oberen Theiles erhalten , nach welchen
Spuren die Stufen, die man jetzt zwischen den Säulen sieht, ergänzt sind. An der
rechten Ecke der Tempelfronte aber erheben sich noch drei korinthische canellirte
Marmorsäulen, die Ecksäulen mit den beiden nächsten von der Stirn- und Langseite,
welche mit Basis und Capital 1 5,2o Met. Höhe haben, wovon 0,55 auf die Base und
1,75 auf das Capital kömmt; der Durchmesser derselben beträgt unten 1,57, oben
1,20 Meter. Diese drei Säulen tragen noch ihr Marmorgebälke , auf dessen Fronteseite
die Endbuchstaben ESTIVER
von der Friesinschrill übrig sind, welche nach dem gewöhnlichen monumentalen Ge-
brauche mit Metall ausgelegt waren, wie die noch sichtbaren Nietenlöcher beweisen.
Die Friesfläche, auf welcher dieser Inschriftsrest steht, ist mit einem Rahmen von
reicher Ornamentik umgeben. Noch mehr aber als die Stirnseite zeigt das Gebälkstück
der Langseite ganz besonders reichen ornamentalen und plastischen Schmuck. Architrav
und Gesims sind in den üblichen Leistenzierden bis zur Ueberladung ornamentirt, und
auf dem Fries finden sich Opfergeräthe in Relief dargestellt, ein bekränzter Stier-
schädel, eine Yase, Opfermesser, Sprengwedel, eine Patera (Schale), ein Beil und
der Apex (der Hut) eines Flamen. Auch von diesem Tempel hat Canina aus den aus-
gegrabenen Fragmenten ein Gebälkstück zusammengesetzt, das ebenfalls im Corridor
des Tabularium zu sehen ist.
Seit den bei den letzten Ausgrabungen angestellten Untersuchungen ist sicher,
dass der Tenipel an den Seiten der Cella keine Säulen und nur sechs Säulen in der
F. Rrber, die Ruinen Roms. 1 1
82
Das Forum Romanum.
Fronte mit noch je einer an den Seiten hatte, also prostylos hexastylos war. Die
Cellawände, wovon an der rechten Seite noch ein Stück erhalten ist, bestanden aus
gutbehauenen und in der Weise wie beim Tabularium in alternirenden Lagen gefügten
Travertinquadern und waren mit Marmor belegt; die Rückwand aber, von welcher
fUet
3. Friesslück vom Vespasiaiilempel. (F. R.)
ebenfalls noch ein beträchtliches Stück übrig ist, lehnte sich an das Tabularium und
bedeckte, wie die Concordia, einen Theil des Corridors. In der Cella selbst an die
Rückwand anstossend sieht man noch die Reste eines grossen Piedestals, welches
für die Kolossalstatue der hier verehrten Gottheit bestimmt war.
Das Verdienst , diesem Tempel seinen richtigen Namen wiedergegeben zu haben,
nachdem er so lange bei den Italienern als lupiter Tonans gegolten hatte ^ und spater
dem Saturnus zugeschrieben ward,^ gebührt dem bereits mehrerwähnten römischen
Architekten L. Canina. Der Anonymus von Einsiedeln ^ gibt nemlich die Inschriften der
drei Tempel am Clivus, so weit sie zu seiner Zeit noch erhalten waren, jedoch ohne
Unterscheidung aneinaYider gereiht, also: »/« Capitolio. — Sanalus populusg ■ ronianus
incendio con\stimpiü restituit divo vespasiano aiiguslo \ S. P. Q. R. impp. cacss. sevenis el
antoninus- \pn felic-aiig resüluenml • S. P. Q. R. aedem | concordiae vetiislate collapsä ■ in
mc\liore faciem opere et cultu splendidiore resliltierunt.a Von diesen Inschriften wurde der
letzte Theil bereits für den Tempel der Concordia in Anspruch genommen : schwieriger war
dieTheilung der beiden übrigen. Bunsen und Becker nehmen die Worte divo vespasiano aiig.
zum ersten Theile und beziehen sie auf den Tempel der acht Säulen (dessen Beschreibung
sogleich folgen wird). Auf diesem aber finden sich wirklich die mit dem Anfange der Ein-
siedler Inschriftensammlung übereinstimmenden Worte : S. P. Q. R. incendio consumptum
restituit, und zwar in grossen Buchstaben auf den Fries geschrieben, ohne noch für andere
Worte Raum zu geben oder auf dem gleichfalls vollständig erhaltenen Architrav eine Spur
' bis Nibby I. p. 541 sq. * Bunson, Beschr. d. Stadt Rom. III. 1. p. 53 iX. Becker, H. d. r. A.
Bd. I. p. 315 fr. » fol. 72b ed. Haenel Arch. f. Philol. &c. Suppl.-Bd.V. p. -124. Die Zeilenabtheilung der Hand-
sclirift, natürlich für uns ohne Bedeutung, ist durch seniirechte Striche bezeichnet.
Der Tempel des Vespasian. 83
davon zu zeigen. Da nun Bunsen und Becker dennoch die Worte divo vespasiano aug.
für diesen Tempel in Anspruch nehmen , bleibt ihnen kein anderes als das fast lächer-
liche Auskunftsmittel übrig , der Name sei auf der entgegengesetzten Seite geschrieben
gewesen, obwohl doch aus den Resten unmittelbar vor den acht Säulen zur Evidenz
deutlich ist, dass hier die Treppe und somit auch die Fronte war, obwohl es ferner
ganz unbegreiflich ist, eine andere, und zwar als namentragend die Hauptfronte an
der dem Forum abgewandten Rückseite anzunehmen, abgesehen davon, dass es eine
allzukühne Behauptung ist , die Inschrift sei in der Weise getrennt gewesen , dass
einige Worte derselben auf der Vorderseite , die anderen auf der Hinterseite angebracht
waren, während doch die Länge derselben keineswegs dazu nöthigen konnte. Auch
haben die genannten Autoritäten einen wichtigen Umstand gerade an ihrer eigenen Be-
weisbasis übersehen. Der Anonymus kam nemlich offenbar \om Capitol den Clivus herab
und schrieb die Inschriften , wie sie der Reihenfolge nach kamen , auf. Stand nun der
Name des Vespasian auf der dem Forum abgewandten Seite des Tempels der acht Säulen,
so musste er ihn zuerst sehen und auch schreiben, denn dass der den Namen enthaltende
Theil der Inschrift der wichtigere sei , das musste selbst der beschränkte Mönchsverstand
unseres Anonymus , dessen Arbeit , wenn sie einsichtiger gethan worden wäre, der rö-
mischen Topographie unschätzbare Vortheile gewährt haben würde, begreifen.
Die Abtheilung der Inschrift, so wie sie Bunsen vornahm und Becker billigte, ist
jedoch keineswegs ohne allen Grund. Der erstere allerdings fusste hauptsächlich auf einer
nicht diplomatisch genauen Copie des Anonymus , welche eben in dieser Weise abtheilte.
Mittlerweile aber fand sich eine andere Inschriftensammlung , welche mit der des Anonymus
viele Aehnlichkeit hat und die Inschriften in folgender Weise gesondert gibt : ^
S. P. Q. R. incendio consumptum restittdt divo Vespasiano Augusto.
S. P. Q. R. imp. Caes. Severus et Antoninus Pii felices Aiigg. restituerunt.
S. P. Q. R. aedem Concordiae veiustate collapsam in meliorem fadem opere et cultu
splendidiore restituerunt.
Es wird nun von Becker vorausgesetzt , dass diese Abtheilung auf Autopsie beruhe, und
dass die Inschriften wirklich in dieser Weise auf den drei Tempeln zu lesen waren. Allein
ich finde keine Nöthigung zu dieser Annahme : denn die Abtheilung konnte ebenso das
Werk eines halbgebildeten Copisten sein, und betrachtet man die so gegliederten In
Schriften genauer, so ergibt sich diess sogar als evident. Wir haben schon gesehen,
welcher GewaUsamkeiten es bedarf, die Worte divo Vespasiano Augusto noch auf den
Tempel der 8 Säulen zu bringen: das was aber in der ersten Zeile als zuviel erscheint.
• Ms. Riccard. Vgl. S. 77. Anm. 8.
g|. Das Forum Ronianiini.
fehlt gerade in der zweiten, denn S. P. Q. R. mit Inip. Caes. Severits et Antonimis PH
felices Aiigg. resütuerunt in unmittelbare Verbindung zu bringen, würde doch Niemandem
in den Sinn kommen. Entschliesst man sich aber, derselben Inschriftzeile die letzten
Worte der vorhergehenden, die denn doch am Tempel der acht Säulen nicht wohl unter-
zubringen sein dürften, voranzustellen, so hat man die vollständige Inschrift unseres
Tempels der drei Säulen :
DIVO VESPASIANO AVGVSTO S P Q R
IMPF CAESSSEVERVS ET ANTON INVSP II FELICES AVGGRESTITVER
Die erste Inschriftzeile bezog sich auf den Bau, die zweite auf eine spätere Herstellung
des Tempels; das letzte Wort, das allein von der ganzen Inschrift sich erhalten hat, be-
findet sich auch wirklich so tief am Fries, dass es die Annahme einer darüberstehenden
Zeile nicht bloss möghch macht, sondern sogar bedingt.
Das sich dadurch ergebende vorläufige Resultat wird nun durch andere Umstände
bestätigt. Ich schlage das dabei nicht zu hoch an, dass ein römischer Dichter ^ den Tempel
des Vespasian neben dem der Concordia und in derselben Richtung und Stellung nennt,
denn in einer anderen Notiz ^ wird die Concordia ausdrücklich neben dem Tempel des
Saturn liegend bezeichnet. Die drei Tempel lagen, wie ein Blick auf den Plan zeigt, sehr
nahe neben einander, so dass sie als benachbart bezeichnet w^erden können. Ebenso
könnte man noch immer den ausdrücklichen Worten des Monumentum Ancyranum,
jener inschriftlichen Aufzählung der Werke des Augustus: ..BASILICAM • (IVLIAM)•
1NTER• AEDEM • CASTORIS • ET- AEDEM • SATVRNI . . gegenüber behaupten, dass
die Basilica lulia, von welcher im Verlaufe besonders gesprochen werden wird, noch
immer zwischen dem Tempel des Castor und dem des Saturn genannt werden konnte,
wenn auch der Tempel des Saturn in der Ruine der drei Säulen am Clivus gesucht wird,
indem nemlich dann der Vespasiantempel (angeblich die Ruine der acht Säulen) noch
nicht existirte, allein es muss doch zugegeben werden, dass dann diese Bestimmung
höchst ungenau war und dass sie viel bezeichnender gewesen wäre, wenn man die
Basilica lulia zwischen dem Castortempel und dem Vicus lugarius oder Clivus Capitolinus
genannt hätte : während anderseits die Tempelruine der acht Säulen die Basilica lulia
auf der Nordwestseite ganz in derselben Weise begränzt, wie der Castortempel (die
drei Säulen am Forum) auf der Südost seite , so dass die Ausdrucksweise des Monu-
mentum Ancyranum in diesem Falle als höchst passend erscheint.
Einen vollständig überzeugenden Umstand aber brachten die letzten Räumungs-
arbeiten im Tabularium bei, als Vescovali im J. 1850 von innen aus das schon erwähnte
Thor entdeckte, welches durch die Substruction des Tabularium auf das Forum führte.
* Stat. Silv. Lib. I. Ep. 1, v. 31. * Scrvius in Virg. Aen. II. v. 116.
Der Tempel des Vespasiaii. 85
und dabei fand, dass der Ausgang durch die Rückwand unseres Tempels vermauert war.'
Da nun der Bau des Saturntcmpels dem des Tabularium vorausging, so kann man
sich den Ausgang nur als schon von Anfang an verschlossen denken, wenn der
Tempel der drei Säulen dem Saturnus angehörte. Und den Tempel sich in der Zeit
der Republik kleiner, d. h. nicht an die Wand des Tabularium angelehnt zu denken,
ist um so unzulässiger, als er auch in seiner jetzigen Ausdehnung für das Schatzhaus
und Archiv des Staates zu klein erscheinen dürfte, abgesehen davon, dass der Unter-
bau keine Spuren von Souterrainkammern darbietet, wie diess bei dem Tempel der
8 Säulen der Fall ist. Wird dagegen die Ruine der drei Säulen für den Tempel des
Yespasian in Anspruch genommen, so bietet die Vermauerung des Einganges keine
Schwierigkeit dar : im Gegentheil ist der weitere Umstand , dass die anstossende Treppe
im Innern so neu und wohlerhalten gefunden wurde, wie diess nur bei ganz geringer
Benutzung vorauszusetzen ist, hier sehr statthaft, da wir von einer umfassenden Her-
stellung des Tabularium nach dem vitellianischen Brande durch Yespasian Nachricht
haben, und die Erbauung des Vespasiantempels dieser Herstellung in wenigen Jahren
folgte. Es kann sonach kaum in Abrede gestellt werden, dass die drei Tempel am
Clivus, templiim Concordiae, Satiirni et Vespasiani & Tiü,^ von welchen die Ruinen
vollständig aufgedeckt blossliegen, in der beschriebenen Weise sich gruppirten.
Der Tempel des Vespasian ward von Domitian , seinem Sohne und zweiten
Nachfolger, im Consulatsjahre des Asprenas und Clemens erbaut.^ Später wurde der
Tempel auch dem Titus geweiht, d. h. es wurde seine Bildsäule neben der seines
Vaters im Tempel aufgestellt, und wenn auch die Inschrift auf dem Fries, wie wir
diess beim Tempel der Faustina sehen werden, desshalb nicht geändert wurde, so
erhielt doch der Tempel nachmals den Namen Vespasiani et Tili.'' Die zweite Inschrift-
zeile, von welcher sich das letzte Wort erhalten hat, meldet eine Restauration durch
L. Septimius Severus und dessen Sohn Antoninus Caracalla. Dass Geta, der unglück-
liche Bruder des Caracalla, nicht in der Inschrift genannt ist, der doch gleichzeitig
zum Augustus und Mitkaiser erhoben worden war, lässt sich in Erwägung der ängst-
lichen Sorgfalt , mit welcher Severus seine beiden Söhne stets in ganz gleicher Weise
auszuzeichnen pflegte, nur so erklären, dass die Restaurationsarbeiten erst nach Se-
verus Tode zu Ende kamen, nachdem auch Geta durch den Brudermörder aus dem
Wege geräumt war, oder dass der Name des Ermordeten, ebenso wie diess sich an
den anderen Baudenkmälern des Septimius Severus findet, nachmals herausgekratzt
und durch neuaufgeschriebene Worte ergänzt wurde. Als solche Ergänzungswörtei*
* L. Canina, Sulle rccenti discoperte fatfe nel graiidc odilizio capilolino. Annal. d. I. d. C. a. Vol. XXIII.
a*. 1 831 . p. 268 — 278. ^ Curiosum Urbis Komae Reg. VIII. * Cassiod. Ghron. Doniit. IX. * Curios. U. R. 1. c.
gf) Das Forum Romanum.
können auch die beiden npii felicvs « nach dem Namen des Antoninus mit grosser Wahr-
scheinhchkeit betrachtet werden. Die durch die Inschrift berichtete Herstellung scheint
jedoch , da von dem Erhaltenen weder die Arbeit der Capitäle , noch des Gebälkes der
Kunstepoche des Severus, wohl aber der des Domitian entspricht, nicht sehr umfassend
gewesen zu sein.
Im Anfange dieses Jahrhunderts ragte, wie wir aus den Abbildungen seit Du Perac
(1674) bis Venuti (1802. 2''* Ediz.) ersehen, kaum mehr ein Dritttheil der drei erhaltenen
Säulen aus dem Schutte hervor. Zur HerausschafFung des Baumaterials der Cellamauern
hatte die Piünderungssucht des letzten Mittelalters einen förmlichen Schacht in deu
Schuttberg getrieben und selbst die Substruction so angegriffen, dass, als man im Jahre
1813 die Ruine blosszulegen begann, Gebälke und Säulen abgetragen werden miissten,
um durch Ergänzung des Unterbaues dem Einstürze vorzubeugen. Die schönen drei
Säulen wurden dann wieder wie vorher aufgerichtet und mit ihrem Gebälke gekrönt.
Die Blosslegung des Unterbaues wurde erst im Jahre 1 830 vollendet.
6. Die sogenannte Schola Xantha.
Zur Linken am Fusse der Substruction des Vespasiantempels — ich fasse
natürhch die Bezeichnungen rechts und links immer so, wie sie sich für den der
Fronte zugewendeten Beschauer ergeben — zieht sich ein schmaler mit Travertin-
platten belegter Gang hin, der durch einige Stufen mit dem Clivus Capitolinus in Ver-
bindung steht. Dieser Weg führte zu einer Reihe von kleinen Kammern , die ihn zur
Linken begränzten. Diese haben von dem Gange her ihre besonderen Zugänge, die
fast ebenso hoch und breit als die Kammern selbst sind und von welchen sich die
marmornen Schwellen grösstentheils erhalten haben, standen aber ursprünglich unter-
einander nicht in Verbindung , denn die Durchgänge im Innern wurden offenbar erst
später gebrochen. Die ganz aus Ziegeln gebauten und mit Tonnengewölbe bedeckten
Kammern sind nur 2,77 Met. breit, 3,35 tief und 2,9o hoch.
Zu diesen Kammern gehörten wohl die drei , welche in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts noch mit einem grossen Theile ihres Marmorschmuckes gefunden und
dann geplündert worden sind.^ Wie man aus dem Doppelberichte entnehmen kann,
war die der Langseite des Vespasiantempels zugewendete Stirnseite dieser Kammern
mit Marmor bekleidet, welche Bekleidung in dorischer Ordnung pilastrirt war. Auf
* Bartholomaei Marliani Urbis Romae Topographia. Roma 1534 & 1544. Lib. II. c. 10. (Graev. Thes. Anl.
Rom. Toni. III. p. 90 & 91.) Lucio Fauno, delle antichitä della cittä di Roma. Venezia 1548. fol. 49. b.
Der Tempel des Yespasian. S7
dem Architrav aber befanden sich zwei Inschriften, von welchen die erste mehr nach
innen im Gange angebracht war, die zweite aber mehr nach aussen dem CHvus Capi-
tolinus näher, wenn wir unsere etwas unklaren Berichte recht verstehen. Die innere
Inschritl lautete :
C AVILIVS LICINIVS TROISIVS
CVRATOR
SCHOLAM DE SVO FECIT
BEBRYXAVG L DRVSIANVS A FABIVS XANTHVSCVRSCRIBIS.LIBRARIiS.
ET PRAECON I BVS AED CVR SCHOLAM
AB INCHOATO REFECERVNT MARMORIBVS ORNAVERVNT VICTORIAM
AVGVSTAM ET SEDES AENEAS ET CETERA ORNAMENTA
DE . SVA . PECVN 1 A • FECERVNT
Auf dem äusseren Theile des Architravs las man :
BEBRYXAVGLDRVSIANVSA FABIVS XANTHVS CVR IMAGINESARGENTEAS
DEORVM SEPTEM POST DEDICATIONEM SCHOLAE
ET. MVTVLOS CVM TABELLA • AENEA • DE SVA PECVN I A DEDERVNT
Aus diesen Inschriften, welche jedoch bald nach dem Funde weggenommen und
später bei dem Triumphbogen des Titus [in summa sacra via) wiedergefunden wurden,^
um dann ganz zu verschwinden, geht hervor, dass diese Kammern von dem Curator
A. Licinius Troisiiis, einer nicht weiter bekannten Persönhchkeit, auf eigene Kosten erbaut
und von Bebryx, einem Freigelassenen des Drusus, und A. Fabius Xanthus, zwei nicht
minder obscuren Männern, hergestellt und mit sieben silbernen Götterbildern, mit Marmor-
ornamentik und ehernem Geräthe geschmückt worden seien, und den Notaren, Secretären
und Herolden der curulischen Aedilen als Amtsstuben gedient haben. Die zweite In-
schrift aber bietet hinsichtlich der Erklärung einige Schwierigkeiten dar, und die mutuli
cum. tabella aenea werden wohl räthselhaft bleiben. Am wahrscheinlichsten dürfte es sein,
an eine Bronzetafel mit einer vielleicht statutarischen Inschrift zu denken, bei deren Auf-
stellung vielleicht die mutuli, eine Carnieszierde der dorischen Ordnung, als Träger oder
sonst in irgend einer Weise eine Rolle spielten. Denn dass man so untergeordneter
äusserer Architekturstücke als solcher besondere Erwähnung gethan haben sollte, ist
um so weniger zu glauben, als schon die Zusammenstellung der mutuli mit der tabella
aenea auf etwas Anderes hinzuweisen scheint.
Gleichzeitig mit dieser Inschrift wurde auch das Piedestal einer Bildsäule des
Stilicho gefunden, die jedoch mit der Schola iii keinem Zusammenhang gestanden zu
sein scheint. Die von den beiden citirten Berichterstattern überlieferte Inschrift lautet :
' Fulv. Orsini (Graev. Thcs. Ant. Rom. Tom. III. p. 90. Not. 1).
88 Das Forum Romanum.
FLAVIO STILICHONl INLVSTRISSIIVIO VIRO
mAGISTRO EQVITVM PEDITVIYIQVE
COmiTI DOIVIESTICORVIVI TRIBVNO PRAETORIANO
ET AB INEVNTE • AETATE PER GRADVS CLARIS
SimAE miLITlAE • AD COLVIVIEN GLORIAE
SEMPITERNAE ET REGIAE • ADFINITATIS EVECTO
PROGENERO ■ DIVI THEODOSI COMITI DIVI
THEODOSI • AVGVSTI IN • OIVINIBVS BELLIS
ATQVE • VICTORIIS ET AB EO IN ADFINITATEM
REGIAIVl COOPTATO ■ ITEIVIQVE SOCERO • D N
HONORI • AVGVSTI APHRICA CONSILIIS EIVS
EX PROVISIONE LIBERATA EX S • C
Welchen Namen diese Schola ursprünglich gehabt, wissen wir nicht, denn ausser
einer nur beiläufigen Andeutung,^ aus welcher auch abzunehmen sein dürfte, dass dort
die Bürgerverzeichnisse angefertigt wurden, haben wir keine classische Erwähnung.
Der Name Schola Xaniha , der bereits lange genug im Umlauf war, seit der Verfasser des
gefälschten Regionenverzeichnisses, das den Namen des Rufus trägt, ihn in die achte
Region eintrug , hat keine andere Begründung als eine höchst unverständige in der an-
geführten Doppelinschrift. Wenn übrigens die Schola wirklich den Namen eines Erbauers
trug, so kann diess kein anderer sein, als der des Gründers C. Aviliiis Licinius Troisius,
und die Bezeichnung Schola Licinia muss daher auf jeden Fall geeigneter erscheinen, als
die Bezeichnung Schola Xantha , nach dem Namen eines der beiden Restitutoren , den
die Inschrift überdiess an zweiter Stelle nennt.
Als man bei der Aufdeckung des Clivus im J. 1832 auf diese Kammern stiess,
fand man drei derselben , ohne Zweifel die schon vor 3 Jahrhunderten gefundenen , ver-
schlossen und mit Unrath angefüllt. Bei der Ausräumung stiess man am Grunde auf die
Reste menschlicher Leichname, woraus abzunehmen ist, dass diese Kammern nach der
damaligen Entdeckung wahrscheinlich bei einer der in damaligen Zeiten so häufigen Epi-
demien zu Gräbern verwendet worden waren. In neuester Zeit wurden diese Kammern
mit grosser Sorgfalt wieder hergestellt, gleichzeitig mit der weit bedeutenderen über
ihnen liegenden Terrasse, welche sogleich beschrieben werden soll.
7. Die Area der Dii Consentes.
Die eben behandelten Kammern tragen theilweise einen grösseren lerrassirten
Unterbau, welcher sich vom Vespasiantempel bis zur Substruction der modernen Auf-
fahrt (Via del CampidogHo) erstreckt, und die Carve, welche hier der Clivus Capitolinus
nach der natürlichen Beschaffenheit des capitolinischen Abhangs machen musste, aus-
' Cic. Phil. II. 7.
Die Area der Dii Consentes. 89
zufüUeü bestimmt war. Die demnach an zwei Seiten erhöhte Fläche oder Area, deren
Marmorpflaster noch grösstentheils erhalten ist , hat die Form eines Trapezes mit einem
sehr stumpfen Winkel an der Westspitze und misst an der südöstlichen Seite , den von
der Substruction der modernen Strasse jetzt wieder überdeckten unbedeutenden Theil
mitgerechnet, 30, an der Nordostseite 25 Meter. Die beiden anderen, den stumpfen
Winkel einschliessenden Seiten werden von einer Reihe Kammern begränzt, vor denen
unter demselben Winkel eine Porticus sich hinzog. In den Jahren 1832 und 1835
wurden die drei Kammern, welche sich an die Substruction des Tabularium anlehnen,
und vier von den an der anderen Seite des stumpfen Winkels liegenden blossgelegt.
Die letzteren vier mit dem noch sichtbaren Ansatz einer fünften sind unter der modernen
Strasse, welche hier, um die Ruine nicht zu sehr zu beeinträchtigen, einen grossen
Bogen erhalten hat. Sie sind 4, 20 Met. hoch, 3, 70 tief und von nicht ganz gleicher Breite,
die Eingänge sind wie an den beschriebenen Kammern der sog. Schola Xantha fast
ebenso breit wie die Gemächer, doch nur 2, so Met. hoch, und ebenfalls mit einem wag-
rechten Sturz überdeckt. Das Mauerwerk ist aus Backsteinen, nur die Rückwand der
unter der Strassensubstruction befindlichen Kammern ist aus Tufquadern aufgeführt und
gehörte wahrscheinlich zum Damm des hier schon beträchtlich aufsteigenden Clivus
Capitolinus. Der Ziegelbau scheint aus dem zweiten bis dritten Jahrhundert nach
Christus zu sein , die Wände waren , wie man aus verschiedenen Anzeichen sieht , mit
Marmor belegt.
Von der diesen Kammern entsprechenden Porticus wurden bei der Ausgrabung
im Jahre 1835 zehn attische Säulenbasen noch auf ihrem Platze gefunden; dabei noch
ansehnliche Stücke monolither Cipollinschäfte und Bruchstücke des Marmorgebälkes mit
einer sehr schätzbaren, wenn auch leider fragmentirten Inschrift auf zwei grossen
Architravstücken.^ Alles diess blieb 23 Jahre lang liegen, bis man im Jahre 1858 sich
entschloss, die gefundenen Fragmente zur Restauration zu verwenden. So wurden
neun Säulen der Porticus wieder hergestellt , und aus den Fragmenten auch wieder mit
einem Theile des Gebälkes gekrönt. Vieles musste selbstverständlich neu hinzugefügt
werden, um die Fragmente zu ergänzen. So sind namentlich die Schäfte der fünf Säulen,
welche vor den Kammern stehen, die sich an das Tabularium anlehnen, neu, aus
Travertin, und schon desshalb von den antiken leicht zu unterscheiden, überdiess auch
nicht canellirt. Die Canellirung der antiken Schäfte hat das Besondere, dass sie nicht
in Hohlkehlen , sondern umgekehrt in Rundleisten ausgeführt ist, welche indess durch
kantige Rinnen sich schön abheben. Noch eigenthümlicher sind die Capitäle, welche
• 0. Kellennann, Scavi del Foro Romano. Iscrizione del Portico Capitolino e della Basilica Giulia. Bulletino
ilell' Inst, di Corr. arch. III. b. Marzo. 1835. p. 33 — 38.
F. Rhiier. die Ruiuen Roms. ^2
90 Das Forum Romanum.
wohl nach moderner Ausdrucksweise korinthische Phantasiecapitäle genannt zu werden
verdienen. Sie sind, wie aus beifolgender Abbildung zu ersehen ist, mit Trophäen ge-
schmückt, welche sich durch die phrygische Mütze als orientalische erkennen lassen,
die indess keine andere als ornamentale Bedeutung gehabt zu haben scheinen.
Im Architrav liest man folgende Inschrift:
deum cONSENTIVM SACROSANCTA SIMVLACRA CVM OMNI LO NE CVLTV INI
vETTIVS « PRAETEXTATVS « V « C « PRA RBI
CVRANTE LONGEIO CONSVL
Aus dieser Inschrift geht hervor, dass Vettius
Prätextatus, der im Jahre 367 n. Chr. Prae-
fectus Urbi war, hier die Statuen der zwölf
Götter, welche schon von Alters her auf dem
Forum ihren Platz hatten,^ wiederhergestellt
habe, womit auch die Arbeit der Porticus
übereinstimmt. Dieser Vettius Prätextatus,
welcher von den Chronisten wegen seines
Christenhasses öfter erwähnt wird und der
eine grosse Anzahl priesterlicher Würden in
seiner Person vereinigte, ^ verwendete, wie
uns ausdrücklich berichtet wird, viele Sorg-
falt auf die Erhaltung altrömischer Heilig-
thümer.^ Von einem Tempel im eigentlichen
Sinne, dessen bei Varro Erwähnung ge-
schieht,^ kann jedoch hier nach Gestalt der
Localität keine Rede sein. Die DU Consentes
(rathgebenden) waren die zwölf Haupt-
gottheiten Roms, sechs männliche und sechs
weibliche: lupiter, Apollo, Mars, Neptun,
Vulcan, Mercur, Inno, Minerva, Venus, Ceres,
Diana und Vesta. Wie nun diese zwölf
^CaiUmtt.
SSnIendurchschnilt und Capit'äl von der Area Deum Consentum.
(F. R.)
Götterbilder aufgestellt waren , ist nicht klar. Es ist möglich , dass der Kammern , von
denen jetzt acht nachweisbar sind , zwölf waren, und dass jeder derselben ein Götterbild
entsprochen habe , doch ist es sehr unwahrscheinlich , dass diese in den Kammern selbst
' Varro, r. r. I. 1, 4. * Piedestal in der Villa Mattei. (Gruteri Inscript. ant. tot. orb. Rom. 1602 & 1603.
Append. p. MCII, 2). * Ammianus Marc. XXVII. 9. * Varro L. L. VIII. 38, 121. p. 444 Speng.
Der Tempel des Salurnus. 91
aufgestellt waren , welche ohne Zweifel , wie die oben beschriebenen diesen ganz gleich-
artigen Gemächer der sog. Schola Xantha , zu Amtslocalen gedient haben ; die Götter-
bilder mussten daher auf der Porticus oder in derselben zwischen den Säulenweiten
gestanden sein. Was ich aber als das Wahrscheinlichste vermuthe, ist, dass die Porticus
sich auch noch an der Seite , welche der Langseite des Vespasian gegenüberliegt , und
zwar in doppelter Säulenreihe über der sog. Schola Xantha sich hinzog, wofür allerdings
wegen der Zerstörung der Area an dieser Seite keine Spuren als Beweise geltend gemacht
werden können. Die Area musste an dieser Seite jedenfalls eine Abgränzung haben, die
um so nothwendiger war, als sie sowohl zum Schutze für die oben Wandelnden als zur
Zierde gereichte, da sonst die daruntergelegene Schola, kahl, unschön und gedrückt,
den sonst so prächtigen Anbhck der Gebäude am Glivus sehr beeinträchtigt hätte.
Ich vermuthe ferner, dass von den 12 Götterbildern sieben gerade an dieser Seite
in oder auf dieser Porticus aufgestellt waren, während die übrigen fünf den fünf mit
dem Tabularium parallel laufenden Säulen entsprachen. Und diese sieben Götterbilder
sind es vielleicht, welche die Restitutoren der sog. Schola Xantha nach Vollendung der-
selben aufstellten, wie aus der im vorigen Abschnitte angeführten zweiten Inschrift zu
entnehmen ist, und da diese von Silber waren, mochte eine Erneuerung derselben, wie
sie Vettius Prätextatus vornahm , um so rascher nöthig werden , bei welcher jedoch nach
der Inschrift der letzteren das Material bescheidener war.
Noch verdient erwähnt zu werden, dass die Inschrift des Vettius in sprachHcher
Beziehung in Widerspruch steht mit der ausdrücklichen Bemerkung Varro's (1. c),
dass, abweichend von dem sonstigen Sprachgebrauche, die Form Deum Consentum
üblich sei, während man hier Consentiitm liest. Varronische Grammatik war eben um
diese Zeit , in welcher Kunst und Literatur in gleicher Weise in Verfall gerathen war,
nicht mehr massgebend.
8. Der Tempel des Saturnus.
Nachdem nun die Gebäude, welche einerseits von dem Unterbau des Tabularium,
anderseits von dem Glivus Capitolinus begränzt werden, beschrieben worden sind, ist
zunächst der zwischen dem letzteren und dem Forum im engeren Sinne liegende Raum
zu erörtern , der ebenfalls wie die jenseits des Glivus liegenden Ueberreste durch die
umfassendsten Ausgrabungen seit dem Anfange dieses Jahrhunderts grösstentheils bloss -
gelegt worden ist.
Der Glivus trennt die beschriebene Area der zwölf Götter von dem Tempel der
acht Säulen, der schon bei der Bestimmung des Vespasiantempels in die Erörterung ge-
zogen werden musste. Der Unterbau dieses Tempels, dessen Höhe an der Fronte 5, und
12*
92 Das Forum Romanum.
dessen Breite 22,50 Meter beträgt, welcher Breite eine Länge von ungefähr 40 Met. ent-
spricht, ist nicht mehr ganz erhalten : er wird theils von der Yia del Campidoglio überdeckt,
theils wurde er in den vorigen Jahrhunderten von den Hüttenbewohnern des Forum,
welche die in demselben angebrachten Gewölbe für ihre Keller benutzten , zerstört. Die
Kernmasse bestand aus Gusswerk ; die Aussenseiten waren mit Travertinquadern beklei-
det, welche an der dem Triumphbogen des Septimius Severus zugewendeten Fronte noch
erhalten sind. Hier waren sie auch am längsten durch den Treppenbau geschützt, der
jedoch jetzt bis auf einige Reste der inneren Gussmasse, durch welche ein jetzt verstüm-
melt biossliegender Cloakenarm führte, zerstört ist. Ein Fragment des capitolinischen Planes
(leider nicht Original, sondern zu den nach einer alten Zeichnung ergänzten Stücken gehörig),
das den Namen und die Gestalt der beschriebenen Concordia zeigt imd bei der Beschrei-
bung dieser sich abgebildet findet, lässt noch einen Theil dieses Tempels und besonders
die Treppe sehen, welche durch zwei grosse Piedestale auf einen schmalen Raum einge-
schränkt erscheint. Dieser schmalen Treppe des Planes entspricht auch die Stirnseite un-
seres Unterbaues, an deren Mitte eben da, wo sich die innere Masse der schmalen Treppe
an den Unterbau anschliessen musste, die Travertinbekleidung fehlt und der leere Raum
mit losen Steinen ausgefüllt ist. Unmittelbar am Rande der Travertinbekleidung des Un-
terbaues erheben sich acht Säulen ionischer Ordnung, nemhch die sechs Säulen der Fronte
und die nächste von jeder Langseite. Die Schäfte der Frontesäulen sind von grauem, die
der beiden anderen von röthhchem Granit, dessen glänzende Politur sich noch grössten-
theils erhalten hat. Die Höhe dieser Schäfte beträgt 11, ihr Durchmesser unten 1,43 oben
1,20 Meter. Die äusserste Säule zur Linken zeigt oben den gleichen Durchmesser, wie
unten : die Folge einer Herstellung des Tempels in der Zeit des tiefsten Kunstverfalls, bei
welcher man sich nicht einmal mehr darum bekümmerte die Säulentrommeln in richtiger
Reihenfolge aufeinanderzusetzen, wodurch es denn kam, dass jetzt ein Stück vom unte-
ren, natürlich stärkeren Ende der Säule auf das obere aufgestülpt ist. Aus demselben
Grunde sind auch die Marmorbasen unter sich ungleich, von dreierlei Art, die einen at-
tisch, die anderen korinthisch mit und ohne Plinth, indem sie nicht einmal in wagrechter
Linie stehen, 0,55 bis 0,6? Met. hoch. Die Marmorcapitäle, 0,9o Met. hoch, haben Eckvo-
luten, jene spätere Form des ionischen Styls, welche aus der abnormen Bildung der Eck-
säulen hervorgegangen zu sein scheint, wie in der Einleitung (S. 18) entwickelt worden
ist, und weit abweichend von der normalen Gestalt einen dreifachen Echinus, dessen
unterer Wulst ein Akanthusschema, der mittlere eine plumpe Flechtornamentik, und der
obere erst die üblichen Schlangeneier zeigt. Das Ganze ist geschmacklos und überladen,
wenn auch noch immer nicht aus der ganz späten Zeit, aus welcher die letzte Re-
stauration stammte , in welcher man auch zu einer solchen Leistung nicht die Fähigkeit
gehabt hätte. Auf den Säulen ruht noch ihr entsprechendes Gebälke und ein Theil der
gi^'^^i^^i^g^
CO
Der Tempel des Saturn us. 93
Giebelwand. Auf dem von aussen einfachen Gebäike, an welchem Architrav und Fries in
einer Fläche gearbeitet sind, was auch den tiefen Kunstverfall beurkundet, stehen die schon
beim Vespasiantempel nach der Abschrift des Einsiedeiner Anonymus angeführten Worte :
SENATVS POPVLVSQ ROMANVS
INCENDIOCONSVMPTVM RESTITVIT
Die innere Seite des Frieses ist mit Blätterornamentik reich aber etwas derb ver-
ziert, einzelne Stücke davon, die einer späteren Restauration angehören, sind von
sehr roher Arbeit. Auch der Marmorcarnies mit seinen für den ionischen Styl
eigentlich ungehörigen Kragsteinen und den zwischen ihnen angebrachten, in zwei
Mustern abwechselnden Rosetten ist noch ziemlich wohl erhalten.
Dass die acht Säulen dem Tempel des Saturnus angehörten , folgt aus dem
Beweise, der oben die drei Säulen mit dem Inschriftrest ESTIVER dem Tempel des
Vespasian zuschrieb. Denn der Saturntempel wird — um das Hiehergehörige , was
grossentheils schon negativ angezogen werden musste, mit neuen Beweismitteln hier
positiv wieder zusammenzufassen — am Clivus Capitolinus^ und noch bezeichnender
vor demselben,^ überdiess am oberen Ende des Forum {in capite fori) über dem
Milliarium aureum^ und sowohl neben dem Tempel der Concordia* als neben dem
des Vespasianus ^ genannt. An beide Tempel gränzt unsere Ruine der acht Säulen,
an den ersteren mit der Langseite, an den letzteren mit der Fronte, und entspricht
auch genau den übrigen angeführten Angaben der Alten in Bezug auf die Lage des
Saturnus. Eine sehr präcise Bestätigung liefert dann die schon besprochene Stelle
des Monumentum Ancyranum,^ welche den Saturntempel als eine Begränzung der
Basilica lulia bezeichnet. Die nun grösstentheils blossgelegte Basilica lulia zeigt, dass
ihr nordwestliches Ende nur durch eine schmale Strasse von der Ruine der acht
Säulen getrennt war; und wenn alles diess noch nicht ausreichen sollte vollends zu
überzeugen, so muss endlich das Doppelfragment des capitolinischen Planes, von wel-
chem wir bei der Beschreibung der Basilica luha eine Abbildung geben werden, alle
Bedenken heben. Denn dass die Buchstaben VRNI , welche offenbar in dem Zwischen-
räume zwischen der Basilica lulia und unserm Tempel zu lesen sind, nicht anders als in
aeiles SaiVRNI zu ergänzen sind, kann kaum bezweifelt werden, und diese Bezeichnung
konnte dann zu nichts anderem gehören, als zu diesem Tempel, von dessen Grund-
risse sich noch einige Linien auf dem Planfragmente finden.
' Dionys. I. 34. " Serv. ad Virg. Aen. II. v. <16. •' Tacit. Hist. I. 27. Siiiefoii. (lalh. S. i'liu.
H. N. III. 5, 9. * Serv. 1. c. * Curios. Urb. Roniae Reg. VIII. * vgl. S. 84.
94 Das Forum Romanum.
lieber die Gründung des Tempels, beziehungsweise Heiligthums des Saturnus
besitzen wir vielerlei Nachrichten. In grauer Vorzeit sollen des Herkules Gefährten,
die sich auf dem Capitolinus (damals Saturninus genannt)* ansiedelten und die Stadt
Saturnia erbauten, diesem Gotte ein Heiligthum gegründet haben.^ Dann wird von
Tullus Hostilius erzählt, dass er nach seinen Siegen über die Albaner und Sabiner
seinem Gelübde gemäss den Tempel des Saturnus geweiht und die Saturnahen in Rom
eingeführt habe.^ Im Widerspruche damit wird jedoch anderwärts * erwähnt, dass ihn
erst L. Tarquinius erbaut und der Dictator T. Larcius geweiht und gleichzeitig den
Saturnalien in Rom den Ursprung gegeben habe. Andere versetzen nicht bloss die Ein-
weihung, sondern auch den Bau des Tempels in die Zeit der Republik unter L. Furius.^
Mehr historische Angaben berichten, dass er unter der Prätur des A. Sempronius und
M. Minucius, mithin im J. 257 d. St. , durch Postumius Cominius eingeweiht worden sei,
und dass erst damals die Saturnalien gestiftet wurden.^ Diess stimmt mit Varro (Ma-
crobius a. a. 0.) nahe zusammen, da des T. Larcius Dictatur in das Jahr 253 d. St.
(501 v. Chr.) föllt.
Die ursprüngliche Beschaffenheit des Tempels ist unsicher, gewiss ist nur, dass
er schon als solcher am Anfange der Republik stand und die gewöhnliche Form, d. h.
eine geschlossene Cella besass, als ihn Pophcola zur Schatzkammer des Staates machte.'^
Das unansehnliche Gebäude scheint T. Larcius oder Postumius Cominius prächtiger auf-
gebaut zu haben. Von den verschiedenen Herstellungen und Neubauten aber, wie sie
bei den wachsenden Anforderungen an ornamentale Architektur und Luxus in Ma-
terialien, besonders in Rücksicht auf einen so hervorragenden Platz, wie ihn dieser
Tempel einnahm, im Laufe der Jahrhunderte, ja fast eines Jahrtausends, nöthig wurden,
haben wir keine andere historische Kunde, als die, welche wir in der Grabschrift des
L. Munatius^ lesen, und selbst von dieser, welche besagt, dass der hier Bestattete
aus der Beute von Reate den Tempel des Saturnus gebaut habe, ist es sehr zweifel-
haft, ob diess in der hyperbolischen Sprache der Grabinschriften wirklich einen Neu-
bau und nicht bloss eine Herstellung bedeute. Der ursprüngliche Altar aber, den die
Tradition noch vor die Gründung Roms zurückversetzte, soll noch in der Zeit des
Augustus^ bestanden haben.
Dieser Tempel verdankte seine Bedeutung neben seinem mythischen Alter
hauptsächlich seiner Bestimmung als Aerarium pubhcum, als Schatzhaus des Staates.
•Der Umstand, dass der Name Aerarium auch für das Local gebraucht wird, in welchem
die Senats- und Volksbeschlüsse, Staats- und Privatverträge niedergelegt wurden,**^
' Varro, L. L. V. 7, 13. p. 48. Sp. — Dionys. I. 34. '^ Solin. 1. 12. Dionys. 1. c. ^ Macrob. Sat. 1. 8.
* Varro de sacr. aed. Lib. VI. bei Macrob. 1. c. * A. Gell, bei Macrob. 1. c. ^ Dionys. VI. 1. Liv. II. 21.
^ Plut. Poplic. 12. " Vom Grabmal bei Tivoli, jetzt sog. Torre di Orlando. * Dionys. 1. c. '" Liv.
XXXIX. 4. Tacit. Ann. III. 31. Suet. Caes. 28. Aug. 94.
Der Tempel des Saturnus. 95
sowie die ausdrückliche Erwähnung der Aufbewahrung von Privatacten im Tempel
des Saturnus^ beweisen, dass dieser Tempel in der Zeit vor der Erbauung des Ta-
bularium mit den übrigen bei der Beschreibung der letzteren angeführten Localen
theilweise auch als Archiv gedient habe. Dass auch umgekehrt das Tabularium spater
zur Schatzkammer ward , ist jedoch nicht nachzuweisen. Die Unterscheidung zwischen
Aerarium schlechthin und Aerarium sanctius,^ welch letzteres Bunsen^ auf die von
ihm angenommene Schatzkammer im Tabularium bezog, scheint nicht so fast von
räumlicher als vielmehr von sachlicher Bedeutung, übrigens konnte der heilige Schatz
in dem innersten oder tiefsten der Gewölbe, von welchen man noch die Reste in
dem halbzerstörten Unterbau der acht Säulen sieht, auch räumlich gesondert auf-
bewahrt werden, ohne ein besonderes Gebäude zu erfordern.
Das Ornamentale der Architektur dieser malerischen Ruine gehört nach der
Arbeit ohne Zweifel einem Neubau des Tempels in später Kaiserzeit, vielleicht zu
Anfang des dritten Jahrhunderts n. Chr. an, wie aber aus der schon besprochenen
sorglosen Zusammensetzung ungehöriger Ornamentstücke ersichtlich ist, war dieser
Tempel einer der zuletzt hergestellten der Stadt Rom. Diess hängt damit zusammen,
dass seine Bestimmung als Schatzhaus seine Bedeutung als Tempel überdauerte, wo^
durch auch eine Herstellung in ganz christlicher Zeit zulässig wurde: man unterliess
auch bei der letzten Herstellung, den Namen des Saturnus wieder auf demselben
anzubringen. Eine Andeutung über den weiteren Zweck ^ des Gebäudes gibt sein
mittelalterlicher Name Cecha [Zecca, Münze),* den es bis zum 1 5. Jahrhundert er-
halten zu haben scheint, in welchem es zum erstenmale unter dem falschen, jedoch
nichtsdestoweniger lange vulgären Namen der Concordia auftritt.^ Im Anfange des
1 5. Jahrhunderts sah ihn Poggio noch fast unversehrt, bei seiner zweiten Romreise je-
doch fand er ihn des Marmors beraubt, der in die Kalköfen wanderte, und die Cella-
wände abgetragen. Während der französischen Herrschaft in Rom zu Anfang dieses
Jahrhunderts mussten die Hütten und Bäume weichen , die sich auf der Area des Tem-
pels und zwischen den Säulen breit gemacht hatten und der Ruine auf den Abbil-
dungen derselben bis Venuti ^ herab ein so pittoreskes Aussehen gegeben hatten. Um
1820 war der ganze Unterbau, soweit es wegen der modernen Strasse möglich war,
blossgelegt.
Von dem sog. Grabmal des Orestes, das sich vor dem Saturntempel befunden
haben soll,'^ sind keine erkenntlichen Spuren mehr übrig.
* Serv. ad Virg. Georg. II. v. 50a. * Liv. XXVII. 10. ' Beschreibung der Stadt Rom. Stutt. <838.
III. Abth. 2. S. 12fg. * Anonymus Chigiensis cf. Fea, Varietä di notizie. p. 100. * Poggii Florentini ora-
tori.s et philosophi opera. Basil. s. a. Dissert. de fortunae varietate urbis Romae et de ruina eiusdem dcscriptio
p. 135. * R. Venuti, descrizione topografica delle antichitä di Roma. <803. ' Serv. ad Virg. Aen. II. v. 4 16.
96 Das Forum Romanum.
9. Die Gräcostasis (lulia).
Wendet man sich vom Saturntempel gegen den grossen Triumphbogen des
Septiraius Severus, der über dem Anfange des Clivus Capitolinus steht, so sieht man
fast unmittelbar an der Substruction der modernen capitolinischen Fahrstrasse, von
dem Tempel der Concordia durch den Clivus Capitolinus getrennt, eine leichtge-
krümmte Terrasse, gegen das Forum gewendet, über welches sie sich um etwa drei
Meter erhebt. Der Marmorrand mit leichten Lisenen ist noch zum Theil erhalten,
imd zeigt abwechselnde Marmorarten. Oben sieht man noch stellenweise die Löcher,
in welche ohne Zweifel ein Bronzegeländer eingelassen war. Die Curve war bei den
grossen Ausgrabungen am Clivus zwar vollständig blossgelegt worden, ist aber
jetzt grossentheils wieder von dem Strassendamm der Via del Campidoglio bedeckt.
Die ganze Curve musste ungefähr eine Sehnenlänge von 30 Meter haben.
Ueber die Bestimmung dieser Terrasse, die erst seit drei Jahrzehnten bekannt
geworden, sind verschiedene Meinungen aufgestellt worden. Die bedeutendste neuere
Autorität, Canina, hielt sie auf Ciacconio's Bericht über die Auffindung der Columna
rostrata des Duilius * hin und mit Beiziehung eines ReHefs vom Constantinbogen, von
welchem im nächsten Abschnitte eine Abbildung gegeben werden wird, für die
Rostra im eigenthchen Sinne, die später nach der Errichtung der lulischen Redner-
bühne als die »alten« Rostra unterschieden werden mussten. ^ Doch entbehrt diese
Annahme einerseits aller Begründung, anderseits steht sie nicht bloss mit jeder belie-
bigen Anordnung der Gebäude des Comitium im Widerspruche, sondern insbesondere
mit dem doppelt bezeugten Umstände, ^ dass der Redner, je nachdem er sich wen-
dete, mit den am Comitium und den am Forum Versammelten sprechen konnte, was
die Lage der Rostra in der Mitte zwischen beiden als unzweifelhaft voraussetzt. Auch
hat die Terrasse überhaupt nicht die Form einer Rednerbühne und wäre für den
Zweck zu geräumig; was aber die Hauptsache ist, sie gränzt gar nicht unmittelbar
an das Forum, sondern war an dieser Seite durch eine bisher noch nicht gehörig
gewürdigte massive Construction verbaut, welcher Umstand allein ausreicht, um die
ganze Hypothese von der Rednerbühne über den Haufen zu werfen. Bunsen, eben-
falls dem Glauben an diese imaginären Rostra huldigend, hielt sie jedoch nicht für
die alten , sondern nannte sie , fussend auf die Angabe der Notitia Reg. VHL Forum
romanum magmm. continet roslras (!) ///* und auf ein Relief des Constantinbogens,
P.Ciacconii in Columnae rostratae inscriptionem explicatio. (Graev. Thes. Ant. Rom. Tom. IV. p. 1807 sq.)
L. Canina, Sul porto neroniano di Anzio e sui rostri del forum Romanum. (Atti della Pontifizia Accademia Rom.
di Archeol. Tom. VIll. 1838. p. 4 07— 116.) * Plutarch. C. Graccli. 3. Cic. de amicit. 25. * Curios. Urb.
Roniae. Roii. VIII.
Die Gräcostasis ([ulia). 97
(las ich S. 99 in Abbildung beifüge, Rostra Flavia, mit einem Namen, der nichts ist als
reine Erfindung.^ Mommsen hält die terrassenförmige Substruction im Einklang mit
seinem System des alten Comitium für die Gräcostasis der Republik. ^ Mit der Nicht-
annahme seiner Ansicht über die Curia Hostilia , von deren Lage und Schicksalen unten
gesprochen werden wird, muss auch dieses verworfen werden. Am wahrscheinlichsten
erklärt sich die Substruction allerdings als Gräcostasis, allein nicht als die der Republik,
welche mit der Curia Hostilia und mit den Rostren, deren Stelle erwähn termassen zwi-
schen Forum und Comitium war, in Verbindung stand, ^ sondern als diejenige, welche in
Folge der Veränderung des Curia-Complexes durch Cäsar, der (wie unten gezeigt wer-
den wird) an der Stelle der Curia Hostilia den Tempel der Fehcitas, und näher an dem
capitolinischen Clivus die neue Curia (luha) erbaute, in derselben Richtung verlegt wor-
den sein musste. Damit stimmt auf das vollkommenste die Aufzählung des einzigen ächten
Regionars* überein, welches unter den Gebäuden am Clivus nach dem Miliarium aureum
und demVicus lugarius und vor derBasilicalulia das Gräcostadium, wie bei ihm (S.Jahr-
hundert n. Chr.) dieses römisch-hellenische Zwitterwort lautet, nennt, worunter jedenfalls
nicht mehr die mit der ehemaligen Curia Hostilia verbundene Gesandtschaftsterrasse, son-
dern nur die Gräcostasis gemeint sein kann, welche in der Kaiserzeit bestand. Indem
man nun bisher nicht auf den Gedanken gerieth, in der beschriebenen Terrasse den
nlocus substruclus<i^ dieser zweiten Gräcostasis zu erkennen, hat man dieselbe, durch die
auch sonst wohlgeordnete Reihenfolge des Regionars veranlasst, zwischen die Basilica
lulia und den Saturntempel gesetzt ; eine Annahme, die durch die Aufdeckung der ge-
nannten Basilica und durch die Wahrnehmung, dass zwischen derselben und dem Saturn-
tempel nur eine Strasse , der Vicus lugarius , Platz hatte , zur Unmöglichkeit geworden
ist. Wenn ich es aber reine Erfindung nannte, dass Bunsen seine vermeintlichen Rostra
als Rostra Flavia benannte, so kann nicht dasselbe davon gesagt werden, wenn ich diese
Gräcostasis der Kaiserzeit als Gräcostasis lulia bezeichne, denn Cäsar hat das ganze
Comitium in der Weise umgestaltet . dass eine Versetzung namentlich der Annexen der
Curia, die selbst einen anderen Platz erhielt, unerlässlich war. Da wir nun die Gräco-
stasis auch wirklich versetzt finden, so ist doch nichts wahrscheinlicher, als dass diess
bei Gelegenheit des Baues des Felicitastempels geschah und neben den bekannten Namen
der Curia lulia und der Rostra lulia kann die Bezeichnung Gräcostasis lulia wohl nicht
aus der Luft gegriffen erscheinen. Wenn aber auch das nur als Vermuthung hingestellt
werden kann, dass diese Terrasse von Cäsar oder Augustus errichtet worden sei, so
* Cli. Bimsen, Les forma de Rome. Lettre adress^e a Mr. Ic Cliev. Caiiina. Annali d. I. d. C. A. 1836.
Vol. VIII. p. 207 — 275, B. n. 5. ' Th. Mommsen, de Comitio Romano cnriis lanique templo. Annalid. I.
d. C. A. L. 1844. Vol. XVI. p. 288—318. c. 3. * Plin. H. N. VII. 60, 212. Varro, L. L. V. 32, 43. * Curios. l'rb.
Rom. Reg. VIII. * Varro 1. c.
F. llETiF.R, Die Ruinen Roms. 13
98 Das Forum Romanum.
muss doch die Behauptung der Identität derselben mit dem vom Regionär erwähnten
Gräcostadium der Kaiserzeit als vollgültig geltend gemacht werden; da dieses jedoch
schon unter den Kaisern Carinus und Numerianus (283 n. Chr.) mit andern Gebäuden
des Forum durch Brand ^ gelitten haben soll , muss dessen Errichtung schon in eine
frühere Zeit gesetzt werden.
10. Die Rostra der späteren Kaiserzeit.
Es ist schon in dem vorigen Abschnitte einer Substructionsmauer Erwähnung
gethan worden, welche die Annahme unmöglich machte, dass die eben beschriebene
Terrasse eine Rednerbühne gewesen sei. Diese Substructionsmauer besteht aus grossen
Peperinblöcken und zieht sich in derselben Länge wie die beschriebene Gräcostasis
etwa 5 Meter breit und nur in geringer Höhe erhalten unmittelbar vor derselben in
gerader Linie hin. Diese Substruction ist jedoch jetzt von dem aufgemauerten Damm
der modernen Fahrstrasse grösstentheils bedeckt, war aber vor drei Jahrzehnten fast
völlig blossgelegt und untersucht worden.
Die Bestimmung dieser Substruction, um so schwerer zu erforschen, als sie
selbst von ihrer Bekleidung und äusseren Gestalt keine Reste mehr zeigt, ist bisher
noch nicht auszumitteln gewesen, und man hat sich daher damit begnügt, sie als ein
fortlaufendes Basament für mehre Ehrensäulen und Standbilder zu erklären. Ob man
nun wirklich mehre Bildsäulen auf eine Basamentbank stellte, wie etwa auf der
modernen Balustrade am Capitolsplatz , muss dahin gestellt bleiben, ist jedoch sehr
zu bezweifeln, wenigstens ist mir kein anderes Beispiel der Art aus dem Alterthume
bekannt. Wenn also diese Erklärung aller Begründung entbehrt, finden sich dagegen
für eine andere Gründe genug, um sie als definitive Behauptung hinzustellen. Der
Regionär zählt nemlich in der achten Region (forum Romanum) drei Rostra auf, von
welchen uns jedoch aus anderen Erwähnungen nur zwei, nemlich die alten Rostra
und die luhschen bekannt sind: die ersteren an der Sacra Via, in der Mitte der
nordöstlichen Langseite, die letzteren am Südostende des Forum gelegen. Die drit-
ten Rostra mussten aus späterer Zeit stammen, in welcher unsere Quellen nicht mehr
so reichlich fliessen, und wenn wir uns nach der Stelle umsehen, wo sie gestanden
haben können, so haben wir nur die Wahl zwischen den zwei Stellen vor der Ba-
silica lulia und hier am oberen Ende des Forum, da die beiden anderen Seiten
bereits ihre Rostra hatten. Vor der Basilica lulia aber wären die Rostra in geringer
Entfernung gegenübergestanden, und so muss die Stelle, wo sich die beschriebene
• Catal. inip. Vienn. (Roncalli, Vetüstiora Lat. Script. Chronica. Pat. 4 787. Tom. IL p. 247.)
Die Rostra der spätem Kaiserzeit.
99
Substruction findet, wohl als die geeignetste erscheinen. Dass aber hier sich wirk-
lich Rostra befanden, wird durch ein für unsern Zweck werthvolles Fries-Relief des
Constantinbogens, das sich an der dem Tempel der Venus und Roma gegenüber-
liegenden Seite befindet, auf das Unzweifelhafteste bestätigt. ^
5. Relief vom Constantinbogen. (F. R.)
Es ist hier Gonstantin dargestellt, wie er auf einer breiten Rednerbühne,
von seinem Hofe umgeben eine Ansprache an das ringsum versammelte Volk hält :
die Rostren sind von zwei sitzenden Kaiserbildern flankirt, und im Hintergrunde
sind fünf Bildsäulen sichtbar. Der dreithorige Triumphbogen zur Rechten ist, obwohl
die Attica fehlt, doch unverkennbar der des Septimius Severus, und der einthorige
auf der anderen Seite entspricht dem des Tiberius, von dessen Lage unten mehr ge-
sprochen werden wird; die leider etwas ungenau gezeichneten Arcaden nebenan
aber deuten auf die Basilica Julia, wie später gezeigt werden soll.
Diese Rostra waren es wohl, auf welchen Aurelian die goldene Bildsäule
des Genius Populi Romani aufstellte, wenn wir anders das Nebeneinander des Hei-
ligthums dieses Genius und der Concordia- hierher beziehen dürfen. Die Entstehungs-
zeit dieser Rostra selbst aber ist bei dem Mangel an Nachrichten um so weniger
genauer zu bestimmen, als die Ueberreste nur in Bruchsteinen bestehen, welche
selbstverständlich nicht die Anhaltspunkte darbieten, wie der Ziegelbau, oder orna-
mentale Architektur. Das oben abgebildete Relief lässt uns indess wenigstens die
Gestalt des Suggestum in so weit erkennen, als es mit einem Bronzegitter (?) versehen
war, welches in hermenförmige Pfosten von der Art der erhaltenen an Ponte
Quattro Capi (vgl. S. 316) eingelassen gewesen zu sein scheint. /
Der Umbilicus Romae und das Miliarium aureum.
Am nordöstlichen Ende der gekrümmten Terrasse, die wir als Gräcostasis
lulia bezeichnet haben, ist noch ein grosses Backsteinbasament von der Form eines
» Ein Abguss befindet sich im Atrium des vorm. Giardino Farnese am Fusse des Palatin.
Cass. XLVII. 2, L. 8.
13*
2 Dio
\QQ Das Forum Romaniim.
abgestumpften Kegels mit einem Durchmesser unten von 4,6o, oben von 3 Meter
erhalten, von welchem eine Ansicht bei der Abbildung des Triumphbogens des Sep-
timius Severus gegeben ist. Die Mehrzahl der römischen Topographen hält diess
für die Base des Miliarium aureum, welches von den Alten am oberen Ende des
Forum ^ und unter dem Tempel des Saturnus^ befindlich genannt wird, und welches
auch der Regionär^ am Glivus und zwar nach Aufzählung der Tempel desselben
und des Capitolium unmittelbar vor dem Vicus lugarius und dem Gräcostadium
nennt. Diess scheint nun ebenso wie die angeführten classischen Angaben auf die
Lage dieses Basaments zu passen, da es am Rande des Gräcostasis selbst steht,
und auf der anderen Seite der Vicus lugarius gerade über der Terrasse vom Clivus
abzweigt, um sich zwischen dem Saturntempel und der Basilica lulia gegen das
Velabrum zu wenden. Doch Canina,^ Preller^ und neuestens Jordan'' haben es weit
wahrscheinlicher gemacht, dass die Ruine mit dem von der Notitia (nicht im Curi-
osum) zwischen dem Concordien- und dem Saturntempel genannten UmbiHcus
Romae zu identificiren sei, welcher im 9. Jahrhundert als neben der Kirche SS.
Sergio e Baccho befindhch erwähnt wird.^ Für eine Nachbildung des delphischen
Omphalos erscheint auch das Basament nicht ungeeignet sowohl in der Form — es
besteht nemlich aus drei Cylinderringen, von denen der innerste und höchste bedeu-
tend kleiner wird — , noch durch die Beschaffenheit des Materials (Backstein), welches
zum Tragen einer grösseren Last wie einer Ehrensäule minder geeignet erscheint,
Am Fusse fand man noch Reste der Marmorverkleidung des Sockels, der obere
Cyhnder wenigstens war wohl in vergoldeter Bronze verkleidet.**
Auch an dem entgegengesetzten Ende der Curve der beschriebenen Graeco-
stasis haben sich Reste eines ebenfalls kreisförmigen Basamentes gefunden, zu
welchem das marmorne segmentförmige Verkleidungsstück mit schöner Schmiege
gehört, das sich jetzt (nicht mehr an der ursprünglichen Stelle) im Durchgangsbogen
der modernen Substruction der Via del Gampidoglio befindet. Es liegt sehr nahe
darin den Rest des Miliarium aureum zu vermuthen, welches in den Regionsver-
zeichnissen wie oben erwähnt zwischen den drei Tempeln am Clivus mit dem Ca-
pitol einerseits und dem Vicus jugarius anderseits genannt wird. Auch scheint es
ganz passend diesen Index der römischen Strassenlängen gleichsam als Pendant
des UmbiHcus, des Nabels und des Mittelpunktes der römischen Welt, und überdiess
am Anfangspunkt der Sacra Via am Fuss des Clivus Capitolinus anzunehmen. Das
iPlin. H. N. m. 5, 9, 66. 2 Tacit. Hist. I. 27. Sueton. Oth. 6. 3 Notitia und Curios. Urb. Rom.
■Reg. Vm. * Foro Romano p. 152. ^ Regionen d. St. R. U5. « Topographie d. St. R. II S.454.
7 Anonym. Einsiedl. (Hänel Arch. f. Phiiol. u. Pädag. Suppl. Bd. V. S. 133. n. 10. » C. Bunsen, II foro romano
secondo gli scavi fino al 21. aprile 1835. Bulletino d. I. d. c. a. IV & V. Aprile e Maggio 1835, p, 65—96.
Der Umbilicus Romae und das Mlliarium aureum. iOI
Miliarium aureum war eine niedrige Säule in Form eines Meilensteines, d. h. eines
Cylinders etwa von der Höhe des dreifachen Durchmessers, und wurde von Au-
gustus in dem Jahre errichtet, in welchem er die Würde eines Gurator Viarum zu
seinen anderen fügte, 726 d. St. R.^ Es sollte den Knotenpunkt des römischen
Reiches bilden, an welchem alle Heerstrassen Italiens zusammenliefen.- Doch die
gewöhnliche Folgerung, dass man von hier aus die Meilen zu zählen begonnen, ist
irrig, und wurde auch schon vor Jahrhunderten widerlegt. ^ Diese Folgerung wider-
spricht nemlich geradezu der Nachricht, dass die Meilensteine von vielen römischen
Heerstrassen schon vorher durch C. Gracchus gesetzt worden waren, auf welchen ihr
Abstand von der Stadt und nicht von dem Forum verzeichnet war,* und überdiess,
wenn man diesem ersten Einwurf durch die Behauptung entgehen wollte, dass die
Meilensteine auch versetzt werden konnten, der Umstand, dass man an verschiedenen
Strassen noch Meilensteine und an der Via Appia namentlich den ersten gefunden
hat. Dieser beweist nemlich durch seine Entfernung (er wurde in der Vigna Naro
noch auf seinem Platze gefunden und steht jetzt auf dem Terrassengeländer der Piazza
del Campidoglio zur Rechten), dass man die Via Appia von der alten Porta Capena,
welche bei S. Gregorio anzunehmen ist, und nicht vom Forum an zu messen be-
gonnen habe. Auf dem Miliarium aureum aber waren wahrscheinlich die Entfer-
nungen der Hauptstadt von allen Endpunkten der italischen Strassen angegeben.
Wie verhältnissmässig wenige Bronzegegenstände dem Raube der Gothen und
Vandalen entgingen, so scheint auch die vergoldete Bronzebekleidung dieser beiden
Denkmäler an den Ecken der Gräcostasis diese Epoche nicht überdauert zu haben.
Doch kannte man wenigstens noch im 9. Jahrhundert den Umbilicus Romae, dessen
Identität mit dem Miliarium des Augustus, wie Verfasser dieses selbst sie früher
vertreten, wohl kaum mehr aufrecht zu halten ist. Seit der Abtragung von SS.
Sergio e Baccho, welche Kirche sich am Severusbogen und wahrscheinlich
zwischen diesem und der Phocassäule befand, scheint der Umbilicus in Folge der
Ebnung des Schuttes verschwunden zu sein. Im Jahre 1803 ward bei Gelegenheit
der Ausgrabung und Ummauerung des Severusbogens das Basament mit mehren
Fragmenten wieder entdeckt , aber wieder verschüttet : erst nach dreissig Jahren
wurde es neuerdings aufgegraben, aber schon in einem minder erhaltenen Zustande
gefunden, als es Fea beschrieben hat. Ob der Backsteinbau schon der augusteischen
Zeit und somit der Erbauungszeit der Gräcostasis angehöre, lässt sich schwer ent-
scheiden; jedenfalls ist der Ziegelbau aus sehr guter Zeit.
1 Dio Cass. LIV. 8. ^ Plut. Galb. 24. ^ Lucae Holstenii de miliario aureo. (Graev. Thes. Ant.
Rom. tom. IV. p. 1805.) * Plut. C. Gracch. 7.
\ 02 Das Forum Romanum,
12. Der Triumphbogen des L. Septimius Severus.
Nahe an den drei letztbeschriebenen Uebenesten dem Goncordientempel ge-
genüber, etwas tiefer gelegen als dieser und mehr als 3 Meter über dem Niveau
des Forum selbst^ erhebt sich ein Triumphbogen, welcher nach der Inschrift dem
Kaiser L. Septimius Severus errichtet wurde. Er ist mit Ausnahme des Unterbaues
von penteHschem Marmor, 23 Meter hoch, 25 breit und 11,85 tief mit Einschluss
der Säulenbasamente, und hat drei Bogendurchgänge. Vom Forum her führten acht
Stufen zu den Seitendurchgängen, was auch ursprünglich, wie sich bei den von
Fea angestellten Untersuchungen ergab, für den Mittelbogen der Fall war. Man
mtisste demnach voraussetzen, dass die Triumphatoren des III. Jahrhunderts n. Chr.
den Bogen zu Fuss durchschnitten, wenn es nicht wahrscheinlich wäre, dass die
eigentMche Triumphalstrasse, die Sacra Via, wenigstens in früherer Zeit auf der
anderen Langseite des Forum hinlief und durch den Tiberiusbogen zum Clivus
Capitolinus gelangte, wodurch die Schwierigkeit mit der Treppenanlage wegfiele.
Indess konnte man es bei zunehmendem Wagenverkehr in der letzten Epoche der
Kaiserzeit nur angemessen gefunden haben die störende Stufenunterbrechung an der
durch den Severusbogen führenden Strasse zu beseitigen, auch wenn die
Triumphalzüge die letztere nicht benutzten, und so wurde der Weg zum
Mittelbogen, die Stufen ausgleichend, wie die übrige Strasse mit Basaltpolygonen
übei'pflastert. Der Unterbau ist von Travertin und erhebt sich an der Forumseite
um 2,65 Meter über der unmittelbar vorliegenden travertingepflasterten Terrasse, wäh-
rend er auf der entgegengesetzten Seite von dem hier gleich hohen Clivus bedeckt ist.
Von den drei hohen Durchgängen ist der mittlere 7 Meter weit und an der Capi-
tolseite 1 2,3o Meter hoch. Die Seitenbogen sind 3 Meter weit und 7. so hoch. Diese
stehen mit dem Mittelbogen durch zwei kleinere Durchgänge in Verbindung, welche
die zwei massiven Mauern zwischen dem Mittel- und den Seitenbogen durchschnei-
den. Die Bogenwölbungen (Tonnengewölbe) sind quadratisch cassettirt und die
Cassettenfelder mit abwechselnden Rosetten geschmückt. Die beiden Langseiten
des Triumphbogens werden durch je 4 Säulen senkrecht gegliedert, welche Säulen
auf eigenen dreifachgestuften Basamenten und einem besonderen Piedestal stehen,
auf dessen drei Seiten sich Reliefdarstellungen befinden, die auf den Triumph des
Kaisers sich beziehen und Barbaren, mit Beinkleidern, einer befransten Chlamys und
der phrygischen Mütze bekleidet und von römischen Soldaten gefangen geführt,
in ziemlich roher Arbeit darstellen. Die Säulen selbst sollen von proconnesischem
Marmor sein, die attische Base misst 0,48, der canellirte Schaft 7,i8, das composite
' H. Jordan, Ausgrabungen auf dem Forum. Hermes VII. (1873) p. 273.
Der Triumphbogen des L. Septimius Severus. 4 03
oder römische Capital I,i2 Meter in der Höhe. Der Durchmesser der Schäfte beträgt
unten 0,90, oben 0,80 Met. Den Säulen entsprechen ebenso viele an den Bau selbst
angelehnte Pilaster von denselben Verhältnissen und derselben Ordnung. Die arge
Verstümmelung hat es leider nöthig gemacht, die Säulen mit eisernen Bändern zu
umschlingen und zu festigen.
Ueber den Seitenbogen zwischen je zwei Säulen befinden sich grosse Reliefs
(3,95 Met. hoch und 4, 90 Met. breit), vier an der Zahl, des Severus Züge gegen die
Parther, Osrhoener oder Adiabener und Araber vorstellend. Trotz der bedeutenden
Verstümmelung, welche die Oberflächen, besonders aber die Köpfe, Hände und Füsse
fast aller Figuren erfahren haben , lassen sich doch die Umrisse der Darstellungen mit
Sicherheit erkennen , und die vorhandenen Abbildungen ^ weichen von der Wahrheit
nur sehr wenig ab: mehr jedoch die Erklärungen derselben, ^ w^elche oft ganz will-
kürlich den dürftigen Zügen der Geschichte der erwähnten Kriege ^ entnommen sind.
Die älteren Erklärer scheinen überhaupt von der Auffassung ausgegangen zu sein, die
Geschichtschreiber hätten immer nichts als einen Commentar zu den monumentalen
Darstellungen derselben Begebenheiten geschrieben. Im Allgemeinen zeigen die Reliefs
Darstellungen von Belagerungen orientalischer Städte, siegreiche Schlachten der Römer,
Flucht und Unterwerfung der Barbaren; im Einzelnen aber werden sie, wofür wir
allerdings keine Gewährleistung übernehmen wollen, mit der geschichtlichen Ueber-
lieferung in folgender Weise in Einklang gebracht: Als Severus die beiden Gegen-
kaiser Aemilianus und Pescennius Niger im Pontus und in Syrien unterworfen hatte,
zog er im J. 195 n. Chr. nach Nisibis im nördlichen Mesopotamien , nahe an den ar-
menischen Gebirgen, welche Stadt von den Parthern eben belagert und hart bedrängt
wurde, entsetzte es und trieb den parthischen König Vologesus in die Flucht. Dann
zog er gegen Carrhä (westlich von Nisibis), nahm die unvertheidigte und verlassene
Stadt in Besitz und rückte von da gegen die Osrhoener oder Adiabener ins Feld.
(Diese Ereignisse werden auf dem für den Beschauer zur Linken angebrachten Relief
der Forumseite gesucht.) Abagarus, König der Osrhoener, flüchtet zur Gnade des Se-
verus. Dieser belagert die Stadt Hatra unweit des Tigris. (Relief zur Rechten auf der-
selben Seite.) Im Jahre 199 zieht Severus, nachdem er den aufrührerischen Albinus
in Gallien unterworfen, abermals in den Orient. Die Parther verlassen Babylon, das
nun den Römern offen steht. Hatra wird zum zweitenmale belasert. (Relief auf der
* Veteres Arcus Augustorum notis .lo. Petri Bellorii illiistrata del. et sciilpt. a S. Bartolo (nach Pietro He-
reltino von Cortona Zeichnungen)- Roma. MDG.VC. L. Rossini, Gli Archi trionfali onorarii e funebri degli an-
tichi Romani. Roma s. a. * losephi M. Suarosi Ep. o. V. Apparatus historicus ad evplicationem arcus L. Severi
Aug. (Vet. arc. fol. 16 — 19.) * Ammian. Marcellin. XXV. 8. Herodian. III. 9. Script. Hist. Aug. (Spartian.)
Vit. Severi 15. 16. Dio Gass. ap. (Xipliiiin.) LXXV. 1 — 3. 9—12.
/|()4 Das Forum Romanum.
Capitolseite , dem Beschauer zur Rechten.) In den Jahren 201 und 202 ergibt sich
Ktesiphon , Seleucia wird den Parthern abgedrungen ; der Partherkönig Artabanus flieht
und die Araber, welche sich ebenfalls zu Gunsten der Parther an dem Kriege be-
theiligt hatten, bitten um Gnade. (Relief derselben Seite, links.) — Unter diesen vier
grossen Reliefs befinden sich vier andere von derselben Länge, aber nur 0,72 Met. hoch.
Sie stellen in ziemlich gleichartiger Weise den Triumph der Roma über die Besiegten
vor. Die Göttin , an dem rechten Ende sitzend , empföngt die Huldigung eines Weibes
mit der Tiara, der Personification je einer der besiegten orientalischen Völkerschaften.
Hinter ihr wird die Beute, auf Wagen von Rindern und Pferden gezogen, aufgeführt.
Die beiden Bogenschlüssel des Mittelbogens zeigen noch das verstümmelte Hochrelief
des Mars Victor, die Figuren an den Bogenschlüsseln der Seitenbogen sind jedoch nicht
mehr erkennbar : die alten Zeichnungen zeigen den Herkules und Bacchus, die Schutz-
gottheiten des Hauses des Severus. In den Bogenwinkeln des Hauptbogens sind
schwebende Victorien mit phrygischen Mützen auf den Trophäen in Basrehef abgebildet,
darunter die geflügelten Genien der vier Jahreszeiten, der Frühling mit Blumen,
der Sommer mit Sichel und Aehren, der Herbst mit Traube und Schale, der Winter
verhüllt, in ihren Attributen jedoch ziemhch beschädigt. In den Bogenwinkeln der
Seitenbogen sind Flussgottheiten dargestellt, unter welchen wir uns wohl den Eu-
phrat, den Tigris und die Nebenflüsse des ersteren, den Belichas oder einen Zweig
desselben, an welchem Carrhä, und den Mygdonius, an welchem Nisibis lag, vor-
stellen dürfen.
Die Rehefs zeigen den in der Zeit des Severus bereits weit vorgeschrittenen
Verfall der Kunst in unverkennbarer Weise. Die Composition ist, obwohl sich die ein-
zelnen Figuren in den Hauptreliefs unmässig abheben, flach, das Ganze ohne Aus-
druck und Würde und die Arbeit im Einzelnen nachlässig und eintönig. Es ist ein
Nebeneinander sich wiederholender Scenen nach denselben Schablonen, ohne Haupt-
gruppe, und die Handlung spinnt sich in mehren geradlinigen Streifen übereinander
in der geschmacklosesten Weise ab : man woflte recht viel von der Geschichte des
Krieges geben und brachte diesem Bestreben den Totaleindruck zum Opfer. Die klein-
liche Zeichnung des Reliefs macht den ganzen Bogen monströs und unharmonisch.
Denselben Zustand der Kunst, dieselbe bedauerliche Abnahme des guten, von den
Griechen ererbten Geschmacks zeigt auch die weitere Anlage des Bogen s nach oben,
und zunächst das Gebälk durch seine überladene Ornamentik und ungefäflige Profilirung.
Dieses, welches 2,io Met. hoch ist und sich in der Höhe der Säulen um das ganze
Denkmal herumzieht, bildet über den Säulen entsprechende Vorsprünge. Auf diesem
Gebälkgürtel ruht dann der Aufbau, den man Attika nennt, welcher 5,6o Met. hoch ist
und im Innern vier nebeneinanderliegende Kammern enthält. Von diesen nimmt eine
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Der Triumphbogen des L. Septimius Severus. 105
die Treppe, die in dem südwestlichen, dem Saturntempel zugewandten Pfeiler an-
gebracht ist und von welcher man noch die kleine Eingangsthiire an der Aussenseite
desselben Pfeilers in ziemlicher Höhe über dem Boden sieht. Die Attika selbst hat ein
leicht angezeigtes Basament und oben ein Kranzgesimse ; über den vier Ecksäulen aber
ist sie mit einer Art von Pilastern geschmückt, die von dem vorspringenden Gebälke
getragen werden und nach den noch sichtbaren Nietenlöchern mit einer Bronzever-
zierung, nach der Anordnung der Löcher wahrscheinlich römische Feldzeichen, ver-
sehen waren; sonst hatte die Attika, was dem Eindrucke des Denkmals sehr nach-
theilig ist und die Mittelsäulen, nach ihrer Bestimmung des Tragens, zwecklos macht,
keine senkrechte Gliederung. Denn die Gebälkvorsprünge der vier mittleren Säulen
können auch weder Statuen noch anderen Schmuck getragen haben, da die fort-
laufende Inschrift, welche die ganze Attika zwischen den Eckpilastern , auf beiden
Seiten wiederholt, einnimmt, nicht beeinträchtigt und theilweise bedeckt werden durfte.
Diese Inschrift, welche, wie aus den Nietenlöchern ersichtlich ist, einst mit Metall-
buchstaben ausgelegt war, lautet:
IMP CAES LVCIO SEPTIfflIO M FIL SEVERO PIO PERTINACI AVG PATRI PATRIAE PARTHICO ARABICO ET
PARTHICO ADIABENICO PONTIFIC MAXIMO • TRIBVNIC POTEST Xi IMP XI COS lil PROCOS ET
IMP CAES ffl AVRELIO L FIL ANTONINO AVG PIO FELICI TRIBVNIC POTEST VI COS PROCOS P P
OPTIMIS FORTISSIMISQVE PRINCIPIBVS
OB REMPVBLICAM RESTITVTAM IfflPERlVMÜVE • POPVLI • ROMANI PROPAGATVM
INSIGNIBVS VIRTVTIBVS • EORVM DOffll FORISÜVE SPÜR
Die Höhe des Denkmals war, wie wir aus einer Münze des Severus vom J. 204 (trib.
pot. XII. Severi) ^ ersehen , mit einem ehernen Sechsgespann gekrönt. Auf dem Wagen
sind zwei Gestalten zu unterscheiden, von denen die eine den Kaiser Septimius Se-
verus, die andere die krönende Victoria darstellen soll; zu beiden Seiten gehen zwei
Männer zu Fuss, die für die Söhne des Severus, Antoninus (Caracalla) und Geta ge-
halten werden; an den Ecken standen vier Reiterbilder.
Die Inschrift gibt uns als die Zeit der Erbauung dieses Denkmals das I I . Jahr
der tribunicischen Gewalt des Septimius Severus, und das 6. des Antoninus, welche
Angaben, da die Zahlen des Tribunats mit den Regierungsjahren zusammenfallen, das
Jahr 203 n. Chr. bezeichnen. Die Münze des Severus von seinem zwölften und des An-
toninus von dessen siebentem Tribunatsjahre beweisen jedoch , dass der Triumph selbst
erst im Jahre 204 gefeiert ward. Der zweimal genannte Ehrentitel »Par/A/cMS« weist
auf die zwei Züge des Severus gegen die Parther, von welchen der erste nach einigen
* Eckhel, Doctrin. Num. Vet. Vind. 1797. Pars IF. Vol. VIT. p. 183.
F. Reber, die Ruinen Borns. 4 4
\QQ Das Forum Romanum
Andeutungen der Geschichtschreiber allerdings nicht so siegreich gewesen zu sein scheint,
als sie selbst berichten; denn Severus wies den Titel Parthicus damals zurück und
nahm auch den Triumph nicht an,^ wie er denn überhaupt Römer genug war, sich
in Kriegen zu gefallen, und Philosoph genug, Triumphe (wenigstens unverdiente,
können wir hinzusetzen) zu verschmähen. Obwohl es schon vorher auffallend gefunden
worden war, dass der Name Geta's , des Bruders des Antoninus Caracalla , in der In-
schrift nicht genannt sei, weil bekanntlich Septimius Severus darin bis zum Ueber-
maasse ängstlich war, seine beiden Söhne mit allen Würden und Ehren in gleicher Weise
auszuzeichnen, bemerkte doch erst Nardini,'^ dass die auf Geta bezüglichen Worte
später aus der Inschrift getilgt worden seien. Die Stelle nämlich, welche die Worte
P.P
OPTIMIS FORTISSIMISQVE PRINCIPIBVS
enthält , ist übermeisselt und vertieft und zeigt noch andere Nietenlöcher einer früheren
Inschrift, die Hadrian Auzot untersuchte und dafür die Worte
ET
P SEPTIMIO GETAENOBILISSIMOCAESARI OPT
entzifferte. Die Sache erklärt sich leicht. Der lange Bruderzwist zwischen Antoninus
und Geta, der die sonst kraftvolle und glorreiche Regierung ihres Vaters verdüsterte,
erlosch endlich, sobald Severus abgeschieden war, in dem Blute Geta's, und Caracalla,
den nach seinem heuchlerischen Vorgeben der AnbHck des Bildnisses oder Namens
seines Bruders, den er ermordet hatte, zu Thränen rührte, ^ der das blosse Aus-
sprechen von Geta's Namen mit dem Tode bestrafte,* tilgte auch hier wie überall
(wovon wir noch am Velabrum ein zweites Zeugniss an der kleinen Ehrenpforte des
Severus besitzen) den verhassten Namen. Er erreichte jedoch seine Absicht nicht, die
Erinnerung an die verruchte That zu vertilgen, im Gegentheil, er verewigte sie auf
diese Art selbst in monumentaler Weise an den Ehrendenkmälern seines Vaters.
Marliani sagt, der Triumphbogen des Severus sei zu seiner Zeit (16. Jahrh.)
noch fast ganz unverletzt gewesen. Im Mittelalter hatte jedoch der Bogen schon dazu
dienen müssen, einen Thurm zu tragen und der Kirche S. Sergio e Bacco eine Stütze
zu geben, von welchen beiden Anbauten er beim Einzüge Karls V. auf Befehl des
Papstes Paul III. befreit wurde. Am Ende des 17. Jahrhunderts nahm sich der Car-
dinaldecan und Vicekanzler Francesco Barberini des damals vielfach beschädigten Denk-
mals an und stellte namentlich die Säulen, welche eingestürzt waren, wieder auf.
Um die zertrümmerten Säulenschäfte zu ergänzen, hätte man freilich anderes Material
* Script. Hist. Aug. (Spartian.) Sever. 9. ' Nardini, Roma antica. 1660. (Graev. Thes. Ant. Rom. tom. IV.
p. 1161.) 8 Spartian. Carac. 3. Get. 7. * Dio Cass. LXXVII. 12.
Das (maraerliniscbe) Gefiingniss. 107
finden können, als Ziegel und Mörtel, was namentlich an der dem Miliarium aureum
zunächst liegenden Säule der Capitolseite noch so sehr verletzt. Die Päpste Leo X.,
Pius IV. und Gregor XV. arbeiteten zu verschiedenen Zeiten an der Ausgrabung des
Denkmals, w^elches nach den Abbildungen von Overbecke^ und Piranesi^ bis zum
Bogenansatz der Seitendurchgänge verschüttet war, doch der vom capitolinischen Hügel
stets nachrollende und durch keine Mauer zurückgestaute Schutt verhinderte einen
vollkommenen, dauernden Erfolg. Eine wiederholte Ausgrabung machte Pius VII. da-
durch von Dauer, dass er sie im Jahre 1803 mit einer Substructionsmauer umgab
(Inschrift an der Forumseite derselben). An der Capitolseite wurde diese Mauer bald
durch che vollständige Aufdeckung des Clivus Capitolinus und der beiderseitigen Ruinen
desselben entbehrlich : vielleicht beseitigt in der Folge der Zeit, wenn nach dem Aus-
toben der politischen Stürme wieder an die Ausführung wissenschaftlicher Unter-
nehmungen gedacht werden kann, die Wiederaufnahme des schon mehrmals ge-
scheiterten Projectes der Ausgrabung des ganzen Forum auch die noch übrige eine
Hälfte der Mauer, so dass es möglich wird, durch den Triumphbogen des Severus
vom Capitol herab die Via Sacra so entlang zu wandeln, wie jetzt durch die Bogen
des Titus und Gonstantin.
13. Das (mamertinische) Gefängniss.
Wir haben nun vom Forum Romanum den nordwestlichen Theil, den Gomplex
des Ghvus Gapitolinus untersucht, einen Raum, um so dankbarer und interessanter,
als hier keine Räthsel mehr vor uns liegen , deren Lösung unter dem Schutt begraben
ruhte. Wir haben den ganzen Plan bloss vor uns, und von der Localität selbst ist
keine weitere Aufklärung mehr zu erwarten, wenn es auch noch immer Fragen
genug gibt, welche über die zum Theil sehr zerstörten Ruinen aufgeworfen werden
könnten. Wir müssen jedoch leider von der Tiefe eines vergangenen Jahrtausends
herauf zur Oberfläche der gegenwärtigen Zeit, des jetzigen Rom, um in der Be-
trachtung der übrigen Reste des Forum, zunächst der nordöstlichen Langseite des-
selben, fortzufahren. Von dieser ganzen Länge sehen wir nur noch zwei Ueberreste,
die den Anfangs- und den Endpunkt dieser Seite bezeichnen, am nordwestlichen
Ende das (mamertinische) Geftingniss , am südöstlichen den Tempel des Antoninus und
der Faustina ; von der ganzen Reihe von Gebäuden zwischen diesen , gerade von den
bedeutendsten und berühmtesten des ganzen Forum, deren Reihenfolge wir unten
nachzuweisen versuchen werden, ist keine Spur mehr übrig geblieben, oder wenn
* B. V. Overbecke, Reliquiae antiquae Uibis Romae. Amstelodami 1708. * G. Piranesi, Opere varie di
architettura , prospettiva, grotteschi, antichitä raccolte da G. Bouchard. Roma. 1750.
U*
iQg Das Forum Romanum.
auch , SO sind doch die unbekannten Reste von hohem Schutte bedeckt und von einer
Reihe moderner Gebäude belastet.
An der nördlichen Ecke des Forum nun , nahe an dem eben beschriebenen
Triumphbogen des Severus unterhalb der Kirche S. Giuseppe de' Falegnami und der
Kapelle S. Pietro in Carcere und theilweise die Grundmauern dieser beiden Gebäude
bildend, befindet sich der berüchtigte Kerker des alten Rom. Jetzt führen zwei Ein-
gänge zu demselben, der Haupteingang durch das Vorhaus der Kapelle S. Pietro in
Carcere in der Via di Marforio, und der zweite durch das an die Via dell' Arco di
Settimio Severo stossende Seitenatrium der Kirche S. Giuseppe. Tritt man in das Vor-
haus der erstgenannten Kapelle, welche selbst unter der Kirche S. Giuseppe sich be-
findet, so erblickt man in einer Länge von 16 und in einer Höhe von 6,70 Met. eine
massive Mauer aus Travertinquadern , die 0,6o Met. hoch, aber bis zu 4 Met. lang sind.
An dieser Mauer befindet sich oben auf einem etwas vorspringenden schmucklosen
Gürtel folgende Inschrift in grossen Buchstaben:
C VI Bl VS C F RVFI NVS M • COCCEI V NERVA EX S C
Die von dieser Inschrift genannten Erbauer oder Wiederhersteller dieses oberen Theiles
bekleideten im J. 774 d. St. (21 n. Chr.) das Consulat. Die Inschrift durchbrechend
führt eine moderne Thüre durch diese Mauer zur Kapelle des h. Petrus, von welcher
jedoch ausser dieser Mauer nichts antik ist; im Vorhaus der Kapelle aber führen
28 moderne Stufen zu den antiken Gefängnissen hinab. Doch ist diess von hier aus
nur bei besonderen festlichen Gelegenheiten zugänglich : der Besucher steigt sonst ge-
wöhnlich von dem Atrium der Kirche S. Giuseppe auf 45 schmalen, ebenfalls mo-
dernen Stufen hinab und gelangt durch eine in die 1,65 Met. dicke Mauer gebrochene
Oeffnung in das obere der beiden Gefängnisse. Diess hat die Form eines Trapezes,
dessen längste Seite 5, die übrigen 4,90, 4,90 und 3,6o Met. messen. Die Höhe des
Tonnengewölbes, das sogleich vom Boden beginnt, beträgt 5 Meter. Der antike Zu-
gang zu diesem Geföngnisse war im Scheitel der Wölbung , eine quadratische Oeffnung.
An der nördlichen Wand sieht man eine später vermauerte Fensternische von 1,7o Met.
Höhe und 0,6o Met. Breite, welche der Custode irrthümlich als die gemonische Treppe
erklärt. Auf der Nordwestseite steht jetzt ein Altar ; gegenüber ist der breite moderne
Eingang, der dieses jetzt ebenfalls den Aposteln Petrus und Paulus als Kapelle ge-
weihte Geftingniss durch die schon erwähnte grosse Treppe mit dem Vorhause der
über demselben liegenden Kapelle S. Pietro verbindet. An der Süd Westseite neben
dem schmalen modernen Eingange, durch den die Besucher gewöhnlich eintreten, ist
der Anfang einer ebenfalls modernen Treppe von 1 1 Stufen , welche von dem be-
schriebenen Kerker in den untersten hinabführt. An der Wand neben dieser Treppe,
Das (mamerlinische) Gefängniss.
09
oben, wird der angebliche Gesichtsabdruck des heil. Petrus gezeigt. Der antike Zu-
gang zu dem unteren Verliess war wieder nur eine runde Oeffnung im Boden des
beschriebenen oberen, beziehungsweise in der Decke des unteren Gefängnisses mit
einem Durchmesser von 0, 70 Met. Der untere Kerker ist von fast halbcirkeliger Form ;
die gerade Seite, welche gegen das Forum zu liegt, ist 5 Met. lang, die Höhe der
Kammern aber beträgt nur 2, 05 Met. Der Scheitel des Gewölbes ist abgekürzt, so
dass die Decke (zugleich der Boden des oberen Geföngnisses) nur eine sehr schmale
Krümmung zeigt. Da wegen der erwähnten runden Oeffnung kein Schlussstein die
technisch sehr unvollkommen ausgeführte Wölbung vollendet und befestigt, so sind
die Tufblöcke derselben mit Eisenklammern verbunden, die Ficoroni entdeckt hat.
6. Grundiiss des Carcer (Mameplinus). (Nach Canina.)
*— J— ^ — ' — "—^ — '—' — ' — ^—hJOst.
7. DurchscIiniU des Carcer (Mainerliiius.) (Nach Caiiina.)
Die Mauern der beiden Kerker sind zwar im Material ungef^ähr gleichartig, da sie
beide aus nicht ganz gleichen und bis zu 1,20 Met. langen Tufblöcken bestehen, die
durchschnittlich 4 Met. in der Höhe messen , sind aber hinsichtlich ihrer Structur
wesentlich verschieden. Denn während das Tonnengewölbe oben schon den Bogen-
schnitt zeigt, jene wichtige Erfindung , auf der die Richtung und Grösse der römischen
Architektur beruhte, nähern sich im unteren Verliesse die Steinlagen in horizontaler
Richtung , offenbar um , wenn sie sich genug genähert , in der Wei^e durch dach-
förmig aufgesetzte Steinplatten abzuschliessen , wie wir diess an dem merkwürdigen
Brunnenhause in Tusculum noch in vollständiger Erhaltung sehen. Dieses Kerker-
gewölbe verblieb jedoch nicht in dieser primitiven Gestalt, man nahm den Gewölbe-
abschluss ab und schloss die Kammer mit einer fast flachen, doch schon den Ge-
wölbeschnitt zeigenden Decke, die übrigens um so schwieriger zu construiren war,
als die Wände von theils geradliniger, theils gekrümmter Gestalt waren. Nicht ganz in
der Mitte dieser Kammer befindet sich in dem Boden eine runde ausgemauerte Vertiefung
j /| 0 Das Forum Romanum.
von 0,55 Meter Durchmesser und nur 0,63 Tiefe, mit stets nachfliessendem frischen Was-
ser. Der Custode erklärt, dass dieser Brunnen keinen Zufluss habe, wunderbarerweise
jedoch das Wasser nicht vermindert werden könne. Es ist dasselbe Wunder wie bei den
vielen Tausenden von Brunnen und Quellen, die vom Grunde herauf ihren Zufluss haben,
der freilich hier wegen der Dunkelheit nicht beobachtet werden kann. Der Abflusskanal,
der sich gegen Südost wendet, um in die Cloake des Forum zu münden , lässt sich noch
verfolgen. Der Brunnen selbst ist nur 3 Meter unter dem antiken Boden und so war auch
das untere Gewölbe schon in antiker Zeit unterirdisch. Das obere Gewölbe jedoch, jetzt
gleichfalls unter dem mächtigen Schutt begraben, bildete im Alterthum das erste Stockwerk,
die Wand aber, auf welcher wir beim Eintritte in das Vorhaus der Kapelle Pietro in Car-
cere die Inschrift des Rufinus und Nerva lesen, gehörte schon dem zweiten Stockwerke an.
lieber den Zw^eck dieser Gewölbe kann kein Zweifel bestehen, denn im ganzen
Mittelalter waren sie als CarcerMamertinus bekannt,^ welcher Name sich auch dauernd er-
halten hat, und die Localität stimmt auch mit den classischen Erwähnungen aufs vollkom-
menste überein. Die Bezeichnung Mamertinus (Mamers, alte Nebenform von Mars) könnte,
obwohl sie in antiken Nachrichten nicht gefunden wird , doch aus den ältesten Zeiten
stammen, würde dann auf Ancus Marcius , den vierten König von Rom , der als der Er-
bauer des Kerkers genannt wird,^ hinweisen, was jedoch nicht als so ausgemacht gelten
kann, als gewöhnlich geschieht. Denn die bekannte Statue des Marforio befand sich, ehe
Sixtus V. sie in das capitolin. Museum brachte, gerade dem Carcer gegenüber, und da
man ihn in grobem Missverständniss und Uebersehen der Gestalt und Attribute eines
Flussgottes für einen Mars hielt, so erklärt sich der Name simulacrum Mamertini, unter
welchem er sich frühzeitig findet, ^ ebenso leicht, wie der später gangbarere Unsinn
Marforio. Der dem simulacrum Mamertini fast gegenüberliegende Carcer konnte nun leicht
auch denselben Zunamen erhalten haben. — Es wird berichtet,* dass Servius Tullius,
der sechste König von Rom, zur Anlage des Ancus noch ein unterirdisches Verliess hin-
zugefügt habe, welches nach ihmTullianum genannt wurde. Indem man nun diese Notizen
mit der Localität in Verbindung setzte , kam man zu dem bequemen und überdiess fast
von allen Topographen Roms angenommenen Schlüsse, die obere der beiden Geföngniss-
kammern sei für das Werk des Ancus, die untere für das des Servius Tullius zu halten.
Allein dieser summarischen Annahme stehen unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen.
Einerseits ist es nicht zu bezweifeln, dass das untere feuchtkalte Verliess mit dem Brun-
* Ordo Romanus (1143) ed. Mabillon Mus. Ital. tom. II. p. 143. " Liv. I. 33. '' Mart. Polon. Cliron.
Die stelle fehlt mit der ganzen topogr. Abhandlung in den mir bekannten Ausgaben (Amstel. 1574. Col. Agr. 1616.
Schilter), findet sich jedoch in vielen Mss. (so Cod. Beuerb. 31. Oberalt. 2H. Ben. 273 in München). Der Anony-
mus Einsiedl. nennt die Statue noch richtig »Tiberis.« (Arch. f. Philol. u. Päd. Suppl.-Bd. V. p. 132. 134.) Doch
schon in den Mirabiiien (Montfauc. Diar. Ital. p. 287) heisst sie »Mars«. * Varro L. L. V. 32, 42. p. 150. Speng.
Fest. s. V. Tullianum.
Das (mamerlinische) Gerängniss. | | \
nen, daslugurtha, als er hinabgelassen wurde, höhnend ein kaltes Bad nannte, der unter-
irdische Theil des Gefängnisses, wirldich das von Varro so beschriebene, und von Sallust ^
ungefähr 1 2 Fuss unter der Erde befindlich genannte Tullianum war, anderseits ist es
doch nach der Structur und BeschafTenheit beider Kammern, wie schon W. Gell behaup-
tet, 2 unmöglich, dass das untere Gewölbe späteren Ursprungs sei, als das obere. Es ist
schon erwähnt worden, wie die Gewölbeconstruction unten bis auf die später angesetzte
und vielmehr den Boden der oberen Kammer bildende Decke noch keine Spur von Stein-
schnitt zeigt, dass vielmehr die Wände sich dadurch nähern, dass die horizontalen Stein-
lagen nach oben zu immer weiter vorspringen, während die obere Kammer von Grund
auf aus einem regelmässigen Tonnengewölbe besteht. Schon daraus ergibt sich offenbar,
dass der B^u der unteren Kammer dem der oberen vorausging und in eine Bauperiode
gehörte, in welcher man mit dem Bogenschnitt noch nicht vertraut war, wobei von der
Schwierigkeit kaum eine Erwähnung nöthig ist, den Kellerraum eines Gebäudes mit den
Mauern, aufweichen dasselbe zum Theil ruht, erst zu bauen, nachdem das Gebäude selbst
schon besteht. Die Schwierigkeit wird noch vermehrt durch die in neuester Zeit allge-
meine und auch unzweifelhafte Annahme, dass diese unterirdische Kammer nicht
ursprünglich als Verliess erbaut wurde. Die Quelle im Boden derselben diente sicher
vormals als Brunnen und die Mauern ringsum sind nichts anderes als die Wände des
ehemaligen Brunnenhauses, welches mit dem noch vollständig erhaltenen Brunnenhause
von Tusculum die grösste Aehnlichkeit hat. Als es zum Geföngnisse umgewandelt wurde,
dachte man die spitze Decke, wie wir sie in Tusculum noch sehen, ab, und schloss das
Verliess mit dem flachen Gewölbe, welches beschrieben worden ist. In dieser Weise und
nur in dieser erklären sich die Verhältnisse und die Structur der unteren Kammer. Wie
könnte man sonst die Mauern erklären, wie könnte man sonst rechtfertigen, dass man
für den Ort, in welchen Verbrecher hinabgelassen wurden, um zu verhungern oder durch
ein rascheres Supplicium entweder erdrosselt, oder erschlagen oder in anderer Weise
getödtet zu werden, einen Brunnen baute? Als einmal das massive Brunnenhaus stand,
und vielleicht den Wünschen der Bevölkerung aus irgend einem Grunde nicht entsprach,
da konnte man es leicht in einen Kerker verwandeln, der Schreckliches genug hatte,
wenn man das suchte, nächtliches Dunkel und feuchte schaudererregende Kälte.
Wenn man aber diess ehemalige Brunnenhaus als das von Servius TuUius in
ein Gefängniss umgewandelte Tullianum erkennt, so kann nimmermehr das darüber-
liegende Gewölbe als der Carcer des Ancus Marcius erkannt werden. Denn dieser
Aufbau musste aus den angegebenen Gründen späteren Ursprungs sein, als seine
Grundlage, wesshalb wir darauf verzichten müssen, den ältesten von Ancus erbauten
* Sallust. Coni. Catil. 55. * W. Gell, Topography of Rome, Addenda p. 495—496. cf. Sallust. 1. c. Liv.
XXIV. 44. XXIX. 22.
] 1 2 D''>s Forum Romanum.
Kerker noch zu besitzen. Wahrscheinlich war jedoch auch dieser Aufbau aus ziem-
hch früher Zeit, die sich jedoch nicht naher ermitteln lasst, und nach Art der Struc-
tur sicher älter als die Restauration durch Rufinus und Nerva, welcher wahrschein-
lich nur das zweite Stockwerk, dessen Fronte mit der Inschrift noch theilweise erhal-
ten ist, angehört. In der Kaiserzeit musste jedenfalls der Kerker umfänglicher gewe-
sen sein, da für die Despotie die gelinde Haft der Lautumiä nicht entsprechend
erscheinen konnte. In der Zeit der Repubhk nemlich war der Carcer nicht für län-
gere Haft, sondern nur für die schweren Verbrecher bestimmt, welche nur ihre Hin-
richtung hier zu erwarten hatten, die denn auch in dem Tullianum selbst vollzogen
wurde. ^ Die geringeren, nicht auf Todesstrafe processirten Verbrecher, 2 auch die
Kriegsgefangenen 3 wurden in den sogenannten Lautumiä in Haft gehalten.' Es waren
diess alte, ausgenutzte Steinbrüche, die durch ihren Namen und nunmehrigen Zweck
an die berüchtigten Latomien von Syracus erinnern. Das gegenseitige Verhältniss
zwischen Carcer und Lautumiä wurde von Becker (a. a. 0.) aus den Ueberlieferun-
gen der Alten überzeugend dargethan; minder annehmbar dagegen und durch Momm-
sen * widerlegt, ist es, dass Becker die Lautumiä an das Südostende des Forum ver-
setzt, ^ nicht bloss, weil diess dem Berichte Varro's (a. a. 0.), welcher den Carcer
mit den Latomien verbindet, widerspricht, sondern auch darum, weil man nicht daran
denken konnte , Bausteine an ebenen Plätzen aus der Tiefe herauszuarbeiten , wäh-
rend die Höhen biossliegendes und für den Anfang ohne Vertiefung erreichbares
Material genug darboten, das überdiess compacter und besser war, als der Bröckel-
tuf an der von Becker beliebten Stelle. Bunsen^ ferner glaubt überhaupt ein Stadt-
viertel am Forum Romanum unter der volksthümlichen Bezeichnung in laulumiis ver-
stehen zu müssen, welche Ausdehnung jedoch als eine übermässige erscheinen muss,
obwohl jedenfalls die dem Geföngnisse nächste Umgebung den Namen trug, wie
daraus erhellt, dass mehre Privatgebäude in diesem Bezirke erwähnt werden. ' Von
diesen wird unten noch mehr gesprochen werden.
Schon bei der Verschönerung des Forum in dem letzten Jahrhundert der
Republik durch grosse Neubauten beschränkt, wurden die Latomien durch die Pracht-
anlagen der Kaiserfora ganz weggetiigt. Der Carcer jedoch mit dem Tullianum erhielt
sich zum grossen Theile bis auf den heutigen Tag. Durch die feuchte Kälte und die
Dunkelheit in dem engen Brunnengewölbe wird noch jetzt die Erinnerung an die
schrecklichen Scenen, deren Zeugen die engen Mauern waren, an den lugurtha, der
* cf. Becker, Handb. d. röm. Alterth. B. I. S. 262 — 266. = M. Ann. Seneca Controv. 27. =* Liv.
XXXII. 26. XXXVII. 3. * De cornitio Romano, curiis laniqiie templo Annal. d. I. d. Corr. a. 1844.
p. 288 sq. c. 9. ^ Becker, H. d. r. A. p. 267. 268. « Beschreibung der Stadt Rom. 111. Bd. p. 28. ' Liv.
XXXIX. 44.
Das (raamertinische) Gefängniss. 113
hier den Hungertod erlitt, an die hier hingerichteten Mitverschwornen Catilina's und
viele andere, lebhaft unterstützt. Auch die Apostel Petrus und Paulus sollen hier
ihre letzten Tage zugebracht haben. Eine von Papst Benedict XIII. in dem Vorhaus
von S. Pietro in Carcere über der Treppe links angebrachte Inschrifttafel, welche die
Geschichte des Kerkers in der christlichen Zeit zusammenfasst, berichtet sowohl dieses,
wie auch die Sage von dem Quell im Tullianum, welchen die Apostel, nachdem sie
die beiden Gefängnisswärter und nachmaligen Heihgen Processus und Martinianus und
noch 47 andere spätere Märtyrer bekehrt hatten, durch ein Wunder hervorgerufen haben
sollen, um sie mit seinem Wasser taufen zu können. Auf Verlangen Constantin's weihte
Papst Sylvester den Kerker den heiligen Aposteln.
Zur Linken von dem beschriebenen Gefiingnisse musste die berüchtigte gemonische
Treppe gewesen sein, auf welcher die im Kerker hingerichteten Verbrecher hingeworfen,
und eine Zeit lang zur Schau ausgestellt wurden, ehe man sie mit eisernen Haken in
den Tiber schleppte. Ein Blick auf den Plan zeigt auch nur für einen keineswegs breiten
Aufgang, der wegen des directen Aufsteigens wohl nur eine Treppe sein konnte, zwischen
dem Tullianum und dem Tempel der Concordia, Raum. Die Scalae Gemoniae mussten
wenigstens in ihrem untern Theile dieselben Treppen gewesen sein, welche, wie Ovid ^
sagt, von dem Tempel der Concordia zu dem Tempel der Inno Moneta auf die Arx führ-
ten, denn die Localität lässt gar keine andere Annahme zu ; die Treppe aber musste zu-
nächst an dem Tabularium vorbei auf die Senkung zwischen den beiden Hügeln, den Platz
des Asyls, das sog. Intermontium (die heutige Piazza del Campidoglio) führen, denn es
wäre sonst nicht wohl möglich gewesen, dass man vom capitolinischen lupitertempel her
auch auf diesem Wege zum Forum herabging. ^ Von der Treppe liegt nichts mehr zu
Tage und wenn Becker ^ behauptet, zu Lucio Fauno's Zeiten sei man bei einer Nachgra-
bung auf diesen Aufgang gestossen , so ist das nur ein Missverständniss des betreffenden
Berichtes, * in welchem ganz unverkennbar von dem Clivus Capitolinus selbst gesprochen
wird. Ebenso unrichtig ist seine Behauptung, dass sie bei der letzten Ausgrabung
des Severusbogens wieder zum Vorschein gekommen sei, indem man den rechten
Flügel des Concordientempels gar nicht blossgelegt hat, und desshalb zur daran-
stossenden Treppe nicht gelangen konnte, umsoweniger, als das Seitenatrium der
Kirche S. Giuseppe de' Falegnami in seinen Grundmauern darauf ruht. — Der moderne
Stufenweg (Via di Arco di Settimio Severo) aber, der die gemonische Treppe unget^hr
vertritt, befindet sich etwas weiter zur Linken und bedeckt den rechten Flügel des
Concordientempels.
' Ovid. Fast. I. v. 637 sq. * Dio Cass. LVIII. 5. ' Becker, H. cl. r. A. I. Bd. S. 415. * Lucio
Fauno, delle antichitä della cittä di Roma. Venet. ■1548. 32 b.
F. Heber, die Buincn Borns. 1 5
1 1 4 Das Forum Romanum.
14. Die nordöstliche Langseite des Forum (die Basilica Porcia, der Curia-
complex, die Basilica Aemilia).
Wie oben erwähnt worden ist, sind uns von der ganzen nordöstlichen Langseite
des Forum nur die beiden Endpunkte in Ueberresten gegeben , der merkwürdige Raum
zwischen denselben aber ist ohne alle Spuren in tiefem Schutt begraben und auf diesem
Schutte erhebt sich eine moderne Häuserreihe in der vollen Anspruchslosigkeit einer
Vorstadt, als welche jetzt das ganze alte Rom südöstHch vom Capitolinus wohl betrachtet
werden kann. Die nur wenig über 200 Meter betragende Länge enthält jedoch mit Ein-
schluss der beiden genannten Endpunkte nicht weniger als fünf Kirchen, S. Giuseppe,
S. Pietro in Carcere, SS. Martina e Luca, S. Adriano und S. Lorenzo in Miranda, welche
ich aber mit Ausnahme der zweiten nur menschenleer angetroffen ; der Campo vaccino
ist eben heutzutage ein für das römische Leben unbedeutender Ort, als ungesund im Ver-
rüfe und verhältnissmässig öde, und die fortschreitenden Ausgrabungen tragen auch gerade
nicht dazu bei, das schmutzige Leben dieser Quartiere hieher besonders zu fesseln , was
auch durchaus nicht zu beklagen ist. Es ist im Gegentheile sehr zu bedauern, dass diese
Häuserreihe mit den Kirchen eine Ausgrabung und Erforschung der antiken Ueberreste
der Nordseite des Forum nicht leicht thunlich macht, denn gerade auf dieser Seite
befand sich das denkwürdigste Gebäude des ganzen Forum, das Herz des römischen
Reiches in der republikanischen Zeit, nemlich die Curia.
Es hegt nun allerdings nicht im Plane dieses V^erkes eine vollständige Topo-
graphie des alten Rom zu geben, es sollen vielmehr zunächst nur die noch vorhan-
denen Reste beschrieben und erklärt werden, allein da jetzt ein so grosser Theil des
römischen Forum aufgedeckt vor uns liegt, darf davon nicht Umgang genommen
werden, von dem bedeutendsten Platze der alten Welt auch die noch fehlenden
Glieder zu reconstruiren, und den Körper thunlichst zu vervollständigen, umsoweniger
als das Eine das Andere ergänzen, erklären und beweisen muss, und als sonst von
all den Tempeln und Staatsgebäuden des denkwürdigen Platzes gerade das Haupt
fehlte. Die Untersuchung ist auch so wichtig und interessant, dass sie in einem Zeit-
raum von wenigen Jahren in besonderen Abhandlungen vorgenommen^ und dadurch
die Frage der Entscheidung jedenfalls genähert wurde. Der Verfasser des vorhegenden
Werkes, der sich an der Untersuchung ebenfalls betheiligte,^ hatte das Vergnügen,
in der durch seine Abhandlung veranlassten Schrift Detlefsen's seine Hauptthese be-
züglich der Lage der Curia Hostilia bestätigt zu finden, und hat keinen Anlass, von
* Th. Mommsen, s. S. H2. Anm. 4. Urlichs, Ueber die Lage der Curia Hostilia, Archäologische Zeitung. Jahr-
gang 1846. No. 4 3. p. 306—308. D. Detlefsen, de comitio Romano. Annal. d. I. d. C. a. 1860. * F. Reber, Die
Lage der Curia Hostilia und der Curia lulia. München 1858.
Die nordöstliche Langseite des Forum. 115
seinen dargelegten Annahmen etwas Wesentliches zurück zu nehmen, kann vielmehr,
was namentlich die Details des Curiacomplexes betrifft, deren Erörterung hier zu
umfangreich wäre, auf seine unten angezogene Abhandlung verweisen.
Es sind vom römischen Forum jetzt zwei Seiten vollständig blossgelegt, von
welchen wir die eine, die gegen den Capitolinus gewendete, bereits in Betrachtung
gezogen haben, während wir uns die andere, die südwestUche Langseite noch zu
beschreiben und zu erklären vorbehalten. An beiden Seiten jedoch ist für die Annahme
der Curia schlechterdings keine Möglichkeit gegeben. Wir können diese demnach nur
mehr an einer der beiden übrigen Seiten, der südöstlichen schmalen und der nord-
östlichen Langseite suchen. Allein auch von diesen kommt die erstere durch die Notiz,
die auch für die Seite am Clivus entscheidend wäre, wenn nicht die aufgedeckten
Ruinen dort selbst zur Genüge sprächen, in Wegfall, dass die »vor der Curia befind-
lichen«^ und »fast mit derselben verbundenen« ^ Rostra in der Mitte des Forum ^ und
zwar zwischen den beiden Abtheilungen desselben, Comitium und Forum im engsten
Sinne* standen. Denn das kann nicht auf die schmalen Seiten passen, von welchen
beiden noch die breitere am Clivus die Spitze, das obere Ende des Forum ^ genannt
wird, wo weder von einer Mitte des Forum im allgemeineren Sinne, noch von der
Gränzlinie der beiden Halbtheile desselben, Comitium und Forum im engeren Sinne
die Rede sein kann ; und so bleibt für die Rednerbühne, mithin auch für die mit ihr
in Verbindung stehende Curia kein anderer Raum möglich, als die nordöstliche Lang-
seite und zwar die Mitte derselben.
Das kann wohl als ziemlich sicher hingestellt werden. Daran aber reihen sich
noch andere Bestimmungen, welche die Localität nicht nur bestätigen, sondern auch
noch genauer bezeichnen. Die Curia hatte mehrere zugehörige Räumlichkeiten neben
sich, von welchen jedenfalls die schon erwähnte Rednerbühne unmittelbar vor der-
selben hegen musste, wie sich aus dem Gesagten und schon aus der Natur der
Sache ergibt. Ferner wird eine unbedeckte ^ Terrasse {locus siibstruclus) mehrfach er-
wähnt, auf welche die an den Senat geschickten Gesandten geführt wurden, um den
Beschluss der Curia hier abzuwarten, oder allenfalls den Comitien anzuwohnen, welche
Terrasse gegen das Comitium gewendet, zur Rechten von der Curia ^ und hart an
den Rostra* genannt wird. Der Ausdruck »zur Rechten der Curia« nun fand diametral
verschiedene Erklärung: dass man jedoch die Sache hier nur nach der heut zu Tage
üblichen Anschauung auffassen könne, indem Varro sich in den Standpunkt des gegen
' Varro L. L. V. 32, 43 p. 155. Speng. * Ascon. in Cic. or. p. Mil. c. 5. g 12. '' l)io Cass. XLIU. 49.
Appian. Bell. civ. I. 94. * Plut. C. Gracch. 5. Cic. Lael. 25. » Plin. H. N. III. 5, 9,66. cf. Tacit. Hist. 1.27.
Sueton. Otho 6. « Plin. H. N. XXXIII. 1, 6, 19. lul. Obsq. 91. ' Varro, L. L. V. 32, 43 p. 155. Speng. " Plin.
H. N. VII. 60, 60, 212.
15*
\\Q Das Forum Romanum.
die Curia gewendeten Beschauers dachte, habe ich in meiner angezogenen Abhand-
lung^ entwickelt, und kann der Weitläufigkeit halber hier nicht darauf eingehen. Die
Gräcostasis muss zur Rechten der Curia (nach unserem Begriffe), d. h. südöstlich von
derselben angenommen werden, und wir werden iiberdiess sehen , dass sie auf der
entgegengesetzten Seite schon wegen eines anderen dort anstossenden Gebäudes nicht
sein konnte. Auf der Gräcostasis stand eine von Gn. Flavius bei bürgerlichen Unruhen
gelobte Kapelle {aedicula) der Concordia, welche in Bronze ausgeführt oder wenigstens
mit diesem Metalle bekleidet war. ^ Derselbe Tempel wurde jedoch nach einer ande-
ren Nachricht auf der Area des Vulcan errichtet.^ Es scheint daher Gräcostasis und
Vulcanal identisch gewesen zu sein, oder es war, was wahrscheinlicher ist,
die Gräcostasis der vordere Theil der ganzen Area Vulcani, welche ebenfalls
erhöht,* unbedeckt^ und mit Weihgeschenken, ^ ohne Zweifel auch mit einem Altar
des Vulcan geschmückt war , und einen uralten Lotosbaum trug , ' wie denn über-
haupt das Vulcanal als eines der ältesten Heiligthümer dem Romulus selbst zuge-
schrieben wird. ^ Sowie aber der Name Forum im weiteren Sinne auch das Comitium
miteinbegriff, im engeren Sinne jedoch diesem gegenübergestellt wird, so dehnte man
auch den Namen Area Vulcani über die Gräcostasis aus und gebrauchte ihn so selbst
von dem an das Forum oder vielmehr Comitium stossenden Theile. ^ In irgend
einem jedoch nicht ganz klarem Zusammenhange damit muss auch das Senaculum
gestanden sein, derjenige Ort an der Curia, an welchem sich die Senatoren vor Eröff-
nung der Sitzung zu versammeln pflegten.^*' Die Ortsbestimmung dieses Raumes durch
Varro, welcher es oberhalb der Gräcostasis, wo sich der Tempel der Concordia und
die Basilica Opimia befinden, nennt, ^^ ist desshalb besonders schwierig zu erklären,
weil wir einerseits von der Basilica Opimia sonst nichts Entscheidendes wissen (ob-
wohl ihre Existenz von Mommsen^^ Becker gegenüber geltend gemacht wurde), und
anderseits der Tempel der Concordia verschiedene Annahmen zulässt. Denn dieser
konnte der von dem Consul Opimius nach dem Tode des C. Gracchus erbaute sein^^
oder die schon e.rw ahnte Kapelle des Gn. Flavius. Der Tempel der Concordia am
Clivus kann natürhch hier nicht in Betracht kommen ; für die von Gn. Flavius erbaute
Kapelle würde zwar die Localität sprechen, doch scheint mir wahrscheinlicher, dass
der Opimische Tempel gemeint sei, da er ohne nähere Bezeichnung gleich neben
der opimischen Basilica genannt wird. Der Ausdruck »oberhalb der Gräcostasis« lässt
* c. 6. S. 16 fg. * Plin. H. N. XXXm. 1, 6, 19. ^ Liv. IX. 46. * A. Gell. N. A. IV. 5. = Liv.
XXXIX. 46. XL. 19. id. IX. 46. » Dionys. II. 54. Plut. Rom. 24. '' Plin. H. N. XVI. 44, 86, 236. » Dionys.
II. 80. ■ Fest. s. V. statua. Dionys. VI. 67. VII. 17. XI. 39. *" Val. Max. II. 2, 6. " Varro, L. L. V. 32, 43,
p. 155. Speng. '* ^^ Comitio &c. c. 5. '* Appian. Bell. Civ. I. 26. Plut. C. Gracch. 17. cf. Augustin. Civ.
Dei. III. 25.
Die nordöstliche Langseite des Forum. -1 f 7
es jedoch als annehmbar erscheinen, dass auch das Senaculum hinter der Gröcostasis
auf der Area Vulcani seinen Platz hatte.
Ohne hinsichtlich der zuletzt erwähnten Localitäten etwas als sicher festhal-
ten zu wollen, wiederhole ich nur, dass nach dem Bisherigen die Curia ungefähr in
der Mitte der Langseite und rechts neben ihr die Gräcostasis sich befunden haben
müsse. Wie aber die letztere zur Rechten, so musste zur Linken ein anderes nicht
zur Curia gehöriges Gebäude gestossen sein, nemHch die Basilica Porcia. Denn diese
Basilica wird nicht bloss an der Curia oder vielmehr am Fusse derselben hinge-
streckt ^ (weil die Curia einen bedeutend erhöhten Unterbau mit hoher Treppe ^ hatte),
sondern sogar damit verbunden ^ genannt. Für diese Basihca aber erwarb M. Porcius
Cato, der sie im Jahre 569 d.St. (185 vor Chr.) als die erste Roms erbaute, käuflich
einige Privatgrundstücke in der Gegend , welche den Namen in lautumiis trug. * Von
dem Zusammenhange des Carcer und der Lautumiae wurde schon oben gesprochen,
und da das eine dieser Privatgrundstticke, das des Mänius zugleich in den Lautumiae
und zugleich am Forum lag, so ist die Lage der Basilica Porcia bestimmt gegeben.
Sie muss nemlich zwischen dem Carcer und der Curia angenommen werden, etwa
da, wo sich jetzt die Kirche SS. Martina e Luca befindet, und war auch höchst wahr-
scheinlich das einzige Gebäude zwischen den beiden Punkten.
Denn die Curia war dem nordwestlichen Ende des Forum etwas näher, als
dem südöstlichen. Sie lag nemlich am Comitium und die Rednerbühne, welche sich,
wie oben bemerkt, in der Mitte des ganzen Forum befand, an der Gränze des Comi-
tium und Forum im engeren Sinne. Wie nun die Gräcostasis, so mussten auch die
hart an ihr liegenden Rostra zur Rechten der Curia liegen, woraus sich zunächst
ergibt, dass das Comitium den oberen, dem Clivus näheren Theil des Forum umfasste,
was auch Mommsen und Detlefsen, der letztere mit einer etwas gesuchten Modifi-
cation, in den angeführten Abhandlungen behaupten.^ Würde man nun die Curia
weiter südöstlich, in der Richtung gegen die Velia versetzen, so gäbe man dadurch
dem Comitium entweder eine Ausdehnung, welche ausser allem Verhältnisse zum
übrigen Forum stünde, oder man müsste sogar, wenn man sich dem südöstlichen
Ende des Forum mehr als dem nordwestlichen näherte, das Comitium in die süd-
östliche Hälfte versetzen. Das letztere ist aber schlechterdings unmöglich , w^enn man
Gräcostasis und Rostra zur Rechten der Curia annimmt, indem dann die Rostra nicht mehr
so auf der Gränze zwischen Comitium und Forum im engeren Sinne stehen konnten, dass
der Redner, je nachdem er sich wandte, zu den am Forum oder Comitium Versammelten
sprechen konnte. ^
* Plut. Cat. mai. 19. * Liv. I. 48. » Ascon. in Cic. p. Mil. Arg. § 8. * Liv. XXXIX. «4. » Vgl.
auch meine Abhandlung c. 10. S. 24 fg. " s. S. 115 Anm. 4.
j 1 g Das Forum Romanum.
Wenn nun damit die Reihe der Gebäude vom Carcer bis zur Mitte der nordöst-
lichen Langseite in der Weise bestimmt worden ist, dass die Basilica Porcia, die Curia
und die Gräcostasis aufeinander folgten und dass die erstere etwa derKirche SS. Martina
e Luca, die Curia aber der Kirche S. Adriano entsprach, so ist doch die Frage über die
Lage der Curia noch keineswegs vollständig erledigt. Denn die Curia blieb nicht immer
dieselbe : ihre Schicksale und der mehrmalige Wiederaufbau derselben verursachten viel-
mehr verschiedene noch zu untersuchende Aenderungen. Die Curia, welche TullusHosti-
lius gründete und welche von diesem den Namen Hostiliatrug, wurde von Sulla, der
den alten Bau abtragen Hess, durch einen neuen ersetzt ; — die erste Aenderung des
ehrwürdigen Gebäudes, von der wir Kunde haben. Es wurde nun neuerhch mehrfach
behauptet, dass dieser Neubau an einer ganz anderen Stelle aufgeführt worden sei , und
zwar auf Grund einer allerdings nicht ungewichtigen Stelle, ^ in welcher berichtet wird,
dass die Statuen des Pythagoras und Alkibiades so lange in den Ecken [in cornibus) des
Comitium gestanden, bis Sulla »dort« die Curia erbaute. Das möchte allerdings auf den
Gedanken bringen, dass Sulla wirklich für seinen Bau einen anderen Platz gewählt habe,
allein dem stehen mehre andere Gründe entschieden entgegen. Die Curia wird bis Cäsar
ausdrücklich die hostilische genannt, und es wird doch dabei erwähnt, dass sie von Sulla
umgebaut, und dann abermals von dessen Sohne Faustus wieder hergestellt wurde, ^ was
auf keinen Fall so hätte hingestellt werden können , wenn das sullanische Gebäude auf
einem anderen Platze gestanden wäre, als das von Tullus HostiHus gegründete, so wenig
als man die pompeische oder iulische Curia »Hostilia« genannt hat oder nennen konnte.
Ferner findet sich die Curia des Sulla nicht in dem Berichte Varro's,^ in welchem er die
Curien aufzählt, welche besonders inaugurirt wurden, da nur an einem speciell dafür ge-
weihten Orte ein gültiger Senatsbeschluss gefasst werden konnte. Er nennt die Curia
Hostilia, die Pompeia und die lulia : doch die des Sulla nannte er nicht und brauchte er
nicht zu nennen, da ihre alte Stätte schon inaugurirt war. Desshalb ist sicher das sulla-
nische Gebäude zwar als ein Neubau, doch an derselben Stelle aufgeführt zu betrachten,
und die oben angezogene Stelle des Plinius dürfte so zu erklären sein, das jenes »ibü(
nicht in der Weise betont gemeint sei, als ob die Curia Hostilia an einem anderen Platze
gestanden hätte, und dass die alten Statuen nur beseitigt wurden, weil sie entweder dem
glänzenden Neubau nicht mehr entsprachen oder weil Sulla seine neue Curia vergrösserte,
welcher letztere Grund auch um so wahrscheinlicher ist, als die sullanische Curia wirk-
lich räumlich grösser als die alte hostilische genannt wird.'* Damit ist auch die fast un-
überwindliche Schwierigkeit der Frage beseitigt, an welcher neuen Stelle des Comitium
denn die Curia des Sulla erbaut worden , und was aus der alten geworden sei , und es
* Plin. H. N, XXXIV. 6, 12, 26. * Dio Cass. XL. 50. XLIV. 3. * A. Gell. XIV. 7, 7. * Cic. de finibu.s
bonor. et rnalor. V. 1 .
Die nordöstliche Langseite des Forum. ] \ 9
ist vollkommen gerechtfertigt, wenn ich mich zur Bestimmung der Lage der Curia Hosti-
lia bei Erörterung der Basilica Porcia unter anderen Angaben auch einer Stelle bediente,
welche bereits die sullanische Curia betrifft. ^
Der sullanische Neubau ward bei einem bedauerlichen Excesse bald wieder ein
Raub der Flammen : der römische Pöbel hatte die Leiche des durch Milo getödteten P.
Glodius, seines Protagonisten, in dieselbe getragen, dort Tische, Stühle, Bänke und Schrif-
ten übereinander gethürmt, und darauf den Todten verbrannt, wodurch denn auch die
Curia selbst vom Feuer ergriffen und sammt der anstossenden Basilica Porcia verzehrt
wurde. Nachdem nun des Sulla Sohn Faustus das Gebäude wieder hergestellt hatte, er-
freute sich diess nur eines noch kürzeren Daseins. Schon acht Jahre nach dem Brande
bei Clodius Leichenfeier wurde der kaum vollendete Neubau auf Cäsars Befehl wieder
niedergerissen , unter dem Vorwande , an dessen Stelle , einem Gelübde gemäss , der
Fehcitas einen Tempel zu erbauen, in Wahrheit aber aus dem Grunde, auch hier den
Cäsar verhassten Namen Sulla's tilgen und eine neue Curia unter seinem eigenen Namen
erbauen zu können. ^ Der letztere Plan kam jedoch erst unter Augustus zur Ausführung, ^
nachdem der Senat längere Zeit ganz vom Forum entfernt gewesen war, und die Ver-
sammlungen des Senats regelmässig in der Curia des Pompeius am Marsfelde statt-
gefunden hatten, welche Curia auch, wie allbekannt, der Schauplatz der Ermordung
Cäsars war.
Hinsichtlich der Lage dieser neuen Curia lulia befinden wir uns in noch grösse-
ren Schwierigkeiten. Sie war, wie ausdrücklich erwähnt wird, ebenfalls am Comitium;*
ferner wird berichtet, dass in Folge einer Pest und anderer Schrecknisse im Jahre 7 1 I
d, St., ein Jahr nach der Ermordung Cäsars, der Wiederaufbau der hostilischen Curia
verordnet wurde, ^ aus welchen beiden Gründen allerdings zu denken wäre, die
Curia lulia sei wieder auf demselben Platze errichtet worden. Allein dieser Annahme
stehen zwei unwiderlegliche Hindernisse entgegen. Der Tempel der FeHcitas, welchem
Platz zu machen die von Faustus wieder hergestellte sullanische Curia abgebrochen
worden war, wurde wirklich erbaut und von Lepidus vollendet ^ und die neue Curia
lulia musste erst inaugurirt werden, "^ was so wenig wie bei der sullanischen nöthig
gewesen wäre, wenn man sie auf derselben schon inaugurirten Stelle erbaut hätte.
Irgend eine locale Veränderung musste daher vorgenommen worden sein : da wir
aber wissen, dass auch das neue Gebäude am Comitium lag, können wir auch ungefähr
ermitteln, welcher Art sie gewesen ist. Denn wir kennen die Ruinen an der Seite des Clivus
Capitolinus und an dei südwestlichen Langseite des Forum , beziehungsweise Comitium,
welche keine Möglichkeit zur Anbringung derselben darbieten; die dritte Seite aber.
* Vgl. S. H 7. Anm. 3. " Dio Cass. XLIV. 5. ' Monum. Ancyr. Chishull, Ant. .\siat. I.ond. 1 728. p. 1 74. * Plin.
H. N. XXXV. 4, 10, 27. Die Cass. XLVII. 49. " Dio Cass. XLIV. 5. * Dio Cass. I. c. ^ A. Gell. L c.
420 Das Forum Romanura.
die südöstliche, war gegen das übrige Forum hin natürlich von Gebäuden frei : es ist
mithin auch die Curia lulia auf derselben Seite, wie die Hostilia zu suchen, und zwar
unweit davon, da die Ausdehnung des Comitium nicht viel Spielraum gewährt. Es ist
möglich, dass der unberühmte Felicitastempel nicht das ganze Areal der hostilischen
oder vielmehr sullanischen Curia einnahm, und dass der Platz noch theilweise von
der iulischen Curia in Anspruch genommen wurde, es kann aber auch sein, dass die
Basilica Porcia, welche, wie erwähnt worden ist, im Jahre 700 d. St. abbrannte, und
von welcher sich keine Meldung mehr findet , nicht wieder hergestellt wurde , und dass
ihre Stätte wenigstens theilweise für die Curia lulia benutzt ward. In der nicht weiter
erklärbaren Basilica argentaria, welche von der Notitia zwischen der Traianssäule und
den Tempeln am Clivus genannt wird,'' die ehemalige Porcia wieder zu erkennen, dürfte
doch zu gewagt sein. Die Curia lulia hatte jedenfalls keinen gedrängten, sondern über-
flüssigen Raum, denn es wurde ihr ein Chalcidicum angebaut,^ worunter, wenn auch der
Name nicht genügend erklärt ist,^ doch sicher eine als Flügel an das Hauptgebäude ange-
fügte Seitenhalle zu verstehen sein wird: was daraus hervorgeht, dass Yitruv für den
Fall, dass beim Bau einer Basilica in der Länge Raum übrig sei , an den Enden Chalci-
diken anzubringen anräth.^
Es versteht sich von selbst, dass durch diesen Neubau auch die besprochenen
Annexen der Curia verändert werden mussten. Es war auch Cäsars Absicht, mit den
alten aristokratischen Formen der Repubhk, die durch Sulla und dann durch Pompeius
wieder ephemer zu Ehren gekommen waren , überhaupt mit der ganzen Vergangenheit
gründlich zu brechen, und desshalb musste ihm daran liegen, das ganze Forum umzuge-
stalten und so viel als möghch zu iulisiren. Die Ausführung dieses Planes blieb allerdings
grossentheils hinter seiner Absicht zurück , weil Cäsar fast immerw^ährend mit Kriegen
beschäftigt und von der Hauptstadt abwesend war, und seine Fonds wie seine Aufmerk-
samkeit doch zunächst seinem Lieblingswerke, dem neuen Forum lulium nordwestlich
vom Forum Romanum zuwendete. Die Curia Sulla's wurde eilfertig abgebrochen , doch
mit dem Neubau — offenbar nicht ohne Absicht — gezögert. Auch andere Neubauten
am Forum, wie die Basilica lulia, wurden, wie es scheint, nicht lebhaft betrieben , und
so musste das römische Forum in den letzten Jahren Cäsars eben keinen erquickhchen
Anblick dargeboten haben, wenn man bedenkt, dass den Grundbauten der Basilica lulia
die Brandstätte der Basilica Porcia gegenüberlag, und auf der berühmten Stätte der
Curia Hostilia ein obscurer Tempel sich erhob. Nichts desto weniger verblieb das Forum
das Herz des römischen Volkes , wenn auch der Sitz des aristokratischen Elements , die
Curia, für einige Zeit auf das Marsfeld verlegt war, und das römische Leben pulsirte fort
' Curios. Urb. Romae. Reg. VIII. * Monum. Ancyr. I.e. * Isidor. Hisp. Glossar. Hb. * Vitruv. V, 1, 4.
Die nordöstliche Langseite des Forum. 121
in der Volksversammlung auf dem Forum , angeregt von der Rednerbiihne aus , die nun
ihren früheren Zusammenhang mit der Curia verloren hatte. Allein es war noch nicht
genug, die Rostra der Beeinflussung durch die Curia entrückt zu haben, es sollte eben-
falls eine neue Rednerbühne erstehen, entfernt von der alten Stätte am Comitium, woran
sich wenigstens noch Reminiscenzen aus der Zeit der Curiatcomitien knüpften, und Cäsar
wählte dafür das südöstliche Ende des Platzes, die Spitze des Forum im engeren Sinne, ^
nachdem er schon vorher den Treppenspiegel des ausserhalb des Comitium liegenden
Dioskurentempels fiir seine Reden vorgezogen hatte. ^ Aus der oben angezogenen Stelle
nun möchte man allerdings ableiten , dass diess eine förmliche Versetzung der Rostra
war, allein bei Sueton finden sich die zwei Rostra, die alten und die iulischen bei einer
und derselben Gelegenheit erwähnt, wenn es anders mit der neuerhchen Correctur des
Textes aus den Handschriften seine Richtigkeit hat.^ Vorher las man an dieser Stelle ein
Wörtchen eingeschoben, rostra »siib« veteribus, welches auch mich in meiner Abhand-
lung* zu einer irrthümhchen Behauptung veranlassen musste. Von zwei Rednerbüh-
nen spricht auch Dio Cassius bei Erzählung derselben Begebenheit, nemhch der
Leichenfeier des Augustus.^
Die angegebene Localität der iulischen Rostra ergibt sich schon aus ihrer Ge-
schichte. Es wird nemlich berichtet, dass die Leiche Cäsars auf das Forum getragen und
bei der Regia verbrannt worden sei , an welcher Stelle dann dem Cäsar ein Altar und
später ein Tempel errichtet wurde. ^ An einer anderen Stelle aber lesen wir, dass diese
Verbrennung vor den Rostra stattgefunden habe. '' Wenn sich nun diese Notiz auf die
alten Rostra bezöge , welche erwähntermassen in der Mitte des Forum lagen , so wäre
diess, da die Regia sich am südösthchen Ende des Forum befand, ein Widerspruch, der
von Livius, des Augustus Zeitgenossen, unmöglich angenommen werden könnte. Allein
es ist damit die iulische Rednerbühne gemeint, welche sich in der That da befunden haben
musste , wo später der Tempel des Cäsar erstand , und welche Augustus mit dem sie
verdrängenden Tempel dadurch in Verbindung setzte, dass er die Krepis, den Treppen-
spiegel des Tempels als Rostra gestaltete, und um den Namen wahr zu machen, sie auch mit
den Schnäbeln der in der Schlacht bei Actium erbeuteten ägyptischen Schifte schmückte.^
Wenn aber die Nähe der Regia (von welcher unten) schon unzweifelhaft auf das südöst-
liche Ende des Forum hinweist, so ergibt sich die Lage und Stellung des Tempels noch
genauer aus einer wiederholten Erwähnung bei Ovidius, welcher den Tempel über das
Forum gegen das Capitol hinschauend ^ und dem Dioskurentempel (dessen Lage und
Ueberreste in einem besonderen Abschnitte besprochen werden sollen) zunächst nennt, '»
' Dio Cass. XLIII. 49. * Dio Cass. XXXVIII. 6. ' Sueton. ed. Roth. Praef. p. XLI. August. <00.
* c. 16. S. 43 fg. ' Dio Cass. XLI. 34. " Appian. B. C. IL 184. Dio Cass. XLIV. 5i. XLVIII. <8. ' Liv.
Epit. CXVI. » Dio Cass. LI. 14. * Ovid. Metam. XV. v. 841. •» id. Trist. IL 2, v. 86.
F Rebeu , die Ruinen Korns. 1 6
I 2|2 Das Forum Romanum.
wonach darüber kein Zweifel mehr Raum gewinnen kann, dass Rostra und Tempel
Cäsars an der südöstlichen schmalen Seite und noch innerhalb der das Forum be-
kränzenden Strassen sich befanden.
Von der Versetzung der Gräcostasis durch Cäsar oder Augustus haben wir
keine Nachrichten , doch dass auch sie ihre Lage damals veränderte, ist um so wahr-
scheinlicher, als wir sie in späterer Zeit an einer anderen Stelle finden, nemlich am
Clivus CapitoHnus. Die Gründe für diese meine Annahme wurden schon oben bei
Beschreibung der Ueberreste dieser Gräcostasis (S. 96) entwickelt. Was das Senaculum
betrifflt, so wurde schon oben bemerkt, dass es als Sammelplatz für die Senatoren,
wie es scheint als eine Art von Seitenatrium der Curia, diente, bei welcher Be-
stimmung es selbstverständlich von der Curia nicht getrennt sein konnte. Es ist mir
daher höchst wahrscheinlich, dass jetzt das von Augustus der neuen Curia angebaute
Chalcidicum die Stelle derselben vertrat. — Das Vulcanal blieb wohl auf seinem Platze,
da kein Grund vorlag, dieses uralte Heiligthum zu versetzen, ob aber damit Ver-
änderungen vorgenommen wurden und welcher Art diese waren , ist nicht bekannt.
In der Hauptsache verblieben die Curia und die anderen eben besprochenen
Localitäten so, wie sie die iulische Umwälzung gestaltet hatte, und desshalb haben
wir auch von nun an nur mehr dürftige Berichte. So bringen spätere Quellen^ die
magere Notiz , dass Domitian den Senatus (wie die Curia in der späteren Latinität
hiess) erbaut habe, eine Nachricht, welcher doch kaum entnommen werden kann,
dass Domitian wieder eine andere Curia an einem anderen Platze errichtet habe.
Betrachten wir aber des Domitian Werk als einen Wiederaufbau der Curia lulia, so
findet sich auch eine naheliegende Veranlassung dazu in dem neronischen Brande,
welcher auch die achte Region theilweise ergriffen und die Curia wenigstens be-
schädigt hatte. Ein wirklicher Neubau an einer anderen Stelle hätte der Berücksich-
tigung der Biographen wohl kaum entgehen können , während eine spätere Zeit durch
eine vielleicht hyperbolische Inschrift leicht irregeführt werden konnte.
Eine Neuerung in der unmittelbaren Nähe der iuhschen Curia scheint jedoch
mit der domitianischen Herstellung in Verbindung zu stehen, nemhch die Errichtung
eines kleinen ehernen lanustempels , der am Ende des zweiten Jahrhunderts n. Chr.
zum erstenmale erwähnt wird.^ Denn wenn Procopius im 6. Jahrh. n. Chr. diesen
Tempel für das alte von Numa gegründete^ Heihgthum zu halten scheint,* so sind wir
noch nicht berechtigt, im Widerspruche mit so vielen anderen Nachrichten^ den wahr-
scheinlich zwischen dem Forum Olitorium und dem Forum Boarium befindlichen alten
* Hieronym. Chron. a. 92. Prosp. Aquit. — Cassiodor. Chron. — Catal. imp. Vienn. * Dio Cass
LXXIII. 4 3. « Plin. H. N. XXXIV. 7, 16, 33. * Procop. bell. Goth. I. 25. " Serv. ad Virg. Aen. VH.
V. 607. cf. Liv. I. 19. Ovid. Fast. I. 257 sq. Varro L. L. V. 32, 43. p. 156. Speng.
Die nordöstliche Langseite des Forum. i23
lanustempel auf das Gomitiura zu versetzen,^ auf welchem er doch bis zum zweiten
Jahrhundert n.Chr. niemals erwähnt wird, oder umgekehrt in noch evidenterem Wider-
spruche mit den entschiedenen Angaben über die Lage der Curia lulia am Comitium^
diese vom Comitium weg in die muthmassliche Gegend des alten lanustempels zu ver-
legen, wie diess von einer nicht minder bedeutenden Autorität geschehen ist.^ Von
Domitian aber wird ausdrücklich berichtet, dass er den lanus und die Minerva vor-
zugsweise verehrt und dieser mehre Tempel, jenem aber viele Bogen errichtet habe.*
Wenn nun zur Zeit des Gotheneinfalles die Römer zu dem alten, fast vergessenen
Cult und zu dem vor der Curia befindlichen lanus zurückkehren wollten,^ so lässt sich
diess leicht so erklären, dass der von Numa gegründete Tempel nicht mehr existirte, die
Tradition aber auf die eherne Aedicula am Forum tibergegangen war.
Seit Domitian findet sich von den Veränderungen der Curia keine Erwähnung mehr
bis zur Zeit des Theodosius, unter welchem das nicht lange vorher von dem Praefectus Urbi
Flavianus erbaute Secretarium Senatus durch den Praefectus Urbi Flavius Annius wieder
hergestellt wurde. Diess berichtet eine Inschrift, welche noch im vorigen Jahrhundert in
der Kirche S. Martina vorhanden war, seitdem aber verschwunden ist, und also lautete: ^
SALVIS- DOMIN IS NOSTRISHONORIOETTHEODOSIOVICTORIOSISSIMIS
PRINCIPIBVS SECRETARIVM- AMPLISSIMI SENATVS QVOD VIR
INLVSTRIS FLAVIANVS INSTITVERAT. ETFATALIS IGNIS ABSVMPSIT
FLAVIVS ANNIVS EVCHARIVS EPIFANIVS VC PRAEF (VRB).VICE
SACRA TVD . REPARAVIT. ET AD PRISTINAM FACIEM REDVXIT
Dass dieses Secretarium die Curia selbst gewesen sei, scheint mir nicht wahrscheinlich,
ganz willkürlich aber die aus dieser Inschrift gezogene Annahme, dass unter Theodosius
wieder eine neue Curia an einer anderen Stelle erbaut worden sei,'^ was übrigens schon
genügende Widerlegung gefunden hat.^ Ich vermuthe in diesem Secretarium etwas dem
ehemaligen Senaculum oder dem Chalcidicum des Augustus ähnhches, nemlich einen ge-
sonderten Anbau der Curia. Jedenfalls müssen Secretarium Senatus und Curia (Senatus)
sowohl in Bezug auf den Zweck als auf die Localität in engster Beziehung zu einander
stehend gedacht werden. Dass aber die Kirche S. Adriane, namentlich die schmucklose
Fagade derselben ein Ueberrest des Secretarium oder der letzten Curia sei, ist schon
desshalb nicht wohl möglich, weil diese Fagade der Linie der Sacra via nicht entspricht.
Diejenigen aber, welche in dieser Fagade durchaus nur Antikes zu erkennen glauben,
mögen die Thurmruine betrachten, die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf dem
'Becker, H. d. r. A. Bd. I. S. 254 — 259. 348 — 354. 'Vgl. S. H9. Anm. 4. ' Mommsen I.e. c. 13.4 5.
* Sueton. Domit. 13. * Procop. 1. c. * Griit. Inscr. CLXX. 5. ^ Ch. Bunsen, Les forum de Roine. I. C.
Annal. d. I. d. C. A. Vlll. p. 268. » Becker, H. d. r. A. I. S. 353 fg.
<6*
/]2|4 ^3'' Forum Romanum
Forum stand und sich in einer schönen Abbildung erhalten hat.^ Diese Ruine ist der
Fagade ganz gleichartig und auf keinen Fall antik, musste vielmehr einer Zeit angehören,
in welcher das Forum bereits verfallen war. Jedenfalls gibt uns der Fundort der Inschrift
noch eine erwünschte Bestätigung für die angenommene Lage der Curia luha.
Ausser dieser Restaurationsinschrift des Secretarium Senatus hat uns das Schicksal
noch ein anderes inschriftliches Denkmal von dem beschriebenen Complexe erhalten,
nemHch den Sockel der Columna rostrata des Duilius mit der zwanzigzeiligen , gleich-
wohl stark verstümmelten Inschrift. Sie wurde in der zweiten Hälfte des 1 6. Jahrhunderts
beim Bogen des Septimius Severus ^ oder nach einer genaueren Angabe ^ zwischen
S. Adriano und der Phokassäule ausgegraben, eine Bezeichnung, welche wieder eine
höchst erwünschte Bestätigung unserer Localitäten darbietet. Denn die Columna rostrata
des Duilius, welche als Denkmal des ersten Seesieges auf dem Forum errichtet wurde,*
stand noch in später Zeit da, wo sie sich ursprünglich befand, »m rostrisi^ seil, veteribus.^
Das merkwürdige Denkmal, welches jedoch, wenn auch in der Inschrift die archaistischen
Formen beibehalten sind, nach der Gestalt der Buchstaben nicht das ursprüngliche, son-
dern eine Wiederherstellung aus der Kaiserzeit zu sein scheint, befindet sich jetzt re-
staurirt im Corridor des Erdgeschosses des Conservatorenpalastes. Die Säule selbst ist
moderne Nachbildung nach antiken Münzen.
Es erübrigt noch, die Aufzählung der Notitia^ mit unseren Ergebnissen zu-
sammenzuhalten. Hiebei findet sich zwar hinsichtlich der Gruppirung nichts, was Be-
denken veranlassen könnte, da im Gegentheile die Reihenfolge des Regionars unseren
Annahmen vollkommen entspricht , doch werden dort drei Rednerbühnen erwähnt , wäh-
rend wir geschichtlich nur zwei kennen , nemlich die alten in der Mitte und die iulischen
am südöstlichen Ende des Forum, und zwischen dem Senatus und den Kaiserforen wird
ein räthselhaftes Atrium Minervae eingeschoben , das der Topographie des Forum schon
grosse Verlegenheiten bereitet hat. Was nun die dritten Rostra betrifflt, so wurden diese
in den Ueberresten vor der Gräcostasis der Kaiserzeit erkannt und dort in einem be-
sonderen Abschnitte beschrieben und bewiesen , ohne dass jedoch über die Zeit ihrer
Entstehung ein gewisser Anhaltspunkt beigebracht werden konnte. — Das Atrium Mi-
nervae aber gehörte dem Forum Romanum gar nicht an, sondern war ein Theil des Forum
Transitorium , welches durch die Strasse , die ihm den Namen gab , in zwei Hälften ge-
theilt wurde, so dass ein Theil der achten, der andere der vierten Region angehörte.
Bei dieser letzten Region findet es sich auch als Forum Transitorium verzeichnet, während
* G. Piranesi, Opere varie di architettura , prospettiva, grotteschi, antichitä raccolte da G. Bouchard.
Roma 1750. * Ciacconii in columnae Rostratae inscript. explicatio. p. 3. ' Gauges de' Gozze, Iscrizione
della Base della Colonna Rostrata. R. 4635. p. 5. Grut. Inscr. p. CDIV. 1. * Plin. H. N. XXXIV. 5, U, 20.
Sil. Ual. VI. V. 663 sq. Quint. I. 0. I. 7. * Serv. ad Virg. Georg. III. v. 29. * Curios. Urb. Rom. Reg. VIII.
Die nordöstliche Langseile des Forum. 12! 5
der zur achten Region gehörige Recinttheil unter dem angeführten Namen erscheint.
Die Erklärung des Namens findet sich noch an der schönen Ruine in der Yia della Croce
bianca, deren Fries ein minervisches Relief, die Attika aber das Hochrelief der Göttin selbst
zeigt, einem Ueberreste der Umfriedung des Forum Transitorium oder Palladium, welche dem
Domitian und seiner Hinneigung zum Minervencult ihre Entstehung und Gestalt verdankt.
Ein Blick auf den Plan zeigt uns nun klar den einfachen Gang des Regionars bei seiner
Aufzählung der Gebäude der achten Region (Forum Romanum Magnum) , Senatus (Curia),
Atrium Minervae (der nordwestliche Theil der Umfriedung des Forum Transitorium , Pal-
fladium oder Nervae). Die Strasse bildet die Gränze gegen Südosten und gegen die vierte
Region (Forum Pacis). Desshalb wendet sich der Regionär vom Forum Transitorium aus
nordwärts und verzeichnet die übrigen Kaiserfora in ihrer localen Reihenfolge: Forum
Caesaris, Augusti, Nervae Traiani. Nachdem er Tempel und Säule Traians besprochen,
wendet er sich südwärts, kömmt an der Basilica argentaria vorbei in der Richtung der
jetzigen Via di Marforio auf das Forum und zunächst an den Clivus Capitolinus zurück,
gibt zuerst die höher liegenden Gebäude in ihrer natürlichen Reihenfolge, Templum Con-
cordiae, Vespasiani et Titi , Capitolium , dann die unmittelbar am Forum liegenden Räum-
lichkeiten, Miliarium aureum, Vicus lugarius, Gräcostadium , Basilica lulia, Templum
Gastorum et Minervae, Vesta. . . Es wurde schon früher erkannt, dass man in dem Re-
gionär nicht so fast eine Aufzählung der in den Regionen befindlichen Gebäude, als vielmehr
die Gränzbestimmung der einzelnen Districte vor sich habe, welche hier an dei' Stelle des
Forum beginnt, wo die vierte Region endigt (denn die Basilica Paulli und der Faustinatempel
[finden sich in der vierten Region aufgezählt), und dann regelmässig fortschreitend den
ganzen Umkreis aufzählt, wesshalb auch das Capitohum mit seinen zahlreichen Tempeln,
als ohnehin schroff" abgegränzt , nur summarisch genannt zu werden brauchte.
Durch die bisherige Untersuchung erledigten wir nur die Frage über die eine
Hälfte der nordöstlichen Langseite des Forum, welche ungefähr dem Räume entspricht,
der jetzt durch die zwei Kirchen SS. Martina e Luca und S. Adriano in Anspruch ge-
nommen wird, und selbst von diesem Räume musste bei den mannigfachen Aenderungen,
welche der Complex der Curia in dem Jahrtausend des römischen Reiches erfuhr, für
gewisse Zeiten Manches unerklärt bleiben. Diese eine Hälfte nun wurde wahrscheinlich
schon seit frühester Zeit, gewiss aber seit der Anlage der Kaiserfora durch eine Strasse
abgeschlossen, welche vom Forum Romanum nordwärts durch das Forum des Nerva,
das desshalb auch Forum Transitorium hiess, ftlhrte. Der zur Rechten von dieser Strasse
liegende Theil der nördlichen Langseite gehörte, wie oben bemerkt worden ist, nicht
mehr zur achten, sondern zur vierten Region (Templum Pacis), wie wir aus dem
Regionär ersehen , welcher die hiehergehörige Gränze der Region in folgender Weise
126 I^sis Forum Romaniim.
aufzählt: Via Sacra, Basilica nova et Pauli, Templuni Faustinae, Forum Transitorium,
Siibura. Wie nun diese Reihenfolge aufzufassen sei, wird sich aus anderen Nach-
richten ergeben.
Seit Tarquinius Priscus war nemlich das Forum mit Hallen und Tabernen um-
geben,^ welche im Privatbesitze waren und sowohl mercantilen als gewerblichen
Zwecken dienten. Namentlich erwähnt finden wir die Tabernen der rieischer,^ welche
später den Geldwechslern Platz machten,^ so dass wir zuletzt diese im alleinigen Besitz
der Tabernen am Forum finden. Auch waren wenigstens in früher Zeit dort Schulen,
welche bei der traurigen Geschichte der Virginia erwähnt werden.* Diese Tabernen
zogen sich an beiden Langseiten des Forum hin, auf einer Seite die sogenannten »Alten«
auf der anderen die Neuen . und gaben so beiden Langseiten des Forum die Namen sub
Veterihiis und sub Novis. Es wird aber berichtet, dass die Reihe der »Neuen« der Sonne
ausgesetzt war, während die »Alten« sich dauernden Schattens erfreuten,^ Diese Angabe
lässt keinen Zweifel zu: die nordöstliche Langseite, die gegen Südwest sah, musste
durch die neuen, die gegenüberliegende durch die alten Tabernen begränzt und benannt
worden sein. Es war daher auch auf der Nordostseite an den neuen Tabernen ungefähr
an der Stelle, welche wir eben untersuchen , wo der Vater der Virginia diese der Freiheit
und Keuschheit zum Opfer brachte.^ Die Tabernen wichen allmälig den Prachtbauten der
Basiliken, von denen jedoch die erstangelegten sie noch schonten und auf die Fronte am
Forum verzichteten, wie diess von der Fulvia und Sempronia ausdrücklich erwähnt wird.
Wenn aber berichtet wird, dass die Fulvia, welche von M.Fulvius Nobilior im J. 574 d.St.
(180 v. Chr.) 5 Jahre nach der ersten Basilica Roms (der bereits besprochenen Porciaj
erbaut wurde, hinter den »neuen« Tabernen sich erhob, '^ so kann, da die eine Hälfte der
nordöstlichen Langseite schon für die Basilica Porcia und den Curiacomplex in Anspruch
genommen wurde, hier nur mehr an die südösthche Hälfte dieser Seite, den Theil, von
welchem wir eben sprechen . gedacht werden , für welche Annahme wir auch an dem
Regionär die erwünschteste Bestätigung finden werden.
Der Wortlaut der Stelle des Livius erlaubt nichts anderes, als die ursprüngliche
Basilica Fulvia hinter die Tabernen zu setzen , welche vor der Fronte noch so gut fort-
bestehen konnten, als auch heutzutage Kauflocale die Vorderseite selbst schöner Gebäude
in Anspruch nehmen. Diese Tabernen erschienen übrigens auch darum als so unentbehr-
lich , weil sie mit den vor ihnen laufenden Portiken die sogenannten Mäniana , das heisst
die über die Portiken ein wenig vorspringenden Balcons trugen,^ aufweichen man den
Gladiatorenspielen zusah, die bis in die letzte Zeit der Republik auf dem Forum ab-
* Liv. I. 35. Dionys. III. 67. * Liv. III. 48. Dionys. XI. 37. * Non. Marc. (Varro) p. 532. ed.
Merc. * Liv. III 44. Dionys. XI. 28. * Cic. Acad. II. 22. " Liv. III. 48. ' Liv. XL. 54. * Vi-
truv. V. i.
Die nordöstliche Langseite des Forum. 4^7
gehalten wurden. In diesei- Weise also, vom Forum selbst durch die vorstehenden »neuen«
Tabernen getrennt, bestand die Basilica Fulvia, an deren Ausschmückung jedoch auch
M. Aemilius Lepidus, des Fulvius Amtsgenosse, sich betheiligte ^ und die desshalb auch
Aemilia hiess, über ein Jahrhundert bis zum Jahre 699 d. St. (55 v. Chr.), in welchem
L. Aemilius Paullus die alte Basilica restaurirte und zugleich eine neue in Angriff nahm.^
-Diese neue Basihca war schon der Gegenstand mehrer Controversen, und wenn wir einen
rvon der alten Basilica Fulvia verschiedenen Platz ermitteln müssten, würden wir völlig
rathlos sein. Becker ^ glaubt, unter der neuen Basilica sei die nachmalige Basihca lulia
rzu verstehen, da einerseits Aemilius Paullus mit Cäsars Gelde baute,* und anderseits die
[Geschichte Cäsars von dem Bau der luHa keine andere Erwähnung bringt. Allein da für
tdiese allerdings geistreiche Annahme kein directer Grund gegeben ist , so kann ich mich
i zur Anerkennung derselben nicht bestimmen, um so weniger, als eine Stelle des Plutarch,"'
[nach welcher Aemilius Paullus Cäsars Geld zum Bau derjenigen Basilica verwendete, »die
'er an der Stelle der Fulvia erbaute«, sogar direct widerspricht. Die übrigen hervor-
ragenden Topographen, wie Nibby, Bunsen, Canina, setzen desshalb die alte und neue
Basilica nebeneinander, Bunsen überdiess in einer nicht ganz klaren Verbindung.^ Becker
hat nun dagegen mit Recht geltend gemacht, dass es sich nicht denken lasse, man habe
einen verbundenen Bau zur Hälfte mit altem Material und zur anderen Hälfte mit pracht-
vollem Marmor hergestellt, und dass es anderseits, wenn man sich die beiden Basiliken
getrennt nebeneinander denkt, aufMig sei, nirgends sonst die zwei Basiliken erwähnt
zu finden, so oft auch von Herstellung der ämihschen die Rede ist. Ich halte daher
Folgendes für das Wahrscheinlichste : Jedenfalls traten der alte und der neue Bau mit-
einander in Verbindung , sie könnten sonst beide nicht so durchaus einheitlich erscheinen ;
sie standen jedoch nicht neben einander, was wohl schwer zu erklären wäre. Die erste
Basilica stand, wie erwähnt worden ist, hinter den »neuen« Tabernen, zu Ende der
lepublikanischen Zeit mussten aber die Tabernen insgesammt den öffentlichen Gebäuden
weichen; was ist daher natürhcher, als dass nach Beseitigung der Tabernen an deren
Stelle vor der Basilica Aemilia ein ganz neuer Vorbau angebracht wurde, der vielleicht
tief genug war, dass er einen selbstständigen Saal, also die neue Basihca, von der Cicero
spricht, bildete, und so konnte leicht die Fagade und dieser Vorbau des L. Aemihus Paullus
prachtvoll, der sich anschliessende ältere Hauptbau aber bescheidener hergestellt sein,
ohne dass diese Ungleichheit äusserlich im Geringsten stören konnte. Was man aber mit
einer Basihca thun konnte, das zeigt uns das Beispiel der vitruvianischen Basilica in
' Plin. H. N. XXXV. 3, 4, 13. " Cic. ad Att. IV. 16, 4 4. » Becker, H. d. r. A. Bd. I. S. 303 fg.
' Cic. 1. c. Plut. Caes. 29. Appiau. B. C. II. 26. * Plutarch. Caes. 29. « Gh. Bunsen, Les Forum de
Rome. Annal. d. I. d. C. a. 4836. tom.VIII. p. 207— 75. .\. 2. — Beschreibung; der Stadt Rom. Bd. III. S. 29 fg.
/|28 ^^^ Forum Romanum.
Fanum,^ wo sich an den Gerichtssaal in einer für classischen Geschmack keineswegs
befriedigenden Weise ein Tempel anschloss. Dass man aber Säle in der Weise anein^
anderstossend erbaute, kann übrigens, wenn man das Nebeneinander der kolossalen
Säle in den Thermen bedenkt, noch weniger unmöglich erscheinen.
Wir mtjssen uns also zu einer solchen Aushilfe entschliessen , oder darauf ver-
zichten, die angezogene Stelle Cicero's zu erklären. Aus späteren Nachrichten können
wir keine Aufklärung schöpfen. Als die Basilica Aemilia oder Paulli, wie sie nach dem
Doppelnamen des Restaurators jetzt hiess, nach zwanzig Jahren durch seinen SohnAemilius
Lepidus Paullus vollendet worden war,^ brannte sie nach weiteren zwanzig Jahren wie-
der ab, und gab dem Augustus selbst Gelegenheit bei der Wiederherstellung seine Pracht-
liebe zu entfalten. Sie behielt den Namen des Paullus,^ wurde jedoch jetzt ohne Zweifel
als ein Ganzes hergestellt und zwar so, dass Plinius sie unter die grössten Prachtwerke
Roms zählt, der Säulen aus phrygischem Marmor besonders erwähnend. Hier stand sie
auch noch, als der Regionär sein Gränzverzeichniss herstellte, von welchem ich oben das
Hiehergehörige angeführt habe. Vor dem Tempel der Faustina, den wir sogleich bespre-
chen werden und als sicheren Punkt kennen , sind die Basihca nova und die des Paullus
genannt. Als die »neue« nun musste dem Regionär zunächst die letzterbaute constan-
tinische Basilica gelten, deren kolossale Ruinen wir noch beschreiben werden, welche
auch genau in der Reihenfolge passt; dass aber die des Paullus vor den Tempel der Fau-
stina gesetzt wird, kann keinen anderen Grund haben als den, die beiden Basiliken zu-
sammen nennen zu können, ohne das Wort Basilica wiederholen zu müssen. Dass dann
das Forum Transitorium folgte, benimmt uns allen Zweifel über die von dem Regionär
eingeschlagene Richtung.
Als sichere Resultate können daher hingestellt werden, erstens dass die Basilica
Fulvia oder Aemilia, d. h. der ursprüngliche Bau, den überdiess Cicero etwas summarisch
in der Mitte des Forum (im engeren Sinne wohl) nennt,* an der östlichen Hälfte der nord-
östlichen Langseite hinter den neuen Tabernen ihren Platz hatte, und zweitens, dass auch
die Basilica Paulli , die an deren Stelle trat , noch in der spätesten Zeit an demselben
Platze neben dem Faustinatempel und südlich vom Forum Transitorium stand. Ein Frag-
ment des capitolinischen Planes mit den Buchstaben
EMILI.s
das wahrscheinlich zur Basilica Aemilia gehörte , leistet der Untersuchung keinen Vor-
schub, da uns das Schicksal an dem Fragmente nichts als die blossen Buchstaben
übriggelassen hat. Von den Ueberresten dieses Prachtbaues aber liegt keine Spur
zu Tage.
* Vitruv. V, 1. * Dio Cass. XLIX, 42. ' id. LIV, 24. * Cic. Acad. II, 22. " Tab. VI. cf. Bol-
lori fragmenta vestigii veteris Romae. (Graev. Thes. Ant. Rom. t. IV. p. 1935.)
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Der Tempel des Antoninus und der Faustina. i 29
15. Der Tempel des Antoninus und der Faustina.
Am Ostende der eben besprochenen, an baulichen Ueberresten nichts bietenden
Langseite des Forum gelangen wir wieder zu einem bedeutenden jedoch schon
ausserhalb des Forumgebietes liegenden Ueberreste, nemlich zu einer stattlichen
Tempelruine mit sechs Säulen in der Fronte und ausser den Ecksäulen zwei Säulen
und einem Antenpilaster an jeder Seite (Prostylos hexastylos). Seit 1876 ist die
Fronte im Zusammenhang mit der Bloslegung des benachbarten Platzes vollständig auf-
gedeckt, doch wurde nur mehr die innere Masse der hohen Treppe, deren Höhe etwa
20 Stufen vermuthen lässt, gefunden. Die Treppe war beiderseits von Treppenwangen
abgeschlossen und in der Mitte unten von einem Statuen- oder Altarpiedestal unter-
brochen. Die attischen Basen sind mit den Phnthen 0,42, und die korinthischen Ga-
pitäle 1 ,75 Meter hoch, beides von weissem Marmor. Die Schäfte 1 7, 05 Meter hoch
mit 1,45 im unteren, 1,28 im oberen Durchmesser sind von Cipollino, dem »gewellten«
Carystius,^ jenem in der Kaiserzeit beliebten graulichen Marmor aus der Gegend
von Karystos an der Südseite von Euboea, der abweichend von der sonstigen
Aderzeichnung des Marmors eine den Holzmasern nicht unähnliche Wellen-
zeichnung zeigt. An der Fronte und grösstentheils auch an den beiden Seiten ist
Architray und Fries erhalten, beides zusammen zwei Meter hoch. Vom Architrav,
der nur aus zwei Abstufungen besteht, ist an der Fronte der nöthige Raum für die
Inschrift der Faustina geebnet, auf dem an der ganzen Stirnseite schmucklosen Fries
aber befindet sich der Name des Antoninus. Beide Inschriften sind nach der Gesalt
der Buchstaben ungleichzeitig. Zusammen lauten sie also :
DIVO ANTONINO ET
DIVAE FAVSTINAE EX • S C
Der Architrav zeigt in den Suffiten eine schöne aus verschlungenen Bändern be-
stehende Umsäumung um ein Mäanderschema. Der Fries aber ist an den Langseiten
mit einem schönen Relief verziert, welches symmetrisch schreitende Greife, die durch
phantastisch reiche Candelaber und Vasen getrennt sind, darstellt. Ohne Zweifel
lief dieses Friesrelief ursprünglich um den ganzen Tempel, musste aber an der
Fronte 1 der Inschrift weichen, welche den Faustinentempel zugleich dem später ver-
storbenen Gemahle der vergötterten Kaiserin dedicirte. Vom Kranzgesimse sind nur
noch einige isolirte Stücke an den Seiten erhalten, welche weder den Zahnschnitt
noch die Kragsteine der korinthischen Ordnung zeigen, und deshalb ohne vortheil-
hafte Wirkung sind. — An den beiden Seiten ist noch der grösste Theil der früher
mit Marmor bekleideten Cellamauer, die aus grossen Quadern von grauem Tuf
1 Stat. Sylv. I, 5, V. 34.
F. Rbber, Rom. 17
430
Das Forum Romanum.
(Peperino) besteht, in einer Länge von 15 Meter an der südöstlichen und von 20
an der nordwesthchen Seite erhalten.
^—^-
■^Mit.
8. Friesrelief vom Faustinatempel. (F. R.)
Obwohl die erhaltene Inschrift die Namen des vergötterten Kaiserpaares nennt,
lässt sich doch wegen mangelnder Beinamen die Bestimmung des Tempels nicht
mit voller Zuverlässigkeit nachweisen. Denn beiden Antoninen und beiden Faustinen,
deren Gemahlinnen, wurden göttliche Ehren erwiesen.* Die Stylkennzeichen allein
sind zu subtiler Natur, um zwischen dem altern und Jüngern Antoninus zu entschei-
den. Doch spricht die Wahrscheinlichkeit für Antoninus Pius und zwar aus folgenden
Gründen. Erstlich trägt der Name des Kaisers keine näheren Kennzeichen, was
man bei Aurehus, dem zweiten Antoninus, gewiss nicht unterlassen hätte; ferner
eignete Elagabal den Tempel des M. Aurelius sich an, wovon man, wenn er nicht
nach dem Ende dieses Wahnsinnigen zerstört worden, wenigstens noch inschrifthche
Spuren wahrnehmen müsste ; dann stand ein Tempel des M. Aurelius (?) Antoninus
in der 9. Region (Circus Flaminius) in der Nähe der M. Aurelsäule^. Zwei Inschriften,
die eine »unter den Ruinen dieser Gegend« gefunden und auf Antoninus Pius be-
züghch,' die andere 1562 vor dem Faustinentempel entdeckt und dem Marc Aurel
gewidmet* geben keine Entscheidung. Sie lauten:
Imp • Caes • Divi • Hadriani • Fil • D I V
TRAIANI.PARTHICI N.p
DIVI.NERVAE PRONEP
T AELIO HADRIANO
ANTONINO AVG PIO
PONT MAX TRIBPOTESTVTl
IMP IT- COS TIT. PP
CORPVS
PISTORVM
M AVRELIO CAESARI
IMP CAESARIS T AELI
HADRIANI ANTONINI
jVGPII PONT MAX TRIB
pOTXIlll IMPII COS IIII.P P FIL
DivI HADRIANI NEP. DIVI
TraiaNI ' PARTHICI PRONEP
Divi • NERVAE • ABNEPOTI
Po«l Max . TiiB POT V COS IT
. . ONENSES
EX AFRICA
1 Script. Hist. Aug. (Capitolinus) Antonin, P. 6. & 13. id. M. Aurel. 26. 2 Curios. Urb. Rom. Reg. X.
3 Grut. p. CCLV. n. 1. cf. Lanciani, Bull. d. J. d. c. a. 1871 p. 263 s. < Grut. p. CCLIX. n. 6.
Der Tempel des Antoninus und der Faustina. i3i
Die Nachricht endhch, das Reiterbild des M. Aurelius Antoninus, welches seit 1 583
auf das Capitol gebracht worden, sei vor diesem Tempel gefunden worden ^ ist ganz
unbegründet, da vielmehr die Reiterstatue vor der Verbringung auf den Capitolsplatz
und zwar nachweislich lange Zeit wenn nicht schon seit der Errichtung selbst bei
S. Giovanni in Laterano^ stand. Die Annahme Fea's aber, dass sie ursprünglich beim
Bogen des Septimius Severus sich befunden habe und 1 1 87 von da nach dem La-
teran versetzt worden sei,^ beruht auf einer Verwechselung mit dem Equus Con-
stantini welcher bei jenem Triumphbogen stand^.
Wie der Tempel ursprünglich der Faustina, als vor ihrem Gemahl verstorben,
erbaut und geweiht ward, so scheint auch dem Tempel der Name der Faustina
ausschliessend geblieben zu sein.^ Der in der Kaiserzeit und auch in der späteren
Tradition mit nicht unverdienter Verehrung genannte Name des Antoninus, der noch
auf dem Gebiilke zu lesen ist, mag diesen Tempel kaum so wirksam vor der Zer-
störung geschützt haben, als der Umstand, dass man denselben schon in der frühesten
Zeit in eine dem h. Laurentius geweihte Kirche umwandelte. Dass aber die Kirche
in den Mirabilien (1 2. Jahrh.) als ehemaliger Minerventempel erklärt wird, während
doch die Dedicationsinschrift sich vollkommen erhalten hat, ist wohl eher als der
Willkür des Mirabilienschreibers dem Umstände zuzuschreiben, dass die alte Basilika
den Pronaos als Säulen vorhalle benutzte, und mit deren Pultdach, vielleicht auch
mit einer christHchen Inschrifttafel die antike Inschrift verdeckte. Bei Gelegenheit
des Einzugs Kaiser Karl V. nach seinem Zuge gegen Tunis ward die alte Kirche abge-
brochen, woian sich erfolgreiche Ausgrabungen anschlössen, welche ausser einer
grossen Anzahl marmorner Stufenblöcke auch einige Carniesstücke und Sculpturen,
angeblich einen vor einen Wagen gespannten Elephanten (vom Giebelfelde?) darstel-
lend, zu Tage förderten.»^ Was Palladio (a. a. 0.) von einer Porticus, die einen weiten
Vorhof gebildet haben soll, berichtet, hat nur bei Canina' unverdienten Glauben
gefunden. Palladio brachte, wie zu vermuthen ist, Reste eines anderen Gebäudes,
die er ausgraben sah, möglicherweise von dem schon erwähnten Heroon Cäsars,
missverständlich mit dem Faustinatempel in Verbindung.
Die Tempelruine blieb nach dem erwähnten Abbruch der alten Kirche in der
ersten Hälfte des 1 6. Jahrhunderts über ein halbes Jahrhundert frei und unbenutzt.
Erst i. J. 1 602 entschloss sich die Gilde der Apotheker, deren Eigenthum die Kirche
»Palladio, I Quattro Libri dell' Architettura, Ven. 1570 L. IV. c. 9. fol. 30. 2 Müllenhoff, Haupts
Zeitschrift XII. 325fT. ^ q y^.^^ Dissertazione suUe rovine di Roma. (Winkelmann, Storia delle arti del
disegno, Irad. d. C. Fca. R. 1784 T. III. p. 410.) « Notitia U. R. Reg. VIII. Anonymus Einsiedl. Itinerar
und Inschriftensammlung. * Script. H. A. (Treb. PoU.) Salonin. 1. Curios. li. R. cf. Fea, Fasti p. LXXIII sq.
•^Ligorius Ms. Vati c. No.3374. Vgl. S. 135. Anm. 2. ' Canina, gli Edifizj di Roma antica Vol. I. p. 63, Vol. II.
tav. VIII & XXIII. cf. R. A. Lanciani, Sulle recenti scoperte di Roma. Bull. d. J. 1871. p. 263.
17*
/I32 Das Forum Romanum.
und das anstossende Institut gewesen war, die ersterere wieder so aufzubauen, wie
sie in die Ruine eingeschlossen noch vor uns steht. Bis zu Anfang dieses Jahrh.
waren die Säulen, von denen ein Drittheil vom Schutte begraben war, unten durch
niedrige Mauern geschlossen. Doch bei der oben erwähnten zweiten Ausgrabung
im Jahre 1813 wurde der ganze Pronaos blossgelegt und die Tiefe von drei Seiten
durch eine Mauer vor dem nachrollenden Schutte geschützt. Man lies« jedoch nur
die Plattform des Pronaos offen, obwohl die Ausgrabung noch weiter bis an den
Fuss der Substruction und an die vor der Treppe vorbeiziehende Strasse fortge-
führt worden war, da der moderne Boden hier die beträchthche Höhe von mehr
als 12 Meter über dem antiken Boden hat, wovor jedoch die neueste Bloslegung
(1 876) nicht mehr zurückschreckte. Die beifolgende Ansicht gibt jedoch die Fronte
noch in dem Zustande vor der letzten Aufdeckung.
16. Tempel und Rostra Cäsars, der Vestacomplex und andere Reste.
Von den Gebäuden am Südostende des Forum, von welchen das nächstan-
gränzende, der Tempel des Cäsar und die Rostra Julia bereits oben (S. 121) als
hier befindlich erwähnt worden sind, haben sich erst in den letzten Jahren (seit 1 872)
die Reste durch umfängliche Ausgrabungen gefunden. Zunächst zeigte es sich, dass
die das Forum östlich abgränzende kurze Querstrasse nicht erst beim Faustinentempel
sondern weit westlicher der Nordecke des Castortempels entsprechend die beiden
Längsstrassen des Forum verband, was jedoch schwerlich als ursprünglich, sondern
vielmehr als eine Verkürzung des Forum in Folge der Anlage jenes Tempels zu
betrachten sein dürfte. Die Querstrasse wurde überdiess so weit in das ehemalige
Forum hineingeschoben, dass selbst noch eine um 4 Stufen über das Strassenniveau
erhöhte travertingepflasterte Area vor dem Tempel übrig blieb, deren gegenwärtige
Erscheinung jedoch eine spätere Wiederherstellung bzw. Aufhöhung zeigt.
Erhalten ist leider nur mehr der massive Substructionkern , welcher sich
durch zwei schmale spaltartige Zwischenräume in Folge der Materialplünderung in
drei von einander isolirte Körper trennt. Der dem Forum nächstliegende in der Rich-
tung von Nordwest nach Südost oblonge Theil ist und war etwas niedriger als die
beiden folgenden zum Tempel im engeren Sinne gehörenden Substructionen und
diente unzweifelhaft als suggestum für den Redner, als rostra luHa, zu welchem
Namen die Substruction auch formal berechtigt war, seit Augustus nach der Schlacht
bei Actium den Rand derselben mit erbeuteten Schiffschnäbeln der Flotte des An-
tonius verzierte. ^ Zur Rednertribüne aber war die Substruction noch ganz besonders
1 Tacit. Bist. m. 70.
Die Südostseite des Forum. i 33
durch den Umstand gestaltet, dass sie einen später geschlossenen segmentförmigen
Ausschnitt hatte, der etwa drei Yiertheile der Fronte einnahm und mit dem Bogen-
scheitel ungefähr bis in die Mitte der ersten Substruction hineingrifF. Reste der
Marmorbekleidung der Fronte zeigen, dass die Treppe nicht an der Fronte, sondern
wahrscheinlich an den beiden Flügeln der etwa 3 Meter in der Höhe messenden
Rostral-Terrasse angebracht war.
Dej- erhaltene Kern der Tempelsubstruction lässt schhessen, dass diese sich
über die Rostraterrasse beträchtlich und zwar um nahezu 2 Meter erhob. Von den
Architekturtheilen hat sich nichts gefunden, woraus hervorgeht, dass der Tempel
nicht seinem Verfalle überlassen, sondern frühzeitig systematisch abgetragen wurde.
Wir wissen jedoch aus Vitruv, dass er pyknostyl war,^ d. h. eine sehr enge Säu-
lenstellung hatte, welcher Umstand es auffällig macht, dass Münzen,^ welche ihn
übrigens anscheinend ionischer Ordnung zeigen, den Tempel tetrastyl, d. h. mit
vier Säulen in der Fronte darstellen. Auf alle Fälle war seine Erscheinung hoch-
ragend und schlank schon durch die hohe Substruction, woher auch das wieder-
holt vorkommende dichterische Epitheton dieser aedes »excelsa« sich erklärt.^
Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte dieses Gebäudes möge zu dem, was
bereits S. 121 erwähnt werden musste, folgendes hinzugefügt werden. Die Rostra
lulia waren 710 d. St. von Cäsar angelegt worden, wohl weiter östlich, als sie
sich später ergaben, als i. J. 712 die Triumviren an der Stelle der Verbrennung
der Leiche Cäsars, an welcher das Volk die nur einige Wochen bestehende
Gedächtnisssäule errichtet hatte,^ das tempelartige Heroon erbauten.^ 717 musste
es nach den Münzen vollendet sein, geweiht jedoch ward es erst 723.*^ Von späteren
Restaurationen wissen wir nichts, wenn es auch nicht an Spuren derselben in der
Pflasterung des Tempelareals fehlt. Unverständlich bleibt des Augustus Localisirung
des Tempels, wenn es sich wirklich bei dieser aedes divi luH um den Tempel am
Forum handeln sollte, zwischen dem Apollotempel und dem LupercaU. — Es scheint,
dass die Situation so gewählt worden war, dass die Längsaxe des Tempels mit der
Längsaxe des trapezförmigen Forum zusammenfiel, sonst würde es unerklärlich sein,
wie die Frontelinie des Tempels von den Parallellinien der vorhegenden Pflasterung
des Tempelareals und der Querstrasse sowie von dem sich nach der Sacra via
richtenden Linienschema der Forumpflasterung divergirend sein könnte, wie sie es
in der That in der Richtung von Südwest nach Nordost ist. Diess würde aber
1 Vitruv. III, 3, 2. 2 von 717—718 Cohen Aug. I. I. 3. 90 fg. 3 Ovid. Pont. II. 2, v. 85. Metani.
XV. 2. 841. E. Brizio, Scavi del Foro Romano (tempio di Giulio Cesare). Bull. 1872 p. 257. H. Jordan,
Ausgrabungen auf dem Forum. Hermes VII. S. 280 fg. < Sueton Caes. 68. » Die Cass. XL VII. 18.
•' Calend. Antiat. ^ Monum. Ancyr.
I
v|34 l^3s Forum Romanum.
beweisen, dass die nordöstliche Grenzlinie des Forum, welche man bisher in einer
vom Mitteldmchgang des Severusbogens ausgehenden und die unterste Stufe des
Faustinentempels berührenden geraden Strasse annahm, nicht blos weiter nordöstlich
gesucht werden müsste, sondern, dass sie auch jener vermeintlichen Strassenlinie
nicht einmal parallel gewesen sein könne.
Auch vor den letzten Ausgrabungen war man schon einigermassen von dem
Gebäudecomplex unterrichtet, welcher südöstlich vom Cäsar- und dem Castortempel
gegen den Palatin und die Velia zu sich befand. Dass nemlich das Heiligthum der
Vesta an der Sacra via lag, ist jedem Leser desHoraz^ bekannt, doch scheint der
Tempel nicht unmittelbar an die Strasse gestossen zu haben, da bei den mehrfachen
Notizen über ihren Gang ausser bei Dichtern, deren Phantasie nicht aut das nächst-
gelegene angewiesen ist,^ desselben nie besondere Erwähnung geschieht. Es war
vielmehr das Atrium der Vesta , w elches einen sicheren Punkt an der Sacra via
bildete, und dass dieses nichts anderes war als das Atrium Regium oder die Regia
(Numae) kann nach der Beweisführung Becker's^ keinem Zweifel mehr unterliegen.
Dass aber die Regia nicht bloss an der Sacra via, sondern auch am oder in der
Nähe des Forum lag, davon brachten wir schon eine classische Erwähnung, als
wir von den Rostra lulia sprachen, 4 und diess wird von einem Gommentator des
Virgil noch bestimmter ausgesprochen, der die Regia des Numa am Fusse des Pa-
latin und am Ende des Forum nennt. ^ Die Regia aber, die Amtswohnung des Pon-
tifex Maximus, stand mit dem Tempel der Vesta und dem Hause der Vestalen so
in Verbindung, wie sonst ein Atrium mit dem übrigen antiken Wolmgebäude, was
sich auch dadurch leicht erklären lässt, dass dem Pontifex Maximus ein gewisses
Aufsichtsrecht und die Gerichtsbarkeit über die Vestalen oblag. Als Atrium stand
daher die Regia der Strasse zunächst, entlegener wohl der Tempel und die Wohnung
der Jungfrauen, am entlegensten der Hain der Vesta, welcher am Abhänge des
Palatin, über dem Tempel und an der Nova via, von welcher unten noch gespro-
chen werden wird, sich befand." Die Angaben über die Nachbarschaft des Vestahei-
ligthums und des iuturnischen Brunnens oder des Gastortempels, der sogleich be-
schrieben werden soll, bezeichnen die angenommene Lage des ersteren auch von
der Forumseite näher, ^ und wenn es nach alle dem über die Locahtät eines weiteren
Beweises bedarf, so kann noch angeführt werden, dass man hier, bei der Kirche S.
Maria Liberatrice (vormals S. Silvestro in lago) im i 6. Jahrhundert noch eine grosse
1 Horat. Sat. I. 9. v. 1 u. 35. 2 Martial. I. 70. v. 5. ^ U. d. r. A. Bd. I. p. 223—239. ■• Appian,
B. C. II. 148. Vgl. S. 121 Anm. 6. 5 Serv. ad Virg. Aen. VIII. v. 363. « Gic. de div. I. 45. Liv. V. 32. 50 52.
7 Dionys. VI. 13. Val. Max. I. 8, 1. Martial. I, 70, 2 u. anderw.
Die Südostseite des Forum. \ 35
Anzahl — an zwölf — Statiienbasen mit Inschriften von Vestalen fand,i von
welchen jetzt fünfzehn bekannt sind. Man konnte nach alledem den als Vestaheilig-
Ihiim kreisförmigen Plan schon längst an der Nordwestecke des Palatin eintragen,
wo er auch in meinem Forumplan von 1861 (vgl. I. Ausgabe dieses Werkes) zu
finden ist, und zwar fast genau an der Stelle, wo die neuesten Ausgrabungen wirk-
lich die leider furchtbar zerstörte Substruction eines Rundgebäudes blosgelegt haben.
Diese aber hatte eine beträchtlich grössere Peripherie, als sie noch die Bekleidung besass,
welche wie die Cellenwand oder der Säulenkranz, falls wir einen solchen annehmen
dürfen, spurlos verschwunden ist. Die gegen den Palatin hin angrenzenden Back-
steinwände müssen zum Haus der Vestalen gehört haben. Sonst haben freilich die hier
eben so dürftigen als unerklärbaren, zum Theil mittelalterlichen Funde die gehegten
Erwartungen zur Zeit noch nicht erfüllt, wenn sie auch einige Bereicherung der
capitolinischen Fasten geliefert haben, die möghcherweise an der Regia^ vielleicht
aber an den Treppenwangen der Seitentreppen des Castortempels'^ angebracht waren,
und von welchen i. J. 1546 in der Nähe der drei Säulen die dritte Golumne als erstes
Stück gefunden worden war. 4 Die seitdem durch wiederholte Funde vermehrten Frag-
mente, die jetzt den Conservatorenpalast auf dem Capitol schmücken, lassen glauben,
dass jenes Consular- und Triumph-Verzeichniss von der Gründung der Stadt bis zum
J. 742 d. St. reichte und noch einen Anhang hatte, welcher bis zum Tode des
Augustus geführt war, und von Domitian hinzugefügt zu sein scheint. Der halbkreis-
förmige Basamentrest zwischen dem Vesta- und dem Castortempel hat den Namen
»PutealLibonis« erhalten, was indess erst mit Sicherheit gesagt werden könnte, wenn
sich über die Porticus bilia, in welcher sich das Puteal befunden haben soll, Auf-
klärung gewinnen lässt. Mit mehi- Wahrscheinlichkeit sind die in der Nähe hervor-
brechenden und an der Fronte des Castortempels entlang in die Cloaca Maxima
geleiteten Wasser mit der luturnischen Quelle in Verbindung gebracht worden.
Bei oder vielmehr vor der Regia muss ein alter Bogen gestanden haben, der
die ganze Kaiserzeit überdauerte, nemlich der i. J. 645 d. St (109 v. Chr.) von Q.
Fabius Allobrogicus erbaute Fornix Fabianus. Dass dieser Bogen am Ende des Forum
und gegen die Velia hin sich befand, erhellt aus den Erwähnungen bei Cicero.* Die
I.ocalität wird übrigens durch drei Scholiasten noch genauer bezeichnet. Der eine nennt
> Andr. Fulvius, Antiquitates Urbis. R. 1327. Lib. III. fol. XL. Lucio Fauno, delle antichitä della cittä
«U Roma. Ven. 1548. fol. 44 sq. ^ Piale delle teime Traiane 1827. p. 20. Henzen und Detlefsen, Archäolog.
Anzeiger. XVIII. n. 149. 150. 3 Lanciani, Sülle recenti scopeite di Roma. Bull. d. I. d. c. a. 1871. p. 266.
* P. Ligorius. Antiquität. L. XVII. Ms. Collect. Ottobon. Vat. n. 3374 p. 200 sq. ed. C. Fea, Frammenti di fasti
consolaii e trionfali. Roma 1820 p. XII sq. Ligorio, Planta del Giano quadrifonte delli Fasti romani detto Summo
lano et scoperto il di XV. di Agosto del a. MD XL VI et finito di spiantare infra giurni XXX. Ms. Turin.
vgl. .lordan, Sxliogo inscr. fori Romani p. 263 sq. ^ pro Plane. 7. de orat. II. 66.
4 36 ^äs Forum Romanum.
ihn neben der Regia an der Sacra Via/ der andere neben der Vesta, und der dritte
am genauesten da, wo man nachdem man am Gastortempel vorübergegangen, die
Sacra Via betrat.^ Auch die bisher^ wegen einer Gorruptel des Textes missverstan-
dene Stelle des Trebellius Pollio,'* bezeichnet nach der Mommsen' sehen Emendation, ■'
welche unbedingt der vom Verfasser in der 1 . Ausgabe dieses Werkes vorgeschla-
genen vorzuziehen ist, den Bogen zwischen dem Faustinen- und dem Vestatempel.
Er war im Mittelalter, wie der Titusbogen und die meisten deiartigen Denkmäler,
wahrscheinlich durch einen Befestigungsthurm (des Cencio Frangipani) belastet und
gesperrt, welcher 1536 bei dem Einzüge des Kaisers Carl V. demoHrt wurde. "^ Ob
dabei auch der antike Bogen ganz verschwunden, wird vielleicht die Fortsetzung
der Aufdeckung zeigen, wahrscheinlich aber wurde er nach den Ausgrabungen von
1546 — 1547 demolirt, wobei unter anderen die von den Massimi weggeschleppte
Inschrift des Q. Fabius Allobrogicus^ entdeckt worden zu sein scheint.
17. Der Tempel des Castor und PoUux.
Wenn wir uns nun wieder gegen das Forum zurückwenden, um die noch
übrige südwestliche Langseite zu betrachten, so haben wir die Freude, fast in der
ganzen Länge dieser Seite wieder auf antikem und überdiess topographisch bestimm-
barem Boden wandeln zu können. Ueberblickt man zunächst den grossen hier aus-
gegrabenen Raum, der einem Thale nicht unähnlich in der Tiefe liegt, und betrachtllt
man die überraschende Höhe, in welcher sich der Schutt hier aufgehäuft hatte, so
kann man sich der Frage nicht entschlagen, wie ein Jahrtausend eine so ungeheure
Niveau-Veränderung hervorzubringen vermochte! Der erste Schlag welcher die Herr-
lichkeiten des Forum traf war der Sieg des Ghristenthums über das Heidenthum,
der, wenn nicht die Zerstörurg, so doch den ungehemmten oder selbst beförderten
Verfall der heidnischen Gultstätten zur Folge haben musste. Doch war dessen Wir-
kung nur sehr allmählich und weniger empfindlich, als die Verwüstung durch To-
tilas (546), welche besonders diese Gegend betraf. Das Niveau der im 6. Jahrh.
erbauten Kirche SS. Gosma e Damiano muss schon ursprünglich beträchtlich höher
gewesen sein, als der antike Boden, der hinter der Basilica gleich dem Niveau des
Forums gefundeii wurde«. Doch war der Platz selbst, als (wahrscheinlich im 9.
1 Pseudo-Ascon. ad Act. I. in Verr. 7. p. 433. Or. 2 schol. Gronov. ad 1. c. p, 593 u. 399 Or. 3 h.
d. r. A. Bd. I. S. 240 fg. < Script. Hist. Aug. (Trebell. Poll.) Gallien. 1. »Ann. d. I. d. c. a. 1858
p. <79. 6 de Rossi Ann. d. I. d. c. a. 1859. p. 308. ^ Qrut. 627. 2. de Rossi Ann. d. 1. d. c. a. 1859.
p. 315. Lanciani Bull. d. I. d. c. a. 1871 p. 262 fg. Jordan Sylloge Inscr. fori Romani p. 263 sq. 290.
8 Tocco, Scavi di Gosma e Damiano. Ann. d. I. d. c. a. 1867. p. 405 sq.
'VpUVJlß[ Ul
\uih\o'^hIb 3
Df>r Tempel des Castor und Polliix. ,j37
Jahiii.) jener Unbekannte, dessen Hand wir das werthvolle Schriftchen, das wir als
den Anonymus von Einsiedeln zu bezeichnen pflegen, verdanken, Rom durchwan-
delte und die Inschriften der Ruinen sammelte, noch unverschüttet, wie daraus
hervorgeht, dass dieser noch die Basen-Inschrift des Equus Constantini lesen konnte.
Auch fanden sich mittelalterliche Ruinen von Kirchen u. s. w. auf dem antiken Niveau,
^\ie namentlich auch Kalköfen an drei Stellen vor dem Faustinen-, neben dem Ca-
stortempel und im Innern der Basilica lulia. Die Aufdeckung hat auch gezeigt, dass
die Gebiuide vor der Verschüttung bereits gründlich ausgebeutet waren. Die ruinöse
Herrlichkeit hatte aber an einem Tage ihr völliges Ende, als Robert Guiscard i. J.
1081 in Rom einzog und die Stadt vom Lateran bis zum Capitol verheerte. Das Forum
wurde nun fast völlig verlassen, und der Platz zwischen den elenden Hütten, die, sich
an die Säulen lehnend, unter den Ruinen erstanden, gestaltete sich theils zu Garten,
theils, vielleicht etwas später, zum Viehplatze (Campo Vaccino). Dass aber auf dem
letzteren, an dessen Säuberung Niemand dachte, der Unrath von Jahr zu Jahr wuchs
und mit dem Schutt der aller edleren Materialien beraubten und bis auf den Substruc-
tionskern verfallenden Gebäude einen neuen erhöhten Boden schuf, ist ebenso begreiflich
wie es wahrscheinlich ist," dass man zwischen dem 14. u. 15. Jahrh. den Ort benutzt
habe, den Bauschutt der bewohnteren Stadttheile hier abzulagern. Dass jedoch von
dem letzten Umstände allein oder auch nur vorwiegend^ der bedeutende Unterschied
zwischen dem antiken und modernen Niveau herrühre, scheint unrichtig, denn man
raüsste ja sonst überall in Rom, wo die Ruinen aus tiefem Schutt hervorragen, an
eine ähnliche Schuttstelle denken, während es z. B. gar nicht denkbar ist, dass man
den Schutt auf den Palatin geführt habe, wo doch der Höhenunterschied des antiken
und modernen Bodens stellenweise fast ebenso bedeutend ist. —
Die erste Ruine, die wir in dem ausgegrabenen Räume an der Südwestseite
des Forum und an dessen Südostende vor uns haben, ist unverkennbar die eines
grösseren Tempels. Die Ausgrabungen (zuletzt 1 872) haben den grössten Theil ihrer
oblongen Substruction blossgelegt, die eine Höhe von 7V2, und eine Breite von 30
Meter zeigt, welcher Breite eine Länge von über 50 Meter entsprechen dürfte;
doch ist noch die Rückseite des Tempels unter dem Schutte begraben. Diese Sub-
struction besteht wie gewölmlich in ihrem Kerne aus Gussmasse und war äusserlich
mit Tuf- und Travertinquadern, von welchen jedoch wenig mehr erhalten ist, und
zuletzt mit Marmorplatten bekleidet, wie man noch aus den Spuren an der südöst-
lichen Langseite ersieht, welche überdiess zeigen, dass die Substruction mit pilaster-
förmigen Vorsprüngen geschmückt war. Sonst hat der bis jetzt blossgelegte Theil
' Beschreibung der Stadt Rom, Bd. I, 2. S. -135. 211. Jordan, Ausgrabungen auf dem Forum. Hermes
VII. S. 266 fg.
F. Reder, Rom. • jg
j38 ^^^ Forum Romanum.
der Substruction an der Aussenseite so gelitten, dass kaum mehr die Form erkenn-
bar ist. An der Seite gegen das Forum hin , welche offenbar die Stirnseite war,
sieht man noch die Reste der Treppenmasse, welche erkennen lassen, dass, was das
capitolinische Planfragment (Fig. 9) nicht zeigt , die auf wenigstens 1 8 Stufen zu
schätzende Haupttreppe von zwei rechts und links an den Langseiten emporführen-
den Seitentreppen begleitet war. Die drei untersten Stufen treten über die Linie
der benachbarten Basilica lulia vor, auf der untersten befand sich ein abschliessen-
des Gitter, wie die noch sichtbaren Löcher zeigen.
Ungefähr in der Mitte der südöstlichen Langseite erheben sich noch drei
Marmorsäulen, von welchen die korinthische Base mit Platte 0,75, der canellirte
Schaft 1 2,40, und das korinthische Capital 1 ,C3 Meter in der Höhe messen. Der Durch-
messer des Schaftes lieträgt unten 1 ,45 und oben 1 ,30 Meter. Das Capital ist von vor-
züglich reicher Schönheit und selbst der Abakus mit minutiösem Laubgewinde ge-
schmückt. Dem Reichthum des Capitäls entspricht das erhaltene Gebälkstück, welches
die drei Säulen tragen. Es hat zusammen eine Höhe von 8,75 Met., der Architrav
1,03, der Fries i,o2 und das Kranzgesimse 1,70. Der Mittelstreifen des Architravs
ist prachtvoll ornamentirt, der Fries glatt, fein decorirt das Kranzgesimse, an welchem
schöne Kragsteine mit reichgeschmückten Lacunarien wechseln, und dessen Sima
noch die Löwenköpfe als Wasserspeier zeigt. Die solide Pracht, welche sich nicht
bloss an den meisten in die Augen springenden Theilen ausbreitet, sondern sich
auch in den tiefsten Winkeln findet, die feine Arbeit, von dem Schablonenhaften
ebensoweit entfernt, wie von prätentiöser Darstellung, wie wir sie z. B. am Fries
des Faustinentempels sehen, bekundet eine gute Epoche der römischen Baukunst und
berechtigt dazu, in dieser Ruine eines der vollendetsten Stücke römischen Pracht-
baues zu erkennen, wenn auch nicht, wie ein gelehrter Franzose will,^ eines der
vollkommensten Gebäude, welche die Architektur je hervorgebracht hat. Von der
Cella liaben sich neuerlich Reste des in weiss und schwarz ausgeführten Mosaikpa-
viments gefunden, interessant durch den Umstand, dass sie das Pflaster der Cella
unter dem Niveau des Peristyls liegend zeigen. Lanciani glaubt2, dass dieser Mosaik-
boden bei der vergrössernden Neuherstellung des Tempels, welcher man die drei
erhaltenen Säulen verdankt, durch ein weiteres Marmorpaviment bis zum Niveau
des Peristyls erhöht worden sei. Rosa und Jordan sind dagegen der Ansicht, dass
die nachträghche dem vormaligen Prostylos oder Pseudoperipteros umgelegte Säu-
lenumfassung der Wirkung wegen höher gestellt worden sei, ohne das ursprüng-
liche Cellaniveau zu alteriren. ^ Das Letztere scheint wahrscheinlicher, zweifellos aber
1 J. C. Fulchiron, Voyage dans l'Italie meridionale. Paris 1843. tom. IV. p. 612. 2 Sulle recenti
scoperte di Roma e contorni. Bull, d. I. d. c. a. 1871. p. 269. 3 H, Jordan, a. a. 0. S. 284.
Der Tempel des Castor und Pollux. -139
ist wohl, (Jass diese Vergrösserung und Erhöhung des Tempels auch die unteren
Stufen der Treppe in die ursprüngliche Strassenrichtung hineingeschoben habe.
Diesem Gebäude wurden bereits die verschiedensten Namen gegeben: Grä-
costasis, Curia, Tempel der Minerva, der Dioskuren und andere. Seit der vollstän-
digen Aufdeckung der Südwestseite des Forum kann jedoch über Namen und Be-
stimmung desselben kein Zweifel mehr bestehen. Die Substruction ist nur durch
den Raum einer Strasse von der jetzt in ihrer ganzen Länge blossgelegten Basilica
getrennt, welche als Basilica lulia zu erkennen alle Topographen einig sind. Durch
diese Begränzung wird eine Stelle der wichtigen ancyranischen Inschrift entschei-
dend für die Bestimmung dieses Tempels, nemlich:
FORVM IVLIVM ET BASILICAM QVAE FVIT INTER AEDEM CASTORIS
ET AEDEM SATVRNI
Die eine der beiden hier angeführten Begränzungen, den Tempel des Saturn, haben
wir bereits in der oben beschriebenen Ruine der acht Säulen erkannt, und so be-
stimmt sich die gegenüberliegende als Tempel des Castor. Auch andere Umstände
bestätigen diese Localisirung des letztern. Er lag nemlich unmittelbar am Lacus
luturnus, welcher anderwärts neben dem Vestaheiligthum genannt wird,^ wesshalb
er auch selbst als neben der Vesta liegend bezeichnet werden konnte.^ Genaue
Richtigkeit konnte jedoch diese Angabe nur bis zu der Zeit haben, in welcher Do-
mitian den Tempel der Minerva erbaute,^ wenn dieser wirklich ein selbständiger
Tempel war, denn in diesem Falle musste er zwischen dem Castortempel und der
Vesta hegen, wie aus der Reihenfolge beim Regionär,^ der die Südwestseite des
Forum durch die Aufzählung: Basilica fulia, Temphini Casiorum et MineriHie, Vesta
bezeichnet, und aus der schon angeführten Gränzbestimmung der ancyranischen In-
schrift hervorgeht. Doch erscheint es auch möglich, die beiden Tempel, welche der
Regionär analog der Bezeichnung »Vespasiani et Titi« durch ein »et« in Verbindung
setzt, in ein und demselben Gebäude anzunehmen. Leider macht die benachbarte
Kirche S. Maria Liberatrice ausgiebige örtliche Nachforschungen behufs der Entschei-
dung dieser Frage unmöglich. Sicher falsch aber ist, wenn man den Tempel, dessen
Ruine wir eben behandeln, zum Heiligthum der Minerva machen und dem Castor-
tempel daneben und zwar zwischen unserer Ruine und dem Tempel der Vesta
einen Platz anweisen will, was mit dem Regionär in offenbarem Widerspruche steht
und mit dem Monumentum Ancyranum nur durch die allerdings richtige Bemerkung
in einigen Einklang gebracht werden kann, dass zu Augustus Zeit der domitianische (?)
' Dionys. VI, 13. " Martial. I. 70. 2. 3 Catal. imp. Vienn. (Roncall. Vet. Lat. Script. Chronica,
t. II. p. 243.) * Curios. Urb. Korn. Heg. VIII.
18*
/) 40 Das Forum Romanum.
Tempel noch nicht genannt weiden konnte. Dabei ist aber übersehen, dass doch
der Raum für den Tempel schon beim Bau der Basilica luHa vorhanden und, als
am Forum liegend, baulich benutzt gewesen sein musste, dass es ferner doch na-
türlich ist, eine Gränzbestimmung wirklich als solche und nicht als ein poetisches
Gemälde zu betrachten ; und endlich dass sich der Treppenspiegel des Castortempels
schlecht für den Volksredner eignete, wenn dieser sich ausserhalb des Foium erhob.
Der Tempel des Castor, ' wie er in alter Zeit, oder der Castoren,^ wie er
in spätrömischer Zeit stets mit Weglassung des zweiten Dioskuren Pollux abkür-
zungsweise genannt wurde, verdankt seine Entstehung dem Siege der Römer am
See Regillus, und seine Lage dem mythischen Erscheinen der Dioskuren am Lacus
luturnus, wo diese nach jener Schlacht ihre Pferde getränkt und dem am Forum
versammelten Volke den Sieg verkündet haben sollen. ' Neben d. h. wohl nordöst-
lich von diesem Brunnenteiche, ward der Tempel des Castor und Pollux gebaut
und im J. d. St. 269 (485 v. Chr.) geweiht.^ Dass er ursprünglich von geringel*
Pracht, d. h. von Landstein, gewesen, wird mehrmals angedeutet;^ auch die erste
Wiederherstellung, zu welcher L. Metellus Dalmaticus die dalmatische Beute ver-
wendete, scheint ihm noch keinen besonderen äusserlichen Glanz verliehen zu haben, "
und bestand vielleicht lediglich in der Umwandlung des schlichten Prostylos in einen
Pseudoperipteros unter Beibehaltung des stuckbekleideten Gabintufs oder Tiburtin-
Kalksteins. Doch für seine räumliche Grösse und Bedeutung spricht ausser zahl-
reichen Erwähnungen hauptsächlich der Umstand, dass in demselben öfters der Senat
versammelt ward.' Als es in den Bürgerkriegen üblich geworden war, dass sich
die Redner vom Comitium weg und zu dem auf dem Forum im engeren Sinne ver-
sammelten Volke wandten, benutzten sie auch, ehe die iulischen Rostra am südöstlichen
Ende des Forum errichtet waren, die Stufen des Castortempels als Rednerbühne. "^
Nach dem Brande der Basilica lulia, welcher auch den Tempel beschädigt
zu haben scheint, baute Tiberius diesen neu und weihte ihn unter seinem und seines
Bruders Drusus Namen im J. d. St. 7ö9 (6 n. Chr.)'^ Von diesem Neubau scheint
die Ruine herzurühren, welche, wie schon erwähnt wurde, auf die ausserordentliche
Pracht desselben schliessen lässt. Der wahnsinnige (^aligula verband den Tempel
mit seinem Palaste auf dem Palatin und Hess sich in demselben zwischen den Dios-
kuren, »seinen Brüdern« sitzend, göttliche Ehre erweisen,^" ein Umstand, der eben-
falls beweist dass der Castortempel nahe am Palatin gewesen sein musste. Die
'Dio Cass. XXXVII. 8. Cic. Verr. I. 49. 2 Curios. Urb. R. 1. c. ^Dionjs. 1. c. Val. Max. 11. cc.
^ Liv. II. 20. 42. Plut. Coriol. 3. 5 Cic. Verr. I. 56. 59. 6 id. 59. (Ascon.) pro Suauro 46. (Ascon.)
l»lut. Pomp. 2. • 7 Cic. Verr. I. 49. » Dio Cass. XXXVIII. 6. 9 id. LV. 8 & 27. Sueton. Tib. 20.
Ovld. Fast. I. 705. Pont. II. 2, 85.' lODio Cass. LIX. 28. Suet. Calig. 22.
Der Tempel des Castor und PoUux. ] ^]
Verbindung mit dem Palaste wurde jedoch bald wieder abgebrochen, und Claudius
setzte den Tempel wieder in den ausschliessenden Besitz der Dioskuren.i Eine
weitere Restauration wird von Domitian erwähnt,^ wobei vielleicht auch der Tempel
die obenerwähnte Doppelbestimmung erhielt. Die Zerstörung muss schon im Mittel-
alter soweit gediehen sein , als man sie jetzt findet, denn schon am Anfange des
XV. saec. hat die angränzende Strasse den Namen »Via trium columnarum«.''
An den zwei Langseiten der Substiuction fand man Strassenpflaster, die
grossen Polygone von Basaltlava, welche die römischen Strassen im weiten Umkreise
charakterisiren. Dasselbe lag ohne Zweifel ursprünghch auch vor der Tempelfronte,
(loch wurde es hier seit der Ueberleitung der vom Clivus an am Castortempel vor-
beiführenden Strasse auf die andere Seite des Gäsartempels geändert und Traver-
tingetäfel substituirt. An der Südostseite des Tempels nuisste vormals der iutur-
nische Brunnen gewesen sein, der durch Umbauten des Castortempels und die be-
nachbarten Neubauten in der Kaiserzeit entweder ganz beseitigt oder wenigstens
sehr beengt worden war. An dieser Seite des Tempels musste auch die Nova via,
über welche wir zahlreiche und nicht unbezeichnende Angaben haben, auf das Forum
fühlen. Denn diese wird einerseits neben dem Haine der Vesta und am Fusse des
Palatin genannt,^ während anderseits erwähnt wird, dass sie in das Forum münde. '"
Die letztere Notiz ist seit die das Forum abschliessende Querstrasse vor den Cäsar-
lempel vorgeschoben wurde, nicht mehr buchstäblich richtig, dass aber die vor den
drei Säulen aufgefundenen Strassenreste zur Nova via gehören, trotzdem ausser
Zweifel, wenn auch die Funde es nicht ganz sicher gestellt haben, wie sie sich
weiter die Velia hinaufzog. Wollte man aber mit Becker" annehmen, dass sie sich
am Fusse des Palatin hinter dem Vestaheiligthume bis zur Summa Sacra via selb-
ständig hinzog, so würde man gerade gegen die bezeichnendsten Angaben Verstössen :
denn man trennt erstens den Hain der Vesta, der von Cicero hochgelegen — also
am Abhänge des Palatinus — genannt wird, von dem Heiligthume selbst, was jeden-
falls unwahrscheinlich ist, und macht auch Ovidius' Angabe, dass die Nova via in
das Forum münde, unmöglich. Angaben aber, welche auf der Topographie der
romulischen Stadt fussen,' weisen der Nova via eine entschieden andere Lage und
Richtung an, als wie sie in der Kaiserzeit sich darstellt,'' woraus hervorgeht, dass
sie in Folge der palatinischen Um])auten verlegt worden sei. Haben wir aber die
Nova via in der Strasse südöstlich vom Castortempel zu erkennen, so kann?es keinem
' Dio Cass. LX. 6. 2 Catal. iiiii). Vionii. ^ r, ^, Lanciani Sulle rccenti scoperto di Roma e con-
toiui. Bull. d. I. iSTi p. 260. < cic. do div. I. 45. Liv. V. 32. 5 Ovid. Fast. VI. v. 389 sq. «Becker,
H. d. r. A. Bd. I. S. 243 fg. vgl. S, H2. 7 Soliu. I. 24. 8 vgl. P. Rosa. Scavi dcl Palatino. Ann. d. I.
d. c. a. XXXVI. 1865. p. 346—367.
J[ 42 D^s Forum Romanum.
Zweifel unterliegen, dass die wiederaiifgedeckte breite, an der nordwestlichen Lang-
seite dieses Tempels ins Forum mündende Strasse dem ofterwahnten Vicus Tuscus
entspreche.
18. Die Substructionsmauern hinter dem Castortempel.
Hinter dem eben beschriebenen Tempel sind noch drei gewaltige Backstein-
mauern von beträchtUcher Höhe und ganz ausserordentlicher Dicke, rechtwinkelig
aneinander stossend und die geschlossene Seite dem Palatin zukehrend, erhalten.
Die nordöstliche Mauer misst noch 28, die südöstliche 36 und die südwestliche 3ü
Meter in der Länge. Die Erklärung des Ueberrestes ist sehr schwierig, doch dürfte
man schon wegen der Substructionsgestalt der Mauern ebenso wenig an den Mi-
nerventempel wie an den des Augustus denken'; es Hesse sich auch schwer sagen,
wie Caligula die Rückwand des Castortempels mit seinem Palaste verbinden konnte, '^
wenn ein nachweisslich' länger erhaltener^ Tempel, im Wege stand. In unmittel-
barer Nähe der Ruine aber musste der Augustustempel gestanden haben, denn die
beiden Notizen, dass er erstens auf (oder an) dem Palatin war,'' und dass die Brücke
des Caligula über ihn führte (was jedoch kaum wörtlich zu nehmen sein wird)"',
gestatten keine andere Annahme. Auch kann die Brücke des Caligula, welche, nach
den angeführten Stellen auch über die Basilica lulia führte, wohl nur von der Nord-
spitze des Palatin ausgehend gedacht werden.
Die erwähnten Substructionsmauern dürften vielmehr durch die Nähe des
Castortempels ihre nächstliegende Erklärung finden. Es wurde nemlich oben erzählt,
dass Caligula diesen Tempel mit seinem Palaste verband. Um diess möglich zu
machen, musste der letztere über den Hügel selbst hinaus, wie diess auch an der
ganzen Südwestseite geschah, durch Substructionen ausgedehnt werden. Es wird nun
nirgend berichtet, dass auch des Caligula Palastbau nach seinem Tode zerstört worden
sei, wie diess seiner wahscheinlich an diesen Vorbau sich anschliessenden Capitol-
brücke und anderen tollen Werken widerfuhr, und so können die Substructionen,
welche dazu gehörten, noch auf uns gekommen sein. Mit dieser Epoche stimmt
auch der Ziegelbau überein.
19. Die Basilica lulia.
Die bedeutendste und für die Topographie des römischen Forum wichtigste
Ausgrabung der neueren Zeit ist unstreitig die der Basihca lulia zwischen dem Tempel
der Dioskuren und dem des! Saturn.
'Mommse.n, Bull. d. I. d. c. a. 1845 125— 127. ^'Vgl.lS. UO.iAnm, 10. 3 Sueton. Calig. 22.
Plin. H. N. XII. 19, 42. Gurios. U. R. Reg. VIII. * Plin. 1. c. 5 Sueton. Calig. 22. 37. Fl. los. Ant. XXI. 1.11.
Die Substructionsmauern hinter dfem Castortempel. 143
Dieselbe Strasse, welche westlich vor dem Tempel des Cäsar vorbei an
die nordwestliche Treppenecke des Castortempels führt, zieht sich auch die ganze
Basilica lulia entlang und trennte diese von dem mit Tiburtin gepflasterten Forum,
das neben der Strasse einen etwas erhöhten Rand zeigt. Sie ist wie schon erwähnt
mit Lavapolygonen gepflastert, hat eine Breite von durchschnittlich 6,50 Meter und
ist im Ganzen wohl erhalten. Auf der dem Forum gegenüberliegenden Seite dieser
Strasse beginnt schon die Marmortreppe der ausschliesslich der Treppen an der Nord-
ost- und Südostseite und der Tabernen der Rückseite 1 03 zu 46 Meter messenden
Basilica. Da die Strasse gegen den Saturntempel etwas ansteigt, so besteht der
erste Trejipenabsatz an der Ostecke aus 6 Stufen, an der Westecke nur mehr aus
einer Stufe. Nach einer 1,15 Met. breiten Unterbrechung folgen nun 3 weitere in
der ganzen Frontelünge sich hinziehende Stufen. Von dieser Treppe haben sich
spärliche neuerlich ergänzte Ueberreste erhalten, welche eben ausreichen um ihre
Gestalt und Stufenzahl ermitteln zu lassen. Zwei weitere Stufen sind noch an der
zweiten Pilasterreihe zu erkennen. Der Mittelraum war von einer doppelten Por-
ticus umgeben, aussen zu 18 Pfeilern in der Fronte, zu 8 in der Breite. Von den
dazugehörigen in drei Reihen ringsum laufenden 72 Backsteinpfeilern fanden sich
noch die Reste von 24, wovon die Mehrzahl an der Nordwestecke; jetzt sind sie
schwer mehr zu unterscheiden, da neuestens sämmthche Pfeiler mit Ausnahme der
Aussenpfeiler der Fronte bis zu einer gleichmässigen Höhe von 1 Met. neu aufge-
mauert worden sind um dadurch die sonst bald sich verwischende Pavimentspur zu
erhalten. Die Pfeiler waren zum Theil in Backstein, zum Theil in Tiburtin, an der Strasse
dagegen ganz in Tiburtin aufgeführt, und die letzteren in der Art der Aussenseiten
von römischen Theatern und Amphitheatern mit Halbsäulen geschmückt. Reste davon,
welche das römisch dorische Capital mit 3 Rosetten am Säulenhals und die attische
Basis, wie auch Stücke der Archivolten zeigen, wurden gefunden und mit denselben
durch Rosa ein mittlerer Pfeiler der Forumfronte wie ein Stück des pilastrirten süd-
östlichen Eckpfeilers hergestellt. Es ist kaum zu bezweifeln dass die Arcadenreihe
am linken Ende des S. 99 abgebildeten Reliefs hierher zu beziehen ist,* wie auch
wahrscheinlich die auf dem unten zu besprechenden Forummonumente vorkommende
verwandte Darstellung. Ebenso wenig aber, dass dieser Arcadenreihe ein zweites
Stockwerk aufgesetzt war, welches äusserlich wohl ähnlich gestaltet aber nach
Analogie der Theater mit Halbsäulen oder Pflastern ionischer oder korinthischer
Ordnung geschmückt war. Von einem zweiten Stockwerke wurden auch noch die
'1 Durcli ein Missverständniss des Zoiclinei's h{il)on freilich die Capitäle den Anschein von korinthischer
Gestalt erhalten. Von der Aelinlichkeit der auf'gel'iindenen mit jenen des Reliefs kann man sicli bei Betrach-
tung des Gipsabgusses im Vestibül des ehem. Giardino Farnese (Aufgansi zum Palatin) überzeugen.
U4
Das Forum Romanum.
Spuren an der Südwestecke gefunden.^ Die Pfeiler standen an der südlichen (rück-
liegenden) Langseite mit Wänden aus Tufquadern so in Verbindung, dass man jetzt
von der äusseren Porticus zu Kammern gelangt, welche sich an die Südseite der
Basilica anschlössen. Ob und wie sie mit der Basilica ursprünghch in Communi-
cation standen, ist noch unklar; wahrscheinlich ist, dass wenigstens ihre Hauptzu-
gänge an einer südlich vorbeiführenden Strasse lagen, welche den Vicus Tuscus mit
dem Yicus lugarius vermittelte; die Entscheidung darüber ruht noch unter dem
Schutte, welcher den äusseren Abschluss der Basilika an der südlichen Langseite
bedeckt. Ersichtlich aber ist, dass die Südseite die verhältnissmässig besterhaltene
ist, was wohl damit zusammenhängt, dass jene Kammern noch bis ins Mittelalter
hinein benutzt wurden, während die übrige Basilica längst als Steinbruch diente.
Einige von den Kammern der Rückseite, die, wie schon das Material (Tuf- und Traver-
tinblöcke) zeigt, wahrscheinlich älter als die Basilica waren und von Tabernen hei-
i'ührten, die jedoch nicht an das Forum sondern auf jene Verbindungstrasse zwischen
Vicus Tuscus imd Vicus lugarius gränzten, enthielten die Treppen zum Obergeschosse
von welchen sich noch Reste gefunden haben. Ueber das gritndliche Verschwinden
fast aller Marmorverkleidung gab ein Kalkofen Aufschluss, welcher in der Mitte der
südwestlichen Langseite gefunden ward, und dessen Betrieb in ziemlich hohe Zeit
hinaufreichen muss, da er noch auf dem alten Paviment 2;ebaut war.
ö'-"
9. Fragmente des capitolinischen Planes. (F. R.)
Merkwürdig und nur durch Annahme einer frühzeitig schützenden , wenn
auch nur dünnen Erdschicht erklärlich ist, dass bei der systematischen Zerstörung,
in welcher man alles zum Hochbau Gehörige gefunden, das Paviment des Gebäudes
> Archäolog. Anzeiger. IV. n». 2. Febr. -1849. IV. n". 3. März i849.
Die BasHica lulia, 4 45
sich fast unversehrt erhalten hat. Es bestand im 27,2o Met. langen und 1 6,20 Met.
breiten Mitteh-aum aus kostbaren (CipoUin, Pavonazetto, Giallo u. s. w.) Marmor-
platten, welche in einfachen rechtwinkeligen Figuren und gleichartigen Reihen ab-
wechseln, und durch ihre Kostbarkeit die Bedeckung des Mittelschiffs beweisen; der
Fussboden des Uebrigen zeigt einfachen weissen Marmor. Leider haben sich die
Pavimente seit der Aufdeckung durch Entwendung wesentlich verringert und leiden
auch durch die in die Ritzen eindringende Feuchtigkeit, welcher die von der neuesten
Restauration herrührende Gussausfüllung der Lücken eben so wenig zu widerstehen
vermag. — Die symmetrischen Pavimentfiguren wie die Spuren der Pfeiler lassen
aber den Plan des Ganzen aut's sicherste erkennen, ^ wobei wir von zwei Fragmenten
des capitolinischen Planes (Fig. 9) unterstützt werden, die zwar grösstentheils zu
den ergänzten Stücken gehören, deren schon von Nibby' behauptete Zusammen-
wie Hiehergehörigkeit aber nicht mehr bezweifelt werden kann. Die Buchsta-
ben sind freilich von verschiedener Grösse, allein diess erklärt sich leicht dadurch,
dass der eine Theil einem noch geretteten Stücke, auf welchem noch ein A zu sehen
war, angepasst wurde, während der andere Theil nur nach einer Zeichmmg gear-
beitet ist, ohne dass man damals die Zusammengehörigkeit almte. Was könnten
aber die Buchstaben VRNI anderes bezeichnen, r\s Aedes Saturni, und welclier andere
Tempel könnte demnach der gegenüberstehende sein, als der des Castor? Ferner
wurden die drei Pfeilerreihen ebenso in Wirklichkeit gefunden, wie sie auf dem
antiken Plane angedeutet sind; und auch das auffällige Fehlen einer Apsis hat sich
durch die neuesten Ausgrabungen bestätigt. Tribunale waren in der Basilica, und
zwar vier, welche ausdrücMich erwähnt werden,^ allein desshalb waren noch nicht
vier Tribünen d. h. halbkreisförmige Ausbeugungen nöthig, welche sonst allerdings
die Basiliken charakterisiren ; diese Richtersitze konnten auch in anderer Weise
angebracht sein, ohne sich gerade in der Form des Gebäudes aussprechen zu müssen.
Man hatte auch schon vor den Ausgrabungen diess Gebäude hier vermuthet.'*
An inschriftlichen Bestätigungen, sowie an anderen Funden war jedoch die gross-
artige Ausgrabung keineswegs reich. Im Jahre 1835 fand man das Anfangsstück
der angebHchen Inschrift der Basilica, ein Marmorstück mit den fast fusshohen
Buchstaben^ SENATVS.POPVLVS • nachdem schon früher'' ein anderes bis zur
völligen Unverständlichkeit verstümmeltes Bruchstück bekannt gemacht worden war.
• C. Ravioli, Ragionamento del foro Romano e ü. Montiroli, Ossorvazioni suUa parte meridionale del foro
Romano. Roma 1839. (Bullet, d. I. d. c. a. Feb. 1849,p. 32.) '^ Foro Romano, p. 94 sq. cf. Chr. Müller, das
Forum Romanum und die Via Sacra. Stuttg. u. Tüb. 1824. p. 87. Plan, s Quint. I. 0. XII. 3, 6. Mierhard,
della basilica Giulia ed alcuni siti del Foro Romano. R. 1823. * 0. Kellermann, Iscrizione del portico capit.
e della bas. Giulia. Bulletino d. I. d. c. a. 1835. p. 33—38. « C. Foa, Variot-ä di notizie economiche fisiche
anli(iuarie kc. R. 1840. i». 72.
F. Reber, Rom. jg
\ 46 Das Forum Romanum.
Befriedigender war das Wiederaiiffinden einer Baseninschrift, welche, schon vor
mehren Jahrhunderten abgeschrieben, jetzt sehr fragmentirt wieder zum Vorschein
kam. Die wenigen erhaltenen Worte lassen sich nach Gruter^ leicht ergänzen:
Gabinius • Vetlius || Probianus " V • C • prAef . Uib || statuam • qiiac • b AS I L I C A« ||
luliae . a . se novitER • REPARATAE || ornamento • esSET • ADIECIT
Die Inschrift, zu Gruters Zeit vollständig, wird schon damals in der Gegend der
Phokassäule (Panvin), wo sie auch wieder ausgegraben wurde, oder bei den drei
Säulen (Gruter) Jiegend genannt. Sie bestätigt die Lage der Basilica und berichtet
eine Restauration derselben im J. 377 n. Chr. — Ob zwei andere neuerlich gefun-
dene Statuenpiedestalinschriften aus gleicher Zeit, jetzt an der Längstreppe der Ba-
silica luha aufgestellt, mit dieser local zu paaren sind, ist ungewiss. Sie sind völHg
gleichlautend, wie folgt:
GABINIVS VETTiVS || PROBIANVS VC || PRAEF VRB || STATVAM FATALI
NECESSITATE CON || LABSAM CELEBERRI || MO VRBIS LOGO ADHI |1
BITA DILIGENTIA REPARAVIT
Ein anderes Inschriftfragment, im J. 1849 gefunden,^ zeigt in grossen Buchstaben
den fragmentirten Namen des Kaisers M. A. Val. Maximianus und bezieht sich
wahrscheinlich auf die Restauration der Basilica nach dem Brande unter Carinus
und Numerianus, wovon sich ausdrückliche Erwähnung findet.^ — Mehre andere
Inschriften, meist unbedeutende Cippen, die bei dieser Ausgrabung zu Tage ge-
fördert wurden und jetzt um die Phokassäule herumliegen, stehen zu dem Ge-
bäude bestimmt in keiner Beziehung. Auch nicht das neuerlich an der Nordecke
gefundene rohe Basament mit der in Characteren des IV. Jahrh. n. Chr. geschrie-
benen Inschrift OPVS POLYCLIT- Ebenso dürfte es schwierig sein für das die
Stufen unterbrechende Piedestal an der Ostecke die Statue oder Gruppe nachzu-
weisen. Die eingekratzten Gladiatorenfiguren und Spielsgraffito's auf dem Paviment
der Seitenschiffe, worunter auch inschriftliche, wie BINCES • GAVDES • PERDES
PLANGIS gehören wohl der Verfallzeit an, ebenso die rohen Pavimentaussbesse-
rungen, bei welchen man nicht bloss ungehöriges Material (Serpentin u. a.) sondern
selbst Inschriftenfi'agmente aus Pertinax und Septimius Severus Zeit benutzte.^
Von dem Beginn des Baues der Basilica lulia, wie von der nöthigen Grund-
erwerbung dafür haben wir keine Nachrichten. Ob der Neubau die Basilica Sem-
pronia, welche der Censor Ti. Sempronius Gracchus im J. d. St. 584 (170 v. Chr.)
hinter den alten Tabernen," also auf der Südwestseite des Forum, wenn auch weiter
1 CLXXI. 7, 2Henzen, Bull. d. I. d. c. a. 1849. p, (132) 140. 141. 3 Catal. imp. Vienn. (Roncallii Vet.
Lat. Script. Chronica, tom. II. p. 247.) < Pellegrini und Lanciani, Scavi di Roma. Bull. d. I. d. c. a. 1871.
p. 131. 225—33. 241—247. 257—272. * Liv. XLIV. 16.
Die Ehrensäule des Phokas. i 47
zurück gegen den Vicus Tiiscus hin erbaut hatte, verdrängt habe, ist ungewiss.
Eine späte Notiz ^ berichtet, dass die Basihca luha schon im J. 708 d. St. (46 v.
Chr.) eingeweiht worden sei, was also, wenn diess richtig ist, schon vor der Be-
endigung des Baues geschehen sein musste, wie es auch von dem Forum lulium
erwähnt wird; 2 denn dass die Basilica erst unter Augustus vollendet ward, geht
aus der ancyranischen Inschrift sicher hervor. Aus demselben Documente erhellt
ferner, dass sie noch unter Augustus wieder abbrannte, aber von diesem wieder
aufgebaut wurde und unter dem Namen seiner Enkel Gaius und Lucius» eingeweiht
werden sollte, welche Absicht sich jedoch da der Name luha verblieb, nicht erfüllte.
Worin die Erweiterung bestand, ist unbekannt: vielleicht in der Verlängerung des
Baues unter Beseitigung der vorher muthmasslich sowohl am Vicus lugarius nord-
westhch-, wie am Vicus Tuscus südöstlich sich hinziehenden Tabernen. Zum zweiten-
male brannte die Basilica, wie schon erwähnt, unter Carinus und Numerianus 283
n. Chr. ab und wurde von Maximianus und Diocletianus und abermals nach der
oben angeführten Inschrift im J. 377 n. Chr. unter Valens, Gratian und Valentinian
wiederhergestellt. Demnach ist es unmöglich in den Resten einer alten Kirche
oder Kapelle, die man an der Nordecke fand, und welche sich zum Theil noch an
Ort und Stelle , zum Theil im Durchgangsbogen der Via del Campidoglio befinden,
die von Papst lulius »iuxta forum« 377 erbaute Basilica zu erkennen,^ indem es
vielmehr wahrscheinlicher ist, sie nach Jordan's Vermuthung^ mit der von den Mira-
bilien in der Nähe des Saturntempels genannten Kirche S. Salvator de statera (S.
Salvator in aerario?) zu verbinden. Jedenfalls befand sich auch diese Kirche noch
auf dem Niveau des Paviments der Basilica, war somit kaum jünger als VIII. Jahrh.
Im J. 1835 begann man systematisch mit der Aufdeckung des Gebäudes;
die bald unterbrochene Arbeit ward zu Ende des Jahres 1 848 unter Canina's Leitung
mit grosser Energie wieder aufgenommen, so dass in kurzer Zeit ein grosser Theil
der Basilica blossgelegt war. Doch erst 1859 und 1870 — 72 wurde das Unter-
nehmen zu dem gegenwärtigen bis auf die Aussenseite der südwesthchen Umfassung
vollkommenen Stande geführt.
20. Die Ehrensäule des Phokas.
Nahe an der Basilica luha, in der Mitte des Forum oder vielmehr des alten
Comitium erhebt sich auf einer Pyramide von I % Stufen eine marmorne Ehrenäule.
Diese ihrer Ausführung nach in das zweite oder dritte Jahrhundert nach Christus
» Hieron. Chron. (Rone. tom. I. p. 399. 01. 183, 3.) ' Dio Cass. XLIII, 22. Sueton. Caes. 26.
3 Suet Aug. 20. ■* Anastas. Bibl. Vit. Pont. ed. Salvioni i718 p. 55. Escavazione deiia Bas. Giulia Bull. d. I.
d. c. a. 1871 p. 225—233. » Jordan, Topographie II. S. 483 fg. .
19*
148
Das Forum Romanum.
"•ehörend und offenbar von einem anderen Gebiiude genommen, misst unter Aus-
schluss des S,-^ M. hohen Piedestals mit Base und Capital i3,6o Meter. Auf dem
korinthischen Capital aber stand vormals ein vergoldetes Bronzebild, wie aus der
am Piedestal erhaltenen Dedicationsinschrift hervorgeht:
t OPTIMO CLEMENTISi.m. • i.üssMOQVE |! PRINCIPI DOMINO N Fon.e . i.upERATORI |
PERPETVO A DO CORONATO TRIVMPHATORI 1| SEMPER AVGVSTO jl
SMARAGDVS EXPRAEPOS SACRI PALATII |1 AC PATRICIVS ET EXARCHVS
ITALIAE DEVOTVS EIVS CLEMENTIAE PRO INNVMERABILIBVS PITATIS
EIVS II BENEFICIIS ET PRO QVIETE | PROCVRATA ITAL AC CONSE'vTA
LIBERTATE jj HANG ST.i,..,,. • imuesuTIS . EIVS || AVRI SPLEN,w, . luig.nTEM HVIC ||
SVBLIMI COLVMnaoac) PERENNEM IPSIVSGLORIAM IMPOSIT ACDEDICAVITll
DIE PRIMA MENSIS AVGVSTIINDICTVND PC. PIETATIS EIVS. ANNO QVINTO
^5 Nach dieser Inschrift^ errichtete
Smaragdus, der Exarch von Italien,
dieses Denkmal einem Kaiser,
dessen Name entweder nach 1 200
zufällig zerstört ward'-^ oder früher
>veggemeisselt war, was sich als
ein Act der in der Geschichte
öfters vorkommenden Volksrache
an einem verstorbenen Tyrannen
erklären würde. Der Name ist
j(;doch, abgesehen von der mittel-
alterlichen Tradition leicht zu er-
gänzen: denn obwohl Smaragdus
unter zwei Kaisern Exarch war.
so kann doch durch das ange-
gebene Amtsjahr des Errichters
wie Regierungsjahr des Kaisers
kein Z\Aeifel obwalten, dass die
Säule dem Kaiser Phokas errichtet
worden sei. Da nemlich Smaragdus
imter den) Kaiser Mauritius nui-
fünfJahre(58a— 588), unter Phokas
' Ergänzt von C. Fea, Iscrizioni di Monumenti pubblici trovati nelle attiiali escavazioni. Roma 18J3. p.
87. Die Abweichungen in der Ergänzung des F. A. Visconti, Lettera sopra la colonna dell' Imp. Foca, Roma
1843, sind unwesentlich. 2 go scheint Const. Corvisiere anzunehmen (.Tordan, Ausgrabungen auf dem Forum.
Hermes VII p. 271.)
Die übrigen Reste des Platzes selbst. | 49
jedocli weitere sieben Jahre (602 — G09) das Exarchat von Italien bekleidete, so
niusste die auf der Inschrift angegebene elfte Indiction desselben unter Phokas Re-
gierung, und zwar als die fünfte unter Phokas zugleich auf das fünfte Jahr nach
dessen Regierungsantrittsjahr lallen, wie es auch die letzte Zeile der Inschrift angibt-
Diese beiden Zahlen ergeben übereinstimmend das Jahr 608 als das Jahr der Er-
richtung dieses Denkmals, das übrigens in widrigem Byzantinismus einen Fürsten
verherrlicht, welchen die Geschichte als einen schändlichen Tyrannen, als Trunken,
bold, als den Urheber alles öffentlichen Unglücks und als Feighng brandmarkt.
Zu Anfang dieses Jahrhunderts ragte von dem Denkmale nur mehr die Säule
aus dem Schutte hervor und bildete den Mittelpunkt eines kleinen Platzes, der von
elenden Wohnhäusern umgeben war. Nachdem zur Zeit der französischen Herr-
schaft das Piedestal der Säule aufgedeckt worden war, erhielt die Herzogin von
Devonshire im J. 1817 die Erlaubniss, das Monument bis auf den antiken Boden
bloss zu legen. Die Stufen fanden sich auf der Südwestseite am besten erhalten.
An den anderen Seiten wurden sie mit verschiedenartigem in der Nähe ausge-
grabenem Materiale roh ergänzt.
21. Die übrigen Reste des Platzes selbst.
Die Ausgrabung der Phokassäule hatte schon 1819 die Entdeckung von drei
grossen Backsteinpiedestalen zur Folge, deren Backsteinzeichen auf die späte Kaiser-
zeit hinzuweisen scheinen. Urnen folgten im weiteren Verlauf der Aufdeckung des
Forum in den letzten Jahren vier andere von gleicher Gestalt und Grösse an der
südwestlichen Längsseite des Platzes sich hinziehend. Den Abschluss der Mündung
des Vicus Tuscus gegenüber, bildete ein Backsteinbau aus gleicher Zeit wie die
Basen, dessen jetzt zerstörte Fortsetzung der Fronte des Cäsartempels gegenüber
Spuren des früheren Mittelalters zeigt. Als weiteres Basament für Ehrensäulen
dürfte der antike Theil schwerlich zu betrachten sein, da er nicht bloss weiter
nach dem Innern des Platzes zu liegt, sondern auch noch deutlich einen Gewölbe
ansatz und somit InnenrUuiue verräth. Der Umstand, dass der Kern der Piedestale
aus grossen — jetzt llieilweise herausgenommenen — Gabinblöcken bestand, be-
rechtigt zu der Annahme, dass diese Basamente ebenfalls Säulen trugen. Man
stiess auch wirklich auf jiiehre Bruchstücke von Säulenschäften aus rothem Granit,
deren Durchmesser den Dimensionen der Piedestale etwa entsprechen dürfte. Ueber
die Zugehörigkeit dieser Denkmäler aber lässt sich nichts ermitteln.
Nordösthch vom Phokasmonument fand sich, jedoch wie es scheint nicht am
/^ 50 I^^s Forum Romanum.
ursprünglichen Platze' 1872 in den Grundmauern eines mittelalterlichen Thurmes
ein noch immer nicht völlig aufgeklärtes Denkmal aus zwei mächtigen aber aus
mehren Stücken zusammengefügten Marmorplatten von 3,25 Meter Länge und 1,65
Meter Höhe, beiderseits durchaus mit Reliefs geschmückt. Die Platten sind jetzt
parallel und so aufgestellt, dass sie einen Durchgang bilden. Die Innenflächen zei-
gen beiderseits die drei Thiere der Suovetaurilien, d. h. Stier, Widder und Schwein,
in der gewöhnlichen Weise zum Opfer geschmückt, die beiden Aussenseiten aber
bieten bemerkenswerthe historische Reliefs dar. Auf dem einen der letztern sehen
wir zur Linken einen Mann in der Toga und mit einer Rolle in der Hand von einer
Rednerbühne aus in einer Ansprache an das Volk oder in Verkündigung eines
Ediktes begriffen. Zur Rechten empfängt eine im Porträt zerstörte kaiserliche Ge-
stalt, auf einer sella curulis sitzend und von Gefolge umgeben eine weibliche Ge-
stalt, welche dem Kaiser ein Kind darreicht. Auf dem anderen Relief war die
jetzt fast gänzhch zerstörte Hauptfigur auf den Rostren sitzend dargestellt. Vor ihr
tragen Männer in der Tunika grosse Tafelnbündel zusammen, wozu einer einen
Bund Holz schleppt, während eine vornehmere Persönhchkeit eine Fackel (?) in der
Richtung gegen die aufgethürmte Masse streckt, wohl anzeigend, dass dieselbe in
Brand gesteckt werden solle.
Was zunächst den Styl betrifl't so verräth das schöne Werk sowohl in der
Behandlung der architektonischen Umrahmung, insbesondere des reichen Kranzge-
simses, als auch in der Art und Weise des Reliefs die beste Zeit der römischen
Kunst. Bei der realistischen Haltung unserer Reliefs" darf jedoch nicht wohl ange-
nommen werden, dass sie aus der ersten Hälfte des ersten Jahrhunderts und aus
der Zeit der julisch-claudischen Dynastie stammen. Selbst der mehr malerischen
Auffassung der Reliefs des Titusbogens entsprechen sie weniger, am meisten aber
der realistischen der zahlreichen bekannten traianischen. Auch die vorherrschende
Bartlosigkeit und das in die Stirn hereingekämmte Haar weisen auf die traianische
Mode und widersprechen der mit Hadrian beginnenden üppigen Haar- und Bart-
pflege. Wir werden somit schon durch den Styl auf eine Epoche geleitet, welcher
auch die Darstellungen historisch entsprechen.
Was diese betriff't, so ist die Annahme allgemein, dass nach dem architek-
tonischen Hintergrunde die dargestellten Scenen auf dem Forum Romanum zu
* P. Rosa, der die Ausgrabung geleitet, behauptet das Gegentheil, gestützt auf die regelmässige Lage
der beiden Stücke. Die ursprünglichen Basamente jedoch fehlen. Monum. ined. d. I. d. c. a. Vol. IX. tav.
XL VII. XLVIII. E.Brizio, Due Bassorilievi in niarmo rappresentanti seene del Foro Romano, Ann. d. I. d. c.
a. 1872 p. 309—330 tav. d'agg. P. 2 philippi, die römischen Triumphalreliefs. Abhandl. d. philol. bist.
Classe der k. sächs. Gesellschaft d. Wissensch. VI. III. Leipzig 1872.
r
Die übrigen Reste des Platzes selbsl. ' -fSI
denken sind. Doch bietet die topographische Deutung im Einzelnen einige Schwie-
rigkeiten dar. Denn die beiden charakteristischen Merkmale, die mit Schiflfsschnäbeln
gezierten Rostra, und der zwischen Comitium und Forum befindliche^ Ficus Rumi-
nalis mit dem sogenannten augeblich an oder vor den Rostren stehende^ Marsyas
sind offenbar nicht topographisch genau an ihrer wirklichen Stelle angebracht. Das
Auftreten des letzteren am Ende des einen und am Anfang des anderen Reliefs
weist aber darauf hin, dass die Reliefs zwei Hälften einer Langseite geben und die
Reihenfolge der Gebäude erscheint auch ganz verständhch, wenn man die süd-
westliche Seite ins Auge tasst. Dann macht den Anfang links ein Bogen mit einem
Durchgang (Fornix Fabianus oder lanus) worauf ein korinthischer Tempel folgt, der
hexastyl angenommen werden muss, wenn auch der Künstler sich mit fünf Säulen
begnügte (Gastortempel). Das nächste Gebäude zeigt 7 halbsäulengeschmückte
Pfeilerarkaden (Südosthälfte der Basilica lulia) worauf das eine Relief durch den
Ficus mit dem Marsyas abschliesst. Mit diesem beginnt wieder das andere Relief
worauf 6 Pfeilerarkaden ähnlicher Art folgen (Nordwesthälfte der Basilica lulia).
Der benachbarte ionische Tempel muss mit dem Saturn-, der darauffolgende korin-
thische kann mit dem Vespasian- oder möglicherweise mit dem Concordientempel
identificirt werden, während der zwischen den beiden letztdargestellten Tempeln
eingezwängte einthorige Triumphbogen als Tiberiusbogen zu betrachten ist.
Dass die Darstellungen sich aus der Geschichte Traians erklären hat Henzen
überzeugend dargethan.^ Die Ansprache auf dem Forum zunächst bezieht sich auf eine
That Traians, welche von Geschichtsschreibern, Inschriften, Münzen u. s. w. ver-
ewigt wurde, und in der That in ganz Italien mit Enthusiasmus aufgenommen wurde,
nemlich die traianische Fondsstiftung zur Erziehung armer Kinder. Die weibliche
Gestalt, welche das Kind zu dem sitzenden Kaiser bringt, wird als Italia zu be-
trachten sein, wie aus dem Zusammenhalt mit traianischen ^Münzen (Cohen 303 —
305) hervorgeht, welche mit der Umschrift ALIMema ITALiae eine ganz ähnliche
Gruppe zeigen. Das Ereigniss fällt in das erste Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts. Die
Darstellung des zweiten Reliefs aber bezieht sich auf eine andere Wohlthat Traians,
welche entweder in die Zeit kurz vor 100* oder in das Jahr 106 n. Chr.^ fällt,
nemlich auf den Erlass der Erbschaftssteuer-Rückstände, dadurch besiegelt, dass
der Kaiser die Verzeichnisse derselben auf dem Forum Romanum verbrennen Hess.
Die Darstellung dieses Forum aber beweist wieder, dass man hierbei nicht an den
1 Plin. H. N. XV. 77. 2 Seneca de benef. VI. 32. Schol. Cruq. ad Hör. Sat. I. 6, 120. 3 9 Henzen,
Rilievi di marmo scoperti sul foro Romano. Bull. d. I. d. c. a. 1872. p. 273—282. * Ausonius, grat. act.
cons. 21. 5 chron. pasch, (p. 472 ed. Bonn.)
] 52! Das Forum Romanum.
ähnlichen Wohlthätigkeitsact Hadrians denken darf, welcher die Rückstandsverzeich-
nisse auf dem Forum Traianum verbrannte.^
Zwischen der Phokassäule und dem Areal des Cäsartempels in der Mitte des
Forums fand sich der Ueberrest eines oblongen Staluenpiedestals , nach seiner
Gestalt für eine Reiterstatue geeignet, welche in der Längsrichtung des Forum auf-
gestellt war. Dass wir hier das Reiterbild Domitians anzunehmen haben, erscheint
nicht genügend belegbar. Ein anderes kleineres Piedestal fand sich nördlich davon
am Rande der Ausgrabung. Bemerkenswerther ist die Gloake, welche bis zur aus-
gegrabenen Stelle die Richtung vom Carcer vermuthen, von da ab aber die Rich-
tung gegen den Vicus Tuscus deutlich ersehen lässt. Jetzt ist der verschüttet ge-
fundene Gloakentheil wieder in Gebrauch gesetzt, nachdem im Mittelalter eine
andere Leitung fast auf die Mitte der Basilica lulia zu und unter dieser weg ange-
legt worden war. An der Ostecke der Basilica verbindet sich die Leitung mit der
schon erwähnten muthmasslich die juturnische Quelle abführenden, und gewinnt von
der jetzt offenen Stelle der südöstlichen Schmalseite der Basihca an etwas grössere
Dimensionen, so dass man hier den Anfang der Gloaca maxima anzunehmen Grund hat.
Da, wo der Glivus und der zwischen der Basilica lulia und dem Saturn-
tempel abzweigende Vicus lugarius ^ sich trennten, fand man beim Bau der Strassen-
substruction noch die Grundmauern eines antiken Bogens , ^ den man mit Recht
für den Triumphbogen hielt, welcher dem Tiberius in Folge der Wiedererlangung
der durch Varus im Teutoburger Walde verlorenen Feldzeichen im J. 769 d. St.
(16 n. Ghr.) errichtet wurde, somit eigentlich dem Germanicus galt. Er wird nem-
lich neben dem Saturntempel befindlich genannt,* was auch vollkommen der mehr-
fach erwähnten Abbildung dieser Seite des Forum vom Constantinbogen, '" wie auch
jener der eben beschriebenen traianischen Brüstungsreliefs entspricht.
III. Die Kaiserfora.
Die Räumhchkeit des Forum Romanum musste sich längst vor der Kaiser-
zeit als unzureichend für dessen vielseitige Zwecke erwiesen haben. Allein es war
durchaus nicht in der Art der Römer, mit localen Aenderungen und namentlich
mit Versetzung geweihter Stätten und der Säcularisation des hiezu gehörigen
Areals es leicht zu nehmen, und so Hess man sich die Schranken lange gefallen,
1 Spartian. Vita Hadriani c. 7. vgl. S. 183. »Fest. s. v. ServilLus. Liv. XXXV. 21. Senec. de prov. 3.
3 Atti della Pontifizia Accademia Romana di Archeologia. Tom. VIII. 1838 p. 114. * Tacit. Ann. II. 41. 5 s. 99.
Tr^'^^r^-:^-:^:
Gez.vf.Keber.
Verlag vT0.VV(m<j''1 iri L.if/.ü
Iith Ar.?t V.W Loojjlot ir, BeiJuL.
Tempel des Mars Ultor.
■•^:
Die Kaiserfora. i 53
SO unbequem sie auch dem öffentlichen Leben sein mussten. Aber auch als die Un-
bequemlichkeit unerträglich zu werden schien , brachte es keiner von den baulustigen
Censoren über sich, den uns am zweckmässigsten erscheinenden Plan zur Annahme
zu empfehlen, eine der beiden Langseiten nemlich sammt dem anstossenden Quartiere
zu demoliren und auf diese Weise das Areal "des Forum zu verdoppeln oder zu ver-
dreifachen. Man traf andere Auskunftsmittel: die Geschäftsbuden mit Ausschluss der
Wechsleriocale ^ wurden allmälig entfernt, der VictuaHenmarkt wurde vom Forum Ro-
manum auf andere entsprechende Fora, wie Forum Boarium, Olitorium und Piscatorium
verwiesen und das Forum Romanum immer mehr den politischen und Rechtsgeschäften
ausschliessend eingeräumt. Für die letzteren aber erhoben sich besondere Gebäude an
den Seiten des Forum, so dass auch diese nicht mehr wie vorher den freien Raum
des Forum beengten, nemlich die Basiliken. Desshalb konnte Cicero ^ mit Recht die
Anlage solcher Gebäude eine Erweiterung des Forum nennen, wenn auch der Platz
selbst von denselben Dimensionen bheb. Die erste Basilica erstand im J. 569 v. Chr.
durch M. Porcius Cato, und als die Republik unterging, befanden sich bereits fünf
solche Gerichtssäle am Forum, die Basilica Porcia, Aemilia und lulia unmittelbar am
Forum an den Stellen , welche bereits nachgewiesen worden sind , und die Sempronia
und Opimia etwas weiter zurückstehend, die erstere hinter den alten Tabernen,^ an
der südwestlichen Langseite (vgl. S. 126 Anm. 5), welche Angabe allerdings die An-
nahme zulässig macht , dass die später nicht mehr genannte Sempronia von der lulia
verdrängt worden sei, die zweite hinter oder oberhalb der (alten) Gräcoslasis,* mithin
nahe an der nordöstlichen Langseite (vgl. S. 1 1 6).
Obwohl nun in dem letzten Jahrhundert der Republik durch diesen Basiliken-
bau am Forum Raum geschaffen wurde, der dem freien Platz am Forum zusammen-
genommen wenigstens gleichkam, so schien doch zuletzt auch dieser fiir die sich
riesig mehrenden Rechtsgeschäfte zu beschränkt. Die Bürgerkriege hatten ja allen
rechtlichen Besitz in Frage gestellt, und nach dem Vertoben derselben war selbst-
verständhch der Strom von Beschwerden und Rückforderungen unaufhaltsam. Die ersten
Cäsaren aber waren umsomehr geneigt, dem Bedürfnisse Rechnung zu tragen, als
sie dadurch Anlass zu glänzenden Bauten und Denkmälern ihrer Herrschaft erhielten
und es zugleich in ihrem Interesse lag, durch neugeschaffene Räume, in welchen
sich das öffentliche Leben bewegen sollte, dasselbe von den alten Stätten abzuziehen,
an welchen die Erinnerung an die republikanische Zeit haftete und in so vielen mo-
numentalen Zeugen aus den ruhmvollsten Epochen zu der Nachwelt sprach.
* Liv. XXVI. H. Non. (Varro) p. 532 Merc. " Cic. ad Att. IV. <6. ' Liv. XLIV. 16. * Varro
L. L. V 32, 48. p. 4 55. (Speng.)
F. Reber, die Ruinen Roms. 20
^ 54 Die Kaiserfora.
Beide Motive waren bei Cäsar und Augustus am stärksten, als sie nordöstlich
vom Forum Romanum ihre neuen Fora anlegten. Ihre Nachfolger konnten die letzte
Absicht mehr aus dem Auge verheren , je mehr sich die Monarchie durch die Zeit be-
festigte, und das Forum des Domitian und Nerva wie das des Vespasian, wenn man
das Forum der Pax als solches betrachten kann, waren vielmehr Nachahmungen der
Schöpfungen der beiden ersten Cäsaren. Charakteristisch von diesen vier Fora ist, dass
ein Tempel den Mittelpunkt der Anlage bildete und entweder frei in der Mitte stand,
wie beim Forum lulium und Pacis, oder sich an die Umfriedungsmauer anschloss,
wie beim Forum des Augustus und des Nerva. Der freie Platz war daher keineswegs
geräumig und bildete eigentlich nur einen Tempelhof, und dieser Raum war nicht von
besonderen Gebäuden, wie diess am Forum Romanum der Fall war, sondern von
einer Umfriedungsmauer umschlossen, welche nach innen durch eine Porticus ver-
kleidet war. Die Treppenspiegel oder selbst die Cella des Tempels diente als Tribunal,
Richtersitze mochten jedoch auch in der Porticus, besonders in den halbzirkeligen
Ausbeugungen derselben, wie wir sie noch an den Ueberresten des Augustusforiim
wahrnehmen, angebracht gewesen sein.
Dasjenige , was Domitian , Nerva und Vespasian nur nachahmten , das suchte
Traian auch glänzend zu übertreffen, jener Kaiser, der auch seine Baulust mit dem
Streben nach grossartiger Pracht zu verbinden wusste. Das von ihm geschaffene Forum
unterschied sich von den bisherigen Kaiserfora schon durch die Art seiner Anlage.
Es sollte nicht mehr bloss das Temenos eines Tempels sein, sondern während er hin-
sichtlich der Umfriedung namentlich das Augustusforum einigermassen als Vorbild be-
nutzte , trat er wieder dem ursprimglichen Originale näher und besetzte es mit öffent-
lichen Gebäuden, wie diess am Forum Romanum, nicht aber bei den folgenden
Kaiserfora der Fall war. Diese überaus glückhche Verbindung verlieh dem neuen Forum
eine ungemeine Pracht, welche durch die strenge Regelmässigkeit der Anlage so ge-
steigert wurde, dass man wohl behaupten kann , kein Platz der alten wie der neuen
Welt sei von so imposanter Schönheit gewesen.
Trotz all diesem Prachtaufwand ging jedoch der Hauptwunsch der Cäsaren, das
öffentliche Leben von dem alten Forum Romanum nach ihren Forumanlagen abzulenken,
nicht in Erfüllung. Man hielt fest an der Stätte, auf welcher die Republik gross
gewachsen war, freilich weniger wegen der Reminiscenzen, welche sich aus der
ruhmvollen Vergangenheit daran knüpften, als in Folge der eigenthümlichen Zähigkeit,
mit welcher die Römer an allem Althergebrachten, namentlich in Localitäten, hingen.
Die Kaiser selbst, die nach Traian keinen derartigen Bau mehr unternahmen, leiteten den
Strom wieder in das alte Bett zurück, was auch in ihrer Zeit, in welcher die Monarchie
unverwüstliche Wurzeln geschlagen halte, nichts BedenkUches mehr an sich haben konnte,
Das Forum lulium. j 55
und es ist sehr bezeichnend für das Ansehen, welches das Forum Romanum in der Kaiser-
zeit genoss, dass man es als das grosse Forum von den neuen Kaiseranlagen unter-
schied, obwohl das Forum des Traian sowohl durch die Kolossalität seiner Baulichkeiten
als durch den Raum, welchen es einnahm, besonders als Hadrian noch den grossen Tempel
seines vergötterten Vorgängers sammt einem entsprechenden Temenos hinzufügte , das
Areal des Forum Romanum bei weitem übertraf. Man naiyite aber das Forum Romanum
das grosse in dem Sinne, in welchem dem Cicero der vergrösserte tmd prachtvolle
Neubau der Curia Hostiha, welchen Sulla unternommen hatte, kleiner erschienen war
als das alterthümliche und unansehnliche hostilische Gebäude, obwohl es, wie er selbst
sagt, factisch gerade umgekehrt der Fall war.'' Doch wir wollen nun die Ueberreste der
Kaiserfora im Einzelnen betrachten und ihre Lage und Gestalt zu ermitteln suchen.
22. Das Forum lulium.
Es ist eine für den Alterthumsfreund keineswegs erfreuliche Sache, nach einer
summarischen Betrachtung über die Einrichtung und Pracht der Kaiserfora nun darüber
den Bericht zu gäben oder zu hören, was sich von dem ersten derselben, der Anlage des
grossen C. lulius Cäsar, erhalten habe. Bedeutende Autoritäten selbst der neueren Zeit
sind der Ansicht , dass von dem ganzen Bau keine Spur mehr übrig sei , indem die einen
die ganze Anlage an einen anderen Platz verlegen , die anderen aber, so namenthch die
bedeutendste, nemlich Becker, das Areal derselben wesentlich beschränken und die frag-
lichen Ueberreste dem topographischen Gespenste der Basilica argentaria zuschreiben,^
von welcher das Ungenügende, was uns allein zu wissen vergönnt ist, bereits oben (S. 1 20)
besprochen worden ist. Wenn wir jedoch die Sache, ohne uns antiquarischen Zwang
anzuthun , betrachten , so wird sich ergeben , dass die Ueberreste noch dem Bereich des
Forum luhum angehören mussten, eine Ansicht, die übrigens den neuesten Forschern
seit Canina gemein ist.
Tritt man nemlich vom Forum Romanum aus zwischen dem Carcer und der
Kirche SS. Martina e Luca in die Via di Marforio und beugt sogleich zur Rechten in die
Via del Ghetarello, so findet man in dem schmalen Hofraume des Hauses No. 18 eine
Mauer in einer Länge von 20 Schritten, welche aus drei Bogen besteht, die durch eine
andere Bogensprengung ausgefüllt sind, wie es scheint um möglichst zu entlasten.
Die Mauer besteht aus gewaltigen Blöcken von Peperin, doch die Imposten sind aus
Travertin. Die Fügung ist tadellos und ohne Bindemittel. Die Höhe beträgt an einer
Stelle 12, die Spannung eines Bogens aber 3, 70 Meter. In den schmutzigen und
' Cic. de firi. V. 1. * Handb. d. röm. Alterth. Bd. 1. p. 366 sq. 413 sq.
«0*
j 56 Die Kaiserfora.
finsteren Räumen zu beiden Seiten des ebenfalls nicht gerade freundlichen Hofes be-
finden sich noch andere weniger bedeutende Reste paralleler Mauern.
Schon die Notiz, dass der alte Lotos auf dem Vulcanal (neben der Curia),
welcher mit Rom selbst gleichen Alters gewesen sein soll, seine Wurzeln bis zum
Forum des Cäsar schlug, wo sie wieder zu Tage traten, ^ beweist, dass wir das
Forum lulium an die Gebäude der nordöstlichen Langseite angränzend annehmen
müssen. Dasselbe ist aus der Angabe des Regionars ^ zu entnehmen, welcher in
seiner Gränzbestimmung der VIII. Region die Fora in folgender Reihenfolge aufführt :
Forum Romanum, Atrium Minervae (Theil des Forum Transitorium , vgl. S. 124), Forum
Caesaris, Augusti, Nervae Traiani. Es wird nun ferner berichtet, dass der Tempel,
dessen Temenos das Forum bildete, pyknostylos gewesen sei, d. h. dass die Säulen
nur 14^ Durchmesser weit von einander entfernt waren.^ Diese Angabe gibt uns nun
im Zusammenhalt mit einem interessanten Funde die erwünschteste Bestätigung für
die muthmassliche Lage und sogar noch eine genauere Bezeichnung der Stelle selbst.
In der Mitte des 16. Jahrhunderts nemlich wurde bei Gelegenheit eines Häuserbaues
der Unterbau eines Tempels mit Intercolumnien von \^% des Säulendurchmessers [la
undecima parte del diametro delle colonne meno di un diametro e mezzo) gefunden, und
zwar an der Stelle, welche unser Gewährsmann Palladio* ziemlich genau »dem Tempel
des Mars Ultor gegenüber im sogenannten Pantano und hinter dem Marforio« bezeichnet.
Diese Bezeichnung kann auf keine andere Stelle bezogen werden, als hauptsächlich
auf das Häuserviereck hinter SS. Martina e Luca nordwestlich von der Via Bonella.
Palladio vermuthet nun allerdings , der Tempel sei dem Neptun geweiht gewesen , nach
der Ornamentik , die er auf einzelnen Gebälkstücken sah ; allein abgesehen davon , dass
diese Verzierungen noch zu keiner Entscheidung über die Angehörigkeit des Tempels
berechtigen, finden wir auch einen Neptuntempel, der doch nach den von Palladio
angegebenen Dimensionen sehr bedeutend sein musste, hier nicht erwähnt. Hier
schlössen sich vielmehr die Kaiserfora unmittelbar an die Gebäude des Forum Ro-
manum an, wie wir namentlich aus den Resten des Augustus- und des Nervaforum
ersehen, und von diesen musste das Forum lulium dem Romanum am nächsten ge-
wesen sein, wie diess die Notiz von dem Lotos beweiset. Und wenn schon die Lage
der erwähnten Tempelüberreste zunächst an das vom iulischen Forum eingeschlossene
Heiligthum denken lässt, so wird die Identität derselben dadurch zur vollen Gewiss-
heit, dass sowohl die Ruine als auch nach ausdrücklicher Erwähnung^ der Tempel
des Forum lulium pyknostyl waren, eine Säulenstellung, welche namentlich bei der
ionischen und korinthischen Ordnung sehr selten in Anwendung kam.
* Plin. H. N. XVI. 44, 86, 236. « Curios. Urb. Romae Reg. VIII. » Vitruv. XIII. 2. * I Quattro
Libri dell' Architettura. Yen. 1370. 1. IV. c. 31. p. <28 sq. " Vitruv. III. 3, 2.
Das Forum luli um. 157
Beschreibt man nun um die Stelle, welche demnach der Tempel des Forum
lulium einnahm, einen massigen Tempelhof, so muss der beschriebene Ueberrest in
der Via del Ghetarello mit der Umfriedung desselben zusammenfallen. Wenn aber auch
die Linien dieser Ueberreste in ihrer Richtung den Linien der übrigen Kaiserfora, von
welchen wir noch ansehnlichere Reste haben, entsprechen, woraus auf die Regel-
mässigkeit der Anlage geschlossen werden darf, so ist es doch unmöglich, aus den
ganz schmucklosen Mauern die Architektur der Umfriedung nachzuweisen.
Als Cäsar den Plan fasste, als neue Gerichtsstätte ein neues Forum anzulegen,^
mochte er wohl noch nicht daran gedacht haben, dieses selbst zum grossen Theile
mit einem in die Mitte gestellten Tempel auszufüllen , denn als er einige Jahre darauf
in der Schlacht bei Pharsalus seiner Stammgottheit, der Venus Genetrix, ein Heilig-
thum gelobte und diess in seinem neuen noch unvollendeten Forum in einer dem
grossen Siege entsprechenden Grösse und Pracht ausführte, ^ da musste der übrigblei-
bende Raum , als zu eng in Rücksicht auf seinen Zweck , hinter der Absicht des Er-
bauers zurückbleiben. Insofern aber Cäsar nicht geringeren Werth darauf legte, den
Römern in dem Denkmale seines verhängnissvollen Sieges ein ebenso grossartiges als
prachtvolles Bauwerk hinzustellen, erreichte er seine Absicht damit vollkommen. Ob-
wohl mit dem Baue möghchst geeilt wurde, um die Einweihung mit dem Triumphe
im J. 708. d. St. (46 v. Chr.) in Verbindung bringen zu können, welche Ceremonie je-
doch noch vor der Vollendung vorgenommen ward, wurde doch das Ganze von ausser-
ordentlicher Schönheit. Für das Götterbild fertigte der berühmte Arkesilaos das Thon-
niodell, welches selbst bei der übereilten Einweihung im Tempel aufgestellt worden
war.3 Die Wände waren mit Meisterwerken der Malerei geschmückt, von welchen die
Medea und der Aiax des Timomachos, welche Cäsar um 80 Talente gekauft hatte, be-
sonders erwähnt werden.* Ausserdem werden noch als besondere Kostbarkeiten dieses
Tempels der von Cäsar geweihte Panzer aus britannischen Perlen, welche weniger
an sich, denn sie waren klein und trübe, als vielmehr durch ihre Herkunft Aufsehen
machten,^ und sechs Gemmensammlungen, mit welchen ebenfalls Cäsar den Tempel
schmückte,^ genannt. Vor dem Tempel stand das Reiterbild Cäsars, welches, wie wir
auf die Autorität eines Plinius '^ und Suetonius ^ dem Statius ^ gegenüber glauben müssen,
in einer für griechischen Geschmack eben nicht erwünschten Weise das monströse
Lieblingspferd des Dictators zeigte, dessen Hufe eine Art von Zehen und desshalb
Aehnlichkeit mit menschlichen Füssen gehabt haben sollen. Das Temenos scheint über-
diess mit Wasserwerken , wohl Springbrunnen , geschmückt gewesen zu sein , welche
* Sueton. Caes. 26. Plin. H. N. XXXVI. i5, 24, 103. * Appian. B. c. II. 102. ' Plin. H. N.
XXXV. 12, 45, 156. * id. VII. 39, 39, 126. cf. XXXV. 4, 9, 26. * id. IX. 35, 57, 116. « id. XXXVII.
1, 5, 11. Md. VIII. 42, 64, 155. ^ Sueton. Caes. 61. ^ Stat. Siiv. I. 1. v. 86 sq.
z] 58 r^'ß Kaiserfora.
jedoch nicht, wie aus den unklaren Stellen eines hier gewiss ungenauen Dichters^
zu entnehmen ist, von der Leitung der Aqua Appia aus gespeist werden konnten, da
diese viel tiefer lag. Es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass die Delphine und Drei-
zacke zeigenden Ornamente, welche Palladio zu der Annahme eines Neptuntempels
veranlassten , vielmehr zum architektonischen Schmucke dieser Wasserwerke , als des
Tempels gehörten.
Von den Schicksalen der Anlage ist nur bekannt, dass der schon mehrmals
erwähnte grosse Brand unter Carinus auch sie theilweise zerstörte und dass Diocietian
sie wieder herstellte.^ Erwähnt wird sie noch in der Mitte des 1 2. Jahrhunderts.^
Die Nachricht aber, dass man auf dem Wege von S. Peter nach dem Lateran am Se-
verusbogen angelangt und zwischen dem Concordientempel und dem Tempi um fatale ?
nordösthch abbeugend zwischen die Fora des Cäsar und des Traian und dann auf das
Nervaforum gekommen sei, gibt wieder eine weitere Bestätigung für die angenommene
Lage. In welchem Grade von Erhaltung sich die Anlage jedoch damals befunden habe,
lässt sich aus der Notiz nicht entnehmen. Weiterhin verliert sich alle Kunde, wie auch
fast jede Spur davon in den folgenden Jahrhunderten vertilgt wurde.
23. Das Forum des Augustus. Der Tempel des Mars Ultor.
Beugt man von der Yia del Ghetarello rechts in die Via Cremona, so gelangt
man durch diese in die lange und geradlinige Via Bonella , welche an ihrem dem Forum
entgegengesetzten Ende durch einen gewaltigen antiken Durchgangsbogen einen zwar
unregelmässigen aber imposanten Abschluss erhält. An diesem Bogen sind wir bereits
bei den Ueberresten eines zweiten Kaiserforum angelangt. Zur Linken von dem Bogen
erheben sich die Reste eines kolossalen Tempels, welche in drei riesigen Säulen und
einem Pilaster mit dem sie verbindenden Architrav und dem entsprechenden Theile
der Cellawand bestehen. Die Säulen sind von weissem, wie behauptet wird, car-
rarischerp oder nach dem antiken Namen lunensischem Marmor, caneUirt und ko-
rinthischer Ordnung. Die Base mit Platte misst 0,93, der Schaft 1o,3o, das Capital
1,93 Met. in der Höhe; der Säulendurchmesser beträgt unten 1,76, oben 1,52 Meter.
Das Capital ist ein Muster für korinthischen Styl an Zeichnung und Arbeit und lässt
darüber keinen Zweifel übrig, dass die Ruine aus der besten Zeit römischer Baukunst
stammt, aus der Epoche, in welcher man sich am engsten an die griechische Ar-
' Ovid. Art. I. v. 79 sq. III. v. 451 sq. * Catal. imp. Vienn. (Roncalli, Vetustiora Lat. Script. Chronica.
Tom. il. p. 247). ^ Ordo Romanus (1143. Mabillon Mus. Ital. Par. 1689. Tom. II. p. 143.)
Das Forum des Auguslus. Der Tempel des Mars ültor. ] 59
chitektur anschloss. Der Architrav ist in schmalen, fein und geschmackvoll gearbeiteten
Ornamentleisten verziert, von besonderem Reichthum aber ist die Verzierung der Marmor-
decke der Halle zwischen den Säulen und der Cellawand, welche Rosetten in qua-
dratischen Cassettonen zeigt. Die letzteren sind dreifach vertieft und jede Vertiefung
ist mit einem Ornamentstabe umsäumt, der oblonge Zwischenraum zwischen den
Cassetonen aber mit einem Doppelmäandersaum fast ausgefüllt. Auch von der Cella-
wand hat sich die Marmorbekleidung noch erhalten.
Die beschriebene Tempelruine gehörte zur linken Langseite des Gebäudes,
welches, wie eben diese Ueberreste zeigen, keine freie Rückseite hatte. Denn diese
lehnte sich an eine gewaltige Mauer, von welcher uns ebenfalls noch ein beträchtlicher
Theil erhalten ist. Der erwähnte Bogen aus grossen Tiburtinblöcken , welcher jetzt
Arco de' Pantani genannt wird und von der Via Bonelli in die Via di Tor de' Conti
führt, gehört dieser Mauer an und bildete schon im Alterthume einen Eingang in den
von der Mauer umschlossenen Raum. Die jetzige Gestalt des Rogens lässt uns freihch
kaum mehr ahnen , wie er mit dem prachtvollen Tempel , dessen Reste wir eben be-
trachtet haben, in architektonischer Harmonie stehen konnte, denn etwas Derberes
und Schwereres lässt sich kaum in der ganzen Ruinenwelt finden. Allein es ist zu
bedenken , dass der Bogen nicht so drückend erschiene , wenn hier die Verschüttung
des antiken Bodens nicht so bedeutend wäre und fast die untere Hälfte des Durch-
gangs bedeckte, ferner dass er ohne Zweifel ursprünglich mit Marmor bekleidet war
und dadurch entsprechenden architektonischen Schmuck erhielt. Wir haben also nur
den entblössten Kern des Bogens vor uns, der überdiess dadurch noch unförmhcher
gemacht wurde, dass man im Mittelalter Thore an demselben anbrachte und um
dieser willen oben einen Theil in eine rechtwinkelige Form meisselte. Durchschreitet
man nun diesen Bogen, so kann man die Via di Tor de' Conti entlang zu beiden
Seiten des Durchgangs die gewaltige Umfriedungsmauer, an welche innen der be-
schriebene Tempel sich anlehnte, verfolgen. Sie besteht aus grossen oblongen Gabin-
blöcken, die 1,73 — 1,77 Met. lang, 0,45 Met. hoch, ebenso breit, und wie beim Ta-
bularium so übereinander gelegt sind, dass regelmässig abwechselnd eine Lage die
Lang-, die andere aber die Stirnseite nach aussen kehrt. Die Blöcke sind abgekantet,
(1. h. ihre Kanten stumpfwinkelig abgemeisselt, wodurch sich deutlich jeder Stein von
dem anderen absondert und das Monotone einer so hohen Mauer auf eine günstige
Art gehoben ist. Zu demselben Zwecke wurde auch die Mauer an ihren niedrigeren
Stellen in zwei, an den höheren in drei Stockwerke geschieden, was nach aussen
und nach innen durch einfach vorspringende Steinlagen angezeigt ist, welche, wie die
Blöcke des beschriebenen Bogens , aus Tiburtin bestehen. Die Verbindung der Blöcke
ist ohne Verkittung , aber mit einer Art hölzerner Klammern von der Form doppelter
I\QQ Die Kaiserfo ra.
Schwalbenschwänze hergestellt, welche die Zeit förmlich versteinert hat und die schon
vor Jahrhunderten bemerkt.' und auch vor etlichen Jahrzehnten wieder gesehen worden
sind.^ Die Mauer selbst zeigt, wie aus dem Plane ersichtlich ist, einen unregelmässigen,
durch nicht zu beseitigende Hindernisse bedingten Gang. Nahe daran erhebt sich der
quirinalis(5he Hügel, an dessen Fusse sich, wie noch heut zu Tage die Via di Tor de' Conti,
eine Strasse hinzog. Diese Strasse, welche in Rücksicht auf die rechtwinklig sich schnei-
denden Linien der Kaiserfora einen schrägen Lauf hatte und durch die Gestalt des quiri-
nalischen Hügels haben musste, that der Regelmässigkeit der Anlage einigen Eintrag.
Doch nach Innen wurden die Unbequemlichkeiten, welche dieses locaJe Missverhältniss
und auch, wie besonders erwähnt wird,^ die Hartnäckigkeit der Hausbesitzer dieser
Gegend dem kaiserlichen Erbauer in den Weg legte, durch symmetrische Doppelmauern
ausgeglichen. Da, wo der Tempel sich anlehnte, an der Nordostseite, war die Mauer
vom antiken Boden an 37 Met. hoch, im Uebrigen 6 Met. niedriger. Diese beiden
ursprüngHchen Höhen sind noch nahe am Ausgange der Yia Bonella erhalten, sonst ist
die gegenwärtige Höhe je nach dem Grade der Zerstörung wechselnd. Der Th eil der
Umfriedung, welcher die gegen das Forum Romanum gewendete Seite des Tempelteme-
nos abschloss, ist gänzhch verschwunden ; an den beiden Seiten des Tempels sind noch
ansehnhche Reste der halbkreisförmigen Ausweitungen übrig, am vollständigsten jedoch
ist die nordöstliche Seite, an welche sich der Tempel anlehnte, mit ihren Unregelmässig-
keiten erhalten, und noch jetzt wird die Via di Tor de' Conti von derselben an einer Seite
in einer Länge von 95 Met. begränzt. Von mehren kleineren Eingängen, deren Bogen-
spuren in der Mauer noch sichtbar sind, ist jedoch nur mehr der beschriebene schräg-
geschnittene über der Via Bonella geöffnet.
Diese kolossale Mauer ward mit Recht für die Umfriedungsmauer eines Kaiser-
forum und zwar, nachdem lange Zeit die verschiedensten Irrthümer über dessen Namen
obwalteten und so der Tempel besonders für den Palast des Nerva/' dann als Tempel
des Nerva oder Traian,^ oder als eine Basilica^ galt, endlich richtig als Umfassungsmauer
vom Forum des Augustus und die Säulenruine als der in diesem Forum eingeschlossene
Tempel des Mars Ultor erkannt,'' was schon von Palladio, jedoch ohne Erfolg, behauptet
wurde, ^ jetzt aber allgemein angenommen ist. Der. Regionär setzt auch das Forum des
* Flaminio Vacca , Memorie. No. 89. (C. Fea, Miscellanea fllolog. critica e antiq. Roma 1790. p. XCI.)
* Saponieri bei Stef. Piale, del tempio di Marte Ultore &c. (Atti dell' Acad. Romana d'Archeologia. Tom. I. p. 77.)
* Sueton. Aug. 56. * Fr. Albertinus, de Miiabilibus nove et veteris Urbis Rome. Rom. ISIS. fol. 31. Pan-
ciroli, Tesori nascosti dell' alma cittä di Roma. Rom. 1600. p. 238. L. Fauno, delle antichitä della cittä di
Roma. Ven. 1548. Lib. II. c. 23. fol. 71. B. Marliani, Urb. Romae topographia III. c. 9. (Graev. Thes. Anl.
Rom. Tom. III. p. 113.) " Donatus, De Urbe Roma II. c. 23. (Graev. Thes. Ant. Rom. Tom. III. p. 636.) bis
Nibby Roma n. a". 1838.) Tom. II. p. 238.) ® Nardini, Roma vetus, lib. III. c. 14. (Graev. Thes. Ant. Rom.
Tom. IV. p. 1049 sq.) ' Piale. Vergl. Anm. 2. ® I Quattro libri di Architettura IV. p. 15.
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Das Koniin dtjs Augusliis. Der Tempel ihjs Mars Ultor. 161
Augustus neben das des Cäsar in die achte Region, ' und so lasst, obwohl über die
Oertlichkeit dieses Forum in classischen Nachrichten sich nichts findet, doch die
Lage, Gestalt und namentlich der Styl der Ruine über die Richtigkeit der allgemeinen
Annahme keinen Zweifel übrig. Wie daher der »Palast des Nerva« ein Jahrhundert
lang in der römischen Topographie diese Stelle behaupten, und wie selbst der
sonst gelehrte Nardini (a. a. 0.), die Tempelruine mit jener verwechseln konnte,
welche ein halbes Jahrhundert vor seiner Zeit (vor wenigen Jahren, wie er selbst
sagt und überdies mit Rücksicht auf den Umstand, dass eine Tempellangseite für
eine Inschrift kein geeigneter -Raum sei, hinzufügend, dass jenes Gebäude nichts
anderes als eine Basilica gewesen sein könne), noch die Dedication des Nerva
getragen habe, ist schwer verstandlich. Wir werden sehen, dass jene Inschrift
des Nerva nichts mit unserem Tempel zu tlum haben konnte, vielmehr einem ganz
anderen Tempel und Forum angehörte.
Der Tempel des Mars Ultor verdankte sein Entstehen einem Gelübde, welches
Augustus vor der Schlacht bei Philippi machte, als er den Mord seines Adoptiv-
vaters an Biutus und Cassius rächte und dadurch selbst in die Fusstapfen seines
Vaters trat. Es war der gleiche Fall wie damals, als Cäsar den Tempel der Venus
Genitrix gelobte, und konnte deshalb leicht auf weitere gleiche Gedanken bringen.
Der Tempelbezirk konnte ebenfalls leicht zum Forum erweitert werden und dieser
Entschluss musste um so erwünschter und dankenswerther erscheinen, als das seit
dem Bau des Venustempels zu beschränkte Forum lulium dem Bedürfnisse nicht in
der ursprünglich beabsichtigten Weise genügen konnte. Da es somit für ein glän-
zendes Denkmal seiner Herrschaft auch nicht an Zweck fehlte, so beschloss der
Imperator, vor diesem Tempel nach Art des iulischen auch ein neues Forum anzu-
legen, welches aber jenes in jeder Hinsicht überträfe. Als er nun die für das
Areal desselben nöthigen Privatgrundstücke zusammenkaufte,^ hinderte ihn sein
volksthümlich wohlwollender Sinn oder seine Staatsklugheit, auch da, wo er Wider-
stand fand, gegen den Willen der Hausbesitzer zu expropriiren, wodurch das Forum
weder die gewünschte räumliche Ausdehnung, noch eine auch äusserlich regel-
mässige Form erhalten konnte.^ Der Tempel ward i. J. d. St. 752 (2 v. Chr.), als
Gallus Gaminius mit Augustus (Konsul war, geweiht,'' nachdem bereits vorher das
Forum dem Geschäfts\ erkehr übergeben worden war,^ und fesselte durch seine
Pracht und Grösse die Augen des römischen Volkes." Dass Augustus über die lange
Dauer dieses Baues sehr ungeduldig war, geht aus einer witzigen Aeusserung des-
selben hervor; als nemlich viele von einem gewissen Severus Cassius Angeklagte
' Curios. Urb. Romae. Rc}.'. VIII. ^ Monum. Anc>ran. (Chisluill, Antiquit. Asiat. Lond. 1728. p. 174.)
3 Sueton. Aug. 56. * Vellci. Pat. II. 100, 2. 5 Sueton. Aug. 29. « Velloi. 1. c. Plin. XXXVI. 15, 24, 102.
F. ItEnEii, Uom. 21
/| 52^ , Die Kaiserfora.
losgesprochen [absoluti) worden waren, soll Augustus ausgerufen haben: »Möchte doch
Cassius auch mein Forum anklagen ! » ^ Im Volksmuride scheint frühzeitig, wie dies
das räumhche Verhältniss des Tempels zum freien Platze leicht erklärt, die Bezeich-
nung forum Marlis für die ursprüngliche substituirt worden zu sein, welche sich
auch in die christliche Zeit hinein erhielt.'
Was die Ausschmückung dieses Forum betrifft, so wissen wir, dass Augustus
in den Säulenhallen, welche zu beiden Seiten innen die Umfriedungsmauer ver-
kleideten, die Standbildei* derjenigen römischen Feldherrn, die zur Vergrösserung
des Reiches beigetragen hatten, errichtete. ^ Diese Statuen waren im Triuraphalge-
wande dargestellt, und ihre Piedestale mit ausführlichen Inschriften versehen, deren
als gewissermassen authentischer Quelle mehrfach Erwähnung geschieht. Von den
sonstigen zahlreichen Kunstwerken in und um den Tempel werden nur einige
Curiositäten gelegentlich erwähnt, so ein Apollo von Elfenbein,^ merkwürdige Becher
aus Eisen," zwei Statuen angeblich aus Alexanders des Grossen Zeit," und besonders
zwei Gemälde des Apelles, Alexander auf dem Triumphwagen mit dem gefesselten
Kriegsdämon und Alexander mit den Dioskuren und der Victoria darstellend, an
welchen Claudius später die blödsinnige Aenderung vornahm, dass er das Gesicht
des Alexander herausnehmen und das des Augustus an dessen Stelle setzen Hess. "'
Unter des Augustus Nachfolger Tiberius wurden die Räume an den beiden Seiten
des Tempels, also da wo sich das Forum in die beiden Hemicyclen ausweitete,
noch durch zwei Ehrenbogen mit den Bildnissen der Cäsaren, ^ (Drusus und Ger-
manicus) geschmückt.
In dem Tempel des Mars Ultor erhielten die kaiserlichen Prinzen die Toga
virilis und von ihm aus zogen die Statthalter in feierlichem Auszuge in die Provinzen.
Der Tempel war auch zu den Senatssitzungen bestimmt, in welchen über die Ver-
theilung von Triumphen oder Triumphinsignien verhandelt ward, und hier sollten
auch die von den Feinden erbeuteten Feldzeichen niedergelegt werden.'* Das Forum
selbst hatte gesonderte Räume für verschiedene Rechtsgeschäfte, so für die causae
publicae und sortitiones indicumJ^ Dass auch die Kaiser dort Recht sprachen, wird
wenigstens von Traian ausdrücklich erwähnt. ' ' Doch musste die Anlage des Traian-
forum das Ansehen dieses wesentlich beeinträchtigten, und wir hören mit Ausnahme
einer Restauration, die Hadrian vornahm, ^^ nichts mehr davon. Obgleich die ge-
waltigen Mauern den grossen Bränden, welche gerade diese Gegend in der Kaiser-
* Macrob. Sat. II. 4. 2 Jahn, Berichte der Sachs. Ges. d.W. 4 851, S. 331. Acta Sanetorum iO. Juli
vgl. Jordan, Topographie II, S. 213. 3 sueton. Aug. 31. ^ pijn h. N. VII. 53, 54, 183. »id. XXXIV. 14,
40, 141. 6 id. XXXIV. 8, 18, 18. 7 id. XXXV. 4, 10, 27. 10. 36, 93 u. 94. Vgl. H. Brunn, Geschichte
der griech. Künstler. Stuttg. 1859. Bd. II. p. 209 f. 8 Tacit. Ann. II. 64. ^ Bio Cass. LV. 10. 1» Sueton.
Aug. 29. 11 Dio Cass. LXVIII. 10. 12 Script. Hist. Aug. (Spartian.) Hadr. 19.
Das Forum des Nerva. Die Porlicus der Minerva (Le Colonnacce). 1f)3
zeit zu wiederholten Malen heimsuchten, wie auch zum grossen Theile fast zwei
Jahrtausenden zu widerstehen vermochten, so konnten sie doch nicht verhindern,
dass schon zu Ende des fünften oder zu Anfang des sechsten Jahrhunderts inner-
halb derselben ein ganz anderer Bau sich erhob, nemlich die Kirche des h. Basilius,
welche Papst Symmachus I. in den Ruinen des Marstempels selbst und wohl auch
aus dem Material desselben erbaute.^ Die diei Säulen — von den Schicksalen der
übrigen ist nirgends die Rede — mussten bald dazu dienen, den Glockenthurm
des später angefügten Klosters zu tragen.^ Kloster und Kirche haben jetzt den
Namen delF Annunziata. Im Jahre 1820 wurden die Säulen ganz ausgegraben,
die ehrwürdige Ruine von ihrer mittelalterUchen Last befreit und durch Mauer und
Eisengitter vor weiterer Beschädigung geschützt.
24. Das Forum des Nerva, Die Porticus der Minerva (Le Colonnacce).
Kehrt man von den beschriebenen drei Säulen des Marstempels die Via Bonella
eine kleine Strecke weit zurück und wendet sich dann zur Linken in die Via Alessan-
drina, so sieht man, indem man die nächste mit der Via Bonella parallele Quer-
strasse überschreitet, in derselben links zwei halbverschüttete korinthische Säulen
mit Gebälke und Attika. Diese gehörten zu einer Porticus, deren Säulen nui" um
ein Geringes (1,3o Met.) von ihrer Rückwand vorsprangen. Diese Rückwand, von
welcher jetzt noch ein Theil in der Länge von 1 1 ,5 Met. erhalten ist, besteht aus
Peperincpiadern, ist jedoch der Bearbeitung nach von der eben beschriebenen Mauer
des Augustusforum wesentlich verschieden. Denn die Blöcke sind von ungleicher
Breite, mit geringer Sorgfalt behauen und gefügt. Zwischen den zwei Säulen sieht
man eine Bogensprengung, welche indess schwerlich jemals einen Durchgang ge-
bildet, sondern vielmehr zur Solidirung der Mauer gedient haben dürfte. Die ca-
nellirten Marmorsäulen, welche 5,sü Met. von einander entfernt sind und einen
Durchmesser von 0,.jo Met. haben, müssen nach diesen Verhältnissen sammt Base
und Capital auf 10 Met. in der Höhe angeschlagen werden; ^ die Capitäle haben eine
Höhe von 1,2s Met. Den Säulen entsprechen Pilaster, von denen jedoch nur mehr
die Capitäle erhalten sind; das Gebälke aber liegt nicht von einer Säule zur andern,
sondern es verbindet in sogenannter Verkröpfung jede Säule mit der Rückmauer
und läuft dann an dieser von einem Pilaster zuiii anderen fort. Der 0,77 Met. hohe
Architrav ist zwischen jedem der drei Leisten und besonders oberhalb reich ver-
ziert. Der schöne, O,,^ Met. hohe, ganz mit Reliefs bedeckte Fries ist leider sehr
' Blondi Flavii Forliensis, de Roma Instaurata. Ven.. 1503. Lib. tll. §.51. 2 \. Donatus, de Uibe Roma.
Lil). U. f. 23. (Gracv. Tlics. Ant. Rom. Tom. m. p. 636.) 3 Vitruv. IH. 2.
21»
101 Die Kaiserfora.
verstümmelt. Was die Darstellungen betriftt, so sind sie kaum mehr zu erkennen
und die Herstellungen dürften daher, je neuer sie sind, desto unzuverlässiger sein:
darf man aber den alten Zeichnungen^ Vertrauen schenken, so sind darauf die
häuslichen Künste der Minerva abgebildet. Wenn man zur Linken beginnt, sieht
man eine sitzende Figur, ganz verhüllt (Schamhaftigkeit?); ein Jüngling liegt, die
Wasserurne haltend, an einer Schilfgrotte (Quell) ; zwei Jungfrauen, die dort geschöpft
zu haben scheinen, tragen ein Gefäss, zwei andere drehen das Garn, kleine Mädchen
Schemen an der Hand der Mutter die Knäuel der ^Minerva darzubringen. Andere
Frauen zeigen das Gewebe, die nächste sitzt spinnend, in der Rechten die Spindel
haltend, andere, halb entblösst, scheinen zu waschen oder zu färben, eine Frauen-
gestalt hält, vor einem Gefässe stehend, die Wage in der Hand, andere Frauen
tragen Börsen, um zu kaufen. Ein Jüngling schöpft Wasser aus einer Quelle. Die
Darstellung ist am Anfange wie am Ende mangelhaft, und zog sich ohne Zweifel
noch weiter vielleicht an der ganzen Umfriedung herum fort; bei der Vielseitigkeit
der Minerva konnte es auch an Stofl' nicht fehlen. Den beschriebenen Fries be-
schattet ein bis zur Ueberladung reich verziertes, 1,20 Met. hohes Kranzgesimse.
Das Gebälke trägt eine 4,40 xMet. hohe Attika, welche ebenso wie dasselbe über
die Säulen vorspringt, und von einem ebenfalls reich ornamentirten Gesimse das
jedoch von kleineren Verhältnissen ist, als der (^arnies des Säulengebälkes, gekrönt
wird. In der Mitte der Attika befindet sich ein Hochrelief auf einer 2,65 Met. hohen.
1,50 Met. breiten Marmortafel, welches eine Minerva mit Schild, Speer und Helm
darstellt.
lieber die Bedeutung dieser höchst malerischen Ruine geben uns alte Ab-
bildungen Aufschluss. Auf diesen nemlich^ sehen wir noch einen stattlichen Ueber-
rest jenes Tempels, welchem die beschriebene Porticusruine als Temenosumfriedung
diente, und zwar in der Gestalt eines Prostylos hexastylos, d. h. eines Tempels, der
nur an der Vorhalle Säulen und an der Fronte deren sechs hatte. Von diesen
waren noch im 16. Jahrhundert sechs erhalten, und zwar drei in der Front von
links her noch mit dem entsprechenden Theile des Giebels, dann noch die zweite
der Fronte von rechts her und die zweite und dritte von der rechten Langseite.
Auch von den Cellawänden und den Pilastein derselben am Pronaos war noch
ein grosser Theil erhalten, die Gella selbst aber befand sich nicht mehr innerhalb
der Umfriedung, denn die Mauer derselben schloss sich hinter dem Pronaos an die
i Admiranda Romanonifu antiquitatum ac veteris sculpturao vcstigia delineata a P. Santi Baitolu, notis
J. P. Bellorii illustiata. tab. 63—70. 2 h, Kock, Praecipua aliquot Rom. ant. ruinaruni monum. Antwerp. iSäl,
tab. V. X. — J. A. Dosii, U. R. aedif. ill. reliquiae. Romae 1569. tab. XIV. XV. — Du Perac, I vestigij dell'
antichita di Roma. R. 1575. tav. 6. — Gamuzzi, Libri Quattro dell' Antichita di Roma. Yen. 1565. Lib. I. p. 52.
Das Forum des Nerva. Die Porlicus der Minerva (Le Colonnacce). 165
Cellawand an, bildete aber bier einen grossen Bogendurchgang. Dies forderte die
Symmetrie, denn auch auf der anderen Seite war die Cellamauer nicht frei, indem
hier die halbkreisförmige Ausbeugung des Augustusforum sie berühren musste. (Vgl.
den beifolgenden Plan des Augustus- und Nervaforum.) Auf dem erhaltenen Gebälk-
stücke der Stirnseite, wo behufs Aufnahme der Dedicationsinschrift Architrav und
Fries in eine Fläche gemeiselt war, las man noch die Worte : ^
IMP. NERVA. CAESAR. AVGVSTVS. GERMANICVS. (PONT. MAX).
TRIB. POTEST III. IMP. II. cosiUF.p.Aedem Mi (NERVAE FECIT).
Die Inschrift war Signorili noch vollständiger bekannt, der von der ersten Zeile
noch die oben eingeklammert gegebenen 7, von der zweiten noch die letzten 1 I
Buchstaben las; Anfang wie der Schluss der ganzen Inschrift aber lassen keinen
Zweifel übrig, dass wir Nerva als den Erbauer und Minerva als die Gottheit des
Tempels zu betrachten haben.
Es liegt sonach sehr nahe , hier das Forum des Nerva zu suchen , zu
welcher Annahme zahlreiche Umstände berechtigen. Der Regionär- nennt dieses
Forum an der Gränze der vierten Region zwischen Basilica Aemilia, dem
Tempel der Faustina und Subura. Ein Dichter erwähnt es als neben dem Forum
Pacis, von welchem sogleich gesprochen werden wird, befindlich.^ Noch deutlicher
wird von der Lage dieses Forum im Mittelalter (1 2. Jahrhundert) gesprochen. In der
schon erwähnten Beschreibung der Osterprocession von der Peterskirche nach dem
Lateran^ wird nemlich hier folgender Weg angegeben : Nachdem der Zug den Carcer
[primtam Manier lini) erreicht hatte , bewegte er sich durch einen Triumphbogen
(Severusbogen ?) zwischen dem Concordien- und Fortuna-Tempel Qemplum fatale)
auf das Forum, bog wohl auf der alten über das Forum Transitorium nach der
Subura führenden Strasse wieder von diesem ab, zunächst «zwischen dem Cäsar-
foruni und dem des Traian?« und dann »durch den Bogen dei Nervia zwischen
dem Tempel dieser Göttin und dem Tempel des lanus« fortschreitend, worauf er
vor dem Asylum? auf der heiligen Strasse zum Tempel des Romulus u. s. w. ge-
langte. So unverständlich auch Einzelnes ist, so müssen wir doch die Reihenfolge
als richtig annehmen, und nach dieser kann mit Bestimmtheit behauptet werden,
dass das Forum des Nerva östlich von den übrigen genannten Fora gewesen sein
müsse. » Das von einem Bogen der Nervia und von dem Tempel derselben Göttin
gesprochen wird; müssen wir dieser Zeit zu Gute halten; unbestreitbar ist, dass mit
1 Die Ergänzung ist nach Jordan, Forma U. R. Reg. XIV. p. 27, 28. Canina identificirt mit grosser
Waluscheinlichkeit ein Fragment des capitolinisclien Planes mit dem Tempel, welches Jordan tah. XVII. no.
116 gibt. 2 Cm-ios. l ih. Romac. Reg. IV. 3 Martial. Epigrammat. L. I. 3. v. 8. * Ordo Romanns (M43).
Mahill. Mus. Ital. II. p. 143.
/\ 66 Die Kaisei'fora.
dem Bogen der zum Nervaforum führende und wahrscheinlich an der nordwest-
Hchen Langseite befindhche gemeint ist, wie der Tempel der Nervia kein anderer
"war als der Minerventempel unseres Forum, auf welchem der Name des Dedicators
Nerva und ein Theil des Namens der Göttin zu lesen war. Mit der Erwähnung des
lanustempels aber hat es seine Richtigkeit, wenn auch nicht sicher ist, ob der Name
damals noch an der vielleicht erhaltenen lanusruine oder etwa an dem erhaltenen
Umfriedungsreste der Golonnacce (was das wahrscheinlichere) haftete. Denn beide
Tempel werden auch ausdrücklich erwähnt; sie wurden gleichzeitig mit der Anlage
des Forum ^ durch Domitian begonnen, nach der kurzen Regierung dieses Wütherichs
aber, wie auch das Forum selbst, von seinem Nachfolger Nerva vollendet und ge-
weiht. 2 Während wir für die Einrichtung der Tempel in den beiden Foren des Cäsar
und Augustus historische Gründe aufzuweisen hatten, ^finden wir für diese beiden
keinen anderen, als die Notiz, dass Domitian den lanus und die Minerva vorzugs-
weise verehrt habe.^ Die Reliefdarstellungen auf unserer Ruine passen auch wirklich
für die Umfriedung eines Minerventempels, nach welchem auch das ganze Forum
— wenigstens von einem Dichter^ — Forum Palladium genannt werden konnte.
Die Tempelruine aber, welche wir oben nach alten Abbildungen beschrieben haben,
war sicher der Ueberrest des Minerventempels, denn dei" Tempel des lanus Quadri-
frons musste seine quadratische Form haben und frei im Forum selbst stehen, um
von den vier Seiten zugänglich zu sein. Wie aber schon die Ruine der Umfrie-
dungsporticus einen ungemeinen, der domitianischen Prachtliebe jedoch ganz ange-
messenen Reichthum zeigt, so lässt ihn auch der Tempel voraussetzen, so dass es nicht
genug zu beklagen ist, dass die schöne Ruine, welche Du Perac den erhaltensten
Forumüberrest nennt, spurlos veschwunden ist.
Das Forum des Nerva hatte noch verschiedene andere Namen. Von der
Bezeichnung Palladium wurde schon gesprochen. Wichtiger als diese vielleicht nur
dichterische Benennung waren die Namen Forum Transitonum"" und Pervium,*^ welche
ausdrücklich alle als identisch bezeichnet werden. Die beiden letzteren aber be-
ruhen sicher auf der Bedeutung dieses Forum als Verbindung sowohl des grossen
Forum mit der Subura, als auch der Fora des Cäsar und Augustus mit dem Forum
der Pax. Ob aber der lanustempel über der Strassenkreuzung nach Art des er-
haltenen Bogens des lanus Quadrifrons am Forum Boarium gestanden habe, wie
Mommsen^ will, muss dahingestellt bleiben. Alexander Severus schmückte dieses
Forum mit den kolossalen Stand- und Reiterbildern seiner vergötterten Vorgänger. ''
1 Sueton. Domit. S. 2 Aurel. Vict. Caes 12. » Dio Cass. LXVII. 1. 4 Martial 1. c. ^ Script. Hist.
Aug. (Lamprid.) Alex. Sever. 28. * Aurel Vict. 1. c. ^ De Comitio Romano, curiis lanique templo. c. 18.
(Annali d. I. d. C. a. 1844.) Vgl. übrigens Jordan, Topogr. II. 503. «Script. II. A. (Lamprid.) Alex. Sev. ^8.
Das Forum des Nerva. Die Porlicus der Minerva (Le Colonnaccft). ^67
Damit mochte das ungeräumrge Forum, welches bei etwa doppelter Länge die geringe
Breite von 44 Meter kaum überschritt, so ziemlich ausgefüllt sein, umsomehr, als
die Strassen viel davon hinwegnahmen. Desshalb hatte es auch für Rechtsgeschäfte
und Privatzusammenkünfte keine Bedeutung, ebensowenig wie das Forum der Fax,
welches unmittelbar anlag, und diente vielmehr als Verbindung und Ausfüllung
zwischen den Anlagen des Cäsar, Augustus und Vespasian.
Was nun die Schicksale dieses Forum Transitorium betriff't, so ist nach der
oben angezogenen Stelle des Ordo Romanus gewiss, dass es im 1 i. Jahrhundert
noch grösstentheils bestand. Von dem in dieser Zeit noch ausdrücklich erwähnten
lanustempel ist nicht weiter die Rede, wenn auch dessen Ueberreste noch länger
sicherhielten. Dass aber nicht diese* sondern die Ruinen des Minervatempels oder
dei- Bogen reclits neben denselben den Namen Area di Noe (Arche Noah) trugen,
geht schon aus Signorili's Inschriftensammlung hervor.^ Ob aber die Ueberreste,
welche den Arcliitekten Bramante und Pailadio die Anregung zu einer Restauration
des Ganzen gaben, noch über dem modernen Boden befindlich waren, oder bei
Nachgrabungen entdeckt wurden, ist schwer zu sagen, wie auch nicht einmal die
Zuverlässigkeit des Plans, geschweige denn die des Aufrisses ausser Frage steht.
Nach diesen Restaurationen hatte die Cella aussen Halbsäulen, auf jeder Seite vier,
und Pilast(u- an den Ecken, welche toscanischer Ordnung waren. ^ Die Form würde
für den lanustempel ebenso passen, wie die angegebene Lage etwa dem südwest-
lichen Ende des Nervaforum entspräche, wonach es jedenfalls unzulässig erscheint,
hiebei an den lanustempel am Forum Romanum zu denken, der entschieden nord-
westlich von S. Adriano war und — wenigstens in seiner architektonischen Bekleidung
— »ganz von Bronze« und desshalb gewiss nicht über das 6. Jahrhundert hinaus
erhalten war, (vgl. S. 1i^2, Anm. 4). Mit nicht besserem Rechte schreibt Becker
die räthselhafte Restauration einem der drei lani am Forum Romanum zu, jenen
einfachen Durchgangsbogen über der Sacra via, welche doch unmöglich so umfänglich
angenommen werden können, wie der Quadrifrons am Forum Boarium, wenn man
nicht das ohnediess so beschränkte Forum noch wesentlich verringern will, und
welche Becker unmöglich hiefür hätte heranziehen können, wenn er Labacco's Werk
gesehen halte. ^ Denn Niemand könnte aus dem annährend quadratischen Bau, wie
ilm der Plan gibt, auf einen einfachen Durchgangsbogen schliessen, wie er für
jeden der drei lani des Forum Romanum wohl wird angenommen werden müssen.
1 Fabricii Varrani de Urbc Roma coUectanea, ed. lo. B. IMus Bononsiensis. Bon. 13:20. fol. 5. — L.
Fauno, Antichitä &c. fol. 72. 2 Ygi_ Jordan Topographie II. S. 469. ^ Lil)ro di Antonio Labarco appartonente
a l'Architeltura nel quäl si figurano alcune notabili Antiquitä di Roma. R. 1558. fol. 17 & 18. * Hdb. d. röm.
AU. Bd. I. p. 327. Anm. 2.
] 6g Die Kaiserfoia.
Bekannter und jedenfalls länger erhallen war die Ruine des ebenfalls auf
dem Nervaforum befindlichen Tempels der Minerva, welche auch uns durch wie-
derholte Abbildungen in den erwähnten Werken anschaulich gemacht worden ist.
Allein sie fiel leider dem Bedürfnisse nach Marmor und der Anlage eines Stadt-
viertels in diesem vorher zu Gärten dienenden Quartiere zum Opfer. Die malerische
Schönheit dei" von Vegetation unuankten Ruine hatte selbst dem Mittelalter nicht
entgehen können, welches den Raum vom Marstempel bis zu der Colonnacce
unter dem Namen »Hortus mirabihs« begriff. Nachdem nun schon zu Ende des
1 6. Jahrhunderts Papst Pius V. dort die zwei sich schneidenden Hauptstrassen dieses
Quartiers, von welchen er die eine mit dem Forum Ronranum ungefähr parallel
laufende nach seiner Vaterstadt Via Alessandrina, die andere nach seinem Familien-
namen Via Bonella nannte, angelegt hatte, setzten seine Nachfolger die Bevölkerung
dieses Stadttheiles fort, und am Anfange des 1 7. Jahrhunderts beseitigte Papst Paul V.
auch die sehr hinderliche Ruine wobei Giovanni Fontana die traurige Obliegenheit er-
hielt, den Abbruch zu leiten (1606). Der dadurch gewonnene Marmor aber wurde
zum Theil beim Bau der Paulscapelle in S. Maria Maggiore, zum Theil für die
imposante Fontäne der Aqua Paolo auf dem laniculus verwendet. Der Thorbogen
aber, welcher, ähnlich dem beschriebenen Arco de' Pantani am Augustusforum, hier
den nordöstlichen Ausgang bildete und sich da befand, wo jetzt die Via di Croce
bianca in die Via di Tor de' Conti mündet, blieb noch fast hundert Jahre stehen,
nach welcher Zeit er — aus welchem Grunde, ist unbekannt — ebenfalls abgetragen
wurde. So ist von dem zwar kleinen aber prächtigen Forum ausser den beschrie-
benen zwei Säulen der Umfriedungsporticus nichts übrig geblieben, doch reicht der
Ueberrest eben aus, auf den ornamentalen Reichthum des Ganzen zu schliessen.
25. Das Forum Pacis.
Das beschriebene schmale Forum des Nerva war zwischen drei andere Kai-
serfora* eingezwängt und wohl auch nur bestimmt, den Zwischenraum auszufüllen,
um die Prachtfora in ununterbrochener Kette zu verbinden. Von denjenigen nun,
welche an der nordwestlichen Langseite des Nervaforum angränzten, den Fora des
Cäsar und Augustus, wurde bereits gesprochen; an die südöstliche Langseite aber
stiess eine andere Prachtanlage, deren Ueberreste zwar wenig Anhaltspunkte und
mit Ausnahme des merkwürdigen Planfundes, der an einer anderen Stelle erörtert
werden soll, wenig Interesse darbieten, deren Lage aber nichtsdestoweniger unum-
stösslich bestimmt werden kann.
eii^'C vl.O.Wciocli: . ü
Vom Forum Transitorium
..'' Das Forum Pacis. -169
Verfolgt man die Yia Alessandrina von der Ruine der Umfriedungsporticiis des
Nervaforum aus in südöstlicher Richtung bis an die kolossale Ruine, welche wir spater
als die Basilica des Constantin beschreiben werden, und tritt dann zur Rechten in den
Hof des vormaligen mit der Kirche SS. Cosma e Damiano in Verbindung stehenden
Franciscanerklosters , so sieht man daselbst noch Ueberreste einer Mauer von Gabin-
quadern, ahnlich den beschriebenen bei den Fora des Augustus und Nerva. Der ganze
Ueberrest ist zu dürftig und wegen seiner Dürftigkeit zu unsicher, als dass man viel
Gewicht darauf legen könnte, doch ist es namentlich wegen seiner dem ganzen System
der Kaiserfora entsprechenden Richtung w^ahrscheinlich , dass er der Umfriedung der-
jenigen Kaiseranlage angehörte, welche Forum Pacis genannt wurde. Denn. dass es
das Forum Pacis war, welches den Raum zwischen der Basilica des Constantin und
dem Nervaforum einnahm , ist jetzt , nach einem langen und wenigstens von einer Seite
ungebührlich erbitterten Streite als erwiesen zu betrachten. Vor Nibby nemlich galt es
als ausgemacht, dass die grosse Ruine (Basilica des Constantin), trotz ihrer für einen
Tempel unpassenden Gestalt, doch dem Tempel der Pax angehörte, und als der ge-
nannte verdienstvolle Antiquar der Ruine endlich den rechten Namen gab ,^ drang seine
Ansicht erst nach heftigen Angriffen '^ durch. Die langst widerlegten und unhaltbaren
Gründe seiner Gegner brauchen nicht mehr neuerdings widerlegt zu werden, es ist
diess in Nibby's Schrift und besonders von Becker ^ zur Genüge geschehen. Doch
selbst Bunsen sucht noch beide Ansichten dadurch zu vermitteln, dass er zwar die
Ruine als die Basilica des Constantin anerkennt, allein behauptet, dieselbe sei auf der
Brandstatte des Tempels der Pax gebaut worden.'^ Diese Behauptung verliert durch
den Umstand allen Halt , dass , nachdem Maxentius die genannte Basilica bereits erbaut
hatte, der Tempel der Pax, wenn auch als Ruine, noch erwähnt wird.^
Die Beweise für die Identität der grossen Ruine mit der Basilica lulia werden
gehörigen Ortes angezogen werden, dass aber das Forum Pacis sich an ihrer Stelle
befunden habe, wird schon vorlaufig als unmöglich zu erkennen sein. Die Frage über
die Localitat des letzteren aber wird durch eine schon benutzte Stelle,^ an welcher
ein Dichter das Local seines Buchhändlers hinter den Fora der Pax und des Nerva
befindlich, also die beiden Fora nebeneinander nennt, und durch die Notiz des Sueton,'
dass der Tempel der Pax dem Forum zunächst lag, unverkennbar beantwortet. Nach
diesen beiden Angaben konnte das Forum der Pax, wie auch Canina^ und Becker (a.a.O.)
%
* A. Nibby, del tempio della Pace e della basilica di Costantino. Roma 18^9. * C. Fea , ia basilica di
Costantino sbandita dalla Via Sacra. Lettera al S. A. Nibby. Roma 1819. Ratti, Sü le rovine del tempio deila
I'ace. Roma 1823. ^ II. d. röm. Alterth. Bd. I. S. 438 ir. * (Bunsen) Beschreib, der Stadt Rom. Bd. III.
Abth. 1. S. 291 ir. * Procop. Goth. IV. 21. * Martial. Epigrammat. L. I. 3. v. 8. Vgl. S. 165. Anm. 2.
' Sueton. Vesp. 9. * Indicazione topografica di Roma antica. 4. Ediz. R. 1850. p. 131 sq.
F. Eeder , die Ruinen Rums. %%
/|70 Die Kaiserfora.
richtig angenommen haben, an keiner anderen Stelle gesucht werden, als südöstlich
vom Nervaforiim, mithin zwischen diesem und dem der Basilica des Constantin. Und
wie Martial's Worte die erstere Gränze geben, so wird die letztere durch eine andere
Stelle bezeichnet,'' welche berichtet, dass die Gewürzmagazine (horrea piperataria)
da waren, wo die Basihca des Constantin und das Forum Pacis sich befanden.
Das Forum Pacis wurde von Vespasian als ein Denkmal des Sieges über die
Juden nach dem Triumphe angelegt,^ jedoch wie es scheint nicht als ein Forum im
eigentlichen Sinne, welcher Name vielmehr in Folge der Aehnlichkeit der Anlage
mit den Fora des Cäsar, Augustus und Nerva erst nachher entstanden sein dürfte. ^
Er umgab nemhch den Tempel der Pax, wie das häufig geschah, mit einem Temenos,
der vielleicht etwas geräumiger als gewöhnlich war, gab jedoch dem umfriedeten
Räume so wenig, wie später Domitian bei der Anlage des Forum Transitorium, den
Zweck der anderen Kaiserfora, des Cäsar, Augustus und Traianus, welche haupt-
sächlich für die Rechtsgeschäfte bestimmt waren. Die Einweihung des Tempels fand
nach Dio Cassius (a. a. 0.) i. J. d. St. 828 (75 n. Chr.) statt, wonach die Anlage
verhältnissmässig rasch vollendet worden sein musste. Der Bau wird von Plinius * ; —
neben dem Augustusforum und der Basilica Pauli — unter die schönsten Werke ge-
zählt, welche die Welt je gesehen, und Herodian^ nennt den Tempel geradezu das
grösste und schönste Werk Roms, und den reichsten von allen Tempeln überhaupt.
Von dem ausserordentlichen Reichthum an plastischen Meisterwerken gibt die sum-
marische Nachricht, dass Vespasian von allen Kunstwerken, welche Nero aus Grie-
chenland für seine aurea domus zusammengeschleppt hatte, die berühmtesten in diesem
Tempel aufgestellt habe, einen allgemeinen Begriff;^ einzelne Stücke, wie ein Gany-
medes, ein Nilus, der Olympiasieger Cheimon, werden nur gelegenthch erwähnt.^
Ebenso einzelne Gemälde, der berühmte Heros von Parrhasios, der als Canon für
vollendete Männhchkeit gepriesen wird, der lalysos des Protogenes, die Scylla des
Nikomachos.^ Nicht minder merkwürdig waren die zahlreichen goldenen Geräthe und
Gefässe des Tempels von Jerusalem, welche Vespasian ebenfalls hier weihte,^ und
von welchen wir noch einige in dem Triumphrelief des Titusbogens abgebildet erken-
nen. Auch war an oder in dem Tempel der Pax eine öffentliche Bibliothek ange-
bracht o
* Catal. imp. Vienn. (Roncalli, Vetustiora Lat. Scrlptorum Chronica. Tom. II. p. 243.) cf. Dio Cass.
LXXII. 24. » Fl. Joseph. Bell. lud. VII. 5, 7. Dio Cass. LXVI. 15. Suet. Vesp. 9. =* Martial. 1. c. Am-
mian. Marcellin. XVI. -10. * H. N. XXXVI. iS, 24, 102. * I. 14. ^ Plin. H. N. XXXIV. 8, 19, 84.
' luven. Sat. IX. v. 22. Plin. H. N. XXXVI. 7, 11, 58. Pausan. VI. 9, 3. « Plin. H. N. XXXV. 10, 36, 74.
102—104. 109. » Fl. Joseph. 1. c. " A. Gell. V. 21, 9. XVI. 8, 2. cf. Script. H. Aug. (Trebell. Poll.)
XXX tyrann. c. 31. Victorin,
Das P'orum des Traianus. 171
Dieses Heiligthum bestand in unveränderter Pracht etwas über ein Jahrhun-
dert, litt aber unter Commodus durch einen umfangreichen Brand, vor welchem selbst
die hohe Umfriedungsmauer nicht ganz zu schützen vermochte. Obwohl nun von
zwei Seiten berichtet wird,^ das Heiligthum sei damals ganz und gar ein Raub der
Flammen geworden, so stehen doch dieser Annahme mehrfache Bedenken entgegen.
Wir erfahren nichts von einem Wiederaufbau, und doch geschieht später der Biblio-
thek daselbst v^ieder Erwähnung, und die ganze Forumanlage wird unter den Pracht-
werken aufgezählt, welche den Constantius bei seinem Besuche der Hauptstadt mit
besonderer Bewunderung erfüllten, ^ während zur Zeit der Gothenkriege der Tempel
als Ruine erscheint, in Folge eines Blitzstrahls, der ihn »vor langer Zeit« getroffen.^
Es ist nicht wahrscheinlich, dass des Vespasian prachtvoller Tempel nach Commodus
wieder von Grund auf hergestellt worden wäre, und am wenigsten so, dass man
auch Attribute, wie die erwähnte Bibliothek wieder neu beschafft hätte. Weit wahr-
scheinlicher ist, dass jener Brand die Anlage nur theilweise zerstört habe, und dass
der berühmte Tempel als Ruine stehen blieb, als welche sie Procopius sah, der sie
jedoch durch einen legendarischen Blitzstrahl erklärte. Die Anlage, von Marcellinus
Comes* noch als Forum Pacis bezeichnet, erscheint dann zuletzt unter dem Namen
Forum Yespasiani,^ und findet sich hierauf nicht mehr erwähnt, überlebte auch das
Mittelalter kaum mehr in irgend einem kenntlichen und notorischen Reste.
26. Das Forum des Traianus.
Kehrt man die Via Alessandrina, welche die bisher beschriebenen Kaiserfora
in der Richtung von Nordwest nach Südost durchschneidet, wieder zurück, so ge-
langt man an dem nordwestlichen Ende derselben auf einen ziemlich grossen, läng-
lich viereckigen Platz (Piazza Traiana). Dieser Platz .ist jedoch nur in den vier
Strassen, welche rings neben den Häusern laufen, für den Verkehr benutzbar, denn
bei weitem der grösste Theil desselben ist ausgegraben, und um etwa 6 Met. tiefer,
als der moderne Boden ; die Strassen aber sind durch Mauern und Bogensubstructio-
nen unterbaut und abgegränzt und gegen die Ausgrabung hin mit einem Geländer
umgeben. Der blossgelegte Raum, der ein Rechteck mit einer halbkreisförmigen Aus-
weitung an der nordwestlichen Schmalseite bildet, hat eine Länge von 1 1 0, und eine
Breite von 62 Met.
* Herodian. I. 14. Galen, de compos. med. I. r * Ammian. Marcelliii. XVI. 10. ' Procop. Goth.
IV. 21. * Marcellin, Com. Chron. (Rone. tom. II. p. 277.) * Symmach. ep. X. 78. Catal. imp. Vienn.
Hone. tom. II. p. 243.
22*
^72 Die Kaiseribra.
Soviel aus dem ofFenliegenden Paviment erkennbar ist, gehörte der südwest-
liche Theil der Ausgrabung zu einem freien Platze, von dessen Begränzungen die
südliche spurlos verschwunden ist. Wahrscheinlich aber erstreckte er sich bis an die
Umfriedungsmauer des Augustusforum, mit welchem auch jedenfalls eine Verbindung
hergestellt sein musste. Ja es muss sogar nach der symmetrischen Gestalt der zu
beschreibenden grossartigen Anlage hier der Haupteingang zu derselben angenommen
werden. Dagegen haben sich die antiken Begränzungen der drei anderen Seiten
dieses Platzes mehr oder weniger erhalten, jedoch zwei, die nordöstliche und die
südwestliche, ganz ausserhalb des aufgedeckten Raumes, wie denn überhaupt fest-
gehalten werden muss, dass der blossgelegte Raum nur einem kleinen Theile der
ganzen zusammengehörigen Aplage entspricht. Am ansehnhchsten sind die Reste der
nordöstlichen Begränzung des Platzes, zu welchen man gelangt, wenn man einige
Schritte in der Via Alessandrina zurückgehend, links in die Via della Salita del Grillo
beugt und dort in den Hof des Hauses No. 6 tritt. Ein wunderlicher Bau von zwei
Stockwerken zeigt sich hier unseren Blicken. Er bildet einen Halbkreis, der in der
Art wie die Umfriedungsmauer des Augustusforum, den freien Platz noch einiger-
massen zu erweitern bestimmt war. Von diesem Halbkreise aber ist nur eine Hälfte
von innen blossgelegt, die andere innere Hälfte ist unter tiefem Schutte vergraben,
welcher zu einem Garten benutzt ist. Wir können natürlich nur den blossgelegten
Theil der Ruine der Betrachtung unterziehen. Dieser hat eine Curvenlänge von 41 Met.
und erhebt sich auf schmalem Travertinbasament über dem Pflaster aus Basaltpolygonen,
mit welchem die halbcirkeligen Ausweitungen belegt gewesen zu sein scheinen.
Das erste Stockwerk zeigt eine Reihe von fünf Kammern aus Backstein mit
Tonnengewölben, nur 2 Met. tief und 2,97 Met. breit. Die Eingänge dazu sind fast
ebenso breit, doch nur halb so hoch, wie die Kammern (3 Met.). Die Rahmen dieser
Eingänge sind von Travertin und zwar Pfosten und Sturz nur aus drei Stücken, die
einfach, aber sorgftiltig gemeisselt sind und nie mit Marmor belegt waren. Bei drei
dieser Kammern fehlt jetzt dieser Travertineingang. Die Wände der Kammern sind
mit Stuck bekleidet, der auf weissem oder gelbem Grunde mit rothen Streifen einfach
bemalt ist, und der Fussboden derselben war einfach in weiss und schwarz mosaicirt,
wovon sich noch ansehnliche Reste erhalten haben, die jedoch wie die beifolgende
Abbildung erkennen lässt, von keiner hervorragenden Arbeit sind. Die mittlere der
fünf Kammern enthält die Treppe (29 Stufen) zum oberen Geschoss, welches über
den Kammern einen halbkreisförmigen gewölbten Corridor mit Bogenfenstern, an die-
sem aber eine Reihe von hohen, verschieden tiefen Gemächern enthält, welche letz-
teren jetzt als Magazine für Gartenfrüchte, Wirthschaftsgeräthe u. dergl. dienen. Diese
Gemächer ruhen, ohne dass ihnen ein unteres Stockwerk entspricht, auf dem Tuf des
Das Forum des Traianus.
173
Quirinalis, welcher bedeutend abgeböscht worden war, um das Areal des Forum zu
gewinnen. Die Fronte dieses zweiten Geschosses ist durch einen einfach gearbeiteten
Travertincarnies , der sich noch ziemUch erhalten hat, während die übrige Architektur
des unteren Geschosses verschwunden ist , von diesem abgegränzt ; zwischen seinen
Bogenfenstern aber sieht man noch verstümmelte Backsteinpilaster dorischer Ordnung
mit Capital und attischer Base von
Travertin. Das Gebälk darüber ist
ebenfalls aus Backstein und mit Stuck
bekleidet; stellenweise sieht man
noch die Zahnschnitte und erkennt
den ionischen Styl, eine Yerschmel-
zung dorischer und ionischer Ele-
mente, die unter den römischen
Bauwerken keine Seltenheit ist. Die
beiden äussersten Bogenfenster sind
durch Nischen ersetzt, von denen
die letzte eine rechtwinkelige, die
zweite eine segmentförmige Gestalt
hat und oben in eine Muschelwöl-
bung endigt. Von Giebeln über
diesen und den übrigen Bogenfenstern sieht man jetzt nur mehr undeutliche Spuren,
ältere Zeichnungen und eine genauere Untersuchung zeigen jedoch, dass diese wirk-
lich vorhanden waren, und zwar abwechselnd von abgerundeter (segmentartiger) und
dreieckiger Form, lieber diesem zweiten Geschosse sehen wir an der beschriebenen
Fronte im Inneren des Halbkreises noch eine Mauer, die jedoch zum Theil mittel-
alteriich und von aller Architektur entblösst ist.
Diesem System symmetrisch entsprechend fand Canina^ bei besonderen Unter-
suchungen auch auf der gegenüberliegenden Seite des freien Platzes in den Kellern der
Häuser zwischen der Via de' Chiavi d'oro und der Via di Marforio Spuren derselben halb-
runden Tribüne, wonach kein Zweifel ist, dass diese beiden Hemicyclen mit ihren
Kammern und Corridoren zur Umfriedung des erwähnten freien Baumes gehörten, ohne
dass jedoch über den Zweck der beschriebenen Baulichkeiten etwas Näheres angegeben
werden könnte.
11. Mosaik von der L'iiifricduiif^ des Traiaiiforuni. (F. R.)
SMet
* L. Canina, Sulle rccenti scoperfc del foro Traiano e della basilica LIpia. Ann. d. I. d. C. a. XXIll.
1831. p. 131 —135.
'174 r^'6 Kaiserfora.
Die nördliche, in dem ausgegrabenen Räume der Piazza di Colonna Traiana selbst
grossentheils sichtbare Begrönzung des bisher in drei Seiten besprochenen freien Platzes
wird von vier Stufen gebildet, welche zu dem übrigen, durchaus um etwa 1 Met.
höheren Theile der ganzen Anlage führen. Diese Stufen laufen jedoch nicht in einer
Linie über die ganze Breite, sondern sind durch zwei Einschnitte unterbrochen, wo-
durch drei vorspringende Treppenabsätze gebildet werden, welche zum Eingange
dienten, während, den Einschnitten entsprechend, noch Spuren von einer Mauer
sichtbar sind. Einige Säulenbasen, die sich um die Treppenvorsprünge herum fanden,
wurden auf denselben selbst angebracht , welcher Platz auch zwar keineswegs sicher,
doch höchst wahrscheinlich ist; die Treppenabsätze bildeten dann drei kleine Pronaos
zu dem grösseren Gebäude, dessen Anfang und Langseite uns sowohl die Treppe
als die freilich nicht über den Boden hervorragenden Mauerspuren bezeichnen. In
einer Entfernung von 1 21 Met. von den Stufen der Vorsprünge läuft parallel mit diesen
eine Säulenreihe quer über den blossgelegten Platz, 5 Met. davon eine zweite, 25 Met.
entfernt eine dritte, und nach weiteren 5 Met. eine vierte Säulenreihe, die also einer
doppelten Porticus und zwar, wie man aus den Mauerspuren an den Treppeneinschnitten
und ähnlichen an der gegenüberliegenden Langseite ersieht, dem Innern eines Gebäudes
angehörten. Die beiden Enden dieser Doppelporticus hat man sich unter den Häuser-
reihen der beiden Langseiten der Piazza di Colonna Traiana zu denken: in dem aus-
gegrabenen Platze ist nur Raum für je 1 0, mithin in den vier Reihen für 40 Säulen.
Von diesen hat man bei der Aufdeckung noch die Marmorbasen an ihrem Platze ge-
funden und ihnen die bei derselben Gelegenheit aufgefundenen grauen Granitschäfte
in Bruchstücken von verschiedener Höhe aufgesetzt. Doch scheint man damit das
Richtige nicht gethan zu haben. Denn es ist unwahrscheinlich, dass im Innern eines
Gebäudes, das nach den aufgefundenen Spuren nur mit den kostbarsten Marmorarten
geschmückt war, dessen Stufen sogar Giallo zeigten, Granitsäulen angebracht waren,
die man wegen ihrer Unverwüstlichkeit sonst nur für die äusseren Portiken wählte.
Auch haben sich während der Ausgrabungen mehre Bruchstücke von canellirten Giallo-
säulen gefunden, die ihrer Grösse nach vollkommener zu den Basen passten, als die
Granitschäfte. Denn die Basen haben an der Platte einen Durchmesser von 1,55 Meter,
die Gialloschäfte unten einen Durchmesser von 1,i2 Met., was mit der Verengerung der
korinthischen Basenringe vollkommen übereinstimmt. Bruchstücke von wahrscheinlich
dazu gehörigen korinthischen Capitälen sind von weissem Marmor, die Fragmente des
Gebälkes zeigen besonders den Fries mit Laubornamentik und Genien reich verziert.
Alle diese Reste sind an den Seitenmauern der Ausgrabung angelehnt zu sehen. Von
dem Paviment des Gebäudes sind jetzt nur mehr wenige Platten verschiedenfarbigen
Marmors übrig. Fünf Met. nordwestlich von der letzten Säulenreihe sieht man noch
Das Forum des Traianus. 175
die Spuren einer Mauer, welche die nordwestliche Langseite unseres Gebäudes bildete,
und zwar nicht mehr über den Boden sich erhebt, aber doch aus den Spuren deutlich
erkennen lüsst, dass sie nicht wie die entgegengesetzte durch drei Eingange ge-
gliedert ward, sondern nur einen Ausgang in der Mitte offen hess.
Diesem Ausgange steht eine gewaltige Säule, eines der berühmtesten von den
uns erhaltenen Denkmälern römischer Grösse und Pracht, in einer Entfernung von
{j^ Met. gegenüber. Auf einem unter dem Paviment liegenden Grundwürfel erhebt sich
das Piedestal der Säule , das durch eine Platte mit Leisten von unten gegliedert und
oben von einem Garnies begränzt wird. Im Ganzen misst dieser Sockel 5, 04 Met. in
der Höhe, 5,5o Met. in der Breite. Drei Seiten dieses Marmorpiedestals sind ganz mit
Trophäen in Basrelief bedeckt und bieten ein sehr lehrreiches Bild sowohl der Be-
waffnung der Römer als der nordischen Barbaren (Dacier) : Bogen, Köcher, Pfeile und
Lanzen, verschiedenartige Schilde, Helme, Panzer, Panzerhemden von Schuppen- und
Drahtarbeit, Kleider, Fahnen, Drachen (barbarische Feldzeichen, zur Zeit Constantins,
wie wir an dem Gürtelrelief des Constantinbogens sehen werden, auch bei der rö-
mischen Reiterei eingeführt) , Trompeten , krumme und gerade Schwerter, Beile, Streit-
kolben U.S.W. Auf der vierten, dem Platze zugekehrten Seite des Piedestals führt
eine 1 Met. breite und 1, 90 Met. hohe Thüre zum Inneren der Säule. Dieselben Waffen-
reliefs füllen die beiden Seiten neben dem Eingange; über diesem aber ist die von
ebenfalls relief gearbeiteten Genien getragene Inschrifttafel angebracht. Die Inschrift
'^"*^^ • SENATVS POPVLVSQVE ROMANVS
IMF CAESARI DIVi • NERVAE F NERVAE
TRAIANO AVG GERM DACICO PONTIF
MAXIMOTRIB POT XlT IMF vT P.P
AD DECLARANDVM QVANTAE ALTITVDINIS
MONS ET LOCVS TANTis operiBVS SIT- EGESTVS
Auf diesem Sockel liegen zwei Platten, die untere 0,66, die obere 0, 90 Met. hoch.
Um die untere laufen vier Eichenkränze, deren Enden von vier an den Ecken der
oberen Platte (Plinthus) angebrachten Adlern, die jedoch jetzt sehr verstümmelt sind,
getragen werden. Auf diesen Platten ruht die Base oder vielmehr der Wulst der
dorischen Säule, welche einen Lorbeerkranz darstellt und aus einem einzigen Stück
von 5,10 Met. im Durchmesser und 0,8? Met. Höhe besteht. Darauf erhebt sich der
herriiche Säulenschaft aus 23 Marmorstücken, 26,75 Met. hoch, unten 3, 70, oben 3, 30 Met.
im Durchmesser. Das Capital, aus einem Stück gehauen, besteht aus einem Eierring
und ist mit der Platte, welche auf jeder Seite 4,33 Met. misst, 1,26 Met. hoch. Der
Schaft der Säule zeigt in 22 spiralförmigen Windungen ein fortlaufendes Relief mit Dar-
stellungen aus den dacischen Kriegen des Kaisers Traian. Diesen an der Säule selbst
.\'^Q Die Kaiserfora.
zu verfolgen, wird nicht leicht möglich sein: besser und bequemer kann man sie an
dem in der Academia di Francia aufbewahrten Gypsabdrucke oder in den bedeuten-
deren darüber erschienenen Kupferwerken besehen.'' Beginnen wir die Betrachtung
unten, so versetzt uns das Relief an die Ufer der Donau: Palissadenbau, kleine Fluss-
kastelle, Wachen. Vorräthe werden über einen Fluss geschafft, und ein römisches Heer
zieht über eine Schiffbrücke : der Flussgott , in einer schilfbewachsenen Grotte sitzend,
scheint mit unmuthiger Verwunderung darauf hinzusehen. Die Soldaten tragen ihr Ge-
päck an den Lanzenspitzen , den Helm mit dem Kinnband an die Achsel gehängt, am
linken Arme einen viereckigen gewölbten Schild; Arme und Beine sind nackt, der
Oberkörper ist mit einem Spangenpanzer bedeckt. Die Feldzeichenträger haben nur
einen Lederpanzer und eine Löwenhaut über Haupt und Schultern. Auf einem er-
höht gebauten Platze (sitggeshtm) befindet sich der Kaiser, im Gespräch mit den Prä-
fecten, auf einem Lagerstuhle sitzend. Die ringsum aufgeführten Pferde sind einfach
gezäumt und ein befranstes Tuch dient als Sattel. Die nächste Scene zeigt den Kaiser
in langer Tunica, mit dem Mantel das Haupt halb verhüllt, und eine Schale in der
Hand haltend, mit welcher er eben bei der Feier der Suovetaurilien die Libation
bringt. Dieses Fest hat seinen Namen von der Opferung dreier Thiere, eines Schweines,
Schafes und Stieres [sus, ovis, tattrus). Dann hält der Kaiser eine Anrede an das Heer;
es werden feste Plätze angelegt. Römische Soldaten schleppen einen gefangenen Spion
vor den Kaiser. Erster Zusammenstoss mit den Barbaren. Diese sind dieselben Ge-
stalten, wie wir sie am Constantinbogen im Grossen sehen werden, mit dichten Barten,
eine Art phrygischer Mützen auf dem Haupte, in anliegenden, gegürteten Oberkleidern
und weiten , am Knöchel gebundenen Beinkleidern , darüber die Chlamys (den Kriegs-
mantel); Speer, Pfeil und Bogen sind die vorzüglichsten Waffen , ein Drache auf einem
Lanzenschaft dient als Standarte. Eine Stadt der Barbaren steht in Flammen und
bärtige Köpfe sind auf den Mauern aufgepflanzt. Die Römer setzen über einen Fluss ;
Abgeordnete kommen ihnen aus einer Stadt entgegen — vergebens : die Barbaren
werden in einer Schlacht besiegt, die Stadt wird eingenommen und in Brand gesteckt;
Weiber, Kinder und Greise erhalten freien Abzug. Die nächste Scene gibt Dacier mit
sarmatischen Reitern (Ross und Mann ganz mit Schuppenpanzern bedeckt) im Angriffe
auf eine römische Stadt, welche Säulenhallen und Tempel, ja selbst ein Amphitheater
zeigt. Der Kaiser führt den Belagerten Unterstützung an Lebensmitteln und Mannschaft zu
und die sarmatischen Reiter werden zurückgeschlagen. Auch die Dacier werden über-
wunden: die Römer führen die Kriegsbeute auf Wagen davon, und ein Theil der Feinde
' Colonna Traiana, dlsegnata ed intagliata da Pietro Santi Bartoli , con l'esposizione latina d'Alfonso Giac-
cone compendiata da Gio. Pietro Bellori. Roma 1670. — Fabretti, de columna Traiani Syntagma. Roma 1683
& 1690. — Piranesi , Trofeo o sia magnifica colonna cochlide &c. Romas, a.
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Ui
0)
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E
3
Das Forum des Traianus. 177
fleht mit Weib und Kind um Gnade. Römische Ballisten (Wurfmaschinen) , von Maul-
thieren gezogen, würden zu dem Interessantesten der ganzen Reliefdarstelkmg gehören,
wenn ihre Gestalt zu erklären oder mit der schwierigen Beschreibung derselben bei
Vitruv in Einklang zu bringen wäre.^ Eine dritte Schlacht scheint von minder gtmstigem
Erfolg zu sein; rachsüchtige Barbarenweiber martern einige gefangene Römer mit
brennenden Fackeln. Das römische Heer geht über eine Schiffbrücke: die Mitführung
der Beute deutet hier vielleicht auf einen Rückzug. In einer im Bau begritfenen Nieder-
lassung begeht der Kaiser das Fest der Suovetaurilien; die Römer stecken die feind-
lichen Wohnungen in Brand, ein Barbarenfürst fleht auf den Knien um Gnade. Eine
Abtheilung der Dacier wird in einen Wald zurückgeworfen , umzingelt und nieder-
gemacht, andere retten sich, während sich jetzt die sarmatischen Reiter auf Seite der
Römer zeigen, in eine Stadt, gegen welche die Römer unter dem Schilddach [tesiudo)
anrücken. Die Dacier, ihre Fürsten mit der befransten Chlamys an der Spitze und
hinter ihnen Weiber und Kinder, unterwerfen sich dem Kaiser : die Jugend wird unter
die römischen Leichtbewaffneten eingereiht. — In der Mitte zwischen zwei Trophäen
schreibt Victoria den Sieg auf einen Schild; der erste Feldzug ist zu Ende. — Die Römer
gehen zu einem zweiten Zuge abermals über einen Strom (Donau) ; vor einer prächtigen
Stadt (römische Colonie) wird ein Stier geopfert. Ein Theil der Dacier zieht den Rö-
mern friedlich und mit Freundschaftsanträgen entgegen, andere werfen sich in ihre
Städte, wieder andere greifen die Gastelle der Römer an: der Kaiser naht zum Entsatz.
Ein Opfer. Im Hintergrunde sieht man eine merkwürdige Brücke von fünf Steinjochen
mit Bogen von Holz und doppelten Brückenwegen, so dass zwei Heeresabtheilungen
zu gleicher Zeit übereinander die Brücke passiren konnten. Neben dieser Brücke be-
findet sich eine Stadt mit Tempeln und einem Amphitheater. Der Kaiser empfUngt die
barbarischen Gesandten , Männer in fast modernen Weiberkleidern , andere in einem
engen Rocke, gegürtet, mit Beinkleidern und einer kegelförmigen Kopfbedeckung.
Der Kaiser führt einen Jüngling , der auffallender Weise in Friedenskleidern , nemlich
in der Toga erscheint (Hadrian), zu einem Altare. In einer Stadt werden die Suove-
taurilien gefeiert ; Ansprache des Kaisers an das Heer. Unter den Bundesgenossen der
Römer befinden sich Amazonen, weibhche Bogenschützen mit langen Gewändern und
ledernem Panzer. Die Römer schneiden das Getreide vor einer Stadt , die sie belagern ;
nach vergebHchen Unterhandlungen machen die Bedrängten, von Hunger getrieben,
einen Ausfall , werden aber zurückgeworfen, und nachdem die Römer ein Schirmdach
gebaut, zünden die Belagerten ihre Stadt an; ein Theil der Einwohner nimmt Gift,
'Vitruv. X. 16 — 18. Vgl. Köchly & Rüstow, Geschichte des griechischen Kriegswesens. Aarau 185*.
S. 380 fg.
F. Rebe«, die lluinen Korns. 23
178
Die Kaiserfora.
die übrigen verlassen die Mauern und werfen sich den Römern zu Füssen. Die Beute
wird in Säcke gefüllt, die Fürsten bitten um Gnade: darauf setzt das römische Heer
auf einer Brücke über einen Fluss. An den Schanzen, bei welchen die Vorposten
schlafen, vorüber nähern sich die Dacier einem römischen Castell; die Belagerten
schleudern Steine von den Mauern und schlagen die Feinde zurück. Ein Theil der
Dacier unterwirft sich und bringt grosse Schätze als Lösegeld, die flüchtigen jedoch
werden von der römischen Reiterei verfolgt und niedergemacht: man bringt das Haupt
eines Barbarenfürsten vom Verfolgungskampfe zurück. Andere Flüchtlinge werden in
den Gebirgen gefangen , in denen sich ein Hirsch zeigt : die feindlichen Wohnungen
werden in Brand gesteckt und die Männer gezwungen, mit Weib und Kind auszu-
wandern und neue Wohnplätze zu
suchen. — Damit endigt das grosse
Spiralrelief, das marmorne Ge-
schichtsbuch von Traians dacischen
Kriegen. Die Figuren sind unten
0,50 Met. hoch, wachsen aber unter
dem Capital bis zu 0,6o Met. und
beweisen dadurch die Sorgfalt, mit
welcher die antike Kunst der opti-
schen Verringerung Rechnung ge-
tragen. Von unten bis oben sind
auch die Figuren, als ob sie ganz
in der Nähe besehen zu werden
bestimmt wären, mit der gleichen
Exactheit und Sauberkeit ausgeführt, obwohl deren Unterscheidung in einiger Höhe
schlechterdings unmöglich war, namenthch anfangs, als sich die Zeichnung in der blen-
denden Weisse des Marmors mehr verlor. Mit Bezugnahme auf diesen Umstand war
man daher einige Zeit lang in Folge vermeintlicher Entdeckungen römischer Archi-
tekten^ der Meinung, dass die Säule ursprünglich in verschiedenen Farben (polychrom)
bemalt gewesen sei. Doch genauere Untersuchungen^ haben dargethan, dass die an
manchen Stellen sichtbare gelbe Kruste ein von dem Sonnenbrand geförbter Staub-
niederschlag, das Grün an den Eiern des Capitäls von dem an der Bronzestatue
herabfliessenden Wasser herrührend, und das Roth von den eisernen Klammern, überhaupt
die ganze Polychromie von den Einflüssen des Regens, Staubes und der Sonne erzeugt sei.
12. Capitälstück der Traiansäule. (Nach Piraiiesi.)
* G. Semper, Colori della Colonna Traiana. Bulletino d. I. d. C. a. Vm. Luglio 1833. p. 92. 83.
* P. Morrey, sui colori altre volte veduti nelle sculture della colonna Traiana. Bull. d. I. d. C. a. III. Marzo
<836. p. 39 — 41.
Das Forum des Traianus.
179
lSvf~~
V-^
Von der angegebenen Thüre im Piedestal führt eine in den Marmor gehauene
Wendeltreppe von 185 Stufen, die durch 43 länglichte Fensterchen erhellt wird, zum
Gipfel der Säule. Dort stand auf einem besonderen Piedestal die
vergoldete Bronzestatue des Kaisers Traian, welche nach dem
Verhältnisse des Piedestals auf etwa 4 Met. in der Höhe anzu-
nehmen ist. Jetzt steht statt der ursprünglichen Kaiserstatue auf
einem modernen, cylinderförmigen und mit einer Base gekrönten
Marmorpiedestal, welches im Ganzen 3,4o Met. hoch ist, das fast
4,80 Met. hohe Bronzestandbild des h. Petrus am Gipfel der Säule.
Das ganze Denkmal misst sohin vom Paviment bis zum Fusse der
Statue eine Höhe von 38,88 Met, — Noch jetzt gelangt man die
antike Wendeltreppe im Innern der Säule emporsteigend, auf die
Höhe der Gapitälsplatte, welche von einem Eisengitter umsäumt
ist und wegen der schönen Rundsicht häufig bestiegen wird.
Wenn wir uns jetzt mit dem allgemeinen Anblick der im-
posanten Säule begnügen müssen und die Spiraldarstellungen
wegen der Entfernung im Einzelnen nicht verfolgen können, so
war das im Alterthume nicht ebenso der Fall. Es wurde schon
erwähnt, dass die nordwestliche Langseite des Gebäudes, dessen
Säulen vorher besprochen wurden, nur 6 J- Met. von der Triumph-
säule abstand, und es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die
Bogenöffnungen, mit denen ein zweites Stockwerk jedenfalls
unterbrochen sein musste, oder die Plattform des Daches, wenn
die Seitenschiffe kein zweites Stockwerk hatten, die Besichtigung
der Säule in ziemlicher Nähe gestatteten.
Diess war jedoch nicht bloss von dieser Seite möglich:
denn an die der Säule zugewendete Langseite schlössen sich
unmittelbar zwei andere Gebäude an, welche ihre Fronte eben-
falls der Säule zukehrten und ebenso weit abstanden, so dass
die Säule dadurch von drei Seiten eng eingeschlossen war. i3. Durchschnitt der Traianssuie.
(Nach Canin.'i.)
Von diesen Gebäuden ragt zwar nichts über den Boden empor,
doch war es möglich, aus den Mauer- und Pavimentspuren noch einen theilweisen
Plan aufzunehmen. Sie waren verhältnissmässig klein und an der Stirnseite mit
Portiken geschmückt. Nach den Spuren am Marmorpaviment rings um die Säule,
das noch gut erhalten ist, setzten sich diese Portiken auch noch um die vierte, die nord-
westliche Säule herum fort, so dass, was allerdings etwas befremdet, die Säule keines-
wegs auf einem freien Platze, wie jetzt, stand, sondern auf einem sehr engen Räume
23 •
rp^y
/| gQ Die Kaiserfora.
eingeschlossen war, welchen jedoch die obere Hälfte überragte. In ihrer totalen Kolos-
salität konnte sie also im Alterthume gar nicht wirken, da man sie nirgends ganz sehen
konnte, denn von zu grosser Nähe aus war sie nicht ganz zu übersehen. Hätte man
jedoch das gewollt, so wäre es ein Leichtes gewesen, sie mitten in dem grossen freien
Raum südwestlich von dem Quergebäude zu errichten ; allein der geniale Meister, der
diese Anlage leitete, empfand wohl, dass eine so riesige Säule, ganz freistehend, trotz
alles Reliefschmuckes, einen kahlen, ungegUederten und darum unharmonischen Eindruck
machen müsse, wie er auch namenthch Angesichts der Antoniussäule auf Piazza Colonna
nicht zu leugnen ist. Der griechische Architekt mochte auch fühlen, dass es nie die Be-
stimmung einer Säule sein kann, nur eine Statue zu tragen, und dass ihr Wuchs und ihre
Ornamentik damit im Widerspruche steht. Säulen können nur als gebälktragend ihren
naturgemässen Zweck erfüllen, eine anderweitige Verwendung derselben aber, und
namentlich einer einzelnen, lässt sie uns immer als etwas Spoliirtes erscheinen. Die Ko-
lossalität vermehrt nur die Schwierigkeit, statt sie zu verringern, die Ausladung wird
immer breiter und kräftiger, und lässt eine noch breitere Last erw arten : statt dieser folgt
em mageres Statuenpiedestal, nach oben sich noch mehr verjüngend, und noch schwächer
ein Standbild. Des Missverhältnisses wohl kundig, suchte daher der Architekt es ver-
gessen zu machen. Der Schaft wurde zum Relief, die Säule theilweise verdeckt. Seine
Absicht war, dass das »Bild des Kaisers seine ganze Schöpfung, die grosse, herrliche An-
lage, weit überragte, und das wurde vollkommen erreicht. Es mochten überdiess wenige
sein, welche den Grund, warum der griechische Architekt die Säule in einen so engeij
Raum schloss, mitempfanden, denn Ehrensäulen waren in Rom, namenthch in der Kaiser-
zeit, nichts Ungewöhnliches.
Bei weiteren Nachgrabungen in dem Keller des Hauses, das jetzt der Säule gegen-
übersteht, förderte man kolossale Granitsäulen zu Tage, welche zu einem von den ange-
gebenen verschiedenen Gebäuden gehörten, deren wahrscheinliche Bestimmung unten im
Zusammenhange noch näherer Erörterung unterzogen werden wird.
Ausser diesen baulichen Ueberresten fand man nicht minder interessante Statuen-
piedestale bei verschiedenen Ausgrabungen in dem Umkreis der beschriebenen Anlage,
mit Namen von Traian bis auf die letzte Zeit der römischen Herrschaft. Da sie in ver-
schiedener Richtung Interessantes bieten, sollen sie hier zusammengestellt werden. So fan-
den sich i.J. 1813 drei wohlerhaltene Piedestale, welche die Standbilder des Kaisers Traian
selbst getragen hatten, wie aus der folgenden auf allen dreien gleichlautenden Inschrift *
hervorgeht:
*■ C. Fea, Notizie degli Scavi neu' Aufitealro Flavio e nel Koro Traiano. Roma 1813. — G. Fea, Iscrizioni di
Monamenti pubblici trovati nelle attuale escavazioni. Roma <813. p. 12.
Das Forum des Traianus. 181
S P Q R
IMP CAESARI DiVl
NERVAE F NERVAE
TRAIANO • AVGVSTO
GERIMANICO DACICO
PONTIF IVIAX TRIBVNICIA
POTEST XVI IMP VI COS VI P P
OPTIME DE REPVBLICA
IVIERITO DOlVI I FORISQVE
Das in dieser Inschrift angegebene Jahr der sechzehnten Uebernahme der tribu-
nicischen Gewalt, und der sechsten des Consulats entspricht dem Jahre 1 1 2 n. Chr. Es
waren damals sechs Jahre verflossen seit der vollständigen Unterwerfung Daciens, ein
Zeitraum, in welchem der genannte Kaiser seine Aufmerksamkeit besonders der Her-
stellung schadhafter Staatsgebäude, der Errichtung von neuen und zunächst der Anlage
seines neuen Forum widmete ; Anlass genug für Bildsäulen und für die Betonung der
inneren Verdienste den strategischen gegenüber.
Gleichzeitig wurde auch ein Fragment einer schon früher vollkommen abgeschrie-
benen Inschrift^ welche den auch anderwärts ^ erwähnten Erlass aller Schulden gegen
den Fiscus durch Hadrian verewigte, gefunden. Das jetzt nördlich von der Säule in der
modernen Umfangsmauer eingemauerte Fragment scheint jedoch nicht identisch mit dem
Gruter'schen Originale sein zu können, da dieses (a. a. 0.) als an oder auf Ponte di S.
Maria, jetzt Ponte rotte oder di ferro, befindlich erwähnt wird; doch waren beide In-
schriften wahrscheinlich beinahe gleichlautend, so dass unser Fragment ^ wohl zu
ergänzen ist :
s. P. Q. R.
Iiiip • Caes • Divi • Traiani • Parlhici • F ■ Divi
Nervae. ncp • TRAIANO • Iladriano • Aug •
Ponlif • IVIAX ■ TRib • pot. II. Cos. U
QVI • PRimVS OIVINium
Principuni. et. s OLVS ■ REMITTENDo- sestertium
novies ■ milüES • CENTENA • Millia • n
debilum • fisci • non • praesentcs • modo • sed -et
posteros • suos • praeslilit • hao • liberalilate
securos.
Es ist zu vermuthen, dass unser Fragment an Ort und Stelle gefunden wurde,
und dass es der ursprünglichen Inschrift angehörte, von welcher vielleicht mehre Copien
gemacht wurden, denn am Traianforum war es ja auch, wo nach Spartian (a. a. 0.) Ha-
drian die Schuldlisten öffentlich verbrennen Hess, und so war auch ftir die Aufstellung
der marmornen Schulderlass-Urkunde dort der passendste Platz.
' Gruteri Incript. p. X. n". 6. " Dio Cass. LXIX. 8. Script. Hist. Aug. (Spartian.) Hadr. 7. Euseb.
et Cassiodor. Chron. (Roncalli, Vet. Lat. Script. Chron. Tom. I. p. 451. Tom. II. p. 199.) ' Gruteri Inscript.
X. n". 6. J. Boissard, Romae Urb. Topogr. 4 597. Pars III. fol. 109.
/| ^2 Die Kaiserfora.
Ein weiteres Piedeslal, das sich schon lange Zeit im Palazzo della Valle, jetzt
Capranica, befunden hatte,^ i. J. 1824 aber seinem ursprünghchen Platze, dem Forum
Traianum, zurückgegeben wurde, enthält folgende Inschrift :
FL EVGENIO • V C • EX • PRAEFECTO PRAETORIO
CONSVLI ORDINARIO DESIGNATO IVIAGISTRO
OFFICIORVIVI OMNIVm COmiTI DOmESTICO
ORDINIS PRIIVII OMNIBVSQ PALATINIS
DIGNITATIBVS FVNCTO OB EGREGIA EIVS
IN REIVIPVBLICAIVI IVIERITA HVIC
D D N N CONSTANTIVS VICTOR AC
TRIVIVIFATOR SEIVIPER AVGVSTVS ET
IVLIANVS NOBILISSimVS CAESAR
STATVAIVISVB AVRO INFORO DIVI
TRAIANI QVAM ANTE SVB DIVO
CONSTANTE VITAE ET • FIDELISSIMAE
DEVOTIONIS GRATIA MERVIT
ADPROBANTE AfVIPLISSIIVIO SENATV
SVIVIPTV • PVBLICO LOCO SVO
RESTITVENDAIVI CENSVERVNT
Die allgemeinen Verdienste des hiemit gefeierten Fl. Eugenius sind nicht näher
nachzuweisen. Die Zeit der Herstellung aber ftillt nach den in der Inschrift selbst ange-
führten Bezeichnungen zwischen 355, in welchem Jahre lulianus Cäsar ward, und 361
n. Chr., in welchem Constantius starb, ursprünglich errichtet jedoch ward das Denkmal
kurz vorher von Constans. Was eine so baldige Wiederherstellung des Denkmals nöthig
machte, ist nicht gesagt ; merkwürdig ist die Anführung der Localität desselben, nemlich
des Traianforum.
Ein anderes Basament, ebenfalls i. J. 1813 ausgegraben, trägt noch den Namen
und trug einst die vergoldete Bronzestatue des gelehrten Helden Fl. Merobaudus,^ des
berühmten keltischen Generals des Kaisers Gratian. Sie lautet:
Fl. MerobAVDI VS COM SC
FL. IVIEROBAVDI AEQVE FORTI ET DOCTO VIRO TAM FACERE
LAVDANDA QVAM ALIORVM FACTA LAVDARE PRAECIPVO
CASTRENSI EXPERIENTIA CLARO FACVNDIA VEL OTIOSORVM
STVDIA SVPERGRESSO CVI A CREPVNDIIS FAR VIRTVTIS ET ELO
QVENTIAE CVRA INGENIVM ITA FORTITVDINI VT DOCTRINAE
NATVIVI STILO ET GLADIO PARITER EXERCVIT NEC IN VIVIBRA
VEL LATEBRIS IVIENTIS VIGOREIVI SCHOLARI TANTVIVI OTIO
TORPERE PASSVS INTER ARMA LITTERIS MILITABAT
ET IN ALPIBVS ACVEBAT ELOQVIVIVI IDEO ILLI CESSIT IN PRAEIVIIVM
* Gruten. Inscript. p. CCCCVI. n". 1. * C. Fea, Iscriz. d. Monumenti pubbl. p. 8 sq. (Vergl. S. 180,
.Anm. 1.)
Das Forum des Traianus. 1 83
NON VERBENA VILIS NEC OTIOSA HEDERA HONOR CAPITIS
HELICONIVS SED IIVIAGO AERE FORMATA QVO RARI EXEIVIPLI
VIROS SEV IN CASTRIS PROBATOS SEV OPTIMOS VATVIYI
ANTIQVITAS HONORABAT QVOD HVIC QVOQVE CVIVl
AVGVSTISSIIVIIS ROMA PRINCIPIBVS
THEODOSIO ET VALENTINIANO RERVIVI DOIMINIS
IN FORO VLPIO DETVLERVNT REMVNERANTES IN VIRO
ANTIQVAE NOBILITATIS NOVAE GLORIAE VEL INDVSTRIAIVI
IVIILITAREIVI VEL CARMEN CVIVS PRAECONIO GLORIA
TRIVMFALI CREVIT IMPERIO
An der linken Seite steht das Datum der Errichtung des Denkmals :
DEDICATA III • KAL AVG CONSS DD NN •
THEODOSIO • XV • ET • VALENTINIANO • IUI
Trotz des oft widrigen Schwulstes gehört doch diese Inschrift zu den interessan-
testen der hier gefundenen. Von der besonders hervorgehobenen literarischen und krie-
gerischen Doppelthätigkeit haben wir auch sonst gewichtige Belege. Noch jetzt besitzen
wir vier kleinere Gedichte und Bruchstücke eines Panegyricus in III. consulatum Aetii
patricii,^ und auch in kriegerischer Beziehung wurde er mehrfach erwähnt. ^ Errichtet
wurde diess Denkmal jedoch erst 52 Jahre nach seinem Tode, welcher schon in das Jahr
383, in welchem er zum zweitenmale das Consulat bekleidete, föllt.^
Zwei andere Piedestalinschriften wurden erst i. J. 1849 aufgefunden: die eine
davon trägt den Namen des Fl. Sallustius : *
FL. SALLVSTIO VC
CONS • ORDINARIO
PRAEF • PRAET • COMITI
CONSISTORII • VICARIO
VRBI • ROMAE • VICARIO
HISPANIARVM VICARIO
QVINQ • PROVINCIARVIVI
PLENO • AEQVITATIS
AC • FIDEI • OB • VIRTVTIS
MERITORVMQ GLORIAM
MISSIS • LEGAT IVS SAC
HISPANIAE DICAVERVNT
An der Seite
DEDICATA V • KAL IVN
DIVO • lOVIANO AVG • ET • VARRONIAN
COSS
* ed. B. G. Niebuhr. Bonn. 4 824. — recogn. J. Becker. Bonn. 1836. * Idat. Cliron. Ol. CCCV. {Ron-
calli, Vet. Lat. Script. Chronica. Tom. II. p. 30.) ^ Tillemont, Hist. des Kmp. Venise4782. Tom. V. p. 182.
• G. Henzen, Bullet, d. Inst. d. C. a. IX. Sett. 4 849. p. 4 41.
Die Kaiserfora.
Weitläufiger und interessanter ist die zweite, welche den Nicomachus Flavianus
feiert :
NICOMACHO FLAVIANO CONS SICIL VICAR AFRIC QVAEST AVLAE
DIVI THEODOSI PRAEF PRAET ITAL ILLYR ET AFRIC ITERVIVl
VIRTVTIS AVCTORITATISQ SENATORIAE ET IVDICIARIAE ERGO *
REDDITA IN HONOREIVl • FILII • NICOMACHt FLAVIANI CÖISIS • CAMP
PRCCONS ASIAE PRAEF VRBI SAEPIVS NVNC PRÄEF" PRÄET
ITALIAE ILLYRICI ET AFRICAE
IIVIPERATORES • CAESS FL THEODOSIVS ET FL • PLACIDVS • VALENTINIANVSi,
SEMPER • AVGG SENATVI • SVO • SALVTEM
CLARORVM ADQ INLVSTRIVM • IN REP VIRORVIVI ADVERSVM CASVS • CONDICIONIS
HVMANAE INTERPOLATVM • ALIQVATENVS ADSERERE HONOREM ET MEMORIAM
DEFVNCTI • IN LVCEM • publicam • REVOCARE EMENDATIO QVAEDAM EIVS • SORTIS
VIDETVR • QVAE • PRAEIVDIC'um • damnVMQ • eminenlium • VIRTVTVM • EXSISTIMATVR
BONO NOBISCum PC fausloq • omine intelleKÜlS PROFECTO • QVIDQVID • IN • RESTI
TVTIONEM • honoris • ac • nominiS • INLVSTRIS • ET SANCTISSIMAE APVT OMNES RECOR
DATIONIS FLAVIANI SENIORIS ADIMVS DIVt AVI • NOSTRI VENERATIONEM ESSE
Sl EVM QVEM VIVERE NOBIS SERVARIQ VOBIS QVAE VERBA EIVS APVT VOS FVtSSE
PLERIQ MEMINISTIS OPTAVIT SIC IN MONVMENTA VIRTVTVM SVARVM • TITVLOSQ REVO
CEMVS VT QVIDQVID IN ISTVM • CAECA • INSIMVLATIONE CONMISSVM EST • PROCVL AB EIVS
PRINCIPIS VOTO FVISSE IVDICETIS CVIVS IN EVM EFFVSA BENIVOLENTIA ET VSQ • AD AN
NALIVM * QVOS CONSECRARI SIBI A QVAESTCRE ET PRAEFECTO SVO VOLVIT PROVECTA
EXCITAVIT LIVOREM INPROBORVM • NVNC Sl APVT VOS ABVNDE CAVSAS PIAETATIS
ADSTRVXIMVS ACCIPITE ALIVD QVOD • DE VESTRIS IN ILLVM SENSIB • ET PROVINCIAR
OMNIVM IVDICIIS MVNIAMVR QVIB- PER ILLVM LOCVPLETIORIS ADHVC • REI • P
BONA VEL ADSERVATA VEL ETIAM AVCTA TANTVM ET APVT NOS REVERENTIAE CONTVLE
RVNT • VT QVOD HCDIE FACIMVS IN PECTORIB ET SENSIB VESTRIS ABSQ INTERPELLA
TIONE VLLA • MEDIAE OBLIVIONIS FVISSE NOVERIMVS EX QVO QVIDEM IPSO NON MINVS
MEMORIAE ILLIVS QVAM NOBIS P.~C • SVPRA OMNIA • PRAESTITISTIS VT NON INMERITO
PATIENTIAE VESTRAE GRATIAS AGAMVS NE QVID • ERGA RESTITVTIONEM HONORIS EIVS
ADMONITI POTIVS QVAM SPONTE FECISSE VIDEAMVR CVM ALIOQVI IPSE • ETIAM • DE INSTITV
TIONE ILLIVS PROBATVS SAEPE NOBIS PARENTIBVSQ NOSTRIS * FLAVIANI FILIus ei
HONOR SEMIPLENVS ETIAM SVB PRAEFECTVRAE PRAETORIANAE APICE QVEM PROVIDE"iia
ET INDVSTRjA SVA COTTIDIE AVGET DELATVS EXSISTIMETVR NISI INTEGER TANDEM ET ABSQ ullo
feLIGIOSI MVNERIS DEBITO TOTIVS DOMVS • EIVS FAMILIAEQ SIT • GAVDETE • ERGO NOBIScum
P C OPTIMO IMPERII NOSTRI OPERE VT NOBISCVM RECOGNOSCITIS ET • REDDITAM VOBIS Et
PATRIAE SENATORIS EIVS MEMORIAM ET DIGNITATEM PROBATE CVIVS CONSORTio
CLARIORES • FVISTIS ET IN POSTERIS EIVS EADEM APVT NOS REVERENTIA VIGETIS »
APPIVS NICOMACHVS DEXTER VC EXPRAFF VRB AVO OPTIMO
STATVENDAM CVRAVI
Der inschriftliche Styl aus der Zeit des Theodosius und Valentinian, dieser weit-
läufige und langathmige Schwulst, wie er an diesem Beispiele besonders sichtbar wird,
ist sehr lehrreich durch den Contrast mit dem knappen und wuchtigen Lapidarstyl der
Das Forum des Traianus. 1 85
Inschiiften einer besseren römischen Zeit, und höchst charakteristisch für die Aenderung
der Sitten. Die Inschrift im Einzelnen zu beleuchten, würde zu weit führen : eine ein-
gehende, 80 Seiten umfassende Erörterung derselben hat der berühmte Rossi gehefert.''
Ausser diesen, deren Piedestale sich noch erhalten haben, musste noch eine be-
deutende Anzahl anderer Standbilder von Römern aus später Kaiserzeit auf dem Forum
gestanden sein, von welchen die gelegentlich gefundenen Inschriften zumeist in Abschrift
erhalten sind: so die Standbilder des Bassäus Rufus und des M. Pontius Latianus Larcius
Sabinus aus der Zeit des M. Aurel, des Anicius Paulinus (Cons. 334), des L. Aurelius
Avianus Symmachus vom Jahre 377, des Anicius Auchenius Bassus (Präf. Urb. 383), ^
des Dichters Claudianus (um 400), des Fl. Anicius Petronius Maximus (Präf. Urb. 420),
Sidonius Apolhnaris (Präf. Urb. 468) und andere. ^
Namen und Zweck der Anlage, deren Ueberreste wir eben betrachtet haben,
können nicht zweifelhaft sein. Die oben angeführte Inschrift der kolossalen Säule, welche
diese als von dem Kaiser Traian errichtet bezeichnet, erwähnt die grossen Erdarbeiten
und Abgrabungen, welche an dieser Stelle vorgenommen wurden, um die für die gross-
artige Anlage des Kaisers nöthige Ebene zu gewinnen, und gibt die Säule selbst als
Maassstab für die Höhe des abgetragenen Bergrückens an. Dieser musste der Verbin-
dungsrücken zwischen dem capitolinischen und quirinalischen Hügel gewesen sein, und
mag allerdings in der Nähe der Arx, da wo jetzt der Berg hinter S. Maria in Araceli
schroff abföllt, eine so bedeutende Höhe gehabt haben. Die Wahrheit der inschriftlichen
Angabe aber geradezu lächerlich zu finden, wie man in neuerer Zeit häufig gethan hat,
oder sie nur für einen Theil des Denkmals, wie namentlich für die Höhe des Piedestals,*
gelten zu lassen, haben wir keinen Grund, um so weniger, als ein classischer Geschicht-
schreiber ^ die Angabe der Inschrift in noch unzweideutigerer Art bestätigt. Dio Cassius
erklärt auch die Säule als ein Denkmal der für die Anlage des Traianforum nöthigen Ab-
grabungsarbeiten, wonach es denn in Verbindung mit den Angaben auf den übrigen Piede-
stalinschriften, besonders des Merobaudes und Nicomachus, welche die Statuen selbst
»auf dem Traianforum« errichtet nennen und hier gefunden wurden, vollkommen klar und
sicher ist, dass wir in den beschriebenen Resten das Forum des Traianus vor uns haben.
Die näheren Nachrichten, die wir über diese Anlage im Allgemeinen und im Ein-
zelnen besitzen, stimmen, wie auch der Styl der architektonischen Ornamentik und der
* G. B. de Rossi, Iscrizione onororla di Nicamaco Flaviano (mit Facsiniile und Bemerkungen von B. Bor-
ghesi). Annal. d. I. d. C. a. Bd. XXI. 1849. p. 183 — 263. [Ich schrieb die Wörter abweichend vom Originale,
getrennt. # bezeichnet muthmassliche Auslassungen des Steinmetzen. In der 12. Zeile ergänzt Rossi »summum-
que detrimentum«.] ' Corsini, Ser. Praef. ürb. Pis. 1766. p. 275. ' Grut. Inscr. p. CCCLXXV. n". 1.
CCCCLVII. n». 3. CCCLIII. n». 4. CCCLXX. n«. 3. Fabretti, Inscr. R. 1702. CIL n«. 225. CCCXCI. n". 5.
CGGCXLIX. n». 7. (Vergl. S. 192, Anm. 4 u. 7.) * Beschreibung der Stadt Rom (ürlichs). Stuttg. u. Tüb. 1838.
Bd. III. Abth. 2. p. 362. » Dio Cass. LXVIII. 16.
F. Rbbbr , Die Ruinen Roms. 24
\^Q Die Kaiserfora.
Sculpturen dieser Epoche entspricht, mit der Disposition der Ueberreste überein. Die
Beispiele seiner Vorgänger hatten dem Traian gezeigt, dass ein Forum nicht so fast ein
zum öfFenthchen Leben, zu Versammlungen, Gerichten u. s. w. bestimmter Raum, als
vielmehr ein Denkmal der kaiserlichen Macht und Herrlichkeit sein sollte. Diese Idee
repräsentirten die Fora des Cäsar, Augustus, Vespasian und Nerva. Traian's Prachtliebe
wusste dagegen dieses Bestreben seiner Vorgänger mit dem öffentlichen Nutzen mehr in
Einklang zu bringen und suchte seinem Bau auch eine so grosse Ausdehnung zu geben,
dass die Anlage den Anforderungen an ein Geschäftsforum auch wirkUch entsprach, und
sowohl durch seine Grösse und Allseitigkeit eine weitere für alle Zukunft überflüssig
machte, als auch durch seine Pracht von aller Nachahmung abschreckte. Der Kaiser fand
auch an dem Architekten Apollodoros von Damascus einen trefflichen Meister zur Aus-
fuhrung seines grossartigen Planes, welcher gewiss einen grossen Theil der Regierungs-
zeit des Traian in Anspruch nahm.^ Dass jedoch der Anfang an den Grundbauten schon
unterDomitian,^ und zwar, wie mit übertriebener Genauigkeit angegeben wird,^ in dessen
zehntem Regierungsjahre gemacht worden sei, klingt nicht recht glaublich, und ich
möchte wohl eine Verwechselung mit dem Nervaforum, das Domitian nicht bloss begann,
sondern nahezu vollendete, fiir die Grundlage dieser Angabe der späteren Chronisten
erklären.
Was nun die Gestalt der Anlage betrifft, so ist eine systematische Beschreibung
derselben aus dem Alterthume nicht auf uns gekommen und wir erlangen von ihren ein-
zelnen Bestandtheilen nur gelegentliche und keineswegs vollkommen genügende Kunde,
wenn sie auch in Verbindung mit dem Thatbestand der Ruinen, mit Münzen und einigen
Fragmenten des antiken capitolinischen Planes nothdürftig ausreicht, die Disposition in
der Hauptsache zu erklären. Nach den zerstreuten Erwähnungen aber lassen sich fünf
Hauptbestandtheile des Forum unterscheiden: Zunächst die Area* oder das atrium fori,
in welchem in der Mitte und allein die Reiterstatue des Kaisers stand, ^ also offenbar ein
freier Platz, das Forum im engeren oder eigentlichen Sinne des Wortes. Dass ferner die
Basilica des Traian,^ welche auf den Münzen und auf dem capitolinischen Planfragmente
nach dem Familiennamen des Kaisers Ulpia genannt wird, auf diesem Forum gestanden,
wird zwar nirgends angegeben, kann jedoch nicht bezweifelt werden. An demselben
Forum gründete Traian auch eine Doppelbibliothek, "^ welche mit dem nach seinem Tode
von Hadrian erbauten grossen Tempel des Traian in Verbindung genannt wird.^ Ausser-
' Dio Cass. LXIX. 4. * Aurel. Vict. Caess. <3. — Eiiseb. Chron. a». 92. p. Ch. (Rone. tom. I. p. 443.) —
Prosperi AquitaYii Chron. (Rone. tom. I. p. 571.) ' Cassiodori Chron. (Rone. tom. II. p. ^91.) * A. Gell.
N. A. XIII. 24, 2. " Ammian. Marcell. XVI. <0. * Seript. H. A. (Lamprid.) Commod. 1. Eekhel, Doetr.
num. vet. Pars II. Vol. VI. p. 432. 433. ^ Dio Cass. LXVIII. 4 6. Eckhei. Vol. VI. p. 464. * A. Gell.
XI. 17. 1.
Das Forum des Traianus. ] 87
dem ist noch von den Portiken des Forum die RedeJ welche ohne Zweifel den grössten
Theil der Anlage umgaben und die Umfriedungsmauer verkleideten. Diese Portiken
gaben natürlich Anlass, kleinere Räume, namentlich Kammern, an sie anzureihen und die
Einfassungsmauern dadurch zu unterbrechen, wie wir diess an der erstbeschriebenen
halbkreisförmigen Ausweitung gesehen haben. Das Gebälke der Portiken aber, wie die
Giebel der Gebäude derselben waren mit vergoldeten Bildsäulen, Reiterbildern und Feld-
zeichen gekrönt.^
Der Area oder dem atrium fori, nach der angezogenen Stelle des Ammianus (S. 1 86,
Anra. 5) ein unbesetzter, grosser Raum, der in der Mitte das kaiserliche Reiterbild hatte,
entspricht ohne Zweifel der theilweise blossgelegte, freie Platz, südöstlich von den vier
Säulenreihen. Dass dieser Raum gross und von stattlichen Hallen umgeben war, zeigt
uns nicht bloss Ort und Gestalt der beschriebenen, halbzirkeligen Ueberreste, welche im
Munde des Volkes den angeblich aus der falschen Bezeichnung Bagni di E. Paolo ent-
standenen Namen Magnanapoh, der noch der anliegenden .Strasse verblieben ist, erhalten
haben, sondern auch eine bekannte Anekdote, welche Ammianus (a.a.O.) überliefert: Als
nemlich der Kaiser Constantius Rom besuchte und unter den Prachtwerken daselbst
besonders das Traiansforum bewunderte, soll er von diesem Alles für unnachahmlich
gefunden und gestanden haben, dass er nur das in der Mitte stehende Reiterbild nachzu-
ahmen vermöge. Dagegen soll der Perser Hormisda eingewendet haben : Ehe du den
Auftrag gibst, ein solches Pferd zu verfertigen, lass auch einen solchen Stall bauen, wie
diesen, damit auch dein Pferd einen ebenso geräumigen Platz habe. — Dieser freie Raum
war also der eigentliche Platz, das Forum im engeren Sinne. Zu diesem führte, wahr-
scheinlich in der Mitte und vom Augustusforum her, ein Triumphbogen, vielleicht derselbe,
dem der Constantinbogen den grössten Theil seiner Sculpturen verdankt. Mit diesem
Platze scheint auch eine Notiz vom Ende des 16. Jahrhunderts^ zu stimmen, nach wel-
cher man bei der Traiansäule und zwar in der Gegend, welche nach einem die Entklei-
dung des Erlösers darstellenden Gemälde in der Kirche S. Salvadore oder S. Maria in
Campo Carleo (beide Namen bezeichnen eine und dieselbe Kirche) vormals Spolia Christi
genannt wurde, die Spuren eines Triumphbogens mit Reliefresten und ähnlichen t)acier-
statuen, wie sie die Attika des Constantinbogens schmücken, gefunden hatte. Unser Be-
richterstatter scheint jedoch nur die Sculpturreste geprüft zu haben, wie er diess auch
behauptet, und nahm es wahrscheinlich mit den bauhchen Ueberresten nicht sehr genau.
Hinsichtlich der Sculpturen aber erhielt die Notiz zu Anfang dieses Jahrhunderts eine
weitere Bestätigung : denn im Jahre 1813 fand man und zw ar im Mittelschiff der Ruine
' Sidon. Apollin. Panegyr. in Prise. Valerian. Praef. v. 8. * A. Gell. XIII. 24.1. * Flaniinio Vacca, Memorie
di varie anlichitä &c. 1594. n". 9. (C. Fea, Miscellanea filologica critica e antiquaria. Roma 1790. p. LVI. sq.)
24*
I gg Die Kaiserfora,
mit den vier Säulenreihen abermals verstümmelte Ueberreste derselben Dacierstatuen von
Pavonazetto, deren Verhältnisse nur ein vs^enig kleiner sind, als bei den am Constantin-
bogen befindlichen J Auch glaubte Fea einen anderen Unterschied hinsichtlich der Arbeit
zu erkennen, w^elche ihm bei den letzteren sorgfältiger zu sein schien. Dass diese Funde
von ein und demselben Gebäude und zwar von einem Triumphbogen seien, ist nicht
wahrscheinlich. Wir können auch nicht wohl mehre traianische Triumphbogen gleicher
Art an demselben Forum annehmen : wenn aber der eine schon abgetragen wurde, um
die Materialien zum Constantinbogen zu liefern, was leider mehr als wahrscheinlich ist,
so erscheint es schon bedenklich, später gefundene Reste demselben Denkmale zuzu-
schreiben, besonders unräthlich aber, wenn der Fundort die Annahme eines Triumph-
bogens nicht zulässig macht. Da übrigens alle Giebel der Gebäude des Forum von Bild-
säulen, Trophäen u. dergl. strotzten,^ und man sicher auch, wie die Säule beweist, den
Reliefschmuck nicht sparte, so könnten ja Dacier und Reliefs auch von einem anderen
Gebäude derselben Anlage herrühren, lieber die ursprüngliche Existenz und Gestalt
eines Triumphbogens am Forum Traianum aber werden wir durch eine Münze unter-
richtet, welche mit der Umschrift ^
S P Q R - OPR - sc - FORVIVI TRAIAN
ein solches Denkmal zeigt, das nur einen Durchgang, aber sechs Säulen auf einer Seite
hatte. Auf der sichtbaren Seite befinden sich auch unten vier Aediculen, welche wahr-
scheinlich Statuen in Nischen enthielten, darüber vier (vielleicht fünf — wenn der Kreis
über dem Durchgang nicht vielmehr einen Bogenschlüssel darstellen soll) Medaillon-Reliefs,
und darüber, die Attika gliedernd, sieben Felder, von denen das grössere in der Mitte
wohl die Inschrift, die anderen aber Reliefs enthielten. Die Attika krönt ein Sechsgespann
vor dem Wagen des Triumphators und sechs Krieger. Die Medaillons und die Relieffelder
in der Attika erinnern zwar an die Sculpturen des Constantinbogens, im Uebrigen ist
jedoch die Gestalt beider Denkmale doch so verschieden, dass von einer blossen Ver-
setzung, wie sie Flaminio Vacca (a, a. 0.) für eine »gewisse Sache« hält, keine Rede sein
kann, wenn auch die Bestandtheile und die Verhältnisse grösstentheils vom Traiansbogen
entnommen sind. Von den an den Eingangsbogen sich anschliessenden Umfriedungs-
portiken kennen wir den geraden Theil nicht, und nur die südöstliche halbkreisförmige
Ausweitung, welche mit ihren Kammern bereits beschrieben worden ist. Ueber den
Zweck dieser Kammern können nur Vermuthungen ausgesprochen werden, unter denen
jedoch die auf des älteren San Gallo Ansicht gestützte, nach welcher hierin ein Haupt-
' C. Fea, Notizie degli Scavi neir Anfiteatro Flavio e nel Foro Romano. Roma 1813. p. 13. ' Vergl.
S. 187, Anm. 1.
I
Das Forum des Traianus.
189
Wachtposten und ein Waffenmagazin zu erkennen wäre, ^ die unwahrscheinlichste sein
dürfte. Weit natüriicher ist, an die Geschäftslocale von Notaren oder an anderen der-
artigen Gebrauch zu denken. Die oberen Räume mochten vielleicht ganz überflüssig sein,
allein die Höhe der Umfriedung war an dieser Seite desshalb so bedeutend , weil sie zu-
gleich als Substruction des nicht unbedeutend abgeböschten Quirinalis dienen musste.
Dieses Forum im engeren Sinne wurde aber nordwestlich von einem länglichen
Gebäude von der anderen Hälfte der traianischen Prachtanlage geschieden. Jenes oben
beschriebene, quer zwischen dem freien Platze und der Triumphsäule liegende Ge-
bäude mit den vier Säulenreihen, zu welchem von der area weg die besprochenen
Stufen führen, kann nur als die Basilica Ulpia betrachtet werden, welcher es auch
durch Form und Ausdehnung entspricht. Zwei Fragmente ^ des antiken Planes im ca-
pitolinischen Museum, von denen das eine, gleichwohl theilweise ergänzt, die Buch-
staben BAS IL und das andere, dessen Säulenstellung mit dem ersten vollkommen
übereinstimmt, das Wort VLPIA zeigt, und welche zu verbinden merkwürdigerweise
erst Canina^ vorschlug, stellen die Annahme mit dem Thatbestand in vollsten Einklang.
14. Die Basilica Ulpia. (Fragmenl des capilolinischeti Planes.) (F. R.)
(
Der wichtige Umstand, dass hier die Buchstaben verkehrt erscheinen, darf nicht als
etwas Zuftilliges erscheinen, denn um den Plan unserer Orientirung anzupassen, musste
man ihn so stellen. Bei Anfertigung dieses Planes dachte man sich nemlich nicht,
* Beschreibung der Stadt Rom (Bunsen). Bd. III. 2. Abth. p. <69 f.
menta vestigü veteris Romae. (Graev. Thes. A. R. tom. IV. p. <955 sq.)
R. 1831. p. 17». (4. Ediz. R. 4860. p. 260.)
* tab. VI & XVI. Bellorii frag-
Canina, Indicaz. topogr. d. R. a.
^90 I^*® Kaiserfora.
wie diess jetzt allgemein üblich ist, Norden oben und Süden unten, sondern gerade
umgekehrt, eine Beobachtung , die für die Verwendung der Fragmente nicht ohne Be-
deutung ist. Dieselbe Wahrnehmung wird man auch bei den Fragmenten vom Tempel
der Concordia und vom Tempel des Saturn und der Basilica lulia schon gemacht haben,
beim Plane des Pompeiustheaters und der Porticus der Octavia mit ihren Tempeln aber
noch machen. Das grössere der beiden hiehergehörigen Fragmente zeigt an seinem
Ende, das etwa der Via di Magnanopoli entspricht, eine halbrunde Tribüne, die noch
zur Basilica zu gehören scheint, mit dem Namen LI BERTATIS und Stücke der Um-
friedungsmauer zu beiden Seiten. Auch die Erklärung der Bezeichnung Libertatis er-
scheint nicht unpassend, wenn Canina (a. a. 0.) darauf eine Dichterstelle bezieht,^
nach welcher die Ceremonie der Freilassung auf dem Traianforum vollzogen zu werden
pflegte. Die auf dem Plane ausserhalb der Tribüne sichtbaren schrägen und unter sich
meist parallelen Linien scheinen Privatgebäude auf dem Quirinalis darzustellen. Nörd-
lich von der Basilica sieht man ausserdem noch ein tempelartiges Gebäude mit Säulen-
stellung im Innern und einer Porticus gegen die leider nicht mehr angezeigte Säule
hin. Leider ist gerade dieses Stück ergänzt und lässt also hinsichtlich der Richtigkeit
namentlich in der Grösse Zweifel übrig, doch bei der übrigen Regelmässigkeit der
ganzen Anlage darf das als sicher angenommen werden, dass diesem Gebäude auf
der entgegengesetzten Seite ein gleiches gegenüberstehen musste, und dass die Säule
zwischen beiden ziemlich eng liegenden sich in der Mitte befand. Wirklich hat man
schwache Spuren der Mauern dieser Gebäude und namentlich von ihren der Säule
zugewendeten Portiken an der von dem antiken Plane angezeigten Stelle gefunden und
hält sie für die »beiden« Bibliotheken, ^ was allerdings auch das Wahrscheinlichste ist.
Da ferner diese Bibliotheken in unmittelbarer Verbindung mit dem Tempel des
Divus Traianus genannt werden,^ so muss der Tempel, welchen Hadrian seinem
Vorgänger weihte,* in derselben Gegend gesucht werden. Die Existenz desselben
und der angegebene Platz werden bestätigt durch die Angabe der Notitia,^ in welcher
Tempel und Säule nebeneinander genannt werden. Was nun den Platz desselben be-
trifft, so ist es kaum zu bezweifeln, dass er an der nordwestlichen Gränze der An-
lage gesucht werden muss , da die Symmetrie des Ganzen keine andere Annahme er-
laubt. Zu diesem scheinen auch die Reste von kolossalen Granitsäulen zu gehören,
welche man, wie erwähnt, in den Kellerräumen des Hauses zwischen den beiden
Kirchen an der Nordwestseite des Platzes, S. Maria di Loreto und Nome di Maria, und
der dahinterhegenden Gebäude gefunden hat. Die Gestalt dieses Tempels, der nach
' Sidon. Apollin. Panegyr. in Antem. v. 544 sq. * Sidon. Apollin. ep. IX. 16. carm. v. 27 sq. 'V
S. 186. Anm. 8. • Script. H. A. (Spartian.) Hadr. -19. » Curios. Urb. Rom. Reg. VIII.
Das Forum des Traianus. i 91
den gefundenen Architekturresten jedenfalls von bedeutender Grösse gewesen sein
musste, wird gewöhnlich einer Münze entnommen, welche jedoch die Sache mehr
verwirrt als aufgehellt hat. Diese Münze zeigt nemlich den Kopf Traians mit der
Angabe seines 5. Consulats, also 856 d. St. (103 n.Chr.) und auf der Kehrseite das
Bild eines Tempels korinthischer Ordnung und oktastylos, umgeben von einem Te-
menos, der durch eine dreiseitige Porticus abgeschlossen ist. Die Umschrift lautet:
s P Q R OPTIMO PRiNCiPi SC. Die Schwierigkeiten, welche diese Münze darbietet, ver-
anlassten Becker, in die Aechtheit derselben Zweifel zu setzen. ^ Dagegen ist nur zu
erinnern, dass es noch kein hinlänglicher Grund sei, eine Antiquität als unächt zu
bezeichnen, wenn man sie nicht zu erklären weiss, dass einige Exemplare derselben
Münze vorliegen und dass sie wenigstens kein neues Fabrikat sein kann, da sich
schon bei Piranesi,^ was vielleicht von Becker übersehen worden ist, eine Abbildung
derselben findet; man müsste denn noch weiter combiniren, der phantasievolle Pira-
nesi habe unter seine Münzabbildungen auch eine Münze eigener Erfindung gezeichnet
und man habe diese als Folie für eine Fälschung benutzt , sei aber mit der Kopfseite
etwas ungeschickt verfahren. Die Münze ist nemlich offenbar eine Erinnerung an die
Einweihung eines Tempels, der einem Kaiser erbaut worden, wie die Umschrift be-
sagt. Da jedoch diese Einweihung in das Jahr 103 n. Chr. fiel, als Traian sein fünftes
Consulat bekleidete, mithin 1 4 Jahre vor seinem Tode, so ist nicht daran zu denken,
dass wir hier den Tempel des Divus Traianus vor uns haben können, den notorisch
Hadrian weihte und überschrieb (S. 186, Anm. 8), ganz abgesehen davon, dass man
keinem Kaiser vor seinem Tode — in Italien — einen Tempel baute. ^ Wir wissen
aber von Traian, dass er seinen Adoptivvater Nerva durch Tempel ehrte,* und Nie-
mand anderem als diesem konnte die Ueberschrift noptimo 'principia gelten. Ich be-
greife aber nicht, warum dieser Tempel gerade auf das Traianforum gezwängt werden
soll, von w^elchem Gedanken Bunsen, Becker und Canina, wie überhaupt die her-
vorragendsten Topographen seit Piranesi befangen zu sein scheinen. Wo der Tempel
des Divus Nerva gestanden, wissen wir nicht, am Forum Ulpium wenigstens konnte
er nicht sein und wird auch dort nicht erwähnt, während sicher der von Hadrian
erbaute Traiantempel sich daselbst befand.
So viel von den Einzelnheiten dieses Forum. Das Ganze konnte nur im weiteren
Sinne Forum genannt werden , denn verstand man darunter einen von Gebäuden innen
freien und nur nach aussen damit umsäumten Platz , so entsprach nur die Area südöst-
lich von der Basilica diesem Namen. Diese aber schloss als ein Querbau das Forum im
' Becker, Handb. d. röm. Alterth. Bd. I. p. 381. * Piranesi, Trofeo o sia magnifica coionna coclide
di marmo &c. s. a. tav. II. ' Dio Cass. LI. 20. * Piin. Panegyr. 34.
j 92 Die Kaiserfora.
engeren Sinne ab, und von der nordwestlich liegenden Hälfte der ganzen Anlage war
nur ein geringer Theil freier Raum. Die Basilica selbst diente zum Durchgang, was
auch keineswegs störte, denn für die Gerichte waren nur die beiden Enden des Ge-
bäudes bestimmt, in deren Hemicyclen die Tribunale der Richter sich befanden. Da
es aber keineswegs die Absicht des Architekten sein konnte, durch die Basilica die
nordwestliche Hälfte dem Anblicke ganz zu entziehen, so dürfen wir sie auch nicht
nach dem Muster anderer angelegt denken, welche ein bei weitem höheres Mittelschiff
haben. Ich glaube desshalb auch nicht, dass nach vitruvischer Darstellung die Seiten-
schiffe aus zwei Stockwerken bestanden, was überhaupt bei dem fünfschiffigen Bau
Schwierigkeiten machen würde. Wahrscheinlich hatte der Bau wie gleiche Säulen, was
wir sehen , so auch gleiche Höhe , und es gibt der Arten genug , nach welchen auch
bei dieser Breite die Bedachung so gegliedert werden konnte, dass sie keinen un-
schönen und plumpen Eindruck machte. Auf keinen Fall aber konnte Apollodor jenes
scheunenartige, hohe und plumpe Gebäude mitten in die prachtvolle Anlage hinein-
stellen, welche wir auf den meisten Restaurationen finden.
Die Vollendung des Forum, namentlich aber der Triumphsäule erlebte Traian
nicht mehr. Diese sollte aber wie sein Sieges- so auch sein Grabdenkmal sein: seine
Asche wurde in einer goldenen Urne in der Grabkammer am Fusse des Piedestals
beigesetzt.* Hadrian vollendete die ganze Anlage namentlich durch die Erbauung des
Traiantempels.^ Die weiteren Nachrichten sind ungemein spärlich; einiger gelegentlichen
Erwähnungen wurde bereits gedacht, die hervorragendste findet sich bei Ammianus
Marcellinus (S. 186. Anm. 5) bei der Beschreibung des Besuches, den Constantius
der Hauptstadt machte. Damals scheint die Prachtanlage noch ziemlich intact gewesen
zu sein; die Ausbeutung derselben fiir den Constantinbogen war auch kaum empfindlich.
Die ulpischen Büchersammlungen hatten allerdings schon einmal nach den diocletiani-
schen Thermen wandern müssen,^ allein es scheint, dass sie wieder auf ihren früheren
Platz zurückgebracht worden seien.* Die Erwähnung wissenschaftlicher Zusammenkünfte
und poetischer Vorträge auf dem Traianforum (wohl zunächst in den Räumen der
Bibliothek)^ am Ende des sechsten Jahrhunderts, die Vornahme der Manumission in
der Basilica Ulpia kurz vorher,^ wie die Errichtung der Statue des Dichters Sidonius
Apollinaris in derselben Zeit"^ lassen schliessen, dass noch am Anfange des siebenten
Jahrhunderts das Forum im Gebrauche und wohl auch fast in seinem ursprünglichen
Glänze erhalten gewesen sei. Noch im achten Jahrhundert preist Paulus Diaconus die
' Dio Cass. LXIX. 2. Aurel. Viet. Epit. Eutrop. VIII. f. Cassiodor. Chron. (Rone. tom. II. p. 200.)
* Vgl. S. <90. Anm. 4. * Script. H. A. (Vopisc.) Prob. 2. * Sidon. Apollin. ep. IX. i6. carm. v. 27 sq. Vgl.
die folg. Anm. ' Venant. Fortunat. Lib. III. 23, v. 7 sq. * Sidon. Apollin. Panegyr. ad Antem. v. 544 sq.
^ id. ep. IX. 46. carm. v. 25 sq. Vgl. Anm. 4.
Das Forum des Traiaiius. ] 93
bekannte Pracht desselben bei Erzählung der Geschichte von der Befreiung der Seele
Sdes »besten Kaisers« aus der Hölle, welche dem Papst Gregor dem Grossen auf dem
Platze selbst durch die Kraft seines Gebetes gelungen sein sollJ Man würde jedoch
irren, nach Paulus Diaconus allgemeinem Ausdrucke sich die Anlage in seiner Zeit noch in
unberührtem Glänze zu denken, denn schon um d. J. 663 unter Papst Vitalianus war alle
Bronze der Stadt von den Dächern der öffentlichen Gebäude und von den meisten Piede-
stalen durch Kaiser Constans II. oder Constantin III. nach Syracus geschafft worden, um
von da nach Constantinopel geführt zu werden. ^ Doch die byzantinischen Kaiser hatten
für sich vergebens geplündert: die ganze Beute fiel im J. 669 bei der Einnahme von
Syracus in die Hände der Saracenen, welche sie nach Alexandria brachten.^ Dass die
vergoldeten Bronzestatuen, welche »allenthalben die Giebel am ganzen Traianforum
schmückten«, einen wesentlichen Theil dieser Beute ausmachten, ist nicht zu bezweifeln,
auch ist nicht bekannt, dass man nur einen Bronzeüberrest aus dem Schutte gewühlt
hätte. Da indess zur Zeit des Paulus Diaconus das Forum noch »in wunderbarer Pracht«
bestand, so scheint diese Plünderung, selbst wenn sie sich auf die Dächer erstreckte,
keine unmittelbar zerstörenden Folgen gehabt zu haben. Doch noch vor dem Jahre 1000
muss es durch eine unbekannte Katastrophe, wahrscheinlich durch Brand, wie die Spuren
bei der Ausgrabung gezeigt haben, verwüstet worden sein, was auch in dem Jahrhundert
tiefster Barbarei für Rom, dem zehnten, als die Herrschaft der Theodora, Marozia, des
Alberich und Johann XII. die Stadt mit ihren Greueln erfüllte, leicht geschehen konnte,
ohne dass man das Ereigniss der Aufzeichnung für besonders würdig hielt. Im Jahre 1 003
wird schon unter den Trümmern rings um die Säule ein mit Bäumen besetzter Garten
erwähnt* und am Fusse der Säule erhob sich eine Kirche, S. Niccolo, welche im J. 1032
zum erstenmale erwähnt wird. Die Säule selbst erscheint zwar noch unter dem richtigen
Namen des Traianus, das einst so prächtige Forum aber hatte den Namen Campus Ka-
loleonis erhalten, über dessen Entstehung nichts bekannt ist. Bald darauf aber finden sich
die Ruinen der Basilica palatium Hadriani genannt und auch die Säule wurde, obwohl
der obere Theil der Inschrift selbst noch in weit späterer Zeit über dem Schutte sich be-
fand, demseüjen Kaiser zugeschrieben,^ während die Ruinen des kleinen Nervaforum
den Namen forum Traiani ^ oder palalium Traiani ' erhielten ! Erst Petrarca legte der
Traiansäule wieder den rechten Namen bei,^ was jedoch, da noch im 15. Jahrhundert die
Inschrift theilweise blosslag,^ kaum als ein Verdienst zu betrachten ist. Schon im 12. Jahr-
* PauI.Diac. Vita S. Gregorii Magni. 17. * Anastas. Biblioth. de vit. pontif. Rom. 1718. (Vit. Vitaliani) tom. I.
p. 132. * Id. Vit. Adeobati. — Paul. Diac. de gest. Longob. 10. 11. 13. * Galletti, del Primicero delia Santa
SedeApostolica. R. 1776. p. 233. * Martin. Polon. Chron. Vgl. S. 110. Anm. 3. Die Baseler Ausgabe von 1559, in
welcher der topogr. Abriss abgedruckt sein soll, ist mir nicht zur Hand. * Ordo Romanus v. 1143. (Mabillon,
Mus. Ital. tom. II. p. 132. 142. U3.) ^ Pietro Mallio (Mabillon II p. 161). * Epp. Farn. Lib. II. 6. ' Poggii
Florentini de fortunae varietate urbis Romae et de ruina eiusdem descriptio. Opp. Bas. s. a. p. 131—137.
F. Reber, die Ruinen Roms. 25
y| 94 Die Kaiserfora.
hundert scheinen jedoch ausser der Säule alle übrigen Gebäude des Forum in Schutt ge-
sunken und das kostbare Material geplündert gewesen zu sein : doch die Säule selbst zu
beschädigen, ward bei Todesstrafe verboten J Diesem rühmlichen Erlass in einer Zeit,
deren Barbarei sonst an eine Erhaltung antiker Ueberreste nicht denken liess, verdanken
wir die Erhaltung des prächtigen Denkmals. Wie es aber rings herum aussah, mögen wir
daraus ersehen, dass die im Ordo Romanus beschriebene Procession des Jahres 1143
einen bedeutenden Umweg machte , um die Schwierigkeiten , welche den geraden Weg
durch Traians Prachtanlage versperrten, zu umgehen. Allmählig jedoch wich die Un-
wegsamkeit des Trümmermeeres den Anstrengungen , welche man aufbot , die Gegend
für Gärten nutzbar zu machen, und als diese den neuen Boden geebnet, wurde der Raum
wieder zur eigentlichen Stadt gezogen. An die Klöster schlössen sich Privatgebäude an,
es entstanden Strassen , und der neue Stadttheil , freilich dorfähnlich im Vergleich zur
vorigen Pracht, dehnte sich immer weiter südwestlich aus, bald auch, wie oben be-
schrieben worden ist, die anstossendeij Fora des Augustus, Cäsar, Nerva und Vespasian
tiberwuchernd und gleichwohl auch einen grossen Theil der noch vorhandenen Ueberreste
verschlingend. Als man im 1 6. Jahrhundert für die schöne Kirche S. Maria di Loreto, ein
Werk des älteren Sangallo , den Grund grub , fand man unter verschiedenen Ueberresten
namentlich kolossale Säulenstücke, und noch in der Mitte des 16. Jahrhunderts sah man
neben dieser Kirche zwei verschüttete Säulen von ungeheurem Umfang, welche den
riesigen Granitschäften entsprechen dürften, die von den Ausgrabungen dieses Jahrhun-
derts zu Tage gefördert wurden und jetzt in der Nähe der Triumphsäule liegen. Rings
um die Säule aber bildete sich allmälig ein kleiner Platz , der dadurch noch verschönert
wurde , dass Sixtus V. die an die Säule anstossenden Gebäude abtragen und durch Do-
menico Fontana das ganze Piedestal biossiegen liess. Die Ausgrabung wurde durch eine
Mauer auf den vier Seiten , von denen aber jede nur 1 5 Met. mass , abgeschlossen und
dadurch der blossgelegte antike Boden vor dem nachrollenden Schulte geschützt. Statt
des wahrscheinlich unter Constans II. verschwundenen Standbildes des Traian aber liess
Sixtus die vergoldete Kolossalstatue des Apostels Petrus, welche nach dem Modelle des
Leonardo Sorman und Tommaso della Gorta von Sebastiano Torrigiani in Bronze ge-
gossen worden war, auf dem Gipfel der Säule aufstellen.
Bei den Neubauten von Häusern und Kirchen wurden hin und wieder Marmor-
und Sculpturreste ausgegraben, so das Gebälkstück, aus welchem Michael Angelo auf
Befehl des Papstes Paul III. das Piedestal fertigte , auf welches er am Capitol das von
der Piazza Lateranense hierher versetzte Reiterbild des Marc Aurel stellte ; ^ die Dacier,
deren bereits Erwähnung geschah, von welchen zwei jetzt im Museo Borbonico zu Neapel
* Galletti, Primicero p. 323 sq. * Fl. Vacca, Memorie &c. no. 18. (C. Fea, Miscell. p. LXII.)
Gez v.Filel)er
VerLii'^ vT.Ü.Wei^el iiileipzi^ Lith.Anstv.WLoei!lot in Berlin
Traiansiule
Das Marsfeld. 195
(Erdgeschoss) und ein dritter auf einem Treppenabsatz des Palazzo Colonna (Piazza de'
SS. Apostoli) sich befinden, und ein schönes fragmentirtes Relief, wahrscheinlich die Ein-
weihung der Säule des Traian oder Hadrian darstellend (Vatican. Museum) u. a.
Während der Herrschaft der Franzosen in Rom am Anfang dieses Jahrhunderts,
die zu den überhaupt bedeutendsten Ausgrabungen wenigstens die Anregung gab, wenn
auch bei einigen ihre beschränkte Zeit es nicht gestattete, sie wirklich und vollständig
auszuführen , wurde beschlossen , das ganze Forum so weit wie möglich blosszulegen.
Napoleon I. hatte den Plan begierig aufgenommen, und schon im J. 1812 wurde der
Häuserstock , welcher innerhalb des jetzigen Platzes lag , sammt den Kirchen und Con-
venten S, Spirito und S, Eufemia demolirt und eine Fläche von 105 M. Länge und
öO M. Breite blossgelegt. Als im J. 1814 Papst Pius VH. aus seiner Verbannung zurück-
kehrte, Hess er die Ausgrabung, soweit sie bisher gediehen war, mit einer Mauer um-
geben, welche zugleich der modernen Strasse ringsum zur Substruction dienen sollte,
und diese mit einem soliden Geländer begränzen , was eine in diese Mauer an der Süd-
ostseite eingelassene Inschrifttafel besagt. Aus dieser Zeit ist auch die Aufstellung der
Granitsäulentrümmer auf den Basen der Basilica, wie überhaupt der ganze Bestand auf
diesem Platze : an den beiden Seiten jedoch wurden erst im J. 1 849 unter Canina's Leitung
weitere Nachforschungen .unternommen, von deren Erfolgen schon oben gesprochen
worden ist.
IV. Das Marsfeld.
Der nordwesthche Theil des Traianforum, namentlich der Tempel des Traian
überschritt bereits die Gränze der alten Stadt, wie sie Servius Tullius durch seine Mauer
gegeben hatte, und ragte schon in die Ebene hinaus, welche nördhch vom Capito-
linus und Quirinalis und westlich vom Collis Hortorum , dem heutigen Monte Pincio , bis
an den Fluss hin sich ausdehnt. Ein Blick auf die Karte überzeugt uns, dass diese Ebene
jetzt entschieden den Haupttheil der Stadt bildet, und während gerade der bevölkertste
Theil des alten Rom nur spärlich mit grossentheils armseligen Stadtquartieren besetzt
und meist von einsamen Klöstern oder weitläufigen Villen, Nutzgärten und Weinbergen ein-
genommen ist, drängte sich die moderne Bevölkerung hier in einer Weise zusammen, dass
es schwer wird, sich in dem Gewirre von krummen und engen Strassen zurechtzufinden.
Es lässt sich in der That kaum ein grösserer Contrast finden, als er sich durch den
Vergleich des Marsfeldes in seiner antiken und jetzigen Gestalt ergibt. Hier kann jedoch
25*
\ 9.(5 Das Marsfeld .
selbstverständlich nur die Entwickelung desselben im Alterthume in Betracht kommen,
was aber die Veränderungen im Mittelalter und in der neueren Zeit betrifft, so müssen
wir uns einerseits mit den in der Einleitung gegebenen allgemeinen Gründen, anderseits
aber mit den auf die Schicksale der einzelnen Ruinen bezüglichen Notizen begnügen.
In den ersten Jahrhunderten des Bestehens der Stadt war diese Ebene, im weiteren
Sinne Campus Martins genannt, bebautes Land ausserhalb der Mauern, und zunächst
wenn nicht Eigenthum der Tarquinier,^ so doch von diesen als Domäne behandelt.^ Zur
Zeit, als die Tarquinier geächtet wurden, scheint wenigstens ein grosser Theil zu Ge-
treidebau verwendet gewesen zu sein : die Frucht war der Beife nahe, doch man glaubte
sich gegen die Götter zu versündigen, wenn man sich derselben bediente, und so wurde
sie geschnitten und in den Tiber geworfen. Diess kann Thatsache sein, es ist auch den
religiösen Anschauungen der Römer ganz entsprechend ; die Legende aber knüpft Un-
glaubliches daran, dass nemlich die Halme im Tiber sich aufgestaut und den Grund zur
Tiberinsel gelegt hätten, welche nachmals sich durch Anschwemmung vergrössert und
so consolidirt haben soll, dass sie später den Aesculaptempel und andere Heiligthümer
zu tragen im Stande war. Auf das Eine dürfte aus dieser Sage geschlossen werden, dass
die Erinnerung an eine grosse Masse Getreides, von welcher ein Theil an die Tiberinsel
geschwemmt sein mochte , von der Zeit des Beginnens der capitolinischen Aera her noch
im Bewusstsein des Volkes haftete. Welcher Theil des Campus Martins aber den Ager
Tarquiniorum bildete, ist nicht bekannt; ein Theil musste wenigstens seit Servius Staats-
eigenthum und unbebaut gewesen sein sowohl für die Centuriat-Comitien als für den
Census, und für einen anderen Theil findet sich die Angabe, dass nemlich ungefUhr
gleichzeitig die Vestale Taracia diesen , ihr Eigenthum , dem römischen Volke geschenkt
habe,^ wonach das Feld ursprünglich jedenfalls in mehre Besitzungen getheilt war.
In der ersten Zeit der Republik scheint zwar die ganze Ebene Staatseigenthum
geworden zu sein, allein noch keineswegs ein Stadttheil. Die Cultivirung derselben
musste zwar aufhören, da der Campus Martins die Bestimmung eines Waffenübungsplatzes
erhielt und theilweise für die Volksversammlungen abgesteckt wurde , allein noch drei
Jahrhunderte lang blieb der ganze Raum von allen baulichen Anlagen frei, und nur ein-
zelne Altäre, wie die araMartis^ und die ara Ditis Patris et Proserpinae^ schmückten
den Wiesengrund, der auch von einem Quellbach, der aqua Petronia,^ bewässert und
von einer vulcanischen Stätte, »dem rauchenden Boden«, Tarentum oder Terentum ge-
nannt,^ unterbrochen war. Endlich erhoben sich einzelne unbedeutende Tempel, im
Ganzen aber bUeb das eigentliche Marsfeld bis ans Ende der Repubhk frei.
' Liv. II. 5. * Dionys. V. 4 3. ^ Plin. H. N. XXXIV. 6, U, i\. Gell. VI. 7. * Liv. XL. 45.
' Val. Max. II. 4, 4. Fest. s. v. Saeculares ludi; cf. Zosim. II. 4. * Fest. s. v. Petronia. Paul. Diac.
s. V. Cati fons. ^ Val. Max. 1. c. Zosim. II. 3.
Das Marsfeld. 197
Früher schon war der Theil der Ebene, welcher dem Capitolinus zunächst lag
und nur im weiteren Sinne zum Marsfelde gerechnet werden kann, mit verschiedenen
öffentlichen Gebäuden besetzt worden. Es war diess der Campus Flaminius, der seinen
Namen wahrscheinlich von früherem Privatbesitze, auch nachdem die Gegend Staatsgut
geworden war, behalten hatte. Hier erhoben sich schon im J. 323 d. St. (431 v. Chr.)
der Tempel des Apollo,'' wahrscheinlich noch viel früher, 259 d. St. (495 v. Chr.), der
Tempel der Bellona,^ und im J. 533 d. St. (221 v. Chr.) der Circus Flaminius, ^ welcher
nachmals der ganzen Region, die auch den grössten Theil des Campus Martins im engeren
Sinne umfasste, den Namen gab. Unfern von diesem erstand die Porticus Metelli, welche
zwei wahrscheinlich schon vorhandene Tempel einschloss, daneben der von M. Fulvius
Nobilior erbaute Herculestempel , an welchen Complex nördlich und südlich die Theater
des Pompeius und Marcellus mit ihren Anlagen sich anreihten, wovon das Nähere
am geeigneten Orte berichtet werden wird. Die Lücken waren durch mehre Tempel
ausgefüllt, von welchen besonders die der Diana und der luno Regina, der Fortuna
Equestris, des Hercules Custos, des Mars, Castor und Pollux und des Neptun her-
vorzuheben sind.*
So war also der südlichste Theil der Ebene, der Campus Flaminius mit Tempeln,
Portiken und Theatern fast besetzt , als der eigentliche Campus Martius noch ein freier
Platz war und nach seiner alten Bestimmung als Tummelplatz für kriegerische Uebungen
und als Raum für die Volksversammlung diente. Allein unter Cäsar und Augustus er-
standen auch hier grossartige Prachtanlagen ; der mächtigen Baulust beider war die alte
Stadt zu eng geworden, und die grossen Schwierigkeiten, welche — wie wir beim
Augustusforum gesehen — die Grunderwerbung daselbst machte, drängten von selbst
auf Erweiterung des Schauplatzes. Von den Werken beider wurde schon in der ein-
leitenden Baugeschichte gesprochen; wie kolossale Pläne aber Cäsar gehabt, möge aus
der Nachricht hervorgehen , dass er den Tiber von der milvischen Brücke aus abzuleiten
und um die vaticanischen Hügel herumzuführen beabsichtigte, um das Marsfeld zur Stadt
fügen und mit Gebäuden bedecken zu können, während der campus Vaticanus zum neuen
Marsfelde umgeschaffen werden sollte.^ Die verrätherischen Dolche in der Curia des
Pompeius verhinderten jedoch, wie so vieles Andere, so auch die Ausführung dieses
grossen Planes , der die Gestalt der Stadt so wesentlich verändert haben würde ; aber
auch unerweitert bot das Marsfeld Raum genug für weitläufige Anlagen und Gebäude,
' Liv. IV. 29. « Plin. H. N. 3, 3, 12. ' Liv. Ep. XX. Cassiod. Chron. (Roncalli, Vet. Lat. Script.
Chronica, tom. II. p. -178.) * Liv. XL. 40. 44. 52. XLII. 3. <0. Val. Max. I. 1. 20. Vitruv. III. 3. 2. Ovid.
Fast. VI. V. 209. Plin. H. N. XXXVI. 5, 4, 26. Vitruv. IV. 8, 4. Fast. Amit. Id. Aug. (Foggini, Fast. a'. Rom.
reliq. R. 1779. fol. 112.) Vgl. Becker, Handb. d. r. A. Bd. I. S. 618 fg. » Cic. ad Attic. XIII. 33.
/|98 Das Marsfeld.
der auch um so langsamer erschöpft wurde, als nach Augustus Tode die Thätigkeit der
Nachfolger andere Bahnen einschlug oder auch zum Theil ganz versiegte. Der neronische
Brand riss überdiess gewaltige Lücken in die meisten alten Stadttheile und gab den
Nachfolgern dieses Phantasten allenthalben Raum , ganz abgesehen von dem Areal der
Palastanlagen desselben auf den Esquilien , welches einige Jahrzehnte nach seinem Tode
und zum Theil schon früher ebenfalls als Bauplatz behandelt wurde. Das Marsfeld selbst
aber litt noch mehr als unter der neronianischen Verwüstung von dem Brande , welcher
es unter Titus verheerte * und wenigstens theilweise und für einige Zeit wieder lichtete.
Die Aufmerksamkeit der sonst so baulustigen Kaiser Traian und Hadrian war dem Mars-
felde abgewandt, und erst die Antonine schmückten es wieder mit grösseren Anlagen,
von deren Ueberresten besonders gesprochen werden wird. Weniger durch Neubauten
als durch Herstellung schadhafter Werke zeichnete sich Septimius Severus aus, wie an
den Inschriften von zwei hiehergehörigen Baudenkmalen, dem Pantheon des Agrippa und
der Porticus der Octavia, noch ersichtlich ist. Alexander Severus aber schmückte das
Marsfeld mit prachtvollen Thermen, zu welchen er wahrscheinlich das domitianische
Stadium zog und erneute. Hierauf wird nur mehr wenig vom Marsfelde berichtet, die
Kaiser, welche sich immer seltener in Rom aufhielten, wurden auch immer kälter gegen
den Glanz der Stadt, und als Kaiser Constantin Byzanz zur neuen Hauptstadt des römi-
schen Reiches machte, trat die Katastrophe unaufhaltsam ein. Die Bevölkerung ver-
ringerte sich und die öffentlichen Bauten verloren mehr oder weniger ihren Zweck.
Neuer bedurfte man nicht mehr, da ja selbst zur Schonung der schon bestehenden,
welche überdiess durch wiederholte Plünderungen nordischer Barbaren sehr gelitten
hatten, kein Grund vorhanden zu sein schien. Als Rom zur Provinzialstadt geworden war
und selbst das byzantinische Exarchat in einer anderen Stadt der Halbinsel, nemhch in
Ravenna seinen Sitz aufgeschlagen hatte, da verschwand bei den Römern der letzte Rest
von Interesse am Staate und mit der Erinnerung versiegte auch die Achtung der einstigen
Grösse. So konnte es ganz gerechtfertigt scheinen, die verlassenen Hallen, namentlich
des Marsfeldes, welche grösstentheils ihre Bedeutung verloren hatten, zu Privatzwecken
zu verwenden. Die Tempel Heferten das edlere Material zu den Kirchen, die Grossen
verschanzten sich in den Theatern und anderen grösseren Staatsgebäuden , und wie die
Mächtigen im Grossen , so verfuhren die Geringeren mit den kleineren Resten. Die Ebene
behagte überdiess mehr als der hügehge Theil, auch scheute man die Mühe, das Material
erst zu verschleppen, und so entstand allmähhg eine Art Neustadt im Marsfelde, welche
die Altstadt zuletzt nicht bloss überflügelte, sondern sogar grösstentheils verödete.
Die eiserne Zeit des Mittelalters verlangte ein Zusammendrängen der Bevölkerung und
' Dio Cass. LXVI. 24.
Grabmal des Bibulus. 190
den engsten Anschluss an einen Mächtigeren , schon um der täglichen Sicherheit willen,
und da sich der Strom der Ansiedelung einmal in den nördlicheren Theil gezogen hatte,
wurde bald das einst dem Privatbesitz verschlossene Marsfeld der entschiedene
Haupttheil der bewohnten Stadt, eng zusammengezwängt, wie kaum eine andere
Stadt Europa's.
Von den Ruinen Hess man bestehen, was man in irgend einer Weise brauchte,
namentlich das, was durch religiöse Weihe der Zerstörung entrissen war. Dass jedoch
unter solchen Umständen verhältnissmässig nicht viel übrig bleiben konnte, ist klar,
ebenso, dass es fast unmöglich ist, hier durch Nachgrabungen weitere Resultate zu ge-
winnen. Dasjenige aber, was sich mehr oder minder erhalten, ist zum grössten Theile
höchst interessant, obgleich die malerische Wirkung dieser Ruinen , die meist in enge,
reizlose Gassen eingeschlossen sind und nicht den Zauber einer grossartigen Natur, wie
namentlich in Sicilien und Griechenland, wohl auch ausserhalb der modernen Stadt, als
Rahmen haben, eine geringe ist.
Nehmen wir nun unsere Wanderung von dem letztbetrachteten Punkte , dem
Forum des Traianus , wieder auf, um in örtlicher Reihenfolge die antiken Ueberreste des
Marsfeldes, oder wenn wir den weiteren Begriff ghedern wollen, des Circus Flaminius,
des Marsfeldes und der Region der Via lata zu betrachten.
27. Grabmal des Bibulus.
Geht man von der Südecke des Traianforum durch die Via di Macel de' corvi
in die Via di Marforio , so sieht man dort unmittelbar an der Mündung der erstgenannten
Strasse zur Linken ein Grabmal , das ganz aus Travertin gebaut ist , aber nur wenig aus
der Wand eines schmucklosen Hauses hervorragt. Die freiliegende Seite misst unten
6.60 Met. und zeigt in einer Höhe von 2,25 Met. eine derbe und nur nach oben ge-
gliederte Substruction , auf welcher sich folgende fast durchaus deutlich leserliche In-
Schrift befindet:
C POPLICIOL F. BIBVLOÄED PL Honoris
VIRTVTISQVE CAVSSASENAtus
CONSVLTO POPuii QVEIVSSV LOCVS
MONVMENTO QVO IPSE POSTFREI QVE
EIVS • INFERRENTVR puBLICE DATVS EST
Von derselben Inschrift, wie man sie hier an der offenliegenden Westseite liest, sieht
man auf der Südseite, welche jedoch fast ganz von dem darübergebauten Hause (Via
200
Das Marsfeld.
di Marforio No. 1. 2.) verdeckt ist, den Anfang, der aber so weit an die Ecke gerückt
erscheint, dass man diese Seite als die schmälere ansehen muss. — Ueber dieser Sub-
struction erhebt sich die Grabkammer selbst, welche auf der sichtbaren Seite mit vier
dorischen Pilastern mit attischen Basen, 4 Met. in der Höhe und 0,35 Met. in der Breite
messend, geschmückt ist. In der Mitte war der Eingang, dessen Pfosten noch
grösstentheils erhalten sind und welcher jetzt als Fenster dient und mit einem
Eisengitter geschlossen ist. Zu beiden Seiten aber sieht man noch ein Gesimse, wie
man es über Fenstern anzubringen pflegte, ohne dass jedoch unter denselben eine
15. Gi-iibmal des Bibuliis. (F. R.)
Spur davon sichtbar ist. Ich zweifle nicht, dass diese Gesimse jetzt verschwundene
marmorne Inschrifttafeln krönten. Das auf den dorischen Pilastern ruhende Ge-
bälke, von welchem sich jedoch nur ein geringer Rest erhalten hat, ist jedoch nicht
gleicher Ordnung , sondern ionischen Styls , und zwar Architrav und Carnies schmuck-
los, der Fries dagegen mit Fruchtgewinden und nur mehr wenig kenntlichen Stier-
schädeln verziert.
Ueber die Zeit der Errichtung des Denkmals ist keine gewisse Nachricht vor-
handen. Indess wird zur Zeit der Regierung des Tiberius ein Caius Bibulus als Aedil
erwähnt, und der Styl des Grabmales bietet keinen erheblichen Grund, diese Epoche
für zu spät zu halten. Dass dieses Grabmal sich innerhalb der alten Stadt befunden
Reste von Wohngebäuden. 204
und so gegen das Gesetz der zwölf Tafeln, nach welchem Niemand innerhalb der
Mauern begraben noch verbrannt werden durfte, Verstössen habe, ist ein häufiger,
aber grosser Irrthum , da die servische Mauer, welche vom Quirinalis herüber sich an
die Höhe des Capitolinus anschloss, den Ort des Grabmals ausserhalb lassen musste.
Wenn auch aus der Inschrift hervorgeht, dass die Stätte ihm und seinen Nachkommen
von Staatswegen als Ehrenplatz zugewiesen worden sei, so ist doch damit noch keine
Uebertretung des Gesetzes ausgesprochen.
28. Reste von Wohngebäuden.
Geht man vom Grabmal des Bibulus die Via di Marforio nordwestlich weiter
und beugt dann zur Linken in die Via della Pedacchia, so umgeht man den Fuss der hier
ziemlich steil abfallenden Nordspitze des Capitolinus, und zwar derjenigen Abtheilung,
welche die Burg eingenommen haben musste. Die Via della Pedacchia aber entspricht
der Strasse, welche ausserhalb der servischen Ummauerung hinlief und jedenfalls seit
jener Zeit Bedeutung hatte , in welcher die Stadt sich nicht mehr auf den servischen
Umkreis beschränkte. Die Linie dieser antiken Strasse lässt sich aus verschiedenen Mauer-
resten erweisen, welche sich in den Kellern der an den Capitolinus anliegenden Häuser-
reihe finden, meist Ziegelbau von verschiedenen Jahrhunderten der Kaiserzeit. Doch auch
über dem modernen Boden hat sich ein ansehnlicher Pest eines antiken Privatgebäudes
erhalten, dessen Kammern halb in den Felsen des Capitolinus gehauen sind. Man gelangt
dazu, wenn man bei der kleinen Kirche di Beata Rita in einen schmalen Gang des Hauses
No. 48, und durch ein Thor in einen kleinen, über alle Beschreibung schmutzigen Hof-
raum tritt. Die Oberfläche des Mauerwerks ist ganz verwittert, so dass man die Ziegel
kaum mehr erkennt, doch lassen sich noch deutlich mehre Stockwerke unterscheiden.
Das Ganze ist jedoch mit dem modernen Vorderhause zusammengebaut und im Interesse
des Besitzers so umgestaltet, dass eine genauere Beschreibung kaum möglich ist.
Auf die nicht uninteressante Antiquität wurde zuerst von Bunsen^ aufinerksam gemacht,
welcher fünf antike Stockwerke nachweisen zu können glaubt, was indess einige
Schwierigkeit haben dürfte.
* Beschreibung der Stadt Rom. 1837. Bd. III. Abth. i. S. 3*.
1". Redkb, die Buinen Roms. 26
202
Das Marsfeld.
29. Das Theater des Marcellus.
Setzt man den Weg am nordwestlichen Fusse des capitolinischen Hügels fort,
so erreicht man, wenn man von der Via della Pedacchia aus an der Capitoltreppe vorbei-
gehend die Piazza di Araceli überschritten und die Fortsetzung der genannten Strasse,
die Via di Tor de' Specchi, durchwandert hat,
am südwestlichen Fusse des Capitolinus die
Piazza Montanara, wo man sehr ansehnlichen
antiken Ueberresten gegenübersteht. Die ganze
Westseite dieses Platzes nemlich wird von
doppelten Arkadenreihen eines antiken Ge-
bäudes gebildet , welche in einer Weise ge-
krümmt und gestaltet sind , dass über ihre Be-
deutung kein Zweifel sein kann. Von dreizehn
Pfeilern getragen, sieht man noch zwölf Bogen
im ersten und ebenso viele im zweiten Stock-
werke, in beiden ganz von Travertin. Von
dem unteren ist der dritte Theil seiner Höhe
von dem modernen Boden bedeckt: ursprüng-
lich aber waren die Bogen desselben 6, so Met.
hoch und 4,8o Met. breit. Um die Pfeiler, welche
eine Breite von 2 und eine Dicke von 3 Met.
haben, läuft ein einfacher Carnies unter dem
Bogenansatz. Ausserhalb lehnen sich dorische
Halbsäulen an, welche nach den Ergebnissen
von Nachgrabungen vom antiken Boden an
7,50 Met. hoch sind und das der dorischen
Ordnung eigenthümliche Gebälke tragen, dessen Triglyphen noch fast vollständig erhalten
sind, im Ganzen 1,90 Met. hoch. Das zweite, der Construction nach ganz ähnliche
und in derselben Ausdehnung erhaltene Stockwerk erhebt sich über dem ersten auf
einem 1 ,20 Met. hohen Mauergürtel (Attika) mit Basamentvorsprüngen für die Halbsäulen.
Die Breitenverhältnisse sind dieselben wie unten, doch die Höhe ist, was allerdings
bei dem gegenwärtigen Zustande der Verschüttung umgekehrt der Fall zu sein scheint,
beim oberen Stockwerk etwas geringer: die Bogen messen nur 6, die Halbsäulen nur
7,15 Meter. Die letzteren sind ionischer Ordnung und tragen ein einfaches Gebälke
desselben Styls; einen Architrav in drei übereinander vorspringenden Leisten, den
Vom Theater des Marcellus. (F. R.)
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Das Theater des Marcellus. 203
Fries ungeschmückt, und einen schön abgestuften Carnies mit Zahnschnitt : zusammen
2! Met. hoch. Von dem am besten erhaltenen Theile des ganzen Ueberrestes wird die
beigefügte Abbildung eine Vorstellung geben.
Wahrscheinlich erhob sich über diesen beiden Stockwerken noch ein drittes,
das jedoch verschwunden oder vielmehr durch einen modernen Aufbau des Palazzo
Orsini Savelli ersetzt ist. Sonst hat sich von der Aussenseite des Gebäudes nur mehr
ein Pfeiler erhalten, der zwar mit einer Halbsäulß nach der beim ersten Stockwerke
beschriebenen Art geschmückt ist, aber nicht mehr dem Halbkreise angehört, dem die
doppelten Arkadenreihen entsprechen. Man sieht diesen , wenn man links von der Piazza
di Montanara in die Via Savelli bis in die Nähe der Auffahrt zum Palazzo Savelli geht,
zur Rechten aus einem modernen Gebäude hervorragen.
Da dieses antike Gebäude im Mittelalter zu einem Palastbau benutzt ward,
ist es natürlich, dass die inneren Ueberreste nur sehr spärlich sein können. Doch
lassen sich in den Kellerräumen des Palazzo zerstreut noch einige Mauerreste ver-
folgen, welche zum Theil aus abwechselnd gelegten länglichen Travertinblöcken (wie
die Umfriedungsmauer des Augustusforum) , zum Theil aber aus opus reliculalum, dem
in der Einleitung (S. 22) beschriebenen Netzfache, bestehen und insgesammt von dem
halbkreisförmigen Arkadenbau radienförmig zusammenlaufen.
Diese inneren und äusseren Ueberreste machen es im Zusammenhalt mit anderen
Ruinen der Art unbestreitbar klar, dass wir hier ein römisches Theater vor uns haben,
dessen Reconstruction aus dem noch Vorhandenen fast bis ins Einzelne ermöglicht
ist. Die halbkreisförmigen Arkadenreihen gehörten zur Aussenseite der Cavea (des
Zuschauerraumes), welche mit der offenen Seite dem Flusse zugewendet war. Die
radienförmigen Mauern im Innern trugen in ähnlicher Weise, wie wir diess am flavi-
schen Amphitheater sehen werden, die Sitzreihen und hatten das künstliche Netz von
Treppen und Gängen zwischen sich, das freilich bei den dürftigen Resten hier nicht
verfolgt werden kann. Die Gonvergenz und Richtung der Innenmauern aber lässt die
Lage des Ganzen aufs Genaueste bestimmen.
Von der Scena haben sich keine Spuren erhalten , wenn man nicht etwa den
beschriebenen einzelnen Pfeiler dazu rechnen will, obwohl er auf keinen Fall der
eigentlichen Scena, sondern vielmehr einem Nebenbau derselben und zwar dessen
Aussenseite angehören musste. Ueber die Gestalt derselben aber werden wir von
einem der capitolinischen Planfragmente unterrichtet, von welchem jedoch die eine
Hälfte zu den ergänzten Stücken gehört. Ueber die Verbindung dieses Planes mit der
Cavea des Theaters wird der beigefügte grosse Plan des Pompeiustheaters Aufschluss
geben. Es kann jedoch nicht verschwiegen werden, dass nach dieser Anordnung die
Schrift im Zusammenhalt mit den anderen bisher besprochenen Fragmentresten, nament-
26*
204
Das Marsfeld.
lieh von der Basilica lulia, nach der entgegengesetzten Seite gewendet ist, indem sich
die untere Seite nach Osten hinkehrt, während die Schrift der BasiHca lulia nach Westen
gewendet ist. Allein es ist in dieser Beziehung offenbar nur das festzuhalten, dass
die horizontale Schrift immer die gleiche, nemlich der bei uns üblichen entgegen-
gesetzte Stellung habe (vgl. S. 189), bei senkrecht stehenden Ueberschriften aber
nimmt man es ja selbst heutzutage nicht so ganz genau.
17. Die Buhne des Marcellustheaters. (Fragment des capilolinischen Planes.) (F. R.)
Dass die beschriebenen Ueberreste zu dem Theater gehörten, welches den
Namen des Marcellus trug, geht aus dem Umstände seiner Lage am Fusse des tar-
peischen Felsens hervor: denn an dieser Stelle wird das Theater des Marcellus im
Alterthume ausdrücklich bezeichnet. ^ Doch auch ausserdem könnte darüber kein Zweifel
obwalten , indem das alte Rom nur drei ständige Theater besass, und das des Pompeius
weiter nördlich , das des Baibus aber in der Nähe von Ponte Sisto (Antoninische Brücke)
nachgewiesen werden wird. Damit stimmt auch die Arbeit an der noch erhaltenen
Arkadenreihe und die schöne Fügung der Quadern vollkommen überein. Halbsäulen
und Gebälke sind entschieden stylgerechter und exacter behandelt, als diess an der
Aussenseite des Colosseum der Fall ist, und dienten desshalb vielen Gebäuden der
Renaissance als Muster, was sie auch weit mehr als die ornamentale Architektur des
flavischen Amphitheaters verdienten.
Das Theater wurde von Cäsar zu bauen begonnen, von Augustus vollendet
und unter dem Namen seines Neffen Marcellus im J. 741 d. St. (13 v.Chr.) einge-
geweiht,2 in demselben Jahre, in welchem auch das Theater des Baibus eröffnet
ward. Wahrscheinlich hat auch dieses Gebäude von dem grossen Brande unter Titus,
* Sueton. Caes. 44. * Dio Cass. XLIII, 49. — Sueton. I.e. Octav. 29. — Monum. Ancyr. (Chishull. p. 174.
»
Die Ueherreste der drei Tempel in S. Nicola in Carcere. 205
der auch die nahegelegene Porticus der Octavia sehr beschädigte, ' theilweise gelitten,
denn es wird erwähnt, dass von den Flaviern die Scena hergestellt worden sei.^ Im
5. Jahrh. war es noch im Gebrauche^ und soll 20,000 Zuschauer gefasst haben/
Aus dem darauffolgenden halben Jahrtausend haben wir von seinen Schicksalen
keine Kunde. Im 1 1 . Jahrhundert erscheint es im Besitze des Pietro Leone, welcher es
in eine Festung umwandelte und von hier aus sein Uebergewicht über Rom und den
heiligen Stuhl während seines ganzen Lebens zu behaupten wusste. Dass diese Be-
nutzung des Theaters dem grössten Theile desselben verderblich sein musste, versteht
sich von selbst: die Scene musste einer Ringmauer weichen, die Ruinen in der Mitte
wurden zu Hofräumen geebnet, aus dem gewaltigen Schutt der Cavea aber erwuchs ein
förmlicher Hügel, jetzt Monte Savelli genannt. Von den Nachkommen des Pierleone,
welche die von diesem begründete hervorragende Stellung aufrecht gehalten hatten,
gelangten die Besitzungen an die Savelli, bei welchen die in die Theaterruine hinein-
gebaute Burg bis zum Jahr 1 7i 2 verblieb. Nach dem Aussterben der Savelli kam der
Palast käuflich an die Orsini, in deren Besitze er sich noch befindet. Die Bogengewölbe
des eisten Stockwerkes dienen jetzt zu Werksätten verschiedener Art, zu Kneipen
und Trödelbuden. Die Bogen des zweiten Stockwerkes sind vermauert und zeigen mo-
derne Fenster, darüber thürmen sich noch zwei Stockwerke des Orsini'schen Palastes.
30. Ueberreste der drei Tempel in S. Nicola in Carcere. (Angeblich die
Tempel der Pietas, Spes und Inno Sospita.)
Die Piazza Montanara, von welcher aus wir eben die Ueberreste des Marcellus-
theaters betrachteten, entspricht wenigstens zum Theil dem antiken Forum Olitorium
(Fruchtmarkt), welches auffallender Weise ausserhalb der servischen Stadt lag. Das
Theater des Marcellus wurde nemlich an der Stelle des Tempels der Pietas er-
baut," welcher sich am Forum Olitorium befand.*^ Das Theater aber gehörte zur
IX. Region (Gircus Flaminius), somit auch das Forum, woraus sich die Lage von
beiden ausserhalb der servischen Stadt bestätigt.
Es werden aber auf diesem Forum mehre Tempel erwähnt, wie der Tempel
der Spes,^ der überdiess ausserhalb der porta Carmentalis befindlich genannt wird, ^
der Tempel der Inno Sospita (Matuta?),'' ein Heiligthum des lanus, von dem es jetzt
wohl sicher ist, ^" dass es nicht wie Servius angiebt,^^ das uralte des Numa gewesen
sei, das sich wohl nicht ausserhalb der Stadt befinden konnte, und der schon er-
1 Dio Cass. LXVI. 24. 2 Sueton. Vesp. 19. 3 Auson. Lud. Sept. Sap. v. 40, 41. < Curios. Urb. Rom.
Reg. IX. 5 piin. H. N. VII. 36. 121. » Liv. XL. 34. i id. XXI. 62. »id. XXIV. 47. XXV. 7. »id. XXXIV.
53. cf. XXXII. 30. 10 Jordan, zur röm. Topographie. Hermes IV. 229 fg. ^ Scrv. ad Virg. Aen. VlI. v. 607.
206
Das Marsfeld.
Wähnte Tempel der Pietas. Es lag nahe, beim Marcellustheater nach diesen Tempeln
zu suchen, und es finden sich wirklich die unverkennbaren Ueberreste von drei
Heiligthümern ganz in der Nähe.
Wendet man sich nemlich von der Piazza di Montanara südHch in die Via
della Bocca di Veritä, so findet man da, wo die Strasse zur Rechten sich in einen
kleinen Platz ausweitet, an der Fagade der Kirche S. Nicola in Carcere drei antike
Säulen theilweise unter moderner Ueberkleisterung. Eine genauere Untersuchung
der Säulen ergibt, dass sie von Travertin und canellirt sind, dass sie mit den
jetzt unter dem modernen Boden befindlichen korinthischen Basen und dem
ionischen Capital (Seitenvoluten) 8,70 Meter hoch sind und dass der Schaftdurch-
messer unten 0,95, oben 0,90 Met. beträgt. Durch ein kleines Yorhaus tritt man
in das Mittelschiff der Kirche selbst, welches der Gella des Tempels, dessen
Fronte die drei äusseren antiken Säulen angehörten, entspricht. Die in Travejtin
aufgeführten Cellawände fielen mit den Linien der Arcadenreihen der Kirche
zusammen und sind im Souterrain noch deutlich, theilweise selbst mit den Basa-
mentleisten und Eckpilastern verfolgbar; merkwürdigerweise hat sich sogar noch
ein Stück des Gebälkes der rechtseitigen Wand erhalten, obwohl bei Anlage der
Kirche die Wand durch die basilikale Säulenreihe ersetzt wurde. Man findet dieses
Gebälk, wenn man rechts vom Haupteingang der Kirche das Campanile bis zur
Dachplattform des rechten Seitenschiffes emporsteigt, und dann auf der letzteien
der Oberwand des Mittelschiffs entlang geht. Es ist 13,5o Met. lang, und besteht
aus einem dreistufigen Architrav von 0,63 Met. Höhe mit Perlenschnur und Herz-
blattschema im Bekrönungsl eisten, worauf fünf Stücke eines zweistufigen Gliedes
0,11, 0,18 und 0,36 M. hoch mit Perlenstab und Eierstab folgen, auf welchen, wenn
nicht schon zwischen ihnen die Steinbalken der Lacunariendecke des Pterons liegen
mussten, von welchen aber jede Spur fehlt. Das Ornament zeigt trotz des geringen
Materials (Travertin) schöne Ausführung. Der Säulenumgang ist bis auf die vor
der Fronte erhaltenen Säulen und noch zwei Säulen des Pronaos, welche in der
Kapelle zur Linken der Vorhalle der Kirche und zwar in der Wand dieser Vorhalle
eingemauert sein sollen, verschwunden.
In der oben erwähnten Kapelle zur Linken vom Eingangsraume findet man
aber in die linkseitige Aussenwand eingelassen 21 toscanisch dorische Travertin-
säulen mit ihrem durch Beseitigung der Stuckzierden kahlen Gebälk, das übrigens
das horizonlalausladende Kranzgesims noch deutlich erkennen lässt. Die Säulen
kommen auch ausserhalb der Kirche zum Vorschein, wie man findet, wenn man
durch die Sakristei in den schmalen Gang tritt, welcher die Kirche von dem an-
gränzenden Grundstück trennt. Hier sieht man sogar in ununterbrochener Reihe
Die üeberreste der drei Tempel in S. Nicola in Carcere. 207
6 von diesen Säulen, z. Th. noch vollkommen erhalten, und durch ihr etwas
stärkeres Hypotrachelion bemerkenswerth. Vom Gebälk ist hier nur mehr der
Architrav sichtbar und dieser ist ionisch zweifach gestuft und mit ionischem Be-
krönungsleisten versehen. Doch mussle diese Seite die Innenseite einer Portikus
bilden, die peripteral um die Gella geführt war. Die theilweise verschütteten Säulen,
lassen auf ein Gebäude von kleinen Dimensionen schliessen, welches von dem
Säulenkranz des ersteren Tempels nur 2 Met., von dessen Stereobat sogar noch
weniger abstand. Im 16. Jahrh. muss von diesem Tempel noch ungleich mehr
sichtbar gewesen oder durch Nachgrabungen zu Tage getreten sein, wie aus einigen
mit eingeschriebenen Notizen versehenen Plänen und Aufrissen in der florentinischen
Sammlung ersichtHch ist, deren Urheber zwar nicht sicher ist, aber der Schrift nach
jedenfalls dem Cinquecento angehört. Director A. Gnauth fertigte darnach die Zeich-
nungen, welche er zur Herstellung der beifolgenden Tafel sammt den zu Grunde liegen-
den höchst sorgfältigen Pausen dem Verfasser freundlichst zur Verfügung gestellt hat.
Da an der Nord- und Ostseite die Distanzen aller Säulen wie auch die Gesammtmaasse
genau angegeben sind, ausserdem die Abstände von zwei Säulen im Innern des
Pronaos und abgesehen von der Angabe des Gellamaterials (Peperin) die genauesten
Detailmaasse des Portals ja selbst das ßekrönungsprofil desselben vorliegen, so muss
man glauben, dass es sich hier nicht um eine der leider nicht seltenen willkür-
lichen Restaurationen der Renaissance, sondern um eine Befundaufnahme handelt,
welche wohl mit der Erbauung der noch bestehenden Privatgebäude und der da-
durch veranlassten Grundgrabungen zusammenhing, wonach nicht nothwendig ist
anzunehmen, dass selbst der Portalsturz noch in situ vorhanden gewesen sei. Nicht
unbedenklich erscheint freilich der griechisch gestufte Unterbau (Krepis), welcher
übrigens mit der nicht blos durch den Aufriss, sondern auch in der Beischrift aus-
drücklich hervorgehobenen Basenlosigkeit der Säulen zusammengehalten einen
dorischen Hellenismus darstellen würde, der sich im übrigen Aufbau nicht weiter
findet. Denn sowohl die Höhe der Säulen (15 Moduli) als die Säulenhaisbildung,
namentlich aber die ganze Gebälkbehandlung folgt der römischen Regel.
Geht man in das Seitenschiff zur Rechten, so sieht man auch noch von einem
dritten Gebäude einen Säulenschaft in die moderne Wand eingemauert. Dazu kom-
men im Souterrain der Kirche unter dem rechten Seitenschiff auf senkrecht abfal-
lendem Stereobat noch vier weitere und ein Eckpilaster, von welchen jedoch dort
ausser den attischen Basen wenig mehr sichtbar ist, da die Schäfte in der rechten
Aussenwand der Kirche sich verbergen. Doch dürften sie in der modernen Mauer
noch erhalten sein, da wenigstens das dazugehörige Gebälk noch an der ursprüng-
lichen Stelle nachzuweisen ist. Besteigt man nämlich die Bedachung des rechten
908 ^'^^ Marsfeld.
Seitenschiffes, so sieht man zur Rechten an der Wand des angränzenden Privat-
hauses und dem obenbeschriebenen Gella-Gebälk gegenüber einen i 4 Meter langen
Gebalktheil. Vom Architrav ist nur der obere Streifen, 0,4o M. hoch sichtbar. Der
Fries misst mit dem aus demselben Block gearbeiteten Architravgesims 1,15 Meter,
Das nur durch den Zahnschnitt ausgezeichnete Kranzgesimse misst sammt Siraa
0,85 Meter, welche Höhe der Ausladung gleichkömmt. Die Ausführung ist sehr 10h
und ärmlich, die ßlattleisten wie die Sima zeigen keinerlei Ornament und begnügen
sich mit dem schlichten Profil, was sich wohl durch den jetzt gUnzlich verschwun-
denen Stuckverputz des Travertin erklärt. Bemerkenswerth sind die zahlreichen
Löcher im Fries, welche auf angeheftete Zierden schliessen lassen. Die Werkstücke
sind von grossem Umfang und messen bis zu 21, 60 Meter in der Länge. Von zwei
Säulen der anderen Langseite dieses Tempels findet man noch die Schäfte in einem
Magazin der Farmacia Volpi (Via di Monte Savello, Nr. 7^) eingemauert. Sie zeigen
jedoch nur mehr die uncannelirten Schaftstücke aus Travertin, die Kapitale scheinen
verschwunden zu sein. Die Säulenhöhe berechnet sich auf 9,io Meter. Der Tempel war
demnach in altrömischer Art nur auf drei Seiten mit Säulen umgeben, indem die
Rückwand der Cella bis an die Seitenportiken vorspiang und hier in Pilastein endigte.
Die Kirche S. Nicola in Carcere steht demnach in den Ruinen des mittleren
von drei Tempeln, welche, an Grösse verschieden^ auch auf besonderen Sub-
structionen ruhend, nicht in Folge eines einheitlichen Grundplanes erbaut zu sein,
sondern mehr zufällig neben einander zu stehen scheinen. Wie auch aus den
Ornamentresten ersichtlich ist, sind sie nicht aus gleicher Zeit, jedoch wahrschein-
lich nach dem angewandten bescheidenen Material , aus der Zeit der Republik.
Da nun die Lage des Forum Olitorium hier ausser Zweifel, so Hess man sich leicht
bestimmen, die dreifache Ruine den drei Tempeln der Pietas, Spes und Inno Sospita
zuzuschreiben, welche am Forum Olitorium genannt werden.
Allein es wurde schon erwähnt, dass das Marcellustheater an der Stelle des
Pietastempels erbaut wurde, welcher von dem Consul M'. Acilius Glabrio in der
Schlacht bei Thermopylä gelobt und im J. 373 d. St. (181 v. Chr.) geweiht worden
war,^ desselben, der nach einer schwärmerischen Sage das Andenken an jenen Kerker
bewahren sollte, in welchem eine Tochter in aufopfernder Liebe ihrem gefangenen
Vater an ihren Brüsten das Leben fristete." Wenn die Worte des Plinius, dass der
Tempel da errichtet wurde, »wo jetzt das Theater des Marcellus ist«, buchstäblich zu
nehmen sind, so muss freilich die Annahme, dass der Pietastempel hier zu suchen
sei, verworfen werden. Ein solches Hinderniss findet sich nicht mit den Tempeln
1 Liv. XL, 34. 2 pHn. H. N. 1. c. Fest. s. v. Piotali.
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Verlag T.T.O.Weigel in Leipzig .
Lith. Anst.T.W.Loeillot iaBeriii.
Die drei Tempel von S.Nicola in Carcere.
Die üeberrcste der drei Tempel in S. Nicola in Carcere. 209
der Spes und der luno Sospita , von deren Lage wir ausser der Bezeichnung in foro
Olitorio^ wenig wissen, welche aber mögHcherweise der Ruine entsprochen haben
können. Der erstere wurde im ersten punischen Kriege von M. Atihus Galatiniis
erbaut und dann von Germanicus wiederhergestellt, ^ war also nicht unter die Tempel
einbegriffen , welche dem Marcellustheater hatten weichen müssen ; ^ der zweite ver-
dankte sein Entstehen einem Gelübde des C. Corn. Cethegus in der Schlacht gegen die
Insubrer und wurde im J. 558 d. St. (1 96 v. Chr.) geweiht. Die luno Sospita ist aber
nicht, wie häufig geschehen ist, mit der luno Matuta zu identificiren , welche als Mater
Matuta ihren Tempel innerhalb des carmentalischen Thores hatte, wie ausdrücklich er-
wähnt wird.* Was ihre relative Stellung betrifft, so möchte man behaupten, dass der
erstere südöstlicher, d.h. der servischen Mauer näher stand, denn er wird nicht nur, wie
schon erwähnt, »ausserhalb des carmentalischen Thores«, also offenbar nahe daran
stehend bezeichnet, sondern es wird auch hinzugefügt, dass er allein von den Tempeln
und Gebäuden ausserhalb der servischen Stadt von dem Brande , der den ganzen Stadt-
theil von den Salinen bis zur porta Carmentalis mit dem Aequimelium und Vicus lugarius
verzehrte, ergriffen worden sei.^ Die servische Mauer muss allerdings nahe an S. Nicola
in Carcere gesucht werden , und so kann der nächstliegende Tempel der Spes geweiht
gewesen sein. Auch den Tempel des lanus, der »beim Marcellustheater befindlich« ge-
nannt wird,^ der also jedenfalls weiter nordwestlich lag als der Spestempel, zur Er-
klärung der Ruinen beizuziehen, ist nicht räthlich, da derselbe jedenfalls von anderer
Form gewesen sein musste, als sie die Ueberreste erkennen lassen. Ohne inschriftliche
Funde wird man überhaupt zu keinem gewissen Resultate in dieser Frage gelangen.
Die beschriebenen Tempel scheinen frühzeitig verfallen und zu der Kirche benutzt
worden zu sein, welche als Diakonie schon von Anastasius Bibliothecarius erwähnt wird;
in die früheste Zeit gehören auch die Wandgemälde , welche man bei den letzten Aus-
grabungen entdeckt hat. Die Ergebnisse der beiden Nachgrabungen in und ausserhalb
der Kirche in diesem Jahrhundert waren verhältnissmässig unbedeutend. Bei den Ar-
beiten, die der Architekt Valadier im J. 1808 auf eigene Kosten unternahm, fand man
auf dem kleinen Platze vor der Kirche die Reste eines Piedestals für eine Reiterstatue, "^
was in der Annahme , dass die mittlere Ruine dem Tempel der Pietas entspreche , noch
bestärkte , da wirklich M'. Acilius Glabrio vor dem von ihm erbauten Tempel der Pietas
seinem Vater eine Reiterstatue errichtet hatte, welche die erste vergoldete in Rom war.^
Auch bei wiederholten Nachgrabungen im J. 1848^ machte man nur spärliche Funde.
' Liv. XXI. 62. XXXII. 30. * Cic. legg. II. c. 41. — Tacit. Ann. II. 49. — Dio Cass. L. 4 0.
' Dio Cass. XLIII. 49. * Liv. XXV. 7. * Liv. I. c. XXIV. 47. * Serv. \. c. ^ Guattani, Memorie en-
ciclopediche siille antichitä e belle arti di Roma. R. 4846. » Val. Ma.\. II. 5, 4. Liv. XL. 34. " L. Canina,
Sui tro tempi antichi esistenti nella chiesa di S. Nicola in Carcere. Annal. d. 1. d. C. a. 4 850. p. 347—856.
F. Rbbek, die Ruinen Roms. S7
9 /| 0 D^s Marsfeld .
Das Bedeutendste war ein kolossaler Marmorarm einer weiblichen Figur und Reste der
marmornen Schwelle und der Portalpfosten des Mitteltempels. Die im J. 18 48 begonnene
Restauration der Kirche aber unterblieb nach einigen Verwüstungen an der Fagade und
hatte den Schluss der Kirche zur Folge, der bis jetzt noch nicht aufgehoben worden ist.
31. Die Porticus der Octavia. Der Tempel der luno.
Kehrt man die Via della Bocca di Veritä wieder zurück und verfolgt , die Piazza
di Montanara überschreitend, in derselben Richtung die Via della Catena di Pescaria,
so gelangt man auf die kleine Piazza di Pescaria und zu einer anderen sehr bedeutenden
Ruine , welche die Nordseite dieses Platzes bildet. Trotz der Verstümmelung lasst sich
die Gestalt wie der Zweck dieses Baudenkmals leicht reconstruiren ; es war der Haupt-
eingang in eine Porticus, von welcher zu beiden Seiten in der Via della Catena di Pescaria
und in der Via di Pescaria , die an die Stelle der Porticus selbst getreten sind , noch
Säulen übrig sind, die mehr oder weniger aus den Mauern der modernen Häuser hervor-
ragen. Der auf dem kleinen Platze selbst befmdhche Eingang aber hatte die Form eines
Pronaos, innen und aussen je vier Säulen zwischen zwei Antenmauern an den Schmal-
seiten , welche jedoch durch Bogen mit den Hallen der Porticus auf beiden Seiten ver-
bunden und nach aussen in der Linie der Säulen und etwas hereingerückt mit Pilastern
geschmückt waren. Diese Eingangshalle war von grösseren Verhältnissen und breiter
als die sich an beiden Seiten anschliessenden Säulenhallen, die Säulen höher, stärker und
in grösserer Entfernung von einander. Von den acht Säulen haben sich jedoch nur mehr
vier, die beiden nordwestlichen der äusseren und der inneren Seite der Halle, von den
beiden Antenmauern , deren Backsteinbau ursprünglich mit Marmor bekleidet war, der
grösste Theil erhalten , an dem Carnies der Bogen selbst der Marmor. Die Marmorsäulen,
deren Basen unter dem modernen Boden begraben liegen , sind korinthischer Ordnung
und canellirt; der Schaft misst 8,6o Met. in der Höhe, 1,io Met. im unteren, 0,96 im
oberen Durchmesser. Das Capital, welches i,4o Met. hoch ist, zeigt statt der sonst
üblichen Sternschnecke an der Platte einen verstümmelten Adler mit dem Donnerkeil in
den Klauen. Das vormals ringsum laufende Gebälke ist auf der Stirnseite noch wohl
erhalten : während man jedoch an den Ueberresten der Seiten Architrav und Fries styl-
gerecht unterschieden sieht, findet man an der Fronte beide in eine Ebene gemeisselt,
auf welcher sich folgende Inschrift befindet:
impCaesLSeptimiVS SEVERVSPIus PERTINAX AVG ARABIC ADIABENIC-PaRTHIC MAXIMV
TRIB POTEST. Xl I MF • XI • COS • II I P p ET
Imp • Caes • M • AureliVS ANTON I N VS P I VS FELI X AVG Trib potest • V I • COS PROCOS
porticuni INCENDIO- CONsuinPTAM RESTItuerunt
Die Porticus der Octavia. Der Tempel der Tuno.
211
lieber dem Gebälke der Stirnseite erhebt sich, von einem einfachen, aber stark
vorspringenden Carnies umsäumt, der noch fast vollständig erhaltene Giebel, dessen
leeres und nur Spuren von christlicher Malerei zeigendes Tympanon eine Höhe von
2,60 Met. hat. Die Inschrift zeigt, dass diese gegen den Platz gewendete Seite die äussere
des Porticuseinganges war. Von der inneren haben sich weder Gebälke noch Giebel er-
halten. Wahrscheinlich musste hier ein Theil des Denkmals bei der Anlage der Kirche di
S. Michaele Archangelo weichen, in deren Glockenthürmchen eine der Säulen theilweise
eingeschlossen ist. ^
19. Porticus der Oclavia. (F. R.)
Treten wir nun zur Linken von der genannten Kirche durch die Halle selbst in
die Via di S. Angelo di Pescaria, so sieht man sogleich auf der rechten Seite der Strasse
das Capital einer Säule über die Hofmauer des Hauses No. 12 emporragen. Im Ge-
bäude selbst findet man drei Säulen, canellirt, mit Capitälen von zusammengesetzter
oder römischer Ordnung, deren unterer Theil sich im Kellerraume befindet. Die Schäfte
sind 12,50 Met. hoch, und haben unten 1,25, oben 1,o5 Met. im Durchmesser, die Capitäle
messen 1,5o Met. in der Höhe. Auch ein Architravstück ist noch vorhanden. Nach der
triangulären — ohne Zweifel noch ursprünglichen Stellung mussten diese drei Säulen
der linken Ecke eines Gebäudes und zwar, wie sich schon im Voraus vermuthen lässt,
27*
212 • D3S Marsfeld.
eines Tempels angehören. Allein es lässt sich nicht bloss dieses , sondern auch die Be-
ziehung, in welcher dieser Tempel zu der beschriebenen Halle stand, sammt den
Namen und der Bestimmung von beiden ermitteln.
Das Regionenverzeichniss der Notitia ^ gibt in der neunten Region (Circus Fla-
minius) und zwar in dem hier in Betracht kommenden Theile drei Portiken an, die
Porticus Philippi, Minucia vetus und Frumentaria. Hinsichtlich der Localität im Ein-
zelnen kann zwar hier aus der sonst so werthvollen Aufzählung nichts geschöpft wer-
den, denn es sind offenbar die gleichartigen Anlagen zusammengefasst , zuerst vier
Portiken mit Einschluss der Crypta Balbi, dann fünf Gebäude für öffentliche Spiele,
nemlich die drei Theater, das Odeum und das Stadium. Dass jedoch eine von den
drei Portiken die, von welcher wir noch einen so bedeutenden Rest übrig haben,
bezeichnet, ist nicht unwahrscheinlich, denn sie gehörte jedenfalls zu den grossartigsten
Anlagen und bestand , da wir noch eine so bedeutende Ruine davon besitzen , gewiss
noch in der Zeit, als jenes Verzeichniss abgefasst wurde. Allein eine besondere
Nachricht, 2 welche auch eine genauere topographische Angabe enthält, setzt gerade
hieher eine anders benannte Porticus: »Octaviae werden zwei Porticus benannt, die
eine, welche dem Theater des Marcellus näher Octavia, die Schwester des Augustus,
die andere, welche dem Theater des Pompeius zunächst Cn. Octavius . . . erbaute.«
Die letztere, deren Säulen bronzene Capitäle hatten, wesshalb sie auch Corinthia
genannt wurde, die übrigens schon zu Plinius Zeit nicht mehr bestanden zu haben
scheint, 3 kömmt hier nicht in Betracht, dagegen stimmt die Locahtät der ersten sehr
erwünscht mit der unserer Ruine tiberein. Damit in Einklang erwähnt eine andere
Notiz* einen Apollotempel bei der Porticus der Octavia, welche anderwärts^ ausser-
halb der Porta Carmentalis zwischen dem Forum Olitorium und dem Circus Flaminius
bezeichnet wird, was ebenfalls auf unsere Stelle passt. Das Schicksal aber, das mit
dem antiken Plane, dessen zahlreiche Reste an der Treppe des capitolinischen Museum
eingemauert sind , so unbarmherzig verfuhr und uns nur fast ebenso viele Räthsel als
Stücke bewahrte, hat uns den Grundriss dieser Porticus mit den von ihr eingeschlos-
senen Tempeln mit den nöthigen Namen (Tab. H.) vollständig erhalten und es uns
möglich gemacht, durch Vergleichung mit der beschriebenen Ruine die Identität zur
Gewissheit zu bringen. Wir ersehen aus diesem Plane zunächst, dass die Porticus
vierseitig und von oblonger Form war, mit dem Haupteingange an einer Schmalseite.
Die Dimension dieses Haupteinganges und das Verhältniss derselben zu den sich an
beiden Seiten anschliessenden Hallen stimmt mit dem Befund an der Ruine überein,
' Curios. Urb. Rom. Reg. IX. » Fest. s. v. Octaviae. ^ Plin. H. N. XXXIV. 3, 7, 13. * Plin.
H. N. XXXVI. 5, 4, 34. * Ascon. ad Cic. in tog. cand. p. 90. Or.
•
Die Porticus der Octavia. Der Tempel der luno.
213
und abweichend ist nur, dass sich die beiden Antenmauern mit den Durchgangsbogen
nicht verzeichnet finden, und dafür je sechs Säulen in einer Linie verzeichnet sind.
Allein es ist leicht möglich, dass diese Mauern erst bei der Restauration der Porticus
durch Septimius Severus angebracht worden waren, während vorher die ganze Eingangs-
halle von 1 2 Säulen getragen war, wodurch natürlich vier wegfallen mussten , die nun
durch Pilaster ersetzt wurden. Daraus geht weiter hervor, dass die Anfertigung des capi-
20. Die Porticus der Oclavia. Fragment des capiloiiiiischen Planes. (F. R.)
toUnischen Planes nicht über Septimius Severus herabgerückt werden darf, was übrigens
nur als Bestätigung für die auf einem Fragmente* selbst befindliche Angabe dient:
SEVERI ET An
TONINI AVG
N N
wonach der Verfertiger des Planes den Severus und Antoninus als die lebenden und
regierenden Fürsten bezeichnet.
' Bellorii Fragmenta vestigii veteris Romae. tab. IV. (Graev. Thes. Anl. Rom. Tom. IV. App. p. 8.)
21^ . Das MarsfelfJ.
Allein nicht bloss dieser Ueberrest steht demnach mit dem antiken Planfragmente
im Einklang. Denn gerade an der Stelle, an welcher wir die drei Säulen der linken Ecke
beschrieben haben, findet sich auch ein Tempel verzeichnet, dessen Pronaos jedoch der
Plan aus nicht zu erklärenden Gründen etwas verkümmert darstellt. Wir können kaum
glauben, dass der Sachverhalt dieser Zeichnung entsprechend gewesen sei, da nament-
lich Ecksäulen schlechterdings nicht fehlen konnten, weil auf ihnen weit mehr Last ruhte,
als auf den übrigen, die sich gegenseitig unterstützten. Wir müssen daher wohl diese
unerklärlichen Anomalien dem Meissel des Ichnographen zuschreiben , der die schwierige
und umfängliche Arbeit vielleicht übermässig beschleunigen wollte, und den Tempel nach
seiner sonstigen Gestalt als einen einfachen Prostylos hexastylos betrachten. Nach diesem
Plane mussten die drei Säulen in der Via di S. Angelo in Pescaria dem Pronaos des
Tempels angehören , der hier der Inno zugeschrieben wird. Daneben aber zeigt der Plan
den Grundriss eines Tempels des lupiter.
Von diesen beiden Tempeln finden sich auch mehre, doch sehr verwirrte Nach-
richten. Der erstere scheint schon im J. 574 d. St. (180 v. Chr.) gegründet worden
zu sein, wenn anders der Tempel der Inno Regina, welchen M. Aemilius Lepidus im
Circus Flaminius weihte,^ derselbe ist. Den Tempel des lupiter, der hier Stator bei-
genannt wird, bezeichnet Vitruv als das Werk des Hermod(or)us.^ Diesen nüchternen
und desshalb wohl Glauben verdienenden Nachrichten widerspricht jedoch eine etwas
märchenhafte Relation des Plinius,^ welcher den beiden Architekten Sauros und Batrachos
aus Lakedämon den Bau beider Tempel zuschreibt. Diese nun sollen sehr reich gewesen
sein und desswegen den Bau auf eigene Kosten geführt haben, in der Hoffnung, dafür
durch eine Inschrift an ihrem Werke sich verewigen zu dürfen. Da ihnen jedoch diess
verweigert worden war, suchten sie ihre Absicht auf eine andere Weise zu erreichen,
nemlich dadurch, dass sie ihre Namen symbolisch an den Basen der Säule anbrachten,
Eidechsen und Frösche {aavgog, ßargayioc) in dieselben meisselnd. Diese Nachricht von
der Verweigerung der Inschrift scheint nun in einer anderen Notiz * ihre Bestätigung zu
finden, in welcher ausdrücklich erwähnt wird, dass die beiden in die Porticus der Octavia
eingeschlossenen Tempel ohne Inschrift gewesen seien. Allein die Sage hat vielmehr
eben in dieser Inschriftlosigkeit der Tempel wie in der launigen Ornamentik an den Basen
ihren Ursprung, und aus der letzteren sind sicher erst die apokryphen Namen der beiden
angeblichen Lakonier entstanden , wie ja öfter an ältere Kunstwerke der Architektur und
Sculptur wie im Alterthume so auch im Mittelalter sich ähnliche Sagen knüpften. Was
aber diese an den Basen ausgemeisselten Thiere betrifft, so finden sie sich wenigstens
* Liv. XXXIX. 2. XL. 52. » Vitruv. III. 1,5. ' Plin. H. N. XXXVI. 5, 4, '.2. * Vellei. Pa-
terc. [, W, 3.
Die Porticus der Octavia. Der Tempel der luno. 2 I 5
an den noch übrigen Säulen des Iiinotempels nicht, und von dem danebenliegenden
lupitertempel , welcher sowohl nach dem antiken Plane als nach Vitriiv a. a. 0. ein
Peripteros war, haben sich keine Ueberreste erhalten und Nachgrabungen sind auch
dadurch nahezu unmöglich gemacht, dass jetzt die Kirche S. Maria in Campitelli seinen
Platz einnimmt. Und dass jene Curiosität in der Kirche S. Lorenzo fuori le mura,
nemlich das ionische Capital einer der dort befindlichen antiken Säulen zur Rechten
neben der Kanzel , welches in dem Auge der einen Volute einen Frosch , um das andere
herumgewunden eine Eidechse zeigt, nicht mit diesen Tempeln in Verbindung ge-
bracht und für einen Ueberrest derselben gehalten werden kann,^ was allerdings noch
im Umlaufe^ und von den Franziskanerbrüdern von S. Lorenzo den Besuchern der
höchst interessanten Kirche als erste Merkwürdigkeit mitgetheilt wird, das werden
diejenigen einräumen, welche es nicht dem Plinius (a. a. 0.) zur Last legen wollen,
dass er Basen und Capitäle verwechselt habe, denn er spricht ausdrücklich von den
spirae (Basen); und zu einer solchen Beschuldigung haben wir keinen Grund.
Wenn wir demnach auch den beiden erstangeführten Angaben über die Ent-
stehung der beiden Tempel mehr Glauben beimessen, so muss doch das aus der Sage
von Sauros und Batrachos festgehalten werden, dass beide Tempel zu gleicher Zeit
erbaut worden seien, wozu wir noch durch eine andere Legende bestimmt werden.
Plinius 3 berichtet nemlich weiter, es sei bekannt, dass in dem dort befindlichen lupiter-
tempel die Ausmalung und alle übrige Auszierung auf eine weibliche Gottheit bezüghch
seien. Dieser Tempel soll nemhch für die luno bestimmt gewesen sein, als aber die
Götterbilder in beide gebracht wurden, hätten sie die Lastträger verwechselt, und weil
die Götter selbst auf diese Weise ihren Aufenthalt gewählt zu haben schienen, so habe
man es dabei belassen zu müssen geglaubt. Desshalb sei auch die Auszierung im
Tempel der luno so, wie sie sich für den lupiter geziemte.
Das wird nach alledem als gewiss anzunehmen sein, dass Q. Cäcilius Metellus
Macedonicus, als er nach seinem Triumphe im J. 605 d. St. (149 v. Chr.) die Porticus
anlegte, die Tempel bereits vorfand, welche er durch seine Säulenhalle einschloss, und
dass jener marmorne Tempel, welchen er als den ersten der Stadt in diesem Materiale
erbaute,* entweder gar nicht in seiner Porticus lag, oder nur ein Neubau des schon vor-
handenen lupitertempels in derselben war. Das erstere wird aber dadurch wahrscheinlicher,
dass einerseits Phnius für die Verwechselungsgeschichte in den unpassenden Gemälden
noch Grund fand, anderseits aber besonders durch den Umstand, dass er das Elfenbein-
bild des Gottes in dem von Metellus erbauten lupitertempel ein Werk des Pasiteles
* Winkelmann, Ges. W. Bd. 1. Anmerkungen über die Baukunst der Alten. S. 879. * A. Nibby, Roma
nell' anno 1838. R. 1839. Parte T" nioderna p. 298. ' Plin. H. N. XXXVI. 5, 4, *3. * Vellei. Pat. I, 11.
216 Das Marsfeld .
nennt, ^ das Zeusbild des in die Porticus der Octavia eingeschlossenen lupitertempels aber
den Söhnen des Timarchides zuschreibt. ^
Wenn aber Metellus der erste war, der in Rom einen Tempel aus Marmor erbaute,
so konnten die, welche er bei Anlage seiner Porticus bereits vorfand, noch nicht aus
demselben Materiale gewesen sein , und wahrscheinlich waren auch die Hallen , welche
er erbaute, noch aus Landstein. Das gab demjenigen, der sich auf seinem Todbette
rühmte, Rom aus Ziegeln gebaut vorgefunden zu haben ^ und es in Marmor zurückzu-
lassen, Anlass zum vollständigen Neubau. Die vierseitige Porticus erstand nun ganz
in Marmor und wurde im Namen der Schwester des Augustus, der Octavia, eingeweiht.*
Dass bei dieser Gelegenheit auch die Tempel mit Marmor bekleidet und mit Marmorsäulen
geschmückt wurden , ist klar ; die Porticus der Octavia erscheint auch öfters unter dem
Namen opera Octaviae,^ was offenbar mehr besagt, als die blosse Umfriedung. Ueber-
diess baute Augustus an die Tempel noch andere Räume an , welche vielleicht eine Er-
weiterung der Porticus hinter den Tempeln nothwendig machten und von welchen der
an die Tempel unmittelbar sich anschliessende, freilich etwas räthselhafte Theil auf dem
antiken Planfragmente noch erhalten ist. Für diese Räumlichkeiten finden sich die Namen
bibliotheca^ oder bibliothecae,^ curia ^ und schola^ oder scholae^"^ Octaviae. Ob diess
ein und dieselben Räume waren, wie Becker ^^ glaubt, ist sehr zu bezweifeln, denn
wenn Plinius von einem Kunstwerke in der curia Octavia spricht, und dann fortfährt,
dass in derselben schola noch andere Kunstwerke unbekannten Ursprungs seien , so be-
zieht sich das eadem sicher auf das Cognomen Octavia und auf die Localität im Allge-
meinen, denn um dieselbe engere Räumlichkeit zu bezeichnen, hätte Plinius sich nicht
verschiedener Namen bedient. Was aber die Disposition dieser RäumUchkeiten betrifft,
so vermuthe ich, auf den antiken Plan gestützt, dass die Bibliotheken an die Tempel an-
gebaut waren und dass die Curia ein grösserer Saal gewesen sei, der sich an die Nord-
westseite der Porticus in der Mitte anlehnte, um welche sich dann die Amtslocale (scholae)
zu beiden Seiten so gruppirten, dass sie vielleicht selbst die vierte Seite der Porticus
bildeten und den Tempelraum abschlössen.
Der ganze Complex mochte so an baulicher Pracht eines der kleineren Kaiserfora
nahezu erreicht, hinsichtlich des Reichthums an Meisterwerken der Sculptur und Malerei,
der dahin zusammengebracht war, dieselben sogar überflügelt haben. Von dem Zeus der
Söhne des Timarchides in dem einen der beiden Tempel wurde schon gesprochen; in dem
' Plin. H. N. XXXVI. 5, 4, 40. * id. XXXVI. 5, 4, 35. » Dio Cass. LVI. 30. — Sueton. Aug. 28.
*Sueton. Aug. 29. Ovid. Art. III. Y. 391. » Plin. H. N. XXXIV. 6, 14, 31. — XXXVI. 5, 4, 15. Dio Cass.
LXVI. 24. • Plut. Mareen. 30. ' Sueton. de ill. gr. 21. — Dio Cass. XLIX. 43. LXVI. 24. » Pliii.
H. N. XXXVI. 5, 4, 28. » id. XXXV. 10, 37, 114. XXXVI. 5, 4, 29. "* id. XXXVI. 5, 4, 22.
" H. d. r. A. Bd. I. p. 611 fg.
Die Porticus der Octavia. Der Tempel der luno. 217
Tempel der luno werden die Marmorbilder des Aesculap und der Diana von Kephisodotos ^
erwähnt. Vor den Tempeln war die berühmte Reitergruppe des Lysippus , in welcher die
Freunde des Alexander porträtähnlich dargestellt waren , ein Kunstwerk , das schon Me-
tellus als Siegesbeute von Dium in Macedonien nach Rom gebracht und in (?) seiner Por-
ticus aufgestellt hatte.^ Der capitolinische Plan aber zeigt vor beiden Tempeln grössere
Piedestale, woraus vielleicht geschlossen werden darf, dass die Gruppe getheilt worden
sei, was wohl geschehen konnte, da sie nach Arrian (a. a. 0.) aus nicht weniger als
25 Reitern bestand; doch ist auch noch eine andere unten zu besprechende Annahme
möglich. Von der Curia der Octavia wird der bHtzhaltende Cupido unbekannter Herkunft
vorzüglich gerühmt, und von der Schola werden vier Satyrn und zwei Aura, auf ihren
als Segel gespannten Gewändern schwebend, ^ deren Meister ebenfalls nicht bekannt war,
besonders aber der berühmte Cupido des Praxiteles,'^ dessen in den Schriften des Alter-
thums so oft gedacht wird, erwähnt. Die letztere war auch mit Gemälden geschmückt,
darunter die Hesione und die Gruppe des Alexander und Philipp mit der Minerva von
Antiphilus,^ dem Nebenbuhler des Apelles. Ganz allgemein »in der Anlage der Octavia
befindlich« wird eine marmorne Venus des Phidias^ und eine sitzende Corneha aus Bronze
von unbekannter Hand,'^ welche allerdings mehr als historisches denn als Kunstdenkmal
zu betrachten ist, genannt.
Bald nach der glänzenden Senatsversammlung in der Curia der Octavia, in wel-
cher Vespasian und Titus vom jüdischen Kriege zurückkehrend empfangen wurden,*' sank
die ganze Pracht der Anlage durch den grossen Brand unter Titus im J. 80 n. Chr.,
welcher einen grossen Theil der Nordhälfte Roms verzehrte, in Trümmer,^ und dabei
gingen auch die Bibhotheken und der grösste Theil der Kunstwerke unersetzbar zu
Grunde. Die grosse Ausdehnung des Brandes erlaubte nur die sofortige Herstellung des
Wichtigsten, und so scheint die Anlage der Octavia 120 Jahre lang als Ruine liegen ge-
blieben zu sein, es wird wenigstens nichts von einem Wiederaufbau in der Zwischenzeit
berichtet. Erst der Kaiser L. Septimius Severus unternahm im J. 203 n. Chr., welches
dem 1 1 . Jahr der Regierung oder der tribunicischen Gewalt des Septimius Severus ent-
spricht, den Wiederaufbau, wie aus der Inschrift ersichthch ist, welche sich noch fast
vollständig am Gebälke des Porticuseinganges erhalten hat, also in demselben Jahre, in
welchem auch der Triumphbogen des Severus am Forum Romanum errichtet worden
war. Die Inschrift gibt auch Zerstörung durch Brand als die Ursache des Wiederaufbaues
an, lässt es jedoch unbestimmt, zu welcher Zeit dieser stattgefunden habe. Auffallend
' Plin. H. N. XXXVI. 5, 4, 24. * id. XXXIV. 8, 49, 64. — Vell. Pat. I. -11, 3. — Arrian. Anab. I. 16.
' l'lin. H. N. XXXVI. 5, 4, 28. 29. * id. XXXVI. 5, 4, 22. * id. XXXV. 10, 37, 114. « id. XXXVI.
ö, 4, 13. ^ id. XXXIV. 6, U, 31. cf. Plut. G. Gracch. 4. * Flav. loseph. VII. 16. " Dio Cass. LXVI. 24.
F. REnER , die Ruinen Roms. 28
9'| g Das Marsfeld.
ist an dieser umfönglichen und in grossen Charakteren geschriebenen Dedication, dass
man nicht wie an den Inschriften am Triumphbogen und an der kleinen Ehrenpforte am
Forum Boarium Spuren von der nachmah'gen Tilgung des Namens des unglücklichen
Geta wahrnimmt, wenigstens bei den bisherigen Untersuchungen nicht entdeckt hat.
Dass Geta hier ursprünglich unberücksichtigt geblieben sei , ist nicht denkbar, da der
Vater seinen beiden Söhnen gleiche Ehren zu erweisen fast zu ängstlich bestrebt war;
es ist daher wohl zu vermuthen, dass wir die vierte Zeile nicht in ursprünglicher Fassung
vor uns haben, wenn nicht Caracalla nach dem Tode seines Vaters und der Ermordung
seines Bruders die ganze Inschrift umarbeiten Hess. Dem Neubau des Septimius Severus
gehört auch der erhaltene Theil der Porticus an, was aus Styl und Arbeit mit Sicherheit
zu erkennen ist.
Wie es sich mit der damaligen Ausschmückung verhielt, ist schwer zu sagen, viel-
leicht hatten noch einige Kunstwerke den Brand überdauert, vielleicht stellte Septimius
Severus wieder andere dazu auf. Dass die Räume nicht ganz leer blieben , beweist die
berühmte mediceische Venus, welche im 17. Jahrhundert hier ausgegraben wurde, ^ ein
Fund, der auch anderen Nachgrabungen Aussicht auf Erfolg gäbe, wenn sie nicht durch
die dichte Bevölkerung, welche jetzt diesen Platz besetzt hat, fast unmöglich gemacht
wären. Auf der Piazza di Pescaria selbst müsste man jedenfalls auf die Ueberreste eines
Denkmales stossen, dessen Pfeiler auf dem capitolinischen Plane verzeichnet stehen,
über dessen Bedeutung bei mangelnden classischen Erwähnungen sich jedoch nichts Ge-
wisses sagen lässt. Nach der sehr unbefriedigenden Zeichnung auf dem capitolinischen
Planfragmente scheint es etwa ein Ehrenbogen oder lanus Bifrons gewesen zu sein, der
hier wohl von Metellus, Augustus oder Septimius Severus oder wenigstens in deren Zeit
errichtet worden sein konnte, ohne dass wir davon weitere Kunde haben. Möglich ist
aber auch , dass hier die berühmte Alexandergruppe von Dium aufgestellt war, was so-
gar noch ansprechender zu sein scheint, als diese auf die zwei wohl zu kleinen Piedestale
vor den beiden Tempeln zu vertheilen. Nach Septimius Severus haben wir von den
weiteren Schicksalen der Anlage keine Kunde mehr. Nur der grosse Bogen , welcher an
die Stelle von zwei Säulen an der Aussenseite des Porticuseinganges getreten ist und
dessen Ziegelbau aus dem fünften Jahrhundert zu sein scheint, beweist, dass damals der
Neubau des Septimius Severus arg gelitten und namenthch der Eingang zwei Säulen ver-
loren habe, welche durch diesen Bogen ersetzt wurden, ein Ersatz, der freilich nur in
einer sehr barbarischen Zeit gebaut werden konnte , aber wenigstens das Denkmal vor
gänzlichem Einsturz bewahrte, dem wir also, so verunstaltend er auch ist, die Erhaltung
* Memorie di varie escavazioni fatte in Roma e nei luoghi suburbani vivente Pietro Santi Bartoli n". 108.
(C. Fea, Miscellanca. R. 1790. p. CCLIII.)
Die Porticus der Octavia, Der Tempel der luno. 219
dieser Ruine zu danken haben. Im Uebiigen muss die Anlage frühzeitig verfallen sein
und ihren Namen verloren haben. Schon im 9. Jahrhundert scheint sie der Anonymus
von Einsiedeln, der doch den Weg von Lorenzo in Damaso nach S. Maria in Cosmedin
im Uebrigen genau und anschaulich beschreibt, nicht mehr namentlich zu kennen,^ im
12. Jahrhundert 2 erscheint sie schon (nach der Inschrift) unter dem Namen Porticus Se-
verini , woraus im folgenden Jahrhundert ^ ein Templum Severianum geworden ist. Im
15. Jahrhundert trägt sie den Namen porticus aedis Mercurii/ den selbst Palladio bei-
behielt,^ während die Mirabiha Urbis Romae von 1618 mit der Bezeichnung einer Porticus
der luno an der Via triumphalis ^ der Wahrheit etwas näher rücken. Seit Beiziehung des
antiken Planes kann jedoch über den Namen kaum noch ein Zweifel herrschen.
Dasselbe Planfragment gibt uns auch Aufschluss über die nordwesthch an-
stossende Anlage, denn über einer nicht weit abstehenden anderen Porticus lesen wir
die Aufschrift:
AEDIS HERCVLIS mVSAI
was offenbar in aedis Herculis Musarum zu ergänzen ist, welche mehrfach und zwar mit
der Bezeichnung »m circo Flaminioa erwähnt wird. Dieser Tempel wurde von M. Fulvius
Nobilior, der über die Aetoler triumphirte, wahrscheinlich nach dem Triumphe 566 d. St.
(188 V. Chr.) erbaut, als ein Siegesdenkmal von einem die Künste der Musen ehrenden
Feldherrn, der selbst ein persönlicher Freund des Dichters Ennius war, und als ent-
sprechende Räumlichkeit für die aus Griechenland und namentlich aus Ambrakia weg-
geschleppten Kunstwerke, unter denen ein kitharaspielender Herakles und die neun Musen
besonders hervorragten.'^ Der Tempel erfuhr durch L. Marcius Philippus, des Augustus
Stiefvater, nicht blos einen totalen Umbau, ^ sondern wurde auch von demselben mit einer
Porticus umgeben , der die Anlage der benachbarten der Octavia ähnlich machte.^ Diese
Porticus nun muss die sein, deren eine Seite auf unserem oben abgebildeten antiken
Planfragmente noch sichtbar ist, allein dasselbe Fragment könnte leicht auf den Ge-
danken bringen, die Porticus der Octavia sei mit der Porticus des Philippus identisch.
Denn während an der fraglichen Stelle nur der Name des in der Porticus eingeschlos-
senen und nicht mehr sichtbaren Hercules- und Musentempels verzeichnet ist, finden sich
die ersten Buchstaben des Namens Philippus neben der Octavia, nemlich
porticVS OCTAVIAE ET PHiiippi
' Arch. f. Pliilol. u. Paedag. Suppl.-Bcl. V. S. 129. ' Ordo Rom. (.Mabillon, .Mus. Ital. tom. II. p. <23.
^ Lib. de Mirabil. Urb. Rom. (Montfaucon, Diar. Ital. p. 29ö.) * Poggii Florentini de fortunae varietate Urbis
Romae et de ruina eiusdem descriptio. Opp. Basil. s. a. p. 135. ' Antiquitates almae Urbis Romae. R. 4618.
p. 21. « Mirabilia Urb. Romae. R. 1618. p. 57. ^ Eumen. pro inst, schol. Aug. c. 7. — Cic. p. Arch. XI. 27.
Macrob. Sat. I. 12. — Ovid. Fast. VI. v. 799 sq. cf. Becker, H. d. r. A. Bd. 1. S. 612 fg. " Sueton. Aug. 29.
Ovid. Fast. VI. 801. " Plin. H. N. XXXV. 10, 37, 114.
28*
990 ^^^ Marsfeld.
freilich nur in sehr verstümmeltem Zustande, für deren genaue Nachbildung jedoch ge-
bürgt werden kann. Eine andere Ergänzung als die gegebene wird kaum möglich sein.
Dass jedoch die Porticus der Octavia und die des Philippus, obgleich aneinanderstossend,
verschieden waren, erhellt unwiderleglich schon aus einer einzigen Stelle des PHnius,
in welcher neben den Kunstwerken, die sich in der ersteren befanden, mit genauer Un-
terscheidung dann die in der Halle des Philippus befindlichen angeführt werden , abge-
sehen davon, dass die letztere auch als die Umfriedung des Herculestempels bezeichnet
und nirgends mit der Anlage der Octavia identificirt wird, was auch schon mit dem Um-
stände unvereinbar wäre, dass diese an die Stelle der Halle des Metellus trat. Es scheint
also, dass die angegebene Ueberschrift des capitolinischen Planes sich auf beide Portiken
bezogen habe. Dass man aber später beide Namen confundirte, dürfte schon daraus her-
vorgehen, dass in der Notitia nur mehr die Porticus des Philippus genannt wird. Nach-
weisliche Reste von derselben und dem davon eingeschlossenen Tempel sind nicht mehr
vorhanden.
32. Die Crypta des Baibus.
Verlassen wir nun endlich die Piazza di Pescaria, den Fischmarkt, wieder, einen
Theil der Stadt, der, durch seinen Geruch und seine Unreinlichkeit einer der unange-
nehmsten Roms, einen so empfindlichen Contrast mit der zertrümmerten Pracht der au-
gusteischen oder durch die Restauration vielmehr septimischen Anlage bildet. Von der
Piazza di Pescaria gelangen wir durch das enge, dunkele und oft überwölbte Fischmarkts-
gässchen, die Via di Pescaria, auf die Piazza di S. Maria del Pianto oder nach dem bekann-
teren Namen Piazza Giudea, dem alten Judenplatze, an dessen östhcher Seite auf einem
langen wahrscheinlich antiken Gebälkstreifen in den Häusern No. 31 — 36 eine theilweise
verstümmelte Inschrift wohl aus dem frühesten Mittelalter zu lesen ist, welche diesen
Platz als das Forum ludeorum bezeichnet. Diesen Platz quer überschreitend , kommen
wir an der Piazza Cenci vorbei in die Via di S. Maria in Cacaberis und erblicken bald zur
Rechten, von den modernen Häusern bis auf die Aussenseite verbaut, No. 23, eine ziem-
Hch unansehnHche Ruine. Zwei dorische Halbsäulen von Travertin, stark verstümmelt und
zur Hälfte unter dem modernen Boden, ein grossentheils aus Ziegeln bestehendes, jetzt
alles architektonischen Schmuckes beraubtes Gebälke tragend , lehnen sich an zwei Pfei-
ler ebenfalls aus Travertin, die durch einen Backsteinbogen von 5,65 M. Spannung in
Verbindung stehen. Die Verschüttung reicht bis an den Bogenansatz. Aus verschiede-
nen Spuren innen und aussen lässt sich wahrnehmen, dass dieses Erdgeschoss noch ein
zweites trug , über dessen Gestalt sich jedoch nichts Gewisses sagen lässt. Der Bogen
ist jetzt vermauert , ein elendes Thor schliesst Stall und Remise , wozu jetzt die Ruine
Die Crypia des Baibus.
221
dient. Tritt man in diese (No. 23), so sieht man, den beiden äusseren entsprechend, zwei
andere Pfeiler, und in gleicher Entfernung weiter nach innen ein drittes Paar, welches
jedoch eine halbrunde Nische zwischen sich einschliesst. Reste ähnlicher Beschaffen-
heit sieht man in dem rechts anliegenden Hause (No. 22), nur zeigt die Nische hier
rechtwinkelige Form. Auch in den tibrigen Häusern dieser Strasse sieht man noch zer-
streute Reste solcher Pfeiler.
Aus den vorhandenen Resten kann mit Sicherheit geschlossen werden, dass sie
einem Gebäude angehörten, welches nach aussen eine doppelte Bogenhalle bildete. Das
Gebäude überhaupt zu reconstruiren , gestatten zwar die dürftigen Ueberbleibsel nicht.
^:^miP:
2t. Die Crypta des Baibus. (F. U.)
(loch scheint man im 1 6. Jahrhundert nach den Aufnahmen des Architekten Serlio noch
weit mehr davon gesehen zu haben. Wie viel von dem dort Gegebenen auf Rechnung des
berühmten Bolognesers zu setzen sei und wie viel Thatsächliches an seinen Restaurationen
ist, können wir allerdings nicht unterscheiden, doch ist gewiss das nicht aus der Luft ge-
griffen, was ihm selbst auffiel, nemlich, dass ein zweites Stockwerk mit korinthischen Pi-
lastern doppelt so viele Bogenöffnungen hatte, wodurch immer ein Pfeiler des oberen
Stockwerkes auf die Mitte des unteren Bogens zu stehen kam. Wenn daher Canina bei
seiner Restauration der Ruine sich an Serlio anlehnt, so wäre diess wenigstens in dieser
Beziehung eben nicht zu tadeln, weit bedenklicher aber erschien mir bei Canina die Bei-
ziehung eines antiken Planfragmentes, das nur in ganz entstellter Weise für seine Zwecke
passt.
222 I^3S Marsfeld.
Obgleich demnach auf eine vollständige Restauration unserer Ruine verzichtet
werden muss , entbehrt doch ihre jetzt meist übliche Benennung Crypta Balbi nicht der
Wahrscheinlichkeit. Unter Crypta, welche beiPlinius^ beschrieben und auch vonSueton^
erv^ähnt wird, versteht man einen Hallengang , der entweder an den Seiten oder nur an
der Wölbung verschliessbare Fensteröffnungen hatte, Corridore, desshalb sowohl als
öffentliche Anlagen, wie beim Privatbau sehr behebt, weil sie vor Regen, Wind und Sonne
schützten, im Sommer eine angenehme Kühle und im Winter eine behagliche Wärme
hatten, und sich desshalb zum Lustwandeln in Zeiten, wo man das Freie meiden musste
und wo selbst Säulengänge nicht ausreichten, trefflich eigneten. Von beiden Arten kom-
men noch viele Beispiele vor, namenthch von solchen, welche auf einer Seite Bogen-
öffnungen hatten; doch auch von den anderen, welche auf beiden Seiten geschlossen
waren und ihr Licht nur durch kleine Fenster im Scheitel der Wölbung erhielten, werden
wir noch Beispiele in den neronischen Anlagen unter den Thermen des Titus und in der
hadrianischen Villa bei Tibur finden und bespi^echen. Wir haben hier eine doppelte Halle
der ersten Art, und da wir von der Notitia ^ in der Region Circus Flaminius w irkhch eine
Crypta Balbi angegeben finden, so hat es viel für sich, die Ruine darauf zu beziehen, ins-
besondere weil auch das Theater des Baibus, mit dem die Crypta ohne Zweifel, wie die
Portiken des Pompeius mit dem Pompeiustheater, in Verbindung stand, in dieser Gegend
sich befunden haben muss. Wir haben zwar von der Lage dieses Theaters, welches
Cornelius Baibus, des Augustus Freund, erbaute (dedicirt 741 d. St., 13 v.Chr.), aus dem
Alterthume keine genauere Kunde, als dass es in der Region Circus Flaminius (a. a. 0.)
war und zwar so nahe am Tiber , dass es den Ueberschwemmungen des Flusses ausge-
setzt war, * allein dasselbe scheint im Mittelalter unter einem anderen Namen viel ge-
nauer bezeichnet zu werden. Der Ordo Romanus ^ nemlich führt ein Theatrum Antonini
an. welches die Procession des Papstes durchschritt, als sie sich auf dem Wege von
S. Anastasia nach dem Vatican von der Via di Cacaberis (templum Craticulae) in die Via
della Regola (maior via Arenulae) bqwegte. Im nächsten Jahrhundert ^ wird dieser An-
gabe entsprechend das Theater des Antoninus neben der antoninischen Brücke (Ponte
Sisto) genannt, was die Locahtät noch bestimmter gibt. Dass nun unter diesem antoni-
nischen Theater das des Baibus zu verstehen sei, ist mehr als wahrscheinlich. Denn die
classischen Angaben lassen uns überhaupt nur drei Gebäude der Art im Marsfelde und
überhaupt in Rom annehmen , die Theater des Pompeius , Marcellus und Baibus , welche
drei auch in der Notitia (a. a. 0.) aufgezählt werden. Wenn man nur einen Blick in die
* Plin. See. Ep. L. II. 17. = Sueton. Calig. 58. * Curios. Urb. Rom. Reg. IX. * Dio Cass.
LIV. 25. » Ordo Romanus (1143). (Mabillon Mus. Ital. tom. II. p. 126.) * Lib. de Mirabilibus Romae.
(Montfaucon, Diar. Ital. p. 286.)
Der angebliche Tempel des Mars. 223
Producte bodenloser Unwissenheit, wie sie der Ordo Romanus und die Mirabiiia liefern,
wirft, so kann es-auch nicht wundern, das Gebäude nicht mit dem rechten Namen be-
nannt zu finden, und wollte man nach den Gründen forschen, warum dieses Theater un-
ter dem Namen desAntoninus erscheint, so hätte man zunächst zwischen den zweien die
Wahl, dass es der antoninischen Brücke zunächst lag und den Namen daher bezog oder
dass an irgend einem Theile der Ruine eine Restaurationsinschrift aus der Zeit der Anto-
nine sich befand, was auch leicht sein konnte, da das Gebäude unter Titus abgebrannt
war, '^ wonach man das ganze Theater in derselben Weise , wie die Porticus der Octavia
nach der Inschrift des Septimius Severus, benannte. Wenn wir aber angenommen ha-
ben, dass der Name des Antoninus nur ftilschlich für einen anderen der drei bekannten
Theater substituirt worden sei, so können wir auch von diesen nur auf das des Baibus
denken, indem die beiden anderen Theater nachweislich an anderen Stellen sich befun-
den haben, nemlich das des Pompeius weiter nördlich, das des Marcellus südöstlich, wo
sich auch noch Ueberreste erhalten haben.
Weitere Belege für die Annahme , dass die beschriebenen Corridorüberreste zur
Grypta Balbi gehörten, haben wir allerdings nicht, denn obwohl es kaum zweifelhaft sein
kann, dass diese Ruine es ist, welche der Ordo Romanus und die Mirabiiia an den ange-
zogenen Stellen mit dem räthselhaften Namen templum Craticulae belegen, da die letzte-
ren diesen ausdrücklich als in der Gegend von Caccavari (das heutige Cacaberis) befind-
lich bezeichnen, so kann doch die Ableitung des Wortes Craticula von Grypta oder einem
angeblichen und hier sinnlosen Deminutivum crypticula^ kaum gebilligt werden. Zu voll-
ständiger Sicherheit wird man demnach hinsichtlich dieser Ruine bei vollständigem Man-
gel an Inschriften oder classischen Nachweisen wohl nicht gelangen können.
33. Der angebliche Tempel des Mars.
Setzen wir unseren Weg in der eingeschlagenen nördlichen Richtung fort, so
kommen wir von der Via di S. Maria in Cacaberis an der Piazza dei Branca vorbei in die
Via degli Specchj und gelangen da , wo die Via di S. Salvatore in Carapo von der letzt-
genannten abzweigt, an einen anderen, allerdings nicht sehr bedeutenden Ueberrest. Er
besteht in sechs Säulen stumpfen , wovon fünf nebeneinander von einer Reihe sind, der
sechste aber, 1 2 Met. von jenen abstehend, einer anderen Seite angehört. Nichts mehr da-
von ragt über den modernen Boden, doch sieht man die stark entstellten Basenstücke noch
in den Kellern unter der Mauer, welche das Eckhaus gegen die Via di S. Salvatore in Campo
' Dio Gass. LXVI. 24. ' Nibhy, Roma nell' anno 1838. Parte 11''". atilica. p. 392.
294 D^s Marsfeld.
be'^änzt theils in dem des Hauses No. 9 in der Via degli Specchj, tiieils in den beiden an-
stossenden der zwei genannten Strassen. Diese Säulen ruhen auf einer einfachen 2, 15 M.
hohen Substruction von Travertin, welche nur durch einen schmucklosen etwas vorsprin-
genden Leisten gezeichnet ist, den Ganina eine Stufe der von ihm angenommenen Treppe
bilden lässt. Ausser einer hohen, dorischen Verhältnissen entsprechenden Platte zeigt
auch die Base, aus einem einfachen Wulste bestehend, dorischen oder vielmehr tuscischen
Styl, so dass es sehr auffallt, in den erhaltenen unteren Schaftstücken die halbkreis-
förmigen und durch breite Stege getrennten Canelluren des ionischen oder korinthi-
schen Styles, deren abgerundeter Ansatz jedoch schon unmittelbar am Anlaufe beginnt,
wahrzunehmen. Die Schäfte haben unten, so viel man bei der starken Verstümmelung
und Verkleisterung ermitteln kann, einen Durchmesser von 1,23 Meter; der Zwischen-
raum zwischen zwei Basen jedoch beträgt nicht einmal so viel; so dass die Säulen-
stellung als pyknostyl zu bezeichnen ist.
Welchem Gebäude nun diese Säulen angehörten, ist nicht zu ermitteln. Als die
Ruine i. J. 1837 durch Herrn Baltard, einen jungen Pensionär der französischen Aka-
demie in Rom, bei Gelegenheit seiner Forschungen über das Pompeiustheater entdeckt
ward, ^ bezog man sie auf die Porticus Octavia, jene Halle, welche von Cn. Octavius,
der über Perseus von Macedonien triumphirte, erbaut worden war. ^ Diese Porticus
befand sich nach der citirten Stelle ganz nahe am Pompeiustheater, nach einer an-
deren^ in der Region des Circus Flaminius, welche Angaben allerdings unter vielen
anderen auch die Annahme dieses Platzes möglich machten; allein dem steht entge-
gen, dass Plinius * diese Porticus als eine nicht mehr bestehende zu erwähnen scheint,
und insbesondere, dass die Reste die engste Säulenstellung zeigen, während nach
Vitruv^ bei Portiken gerade umgekehrt die weiteste üblich war. Es hat demnach schon
Canina^ es vorgezogen, die sechs Säulen dem Tempel des Mars zuzuschreiben, wobei
zunächst nur gegen seine Identificirung dieses Tempels mit dem, der bei Vitruv '^ in
den meisten Handschriften Mariana und nirgends Martiana hiess , zu protestiren ist. *
Es ist vielmehr bei Vitruv von dem Doppeltempel des Honos und der Virtus von Marius
oder nach einer weit plausibleren Conjectur von Marcellus die Rede, welcher Letztere
sich in der Region Porta Capena befand, hier aber von dem Marstempel, den lunius
Brutus Callaicus durch den Architekten Hermodoros aus Salamis erbaute (vgl. S. 225,
Anm. 2 und 3).
* Teatro di Pompeo. Scavi Romani. (Bulletino dell' Instit. di C. A. VI. a. Giugno. 183-7. p. 88. 89.)
- Fest. s. V. Octaviae. ^ Vell. Pat. 11.-1. * Plin. H. N. XXXIV. 3, 7, 13. ^ Vitruv. V. 9. ^ Aiinal.
d. I. d. C. a. tom. X. 1838. p. 1 sq. ^ Vitruv. III. 1. " Canina, GM Edifizj di Roma antica. Roma 1848.
Vol. I. p. 88.
Der angebliche Tempel des Mars. 225
Allein auch die Annahme , dass die Ruine dem Tempel des Mars angehöre,
ist keineswegs so begründet, wie Canina und nach ihm Urhchs ' sie darstellen. Wir
wissen aus zwei Stellen, dass der Marstempel nicht bloss in der Region des Circus
Flaminius,"^ welche Angabe einen weiten Spielraum lässt, sondern bei dem genannten
Circus ' sich befand, doch macht gerade die letztere Notiz die Identität des Tempels
mit unserer Ruine nicht wahrscheinlicher, da der Circus Flaminius selbst ziemlich
entfernt gewesen sein muss.^ Noch ferner liegt es, an den Tempel der Bellona zu
denken, welcher schon im ersten Jahrhundert der Republik bestand,^ durch Appius
Claudius Caecus nach seinem Siege über die Etrusker i. J. 456 d. St. (298 v. Chr.)
aber einen vollständigen Umbau erfahren zu haben scheint," ein Heiligthum, hauptsäch-
hch bekannt durch den nebenliegenden kleinen Platz mit der Columna bellica^ welchen
(wenn der Sage zu trauen ist) im Kriege mit Pyrrhus ein gefangener Epirote hatte
kaufen müssen, um dem Fetialis die noch in Marc Aureis Zeiten übliche* Cere-
monie mögUch zu machen, als Kriegsankündigung die Lanze in feindliches Land zu
schleudern. Dieser Tempel wird nemlich in derselben Region^^ und am Ende des
Circus Flaminius*" genannt, welche letztere Bezeichnung aber dadurch grosse Dehn-
barkeit erhält, dass die Lage des Circus Flaminius selbst, welcher jetzt spurlos
verschwunden ist, nicht mehr völlig genau bestimmbar ist. Im 16. Jahrhundert
wollte man zwar noch Ueberreste südlich von der Via delle botteghe oscure, bei
S. Caterina de' funarj und Palazzo Mattei gesehen haben, ^^ und auch im 17. Jahr-
hundert (1622) sah J. Grimaldi noch Peperinruinen bei S. Lucia delle botteghe os-
cure, ^^ ob aber die Bestimmung der Lage des Ganzen bei L. Fauno von den Ueber-
resten entnommen oder willküdich ist, dürfte schwer zu entscheiden sein. In dem
ersteren Falle wäre die Lage des Circus, dessen Mitte durch die Kirche S. Caterina
de' funarj , dessen Breite durch die Via delle botteghe oscure und Torre delle Cin-
trangole und die Länge durch San Salvatore in Paico und Palazzo Mattei bezeich-
net wird, der Identität der Bellona mit unserer Ruine entschieden widersprechend.
Allein es ist nicht zu übersehen, dass die Kenntniss des Circus Flaminius bereits im
9. Jahrhundert verloren war, da ihn schon der Anonymus von Einsiedeln an die
Piazza Navona versetzt , während sein Name im 1 2. Jahrhundert (Mirabilien) dem
Marcellustheater anhaftet und ihm selbst die Bezeichnung »Castellum aureum« zu
1 Beschreibung der Stadt Rom. Bd. III. Abth. 3. S. 30 fg. 2 Corn. Nep. fgm. ap. Prise. Conim.
VIII. 4. p. 370 ed. Krehl. 3 Plin. H. N. XXXVI. 5, 4, 26. * Virg. Vespigniani, Avanzi dl tempio incerto
della IX regione di Augusto. BuUettino della comm. arch. munic. Maggio- Agosto 1873 p. 212— 221. * Plin.
H. N. XXXV. 5, 3, 12. 6 Liy. X. 19. 7 Serv. ad. Virg. Aen. IX. v. 53. 8 oio Cass. LXXI. 33.
»Fast. Venus. III. Non. lun. (Foggini, Fast. Rom. fol. 105.) lo Ovid. Fast. VI. v. 201—205. ii Ligori
delle Antichitä R. 1553. fol. 15 v. Andr. Fulvii Antiquit. Urb. üb. IV. fol. LV. L. Fauno, delle antichitä. Ven.
1548. Lib. di Roma. IV. c. 23. fol. 138. '2 h. Jordan, Forma Urbis Romae Rcgionum XIV. p. 22.
F. Kebkü, Koni. 29
226 ^^s Marsfeld.
Theil wird, woraus jedenfalls frühzeitig entstellende Zerstörung zu entnehmen ist,
und dass überdiess die von Lucio Fauno angegebenen Gränzen theilweise mit der
Porticus des Philippus, wenn nicht auch der Octavia collidiren. Auf alle Fälle kom-
men wir mit dem Tempel der Bellona kaum zu einer überdiess durch eine
andere Notiz, von welcher im folgenden Artikel die Rede sein wird, sehr ge-
schwächten Möglichkeit, welche auch noch der Tempel des Neptun, in einer
Inschrift^ und in einer classischen Stelle^ in der Region des Circus Flaminius ge-
nannt und die Tempel der Dioskuren, der Inno Regina (welche jedenfalls von der
Inno in der Porticus des Metellus und nachmals der Octavia zu unterscheiden ist)
und der Diana aus ähnlichen Gründen^ für sich haben. Auch gab es ausser diesen
Tempeln gewiss noch andere, welche keine Erwähnung gefunden haben, in derselben
Region und ungefähr in dieser Gegend, so dass wir nicht bloss unter den genannten
zu wählen hätten: die Ueberreste selbst aber geben uns keinen genügenden An-
haltspunkt hinsichtlich der Zeit, welcher sie angehören, da ihr Zustand kein Urtheil
über die Arbeit zulässt.
34. Der angebliche Tempel des Hercules Custos.
Aehnlich wie mit der beschriebenen verhält es sich mit einer anderen nord-
östlich davon befindlichen Tempelruine, zu welcher man gelangt, wenn man von dem
eben bezeichneten Punkte der Via de' Specchj nördlich den Vicolo de' Catinari, die
kleine Piazza di S. Carlo und einen Theil der Via del Monte della farina durch-
schreitet, dann rechts in die Via di S. Anna beugt, welche durch die kleinen
Gässchen Via di S. Elena und Via Frorida endlich in die Via di S. Niccolo a' Ce-
sarini führt, die wir in nördlicher Richtung bis zu dem Platze gleichen Namens ver-
folgen. In dem unansehnlichen Garmelitenkloster daselbst in der Südwestecke, dessen
Eingang mit No. 56. überschrieben ist, befinden sich die Ueberreste eines wenig
bekannten Rundtempels. Tritt man in den kleinen verwahrlosten Hof, so sieht man
vier canellirte Säulenschäfte, von denen einer schon ziemlich verkürzt ist, ihrer
Capitäle beraubt, aus dem modernen Boden hervorragen. Sie sind von Tuf, zeigen
noch die Spuren von Stuck, womit sie bekleidet waren, und sind stark beschädigt.
Von einer fünften Säule sieht man ein Stück, wenn man in ein Kellergewölbe hinab-
steigt, wo auch noch eine verstümmelte Base zu sehen ist, die korinthisch (die Hohl-
kehle durch einen schmalen Steg verdoppelt) zu sein scheint. Im Hofe hegen auch
1 L. Fauno 1. c. cf. Grut. Incript. p. CCCXVIII. n". 5. 2 pün. H. N. XXXVI. 5, 4, 26. 3 pgst.
Amit. Id. Aug. (Fogg. Fast. Rom. fol. 112.) — Vitruv. IV. 7. Liv. XL. 52. lul. Obs. 75.
Der angebliche Tempel des Hercules Custos. 227
noch fünf korinthische Marmorcapitäle von vierfach verschiedener Grösse und Arbeit,
von welchen jedoch keines zu den Schäften des Rundtempels gehört haben kann ;
denn das grösste misst nur 0,52 Meter in der Höhe, 0,40 im Durchmesser. Ausser-
dem liegt noch ein schön gearbeiteter und vollkommen erhaltener Löwenkopf, ein
Wasserspeier 0,45 M. hoch, 0,40 breit, der ebenfalls kaum diesem Tempel angehörte,
am Boden. Entsprechende Nachgrabungen im Klosterhofe, die überdiess keine we-
sentlichen Schwierigkeiten darbieten dürften, würden sicher noch weit mehr ergeben,
vielleicht sogar Auflilärung hinsichtlich der Bestimmung des Rundtempels.
Da wir jedoch vorläufig keine anderen Anhaltspunkte haben, als die Nähe
des Circus FJaminius und zugleich der Portikenanlage, die sich an das Pompeius-
theater anschloss, so ist eine sichere Ermittelung des Namens nicht möglich. Im
Allgemeinen participirt die Ruine mehr oder weniger mit der unmittelbar vorher
beschriebenen an den obenangeführten Möglichkeiten. Der Umstand aber, dass der
Rundtempel an der Grenze des Marsfeldes im engeren Sinne, wahrscheinlich sogar
schon innerhalb desselben und demnach nicht mehr im unmittelbaren Bezirke des
Circus Flaminius lag, erweitert noch das Gebiet der Vermuthungen. Es muss nem-
lich nun auch die Aedes Larum Permarinum beigezogen werden, welche der Censor
M. Aemilius Lepidus i. J. 575 d. St. weihte, dieselbe, die L. Aemilius Lepidus in
einer Seeschlacht während des Krieges mit Antiochus gelobt hatte, als deren Ort
nur ganz im Allgemeinen das Marsfeld angegeben wird. * Am wenigsten Bedeutung
dürfte es haben, dass die Mirabilien das Calcarare (die Kirche S. Niccolo heisst schon
im 1 1 . Jahrhundert bis mindestens zum 1 6. de calcarario oder in calcaria) somit
wahrscheinlich unsere Rundtempelruine als »templum Veneris« erklären, und es ist
schwer verständlich, wie Jordan diese durch nichts weiter begründete Identificirung
aufrecht erhalten kann.^
Einige Wahrscheinlichkeit aber hat die Identificirung mit dem Tempel des Bonus
Eventus für sich, von welchem wir allerdings nur eine Notiz haben.-' Diese besagt,
dass der Präfect Claudius unter Kaiser Valentinian I. eine grosse mit den Thermen
des Agrippa in Verbindung stehende Porticus erbaute, welche von dem naheliegenden
Tempel gleichen Namens den Beinamen Eventus Boni erhielt. Die Thermen des
Agrippa aber befanden sich zuverlässig in geringer Entfernung nordwärts von unserer
Ruine. Von der Bedeutung dieses Tempels ist nichts bekannt und dabei etwa an
den Tempel der Fortuna Redux des Domitian zu denken, der sonst möglicherweise
in dieser Gegend gesucht werden könnte,^ gestattet in Rücksicht auf die bekannte
1 Liv. XL. 52. Macrob. Sat. I. 10. 2 Jordan. Topogr. II. p. 439. 3 Ammian. Marcelin. XXIX. 6.
* Martial. VIII. epigr. 65. Claudian. de VI. cons. Hon. -1. Vgl. Becker, Hdb. d. röm. Alterth. Bd. <. p.
153 und 642.
29*
228 Das Marsfeld,
Prachiliebe dieses Kaisers das schlichte Material nicht. Derartige Begriffe zu Gott-
heiten zu machen, kam überhaupt erst nach M. Aurel in höhere Aufnahme, und
wenn auch der Tempel schon vor Anlage der Porticus bestand, gehörte er doch
sicher in eine späte Zeit. —
Der Namen aber, den man gewöhnlich der Ruine gibt, Hercules Gustos,
entbehrt ebenfalls keineswegs aller Möglichkeit. Dieser wird nemlich dem Tempel der
Bellona in der Weise entgegengesetzt, dass wenigstens soviel klar ist, dass jeder der
beiden an einem anderen Ende des Circus Flaminius sich befunden habe müsse. ^ Der
Circus selbst kann aber kaum anders angenommen werden , als dass er eine
Schmalseite und zwar wahrscheinlich die der Carceres gegen Osten wandte, wo-
nach das Rundungsende westwärts unferne der Nordecke der Porticus der Octavia
gesucht werden muss. Wenn es nun im hohen Grade wahrscheinlich ist, dass die
Bellona am östlichen Ende sich befand,^ denn diese wird ziemlich deutlich den Septa
und der Villa publica, welche letztere erweislich (s. unten) nicht weit nördlich vom
Palazzo di Venezia sich befand, benachbart genannt,^ so dürfen wir den Tempel
des Hercules Gustos am westlichen Ende suchen. Allein die grössere Wahrschein-
lichkeit spricht für eine mehr südlich von S. Niccolo a Gesarini gelegene Stelle,
etwa zwischen Via di S. Elena und Via Paganica, wenn der Scheitelpunkt der Gircus-
rundung ungefähr an der Stelle von Palazzo Mattei angenommen werden darf.
Auf die Nachbarschaft des nordwestlich an die Porticus der Octavia angränzenden
Tempels des Hercules Musarum und des Hercules Gustos hat auch Klügmann mit
Recht hingewiesen/
35. Das Theater des Pompeius.
Der beschriebene Rundtempel musste westlich an eine der grossartigsten
Anlagen gestossen sein, deren äusserst dürftige Ueberreste nun besprochen werden
sollen. Man gelangt zu diesen, wenn man von der Via di S. Niccolo a' Gesarini
in nördlicher Richtung in die Via de' Gesarini sich wendet, dann diese und die Via del
Sudario westlich verfolgt, die Fagade der Kirche S. Andrea della Valle umgeht und
endlich von der Via de' Ghiavari an der Westseite dieser Kirche in den Vicolo di
S. Maria di Grottapinta einbeugt. Der kleine unansehnliche, durch den massen-
haften Schutt unebene Platz gleichen Narbens wird an der Westseite in der Form
eines Kreisbogens von einer Reihe mehr oder weniger zerstörter und für moderne
1 Ovid. Fast. VI. 203—210. 2 Hdb. d. röm. Alterth. Bd. I. S. 618. 3 Senec. de dem. I. 12. Liv.
ep. LXXXVm. Val. Max. IX. 2, 1. Lucan. II. v. 197. < A. Klügmann, Hercules Musarum. In den zu Ehren
Theodor Mommsen's herausgegebenen philologischen Abhandlungen. 1877. S. 7,
Das Theater des Pompeius.
229
Zwecke benutzter und ver-
bauter Kammern eingeschlos-
sen, deren Längsmauern von
Travertinblöcken zum Theil
noch durch Tonnengewölbe
verbunden sind, wie man
diess namentlich noch in einer
Osteria deutlich erkennen
kann. Die Mauerreste laufen
radial nach dem Centrum des
Halbkreises zusammen , in
derselben Weise, wie diess
beim Theater des Marcellus
der Fall ist, und sind in
doppelten Halbkreislinien zu
massiven Pfeilern verstärkt.
Auch in den Kellerräumen
des westlich anstossenden
Palazzo Pio (nunmehrigen
Palazzo Righetti) haben sich
nicht blos schon früher ein-
zelne Pfeilerreste und con-
vergirende Gewölbe von
Peperin mit einzelnen Wän-
den von opus reticulatum ge-
funden, welche dem deut-
hchen Caveasystem eines
Theaters entsprechen, son-
dern bei den Nachgrabungen
i. J. 1837 und 1805' kamen
auch noch einzelne Pfeiler
mit römisch dorischen Halb-
säulen auf einfachen Toren-
basen zum Vorschein, wo-
durch, wie auch durch die
22. Theater des Pompeius (Fragmente des capitolinischen Planes.) (F. R.)
» A. Pellegrini, Scavi di Roma. Bull. d. I. d. c. a. 1865 p. 20< S.
230 ^^^ Marsfeld.
vorgelegten zwei Stufen, welche unmittelbar zum Basaltstrassenpflaster hinabführ-
ten unzweifelhaft der äusserste Ring eines Theaters angegeben wird. Auch die
Spuren einer über die Gavea vorspringenden Tempelsubstruction, welche in ähn-
licher Weise wie die Pfeiler des Zuschauerraums mit Halbsäulen geschmückt waren,
traten hiebei zu Tage. Leider sind die neuesten anlässlich der Umbauten im
Palazzo Pio gemachten architektonischen Entdeckungen nur mehr aus dem Aus-
grabungsberichte ersichtlich, da der Neubau die gefundenen Spuren wieder ver-
wischt hat, und es bleibt immerhin deren wichtigstes Ergebniss der in das Jahr 1864
fallende Fund des colossalen Hercules, jetzt im Vatican. ^ Der Fundort dieser 3,83 M. hohen
vergoldeten Bronzestatue entspricht zwar nicht dem Theater selbst, sondern vielmehr
jener vorspringenden Tempelsubstruction, doch lassen es die Fundumstände nahezu
unzweifelhaft erscheinen, dass die Statue sich nicht im Schutte des einstürzenden
Gebäudes selbst begrub, sondern von Menschenhand vergraben wurde, vielleicht um
sie für einige Zeit vor Zerstörung oder Raub sicher zu stellen, ohne dass sich später
Gelegenheit zu deren Wiederaufstellung ergab. Im Verhältnisse zu der Grösse der
Anlage einerseits und zu den Ruinen des Marcellustheaters anderseits sind aller-
dings diese Reste sehr unansehnlich, doch gewähren sie wenigstens die Mittel, die
Stellung und Grösse des Gebäudes annähernd zu bestimmen.
Wenn es schon durch die Gestalt der Ueberreste ausser allem Zweifel ist,
dass wir hier ein Theater vor uns haben, so bietet auch die nähere Bezeichnung
desselben keine Schwierigkeiten dar. Rom hatte nur drei Theater, und diese waren
im Marsfelde. ^ Zwei davon wurden bereits besprochen, das des Marcellus wird
unmittelbar am Capitolinus bezeichnet, und das des Baibus war nahe am Tiber.
Wir können desshalb nur an das dritte, das des Pompeius, denken, und diesen
Namen bewahrte auch die Ruine, welche noch im 9. Jahrhundert eine Inschrift trug,
die es Theatrum Pompei benannte, 3 bis in späte Zeit, und verschiedene Funde in
den letzten Jahrhunderten würden noch eine weitere Bestätigung geben, wenn es
überhaupt einer solchen noch bedürfte. Für die Reconstruction dieser ganzen An-
lage aber kommen uns höchst werthvolle Fragmente des capitolinischen Planes
förderlich entgegen, welche mit dem Namen selbst bezeichnet, nicht bloss die Gestalt
des Theaters sammt der Bühne, von welcher letzteren sich keine Ueberreste er-
halten haben, sondern auch einen grossen Theil der unmittelbar anstossenden pracht-
vollen Anlagen erkennen lassen. Die Stücke sind indess von nicht gleichem Werthe :
1 J. d. Witte, La statue colossale de bronze representante Hercule trouvee au theatre de Pompee. Ann.
d. I. d. c. a. XL. 4868 p. 195—205. 2 Ovid. Trist. \U. 12. 24. — Curios. Urb. Rom. Reg. IX. 3 Anonym.
Einsiedlens. (Arch. f. Phil. u. Paed. Suppl. B. 5. S, 126.)
Das Theater des Pompeius. 23/]
der Haupttheil ist nemlich zum grössten Theile ergänzt und nicht antik, scheint jedoch
ziemhch genau wiedergegeben zu sein, wie aus den Verhältnissen des zweiten echten
Stückes mit der Inschrift OSTYLVM vor welcher neuerlich noch ein Rest des T
entdeckt worden ist, hervorgeht. Ein drittes Stück, welches Verfasser dieses in
der ersten Auflage dieses Werkes nicht ohne ausgesprochene Bedenken angefügt,
hat sich indess zweifellos als Doublette erwiesen. ^ Ebenso muss die Beiziehung eines
weiteren Fragmentes, die Canina vorschlägt, entschieden als irrig bezeichnet werden,
denn die Maassverhältnisse sind bei diesem nahezu doppelt so gross, als bei dem
auf der rechten Seite anzubringenden Stücke mit der Inschrift -TOSTYLVM und
doch sind die beiden Stücke Originale. Die ganze Combination von der Lage und
Gestalt der berühmten Curia des Pompeius, die sich auf das fragliche Fragment
stützt, muss daher mit diesem fallen.
Die zahlreichen Nachrichten, die wir über dieses Theater mit seinen Neben-
anlagen haben, erklären den Plan, wie dieser die Nachrichten, in ziemhch befrie-
digender Weise. Wie Plutarch erzählt,^ gab das Theater in Mitylene dazu die
Veranlassung. Pompeius hatte es nach Beendigung des mithridatischen Krieges
besucht, um dort im Wettkampfe der Dichter seine Thaten besingen zu hören, und
daran (vielleicht zum nicht geringen Theile wegen dieser Vorträge) so besonderen
Gefallen gefunden, dass er sich zum Zwecke einer grossartigeren Nachahmung die
Pläne davon aufnehmen Hess. Es war das erste in Rom, welches dauernd sein
sollte und in Stein ausgeführt wurde, und es ist daher nicht zu verwundern, dass
es bei den Hochconservativen einiges Missvergnügen erweckte.^ Doch konnte das
letztere, da Pompeius selbst an der Spitze der aristokratisch-conservativen Phalanx
stand, nicht so stark sein wie einst, als vor genau hundert Jahren bei dem gleichen
Veisuch des Censors Gassius das bereits im Bau begriffene steinerne Theater auf
Cornelius Nasica's Betrieb wieder demolirt worden war.^ Man würde desshalb die
damaligen Verhältnisse missverstehen, wenn man aus einer Stelle des Tertullian^
ableitete, dass Pompeius seinen Bau lediglich dadurch zu schützen wusste,
dass er auf der Höhe der Cavea einen Tempel erbaute, welchem die Sitzreihen des
Zuschauerraumes gleichsam als Stufen dienten. Ein Tempel krönte übrigens wirk-
lich das Halbrund, nach der einen Angabe der Venus Victrix," nach einer anderen
der Victoria geweiht.^ Die letztere Bezeichnung scheint ein (leicht erklärlicher) Irrthum
' A. Trendelenburg 1 Disegni Vaticani della pianta Capitolina. Ann. d. I. d. C. a. Vol. XLIV. 4872.
p. 66—95. H.Jordan Forma U. R. reg. XIV. p. 22. äpiutarch. Pomp. 42. 3 Tacit. Ann. XIV. 20. *Uv.
Epit. XLVIII. Vell. Pat. I. 15. ^ de spect. 10. 6 Tertullian 1. c. Plin. H. N. VIII. 7, 7, 20. Plut. Pomp. 68.
^ Tiro ap. Gell. X. 1, 7.
232
Das Marsfeld.
zu sein, obwohl Tiro, der gelehrte Freigelassene des Cicero, der Sache näher stand,
als die anderen Berichterstatter, denn wenn es nicht die Venus Victrix war, deren
Tempel auf der Höhe der Cavea stand, so hat die Ei Zählung bei Plutarch (a. a. 0.)
keinen Sinn, nach welcher Pompeius im Traume in sein Theater gegangen zu sein
und den Tempel der Venus Victrix mit Trophäen geschmückt zu haben wähnte,
was ihn deshalb sehr beunruhigte, weil Cäsar sein Geschlecht auf die Venus zurück-
leitete. Ueberdies wurde an Ort und Stelle, nämlich bei der Kirche S. Maria in
Grottapinta oder in Crypta, wie sie vormals hiess, im 1 6. Jahrhundert ein Marmor-
stück gefunden, das die Inschrift VENERIS VICTRICIS trug, wie von einem Augen-
zeugen berichtet wird. ^ Auf der andern Seite wurde schon früher bemerkt,^ und
neuerlich nachdrücklicher geltend gemacht,^ dass jenes Heiligthum der Venus Victrix
nicht das einzige war, welches das Theater schmückte. Es spricht nemhch nicht
bloss Sueton ^ von »Tempeln« auf der Höhe der Cavea, diese erscheinen sogar in
einem Calendarium^ specialisirt, wo die Worte VENERI VICTRICI HON. VIRTVT.
FELICITATI IN THEATRO MARMOREO auf mehre Tempel innerhalb des »steiner-
nen Theaters,« wie es als das erste der Art, auch nachdem bereits die zwei anderen
erstanden waren, fortwährend hiess, ß hinzuweisen scheinen. Allein aller Wahr-
scheinlichkeit nach waren die Gottheiten ausser der erstgenannten Venus nicht
durch förmliche Tempel sondern vielmehr durch Aediculen, vielleicht auch nur durch
Altäre vertreten, die vielleicht mit dem Tempel der Venus selbst in Verbindung
standen. Denn die Nachrichten von der Erbauung erwähnen doch nur den einen
namentlich und hätten, wenn die monströse Idee von drei bis vier selbständigen
Tempeln auf der Höhe des Zuschauerraumes Thatsache gewesen wäre, davon kaum
geschwiegen. Der Venustempel selbst aber kann der Symmetrie wegen natürlich
nur in der Mitte der Cavea gesucht werden, und damit stimmen auch die noch
aufgefundenen Reste in den Souterrains des Palazzo Pio überein. Dass der Tempel
wenigstens theilweise über die äussere Umfriedung des Theaterhalbkreises hinaus-
ragte, und auf einer besonderen Substruction in der Höhe des Theaters selbst stand,
scheint durch die Ergebnisse der letzten Ausgrabungen (von 1865) gesichert, wenn
der hierin etwas dürftigen Notiz des oben angezogenen Ausgrabungsberichtes volle
Bedeutung beigemessen werden darf.
Das Gebäude wurde von Pompeius in seinem zweiten Consulate, 699 d. St.
(55 V. Chr.) eröffnet' ohne jedoch, wie es scheint, vollendet gewesen zu sein, was
1 Marliani Urbis Romae Topographia 1. V. c. 10. (Graev. Thes. Ant. Rom. tom. III. p. 177.) 2 Donati
Roma vetus ac recens. I. III. c. 8. Graev. Thes. Ant. Rom. tom. III. p. 659.) ^ Becker, Hdb. d. röm. A.
Bd. I. S. 676 Anm. U74. — 4 Sueton. Claud. 21. »Fast. Amit. Fr. Id. Aug. (Foggini, Fast. Rom. fol.
112.) 6 Vitruv. HI, 2. 7 Dio Cass. XXXIX. 38. IMut. Pomp. 52. Vellei. Pat. II. 48. 2 ot al.
Das Theater von Pompeius. 233
auch sonst nicht selten geschah, denn es ist sicher, dass in der Dedicationsinschrift
des Tempels auf der Höhe des Theaters das dritte Consulat des Pompeius, 207
d. St., genannt war. Die Inschrift war nemtlich Gegenstand einer grammatischen
Gontroverse, welche Cicero ausweichend entschieden haben soll. Pompeius -war
unschlüssig, ob er Consul terlio oder lerl'mm schreiben solle, und befragte darüber
die gelehrtesten Römer; als aber auch diese darüber schwankender Ansicht waren,
rieth ihm Cicero, die fragliche Endung wegzulassen und nur TERT in Abkürzung
zu schreiben. ^ Wir werden sehen, wie Agrippa in demselben Falle in der Inschrift
am Pantheon sich entschied. Es wird demnach kaum beanstandet werden können,
wenn wir den chronologischen Widerspruch, der in den beiden Angaben liegt, von
denen die erste vielfach, die zweite authentisch beglaubigt ist, dadurch zu lösen
suchen dass wir das Jahr 699 auf die Eröffnung, das Jahr 702 aber auf die Voll-
endung des Gebäudes beziehen. Dass aber Pompeius für das Werk nur seinen
Namen hergegeben, welches in der That von einem gewissen Demetrius, seinem
Freigelassenen, der sich als Begleiter des Imperators auf dessen Feldzügen in den
Besitz ungeheurer Reichthümer gesetzt, erbaut worden sei, wie Dio Cassius als ein
Gerücht erzählt,^ das dürfte wohl kaum als volle Wahrheit betrachtet werden,
wenn auch möglich ist, dass Demetrius seinem ehemaligen Herrn mit Geld unter
die Arme griff.
Von dem Glänze des Theaters geben uns nicht bloss die Nachrichten der
Alten, sondern auch der capitolinische Plan Zeugniss, welcher die Bühne mit einem
Walde von Säulen geschmückt zeigt. Auch muss der Umfang sehr bedeutend ge-
wesen sein, was sowohl aus den 40,000 Sitzplätzen nach Plinius,^ als auch aus der
Reconstruction nach den Ueberresten hervorgeht. Der äussere Halbkreis wird so
ziemlich durch die Via di Giupponari, die Piazza di Campo di Fiori, Piazza e Via
del Biscione und die Piazza e Via del Paradiso begränzt, die Via de' Chiavari aber
entspricht etwas schräg laufend ungefähr der Bühne. Diess.war indess nur etwa
ein Dritttheil der ganzen Anlage des Pompeius. Denn an die Scena schlössen sich
rückwärts eben so umfängliche als prachtvolle Portiken an, deren Gestalt sich aus
den capitolinischen Fragmenten theil weise erkennen und durch die classischen Mit-
theilungen darüber auch erklären lässt. Diese Portiken bildeten offenbar ein läng-
liches Viereck, bestehend aus mehren der Länge nach parallelen Gängen, welche
nur schmale unbedeckte Streifen zwischen sich frei liessen und selbst von verschie-
dener Grösse waren. Der Rückwand des Scena entsprachen senkrecht auf deren
Linie gerichtet drei grössere Portiken, welche durch zwei breitere unbedeckte ob-
1 Varro et Tiro ap. Gell. X. 1, 6 & 7. 2 Dio Cass. XXXIX. 38. 3 Plin. H. N. XXXVI. 15, 24, H5.
F. Reber, Rom. 30
234 ^^^ Marsfeld.
longe Räume von einander getrennt werden. Am oberen Ende der mittleren Por-
ticus^ sind zwei mit den Scheiteln gegeneinander gekehlte Halbkreise zu bemerken,
welche einen Durchgangsbogen darstellen, der auch ausdrücklich als ein der Regia,
d. h. der Mittelthüre der Scena gegenüberstehender lanus erwUhnt wird.^ Die
mittlere Porticus war beiderseits offen, d. h. von zwei Säulenreihen gebildet, die
beiden äusseren Portiken dagegen nur nach innen geöffnet, nach aussen durch eine
Wand abgeschlossen, wie diess auch die Gesammtanlage erforderte. Denn die un-
bedeckten Räume zwischen den Portiken waren mit Bäumen (Platanen) besetzt,
deren Grün das Auge erquickte, wie abwechselnd Fontänen die Luft erfrischten; "'
auch wird, der zahlreichen anderen Statuen nicht zu gedenken, besonders erwähnt,
dass der »doppelte Hain« ^ von Thierstücken in Marmor oder Bronze künstlerisch be-
lebt war."' Die reizende Schönheit des Ganzen lässt sich darnach im Zusammenhalt mit
dem Plane leicht vorstellen, auch haben die Dichter Martial und Properz sie wieder-
holt und in den glühendsten Farben besungen. Vitruv aber nimmt den Complex
als Vorbild für Theateranlagen überhaupt, indem er vorschreibt, dass hinter der
Scena Portiken angelegt werden sollen, welche dem Volke, wenn Platzregen die
Spiele unterbrächen, einen Zufluchtsort darböten und auch für die Aufstellung der
Choraufzüge Raum gewährten, »wie diess mit den Portiken des Pompeius der Fall
sei.«" Dieser aus drei Parallelportiken mit den zwei zwischenhegenden unbedeckten
Streifen bestehende Complex scheint unter der Bezeichnung der Porticus Pompeianae
verstanden werden zu müssen, von welcher sich auch die beiden Endbuchstaben
•NA noch auf der vaticanischen Zeichnung des capitolinischen Planes (auf dem er-
gänzten Marmorstücke und demnach auch in unserer nach dem Marmor hergestellten
Abbildung vernachlässigt) gefunden haben. Sie gehören an den linkseitigen Rand
des grösseren, das Theater selbst enthaltenden Stückes. Ob auch mit dem mehr-
erwähnten Hekatostylon, ' der hundertsäuligen Porticus, dieselbe innere Hauptanlage
oder ein äusserer besonderer und wohl beiderseitiger Säulengang gemeint sei, ist
nicht völlig klar. Das Fragment mit der bezüghchen Bezeichnung •. -TOSTYLVM
macht es übrigens wahrscheinlich, dass sich die Inschrift auf die äusseren Colonna-
den bezieht, welche, wie deutlich ersichtlich ist, durch eine von halbrunden und
rechtwinkeligen Nischen d. h. durch eine Reihe von ganz oder theilweis geschlos-
senen Räumen unterbrochene Doppelmauer, die sich zwischen den beiden hie-
hergehörigen Säulenreihen hinzieht, zu einer Doppelporticus gemacht wird. Jener
spinaartige Mittelbau aber lässt in seinen abwechselnd nach beiden Seiten gewandten
1 Jordan Forma ü. R. p. 22. 2 Sueton. Octav. 31. 3 Martial. III. Epigr. 19. Propert. II. Eleg. 32. v.
11 sq. 4 Martial. 11. Epigr. 14. 5 id. m. Epigr. 19. « Vitruv. V. 9. ^ Martial. 11. cc. Hieron. Chron.
(Rone. I. col. 475.)
Das Theater des Pompeius. 235
Exedren Räume zur Aufstellung von Kunstwerken vermuthen, vielleicht von jenen
Statuen der vierzehn (von Pompeius unterworfenen)^ Nationen von der Hand des
römischen Bildhauers Coponius, welche Plinius ausdrücklich um die Anlage des Pom-
peius herum (circa Pompeii) angibt^ und welche auch der Porticus den Namen ad
nationes gab. Wenn aber Servius diese Porticus von Augustus erbaut nennt, ^ so
ist das wohl ein Irrthum, der vielleicht in einer Restauration derselben seinen Grund
hat. Die äussere Säulenreihe aber dürfte der Localität nach ungefähr der heutigen
Via del Sudario entsprochen haben.
An diese Anlage schlössen sich verschiedenartige Räumlichkeiten, Tabernen,
Scholae, ein Tempel und insbesondei'e eine Curia an, welche letztere bekanntlich durch
die Ermordung Cäsars historische Berühmtheit erlangt hat. Das erhaltene Mittelfrag-
ment setzt es ausser allen Zweifel , dass diese an der nördlichen Langseite nicht
gewesen sein können. Der kleine Theil an der südlichen aber, der an dem Haupt-
fragmente noch erhalten ist, lässt zwar nicht mit Sicherheit erkennen, dass die Anlage
hier der entgegengesetzten Seite symmetrisch entsprach, doch ist mit Wahrschein-
lichkeit zu vermuthen, dass auch auf dieser Südseite, als wenigstens in der Haupt-
sache der nördlichen Langseite ähnlich, sich die angegebenen Räume kaum befunden
haben. Die östliche Schmalseite dagegen gibt, trotzdem dass sie durch eine noch
bestehende Ruine, nemlich die unmittelbar vorher beschriebene eines Rundtempels,
ziemlich knapp abgeschlossen wird, doch noch genügenden Raum für grösseie Ge-
bäude daselbst. Zunächst darf keinesfalls der Tempel der Fortuna Equestris, der
beim »steinernen Theater« befindlich angegeben wird,* auf die Rundtempelruine
bezogen werden, denn dieser von Q. Fulvius Flaccus im Jahre 577 d. St. (177 v.
Chr.) geweihte Tempel war schon im J. 32 v. Chr. nicht mehr vorhanden, wie aus-
drücklich erwähnt wird.^ Wie aber die angegebenen Räumlichkeiten, wahrschein-
lich auch das Haus, das Pompeius sich selbst hier erbaute, *" an der östlichen Schmal-
seite sich gruppirten, ist nicht mehr näher nachzuweisen, wenn auch an eine
Combination nach Art der Tempelannexe in der Porticus der Octavia gedacht wer-
den darf. Wir wissen nur, dass die Curia des Pompeius die Gestalt einer Exedra,
d. h. eines an eine Porticus angebauten halbkreisförmigen Saales oder vielmehr
einer Ausweitung der Säulenhalle schwerlich die eines Säulensaales mit Exedra
nach Art einer antiken Basilica besass," dürfen jedoch hiebei nicht an die zu diesem
Zwecke viel zu kleinen Exedren in dem muthmasslichen Hecastostylon denken.
Auf alle Fälle musste die an das Pompeiustheater sich anschliessende Anlage un-
' Plut. Pomp. 45. 2 piin, H. N. XXXVI. 5, 4, 44. cf. Sueton. Nerr 46. 3 serv. ad Virg. Aen.
Vm. V. 721. ■« Vitruv. III. 2. 5 Xacit. Ann. III. 71. « Plut. Pomp. 40. ^ Plut. Brut. U.
30*
236
Das Marsfeld.
gefähr den Raum eingenommen haben, der jetzt durch die Quartiere, welche im
Norden durch die Via del Sudario, im Osten durch die Via di Torre Argentina
und Via di S. Elena, im Süden durch die Via di S. Anna und Vicolo di Chioda-
roli, und im Westen durch die Via de' Chiavari begränzt werden.
Der Ort, wo Cäsar seinen Geist aufgab, die Curia Porapeii, wurde von dem
entrüsteten Volke bei der Leichenfeier des Dictators verbrannt^ und die Ruine nach-
mals vermauert.^ Der maimorne Zeuge des Moides aber, die Statue des Pompeius,
vor welcher Cäsar zusammensank, ward von Augustus auf und gewiss nicht unter ^
den Prachtbogen oder Janus gesetzt, welcher der Regia gegenüberstand' und von
dessen Platze schon oben gesprochen worden ist. Die berühmte Statue ist uns
wahrscheinlich in dem Kolossalstandbilde erhalten, das den grössten Schmuck des
Palazzo Spada ausmacht. Diese wurde nemlich in der Mitte des i 6. Jahihunderts
(unter Papst Julius III.) in der Via de' Leutari, bei dem Palazzo della Cancellaria,
mithin unweit von dem Theater des Pompeius gefunden.'' Sie lag in einem Keller,
und zwar so, dass die Scheidewand zweier Häuser gerade auf dem Halse stand,
so dass Rumpf und Kopf sich im Besitze verschiedener Hauseigenthümer befanden.
Als nun der eine endlich auf den Gedanken gerieth, die Bildsäule ans Licht zu
ziehen, da wollte der Nachbar auch nicht auf das Haupt verzichten, und als der
Fall vor Gericht kam, lautete der salomonische Urtheilsspruch dahin, dass der Kopf
vom Rumpfe getrennt werden und jeder Theil seinem Besitzer verbleiben solle, eine
Sentenz, deren Vollstreckung jedoch glücklicherweise durch die Intervention des
Cardinais Capodiferro verhindert wurde, indem dieser den Papst Julius III. bewog,
sich mit den Eigenthümern zu verständigen. Das kostbare Standbild, 3 M. hoch,
ist von trefflicher Arbeit. Ghlamys und Schwert bei sonstiger Nacktheit, wie nament-
lich die Kugel in der linken Hand, auf welcher noch die Spuren einer Victoria, gaben
zwar der Vermuthung Raum, dass der Rumpfeinem Kaiserstandbilde angehörte, allein
der zackige Bruch scheint dagegen zu sprechen, obwohl auf der anderen Seite die
Spuren der Bänder eines Lorberkranzes, wie man sie an der Schulter wahrnimmt,
am Kopfe selbst nicht motivirt sind. Doch der Lorbeerkranz konnte auf Befehl
irgend eines Kaisers weggemeisselt worden sein. Die Statue veranlasste schon
weitläufige Debatten, in welchen sich C. Fea^ besonders thätig erwies; Derbheit
aber, mit welcher er die Identität der Statue mit jenem Pompeiusstandbilde bestritt,
mag durch seine patriotische Absicht entschuldigt werden. Er soll nemlich da gegen
> Appian. B. civ. II. U7. 2 Sueton. Caes. 88. 3 Sueton. Octav. 31. Ulrichs, Beschreibung d.
Stadt Rom. Bd. III. 3. Abtheilung S. 57. * Flaminio Vacca, Memorie. 57. 5 c. Fea, Miscellanea filologica
critica e antiquaria. Rom. 4 790 p. LXXXVII. ^ c. Fea, Osservazioni intorno alla celebre Statua detta di
Pompeo. Roma. 1812.
Das Theater des Pompeius. 237
seine Ueberzeugung gesprochen haben, um die Statue, welcher damals das Schicksal
[.bevorstand, nach Paris zu wandern, Rom zu erhaltend
Der Veränderung des von Pompeius gebauten Sitzungssaales, welcher, nach-
dem er einige Zeit ganz vermauert gestanden hatte, später sogar in Localitäten für
[gewisse Bedürfnisse {ufpodog) verwandelt wurde, ^ folgte eine kostspielige Herstellung
[des Theaters durch Augustus, von welcher dieser in dem Monumentum Ancyranum
besonders hervorhebt, dass er sie ohne die Dedicationsinschrift des Pompeius zu ver-
1 ändern vorgenommen. Unter Tiberius wurde das Theater sehr von Brand beschädigt,
und dieser sonst nicht sehr baulustige Kaiser betrieb die Wiederherstellung so lau,
dass sie erst Caligula vollendete. ^ Claudius stellte auch in der Inschrift den Namen
des Pompeius, der dem des Caligula hatte Platz machen müssen, wieder her, und
von dieser Aenderung erwähnt A. GeHius, dass sich nun das vielbesprochene TERT
in IM verwandelt habe.* Nero feierte in diesem Theater seinen berühmten »goldenen
Tag«, mit welchem er seinem Gaste, dem armenischen Könige Tiridates, imponiren
wollte.^ Er liess zu dem Zwecke nicht bloss die Bühne, sondern auch den inneren
Halbkreis vergolden und spannte zum Schutze gegen die Sonne ein purpurnes Segel
(Velum), welches mit goldenen Sternen besäet und in der Mitte mit einer Goldstickerei,
den Nero selbst als Wagenlenker darstellend, geschmückt war, über das Theater.^
Die Bühne und wohl auch ein Theil der anstossenden Anlagen litten abermals unter
dem grossen Brande, welcher unter Titus im J. 80 n. Chr. einen bedeutenden Theil
der Prachtbauten vom Capitol bis zu den Thermen des Agrippa verzehrte.' Nach der
Herstellung durch Titus und Domilian^ diente das Theater über anderthalb Jahrhunderte
als das erste Roms für die scenischen Spiele. In der zweiten Hälfte des dritten Jahr-
hunderts aber wurde es abermals von zwei Bränden heimgesucht, von welchen der
erste im J. 249 n. Chr. unter Philippus auch das Hekatostylon ergrifP und der zweite
die Scena zerstörte, welche dann von Diocletian »prachtvoller als vorher «(?) wieder
hergestellt wurde. ^^ Mit dieser Herstellung hing wohl auch der Neubau einer etwa
vorher baufälligen Porticus zusammen, von welchem eine Inschrift Zeugniss gibt,
welche im J. 1531 in der Via de' Chiavari auf einem Piedestal gefunden wurde :^
GENIO lOVIl AVG
lOVIA • PORTICV EIVS A FVNDAMENTIS
ABSOLVTA EXCVLTAQVE
AELIVS • DIONVSIVS VC OPERI • FACIVNDO
* Platner, Beschreibung der Stadt Rom. Bd. III. Abth. 3. S. 448. * Dio Cass. XLVII. 19. » Tacit.
Ann. III. 72. VI. 45. Dio Cass. LX. 6. Sueton. Calig. 2i. * A. Gell. X. 1, 9. » Plin. H. N. XXXIII.
3, 16, 54. * Dio Cass. LXIII. 6. ' Dio Cass. LXVI. 24 ' * Sueton. Tit. 8. " Hieron. Chron.
(Rone. I. col. 475.) "» Script. H.A. (Vopisc.) Carin. <8. Catal. Imp. Vienri. (Rone. II. col. 247.) " Grut.
Inscr. p. CXI. n». 6.
238 D^s Marsfeld.
loviiis war der Beiname, den sich bekanntlich Diocletian beizulegen beliebte, und so
kann sich die Inschrift auf nichts anderes als auf ein Werk dieses Kaisers beziehen,
das sowohl nach dem Fundorte der Piedestalinschrift als nach den angeführten Nach-
richten mit der Restauration des Theaters in Verbindung stand. Der Zuschauerraum
selbst aber, obwohl er durch seine massive Solidität Bränden weniger zugänglich war,
scheint doch um diese Zeit schon etwas ruinös geworden zu sein, die Zahl der Zu-
schauerplätze nemlich, von Plinius auf 40,000 angegeben, ist nach der Notitia (Vatican.
Handschrift) bereits auf 27,580, nach einer anderen, welche wir als Curiosum Urbis
Romae zu bezeichnen pflegen, sogar auf 17,580 gesunken, welch letztere Zahl jedoch
der ersteren kaum vorzuziehen sein dürfte, — eine Verringerung, die auch nach
einer Nachricht aus dem 9. Jahrhundert eine inschriftliche Erklärung findet : *
„In thealro pompei "
DDNN. ARCADIVS ETHONORIVS PERPETVI AVGG THEATRVM POMPEI
EXTERIORE AMBITV MAGNAETIAM INTERIORE VIRTVTE CONVOLSVM
SVBDVCTIS ET EXCITATIS INViCE . . .
Ammianus Marcellinus konnte die ganze Anlage noch unter die bedeutendsten Werke
Roms zählen, 2 doch dass sie während der Gothenzeit stark gehtten, geht aus den Aus-
drücken des Königs Theodorich, der dem Symmachus den Auftrag es auszubessern
gab, zur Geniige hervor.^ Nach Theodorich kam es wohl ausser Gebrauch, da wohl
Niemand mehr sich in der Lage fühlte, den sich mehrenden Bauföllen Rechnung zu
tragen. Der Anonymus von Einsiedeln (9. Jahrh.) und der Ordo Romanus (12. Jahrh.)*
erwähnen es zwar noch mit dem richtigen Namen, aflein nachdem am Ende des folgen-
den Jahrhunderts die Orsini von der Ruine Besitz genommen und sie in eine Burg ver-
wandelt hatten, war die charakteristische Form bald so verschwunden, dass die Mirabi-
lien (Anfang des 1 4. Jahrhundert) sie neben dem richtigen Namen auch als Palatium
Pompei bezeichneten, ^ wie man denn überhaupt alle hervorragenden Ruinen als palatia
zu bezeichnen begann. Im 15. Jahrhundert^ waren noch Reste an der Aussenseite bei
Campo di Fiore sichtbar, doch war der Name des Pompeius dafür nicht mehr im Munde
des Volkes, wie unser Berichterstatter ausdrücklich hinzugefügt; bald darauf aber wird
in Folge einer bei S. Lorenzo in Damaso gefundenen Inschrift mit den Worten:^
GENIVIVI • THEATRI • POIYIPEIANI
das Theater an einer anderen naheliegenden Stelle gesucht. Man kam jedoch in Kurzem
* Anonymus Einsiedlens. (Areh. f. Philol. u. Paed. Suppl.-Bd. V. S. 426.) =* Ammian. Marc. XVl. 10.
=' Cassiodor. Variar. IV. 51. * Mabillon, Mus. Ital. toin. II. p. 143. * Montfaucon, Diar. Ital. p. 286 & 284.
* Poggius Florentin. de fortunae varietate U. R. et de ruina eiusdem descriptio. (1440. ) Opp. Bas. s. a. p. 137.
^ Blondii Flava Forliensis de Roma instaurata. Ven. ■1503. Lib. II. §. CIX. Fr. Albertini opusculuni de Mirabilibus
nove et veteris Urbis Rome. Rom. 1515. fol. 25.
i
Das domilianische (alexandrinische) Stadium (Piazza Navona). 239
wieder auf die rechte Spur, wie wir diess aus Marliani, A. Fulvio und L. Fauno erse-
hen. ^ Neuerlich wurden die dürftigen Ueberreste von Balthard, einem jungen französi-
schen Forscher und von Canina untersucht, deren Ergebnisse im Zusammenhalt mit den
capitolinischen Fragmenten unserer Beschreibung des Ganzen in der Hauptsache zu
Grunde liegen. Die mehrfachen Funde von Säulenüberresten in der Gegend , welche die
Anlage des Pompeius einnahm, wurden nicht besonders aufgeführt, da sie zu wenig spe-
cielles Interesse haben. —
36. Das domitianische (alexandrinische) Stadium (Piazza Navona.)
Noch weniger als von dem eben beschriebenen Theater des Pompeius ist uns
von einem anderen Gebäude für öffentliche Spiele erhalten, nemHch von dem Sta-
dium, das die Notitia^ neben den Theatern nennt. Doch ist wenigstens die Gestalt
der ganzen Anlage in einem stattlichen Platze (Piazza Navona) gegeben, in welchem
wir kaum etwas anderes als eine Rennbahn erkennen könnten, selbst wenn es uns
an allen Belegen dafür fehlte. Man gelangt dazu, wenn man von der Piazza di Campo
di Fiori rechts in die Via de' Baullari und hierauf am Ende dieser in die Via Massimi
und deren nordwestliche Fortsetzung Via di S. Pantaleo geht, und um die einen
spitzen Winkel bildende Ecke des Palazzo Braschi, welche durch den merkwürdigen
sog. Pasquino ausgezeichnet ist, westlich in die kurze Via di Pasquino hineinbeugt.
Wir treten dann auf einen schönen langen Platz, dessen beide Langseiten einander
parallel laufen, während von den Schmalseiten die südliche geradlinig, die nördliche
aber fast halbkreisförmig gebildet ist. An baulichen Ueberresten findet sich ausser
ziemlich unkenntlichen Substructionsmauern in den Kellergewölben des Hauses nörd-
lich neben S. Agnese (CoUegio de' Pamfili) nichts mehr, doch haben sich bei Grund-
grabungen für Neubauten ringsum häufig Reste von Mauern, wie sie bei Theatern
und Rennbahnen die Sitzreihen zu stützen pflegen, von Pfeilern und selbst von Sitz-
reihen gefunden. ^
Die Form des Platzes wie diese Funde lassen nun allerdings zunächst an einen
Circus denken, allein von einem solchen in dieser Gegend findet sich keine classische
Erwähnung. Dagegen passt die Localität trefflich zu dem Stadium, das die Notitia
neben den drei Theatern in der 9. Region erwähnt und diese Annahme wird auch
* Marliani, U. R. topographia. 1. V. c. 4 0. (Graev. Th. A. R. tom. III. p. 177.) A. Fulvii Sabini de Urbis
antiquitatibus l. IV. Roma. 4527. fol. LI. L. Fauno, delle antichitä della cittä di Roma. Ven. 1548. foi. 139.
* Curios. Urb. Rom. Reg. IX. ' Flamin. Vacca, Memorie. 1594. n". 29. (C. Fea, Miscellanea &c. p. LXVIII.)
Nardini, Roma antica lib. VI. c. 5. (Graev. Th. A. R. tom. IV. p. 1276.) R. Venuti, Descrizione topogratica delle
antichitä dl Roma. Rom. 1803. Tartell. p. 140.
240 Das Marsfeld.
noch durch andere Umstände unterstützt. Seit den frühesten Zeiten war iui Marsfelde
eine offene Rennbahn, die jedoch noch zu Augustus Zeit ohne ständig bauHche Ge-
stalt war, ein w ahrscheinhch eingehegter Rasenplatz an dem Theile des Feldes, welchen
der Fluss in einem Bogen umschliesst. ^ Hier wurden namentlich die Equiria gehal-
ten, welche Romulus dem Mars zu Ehren eingeführt hatte, ^ und welche noch in der
Kaiserzeit gefeiert wurden, sonst aber wurde der Rasen auch als Tummelplatz für
Uebungen benutzt. ^ Dadurch erhielt das Feld schon eine andere , universellere Be-
deutung als sie ein Circus hatte, der sich tiberdiess ganz in der Nähe (Circus Flami-
nius) darbot Cäsar war der Erste, welcher für gymnische Uebungen und Spiele einen
besonderen Platz davon abgränzte und ein hölzernes Stadium errichtete. * Diess wurde
jedoch nach den gegebenen Athletenspielen wieder abgebrochen, und ebenso auch
das zweite Stadium, welches auf demselben Platze Augustus erbaute.^ Erst unter
Domitian erstand ein ständiges Stadium, ^ das allerdings nicht wie die beiden vorigen
ausdrücklich als im Marsfelde befindlich bezeichnet wird, das aber naturgemäss den
gegebenen Platz benutzte und wohl mit dem von der Notitia daselbst erwähnten
identisch ist. Und dieses Stadium wurde, wenn die Correctur stadii aus et adii richtig
ist (woran man kaum zweifeln kann), durch Alexander Severus wieder hergestellt,^
was diesem Kaiser auch besonders nahe lag, da seine Thermen östlich anstiessen.^
So erklärt sich dann auch leicht der Name Circus Alexandrinus , den der Platz im
12. Jahrhundert trug^ und der sogar noch im 16. im Munde des Volkes fortlebte. ^*^
Die Verwechselung von Stadium und Circus war leicht möghch, da die baulichen Un-
terschiede gering waren. Eine andere Tradition erhielt sich in dem Namen Campus
Agonis oder bloss Agones, welchen die Gegend im 10. und 11. Jahrhundert ebenfalls
führte, ^^ Die Reminiscenz an das Stadium ist nicht zu verkennen, da ja gerade die
von Domitian eingeführten periodischen Spiele Agon Capitolinus hiessen. Merkwürdig
ist allerdings, dass unser mehrerwähnte Anonymus (a. a. 0.) von Einsiedeln beide
Namen nicht kannte, sondern den Platz in entschiedenem Irrthume wiederholt als Cir-
cus Flaminius bezeichnet. Dieser mochte dem halbgelehrten Mönche ein bekannterer
Name sein, und da die Ruine des Stadiums damals noch kenntlicher war als die des
Circus Flaminius, so konnte diese Verwechselung leicht geschehen.
Der bis auf Nibby unter den Archäologen gebräuchliche und auch jetzt noch
' Ovid. Fast. III. v. 519. * Fest. s. v. Martialis. ' Strab. V, 3, 7. p. 236. * Sueton. Caes. 39.
* Dio Cass. LIII. 1. ^ Sueton. Dom. 5. Cassiod. Chron. (Rone. II. col. <97.) Catal. iinp. Vienu. (Rone. U.
col. 243.) ^Script. H.A. (Lamprid.) Alex. Sev. 24. (Salmas.) * Anonym. Einsiedlens. (Arch. f. Phil. u. Paed.
Suppl.-Bd. V. S. 134.) » Ordo Romanus (1143) Mabillon Mus. Ital. tom. II. p. 143. '» A. Fulvius, Antiquität.
Urb. R. 1527. Lib. IUI. fol. LVI. " Chron. Farfense. Muratori R. I. S. Tom. II. P. II. Galletti, del Primi-
cero &c. Rom. 1776. p. 80, cf. Nibby, Roma 1839. P. I. antica. p. 600 sq.
Der Obelisk auf Piazza Na vona. Das Pantheon. 241
vulgäre Namen Circus Agonalis, der aus den localen Reminiscenzen von Agon gebil-
det wurde, widerspricht sich selbst. Denn AgonaHa haben mit einem Circus nichts
zu thun, und dem Namen fehlt auch alle classische Unterlage. —
37. Der Obelisk auf Piazza Navona.
Was die Annahme eines Stadium und nicht eines Circus an der Stelle von
Piazza Navona vorzugsweise bestätigt, ist der Umstand, dass man bei den für die
Anlage der Brunnen nöthigen Nachgrabungen nicht auf Reste der Spina stiess, welche
doch sonst einen Circus, namentlich in der vorgerückteren Kaiserzeit, charakterisiren.
Die Stadien unterschieden sich nemlich ihrer baulichen Anlage nach namentlich da-
durch von den Circi, dass die ersteren weder Spina noch Carceres hatten, wie diess
an den erhaltensten Stadien, namentlich an dem in Cibyra (dem heutigen Buraz) in
Lykien ersichtlich ist. Der Obelisk, der jetzt den Platz schmückt, stammt auch nicht
von dieser Rennbahn selbst, sondern vielmehr aus dem Circus des Maxentius an der
Via Appia, wo er die Spina schmückte, welcher Platz jedoch ebenfalls nicht sein ur-
sprünglicher war, da die Hieroglyphen römischer Arbeit den Kaiser Domitian in den
Namensringen nennen. Im Circus des Maxentius lag er Jahrhunderte lang, in fünf
Stücke zerbrochen, auf dem Boden, bis ihn Papst Innocenz X. durch Bernini und
Ercher * ergänzen und in der Mitte der Piazza Navona auf dem prächtigen Brunnen
aufstellen liess, i. J. 1651. Die nachher gefundene Spitze desselben ist jetzt im Mu-
seum zu Neapel, und andere erst i. J. 1825 gefundene Fragmente, von Giov. Tor-
lonia dem Könige Ludwig von Bayern geschenkt, befinden sich zu München. Der
Obelisk hat jetzt eine Höhe von 10, 20 Met.; auf dem ergänzten Gipfel befindet sich
jetzt eine Taube mit dem Oelzweige in Bronze, das Wappenzeichen des Hauses Pam-
phili, dem Innocenz X. angehörte. —
38. Das Pantheon.
Westlich von den Ruinen des Pompeiustheaters und von Piazza Navona bis zum
Flusse befinden sich nur wenige Ueberreste, und keine, die für topographische und ar-
chitektonische Erörterung Stoff gäben. Denn die kolossalen Granitsarkophage, welche
die Piazza Fernese in der Nähe des Pompeiustheaters, jetzt in Brunnen umgewan-
' Kirchcr, Obeliscus Pamphilius. Romae 1650.
F. Rbbbr, die Buinen Boras. 34
242
Das Marsfeld.
delt, schmücken, gehören nicht hieher, und die lange Linie einer Substructionsmauer
aus abgekanteten Travertinquadern in der Via Giiilia, welche an der links abzweigen-
den Via del Gonfaleone beginnt und dann an den beiden Häuserstöcken von S. Maria
del Suffragio und S. Biagio in einzelnen Resten sich hinzieht, lässt sich, da sich aus-
ser einem derben, bankähnlich vorspringenden Leisten nichts Charakteristisches daran
findet, und keine classischen Nachrichten zu Hilfe kommen, nicht erklären. Wir wen-
den uns daher von Piazza Navona aus östlich, um die übrigen zum Theil sehr be-
deutenden antiken Ueberreste zu besuchen.
Ein kurzer, doch etwas unregelmässiger Weg durch die Gorsia di Piazza Na-
vona und über die Piazza Madama, dann durch die Via del Salvatore, del Governo
und de' Crescenzi führt uns auf die Piazza della Rotonda und wir stehen vor dem
berühmten Pantheon. Nicht
leicht etwas kann auf den,
der überhaupt für die Reste
des Alterthums Empfindung
hat, einen tieferen, gewal-
tigeren Eindruck machen,
als der erste Anblick dieses
Rundtempels in seiner wuch-
tigen Einfachheit, mit sei-
nen altersschwarzen Mauern
und Marmorzierden und in
seiner fast beispiellosen Er-
haltung: ein Eindruck, den
wohl keine Abbildung da-
von, am wenigsten die bei-
gefügte , hervorzubringen
vermag, um so weniger,
als er nicht in gefälligen
Formen, in der heiteren
Grösse griechischer Tem-
pel, sondern vielmehr in
dem strengen Ernste eines eigentlich römischen Werkes, bei welchem die griechischen
Elemente nur als ein sehr zurücktretendes Aussending behandelt sind, seinen Grund hat.
Von der im Uebrigen bis zur Kahlheit schmuckarmen Rotunde springt nach
vorne ein rechtwinkliger Pronaos, von 16 Säulen getragen, vor. Diese Vorhalle hat
eine Breite von 35 und eine Tiefe von 16 Met., und ist jetzt noch um zwei Stufen
^Mft.
23. Gmodriss des Panlheon. (Nach Casina.)
Das Pantheon. 243
über dem Niveau des modernen Bodens erhöht, erhob sich jedoch um sechs Stufen
über den antiken. In der Fronte stehen acht Säulen: der ersten, dritten, sechsten
und achten entsprechen noch je zwei in der Tiefe. Die korinthischen Marmorbasen
haben mit der Platte eine Höhe von 0,72, die Schäfte, von grauem und röthlichem
Granit und desshalb natürlich uncanellirt, sind 11, eo M. hoch und haben unter 1,5o,
oben 1,34 M. im Durchmesser, die korinthischen Marmorcapitäle messen 1,7? M. in der
Höhe. Architrav und Fries, jener 1,o5, dieser 1 M. hoch, sind ohne Ornamentik; im
Fries der Fronte steht in grossen Buchstaben, die einst, wie an den Nietenlöchern
ersichtlich ist, mit Metall ausgelegt waren, die Inschrift:
M AGR I PPA . L F COS TERTI VM FEC IT
Eine andere, unterhalb in den zwei oberen Leisten des dreifachgestuften Architravs
angebrachte zweizeilige Inschrift, in sehr kleinen Buchstaben geschrieben, berichtet
eine spätere Restauration:
IIVIP CAES L SEPTIIVIIVS SEVERVS PIVS PERTINAX ARABICVS • ADIABENICVS PARTHICVS
IVIAXIIVIVS PONTIF • MAX TRIB POTEST IT IIVIP XI COS • TlT- P • P PROCOS • ET
IIVIP • CAES IVI AVRELIVS ANTONINVS PIVS FELIX ■ AVG TRIB • POTEST • V • COS • PROCOS
PANTHEVM • VETVSTATE CORRVPTVM CVM OMNI CVLTV • RESTITVERVNT
Der 1,38 Met. hohe Garnies ist im edelsten Geschmacke verziert und ganz frei
von der sonst bei römischen Kaiserbauten heimischen Ueberladung. Er zeigt den
Eierstab und schöne Kragsteine, ausserdem aber nur unbedeutende Ornamentleisten.
Derselbe Carnies umsäumt das ganze Giebelfeld, dessen Höhe 6,30 Met, beträgt und
das jetzt aller Bekleidung entblösst, in den rohen Travertinquadern noch die Nieten-
löcher zeigt, in welchen die Figuren desselben befestigt waren. Wegen der geringen
Vertiefung des Giebelfeldes kann man als Schmuck nur ein Relief vermuthen, welches
wahrscheinhch , wie auch die übrigen Bildwerke des ganzen Gebäudes, in Bronze
ausgeführt war. Die Seitensäulen, sowie die inneren des Pronaos, waren mit einan-
der durch drei Tonnengewölbe verbunden, welche auf dem Gebälke derselben ruh-
ten, und deren Wölbungen, von denen die mittlere etwas höher war, in der Rich-
tung gegen den Eingang hin liefen. Jetzt verbinden starke Balken die Säulenstellung
des Pronaos. An die Stelle der vergoldeten Bronze aber, womit einst das ganze Dach
bedeckt war, ist jetzt Blei getreten. ^
Der Pronaos ist mit dem Rundgebäude selbst durch einen massiven Vorbau ver-
bunden, der die rechtwinkelige Vorhalle mit der Curve des anstossenden Theiles der Ro-
tunde zu vermitteln bestimmt ist. Dieser zeigt auf beiden Schmalseiten aussen Reste
von je drei caneHirten Marmorpilastern, zwischen welchen man oben — besonders noch
auf der Westseite erhalten — Reliefstreifen von pentelischem Marmor sieht, welche Gan-
31*
244 Das Marsfeld.
delaber und Opfergeräthe zwischen Festonen darstellen und in geschmackvoller Gruppi-
rung und mit höchster Feinheit ausgeführt sind. Zwischen dem zweiten und dritten Pi-
laster befinden sich auf beiden Seiten die Eingänge zu den Treppen, welche in der Masse
des Verbindungsvorbaues selbst auf die Höhe des Gebäudes führen. Von den beiden
Treppen ist jetzt nur mehr die östliche zugänglich, doch gelangt man auch zu dieser
nicht mehr durch den antiken Eingang. — Im Innern der Vorhalle zeigt dieser Verbin-
dungsvorbau vier canellirte Marmorpilaster derselben Art, wie sie sich aussen befinden,
welche den vier Tiefreihen der Säulen des Pronaos entsprechen. Zwischen dem ersten
und zweiten, und zwischen dem dritten und vierten befinden sich zwei grosse Nischen,
welche muthmasslich einst die Kolossalstatuen des Auguplus und Agrippa enthielten, ^
jetzt aber unansehnliche Altäre aufgenommen haben. Zwischen dem zweiten und drit-
ten Pilaster aber, welche um etwas mehr als einen Säulenzwischenraum weiter als die
übrigen von einander entfernt sind, vertieft sich eine Art von Vorgemach gegen den Ein-
gang zum Rundgebäude selbst hin. Zu beiden Seiten dieses Raumes sieht man ausser der
breiten Seite des angränzenden Pilasters noch zwei andere von gleicher Art zwischen
denselben Reliefstreifen, wie ich sie eben beschrieben, von pentelischem Marmor mit
Festonen und Opfergeräthen. Dieselben Reliefs ziehen sich auf die beiden Seiten neben
dem Portale herüber, sind jedoch da grösstentheils durch moderne Stuckreliefs mit christ-
lichen Kirchengeräthen und symbolischen Gegenständen ersetzt. Von ausgezeichneter
Arbeit sind die Marmorpfosten und der Sturz des Portales, welches mit dem Rahmen
von derselben Höhe, wie die Säulen des Pronaos ist, und dessen Schwelle wie der
Sturz aus einem Marmorstücke besteht. Die herrliche, 6 Met. breite Flügelthüre, die
mit dickem Bronzeblech bekleidet und noch fast unversehrt erhalten ist, wird nach
ihrer Höhe in drei Theile getheilt: die eigentliche Doppelthüre, welche 7,35 Met. hoch
ist und nach innen sich öffnet, in gewaltigen Angeln gehend, die jedoch nicht in den
Marmorpfosten, sondern in zwei dorischen ionisch caneUirten Pilastern, welche den
Thürraum an den Seiten verengern, ihre Zapfen haben; darüber ein Querbalken von
1,20 Met. Höhe, und über diesem ein Bronzegitter, mit seinem Rande 3,22 Met. hoch.
Letzteres ist in der Art wie übereinandergelegte Hohlziegel geformt. Die Arbeit an
dieser Thüre ist bewundernswerth exact, bei der sonstigen Einfachheit fallen beson-
ders die Nägel auf, welche überaus reich und geschmackvoll gearbeitet sind.
Ehe wir jedoch die Schwelle des Tempels selbst überschreiten, wollen wir
vorerst die äusseren Verhältnisse des Rundbaues betrachten. Dieser ruht auf einem
rechtwinkeligen Unterbau, der auf der Fronte 64,5o, an den Seiten 48 Met. misst und
sich rückwärts an den Grundbau einer breiteren Anlage anschliesst. Der äussere
* Dio Cass. LIIl. 27.
c
Q.
m'
Das Pantheon. 243
Durchmesser der Rotunde (d. h. mit Einschluss der Mauern) beträgt o5,8o Met. ; die
Masse der Backsteinmauer aber hat an den Stellen, an denen sie nicht durch Nischen
geschmälert ist, eine Dicke von 6 Meter. Die Mauer selbst zeigt aussen drei durch
Carniese angezeigte Abtheilungen, welche mit der inneren Eintheilung harmoniren,
zugleich aber wesentlich dazu beitragen, die sonst kahle Einförmigkeit des äusseren
Anblickes der Rotunde zu mildern. Der erste Carnies läuft 12, 30 Met. über dem Spie-
gel der Substruction und ist selbst 0, 70 Met, hoch; der zweite ist von diesem 8,40
Met. entfernt und misst selbst 1 Met. in der Höhe; der dritte, 7, 70 Met. über dem
vorhergehenden, hat eine Höhe von etwas über 1 Met., so dass die Gesammthöhe
der Mauer sich auf 31,io Met. beläuft. Der untere Mauerring bis zum ersten Carnies
war, wie aus den Spuren ersichtlich ist, mit Marmor bekleidet, die oberen mit Stuck.
Am unteren Theile befanden sich ringsum acht kleine jetzt geschlossene Eingänge,
welche zu halbkreisförmigen Kammern führten, deren Radius wenig mehr als 2 Met.
beträgt. Sechzehn ähnliche befinden sich zwischen dem zweiten und dritten Carnies.
wo überhaupt der Bau am massigsten ward, da die Wölbung innen schon von der
Höhe des zweiten Carnieses aus begann. Der Zweck dieser Nischenkammern war
kein anderer, als die Unterbrechung der Mauermasse durch Bogenconstruction, wo-
durch die Mauer nicht bloss leichter, sondern auch fester gemacht werden konnte.
Auch sonst ist die Mauer häufig durch Bogensprengungen , die sich selbst tragend
übereinander gethürmt sind, solidirt. Dieselbe Höhe wie der dreifach abgestufte Ring
der Rotunde erreicht auch der massive Vorbau, welcher den Pronaos mit dem Rund-
bau verbindet, und ragt desshalb noch um ein Beträchtliches über die Giebelhöhe des
Pronaos empor, eine Fläche darbietend, welche nothwendig einigermassen verhüllt
werden musste. Diess geschah durch einen zweiten Giebel, welcher etwa 1 4 Met.
hinter dem des Pronaos und etwas höher stand, den aber die Anlage i* der beiden
Glockenthürme grösstentheils unsichtbar gemacht hat. — Die Kuppel selbst, einst wie
der Pronaos mit vergoldeter Bronze, jetzt mit Blei bedeckt, beginnt aussen mit einem
2 Met. hohen Gürtel, besteht dann in sechs immer höher werdenden Stufen, läuft je-
doch zuletzt glatt der grossen runden Oeffnung zu, welche auf dem Scheitel ange-
bracht ist. Diese Oeffnung hat 8,90 Met. im Durchmesser und ist jetzt ohne allen
Schutz ganz offen, soll aber früher bedeckt und an dem Deckel die grosse Pinie an-
gebracht gewesen sein, die jetzt im Giardino della Pigna des Vaticans zu sehen ist.
Doch ist diess unwahrscheinlich, und da, wie unten erörtert werden wird, dieses
Gebäude ursprünglich für einen Saal der Agrippathermen und nicht für einen Tem-
pel bestimmt war, so ist hier nur eine grosse Bronzeplatte zum jeweiligen und be-
liebigen Verschluss anzunehmen, von deren Einrichtung und Gebrauch Vitruv bei dci-
246
Das Marsfeld.
Beschreibung der Thermen spricht. ^ Rings um die OefFnung sieht man noch den ver-
zierten Rand von vergoldeter Bronze, der allein von der prachtvollen Bedachung
übrig geblieben ist. Das Gemäuer der Kuppel besteht aus opus antiquum, keilförmi-
»en Stücken ungefähr von der Grösse und Form moderner behauener Pflaster-
steine, eine Mauerart, welche für eine Kuppel besonders entspricht und durch über-
einander gethürmte Bogensprengungen zu einer der leichtesten und dauerhaftesten er-
hoben ward.
Der innere Raum der Rotunde übertrifft an Schönheit und Anmuth den äusseren
24. Durchschnitt des Panihi-oii. (Nach Canin
Anblick, der mehr imponirt als an sich befriedigt, bei weitem. Hier herrscht weder
Kahlheit noch Ueberladung und Alles steht in schönster Harmonie. Der Boden, dessen
Kreis mit Ausschluss der Nischenvertiefungen 42,85 Met. im Durchmesser hat, ist ab-
wechselnd mit quadratischen und kreisförmigen Platten auf rechtwinkeligem Netze aus
Porphyr, grauem Granit, phrygischem und numidischem Marmor belegt. Ringsum ver-
tiefen sich acht Nischen, die 8,20 M. breit und 4, 70 Met. tief sind, wovon eine zum
4 Vilruv. V. 10.
Das Pantheon. 247
Eingange dient , während die übrigen im Alterthume Götterbilder enthielten , später aber
christliche Altäre aufnahmen, die noch den Platz behaupten. Diese Nischen wechseln
zwischen Halbkreis- und Rechteckform: von der sonst regelmässigen Yertheilung macht
jedoch die Eingangsnische , welche im Interesse der Anbringung des Portals statt halb-
kreisförmig rechtwinkelig gebildet ist, eine Ausnahme, so dass der ersteren Art drei,
der letzteren aber fünf Nischen angehören. Jede derselben wird von canellirten ko-
rinthischen Pilastern begränzt, zwischen welchen zwei Säulen derselben Grösse und
Ordnung , mit den ersteren abwechselnd , von numidischem und phrygischem Marmor,
stehen, um das ringsum fortlaufende Gebälke, welches bei den halbkreisförmigen Nischen
die Wölbungen maskirt, zu tragen. Die attischen Basen sind von weissem Marmor und
0,43 M. hoch; die Schäfte, welche im Durchmesser unten 1,i3, oben 1 Met. haben und
deren Canelluren nur an dem oberen Theile wirklich ausgeführt, an dem unteren Dritt-
theil nur flach angezeigt sind, messen 8, so Met., die Capitäle, ebenfalls von weissem
Marmor, 1,39 Met. in der Höhe. Bei der Eingangs- und der gegenüberstehenden Haupt-
nische durchbricht die Wölbung den Gebälkkranz, so dass die ganze Nische offen er-
scheint: desshalb fehlen natürlich auch die Säulen zwischen den beiden Pilastern an
der Eingangsnische ganz , während sie an der Hauptnische vor die Pilaster gesetzt sind
und vorspringende Gebälkstücke tragen , welche vormals sicher mit Statuen geschmückt
waren. Diese beiden Säulen zeigen auch eine complicirtere Canellirung, nemlich Rund-
stälie auf den Stegen. Zwischen den acht grossen Nischen sind ringsum noch acht
kleine rechteckige, nicht bis auf den Boden reichend und nur 2 Met. breit und 0,93 Met.
tief, jetzt ebenfalls zu Altären verwendet. Diese schmücken, um weniges vorspringend,
kleine (nur 8,30 Met. hohe) Aediculen, nenilich ein Basament bis zum unteren Rande
der Nische und auf diesem zwei Säulen vor entsprechenden an die Wand angelehnten
Pilastern, die zusammen Gebälke und Giebel tragen, von welchen abwechselnd die
einen von dreiseitiger regulärer Form , die anderen an der Spitze abgerundet (segment-
förmig) sind. Auch diese Säulchen, mit Base und Capital nur 4, 40 Met. hoch, sind ko-
rinthischer Ordnung , theils von numidischem Marmor, theils von Porphyr, erstere die
abgerundeten Giebel tragend; jetzt sind jedoch nach mancherlei Versetzungen vier
Porphyrsäulen aus der Kirche verschwunden: zwei wurden verkauft und die beiden
anderen befinden sich seit Pius VI. in der vaticanischen Bibliothek , im letzten Saale
des rechten Flügels. Clemens IX. ersetzte die fehlenden durch graue Granitsäulen.
Das von den Säulen und Pilastern getragene korinthische Gebälke, dessen Gürtel
nur durch die offene Eingangs- und durch die Hauptnische unterbrochen wird und
2,50 Met. in der Höhe misst, bildet die untere Abtheilung des Rundtempels und ent-
spricht in seiner Höhe genau der Lage des ersten Carnieses an der Aussenseite.
Noch vollständiger als die erste und ununterbrochen wird auch die zweite Abtheilung
248 ^^^ Marsfeld.
abermals von einem 2,o8 Met. hohen einfacheren Gebälke, dessen Carnies namentlich
keine Kragsteine zeigt, abgeschlossen, wieder in gleicher Höhe mit der zweiten Car-
niesabtheilung von aussen. In dieser oberen Abtheilung innen befinden sich 12 recht-
winkelige, seichte Nischen. Von den 16, der nach der Anordnung treffenden Zahl der-
selben, sind zwei durch die beiden offenen Wölbungen der Eingangs- und der Haupt-
nische weggenommen , und zwei andere dienen den beiden anderen halbkreisförmigen
Nischen, deren oberer Theil maskirt ist, als Fensteröffnungen. Diese Vertiefungen,
welche sich 2,1 o Met. über dem ersten Carnies befinden und von diesem durch einen
breiten, einmal abgestuften Gürtel getrennt sind, haben wie die ganze Fläche der oberen
Abtheilung nicht mehr die ursprüngliche Gestalt : bei einer Restauration im J. 1747 nemlich
suchte sich ein namenloser Architekt daran zu verewigen, indem er die Nischen er-
höhte , ihnen einen plumpen Giebel aufsetzte und besonders von der Wand die schönen
Pilaster sammt der übrigen Bekleidung aus den kostbarsten Marmorarten hinwegnahm,
um dafür nach der Erfindung seiner Zeit Ornamentik in Stuck anbringen zu können.
Die Nischen selbst aber wurden später theilweise durch Heiligenbilder, coulissenhaft
grau in grau auf Leinwand oder Holz gemalt, verunziert, über deren langes Ver-
bleiben an dieser bessere Werke verdienenden Stelle man sich nicht genug verwun-
dern kann.
Der durch den doppelten Gebälkgürtel gebildeten harmonischen Gliederung im
Innern des Rundtempels schreibt man vorzüglich den Eindruck der Grösse zu, wel-
chen das Gebäude bei verhältnissmässig nicht so bedeutenden Maassen auf den Be-
schauer macht. Doch diesen Eindruck scheint mehr das Ebenmaass in den allgemein-
sten Proportionen hervorzubringen , nach welchem hier kein excessives Ghed das andere
oder das Ganze beeinträchtigt. Denn der Höhe vom Boden bis zum zweiten Carnies,
d. h. bis zum Anfange der Wölbung, ist die innere Kuppelhöhe selbst genau gleich.
Ferner ist die gesammte Höhe vom Boden bis zur KuppelöfFnung gleich dem Durch-
messer der Rotunde im Lichten. Auch überwältigen die Einzelnheiten des architekto-
nischen Schmuckes nicht das Ganze , denn ihre Grössenverhältnisse sind von der Art,
dass wir von ihnen ab den Maassstab nicht zu klein nehmen, wie es z. B. nach den
Pfeilern von St. Peter geschieht, welche durch ihre eigene Grösse und ihre riesigen
Proportionen der Höhe des Ganzen Eintrag thun. Ferner erhöhen die sich verjüngenden
Trapez - Cassettonen , deren Felderabstufung überdiess perspectivisch angelegt ist, die
Vorstellung von der Höhe der Wölbung.
Das Pantheon ward nach der obenangeführten Hauptinschrift von M. Agrippa,
dem Schwiegersohne des Augustus, in seinem dritten Consulatsjahre (729 d. St., 25 v. Chr.)
ßfbaut. Der Name Pantheon (Pantheum) findet sich schon bei mehren, keineswegs
Das Pantheon. 249
späten Schriftstellern,! und auch insbesondere in der angeführten Restaurationsin-
schrift des Kaisers Septimius Severus vom Anfang des dritten Jahrhunderts v. Chr.
(202). Die seit langem eingebürgerte Annahme, dass der Tempel dem lupiter Ultor
geweiht gewesen sei , beruht auf einer falschen Lesart einer Stelle des Plinius, '^
ebenso wenig stimmt mit dem Thatbestande die auf Dio Cassius^ gestützte Behaup-
tung überein, dass der Tempel nicht allen Göttern, sondern zunächst dem Mars und
der Venus geweiht gewesen sei, welcher Annahme sowohl der oft von den Alten
ausgesprochene Name, als auch insbesondere die innere Einrichtung der vielen zur
Aufnahme von Götterbildern bestimmten Nischen entgegen steht. Eine weitere, aus
derselben Stelle ganz willkürlich gezogene Annahme^ bestimmt den Tempel nur für
die Götter des iuhschen Geschlechtes, lediglich desshalb, weil Agrippa, nachdem
Augustus die Aufstellung seines eigenen Standbildes im Tempel ausgeschlagen hatte,
eine Statue des Cäsar unter die Götterbilder setzte ; doch auch diese Annahme steht
im Widerspruche mit dem Namen »Tempel aller Götter.« Auch deuten die zweierlei
Abstufungen der Götternischen im Tempel auf verschiedene Rangstufen, und die
sieben grossen Nischen für die sieben Hauptgottheiten wie die acht kleineren dazwischen
mit den Aediculen für die nächst niederen (von den zwölf in der oberen Abtheilung
der Rotunde für die Götter letzten Ranges befindlichen Götternischen als wahrschein-
lich späteren Ursprunges abgesehen) bieten zusammen Raum für 1 5 Gottheiten, einer
hinreichenden und den Namen Pantheon verdienenden Vertretung des Olympos,
dessen Gewölbe man ebenfalls schon im Alterthume durch die herrliche Kuppel
symbolisirt wähnte.^
Ob jedoch" dieses Wundergebäude schon ursprünglich als Tempel erbaut ward,
ist eine bereits vielbesprochene, aber noch nicht ganz entschiedene Frage." Doch
neigt man sich jetzt allgemein zur Verneinung derselben (Fiale, Bunsen, Becker) :
Denn einerseits erscheint die Rotunde anstossend an die Mauern der Thermen des
Agrippa, und sogar mit ihnen verbunden ; anderseits zeigt der Rundbau selbst Ein-
richtungen, die mit einem zu den Thermen gehörigen Gebäude zusammenfallen. So
beschreibt Vitruv^ das Laconicum oder die Sudatio (Schwitzbad) als an das Tepi-
darium (laue Bad) anstossend, mit einem der Höhe gleichen Durchmesser und einer
Fensteröfl'nung am Scheitel der Wölbung, die durch eine gewölbte Bronzeplatte
(clipeus) verschliessbar ist. Da diess dem beschriebenen Rundgebäude entspricht
»Plin. H. N. XXXVI. 5, 4, 38. Macrob. Sat. m. 17. (lan.) (II. O.) Dio Cass. LIII. 27. LXVI. 24.
^Plin. H. N. XXXVI. 15, 24, 102. cf. Cod. Bamb. Plin. ed. Sillig. Vol. V. p. 452. 3 LIII. 27. < Becker,
n. d. r. A. Bd. I. S. 635. 5 Dio Cass. 1. c. Ammian. Marc. XVI. 10. 6 C. Fea, Integritä del Panteon
di M. Agrippa. Roma 1807. — id., Conclusione per l'integritä del Panteon. Roma 1807. L. C. Lettera su di
alcune attuali controversie giudiciarie e su diverse opinioni intorno al Panteon. Pisa 1807. Piale del corpo
rotondo del Panteon. Roma 1884. ^ vitruv. V. 10.
F. Rerer, Rom. 32
250 Das Marsfeld.
wird die Annahme,' dass es ursprünglich zu diesem Zwecke erbaut wurde, trotz der
imposanten Grösse des Raumes, den man sonst für diesen Zweck nicht so bedeutend
nahm, nicht unwahrscheinhch. Dazu kommt noch, dass nach den genauesten darüber
angestellten Untersuchungen der Pronaos nicht zugleich mit der Rotunde erbaut,
sondern erst nach Vollendung der erstem angefügt wurde. Diese — gleichwohl
angestrittene ^ — Ungleichzeitigkeit der beiden Theile beweisen die angränzenden
Stücke vom Säulengebälke des Pronaos, welche an den Rundbau nur angelehnt,
nicht hineingefügt erscheinen. Der Pronaos verdankt demnach sein nachheriges Ent-
stehen wahrscheinlich dem erst nach Vollendung des Rundgebäudes gefassten Ent-
schlüsse Agrippa's, den so herrlich gelungenen und für den Gebrauch der Menschen
zu prachtvollen Saal den Göttern zu weihen.
Von der hervorragenden Ausstattung dieses Tempels geschieht an mehren
Stellen Erwähnung. Die Bronzestücke waren von dem Kunstler Diogenes von Athen,
und es ist anzunehmen, dass alle Statuen von Bronze und vergoldet waren. Be-
sonders bewundert wurden davon die Giebelgruppe und die Karyatiden, welche etwas
unklar als »auf den Säulen des Tempels« stehend erwähnt werden.^ Diese Notiz
hat die mannichfaltigsten Erklärungen hervorgerufen,^ welche aber zumeist dem
Wortlaut beiPlinius »in columnis« nicht entsprachen. Auch die von dem Verfasser
in der ersten Ausgabe dieses Buches ausgesprochene Vermuthung, dass sie übei-
den vorspringenden Säulen beiderseits von der Hauptnische, wie vielleicht auch
beiderseits von der Eingangseite zu denken seien, muss derselbe Angesichts des
Adler'schen* Restaurationsversuches zurücknehmen, wonach die obere Hälfte des
Gylinders von den Nischenbogen ähnlich durchbrochen gewesen, wie das die Haupt-
und Eingangsnische zeigt. Doch lief das Gebälke wie noch jetzt hier ununterbrochen
fort, selbst ebenso von den noch stehenden Säulen getragen, wie es die jetzt ver-
schwundenen Karyatiden trug, die auf diese Weise im vollen Sinne als auf den
Säulen befindlich genannt werden können.
Wahrscheinlich wurden diese BogenöfTnungen mit den Karyatiden schon nach
dem Brande, welcher unter Titus i. J. 80 n. Chr. am Marsfelde wüthete und auch
das Pantheon ergriff,^ in der Restauration des Domitian*^ (93 n. Chr.) beseitigt,
wenigstens sind schon die sie tragenden Innensäulen, von welchen vorher die Bronze-
capitäle ausdrückUch gerühmt werden,^ nicht mehr die ursprünglichen wie die Art
der Canellirung der Schäfte die Marmorcapitäle und endlich das kostbare Material
1 A. Hirt, Osservazioni istorico-architettoniche sopra il Panteon. 2 pijn. jj. n. XXXVI, 5, 4, 38.
'Eine Zusammenstellung der älteren Erklärungen findet sich bei Canina, Arch. Rom. III. tab. XL VII. H. Brunn,
Geschichte der griech. Künstler, Stuttg. iSSa. Bd. I. S. 548. ^ F. Adler. Das Pantheon zu Rom. Pro-
gramm zum Winkelmannsfest der archäologischen Gesellschaft zu Berlin. Berlin 1871. ^ pio Cass. LXVI.
24. ecassiod. Chron. — Catal. Imp. Vienn. (Rone. II. col. 197 & 243). ^ P\m. H. N. 1. c.
Das Pantheon, 251
zeigen. Wahrscheinlich gehört auch die Erneuerung der schönen Bronzethüre in
diese Zeit. Welchen Schaden dann der Blitzstrahl angerichtet, der 1 1 0 unter Trajan
das Gebäude traf^ ist nicht anzugeben, doch musste er so beträchtlich sein, dass
die Wiederherstellung durch Hadrian,^ welcher in der Rotunda mit Vorliebe zu
Gericht sass,^ der Erwähnung werth war. Fast 100 Jahre nachher (2021) unternahm,
wie aus der obenangeführten Inschrift am Pronaos hervorgeht, Septimius Severus
eine dritte Restauration, welcher wohl die Ausführung des obern Theiles des Cy-
linders innen zuzuschreiben ist, wie sie sich bis zur Spoliation von 1747 erhalten hat, ^
angehörte. Denn die keineswegs mehr höheren künstlerischen Anforderungen ent-
sprechende Incrustation mit fast ausschhessender Farbenwirkung, bei welcher nur
Basen und Capitäle der Pilaster im Basrelief über der Wandfläche vertreten, kann
weder der domitianischen noch der hadrianischen Zeit zugemuthet werden.
Im J. 399 ward auch dieser Tempel wie die übrigen durch einen Erlass des
Kaisers Honorius geschlossen ^ und verblieb es, bis Papst Bonifacius IV. vom Kaisei-
Phokas die Erlaubniss zur Umwandlung desselben in eine Kirche erlangte und ihn
im J. 608 mit Beziehung auf die frühere Bestimmung des Tempels allen Heiligen
und zwar zunächst der h. Maria mit Märtyrern (S.Maria ad Marty res) weihte. <> Den-
noch wagte es später der byzantinische Kaiser Constans II. (Anastasius nennt ihn
irrig Constantin), die vergoldeten Bronzeziegel der Kuppel abzunehmen und mit sich
fortzuführen," freilich ohne den Raub benutzen zu können, denn die Beute fiel, wie
bei der Beschreibung des Traianforum erzählt worden ist, zu Syracus, wo der aus-
schweifende Kaiser im Bade getödtet worden war, in die Hände der Saracenen.
Das entblösste Dach liess Gregor III. in der Mitte des 8. Jahrhunderts leicht bedecken;
die noch jetzt vorhandene Bleibedachung aber stammt von Papst Martin V.^ und
seinen Nachfolgern Eugen IV.'' und Nicolaus V., mithin aus der ersten Hälfte des
1 5. Jahrhunderts, wie man noch aus der bezüglichen Inschrift unter der Kuppel auf
der Südseite ersieht. Eugen IV. schaffte die elenden Hütten und Buden, welche
den Pronaos eingenommen hatten, hinweg, legte die Säulen sammt ihren Basen
bloss und deckte auch noch einen Theil des Travertinpflasters vor dem Pronaos auf.
Obwohl man jedoch schon bei diesen Nachgrabungen auf die schöne Porphyrurne, die
jetzt das Grabmal des Papstes Clemens XII. in der Kapelle Corsini von S. Giovanni
in Laterano schmückt und welche mit Unrecht für den Sarkophag des bekanntlich
1 Oros. VI. 42. Hieronym. Chron. (Rone. I. col. 450.) 2 Script. Hist. Aug. (Spartian.) Hadr. 19.
3 Dio Cass. LXIX. 7. * vgl. F. Adlers' obengenannte Abhandlung. » Cod. Theodos. üb. XVI. tit. X.
1. XVIII. 6 Anastas. Bibliothec. Vit. Pont. Par. 1659. p. 52. ^ Paul Diac. V. 11. 13. loann. Diac. Chron.
Episc. Neap. Eccles. c. 33. (Muratori, R. I. S. Toni. I. P. II. 1725. p. 304.) Epit. Chron. Cassin. (Muratori,
T. II. P. I. p. 355.) 8 Vit. Martini V. (Murat. Rer. Ital. Script. Tom. III. P. II. » Fl. Blondi. Roma in-
staurata. Yen. 1503. L. III. §. LXV.
32*
252 f*2is Marsfeld.
im Mausoleum des Augustus beigesetzten Agrippa gehalten ward/ gestossen war,
so wurde doch die Ausgrabung sammt diesem und einigen anderen Funden wieder
verschüttet, bis Clemens VII. im J. 1525 den Schutt neuerdings beseitigte. Ein
menschliches Haupt, Fragmente eines Pferdes und eines Rades von Bronze, die man
hier fand und welche vermuthlich zu den Akroterien oder zu den Sculpturen des
Giebelfeldes gehörten, wurden wahrscheinlich eingeschmolzen.^ Papst Paulus V.
säuberte den Pronaos wieder von den sich abermals in demselben ausbreitenden
Victualienbuden (1 61 1), worauf Urban VIII. die gestürzte nordöstliche Ecksäule wieder
aufstellte, welcher schon seit langer Zeit das Capital gefehlt hatte : an dem ergänzten
Capital erblickt man daher in der Abakusblume die barberinische Wappenbiene.
Anderseits Hess aber dieser Papst im J. i 632 die prismenförmigen, aus drei starken
Plattenstreifen zusammengefügten Bronzebalken aus dem Dache des Pronaos herab-
nehmen, einschmelzen und daraus die spiralförmig gewundenen Säulen des Baldachins
über der Confession von S. Peter und die Kanonen von Castel S. Angelo giessen ; "^
die Gesammtmasse der hier erbeuteten Bronze soll sich auf 450,000 römische Pfund
belaufen haben. Die Inschrift, welche diese Plünderung durch Urban VIII., der die
Dachbalken durch hölzerne ersetzte, der Nachwelt überhefert, befindet sich im Pro-
naos zur Rechten vom Portale. Alexander VII. setzte im J. 1662 die Restauration
an der Ostseite der Porticus fort und stellte dort, um die noch fehlenden zu er-
gänzen, die zwei Säulen von röthlichem Granit auf, die man auf Piazza di S. Luigi
de' Francesi gefunden hatte, an deren Capitälen er auch wie Urban VIII. sein Wap-
penzeichen (Stern) anbringen Hess. Zugleich wurden einige Häuser an der Ostseite
des Pronaos abgebrochen und das Travertingetäfel des antiken Platzes an der Ost-
seite aufgedeckt. 4 Ueberdiess Hess er den alten Glockenthurm , der seit 1270 auf
der Mitte des Pronaos stand, abbrechen und nicht minder geschmacklos zwei neue
an den beiden Seiten desselben errichten. Clemens XI. legte den Platz gegen das
Pantheon niedriger, verschönerte den Brunnen und errichtete darauf den Obe-
lisken, von dem später die Rede sein wird. Weniger dankenswerth war es, dass
Benedict XIV. statt sich mit der Reinigung des Marmorgetäfels zu begnügen, i. J.
1747, die obere Abtheilung im Innern ihrer Marmorbekleidung berauben und dafür
mit Stuccatur versehen Hess. Pius VII. restaurirte die Bleibedachung und deckte
an der Westseite den antiken Boden wieder auf: der Abbruch eines in Folge Ueber-
schwemmung halb eingestürzten Hauses gab durch einen sonderbaren Process vor
iDio Cass. LIV. 28. 2 piaminio Vacca, Memorie &c. 1594. n« 35. (C. Fea, Miscellanea &c. R. 4790.
p. LXX.) 3 c. Fea, Diritti del Principato sugli antichi edifizj publici. R. -1806. p. -104. ■» p. s. Bartoli,
Memorie di varie escavazioni fatte in Roma e nei luoghi suburbani n". -HS. (C. Fea, Miscellan. &c. p. CCLIV.)
Fl. Vacca, Mem. n». 29. (C. Fea, Mise. p. LXVIII.)
Die Thermen des Agrippa. 253
einem besonders hiezu ernannten Gericht Veranlassung zu mehren Druckschriften über
das Pantheon. In den letzten Jahrzehnten geschahen neue Arbeiten zur Freistellung
des Gebäudes und zur Blosslegung des antiken Bodens namentlich an der Ostseite,
die jedoch nicht so interessante Ergebnisse lieferten , als sie dem Gebäude selbst nach-
theilig werden müssen. Denn in der Vertiefung der Ausgrabung sickert die Feuchtig-
keit zusammen und bei anhaltendem Regen oder hohem Wasserstande füllt sich diese
sogar ganz mit Wasser, was dem ohnediess tiefliegenden und häufig durch Ueber-
schwemmung heimgesuchten Gebäude höchst nachtheilig sein muss.
Der Tempel galt von jeher als eine der bedeutendsten Kirchen Roms. So war
er besonders das Lieblingsgebäude der Künstler und Gelehrten Italiens, deren Grab-
mäler er in grosser Anzahl in seinen Schooss aufgenommen hatte. Unter den noch
vorhandenen Epitaphien sind die beiden des Raphael und des Ann. Caracci in der
linken Seitennische der Madonna besonders bemerkenswerth.
39. Die Thermen des Agrippa.
Wie schon erwähnt, hing das Pantheon an der Rückseite mit den Thermen des
Agrippa zusammen, von denen freilich nur mehr wenige Reste übrig sind. Dessbalb wird
es zweckmässiger sein, die Erklärung der Einrichtung solcher grossartiger Bäder, wie
sie prachtliebende Kaiser später wiederholt dem Volke erbauten , für die Beschreibung
von vollkommener erhaltenen Thermen , besonders der antoninischen, zu versparen. Es
ist auch nicht möglich, den Grundplan der agrippinischen auch nur in der Hauptsache
herzustellen, denn die Reste derselben erheben sich nur selten über den modernen Boden
und nur an einer Stelle über die dicht hineingebauten Häuser des modernen Stadtviertels.
Man gelangt hiezu, wenn man rechts neben dem Pantheon die Via della Rotonda entlang
an der Via della Palombella ; in deren nördlicher Häuserreihe sich noch zahlreiche Mauer-
reste, die den Pantheonsmauern analog sind, finden, und an der Via di S. Chiara vorbei-
geht, und dann endlich in die Via dell' Arco della Ciambella hineinbeugt. Hier sieht man
über die nördliche Häuserreihe noch die Reste eines grossen ebenfalls kuppeiförmig ge-
wölbten Rundbaues von massiger Dimension (etwa 25 Met. Durchmesser) hervorragen
und am östlichen Ende auf beiden Seiten der Strasse noch zwei Pfeiler eines kleineren
Gemaches. Das Backsteingemäuer ist gut gefügt, doch nicht aus Augustus Zeit, vielmehr
insbesondere in den oberen Theilen dem 3. Jahrhundert n. Chr. entsprechend. Die Ruine
gehört demnach wahrscheinlich einer späteren Restauration an : unrichtig aber wäre es,
sie desshalb den Thermen des Alexander Severus zuzuschreiben, welche zwar allerdings
an die des Agrippa stiessen, aber vielmehr westlich gegen S. Luigi de' Francesi und
Piazza Madama hin gesucht werden müssen. Denn noch im 9. Jahrhundert werden diese
^54 D^s Marsfeld.
zwischen Piazza Navona und dem Pantheon genannt J Die alexandrinischen waren
überdiess wenigstens theilweise identisch mit den neronischen, denn es wird ausdrücklich
berichtet, dass im Consulate des Albinus und Maximus (227 n. Chr.) unter Alexander Se-
verus aus Hass gegen das Andenken des Nero der Name dieser Bäder umgewandelt wor-
den sei,^ zu welcher Aenderung wohl auch die Restauration des nahen (domitianischen)
Stadium wie der neronischen Thermen selbst, die überdiess erweitert worden zusein
scheinen, 3 einen geeigneten Anlass gab. Mit dem Namen der alexandrinischen Thermen
verschwindet auch der Name der neronischen , während die alexandrinischen und agrip-
pinischen nebeneinander noch von der Notitia in der 9. Region erwähnt werden, so dass
auf keinen Fall an eine Verschmelzung dieser beiden gedacht werden kann. Topogra-
phische Anhaltspunkte für die Bestimmung der Ruinen als Thermen des Agrippa hinter
dem Pantheon bieten ausser dem letzteren nur die Aufzählung der Notitia und noch ge-
nauer die Richtung der Aqua Virgo , welche dieselben speiste ; sonst wird von ihrer Lage
nirgends etwas erwähnt.
Die Thermen des Agrippa waren die ersten Roms und wurden im J. 729 d. St.
(25 V. Chr.) wie schon berichtet zugleich mit^ der Rotunde des Pantheon erbaut. Für
diese Bäder hauptsächlich hatte Agrippa kurz vorher (727 d. St.) die »Aqua Virgo« in
die Stadt geführt , von welcher später bei der Beschreibung des noch übrigen Strassen-
übergangs in der Via del Nazareno die Rede sein wird. Das Wasser war das frischeste
unter den sämmtUchen Leitungen der Kaiserzeit,* und wahrscheinhch desswegen, da sich
diese Frische für kalte Bäder vorzüglich eignete, waren auch die Thermen des Agrippa
nebst denen des Nero vor allen anderen bevorzugt.^ Agrippa hatte sie mit grossem
Aufwände erbaut und dem Volke unentgeltlich zum Gebrauche überlassen, ja sogar sie
sammt seinen Gärten testamentarisch dem Volke vermacht,^ und schon dieser edle Act
der Volksliebe musste für die im Gegensatze zu den späteren Werken der Art ohne Ab-
ijabendruck erbauten Bäder eine besondere Vorliebe erwecken. Zudem waren sie mit
Marmor- und Bronzebildern, mit Gemälden griechischer Kunst, mit enkaustischen De-
corationsmalereien und mit Stuccaturen reich geschmückt,"^ worunter sich Meisterwerke
befanden, wie der berühmte Apoxyomenes des Lysippos,^ von welchem wir wahrschein-
lich in dem Apoxyomenes des Vatican eine Copie besitzen.
Im Jahre 80 n. Chr. Htten die Thermen durch den grossen Brand ^ und wurden
von Domitian wiederhergestellt, vielleicht nicht vollständig, da auch Restaurations-
* Anonym. Einsiedl. ed. Haenel. Arch. f. Philol. u. Paed. Leipz. 1837. Suppl. V. S. 133. 134. cf. Chron.
Farfens. (Muratori, Rer. It. Script, tom. II. p. 505. Anm. 8.) * Cassiod. Chron. (Rone. tom. II. col. 194 & 209.)
^ Script. H. A. (Lamprid.) Alex. 25. cf. Hieron. (Rone. I. col. 473.) Catal. Imp. Vienn. II. col. 245. * Ovid. Ars
am. III. V. 365. Martial. VI. ep. 42. VII. ep. 32. » Plin. H. N. XXXI. 3, 25, 42. Senec. ep. LXXXIIl. Martial.
XIV. ep. 161. Stat. Sylv. I. 5. v. 25. " Dio Cass. LIV. 29. ' Plin. H. N. XXXV. 4, 9, 26. XXXVI.
25, 64, 189. * id. XXXIV. 8, 19, 62. " Dio Cass. LXVI. 24.
Der Obelisk auf Piazza della Minerva. 2oo
arbeiten unter Hadrian erwähnt werden.^ Dass auch ein Kaiser der ersten Hälfte des
dritten Jahrhunderts an Agrippa's Thermen baute, zeigt die Structur der genannten Reste
in der Yia dell' Arco della Ciambella. Die Anlage überdauerte die Barbarenstürme vom
Anfang bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts, denn noch am Ende desselben in der Zeit
des Theodorich scheinen diese Thermen im Gange gewesen zu sein.^ Merkwürdig ist,
dass sie im 9. Jahrhundert von dem schon mehrmals erwähnten Mönche ^ wiederholt falsch
benannt werden , nemlich Thermae Commodianae , die doch nach der Notitia sich in der
ersten Region (Porta Capena) befanden, während sich im 13. Jahrhundert wieder der
richtige Name findet.* Der Anonymus, der es überhaupt mit seinen Namen nicht immer
sehr genau nahm , scheint durch eine Restaurationsinschrift oder durch eine andere In-
schrift mit dem Namen Commodus irregeführt worden zu sein. Im 1 4. und 1 5. Jahr-
hundert muss der gänzliche Verfall der seit Langem aus dem Gebrauch gekommenen
Anlage erfolgt sein, welche dem neuen Rom Platz machen musste, doch werden
noch im 16. Jahrhundert die Ruinen, »welche an der Stelle zu sehen sind, die Ciambella
genannt wird«, richtig als Reste der Agrippathermen bezeichnet.^ Den Namen Ciambella
hatte jedoch der Platz kurz vorher dadurch erhaften , dass bei Nachgrabungen , die der
Cardinal della Valle in der Absicht , verborgene Schätze zu finden , hier veranstaltet
hatte, eine (Bürger-?) Krone aus vergoldeter Bronze gefunden worden war, welche
mit einer Ciambella (Art von Bretzel) grosse Aehnlichkeit hatte, wonach bald ein Wirth
auf den Einfall kam , sich einer solchen Ciambella (ob der gefundenen Krone selbst , ist
unklar) als Aushängeschild zu bedienen , woraus der Strasse wie der Ruine der er-
wähnte Name erwuchs.
40. Der Obelisk auf Piazza della Minerva.
Hat man in Betrachtung der Thermenruine die Via dell' Arco della Ciambella
durchschritten , so gelangt man an deren östlichem Ende in die Via de' Cestari , welche,
nachdem man sie eine kurze Strecke in nordöstlicher Richtung (gegen das Pantheon hin)
verfolgt, auf einen Platz, Piazza della Minerva, mündet. Hier befindet sich ein nur
5,10 Met. hoher Obelisk von blassrothem Granit. Die Königsringe sind auf drei Seiten
herausgemeisselt und nur auf der Nordseite ist noch der Name des Hophre oder Apries
zu erkennen, eines Zeitgenossen des Tarquinius Priscus und Servius Tullius. Dieser
' Script. H. A. (Spartian.) Hadr. 19. * Sidon. Apollinar. Carm. ad Consent, v. 460. 'Vgl. S. 254.
.\nm. 1. * Lib. de Mirabilibus Romae. (Montfaucon , Diar. Itai. p. 286.) Mart. Polon. Chron. Cod. lat. Mon.
4773. fol. 58. 'Albertini, opusculum de Mirabilibus nove et veleris Urbis Rome. R. <5<5. foi. 20. * Fla-
minio Vacca, Memorie. n*. 53. (C. Fea, Miscellan. p. L.XXVI.)
256 f>as Äfarsfeld.
Obelisk wurde unter Alexander VII. im J. 16()5 zwischen der Kirche S. Maria sopra Mi-
nerva und S. Ignazio gefunden, welcher Fundort zeigt, dass dieser wie auch der sogleich
zu beschreibende Obelisk auf der Piazza della Rotonda zu dem Heiligthum der Isis ge-
hörte, das südöstlich vom Pantheon bei wiederholten Nachgrabungen deutliche Spuren
gezeigt und von dem man in derselben Gegend Einiges gefunden, was unbezweifelt dem
Isi^eiligthume angehörte, wie ein Altarfragment mit der Inschrift ISIDI SACR (capitolin.
Museum), ein anderes mit ägyptischen Reliefs, die berühmte Nilgruppe des vatican. Mu-
seum, die beiden ägyptischen Löwen (jetzt am Fusse der Capitolstreppe) und eine Statue
der Isis (Saal des sog. sterbenden Fechters im capitolin. Museum).'' Im Jahre 1853 fand
man überdiess hinter der Tribüne von S. Maria sopra Minerva ägyptische Sculpturen,
ein sehr schönes ägyptisches Capital und Marmorstufen, ^ wonach das Iseum, welches
mit dem Serapeum (wahrscheinlich als Doppeltempel) auch ausdrücklich in der 9. Region
und ungefähr in dieser Gegend erwähnt wird,^ am wahrscheinlichsten hinter der ge-
nannten Kirche und von der Via del pie di marmo durchschnitten anzunehmen ist.
An den Platz selbst aber gränzte das ägyptische Doppelheihgthum nicht. An der
Stelle von S. Maria sopra Minerva stand vielmehr, wie diess auch schon der Name dieser
Kirche besagt , ein Tempel der Minerva , welcher allerdings denen , welche den Agrippa-
thermen nach Art der späteren Kaiserthermen eine grosse Breitenausdehnung geben,
etwas unbequem scheint. Doch ist die Existenz dieses Tempels hier schon darum nicht
hinwegzuleugnen, weil nicht bloss die Notitia* den Tempel der Minerva Chalcidica, wel-
chen Domitian zugleich mit der Herstellung des Iseum und Serapeum nach dem Brande
unter Titus^ erbaute,^ an dieser Stelle nennt, sondern weil auch noch im 12. Jahrhundert
der Tempel der Minerva Chalcidica »neben dem Pantheon« befindUch genannt wird.'
Auch war es w^ahrscheinlich hier, und nicht , wie seit Ficoroni ^ ohne allen Grund be-
hauptet ward, bei den sog. Galluzze, wo die berühmte Minerva Giustiniani (jetzt im
Braccio nuovo des vaticanischen Museum) gefunden ward.^ Bauliche Reste des Tempels
sind jedoch nicht übrig, auch können die Pfeilerreste, welche sich in den Grundmauern
des an die Kirche rechts angebauten Hauses zwischen der Via della Minerva und der Via
del pie di marmo befanden, damit nicht in Verbindung gebracht werden.
Nach der Auffindung des Obelisken beauftragte Papst Alexander VII. den
Bernini mit der Aufstellung desselben in Mitte des genannten Platzes. Der geniale
* Fl. Vacca, Mem. 26. 27. (1594.) Aldroandi, Mem. n". 8. (1556.) P. S. Bartoli, Mem. n". 1i2. Fi-
coroni, Notizie. n". M. (1719.) (C. Fea, Mise. p. LXVl. CCVIII. CCLIV. CXXV.) * L. Canina, Tempio d'Iside
nella regione IX. fra i septi e le terme di Agrippa. Ann. d. I. d. G. a. Vol. XXIV. 1852. p. 348 — 353. ^ Curios.
ürb. Rom. Reg. IX. luvenal. VI. v. 528. Fl. loseph. de bell. lud. VII. 5, 4. * Curios. Urb. Rom. Reg. IX.
* Dio Cass. LXVL 24. « Catal. Imp. Vienn. tom. IL p. 243. Rone. ^ Lib. de Mirabilibus Romae. (Montfaucon, Diar.
Ital. p. 292.) cf. Anonym. Einsiedl. (Arch. f. Philol. u. Paed. Suppl.-Bd. V. S. 133 & 134. Minerviam ubi Sea Maria.)
" Le vestigia e rarita di Roma antica. R. 1744. p. HO. " P. S. Bartoli, Mcmorie. n». H2. (C. Fea, Mise. p. CCLIV.)
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Der Obelisk auf Piazza della Rotonda. — Angeblicher Tempel des Neptun. 257
Künstler setzte ihn mit Bezug auf den Beinamen, den er sich selbst auf einer Reise nach
Frankreich wegen des grossen Zulaufes von Bewunderern scherzweise gegeben hatte,
auf den Rücken eines im Style der damaligen Zeit in Marmor ausgeführten Elephanten.
41. Der Obelisk auf Piazza della Rotonda.
Von der Piazza della Minerva gelangt man, den Rest der Via de' Cestari nord-
wärts verfolgend , wieder auf die Piazza della Rotonda. Hier befindet sich , wie schon
erwähnt, ein anderer Obelisk, von dunkelrothem Granit, 6,6o Met. hoch, dessen Königs-
ringe denselben Namen zeigen , wie der Obelisk auf Piazza del Popolo , nemlich den des
Ramses III. oder Sesostris, wesshalb er auch für eine Copie desselben gehalten wird.
Doch sind die aus dem Styl gezogenen Schlüsse dafür nicht zureichend : auch wäre es
für die Römer lächerlich gewesen, wenn sie in Aegypten den Granit gebrochen und in
Rom einen anderen Obelisk copirt hätten, während ihnen in Aegypten eine grosse Aus- "jj^
wähl vollendeter zu Gebote stand. Er stand vorher bei der Kirche S. Macuto (jetzt Via
della Minerva), wo er im i6. Jahrhundert wiederholt erwähnt wird,^ und gehörte dem-
nach , da die Gegend von S. Macuto unmittelbar an die Piazza della Minerva stiess , wohl
zu demselben ägyptischen Heiligthüme, von welchem auch der vorher beschriebene
Obelisk herrührt , wenn wir auch nicht genauer unterrichtet sind , wie und woher er auf
die kleine Piazza di S. Macuto gekommen ist; doch fand man ihn wahrscheinlich in der
Nähe. Erst Clemens XI. versetzte ihn zu Anfang des 18. Jahrhunderts auf den von ihm
errichteten schönen Brunnen von Piazza della Rotonda.^
42. Angeblicher Tempel des Neptun.
Von der Piazza della Rotonda führt östlich die Via dei Pastini zur Piazza di Pietra.
Hier erblickt man an der südlichen Langseile des Platzes und nur mehr halb aus der
Fagade eines modernen in die Ruine hineingebauten Gebäudes hervorragend elf gewaltige
Säulen in einer ununterbrochenen Reihe mit ihrem anscheinend wohl erhaltenen Gebälke,
offenbar zur Langseite eines grossen Tempels gehörend. Der moderne Boden ist hier nur
um 34 Met. über das antike Pflaster erhöht : so hoch war auch die Substruction des Tem-
pels bis zu den abgestuften Basamenten der Säulen. Diese selbst sind korinthischer Ord-
nung, canellirt und von Marmor; die Basamente messen 1,2o, die Basen mit Plinth 0,8o,
* U. Aldroandi, Memorie. (1556.) n. 37. Fl. Vacca, Mem. (1594.) n". 91. (Fea, Mise. p. CCXXI & XCII.
Andr. Fulvii Antiquitates Urbis. *537. fol. LXXI. * Cassio, Corso delle acque ant. R. 1756. Tom. 1. n". 32.
§ 10. p. 301.
¥. Kebbr, die Kuinen Bonig. 33
''^^
258
Das Marsfeld.
die Schäfte, deren Durchmesser unten 1,44, oben 1,24 Met. beträgt, 12,3o, die Capitäle
1,80 Met. in der Höhe. Von dem Marmorgebälke ist der Architrav, der nur in zwei
Streifen gestuft und mit vielen Leisten geschmückt ist, 1 Met., der geschwellte Fries 0,76
und der aus zehn zum Theil reich verzierten Leisten bestehende Carnies 0,95 Met. hoch.
Die Ornamentik des Gebälkes ist zwar von sehr reicher und feiner Arbeit, doch bietet das
Ganze, namentlich durch die Schwellung des Frieses und durch eine gewisse Geschmack-
losigkeit in der Ausladung einen schweren und ausdruckslosen Anblick dar, welcher uns
nicht daran denken lässt, die Ruine in die beste Bauperiode zu versetzen. Ebenso er-
lauben die Ansätze eines cassetirten Tonnengewölbes, welche sich noch auf dem ent-
sprechenden Stucke der Cellawand, das ebenfalls erhalten und im modernen Gebäude
benutzt ist und von welchem man namentlich im Hofe der Dogana den fast felsenähn-
lichen Bruch aus den übertünchten Wänden herausragen sieht, kaum, den Tempel in eine
frühe Bauperiode zu versetzen.
Zu welchem Tempel jedoch diese Säulenreihe gehörte, ist unbekannt. Die älteren
Topographen hielten ihn für den Tempel des M. Aurelius Antoninus, doch dieser wird
neben dessen Säule angegeben ^ und unser Tempel ist von der Säule sehr beträchtlich
entfernt, mit den entsprechenden Seitenlinien des Piedestals derselben nicht parallel und
auch in Bezug auf seine Lage in einer für zusammengehörige Bauten ganz unpassenden
Stellung. Wahrscheinlicher, doch keineswegs gesichert ist die von den neueren italieni-
schen Architekten und Topographen ^ ausgesprochene Annahme, dass die Säulen zu dem
von Agrippa im J. 728 d. St. (26 v. Chr.) erbauten Poseidonium^ gehören, welches neben
den Thermen und dem Pantheon des Agrippa, den Heiligthümern der Isis und des Serapis
und den Septa Julia genannt wird,'' wogegen allerdings eingewendet werden kann, dass
der Styl auf keinen Fall dieser Zeit entspreche, welche Einrede jedoch durch den Um-
stand paralysirt werden könnte, dass jenes Poseidonium unter den im J. 80 n. Chr. vom
Brande ergriflenen Gebäuden war, und dass man bei seinem Wiederaufbau, wenn der
Brandschaden bedeutend war, nach dem Geschmacke der Zeit sich Aenderungen er-
laubte. Allein die Ruine selbst scheint es unzweifelhaft zu machen, dass sie einem
Tempel angehörte, wofiir sie auch immer gehalten wurde, wobei indess nur zu bemerken
ist, dass die Risse, welche der grosse Palladio^ davon lieferte, nicht so hinzunehmen
sind, als habe dieser nur nach den vorliegenden Resten gezeichnet, die zu seiner Zeit
noch weit umfangreicher gewesen wären, als jetzt. Man muss sich überhaupt mehr als
geschehen ist , davor hüten , die Aufnahmen der itahenischen Architekten , welche nur
zu oft ihrer künstlerischen Phantasie die Zügel schiessen Hessen, ohne das Vorhandene
* Curios. Urb. Rom. Reg. IX. * Nibby, Roma neJl' anno <838. Part. II. ant. p. 681. Canina, Gli
Edifizj di R. ant. Vol. I p. 311. * Dio Cass. LXVI. 24. * I Quattro Libri dell' Architettura di A. Palladio.
Ven. 4570. L. IV. c. XV. fol. 55 — 6t.
Angeblicher Tempel des Neptun. 259
und die Restauration zu unterscheiden, antiquarischen Studien zu Grunde zu legen.
Palladio nun gestaltet die Ruine mit allen Details zu einem vollständigen Tempel, den er,
ohne besondere antiquarische Kenntniss, wie er war, dem Mars zuschrieb. Wenn aber
die Ruine mit dem Poseidonium identisch sein soll , konnte sie gar kein Tempel gewesen
sein, denn ein Tempel des Neptun wird im Alterthum hier nicht erwähnt und die
näheren Bezeichnungen des Poseidonium schwanken nur zwischen gtocc tov IloGsidöivoQ,^
basilica Neptimi^ und porliats Argonautarum,^ welcher letztere Name aber in der Notitia
neben der Basilica des Neptun getrennt erscheint , so dass es wahrscheinlich ist , man
habe unter der letzteren Porticus nur die den Hauptbau einschliessende Halle zu ver-
stehen. Es bleibt also nach dem Wortlaute der Stellen nichts anderes übrig, als von dem
imaginären Tempel abzustehen und das Poseidonium als eine Basilica zu betrachten,
wozu die zwischen aroa und basilica abwechselnden Bezeichnungen unbedingt uöthigen.
Es ist nun allerdings möglich, dass jenes Poseidonium in vollständiger Tempelform gebaut
wurde, denn in der ersten Kaiserzeit war die Basilikenform noch keineswegs so aus-
geprägt, wie wir sie in der frühchristlichen Zeit finden, und Vitruv selbst zeigt grosse
Freiheit in der Disposition,* aber die Wahrscheinlichkeit, in der noch vorhandenen Tempel-
langseite einen Ueberrest einer Basilica überhaupt und der Basilica Neptuni insbesondere
zu finden, kann doch nur eine schwache sein.
Ebenso verhält es sich mit der Vermuthung von Urlichs, ^ nach welcher die Ruine
ein Ueberrest eines Tempels der Marciana, Schwester des Traian, sein soll. Die einzige
Erwähnung eines Gebäudes nun , das den Namen der Marciana trug , findet sich in der
Notitia,^ und hier ist es mit der Basilica Neptuni et Matidies als »basilica« Marciani
zusammengestellt. Marciani mag einer der vielen Schreibfehler sein und statt Marcianae
stellen, ob aber statt basilica )i templunm substituirt werden dürfe, ist sehr fraglich, wenn
auch die auf einer beim Pantheon gefundenen Bleiröhre (angeblich) befindliche Inschrift
TEMPLO MATIDIAE "^ dicss für die eine der drei genannten Basiliken zulässig zu machen
scheint, was anderseits bei der ersten, der Basilica Neptuni, nach den angegebenen clas-
sischen Zeugnissen entschieden nicht geschehen darf. Doch abgesehen davon sind für
die Identificirung der fraglichen Basilica Marciana mit unserer Ruine keine weiteren
Gründe da, weil die Notitia in ihrer hier gattungsweise zusammenfassenden Aufzählung
eine nähere Ortsbestimmung nicht gibt, während negative Gründe sowohl in der Grösse
der Ruine, welche für einen obscuren Tempel einer kaiserlichen Prinzessin zu be-
deutende Dimensionen zeigt, als auch in dem Styl liegen, der weder der traianischen
noch der hadrianischen Zeit zugeschrieben werden kann. Diess letztere ist aber namentlich
* Dio Cass. LIII. 27. * Script. H.A. (Spartian.) Hadr. 19. « Martial. III. Epigr. 20. Curios. U. R.
Reg. IX. * Vi^l. Einleitung S. 27. » Beschreibung d. St. Rom. Bd. III. Abth. III. S. 448 fg. * Curios. ü. R.
Reg. IX. ' A. Donati, Roma vetus ac recens. L. III. c. 16. (Graev. Thes. Ant. Rom. tom. III. p. 764 sq.)
38*
260 ^^^ Marsfeld.
hervorzuheben, wenn das Gebäude wirklich eine Basilica und nicht ein Tempel war, denn
eher hätte noch ein Tempel erst in der antoninischen Zeit der vergötterten Schwester Traians
erbaut werden können, als man eine Basilica noch nach ihrem Namen benannt hätte.
Wenn demnach die beiden vorliegenden Annahmen nur als schwach gestützte
Möglichkeiten gelten können, dürfte eine andere Vermuthung mehr Wahrscheinlichkeit mit
sich bringen. Es ist nemhch aus wiederholten Erwähnungen^ bekannt, dass Antoninus
Pius seinem Adoptivvater Hadrian einefi Tempel errichtete, nachdem es ihm nicht ohne
Widerspruch gefunden zu haben gelungen war, den Senat zur Decretirung der götthchen
Ehren zu bestimmen , welcher Act von Verehrung gegen seinen Vater und Vorgänger
ihm auch vorzugsweise den Beinamen Pius erwirkt haben soll. Es wird nun allerdings
nicht erwähnt , an welcher Stelle der Tempel erbaut wurde , und wir können als gewiss
nur das annehmen, dass er nicht am Traianforum zu stehen kam, welches schon Hadrian
mit dem Tempel des Divus Traianus abschloss und welches sowohl nach den grossen-
theils biossliegenden Resten als nach den Nachrichten der Alten für einen weiteren
Tempel keinen Raum mehr bot, der die sonst so strenge Symmetrie gestört hätte. Wahr-
scheinlich aber ist , dass Antoninus den Tempel dort erbaute, wo überhaupt die Antonine
ihre Prachtgebäude ausführten, deren Mittelpunkt später die Marc-Aurelsäule bildete,
und diese W^ahrscheinlichkeit wird noch durch eine späte Erwähnung gesteigert, auf
welche Urlichs, freilich in einer anderen Absicht, aufmerksam gemacht hat. Im 13. Jahr-
hundert nemlich , in welchem der grösste Theil des Marsfeldes noch in seinen Ruinen
öde lag und noch nicht von dem modernen Rom überwuchert wurde, wird der Tempel
des Aehus Hadrianus vor der Kirche S. Maria in Aquiro,^ jener Kirche auf Piazza Ca-
pranica, welche jetzt gewöhnlicher Chiesa degli Orfanelli heisst, genannt. Denkt man
sich die übrigen modernen Gebäude weg, so war die Kirche in der That ganz nahe an
unserer Ruine und besonders nur eine Strassenweite von dem Tempelrecint entfernt, von
welchem man noch ein bedeutendes Stück aus Travertinquadern in dem Keller des Pa-
lazzo Cini findet. Die Mirabilien nennen allerdings den Tempel »vor« der Kirche und man
möchte desshalb zunächst an die entgegengesetzte Seite denken, da die Fagade von
S. Maria in Aquiro der Piazza Capranica zugewendet ist; allein es ist immerhin möglich,
dass der Verfasser der Mirabilien die Situation vom Standpunkte der Via Lata (Corso) aus
auffasst, wodurch auch jenes »vor« gerechtfertigt wäre, abgesehen davon, dass auf Ge-
nauigkeit der Darstellung und noch weniger auf Richtigkeit des Ausdruckes bei den Mi-
rabilien leider nicht zu zählen ist. Mit unserer Annahme sind auch die anderen Umstände
wenigstens nicht im Widerspruche. Die bedeutende Grösse des Tempels sammt der ge-
* Script. H. A. (lul. Capitolin.) Ant. P. 8. Ver. 3. * Lib. de Mirabilibus Romac. (Montfaucon, Diarium
Italicum. Par. 1702. p. 292.)
Angeblicher Tempel des Neptun. 2!t)1
räumigen Umfriedung, welche die Annahme eines kleineren Heiligthumes ausschliesst, passt
wohl für den Nachfolger eines Traian, der einen so grossen Tempel an seinem Forum
erhalten hatte, und auch der Styl ist der Zeit der Antonine entsprechender als einer
früheren. Die muthmassHche Abbildung des Hadriantempels auf einer Münze vom
J. 151 n. Chr. ,^ welche mit der Umschrift pietas einen Oktastylos (acht Säulen in der
Fronte) zeigt, ist ebenfalls einem Peripteros von 11 — 13 Säulen in der Tiefe angemessen,
und da Antoninus Pius den Hadriantempel erbaute, so konnte auch sein Name in einem
i. J. 1 500 hier gefundenen Fragment (cubitales litterae)^ der Dedicationsinschrift angehören.
Ebenso scheinen die Statuenpiedestale mit allegorischen Provinzendarstellungen in Relief
welche man auf dem Platze vor der Ruine zu verschiedenen Zeiten ausgrub (Mus. Capi-
lino, Palazzo Chigi-Odescalchi, Mus. Borbonico in Neapel),^ für den Tempel desjenigen
Kaisers nicht unpassend, welcher selbst die römischen Provinzen durchreiste. Alles diess
bringt freilich über die blosse Möglichkeit oder vielleicht Wahrscheinlichkeit nicht hinaus.
Doch wenigstens ein antoninisches Bauwerk in der Ruine zu erkennen, dazu dürften
wohl Styl, Sculpturen, Lage und besonders das von Albertini erwähnte Inschriftfragment
mit dem Namen des Antoninus Pius veranlassen, jener Notiz des Ficoroni* nicht zu ge-
denken, nach welcher man beim Bau des Gebäudes der Dogana eine Bleimünze des An-
toninus Pius im Gemäuer entdeckt haben soll.
Wie viel im 16. Jahrhundert, als Palladio seine Pläne davon zeichnete, von dem
Gebäude noch vorhanden war, ist aus den Plänen selbst nicht bestimmbar: auf keinen
Fall so viel als er gab. Im 17. Jahrhundert war ausser den heutigen Resten schon wenig
mehr vorhanden. Alexanders VII. Wunsch , die Ruine ganz blosszulegen , scheiterte an
der Haltlosigkeit der Säulen, welche mehr als alle anderen erhaltenen des alten Rom
besonders an der Fügung der Säulentrommeln gehtten hatten. Am Ende des 17. Jahr-
hunderts aber beschloss Innocenz XII., sie dadurch vor dem Einstürze zu bewahren,
dass er statt der vormaligen Privathäuser, welche sich im Tempel erhoben hatten, die
Dogana di terra hineinbaute , die Säulen zur Fagade dieses Gebäudes benutzte und sie
auf diese Weise mit einander verband. Damals ward auch das sehr schadhafte Gebälke
mit Stuck ausgebessert und grossentheils überkleidet, wodurch es den falschen Anschein
erhielt, den Stürmen der Zeit unbeschädigt getrotzt zu haben. Der Geschmack dieser Zeit
setzte noch eine Art von Attika oder Brüstung darauf, welche den unangenehmen Ein-
druck, den die Verschmelzung eines antiken Tempels mit einem modernen Wohngebäude
macht, noch erhöht.
* Eckhel, Doct. nuin. 1'. 11. tom. VII. p. 22. *• Albertini, Opusculum de Mirabilibus nove et veteris
Urljjs Rome. R. <515. fol. 30. ■ Fl. Vacca, Mein. n". 21. P.S. Bartoli, Mem. n». 78&115. (Fee, Mise,
p. LXIII. CCXLII. CCLV.) * I piombi antichi. R. 1740. p. 9. Tav. I.
2[ß2 Das Marsfeld.
43. Reste einer unbekannten Porticus.
Die angeführte Notiz der Mirabilien , dass sich vor der Kirche S. Maria in Aquiro
der Tempel des Hadrian befunden habe, wurde von Urlichs ^ auf andere Ueberreste
bezogen, die sich unweit von Piazza di Pietra befinden. Geht man nemlich die Via
de' Pastini wieder eine kurze Strecke weit zurück und beugt dann rechts in den Vi-
colo della Spada d' Orlando, so sieht man an dem Waisenhause, nicht ganz ein Meter
aus dem Boden hervorragend, einen Säulenschaft von Cipollin, dem »gewellten« Ca-
rystius, der durch seine graue holzmaserartige Zeichnung unter den vielen in Rom
vorkommenden Marmorarten besonders auffallt. (Vgl. den Faustinentempel.) Zwei andere
gleicher Art, doch noch höher erhalten, findet man in dem Hause No. 76 (Piazza Ca-
pranica), welche zeigen, dass die Säulenreihe von Ost nach West lief. Ihr Durch-
messer beträgt 1,7o, ihr Abstand 4, so Met., wonach die Möglichkeit nicht ausgeschlossen
ist, dass auch diese Säulen zu einem Tempel gehörten. Positive Anzeichen eines sol-
chen aber finden sich nicht und die Säulen können ebensowohl einer Porticus ange-
hören; doch kann man behaupten, dass die Dimensionen für die Umfriedungsporticus
eines Tempels etwas zu gross erscheinen.
Die Möglichkeit, dass diese Ruine, wie Urlichs behauptet, ein Ueberrest des
Hadriantempels sei, ist demnach nicht zu bestreiten, obwohl ich es für wahrschein-
licher halte, diesen Tempel in den Säulen von Piazza di Pietra zu suchen. Allein da
diese drei Säulen hinsichtlich ihrer baulichen Bestimmung wie ihrer Bauepoche zu wenig
Merkmale an sich tragen, treten natürlich auch so viele andere in dieser Gegend be-
findliche Gebäude, wie die Basilica des Neptun mit der Porticus Argonautarum , die
Porticus Meleagri , die Basilica Marcianae und andere topographisch unbestimmbare Ge-
bäude des Marsfeldes mit in Goncurrenz , dass von einer Bestimmung des Ueberrestes
noch weniger als bei der Ruine der elf Säulen die Rede sein kann. Nach dem Um-
stände aber, dass man im J. 1838 noch acht Säulen gesehen haben will, während man
jetzt nur mehr drei zählt (die übrigen scheinen bei dem Neubau des Waisenhauses
vermauert worden zu sein), ist weniger auf neue auffallende Funde zu hoffen, als
vielmehr das baldige gänzliche Verschwinden dieser Ueberreste zu befürchten.
44. Der Obelisk auf Monte Citorio.
Der Vicolo della Spada d' Orlando mündet nördlich auf die Piazza Capranica.
Ueberschreitet man nun diese und beugt dann westlich in die Via in Aquiro, so ge-
' Beschreibung d. St. Rom. Bd. III. Abth. III. S. U5 fg.
# «#
%
Der Obelisk auf Monte Citorio. 263
langt man auf die etwas ansteigende Piazza di Monte Citorio, welche ein imposanter
Obelisk von röthlichem (syenitischem) Granit schmückt. Auf einem doppellen , modernen
Untersatz, unten von Travertin, oben von Marmor, ruht der Basamentwiirfel von dem-
selben Granit, von welchem nur der obere Theil ergänzt ist und welcher noch folgende
Inschrift zeigt: ,.._ -»._-.. ^w »,■«#• —
° IMPCAESAR DIVI F
AVGVSTVS
PONTIFEX. MAXIMVS
IMF XMCOSXr.TRlBPOTXrV
AEGYPTO IN. POTESTATEM
POPVLI ROMAN J.REDACTA
SOLIDONVM DEDIT
[Der Obelisk selbst ist ausserordentlich beschädigt und an vielen Stellen ausgebessert,
auf der Nordseite sind sogar die Hieroglyphen ganz verschwunden, die jedoch auf der
Ost- und Westseite theilweise, auf der Südseite grösstentheils erhalten sind. Die Arbeit
derselben ist von vorzüglicher Reinheit; die Königsringe zeigen den Namen des Königs
Psammetich,^ Zeitgenossen des Tullus Hostilius und Ancus Marcius. Die Höhe des
Obelisken selbst beträgt 21,3o Met., die moderne bronzene Kugel abgerechnet, welche
bei der Aufstellung mit Berücksichtigung einer Nachricht des Plinius, von welcher so-
gleich die Rede sein wird, auf die Spitze gesetzt wurde.
Wie überhaupt keiner von den Obelisken Roms , so steht auch dieser nicht auf
seinem ursprünglichen Platze. Er war zugleich mit dem des Circus Maximus (jetzt auf
Piazza del Popolo) von Augustus nach Rom gebracht und nach der Inschrift im J. 745 d. St.
(9 V. Chr.) aufgestellt worden. Dass nemlich derjenige, welchen Plinius^ fölschlich dem
Sothis oder dem Sesostris zuschreibt und welcher im Marsfelde aufgestellt wurde, mit
diesem identisch ist, erhellt abgesehen von dem Fundorte daraus, dass Plinius ihn
9 Fuss niedriger nennt, als den im Circus Maximus aufgestellten, welche Höhenver-
schiedenheit wirklich genau zutrifft : denn der Obelisk auf Piazza del Popolo misst 80,
dieser 71 Fuss, wobei jedoch zu bemerken ist, dass fast alle Handschriften die Höhe
des erstem auf XXCV Fuss angeben. Auch ist die Inschrift auf den Sockeln beider
Obehsken gleichlautend.
Unser Obelisk aber sollte nach Augustus Absicht nicht bloss zur Zierde ge-
reichen, sondern damit auch einen anerkennenswerthen Zweck verbinden, nemlich als
Gnomon dienen. Die Einrichtung desselben aber scheint nach dem etwas unvollstän-
digen Bericht^ doppelter Art gewesen zu sein, sowohl calendarisch nach der Länge
*■ I. Rosellini, I monumenti deU' Egitto e della Nubia. Pisa 4 832 — 44. P. I. Tom. II. p. 130. * Plin.
H. N. XXXVI. 9, 14, 71. « id. XXXVI. 10, 15, 72.
264 Das Marsfeld.
des Schattens an einer gewissen Stelle, als auch horologisch nach der Richtung des-
selben. Es war zu dem Zwecke der Platz vor dem Obelisk (vielleicht nur die nörd-
liche Hälfte, da man der südlichen für die Schattenzeichnung nicht bedurfte) mit Tra-
vertin getäfelt und in dem Paviment die Meridianlinie wie das übrige Liniennetz mit
vergoldeter Bronze verzeichnet, womit man auch nach Plinius höchst sorgfältig zu
Werke ging , und um sich eines unwandelbaren Standes des riesigen Gnomon zu ver-
sichern, demselben eine Substruction von einer Tiefe gab, welche der Höhe des Obe-
lisken selbst gleich war. Nichtsdestoweniger stimmte schon nach dreissig Jahren der
Schatten nicht mehr genau, worüber sich Plinius in den abentheuerlichsten Ver-
muthungen ergeht, in welchen er, nachdem er die Sonne selbst oder überhaupt das
Gestirnsystem einer Abweichung bezichtigt oder in irgend einer Aenderung des Mittel-
punktes unseres Erdballes den Grund gesucht, auch — etwas natürhcher — daran denkt,
dass die Stellung des Gnomon durch Naturereignisse wie Erderschütterungen sich ge-
ändert, oder die Substruction in Folge der Tiberüberschwemmungen sich gesenkt habe.
Am wahrscheinlichsten dürfte einer astronomischen Ungenauigkeit, deren anfänglich wohl
kaum bemerkbare Dimension mit den Jahren wuchs und die vielleicht in der kleinen
Unvollkommenheit des iulischen Jahres beruhte, die Schuld beizumessen sein.
Der Obehsk wird sowohl von Ammianus Marcellinus < als auch von der Notitia ^
erwähnt, welche letztere ihm auch nahezu das richtige Maass, LXXH — S — gibt.
Noch im neunten Jahrhundert scheint er aufrecht gestanden zu sein, wenigstens ver-
zeichnet ihn der Anonymus von Einsiedeln , der keineswegs nach Verborgenem suchte,
sondern nur das angab , was ihm schon in einiger Entfernung in die Augen fiel , auf
dem Wege von Porta ScT Petri nach der Porta Salaria zur Linken neben der Kirche
Sei Laurentii in lucina.^ Bald darauf muss er verbaut worden und bei einem Brande
der ihn umgebenden Gebäude, wie man aus den Brandspuren ableiten konnte, gestürzt
sein und wurde nicht bloss unter den Ruinen begraben, sondern auch unter den neuen
Wohnhäusern , welche sich wieder auf dem Schutte der alten erhoben , und bald war
auch die Erinnerung an das stattliche Denkmal vollständig entschwunden. Da stiess man
im Jahre 1 463, als der Cardinal Fil. Calandrino an die Kirche S. Lorenzo in Lucina
eine dem h. Philippus und dem h. Jacobus geweihte Familienkapelle (jetzt Sacristei)
erbaute, bei den Grundgrabungen auf einen Theil des bronzenen Meridian,* welchem
Funde bald die Entdeckung des Sockels und eines Stückes des Obelisken selbst nach-
folgte, welchen man zu Anfang des 1 6. Jahrhunderts gebrochen und noch halb ver-
schüttet bei S. Lorenzo in Lucina liegen sah. Auch war dabei ein Theil des Paviments
* XVII. 4. * Curios. Urb. Rom. Obelisci VI. * Archiv f. Philol. u. Päd. von Seebode u. a. Suppl.-Bd. V.
S. 132. * Bandini, dell' Obelisco di Cesare Augusto. Roma 1750.
Die Ehrensäule des Antoninus Pius. ^65
blossgelegt worden, auf welchem man die Linien und Eintheilungen in vergoldeter
Bronze nebst vier Musivbildern , welche die Winde darstellten, mit einer Inschrift in
grossen Buchstaben vt boreas spirat fandJ Dieser Bericht findet sich noch in der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zweimal wiederholt ,2 von Marliani mit dem Bei-
fügen, dass sich ein Theil des gebrochenen Obeliskes in dem Keller eines Privathauses
bei S. Lorenzo in Lucina befinde. Sixtus V. Hess die Sache durch den berühmten
Fontana untersuchen, doch dieser hielt das Denkmal für so beschädigt, dass er nicht
zur Aufstellung rieth, und so Hess man es, wie sich der Berichterstatter etwas unei-
gentlich ausdrückt, »stehen«,^ und wieder verschütten, wie vielleicht aus Nardini* zu
entnehmen ist, der davon nur nach früheren Berichten, ohne ihn selbst gesehen zu
haben, spricht, was jedoch bei dem Römer Nardini auch bei erhaltenen und blosslie-
genden Ueberresten vorkömmt. Bei dem Bau einer Cloake stiess man abermals darauf,^
doch blieb der Obelisk noch unbeachtet, bis endlich im J. 1748 Papst Benedict XIV.,
die Gelegenheit eines Neubaues an der Stelle, wo er begraben lag, benutzend, den
Befehl gab , ihn auszugraben und zu heben. ^ Es zeigte sich , dass er in fünf Stücke
zerbrochen und auch sonst so beschädigt war, dass man Fontana's einstiges Gutachten
fiir nur zu begründet hielt und den Koloss wieder fast ein halbes Jahrhundert lang
auf dem kleinen Largo deHa Impresa genannten Platze unmittelbar vor dem Ausgra-
bungsorte, den eine Inschrifttafel über dem Eingang des Hauses No. 2 auf demselben
Platze bezeichnet, liegen Hess. Erst Pius VI. nahm den Gedanken, den Obelisk wieder
aufzustellen, ernstlich auf, und nachdem er ihn mit dem Granit der ebenfalls gestürz-
ten Säule des Antoninus Pius hatte ausbessern lassen und den Monte Citorio als pas-
sendsten Platz dafür bestimmt hatte, beauftragte er den Architekten Antinori mit der
Ausführung seines Planes, welche auch glücklich gelang. Und so gereicht seit dem
Jahre 1792 der berühmte Gnomon-ObeHsk dem Monte Citorio wie der ganzen Stadt
wieder zur beachtenswerthen Zierde, allerdings mit gänzlichem Verzicht auf den ur-
sprünglichen Zweck, den er ohnehin, wie oben erzählt worden ist, nur kurze Zeit
erfüllte.
45. Die Ehrensäule des Antoninus Pius.
Eine Tradition, die alles Grundes entbehrt, versetzt in diese Gegend, zu welcher
wir eben gelangt sind, das Amphitheater des Statilius Taurus, aus dessen Ruinen der
' Albertini, Opusculum de Mirabilibus nove et veteris Urbis Rome. R. 1515. fol. 30. 31. 67. * A. Fulvii
Antiquitates Urbis. Roma. 1527. Lib. V. fol. XCI. — B. Marliani Urbis Romae Topographia. 1. X. c. VI. (Graev.
Thes. Ant. Rom. tom. III. p. 471.) ' Fl. Vacca, Mem. 45. (C. Fea, Miscellanea &c. p. LXXIV.) * Roma ve-
tus L. VI. c. VI. (Graev. Th. A. R. tom. IV. p. 1282.) ' P. S. Bartoli Mem. 103. 104. (Fea, Mise. p. CCLI sq.)
* Fr. Ficoroni, Notizie «kc. 99. (C. Fea, Miscell. p. CLXVI.)
F. £sBBR , dir Ruinen Roms. 34
^66
Das Marsfeld.
berghohe Schutt entstanden sein soll, auf dessen Höhe die Curia Innocenziana , der
imposante Palast auf Piazza di Monte Citorio sich erhebt. Dieses Amphitheater, als das
erste steinerne in Rom im J. 725 d. St. (29 v. Chr.) erbaut,^ befand sich allerdings am
Marsfelde.^ Allein dieses kaum sehr bedeutende Gebäude, ^ welches im neronischen
Brande zu Grunde ging * und wohl, wie daraus zu entnehmen ist, dass es nicht mehr
erwähnt wird — das Colosseum machte es auch entbehrlich — nicht mehr hergestellt
wurde, kann doch nicht als ein Trümmerhaufen neben den Prachtanlagen der Antonine
gedacht werden, wie man annehmen muss, wenn man den Hügel Monte Citorio daraus
entstehen lässt. Doch abgesehen davon haben wir auch keinen Grund, ein Gebäude,
das nirgends genauer als ganz allgemein im Marsfelde befindlich bezeichnet wird,
gerade an dieser Stelle anzunehmen, noch weniger aber die vormals hier Hegende ko-
lossale Cipollinsäule, welche seit 1857 die Immaculata auf Piazza MignanelU trägt, denn
wozu hätten solche Säulen in einem Amphitheater dienen können !
Dagegen ist es gewiss, dass unweit von der Piazza di Monte Citorio ein Denk-
mal stand, welches sich noch im vorigen Jahrhundert an Ort und Stelle befand. In
dem Garten der Casa della Missione, welcher westlich, nur durch eine Gasse getrennt,
an die Curia Innocenziana gränzte, lag nemlich eine gestürzte Monolithsäule aus röth-
lichem Granit, welche nur mehr theilweise aus dem Schutte hervorragte. Diese hatte
schon zu den abentheuerlichsten Vermuthungen über ihre Bestimmung Anlass gegeben,
als man sich endlich zu Nachgrabungen entschloss, und den stattlichen dazugehörenden
Basamentwürfel entdeckte, welche Arbeiten unter Clemens XI. Francesco Fontana lei-
tete.^ Es ist indess auffallend, in den Nachrichten über den Fundort bedeutende Ver-
schiedenheiten zu finden : denn Piranesi — allerdings der Zeit nach ferner stehend —
berichtet, dass jenes Denkmal in dem Hause, welches die Piazza di Monte Citorio
westlich begränzt und das zur Zeit Clemens XL einem gewissen Carlo Eustachi ge-
hörte, sich befunden habe, und dass die Säule selbst noch aufrecht gestanden sei.^
Nach derselben Quelle forderte auch die von Clemens XI. versuchte Versetzung der-
selben den Abbruch des genannten Hauses. Wie dem auch sei, es kam nicht zur Wie-
deraufstellung; das Basament, an sich schon sehr verstümmelt gefunden, hatte durch
die Hebung und den Transport noch weiter gelitten und der Säulenschaft war so be-
schädigt, dass man es vorzog, das erstere auf dem Platze, den letzteren in einem Win-
kel westlich an der Curia Innocenziana bis auf Weiteres liegen zu lassen. Erst Bene-
dict XIV. nahm die Sache wieder auf, und nun wurde wenigstens das Piedestal auf
' Dio Cass. LI. 23. * Strabo V. 3, 9. p. 236. ^ Dio Cass. LIX. <0. * id. LXII. 18. * Vignoli, de
cqlumna imperatoris Antonini Pii dissertatio. Romae 1705. * J. B. Piranesi, Trofeo o sia colonna cociide &c.
Roma. s. a. tav. XXXIX a.
Die Ehrensäule des Antoninus Pius.
267
doppeltem Sockel an der Stelle aufgestellt, wo jetzt der Gnomon-Obelisk sich erhebt.
Das Basament, welches damals auch restaurirt wurde, ist auf drei Seiten mit Reliefs,
auf der vierten aber mit einer Inschrift in grossen , offenbar vormals mit Metall ausgeleg-
ten Buchstaben bedeckt, welche also lautet:
DIVO ANTONINO AVG PIO
ANTONINVS AVGET
VERVSAVGVstus FILII
Auf der entgegengesetzten Seite befindet sich ein die Apotheose des Antoninus Pius und
der Faustina darstellendes Relief, wovon ich eine Abbildung nach einer vor der letzten
^^^^^^^^^^^^^^^^^^^§
2.'). Piedeslalrülicf der Elirensaule des Aiiloninus Pius. (Nach de Fabris
Restauration angefertigten Zeichnung beifüge : das Kaiserpaar auf der Schulter eines Ge-
nius sitzend, der seine Flügel, um den Raum auszufüllen, unmässig ausbreitet und in der
Linken eine Kugel mit einer Schlange hält, scheint zum Himmel empor getragen zu wer-
den, wohin es zwei Adler auf beiden Seiten begleiten. Ein anderer Genius befindet sich
in halbhegender Stellung am Boden , in der Linken einen Obelisk haltend , offenbar nicht
ohne irgend eine mystisch« Bedeutung (Marsfeld oder die engere Localität um den Gno-,
monobelisk, in dessen Nähe die augusteische Ustrina war?), während auf der anderen
Seite eine Roma sitzt von zahlreichen Trophäen umgeben. Die Reliefs der beiden anderen
Seiten zeigen stark bewegte Reiterzüge, in elliptischer Form einige Fusssoldaten in der
34*
268 Das Marsfeld.
Mitte einschliessend. Die Reliefs sind bereits weit entfernt von der Trefflichkeit der traia-
nischen und die beiden letzteren zeigen in Composition und überhoher Ausführung schon
sehr grosse Aehnlichkeit mit den gleichartigen am Bogen des Septimius Severus. Besser
ist die Darstellung der Apotheose , obwohl auch hier bei sonst noch guten Formen die
Steifheit der Composition besonders die Körper- und Flügelstellung des schwebenden
Genius verletzt.
Die Aufstellung der Säule selbst unterblieb abermals , und nachdem das Piedestal
nur einige Jahrzehnte die Piazza di Monte Citorio geschmückt, wovon uns Piranesi eine
zwar prachtvolle, aber leider, wie alle Werke dieses genialen Künstlers , durch wahrhaft
imposante Dimensionen übertriebene Abbildung hinterlassen, entschloss sich Pius VI.,
nachdem er sich von der Unmöglichkeit der Ausführung dieses Planes überzeugt hatte,
den Platz für ein anderes Denkmal zu benutzen, nemlich für den unmittelbar vorher be-
schriebenen Obelisk. Damals wurde der sehr schadhafte Säulenschaft zersägt, um theils
zur Ausbesserung des Obelisken, theils zur Ausschmückung der vaticanischen Bibliothek
Material zu Hefern, das Piedestal aber wurde in einen Garten des Vatican geschafft, wo
es unbeachtet lag, bis Gregor XVI. es durch G. de Fabris sorgfältig restauriren und im
Giardino della Pigna aufstellen liess,^ wie die Inschrift auf dem Plinth berichtet. Auch
der Anlauf des Schaftes, auf dem sich eine griechische Inschrift befand, kam in den Va-
tican, wurde erst von de Fabris wieder gefunden und nun an dem Piedestal selbst an-
gebracht.2 Die Inschrift lautet:
AIOCKOYPOY
LG TPAIANOI
...AYOANAnOA€C N«
'"lAOY APXIT6KTOY
was nach E. Sarti's wohl richtiger Erklärung bedeutet, dass unter dem (Procurator) Dios-
koros im neunten Jahre (der Regierung) des Traian zwei (Säulen) jede zu fünfzig Fuss
von dem Architekten (Ariste)ides (ausgeführt wurden). Würde das Piedestal mit der In-
schrift des Antoninus Pius nicht allen Zweifel benehmen, so müsste man nach diesem
Steinmetzenzeichen unfehlbar an ein Werk des Traian denken. Nun aber lässt sich die
Sache nicht anders erklären, als dass man eine seit längeren Jahren bereitliegende, viel-
leicht sogar schon verwendete Säule zu dem Denkmale benutzte. Dieses selbst ist auch
durch Münzen mit der Umschrift divo pio beglaubigt, von welchen sich bei Nardini,^ Pi-
ranesi* und VignoH^ Abbildungen finden. •
* Giuseppe de Fabris, 11 piedistallo della colonna Antonina &c. Roma. 1846. * id. Appendice p. XI.
' Roma vetus. I. VI. cap. IX. (Graev. Thes. A. R. tom. IV. p. 1302.) * tav. XXXIX. C. 2, » p. 39 & 119.
Die Säule des Marcus Aurelius. 269
46. Die Säule des Marcus Aurelius.
Die Piazza di Monte Citorio ist westlich nur durch das Gebäude, -welches gegen-
wärtig der französischen Commandantschaft eingeräumt ist (vormals Briefpost), von der
stattlichen Piazza Colonna getrennt, die ihren Namen der gewaltigen Säule verdankt,
welche, in der Hauptsache der beschriebenen des Traian ähnlich, sich in der Mitte erhebt
und zu den bedeutendsten Ueberresten des alten Rom gehört. Das Aeussere des Basa-
mentes derselben, das durch seine plumpe Breite und verhältnissmässige Niedrigkeit den
Eindruck des Ganzen sehr benachtheiligt, ist nicht antik und nur eine durch Fontana aus-
geführte Bekleidung des sehr verstümmelten ursprünglichen Piedestals. Dieses erhob sich
vom antiken Boden an, der 4, so Meter unter dem modernen liegt, in einer Höhe von
11,60 Meter. Der untere Theil desselben war ein auf drei Stufen ruhendes dreifach ab-
gestuftes Basament von 5, so Meter Höhe, an dessen Ostseite (gegen den Corso hin) die
Thüre angebracht war, welche zu dem Innern des Denkmals führte. Auf dieser Grund-
lage, welche sich jetzt unter dem modernen Boden befindet, liegt eine ebenfalls quadra-
tische, 1,80 Meter hohe Platte, welche auf der Ostseite (über der ursprünglichen Thüre)
mit kränzetragenden Genien, auf den drei anderen Seiten mit Sieges- und Huldigungs-
scenen in Relief geschmückt war. Darauf ruht das 4,30 Meter hohe Piedestal, von
dessen Auszierung wir jedoch wenig mehr wissen, als dass auf einer Seite das Wort
CONSEC RATIO, auf der anderen DI VI ANTON INI AVGVSTI PN noch kenntlich war. <
Das Ganze war jedoch so beschädigt, dass es nicht blos die Schönheit, sondern sogar die
Sicherheit zu erfordern schien, den Sockel durch eine neue Bekleidung zu festigen,
welcher natürlich der verstümmelte Reliefschmuck weichen musste. Wir kennen daher
die ursprüngliche Gestalt nur aus alten Abbildungen ^ und Copien desselben, die freilich
nicht vollständig befriedigen. Besonders unglücklich aber wurde die Restauration des
Basamentes dadurch, dass sich ein grober Irrthum in die modernen Inschriften einschlich,
von welchen namentlich die auf der Westseite befindliche das Denkmal dem Antoninus
Pius zuschreibt, während nur zu deutlich die Thaten eines anderen Kaisers in den Reliefs
des Schaftes dargestellt sind.
Die ganz schmucklose Basenplatte (Plinthus) misst 0,8o Met. in der Höhe; der
Basenwulst, einen grossen mit Bändern umwundenen Lorbeerkranz darstellend, hat einen
Durchmesser von 5 und eine Höhe von 0,65 Met. Darauf erhebt sich der marmorne Säu-
lenschaft, 26,60 Met. hoch, mit 3,96 unten und 3,74 Met. oben im Durchmesser. Das dö-
* Gamucci, Libri IV dell' antichitk di Roma. Ven. 1565. p. 154. ' Du Perac, de vestigij dell' Antichitä di
Roma. Roma 1674. tav. 34. Columna Cochlis M. Aurelio Antonino Augusto dicata, delineata a Pietro SanteBartoli
brevibus notis I. Petri Bellorii illustrata. Roma MDCCIV. Piranesi, Trofeo o sia colonna &c. tav. XXX. b. XL.
^70 Das Marsfeld.
rische Capital zeigt die im römisch dorischen Styl häufige Ornamentik des Eierstabes und
misst mit dem Astragal (Perlenschnur) unterhalb 0,8o Met. in der Höhe. Unter dem Capi-
tal ist wie an der Traiansäule noch ein schmaler Gürtel mit einem Ansätze dorischer
Canellirung, wölche jedoch nach unten abweichend von der Traiansäule durch einen
Leisten etwas hart abgeschlossen wird. Die Capitälsplatte (Abakos) hat eine Höhe von
0,70 und eine Seitenlänge von 5,3o Met. Die ganze Säule mit Base, Capital, Plinth und
Abakos misst daher 29,55 Met. in der Höhe, 0,23 Met. weniger als die Traiansäule. Doch
da das ursprüngliche Piedestal der ersteren vom antiken Boden an 11, eo Met. und das
der letzteren nur 5,7o Met. hoch ist, so wird die Traiansäule von jener bei einer Gesammt-
höhe (mit Ausschluss der Statuenpiedestale) von 41, 15 : 35,48 Met. um 3,67 Met. überragt,
welcher Unterschied jedoch durch die Verschiedenheit des antiken und modernen Niveaus
jetzt auf weniger als 1 Meter sich reducirt. Die Säule selbst besteht aus 28 Stücken, von
denen zwei Base und Capital bilden. Im Innern derselben führt eine in den Marmor ge-
hauene Wendeltreppe zu der Höhe des Abakos, welche jetzt 190 Stufen zählt, und durch
53 Fensterchen erhellt wird, von denen eines im Piedestale, die übrigen im Schafte an-
gebracht sind. Ursprünglich waren es 8 Stufen mehr, auch enthielt das Piedestal 4 Fen-
sterchen.
Das Relief auf dem Säulenschafte, das sich, wie an der Traiansäule, in zwanzig
spiralförmigen Windungen erhebt, stellt die Kriege der Römer mit deutschen Völkerschaf-
ten von 167 — 179 n. Chr., bei welchen ausser den Marcomannen, die an der Spitze
standen, auch noch viele andere deutsche und benachbarte Stämme nördlich von der
unteren Donau, wie die Hermunduren, Sueven, Quaden, Vandalen, lazygen, Bastarner,
Sarmaten, Alanen, Roxolanen und andere betheiligt waren, vor.^ Die Darstellung beginnt,
wie am Relief der Traiansäule, mit Palissaden, Castellen, Magazinen und Wachen an
einem Flusse (Donau). Das römische Heer zieht über eine Schilfbrücke ; der Kaiser hält
von dem Lagertribunal (suggestum) aus eine Anrede an das Heer. Die Römer, in einer
Stadt concentrirt, zerstören bei einem Ausfalle die feindlichen Ortschaften: runde Hütten
von Holzstämmen, mit einem gewölbten Dache aus Reisern bedeckt. Schleuderer, welche
Beinkleider tragen, im Uebrigen aber nackt sind, werden von den Römern als Bundes-
genossen gewonnen. Eine siegreiche Schlacht und darauf Dankopfer des Kaisers. In
Folge grosser Trockenheit herrscht Wassermangel im römischen Heere, dem viele erlie-
gen: lupiter Pluvius erscheint endlich mit dem ersehnten Regen, von welchem in Strö-
men triefend er selbst dargestellt ist, und die Soldaten sammeln gierig die reichliche
Fluth, sie mit ihren Schilden auffangend. Schon diese Scene, welche mit einem ander-
wärts 2 erzählten und von den Kirchenvätern öfters berührten Ereignisse zusammenftillt,
• Dio Cass. (Xiphilin.) LXXI. c. 3—20. ' id. c. 8—10.
Die Säule des Marcus Aurelius. ^7 I
gibt uns ausser vielen anderen Momenten einen sichern Beweis, dass unser Relief den
angeführten Krieg des Kaisers M. Aurelius gegen die Deutschen darstellt. Es erzählt
nemlich Dio, dass es während der deutschen Kriege den Quaden einmal gelang , die Rö-
mer einzuschliessen in der Hoffnung, diese durch Hitze und Durst zwingen zu können,
die Waffen zu strecken. Als nun bereits die Kräfte der Römer bei den wiederholten Ver-
suchen, sich durchzuhauen , durch den unerträglichen Sonnenbrand zu ermatten began-
nen, da erschienen plötzlich dunkle Wolken am Himmel und ein schwerer Regen strömte
»nicht ohne göttliche Fügung« auf die verschmachtenden herab. »Man erzählt auch in
der That«, fügt Dio hinzu, »dass der ägyptische Magier Arnuphis, der sich in dem Gefolge
des Kaisers Marc Aurel befand, unter anderen Göttern auch den Luftgott Hermes ange-
rufen und durch diesen den Regenguss herabbeschworen habe.« — So weit Dio, doch
Xiphilinus, dessen Auszügen wir diesen Theil von Dio Cassius römischer Geschichte ver-
danken, setzt mit Dio's entstelltem Berichte höchst unzufrieden jene bekannte Legende
[von der legio fulminata daneben : Der Präfect der Leibwache habe nemlich in der äusser-
?sten Bedrängniss den bestürzten Kaiser aufmerksam gemacht, dass die Gebete der
i Christen eine ausserordentliche Kraft besässen und dass man eine ganz aus Christen be-
stehende Legion auffordern solle, zu ihrem Gotte um Rettung des ganzen Heeres zu
flehen. Der Kaiser habe eingewilligt, Gott aber das Gebet erhört, die Feinde niederge-
schmettert, die Römer aber mit einem Platzregen erfrischt. Durch dieses Wunder tief
betroffen, habe der Kaiser einen besonderen Erlass zu Ehren der Christen gegeben, die
Legion aber mit dem Ehrentitel lulminala [y,eQavvo(p6(jov) bedacht. Die letztere Notiz ist
■entschieden irrig, denn die fulminata bestand als legio XH. schon zu Augustus (nachweis-
lich Nero's) Zeit,^ was aber das Ereigniss selbst betrifft, so ist es erklärlich, dass die wun-
derbar scheinende Rettung von Heiden und Christen einer nach ihrem Standpunkte ver-
schiedenen göttlichen Intervention zugeschrieben wurde, wie auf unserem Denkmal dem
lupiter Pluvius, der allerdings hier rein allegorisch gefasst sein kann.
Die Fortsetzung des Reliefs zeigt nun eine Ueberschwemmung, welche die Deut-
schen hart bedrängt: ein Theil derselben unterwirft sich mit Weib und Kind dem Kaiser;
andere werden in einer grossen Schlacht besiegt, ihre Hütten in Brand gesteckt, die Wei-
ber gefangen weggeschleppt und die Männer an das sumpfige Ufer eines Flusses geftihrt,
wo sie um Gnade flehen : zwei Barbarenfürsten werden vor den Kaiser gebracht. Man
führt die Beute auf Wagen weg ; Marc Aurel erscheint zu Pferde, in Gestalt und Stellung
dem Reiterbilde auf dem Capitol ganz ähnlich. Die Römer gehen auf einer Schiffbrücke
über einen Fluss und erringen einen Sieg, woftir der Kaiser ein Dankopfer darbringt und
* Orelli (Henzen) Inscr. n". 517. 5447. 6497. 6522. 6777. Dio Cass. LV. 23. Vgl. Becker-Marquardt, Rö-
mische Alterthümer Bd. fll. Leipzig 4 853. Das Militärwesen. §496.
272 ^'^^ Marsfeld.
siegen, nachdem sie auf Schiffen über einen zweiten Fluss (die beiden Arme der March?)
gesetzt sind , abermals ; die Beute wird auf Wagen geladen. Der Kaiser im Gespräch
mit Germanenfürsten, die neben ihm sitzen, begriffen, nimmt die Huldigung anderer ent-
gegen. Die noch übrigen Feinde werden in einen Sumpf getrieben , die Wohnungen in
Brand gesteckt; unter dem Gedränge der Fliehenden sieht man ein gekröntes Weib, die
übrigen Barbaren tragen Mützen von der Gestalt eines abgekürzten Kegels. Nach mehren
Schlachten unterwerfen sich auch diese, und das römische Heer erstürmt mit dem Schild-
dach ihre letzte Verschanz ung. Victoria , zwischen Trophäen stehend, schreibt den Sieg
auf einen Schild. Unter den Trophäen sieht man eine Bärenhaut, Beile, Lanzen, Schilde
und die Drachen als Feldzeichen , welche sich auch auf dem dacischen Siegesdenkmal
des Traian finden. — Oberhalb dieser Victoria, welche ungefähr die Mitte des Säulen-
schaftes einnimmt, beginnt die Darstellung eines zweiten Feldzuges : Dieselben Barbaren
erscheinen im Abfall begriffen und greifen die römischen Besatzungen an. Der Kaiser
setzt abermals mit einem Heere auf Schiffen über den Strom (Donau) ; sogleich kömmt
ihm ein Germanenfürst unterwürfig entgegen, stellt Jungfrauen als Geiseln und lässt die
Anstifter des Aufstandes enthaupten. Andere flehen um Gnade, viele erscheinen im Heere
eingereiht. Nach einem Reitergefechte werden zwei Fürsten mit mehren anderen gefan-
gen vor den Kaiser geführt. Gefangene Frauen werden fortgeschleppt und auch die er-
beuteten Heerden weggetrieben ; der Kaiser bringt ein Siegesopfer. Nach einer zweiten
Schlacht gehen die Römer über eine Schiffbrücke; neue Beutezüge, darunter Frauen und
Kinder. Auf einem von Rindern gezogenen und mit Polstern belegten Wagen sitzen zwei
gefangene Fürstinnen, daneben schreiten Jünglinge mit langem lockigen Haar, die Hände
auf den Rücken gebunden. Vor einer dritten Schlacht hält der Kaiser eine Anrede an das
Heer : ein neuer Sieg hefert wieder reichliche Beute ; Weiber und Kinder werden in den
Sümpfen, wohin sie sich auf der Flucht verborgen hatten, entdeckt und gefangen. Die
Wohnungen und befestigten Plätze der Barbaren werden mit Feuer und Karst zerstört.
Das römische Heer zieht wieder über eine Schiffbrücke und eine entscheidende Schlacht
zwingt endlich die Feinde zu vollständiger Unterwerfung. Der Zug der Gefangenen und
der Beute beschliesst das marmorne Kriegsgemälde.
Das Denkmal ist, wie schon erwähnt, ganz der Traiansäule nachgebildet und na-
mentlich die Anordnung des Spiralreliefs ganz gleichartig. Doch die Arbeit desselben
zeigt sowohl hinsichtlich der Composition wie auch der Feinheit der Ausführung eine
schon sehr merkliche Kunstabnahme seit Traians Zeit, die Bewegung wird oft über-
schwänglich, Contour und Faltenwurf schwer und hart , auch ist das Profil des Rehefs
derber als an dem traianischen Denkmal, wie denn überhaupt bei fortschreitendem Kunst-
verfall das in der besten Zeit nur sehr schwach vortretende Relief immer mehr vor-
springt, bis sich Arme und Beine vollständig isoliren, wie wir diess schon an den Reiter-
3
CO
I
Die Säule des Marcus Aurelius. 273
gruppen am Piedestal der Säule des Antoninus Pius und an den Reliefs der Septimius
Severus-Säule sehen.
Wenn auch Namen und Bedeutung unserer Säule schon aus den Darstellungen
des Schaftreliefs abgeleitet werden konnten , so sind doch auch noch weitere Beweise
daftir willkommen. Die Säule selbst wird allerdings seit der ersten Erwähnung^ immer
nur Columna Antonini genannt und wir haben deshalb ausser der allgemeinen Notiz, dass
dem Marc Aurel nach seinem Tode Tempel, Säulea, eine Priesterschaft und andere Ehren
decretirt wurden,^ aus der Ueberlieferung keinen genaueren Anhaltspunkt. Doch muss
festgehalten werden, dass die einfache Bezeichnung der Säule selbst auf jeden der Anto-
nine sich beziehen konnte, und selbst der Beiname Pius, den man angeblich noch auf
dem Sockel vor seiner Erneuerung lesen konnte , wurde auch von Marc Aurel angenom-
men. Es wäre demnach ganz ungerechtfertigt, das Denkmal gerade dem ersten der An-
tonine zuzuschreiben. Doch begann man erst diess zu bedenken, als man die besprochene
Säule im Garten der Casa della Missione ausgrub, und aus der vollständig erhaltenen In-
schrift ihres Sockels sah, dass diese dem Antoninus Pius , dem Vorgänger Marc Aureis
geweiht war. Nachdem schon diese Entdeckung in Verbindung mit den Darstellungen
auf der Reliefsäule auf andere Gedanken gebracht, gab endlich eine im J. 1 777 westlich
an der Piazza Colonna ausgegrabene Inschrift (jetzt im Inschriftencorridor des Vaticans)
vollständige Gewissheit. Sie lautet : ^
LIBELLVS L
OPERVIVl PVBL
SCRIPTA SEVERO
DOMINE • PERmiTTAS
FICIO IVIEO POSCOLV. •
MARCI ■ ET FAVSTINA.
PEDIBVS PLVS MIN.
• CERE ET INIVIATRI
INIVRIA CVIVSQVA
SECVNDVIVI • LITTER
RATIONALIVIVl
SVBIECI DA
EXEMPLARIA • LITTE CARE LOGO CANNABAE
RARVIVI RATIONALI A • SOLO IVRIS • SVI PECVNIA
VIVI DOMINORVIYI • NN SVA PRAESTATVRVS SOLARI
SCRIPTARVM • PERTINEN VIYI SICVT • CETERI
TES AD ADRASTVm AELIVS ACHILLES • C L PERPETV
AVGG • NN LIB • QVIBVS AEI VS FLAVIANVS EVTVCHVS
PERmiSSVIVI SIT AEDIFI EPAPHRODITO SVO • SALVTEM
' Curios. U. R. Reg. LX.
p. 524. Orelli Inscr. 39.
F. Rebbr, dio Ruinen Roms.
* Aurel. Vict. Caess. 16. Epil. 16.
* Anedotti Letterarj di Roma. Tom. IV.
35
274
Das Marsfeld.
TEGVLAS OIVINES ET • IIVIPENSA
DE CASVLIS • ITEIVI CANNABIS
ET AEDIFICMS IDONEIS ADSIGNA
ADRASTO PROCVRATORI
COLVIVINAE DIVI • MARCI VT
AD VOLVPTATEM SVAM ■ HOSPI
TIVIVI SIBI EXSTRVAT QVOD VT
HABEAT SVI IVRIS ET AD HE
REDES • TRANSMITTAT
LITTERAE DATAE VIII IDVS
AVG ROMAE FALCONE ET
CLARO COS
AELIVS . ACHILLES • C L PERPETV
VS . FLAVIANVS EVTYCHVS AQVI
LIO FELICI HADRASTO AVG LIB
AD AEDIFICIVIVl QVOD CVSTODI
AE CAVSA COLVIVINAE CENTE
NARIAE PECVNIA SVA EXSTRVC
TVRVS EST • TIGNORVIVI VEHES
DECEIYI QVANTI FISCO CONSTI
TERVNT CVM PONTEM NECES
SE FVIT COMPINGI : PETIIVIVS
DARE IVBEAS LITTERAE DATAE
Xllll • KAL • SEPT ROMAE
FALICONE ET CLARO COS •
RATIONALES • SEIO SVPERSTITI
ET FABIO • MAGNO PROCVRA
TOR COLVIVINA (?) CENTENARIAE
DIVI IVIARCI EXSTRVERE HABI
TATIONEIVl • IN CONTERMINIS
LOCIS IVSSVS OPVS ADGREDIE
TVR Sl • AVCTORITATEIVl VES
TRAIYI ACCEPERIT PETIIVIVS
IGITVR AREAM QVAM DEMO
NSTRAVERIT ADRASTVS LIB
D • N ADSIGNARI El IVBE
ATIS • PRAESTATVRO SECVNDVM
EXEMPLVM CAETERORVM SO
LARIVM LITTERAE DATAE
VII IDVS SEP ROMAE • RED
DITAE IUI IDVS SEPT ROMAE
ISDEM COS •
Die interessante Doppelinschrift, von welcher das erste verstümmelte Stück das Gesuch
des Adrastus, Freigelassenen des Septimius Severus, des antiken Gustoden (procurator)
der Säule des Marc Aurel betreffs der Umw^andlung seiner Hütte in ein bewohnbares
Haus, der zweite Theil aber die Genehmigung seines Wunsches in drei hier in Ab-
schrift vorgetragenen Decreten enthält, benennt wiederholt die Säule mit dem Namen des
Marc Aurel und bezeichnet sie ausserdem noch näher als die cokimna centenaria Divi
Marci. In der That misst die Säule mit Base und Capital 100 Fuss, was jeden Zweifel
vollends benehmen muss. Die Decrete stammen aus dem Consulatsjahre des Falco und
Clarus, mithin 193 n. Chr. und zeigen namentlich, wie hastig Adrastus die Erhebung
seines Patrons S. Severus benutzte, denn am 1 . Jan. desselben Jahres war erst Commo-
dus, drei Monate darauf Pertinax und am 2. Juni Didius Severus ermordet worden, und
schon Anfangs August, zwei Monate nach dem Einzüge des Septimius Severus in das
blutbefleckte Palatium, erschien das erste Decret, welches den Wünschen des eilfertigen
Bittstellers entgegenkam.
Was die Geschichte der Säule betrifft, so ist zu vermuthen, dass das Bronze-
standbild, welches sie krönte, sich unter dem mehrerwähnten ^ Raube befand, den Con-
stans H. nach Syrakus und die Saracenen nach Alexandrien flihrten. Im 1 0. Jahrhundert
schenkte Papst Agapetus II. die Säule mit dem umliegenden Platze dem Benedictiner-
* Vgl. S. 193, Anm. 2.
Die Säule des Marcus Aurelius. 275
kloster SS. Stefano, Dionisio e Silvestro (jetzt S. Silvestro in capite) nach einer im Archiv
des genannten Klosters noch vorhandenen Urkunde , in welcher überdiess diese Säule im
Gegensatze zu der beschriebenen etwas kleineren Granitsäule, welche vordem auf Monte
Citorio stand, die columpna major Anlonina genannt wird.'' Die Mönche dieses Klosters
bauten bei der Säule eine Kirche, S. Andrea, sahen sich aber, nachdem sie bei der Ver-
heerung Roms durch Robert Guiscard sehr gelitten hatten , gezwungen, Säule und Kirche
zu veräussern. Doch gewannen sie bald beides wieder und der damalige Abt Petrus
machte sie durch eine Urkunde vom Jahre 1109, die noch in Marmor eingegraben in der
Porticus der Kirche zu sehen ist und welche von Verwünschungen gegen den, welcher
seine Verordnungen jemals zu übertreten wagen sollte, strotzt, zum ewig unveräusser-
lichen Eigenthum des Klosters. Im 14. Jahrhundert ward die Säule vom Blitze getroffen ^
und wahrscheinlich dadurch sehr beschädigt ; wann sie aber wieder dem Besitzthum des
Klosters entzogen ward, ist nicht bekannt. Im J. 1589 Hess sie Sixtus V. durch Fontana
herstellen, das ganze Piedestal überkleiden und auf den vier Seiten mit Inschriften ver-
sehen, von denen drei auf Sixtus Restauration, auf dessen »Reinigung des Denkmals von
aller Gottlosigkeit« und auf die Errichtung der Statue des heiligen Paulus sich beziehen,
die vierte aber die verunglückte Stellvertretung der antiken Inschrift enthält, von welcher
bereits oben gesprochen worden ist. Seit dieser Restauration steht auf einem cylinder-
förmigen, oben mehrfach gegliederten Piedestal über dem Capital an der Stelle der Kai-
serstatue das vergoldete Bronzebild des Apostels Paulus, modellirt von Costantino de
Servi, gegossen von Bastiano Torrigiani.
Die Säule war vermuthlich ähnhch der des Traian von einer Anlage umgeben,
welche indess nie als ein Forum galt. Auf eine solche Hallenanlage könnten vielleicht
auch die Reste einer dreifachen Porticus in Backsteinbau bezogen werden , welche man
an der Ostseite (Palazzo del Principe di Piombino) fand.^ Gewisser ist, dass analog der
Anordnung am Traianforum auch vor der Säule des Marc Aurel ein demselben Kaiser
geweihter Tempel gestanden sei;* doch es haben sich davon nicht bloss keine Spuren
gefunden , es ist sogar die Lage desselben ganz unbestimmbar. Von der Unthunlich-
keit, in der Ruine der Dogana di Terra einen Ueberrest dieses Tempels zu erkennen,
wurde bereits oben gesprochen. Am wahrscheinlichsten ist es, den Tempel an der West-
seite, gegen Monte Citorio hin anzunehmen.
' Nibby, Roma nell' anno 1838. Parte II. antica. p. 640. * Poggii Florent. de forlunae variel. U. Romae
et de ruina eiusdem descriptio. Opp. Bas. s. a. p. 131—437. ' Fea, Fiaiumenti de' Fasti cons. e trionf.
R. 1820. p. LXXVI. * Curios. ürb. Rom. Reg. IX. cf. .Aurel. Vict. Cacs. 16. Epit. 16. Script. H. A. (Capitolin.)
M. Antonin. 18.
276 ^*^ Marsfeld.
47. Die Septa lulia.
Seit wir die Ruinen des Traianforum verliessen, wurden die Ueberreste einer der
1 4 Regionen, in welche Augustus die Stadt eintheilte, und zwar der neunten, welche den
Namen Circus Flaminius trug, beschrieben. Bei dieser poHtischen Regioneneintheilung
gab es kein Marsfeld; das ganze Gebiet der Ebene nördlich vom Capitolinus, das ur-
sprünglich den Namen Campus Martins trug, wurde damals in zwei ungleiche Theile ge-
schieden, deren Gränze die nunmehrige Hauptstrasse, die Via del Corso bildete, und wie
der Theil westlich von dieser den Namen Circus Flaminius erhielt, so bekam der Theil
östlich, als die siebente Region, den Namen Via lata von der Strasse selbst. Diese nur
politische Eintheilung konnte natürlich den alten Namen nur theilweise verdrängen , und
so blieb namentlich die Bezeichnung in circo Flaminio nur auf den Bezirk unmittelbar um
die genannte Rennbahn beschrankt, während man nach wie vor den nördlichen bis in
die spätere Kaiserzeit nur unvollständig verbauten Theil als Campus Martins zu bezeich-
nen pflegte, ohne jedoch eine bestimmte Gränze für beide Namen zu haben, welche auch
die vielfach in einander greifenden Anlagen nicht zuliessen. Eine entschiedenere topo-
graphische Gränze bildete die Via lata, welche mit der vom Capitolinus bis an die Porta
Flaminia in gerader Linie sich hinziehenden Via del Corso unzweifelhaft identisch war,
wie aus dem fortwährend^ und selbst noch über das Mittelalter hinaus ^ daranhaftenden
Namen erhellt, welcher sich bei der Kirche S. Maria in Via Lata sogar bis auf den heu-
tigen Tag erhalten hat. Unzweifelhaft war diese Strasse , welche den Anfang der Via
Flaminia bildete, zu beiden Seiten mit Gebäuden, Denkmälern und Hallen besetzt, von
welchen man jedoch jetzt ausser der etwas abstehenden Triumphsäule des M. Aurel
äusserlich keine Spur mehr wahrnimmt. Auch die unerquickliche Untersuchung der mo-
dernen Gebäude im Innern, der Mauern und Substructionen in den Kellerräumen liefert
nur ein einziges Resultat von Bedeutung. Ein Theil des Palazzo Pamfili-Doria und der
Kirche S. Maria in Via Lata, welche sich zwischen Piazza Colonna und Piazza di Vene-
zia, der letzteren näher auf der Westseite des Corso neben einander befinden, ruht nem-
lich auf antiken Travertinpfeilern über 1 Met. im Quadrat stark, welche nach einer Seite
hin 4,60, nach der andern 5 Met. von einander abstehen und einer mehrschiffigen langen
und ganz gleichmässig von Pfeilern getragenen Halle angehören. Unter Palazzo Doria
sind wenigstens drei, unter der Kirche S. Maria in Via Lata vier Reihen solcher Pfeiler
nachweisbar, welche, wie der roh behauene Stein vermuthen lässt, ursprünglich mit Mar-
mor bekleidet waren.
* Anastas. Biblioth. V. Greg. II. & IV. Hadrian. «& Benedict! III. (Paris 1fi49. p. 67. 163. (112.) 117. 204.;
* L. Fauno, delle Antichitä della cittä di Roma. Ven. 1548. I. IUI. c. 17. foi. 130.
Die Septa lulia. 277
Die Bedeutung dieser dürftigen Ueberreste kann fast mit völliger Gewissheit be-
stimmt werden. Es berichtet nemhch Frontin,^ dass die Bogen der Aqua Virgo , welche
Leitung bekanntlich die Thermen des Agrippa speiste, im Marsfelde längs der Fagade der
Septa endigten. Die Wasserleitung, welche noch im Gange ist, allein jetzt schon in der
prachtvollen Fontana Trevi ihren Hauptzielpunkt hat, musste , um zu den Thermen (von
denen oben gesprochen wurde) zu gelangen , ungeföhr hier die Via Lata überschreiten,
was auch einige bezügliche Funde bestätigt haben. Unweit von der Kirche S. Maria in
Via Lata nördlich wurde nemlich in der Mitte des 17. Jahrhunderts wirklich ein Stück
der Leitung selbst entdeckt, und zwar als man den Grund für die Kirche S. Ignazio grub,
an der Stelle, an welcher sich später die Fagade dieser Kirche selbst erhob. ^ Es war ein
grösserer Bogen zwischen kleineren, wodurch offenbar ein zweiter Uebergang über eine
Strasse, welche der Via Lata ungeföhr parallel lief, angezeigt wurde. Die damals ausge-
grabene Ruine war wenigstens noch so-erhalten, dass Donati Plan und Aufriss ziemlich
detaillirt aufnehmen konnte. Uebereinstimmend mit diesem Punkte, der auch ganz der
Linie entspricht, welche die Leitung von der Fontana Trevi nach den Thermen des
Agrippa einschlagen musste, kann der Bogen, auf welchem die »Virgo« die Via Lata über-
schritt, nur an dem Südende der Piazza Sciarra angenommen werden, eben da , wo man
nach demselben Berichterstatter, wie es scheint, fast gleichzeitig (1641) die Reste eines
anderen Bogens ausgrub, der jedoch nach der fragmentirt gefundenen Inschrift ein
Triumphalbogen gewesen zu sein scheint.^
T I • CLAVdio • Drusi • f • Calsari
AVGVsto • Gerinanico
PON T I F I Ci • Max • Trib • Pot • XI
COS VI Mperatori • XXIIII • P • P
SENATVS • POpulusque • Roinaiius • quod
REGES • BR I Tanniai • perduelles • sine
VLLA • I ACTVra • suoruui • domuerit
GENTESQVE • Barbaras • ultra • Oceauum
PRI MVS- INDICioiiem • populi • R • redegerit
Es ist indess nicht unmöglich, dass dieser dem Claudius bei Gelegenheit seines Triumphes
über Britannien errichtete Bogen zur Verkleidung des Strassenbogens der Virgo benutzt
wurde, besonders da Claudius selbst es war, welcher diesen Theil der Leitung, der
von Caligula * wahrscheinlich als Opfer der unvollendet gebliebenen Anlage seines Amphi-
• de aquaeduct. I. 22. * A. Donati Roma vetus ac recens. Lib. III. c. <8. (Graev. Thes. Ant. Rom.
tom. III. p. 763 sq.) ' id. Lib. III. c. <6. (Graev. tom. III. p. 752.) Nardini, Roma vetus. (Graev. tom. IV.
p. 1298.) Orelli (Henzen) Inscr. n». 716. — Becker (Hdb. d. röm. Alterth. S. 598, Anm. 1282) hätte sich durch die
Verwechselung des Erhaltenen und des Ergänzten bei Donatus um so weniger beirren lassen sollen , als das Fi'ag-
ment sich noch in der von Donatus bezeichneten Sammlung befindet. * Sueton. Calig. 21.
9'78 Das Marsfeld.
theaters neben der Septa zerstört worden war, wiederherstellte, wie wir aus der In-
schrift eines anderen noch erhaltenen Strassenüberganges der Aqua Virgo sogleich sehen
werden.
Ohne Zweifel von demselben Bogen auf Piazza di Sciarra hatte man schon hun-
dert Jahre vorher, unter Pius IV. (1559 — 1560), eine grosse Masse von Relieffragmenten
ausgegraben, auf denen schon Flaminio Vacca den Porträtkopf des Claudius zu erkennen
glaubte.'' Damit darf aber nicht, wie geschehen ist,^ ein anderer Bogen der Via Lata
confundirt werden, dessen Reste geraume Zeit (an zwei Jahrzehnte) früher und bei der
Kirche S. Maria in Via Lata gefunden worden waren. 3 Dass auch diess ein Ehrenbogen
gewesen sei, erhellt aus den gefundenen Sculpturen, welche Victorien und Trophäen dar-
stellen und der Inschrift VOTIS X und VOTIS XX, welche auch am Constantinbogen
vorkommen. Dieser Bogen konnte mit der Wasserleitung nicht in Verbindung stehen,
w^elche die Strasse weiter nördlich überschritten haben musste; welchem Kaiser jedoch
dieser gewidmet war, ist nicht nachzuweisen , aller Wahrscheinlichkeit nach einem der
späteren.
Wenn aber dadurch der Gang der Aqua Virgo in dieser Gegend bestimmt ist , so
wird auch die Lage der Septa unzweifelhaft. Denn dass diese nicht nördlich von der
Leitung angenommen werden können, erhellt aus dem Umstände, dass sie mit der ihnen
angefügten'* Villa publica ausdrücklich und wiederholt in der Nähe des Circus Flaminius,^
und unter den insgesammt in dieser Südhälfte des Marsfeldes befindlichen Gebäuden,
welche der grosse Brand unter Titus ergriflen hatte, genannt werden.^ Und dass sie fer-
ner auf der Westseite der Via Lata (Corso) sich befanden, ist ausser der wiederholten
Bezeichnung in campo Martio mit Bestimmtheit daraus zu entnehmen, dass sie dem Tem-
pel der Isis zunächstliegend genannt werden"^ und dass nach der angezogenen Stelle des
Frontin die Bogen der Virgo bei ihnen endeten, was in Rücksicht auf die bei S. Ignazio
entdeckten Bogen nur dann Wahrheit haben kann , wenn die Septa den Thermen des
Agrippa möglichst nahe waren. Unmittelbar anstossen aber konnten sie nicht , denn die
schon besprochenen Tempel der Minerva Chalcidica (S. Maria sopra Minerva) und der
Isis und des Serapis lagen erweislich dazwischen und den Thermen östlich zunächst. Es
bleibt sonach für die Septa kein anderer Raum möglich als derjenige, welchen jetzt zum
grossen Theile Palazzo Doria, die Kirche S. Maria in Via Lata, Palazzo Boncampagni und
das Collegio Romano sammt der Kirche S. Ignazio einnehmen, mithin der Raum, in wel-
chem sich noch die erwähnten Pfeilerüberreste befinden.
* Memorie n«. 28. (G. Fea, Miscell. p. LXVII.) * Becker, Handb. d. röm. Alt. Bd. 1. S. S97. 624.
^ L. Fauno, Antichitä &c. Ven. 1658. fol. 4 30. * Cic. ad Att. IV. 4 6. " Strabo V. 4 p. 249. Lucan. II.
V. 197 sq. Val. Max. IX. 2, 1. Liv. Epit. LXXXVIII. cf. Plut. Süll. 30. Senec. de dem. I. 12. (Becker, Hdb.
d. rom. Alterth. Bd. I. S. 626, Anm. 1326 ) " Dio Cass. LXVI. 24. ^ luven. VI. v. 528 sq.
Die Septa lulia.
279
Dass nun auch wirklich diese Pfeiler Reste der Septa seien , erhält durch drei
Originalfragmente des capitolinischen Planes (Tab. X) ^ eine scheinbar fast unumstössliche
Bestätigung. Wir haben nemlich hier einen langen Tract eines auf einer Masse von Pfei-
lern ruhenden Gebäudes ganz in der regelmässigen und monotonen Weise gegliedert,
wie diess aus den Ueberresten in den Souterrains von Palazzo Doria und S. Maria in Yia
Lata noch zu erkennen ist. Die Fragmente zeigen mit Einschluss der verstärkten Fagade-
pilaster an beiden Seiten 168 Pfeiler des nur acht Pfeiler breiten, jedoch sehr lang sich
hinstreckenden Gebäudes, von welchem überdiess noch ein grosser Theil, der die In-
schrift bis auf die letzten Buchstaben trug, fehlt. Die erhaltenen Endbuchstaben (LIA)
26. Septa lulia. (Fragmente des capitoIiDischen Planes.) (F. R.)
aber werden und wohl mit Recht von Nibby, Canina, Becker und anderen in Septa lulia
ergänzt. Die Sache stimmt formell vollkommen, es finden sich aber bedeutende innere
' Bellorii Fragmenta vestigii veteris Romae. (Graev. Thes. A. Rom. tora. IV. tab. X.)
280 Das Marsfeld.
Schwierigkeiten, welchen jedoch die Besprechung des Zweckes und der Geschichte der
Septa vorausgeschickt werden muss.
Die Septa waren ursprünghch ein leicht abgeschlossener Raum , in welchen bei
der Volksversammlung die Centurien , wie es scheint , einzeln eintraten , um dort abzu-
stimmen, ein Raum, den wir kaum als bauliche Anlage uns denken dürfen, sondern
anfönglich in der Art, wie diess bei den Tributcomitien auf dem Forum ^ und zwar
noch am Ende der Republik ^ geschah, nur mit Seilen, später mit leichten Holzwän-
den umfriedet.^ Die Umzäunung gab den Namen Septa, und da das Ganze einer Um-
friedung nicht unähnlich sah, mit welcher die Hirten die Schafheerden auf freiem
Felde zur Nachtzeit zusammenzuhalten pflegten, so wechselte dieser erstere Name
bald mit der anfangs gewiss nur scherzweise gebrauchten Bezeichnung Ovile ab.* Ein
Gebäude wurde diese Stätte erst durch lulius Cäsar, und wir haben keinen Grund
anzunehmen, dass dieses auf einer anderen als der bereits üblichen Stelle erstand.
Von dem Projecte spricht Cicero,^ welcher es als etwas ganz ausserordentliches preist
und erwähnt, dass die Anlage ganz in Marmor ausgeführt mit einer grossartigen Por-
ticus, deren auch Plinius erwähnt,^ im Umkreise von 1000 Schritten, umgeben und
mit der (neuen?) Villa publica in Verbindung gesetzt werden solle. Allein Cäsar erlebte
die Vollendung des Baues nicht, zu welcher erst Agrippa, nachdem Lepidus die Ar-
beiten fortgesetzt hatte, gelangte und dem Gebäude bei der Einweihung im J. 727
d. St. (27 V. Chr.) den Namen Septa lulia gab.'' Die Stätte hatte ihre frühere Bedeu-
tung und desshalb auch ihre innere Einrichtung noch, wenn auch nur zu formellem
Gebrauche, es war noch immer ein freier, jetzt statt von Bretterwänden von statt-
lichen Hallengängen umschlossener Raum, der so gross war, dass nicht bloss voll-
ständige Volksversammlungen, für welche eine besondere Rednerbühne im Innern
angebracht war,^ daselbst gehalten werden konnten, sondern dass auch Gladiatoren-
spiele ^ und sogar eine Naumachie ^ ^ dort veranstaltet wurden. Die Hallen waren jeden-
falls mit Kunstwerken ausgeziert, wenigstens findet sich von Meisterwerken in den
Septa Nachricht.^ ^ Wie schon erwähnt,^^ wurden auch die Septa mit so vielen anderen
Prachtbauten des Marsfeldes von dem grossen Brande unter Titus im J. 80 v. Chr.
wenigstens theilweise zerstört. Eine Wiederherstellung wird erst von Hadrian berich-
tet,^^ und doch finden sich unter Domitian die Septa mehrfach, aber zu ganz ande-
rem Gebrauche erwähnt. Die Sache ist unschwer zu erklären: die Anlage konnte
theilweise zerstört sein, doch wozu brauchte man die vollständige Umfriedung, wozu
* Dionys. VII. 59. * Appian. B. C. III. 30. * Serv. ad Virg. Ecl. I. v. 34. * id. 1. c. * ad Att.
IV. 16. « H. N. XVI. 40, 76, 204. ' Dio Cass. LIII. 23. « id. LVI. 1. ' id. LV. 8. 10 et al. " id.
LIX. 10. cf. Becker, Handb. d. röm. Alterth. S. 633. " Plin. H. N. XXXVI. 5, 4. 29. ** Dio Cass. LXVI, 24.
'* Script. Hist. Aug. (Spartian.) Hadr. 19.
I
I
Die Septa lulia. Strassendenkmal der Aqua Virgo. 281
den weiten Versammlungsplatz ! Die erhaltenen Hallen aber waren zum römischen Bazar
geworden, »wo Rom seine goldenen Schätze feilbot«,^ und zum Tummelplatze für neu-
gierige Müssiggänger.2 Dass auch von Hadrian die Septa nicht in ihrer ursprünglichen
Gestalt hergestellt wurden, wozu auch das bereits vollständig entwickelte Kaiserthum
keinen Anlass mehr gab, sehen wir aus den erhaltenen Planfragmenten. Der freie Platz
fiel weg und wurde, wie wir deutlich sehen, durch Privatbauten in Anspruch genommen,
dagegen wurde eine Seite der vormals ringsumlaufenden Porticus erweitert und zum
siebenfachen Hallengang, der Raum genug bot für den Luxushandel , welcher wohl über
die Zeit Martials hinaus in den Räumen der Septa fortdauerte.
So erklären sich am einfachsten die Planfragmente wie die Ueberreste. Denn in
den engen Hallen die Septa im eigentlichen Sinne des Wortes zu suchen , wäre eben so
gedankenlos, als es ungenau und den auf dem capitolinischen Plane verzeichneten Pri-
vatgebäuden auf beiden Seiten entgegen wäre, an diesen siebenfachen Corridoren an-
stossend erst die Area der Septa zu construiren. Als jener unschätzbare Plan angefertigt
wurde (Septimius Severus), hatten die Septa lulia die Bedeutung längst verloren, ihre
Gestalt aber wesentlich verändert, und nur der Name haftete noch an der Stätte , wie er
desshalb auch jetzt noch mit Recht den erhaltenen Resten beigelegt werden kann.
48. Strassendenkmal der Aqua Virgo.
Wenden wir uns wieder nordwärts und beugen dann nach einer kurzen Strecke,
noch ehe wir Piazza di Sciarra erreichten, vom Corso rechts in die Via dei tre Ladroni, so
gelangen wir , diese und deren Fortsetzung, die Via dell' Umiltä verfolgend, in die Via di
S. Vincenzo, welche auf einen kleinen Platz mündet, der zum grossen Theile von der im-
posanten Fontana di Tre vi, dem modernen von Clemens XH. im J. 1 735 begonnenen, doch
erst von Clemens XHI. im J. 1 762 vollendeten Hauptbrunnen der Aqua Virgo eingenommen
wird. Geht man nun an der Fontana, die sich an eine Seite des Palazzo Poli anlehnt, rechts
vorbei in die Via della Stamperia und beugt dann links in die Via del Nazareno , so ge-
langt man zu einem noch sichtbaren Theile der antiken Leitung, welche sich in dem
Hause No. 1 2 wenig über dem Niveau der modernen Strasse hinzieht. Um sie zu be-
sehen, steigt man unmittelbar nachdem man in das Haus getreten, eine kleine Treppe
hinab zu einem ziemlich verwahrlosten, zum Theil überwölbten modernen Corridor,
dessen eine Wand die Leitung selbst bildet, deren Bogen jedoch bis auf den Körper des
Kanales selbst verschüttet sind. Nahe dem Eingange strömt ein starker Wasserstrahl in
' Martial. IX. 59. X. 80. " id. II. U.
r. Reber, die Kuincn Roms. 36
28»
Das Marsfeld,
ein langes Becken, welches zumeist von Wäscherinnen besetzt ist. Am Ende des Corri-
dors sieht man noch eine etwas vorspringende Attika, welche einen Strassenübergang
27. Sli'asseiibofjen dei' Aqua Virgo. (F. R.)
des Aquäducts kennzeichnet. Wie man diess auch sonst, besonders an zwei noch zu
besprechenden Thoren der aurelianischen Mauer findet, war der Strassenbogen zugleich
zu einem Denkmal benutzt und die Attika mit einer noch deutlich sichtbaren Inschrift
versehen, deren Anfang jedoch vermauert ist. Sie lautet:
Ti Claudius DRVS I F CAESAR AVGVSTVS • GERMAN I CVS
PontiPex MAXIM TRIBPOTVIMPXTP P cos DESIGTTTT
arcusductuSAQVAE VIRGIN IS- DI STVRBATOS PER CCAESAREM
a . fundameNTIS- NOVOS FECIT AC RESTITVIT
Dieselnschrift, welche wir schon aus einer Abschrift vom 9. Jahrhundert^ kennen, ist
von einem einfachen, weit vorspringenden Carnies überschattet : unterhalb sieht man den
dreifach gestuften Architrav, welcher auf dorischen Pilastern ruht, von deren Capitälen
man noch eines aus dem mit Wasser gefüllten Becken hervorragen sieht. Das ganze
' Anonym. Einsiedl. (Arch. f. Philol. &c. Suppl. Bd. V. S. 120.
Slrassendenkmal der Aqua Virgo. 283
Denkmal besteht aus gewaltigen Travertinblöcken , auch die einfache Fortsetzung der
Leitung neben dem Strassenbogen ; die Maasse sind für den Architrav 0,65, für die In-
schriftfläche 1,40, für den Carnies 0,7o Met. in der Höhe, während das Gebälke des Bogens,
so weit es offen hegt, 5V2 Meter in der Länge misst.
Wie aus der Inschrift hervorgeht, gehörte der Bogen zur Aqua Virgo und wurde
von Claudius, nachdem C. Caesar (Caligula) diesen Theil der Leitung wahrscheinlich
wegen der Anlage des Amphitheaters neben den Septa^ zerstört halte, bei der Wieder-
herstellung derselben im J. 799 d. St. (46 n. Chr.) gebaut. Die Aqua Virgo war nach
dem Vorausgange der Aqua Appia, Anio vetus, Marcia, Tepula und lulia die sechste der
Stadt und wurde von Agrippa im J. 727 d. St. (27 v. Chr.) angelegt, hauptsächlich um
seine Thermen auf dem Marsfelde zu speisen. Sie begann an der Via CoUatia beim achten
Meilensteine und hatte, die vielen Krümmungen eingerechnet, eine Länge von 14105
Doppelschritten (20861 Met. ^), von denen jedoch nur etwa der elfte Theil über der Erde,
das Uebrige in unterirdischen Kanälen geführt war. Die Leitung erreicht bei dem soge-
nannten Muro torto den aurelianischen Mauerring und den Pincio , durch dessen Felsen
ein Kanal gebrochen ward, der unter der Villa Medici (jetzt Academia di Francia), dem
Garten von Trinitä de' Monti bis zur Strasse Capo le Case sich hinzieht, wo sie in antiker
Zeit wieder aus dem Hügel heraustrat, um bald die Strasse zu überschreiten, deren
Denkmal wir eben beschrieben haben. Von dem weiteren Gange bis zu ihrem antiken
Zielpunkte, den Thermen des Agrippa wurde schon bei der Besprechung der Septa
lulia gehandelt. Ueber den Grund des Namens Virgo war man schon im Alterthume
nicht einig : die einen ^ leiten ihn von der anmuthigen Legende ab , nach welcher einst
ein Mädchen durstigen Soldaten die Quellen gezeigt haben soll , von welchem Ereignisse
noch später ein Gemälde in der Kapelle , die man bei jenen Quellen erbaute, Zeugniss
gab. 'Andere'' glaubten, dass der Quellbach desshalb den Namen »Jungfrau« erhalten
habe , weil er längere Zeit neben dem Herculaneus rivus dahinströmte , ohne sich mit
diesem zu verbinden. Eine dritte Erklärung ^ schreibt den Namen der von keiner Makel ge-
trübten {quod nullis sordibus poUuatur) Reinheit dieses Wassers zu. Wegen dieser Reinheit
und besondern Frische war auch das Wasser dieser Leitung zum Baden das beliebteste,
wie schon bei der Besprechung der Thermen des Agrippa erwähnt worden ist , doch
zum Trinken zog man die Marcia vor.^
Von der Unterbrechung der Wasserleitung durch den wahnsinnigen Caligula
haben wir den monumentalen Zeugen eben betrachtet ; nachher blieb die Leitung Jahr-
hunderte lang im ungestörten Gange und entging durch den grossen Vorzug, dass sie
* Sueton. Calig. 21. * F. Hultsch, Griech. u. röm. Metrologie. Berl. 1862. p. 302. ' Frontin. de aquae-
duct. I. 10. * Plin. H. N. XXXI. 3, 25, 42. ' Cassiodor. Var. VII. 6. • Plin. H. N. 1. c. Frontin. de aq.
II. 91 & 92.
»6*
2 §4 Das Marsfeld.
grösstentheils unterirdisch und unsichtbar war, selbst den Verwüstungen des Vitiges im
J, 535, welcher die anderen Bogenleitungen insgesammt hatte unterbrechen lassen. Doch
die lange Vernachlässigung machte endlich im J. 786 unter Papst Hadrian I. eine gründ-
liche Reinigung unab weislich , worauf denn das bis auf den heutigen Tag für die
Hauptstadt unschätzbare Wasser wieder in der ursprünglichen Fülle floss,^ ohne dass
wir von einer weiteren Unterbrechung eine Erwähnung finden. Als jedoch Clemens XII.
den Plan fasste, die Leitung zu dem imposanten Brunnen auf Piazza di Trevi zu be-
nutzen, da schien die zugeführte Wassermasse nicht ausreichend, und der ganze Kanal
wurde desshalb tiefer gemeisselt, um eine grössere Quantität fassen und liefern zu
können. Seitdem mit Sorgfalt überwacht, versorgt in der That die Aqua Virgo den
grössten Theil der Stadt mit ihrem vortrefflichen Wa'^ser.
49. Die Reste vom Triumphbogen des Marc Aurel.
Von der Via del Nazareno gelangt man in westlicher Richtung durch die Via
del Pozzetto und deren Fortsetzung, die Via di S. Claudio, wieder auf den Corso.
Verfolgt man nun diesen eine kleine Strecke weit nordwärts bis zur Einmündung der
Strada della Vite, so erblickt man an dem Eckhause der genannten Strasse rechts
eine Gedenktafel, welche berichtet, dass Papst Alexander VII. den Corso regulirt und
von hinderlich vorspringenden Gebäuden befreit habe. Die Hauptsache für den Alter-
thumsfreund verschweigt jedoch die Inschrift; an der Stelle nämlich, wo jetzt jener
Stein angebracht ist, stand vorher ein antiker Triumphbogen, welcher damals (1662)
» publicae commoditati et ornamento ! « weichen musste. Dieser Bogen war allerdings
sehr entstellt und verbaut, wie wir aus alten Zeichnungen entnehmen können, ^ zeigte
aber auf der Piazza del Popolo zugewandten Seite noch zwei Säulen von verde an-
tico auf der linken Seite mit geschwellten Basamenten und ebenfalls ausgebauchtem
Friese, mit zwei Reliefs. Auch auf der anderen Seite waren noch zwei Säulen von
demselben kostbaren Material vorhanden. Beim Abbruche kamen zwei von den vier
Säulen in die Kirche S. Agnese auf Piazza Navona, wo sie den Hauptaltar schmücken,
und die anderen in die Kapelle Corsini von S. Giovanni in Laterano, der Bogenschlüs-
sel aber in das Universitätsgebäude, die sog. Sapienza, wo er am Fusse der Treppe
zur Rechten sich befindet.
Die beiden Reliefs aber, das Bedeutendste jenes Denkmals, kamen in das capi-
tolinische Museum, und von da im J. 1815 in den gegenüberliegenden Conservatoren-
* Aiiastas. Bibl. de vit. Pontif. Paris 1649. p. 14 4. * Originalzeichnung von San Gallo. (Bibl. Barberini).
Donati, Roma vetus ac reccns Lib. III. c. 16. (Graev. Th. A. R. tom. III. p. 750) et al.
Die Reste vom Triumphbogen des Marc Aurel.
285
Palast, wo sich schon seit längerer Zeit vier gleichartige Darstellungen befanden, und
wurden auf der Höhe der Treppe, in dem Corridore vor dem Eingang in den grossen
Saal in die Wände eingelassen. Das eine stellt irgend einen Vortrag dar, welchen
eine auf dem Suggestum stehende Figur — ebenso gewiss M. Aurel, wie dieser auf
den anderen Reliefs die Hauptfigur ist und sein muss, und nicht ein Senator, wie
Visconti und Platner glauben —
hält. Den Gegenstand des Vortrags
aus dem Relief herauszulesen, muss
ich den genannten Autoritäten
überlassen, welche ihn, mit meines
Erachtens ungerechtfertigter Be-
ziehung auf das zweite Relief, mit
der Apotheose der Faustina in
Verbindung bringen. Die Darstel-
lung des zweiten Reliefs, von wel-
chem ich eine Abbildung beifüge,
ist mit mehr Sicherheit zu erklä-
ren. Es zeigt unzweifelhaft die
Vergötterung der jüngeren Fau-
stina, der Gemahlin des Marc Au-
rel. Diese wird aus den Flammen,
welche auf der Substruction des
Scheiterhaufens lodern, auf den.
Schultern eines fackeltragenden
Genius (der Ewigkeit?) emporge-
tragen, während M. Aurel? (der
Kopf ist moderne Ergänzung)
sitzend dem Acte anwohnt. Die
hinter ihm sichtbare Figur ist vielleicht blosse Ausfüllung, die halbnackte vor dem
Rogus auf dem Boden liegende Gestalt wird — mit welchem Grade von Wahrschein-
lichkeit will ich nicht entscheiden — als der Genius von Haiale am Fusse des Tau-
rus, wo Fauslina starb, ^ oder des Marsfeldes oder als Elagabalus erklärt.
Diese Reliefs aber wurden in den Conservatorenpalast versetzt, um mit den
vier anderen zusammengebracht zu werden, welche wahrscheinlich demselben Denk-
male angehört hatten, jedoch in Folge einer vorausgegangenen nicht näher bekannten
28. Relief vom Triumphbogea des M. Aurel. (F. R.)
• Script. H. A. (Capitolin.) M. Ant. Philos. 26.
286 D^s Marsfeld.
Versetzung von einer andern Stelle entnommen worden waren. Sie kamen nemlich
schon am Anfang des 16. Jahrhunderts aus der Kirche S. Martina auf das Capitol,^
waren jedoch damals nur drei an der Zahl i^ nach Aldroandi (a. a. 0.) befanden sich
aber noch zwei andere von derselben Art in der genannten Kirche. Eines davon
scheint das vierte der im Treppenhause des Conservatorenpalastes eingemauerten, und
das andere jenes zu sein, welches sich jetzt in Palazzo Torlonia auf Piazza di Yenezia
befindet. Man ignorirte merkwürdiger Weise die beiden Stellen, behandelte desshalb
die Herkunft dieser Reliefs einerseits sehr summarisch,^ während anderseits Nibby*
versucht, den Uebergang des letzteren Reliefs in den Besitz der Savelli, von welchen
es Torlonia erwarb, durch den Kauf eines neben dem Denkmal stehenden Palastes,
durch die Peretti, deren Erbe Bernardino Savelli war, zu erklären. — Die Darstel-
lungen der vier im Treppenhause des Conservatorenpalastes in die Wände eingelas-
senen Reliefs sind folgende : Der Kaiser zu Pferd unter seinem Heeresgefolge ; vor
ihm knieen in flehender Stellung Barbaren. — Roma empfangt, wie es scheint, vor
dem Thore den zu Fusse ankommenden Kaiser und überreicht ihm die symbolische
Kugel. — Der Kaiser auf einer Quadriga und von der Victoria bekränzt, hält seinen
Triumphzug. — Feierliches Opfer des Triumphators, vielleicht das capitolinische Opfer
selbst, wenn anders der dreithorige Tempel im Hintergrunde, freilich nur ein Tetra-
stylos, als der capitolinische lupitertempel betrachtet werden kann. Das Relief in Pa-
lazzo Torlonia stellt den Kaiser (ob M. Aurel oder seinen Bruder L. Verus, ist ungewiss)
in einer Ansprache an einige vor ihm knieende (flehende oder huldigende) Barbaren
dar, welche von den einen als Parther, von den andern als Germanen bezeichnet
.werden.
Höchst wahrscheinlich gehörten die sieben erhaltenen Reliefs einem und zwar
dem vormals im Corso befindlichen Denkmale an, welches demnach ähnlich dem Con-
stantinbogen mit Einschluss der Attika mindestens acht solcher Darstellungen enthielt.
Mit voller Gewissheit können allerdings nur die zwei erstgenannten jenem Triumph-
bogen zugeschrieben werden, aber auch diese machen es unzweifelhaft, dass, wie
auch von den römischen Topographen seit Nardini allgemein angenommen wird, in
dem Denkmale ein Triumphbogen des M. Aurel zu erkennen sei, denn sowohl der
Kopf des Kaisers auf dem ersten, wie die Darstellung der Apotheose auf dem zwei-
ten sind unverkennbar. Ebenso passt auch der Styl der Sculptur wie der Architektur
mit der dieser Zeit angehörigen Schwellung in Basamen ten und Fries zur Epoche der
Antonine und gewiss nicht zu einer früheren Zeit.
* A. Fulvii Antiquitates Urbis. Rom. 1527. Lib. IUI. fol. LXXXIII. * U. Aldroandi, Mem. (1556.) n». 34.
P. Sante Bartoli, Mem. n». 110. (C. Fea, Miscellanea &c. p. CCXX & CCLIII.) ' Platner, Beschreibung d. St.
Rom. III. Abth. 1. S. 112. Abth. 3. S. 154. * Roma nell anno 1838. Parte I. ant. p. 473 sq.
Die Reste vom Triumphbogen des Marc Aurel. Das Mausoleum des Auguslus. • 287
In der Mitte des 1 5. Jahrhunderts war noch ein Stück der Inschrift im Gedächt-
niss der älteren Leute , in welchem von drei Völkerschaften (civitates?) die Rede war,
woraus man etwas unglücklich den vulgären Namen des Denkmals Triopoli ^ oder Tri-
poli^ zu erklären versuchte. Wahrscheinlicher ist der Name aus einem früheren ^ »tres
fascicelae« entstanden, mit welchem auch eine andere Form »RetrofoH«, * Triphali^ oder
Tropholi (angeblich von den Trophäenreliefs) ^ einige andere Verwandtschaft zeigt. Es
lohnt sich indess wohl auch hier, wie bei so vielen mittelalterlichen Namen, kaum,
über solche absurde Bezeichnungen nähere Untersuchungen anzustellen, um ihre Ent-
stehung oder gar ihre Bedeutung auszumitteln. Später erhielt der Bogen im Munde
des Volkes den Namen Portogallo,'^ wie es scheint von dem portugiesischen Gesandten,
welcher damals den Palazzo Fiano neben dem Bogen bewohnte, während die Ge-
lehrten ihm bereits einen classischen Namen gegeben hatten, welcher allerdings weder
mit den Reliefdarstellungen, noch mit dem Sculptur- und Architektur-Styl stimmte,
nemlich Bogen des Domitian,'^ der bis Nardini (1660) als sicher galt. Als er durch
diesen kaum seinen richtigen Namen erhalten hatte, musste er der Rectificirung des
Corso zum Opfer fallen. Doch sind die geretteten Ueberreste noch immer so bedeu-
tend, dass sie eine besondere Besprechung des Denkmals zu fordern schienen.
50. Das Mausoleum des Augustus.
Verfolgt man den Corso weiter nordwärts, bis sich links die Via de' Pontifici
abzweigt und tritt dann ungeföhr in der Mitte der letztgenannten Strasse zur Linken
in den Eingang der Gorrea oder des Teatro di Mausoleo di Augusto, so sieht man
in dem kleinen Hofraume die formlosen Reste des einstens so herrlichen Grabmales
des Augustus. Nur hier, links neben dem Eingange und auf der entgegengesetzten
Seite neben der Tribüne der Kirche S. Rocco ist von dem gewaltigen Baue, der in
seinem Kerne noch grossentheils erhalten ist, noch etwas Antikes zu sehen: Reste
eines grossen cylinderförmigen Basamentes von einem Durchmesser von 94 Met. mit
hohen Nischen von Backstein und opus reticulatum — im Uebrigen ist das Ganze
durch mancherlei Schicksale und zuletzt durch die Umwandlung der Ruine in eine
Reitbahn und durch die theaterförmige Stufenaufmauerung im Innern verdeckt und bis
* Poggii Florent. de fortunae varietate urbis Romae et de ruina eius descriptio. Opp. Basil. s. a. p. 4 36.
* L. Fauno, dell' antichitä di Roma. Lib. IUI. c. <3. Yen. 4 548. fol. 125. ^ Anastas. Bibiioth. de vit. pontifi-
cum. Vit. Hadriani I. Paris 4 649. p. 120. * Fl. Vacca, Memorie &c. n*. H. (Fea, Mise. p. LIX.) ' Blondi
Flavii Foriiens. de Roma Instaurata. Lib. II. §.14. Ven. 1503. « A. Fuivii Antiquitates Urbis. R. 1527. Lib. IIIL
fol. XLIX. " Blond. Flav. 1. c. Albertini Opusc. de Mirabilibus vet. et nov. Urb. Rom. R. 1515. fol. 57.
288 • Das Marsfeld.
zur Unkenntlichkeit entstellt. Nichts destoweniger sind alle Topographen darüber einig,
dass die Ruine dem berühmten Grabmale des Augustus entspreche.
Augustus hatte sich diess noch bei Lebzeiten, in seinem 6. Consulat, 726 d.
St. (28 V. Chr.) besorgt und dafür den Platz gewählt, der auch sonst von Staats-
wegen ausgezeichneten Persönlichkeiten verwilligt worden war, nemhch zwischen der
Via Flaminia und dem Tiberufer. ^ Den Bau aber benannte man nach dem berühmten
Grabmal des Königs Mausolus, das ihm seine Gemahlin Artemisia zu Halicarnassus er-
richtet hatte, Mausoleum, wohl kaum wegen irgend einer Nachahmung desselben, denn
die neuerliche Ausgrabung jenes vielgenannten Weltwunders hat wenigstens gezeigt,
dass es keine Aehnlichkeit mit dem Grabmale des Augustus haben konnte, wie es Strabo ^
beschreibt, und wie die Hauptmauern die Anlage auch ahnen lassen, sondern vielmehr
wegen des gleichen Strebens nach Kolossalität des Denkmals. Es wird nemlich als ein
auf einer hohen (cylinderförmigen) Grundmauer von weisserii Marmor ruhender Erdhügel,
der mit immergrünen Bäumen bedeckt und auf der Höhe von einer kolossalen Bronze-
statue des Augustus gekrönt war, beschrieben, welchen wir uns nicht anders als in
Kegelform denken können. Von Marmor war jedenfalls auch nur die Bekleidung des
Cylinders, wie wir an der noch blossliegenden Masse von Ziegeln und Netzwerk sehen
können. Unter dem Erdhügel aber, föhrt Strabo in seiner Beschreibung des Augustus-
mausoleum fort, sind die Gräber von dem Gründer selbst , von seinen Verwandten und
Freunden. Auch für diese zeigen die erhaltenen Reste noch Anhaltspunkte, Reste von
Gellen nemlich, welche kreisförmig neben einander lagen, und deren es nach ihrer
Grösse 13 — 14 gewesen sein mussten, von denen eine an der Südseite als Eingang
diente, wie aus noch kenntlichen Spuren ersichtlich ist. Ohne Zweifel hatte der Cy-
linderbau in der Weise aller anderen ähnhchen Grabmäler eine quadratische Substruction,
welche jedoch ganz nnter dem modernen Boden ist. Die Marmorbekleidung fehlt jetzt
gänzlich; den Kammern im Innern aber entsprachen aussen ebenso viele Nischen,
welche die Monotonie des Gürtels schön unterbrachen und ohne Zweifel mit Statuen
geschmückt waren. Darnach können wir uns wohl ein allgemeines Bild des ganzen
Denkmals entwerfen, über dessen innere Gestaltung aber noch viele Fragen offen lie-
gen. Von der Aussenseite wissen wir noch, dass Augustus in seinem letzten Willen
eine Bronzeinschrift, welche ein Verzeichniss seiner Thaten enthielt, vor demselben
aufzustellen befahl,^ eine Inschrift, welche für uns desshalb von besonderem Interesse
ist, weil wir eine wenn auch fragmentirte Copie derselben in dem sog. Monumentum
Ancyranum besitzen, das auch in diesem Buche schon wiederholt angezogen werden
musste. Der Eingang vi^ar ferner mit zwei Obehsken geschmückt, von welchen wir
' Sueton. Octav. 100. * Strabo V. 3, 9. p. 236. ' Sueton. Octav. -101.
Das Mausoleum des Augustus. 289
den einen bei S. Maria Maggiore, den andern zwischen den Dioskuren auf dem Quirinalis
finden werden, welche aber nicht beim Baue des Grabmals herbeigebracht , sondern erst
geraume Zeit später aufgestellt worden zu sein scheinen.''
Dass hier vom J. d. St. 731 (23 v. Chr.) an Marcellus, Agrippa, Octavia (Augustus'
Schwester), Drusus, Caius und Lucius (Augustus' Enkel), Augustus selbst, dann Livia,
Germanicus, Drusus (Tiberius' Sohn), Agrippina die ältere, Tiberius, Antonia, Claudius,
Britanniens und Nerva beigesetzt wurden, bezeugen ausdrückliche Erwähnungen der
römischen Geschichtschreiber : doch gewiss ruhte die Asche von ungleich mehren Mit-
gliedern und Freunden der kaiserlichen Familie in den Grabgewölben des Mausoleum.
Von all den vielen Gedenksteinen, die vormals im Innern sich befanden, hat sich nur
einer erhalten, welcher zugleich über die Art der Aufstellung eine Vermuthung gestattet.
Es ist nemhch ein Piedestal, das zuverlässig eine Urne trug ; die Inschrift aber lautet :
OSSA
AGRIPPINAE m AGRIPPAE F
DIVI • AVG NEPTIS VXORIS
GERIVIANICI CAESARIS
IVIATRIS C CAESARIS • AVG
GERIVIANICI PRINCIPIS
Das Piedestal trug demnach die Asche einer der edelsten Frauen der römischen Kaiser-
zeit, der Agrippina , Gemahhn des hochherzigen Germanicus , welche von Tiberius ver-
bannt, auf der Insel Pandataria (Vandotena), eine von den ponzischen Inseln südlich von
Gaeta, im J. 33 n. Chr. wahrscheinhch eines freiwilligen Todes starb. Da Tiberius auch
der Asche der Verfolgten nicht die gebührende Ehre zu Theil werden liess , so gelangte
diese erst nach dem Regierungsantritte des C. Caesar (Cahgula), des unwürdigen Sohnes
derselben, zur Bestattung in dem Grabmale des Augustus,^ was auch schon aus der In-
schrift hervorgeht, in welcher Agrippina die Mutter des C. Cäsar »Augustus« genannt
wird. Das Piedestal war im Mittelalter ausgehöhlt worden und diente als Getreidemaass
ftlr ein Aequivalent von 300 Pfund, wie aus der mittelalterHchen Aufschrift an der rech-
ten Seite »Rugitella de Grano« zu ersehen ist. Jetzt befindet sich der interessante Stein
im Hofe des Conservatorenpalastes zur Linken.
Ohne Zweifel gehörte auch die grosse Alabastervase im vaticanischen Museum
(0,85 Met. hoch, 0,45 im Durchmesser), welche im J. 1777 in der Nähe des Grabmales
ausgegraben wurde, ursprünglich zu diesem Grabmale. Bei derselben Gelegenheit wur-
den sechs Cippen von Travertin gefunden, welche über eine andere mit dem Mausoleum
in Verbindung stehende Stätte Aufschluss geben. Die Inschriften auf diesen, welche
• Ammian. Marc. XVII. 4. ' Sueton. Calig. 15.
F. Rbbbb , Die Ruinen Rom«. S7
290 D^'s Marsfeld.
ebenfalls im vaticanischen Museum aufbewahrt w erden , lauten soweit die Züge kennt-
lich sind:
Tl • CAESAR Tl CAESAR
GERMANICI CAESARIS • F DRVSI CAESARIS F
HiC CREM ATVS- EST HJC SITVSEST
C CAESAR Li VILLA
GERMANICI • CAESARIS • F GERMANICI Caesaris • f •
H I C CREM ATVS EST H I c s|TA • est
. . .CaRsaR
G< RMANICI • CAESARIS F . . VESPASIANI • .
HiCCREMATVSEST
Vier von diesen Cippen nennen Sprösslinge des Germanicus und der eben besprochenen
Agrippina, welche ihrem Gemahl neun Kinder geboren hatte, ^ der fünfte einen Sohn des
Drusus; die letztere sehr fragmentirte Inschrift ist aus der Zeit der Flavier. Sie sind
hauptsächlich durch den Fundort für die römische Topographie bedeutend, indem das
» hie crematus est « derselben es unzweifelhaft macht , dass diese Steine in der Ustrina,
dem besonders eingehegten Verbrennungsplatz des Kaisergrabmals angebracht wurden.
Sie wurden aber zwischen der Via degli Otto Cantoni und de' Pontifici neben dem Corso
wie es scheint noch an ihrer ursprünglichen Stelle gefunden, woraus sich mit Sicherheit
schliessen lasst, dass die Verbrennungsstätte, welche von Strabo (a. a. 0.) als hinter dem
Grabmale befindlich in weissem Marmor ummauert, mit einem eisernen Gitter umgeben,
innen aber mit Pappeln bepflanzt geschildert wird, sich östlich von dem Mausoleum
befand.
Erst mit der Beisetzung des Nerva , welche zugleich mit der letztgenannten In-
schrift zeigt, dass jenes Mausoleum vielmehr als Kaisergrabmal, denn als Familiengrab-
stätte der Julier betrachtet wurde, wareii die Räume erschöpft und das Grabmal wurde
geschlossen. So verblieb es bis zum J. 409 n. Chr., in welchem Alarich in Rom einzog,
welcher keinen Grund hatte es zu verwehren, dass seine gierigen Barbaren die Grab-
gewölbe öffneten und die Asche aus den Urnen streuten , um das gesuchte Gold zu ent-
decken. Damals wurde wohl auch die im J. 1777 wiedergefundene Alabastervase ver-
schleppt, welche kaum ursprünglich an der Stelle ihren Platz hatte, wo man die Ver-
brennungscippen fand. Durch die Beseitigung oder — wenn das Material nicht die
Beutegier reizte — Zerstörung der Gegenstände des Gratmals musste natürlich das
Denkmal seine Bedeutung verlieren , und es ist daher um so weniger zu verwundern,
dass man das Gebäude filr andere Zwecke benutzte , als alle grösseren Grabmäler und
' Sueton. Calig. 7.
Das Mausoleum des Augustus. 291
irgendwie passende andere Gebäude des Alterthums dasselbe Schicksal erfuhren. Im
12. Jahrhundert war es in eine Festung der Colonna umgewandelt, welche, wie auch
die Gegend ringsum den Namen Augusta trug.'' Wahrscheinlich ward dadurch das Mau-
soleum in seinem unteren Theile wenig geändert, wie die Benutzung der Grabmäler der
Cäcilia Metella an der Via Appia und der Plautier bei Tivoli zu mittelalterlichen Fortifi-
cationen zeigt, doch hatte jedenfalls der Erdkegel einem Aufbau weichen müssen. Von
der Kolossalstatue des Augustus können wir nur vermuthen, dass sie sich unter den
Denkmälern befand, welche Genserich oder später Constans II. wegschleppte. Der
Tag der Niederlage aber, welche die Römer durch die Tusculaner am 30. Mai 1 1 67 er-
litten, war zugleich der letzte dieses stolzen Denkmals kaiserlicher Herrlichkeit : die Rö-
mer, besiegt zurückkehrend, hielten mit Recht oder mit Unrecht die Colonna für die Ver-
räther ihrer Sache und zerstörten ihre Burg, so dass nur mehr die schmuckentblössten
Reste, wie wir sie heute noch sehen, die fast unverwüstlichen Massenmauern des Rund-
baues übrig bheben. Dennoch strebten die Colonna , sich abermals in den Besitz der
Ruine zu setzen, was ihnen auch gelang , und nachdem die Befestigung wieder herge-
stellt worden war, vertheidigte sich namentlich von hier aus der Cardinal Giovanni Co-
lonna gegen Papst Gregor IX. im J. 1241, doch ohne Erfolg; die Burg wurde genommen
und der Cardinal gerieth in Gefangenschaft.^ Auf dem Platze vor demselben ward hun-
dert Jahre später die Leiche des berühmten Tribunen Cola di Rienzi schimpflich ver-
brannt.^ Die Gegend hiess damals noch Campo d'Austa, das Grabmal selbst scheint
jedoch seit der Einnahme im J. 1241 nicht mehr als Festung gedient zu haben, im
1 5. Jahrhundert wurde vielmehr das Innere des eingestürzten Gebäudes als Weinberg
benutzt,^ was jedenfalls ein längeres Verlassensein voraussetzen lässt. Aus dem 17. Jahr-
hundert besitzen wir zwei Abbildungen der Ruine, ^ aus denen ersichtlich ist, dass schon
damals wie noch jetzt statt des kegelförmigen Hügels, der sich ursprünglich auf dem
Cylinder erhob, gerade umgekehrt der innere Raum trichterförmig sich senkte. Aus die-
ser Veränderung lässt sich auch wohl der Schluss ziehen, dass ein grösserer Saal in der
Mitte des Grabmals gewesen sei, und dass der Einsturz seiner Wölbung die Vertiefung
verursacht habe. Die beiden Abbildungen zeigen statt des von Poggio erwähnten Wein-
berges im Innern einen in der Weise des vorigen Jahrhunderts symmetrisch angelegten
Garten. Zu wissenschaftlichen Nachgrabungen im und um das Mausoleum kam es meines
Wissens nie; im Innern sind solche Forschungen auch für die Zukunft sehr erschwert:
' Manente, Historie. Ven. 1561. p. 65. G. Villani, Istorie ed. da Muratori. Mil. 1729. Lib. V. c. 1. (cf. Nibby,
Roma &c. P. II. ant. p. 527 sq.) * Cronaca di Riccardo da S. Gertnano. (Ughelii, Italia Sacra. Tom. X.
p. 238 sq.) * Biograf, di C. di Rienzi. (Muratori, Ant. Ital. Med. Aevi. Tom. III. p. 543.) * Poggii Floreal.
de fortunae varietate urbis Romae etc. Opp. Bas. p. 137. * A. Donati Roma vetus ac recens. (Graev. Th. A.
R. tom. 111. p. 746.) Du Perac, I vestigij dell' antichitä di Roma. R. 1674.
37*
292 ^äs transtiberinische Gebiet und die Brücken.
denn zu Ende des vorigen Jahrhunderts schuf Marchese Vivaldi den inneren Raum zu
einem Amphitheater um, welches seither im Winter als Reitbahn dient; in den Sommer-
abenden aber versammelt jetzt ein elendes bewegliches Theater zahlreiche Zuhörer in
dem unbedeckten Räume.
V. Das transtiberinische Gebiet und die Brücken. (Vaticanus,
laniculus, Tiberinsel.)
Nachdem wir nun die Ueberreste der grossen im Norden des Capitolinus sich
ausdehnenden und einerseits vom Tiber, anderseits vom Monte Pincio abgeschlossenen
Ebene, den sog. Campus Martins im weiteren Sinne betrachtet haben , wenden wir uns
dem Flusse zu, um den Theil von Rom, welcher jenseits des Stromes dem Marsfelde
gegenüberliegt, zu untersuchen. Einen Theil von Rom konnte man das jenseitige Gebiet
auch im Alterthume nennen, denn Rom erstreckte sich so weit, als überhaupt die Hauser
sich ausdehnten, doch nicht, wie jetzt, einen Theil der Stadt, denn zur Urbs hat der
transtiberinische Theil nie gehört, ja selbst nicht der Theil, welcher seit den frühesten
Zeiten ummauert war, nemlich das laniculum, womit allerdings die Definition der beiden
Begriffe bei den Rechtsgelehrten im Widerspruche zu stehen scheint, welche den Theil
von Rom Urbs nennen, der von den Mauern eingeschlossen sei.^
So ist auch laniculus (seil, mons) und laniculum, von dessen etymologischer Na-
menerklärung in der Einleitung (S. 3) gesprochen worden ist , nicht identisch. Denn der
Hügel laniculus hat eine bedeutendere Ausdehnung von Süden nach Norden, während
das laniculum nur eine Kuppe ungeföhr in der Mitte des Hügelrückens und westlich vom
Palatin bezeichnet. Diese 88,50 Met. über den normalen Tiberspiegel sich erhebende Kuppe
wurde schon in der Königszeit befestigt, jedoch nicht um als eine Erweiterung der Stadt
zu dienen, sondern vielmehr als ein Aussenfort, als eine Warte gegen die Etrusker. So
wird wenigstens die Sache von Livius^ dargestellt, welcher jedoch der Anlage eine
allzuängstliche Absicht unterlegt, indem er glaubt, Ancus Marcius habe den Hügel dess-
halb befestigt, dass ihn die Etrusker nicht ihrerseits zu einer die Stadt bedrohenden Burg
machen könnten. Die mercantile Bedeutung dagegen , welche Dionys ^ dem Fort lanicu-
lum beilegt, dass nemlich dadurch die Schifffahrt auf dem Flusse gesichert werden sollte,
ist mir nicht klar, jedenfalls konnte sich dieser Schutz nicht weit erstrecken.
' Alfenus ap. Marcell. Dig. L. 16. 87. * I. 33. ' III. 46.
Das transtiberinische Gebiet und die Brücken. 293
Gleichzeitig soll Ancus Marcius eine hölzerne Brücke (pons sublicius) über den
Tiber geschlagen haben , welche nach der Uebedieferung ursprünglich nur strategische
Bedeutung hatte, d. h. das laniculum mit der Stadt verbinden solltet Allein es ist sicher
anzunehmen, dass der Verkehr mit dem gegenüberliegenden Ufer ein gewichtigeres Mo-
tiv war, und dass vielleicht umgekehrt das Fort auf dem laniculum mehr des Flussüber-
gangs wegen, zur Deckung desselben, als dieser wegen des Forts entstand. Die Burg
laniculum verlor auch bald mit dem Zurückdrängen der Etrusker ihre Bedeutung, wäh-
rend die der Brücke in demselben Verhältnisse wachsen musste. Desshalb sind wir auch,
während der pons sublicius bis in die spätesten Zeiten erwähnt wird, hinsichtlich jener
Hügelbefestigung fast ganz ohne Nachricht. Wir wissen nur, dass sie in der Zeit des
Bürgerkrieges zwischen Marius und Sulla noch bestand, als der Tribun Appius Claudius,
der sie besetzt hielt, dem Marius das Thor (wohl das einzige des laniculum, an dessen
Stelle nachmals die Porta Aurelia trat), öffnete.^ Aus derselben Nachricht scheint auch
hervorzugehen, dass die Hügelkuppe nicht für sich allein ummauert war, sondern dass,
was auch des Livius (a. a. 0.) etwas karger Ausdruck )^ laniculum quoque adiectunm an-
deutet, die Mauern des Fort divergirend bis zum Flusse herabliefen. Denn sonst hätte
der Bericht keinen Sinn, dass Marius durch das Oeflhen des laniculumthores sofort »in
die Stadt« kam, wobei wir jedoch voraussetzen müssen, dass Appian die Verhält-
nisse der servischen Ummauerung der Stadt, die schon in der augusteischen Zeit nicht
mehr genau nachweislich waren, ^ selbst kannte oder wenigstens gute Quellen und diese
mit richtigem Verständnisse benutzte.
Am Fusse des laniculum aber siedelten sich die geringeren Leute an, wie Fischer,
Gerber und dergl. ; später, besonders unter Augustus , namentlich auch die Juden.* In
welcher Zeit diese Niederlassungen entstanden , ist nicht bekannt , wahrscheinlich ent-
wickelten sie sich allmälig, waren aber zu Ende der Republik bereits so volkreich, dass
Augustus eine besondere Region (Transtiberina) ^ daraus machte. Die Höhe des lanicu-
lum blieb von Ansiedlung frei, wie man aus dem Gedanken einer Colonisirung derselben
in Cicero's Zeit ersehen kann.^^ Mit dem Wachsen der Bevölkerung des übrigen rechten
Tiberufers aber musste bald die Fl uss Verbindung durch den pons sublicius als unzurei-
chend erscheinen, besonders da dieser bei Ueberschwemmungen nicht Stand zu halten
vermochte. Schon im J. 562 d. St. (1 92 v. Chr.) musste es, wenn anders Livius hier genau
ist,' zwei Brücken über den Tiber gegeben haben, von welchen jedoch eine die milvische
gewesen sein kann, welche schon im J. 546 d. St. (208 v. Chr.) zum erstenmale erwähnt
* 11. cc. Plut. Numa. 9. ' Appian. B. C. I. 68. Vgl. Becker, H. d. r. A. Bd. I. S. 4 84 fg. » Dionys IV.
13. * Fest. s. V. Piscatorii. luvenal. XIV. v. 202—204. Martial. I. 42. VI. 93, 4. Curios. U. R. Reg. XIV.
Philo de virt. tom. II. p. 568 Mang. * Curios. U. R. " Cic. de leg. agr. I. 5. II. 27. ^ Liv. XXXV. 2«.
294 Das tränst iberinische Gebiet und die Brücken.
wirdJ Sie mögen beide von Holz gewesen sein, und um so leichter riss sie desshalb
der angeschwollene Strom hinweg. Bald darauf (575 d. St.) begann der Censor M. Fla-
vius Nobilior den Bau einer steinernen Brücke, welche jedoch erst nach 37 Jahren als
pons Aemilius vollendet wurde, ^ als bereits eine andere, die fabricische, gebaut war,
welche die Tiberinsel mit dem linken Flussufer verband.^
Diese Insel aber (jetzt Isola di S. Bartolommeo) war fast fünf Jahrhunderte seit
der Gründung der Stadt unbebaut geblieben. Es ist schon oben (S. 196) erwähnt
worden, dass die schöne Sage von der Entstehung der Insel durch Aufhäufung und
Anschwemmung des tarquinischen Getreides, welches nach Vertreibung des letzten Kö-
nigs als » sacrum « in den Fluss geworfen worden war, wohl kaum auf Wahrheit be-
ruhe, obwohl jedenfalls die Insel als sacra galt, und weder bewohnt noch angebaut
wurde. Erst im J. 462, als die bei Gelegenheit einer Epidemie zum Heiligthume des
Aesculap nach Epidauros geschickte Gesandtschaft mit einer heiligen Schlange zurück-
gekehrt, und diese bei der Landung aus dem Schifte geschlüpft war und an die Insel
geschwommen sein soll, wurde beschlossen, sie dem Aesculap zu weihen und diesem
Gotte einen Tempel auf derselben zu erbauen,* was zu dem Bau der fabricischen
Brücke und wohl bald darauf auch zur Fortsetzung derselben auf das rechte Fluss-
ufer, durch die cestische Brücke, den Anlass gab.
So verbanden also im 7. Jahrh. d. St. drei Flussübergänge die Stadt mit dem
gegenüberliegenden Ufer, Pons sublicius, Pons Aemilius und Pons Fabricius, alle drei
einander ziemlich nahe , wie denn überhaupt das transtiberinische Gebiet in republikani-
scher Zeit keine grosse Ausdehnung hatte, und zwar der Pons sublicius am südlichsten,
der Pons Aemilius aber zwischen den beiden anderen befindlich. Das Genauere wird
sich bei der besonderen Beschreibung finden. Wir wissen jedoch nichts von hervorra-
genden Gebäuden oder Anlagen jenseits des Tiber bis zum Ende der Republik: Das
Grab des Numa bei der Ära Fontis ^ scheint nur in der Tradition existirt zu haben und
der Lucus Furinae erhielt nur dadurch einige Berühmtheit, dass hier den C.Gracchus sein
tragisches Schicksal erreichte.^ Dass ferner die Mucia Prata, die Hufe, welche C. Mucius
Scävola als Staatsbelohnung erhalten haben soll,'' und welche einfach »trans Tiberim«
genannt werden, in dem ummauerten Theile lagen, ist höchst unwahrscheinlich, wie
auch der von Servius Tullius erbaute Tempel der Fors Fortuna » am Tiber ausserhalb
der Stadt« nach Becker's kaum angreifbarer Combination* über eine deutsche Meile ent-
fernt gewesen zu sein scheint. Erst die Kaiserzeit gab dem jenseitigen Ufer mehr Bedeu-
tung. In den Gärten des Cäsar, das bekannte Vermächtniss des grossen Dictators an das
' Liv. XXVII. 51. * id. XL. 51. « Dio Cass. XXXVII. 45. * Liv. Epit. XI. Dionys. V. 13. ^ Cic.
de leg. II. 22. Dionys. 11. 76. Plut. Num. 22. « Aurel. Vict. Vir. iil. 65. Plut. G. Gracch. 17 & al. ' Liv. IL
13. Dionys. V. 35. » Handb. d. röm. Alterth. Bd. I. S. 479 Anm. 998.
Das transliberinische Gebiet und die Brücken. 295
Volk, welche am südlichen Abhang des laniculns sich hingestreckt zu haben scheinen,
war wohl der Platz jener grossen von Augustus erbauten Naumachie, welche jedoch
noch zu Lebzeiten dieses durch einen Hain (Nemus Caesarum) ersetzt wurde/ So müs-
sen wir, die Ungenauigkeit, welche Becker diesem Ausdrucke zur Last legt,^ zurück-
weisend, die ausdrückliche Angabe des Monumentum Ancyranum navalis ■ proelii
SPECTACVLVM • POPVLO • DEDI TRANS TIBERIIVI • IN QVO LOGO • NVNC • NEIVIVS • EST • CAESARVIM
CAVAio... verstehen, welche auch Sueton^ in der Hauptsache nachschreibt, selbst wenn
Tacitus, welcher das eigentliche Nemus Caesarum in der Naumachie kaum mehr kannte,
von einem Haine rings um die Naumachie spricht.* Ich erkläre mir nemlich die Sache
so, dass das Wasser, mit welchem das Becken für den Zweck der von Augustus veran-
stalteten Spiele gefüllt war, wieder abgelassen wurde, ebenso, wie man auch die Septa
lulia und das flavische Amphitheater vorübergehend unter Wasser setzen und dann wie-
der entleeren konnte, und dass dann Augustus , statt den weiten Raum versumpfen zu
lassen, in demselben einen Hain anlegte. Das Becken aber blieb , denn es wurde noch
von Nero ^ und von Titus ^ wieder benutzt : es war auch leichter , den jungen Hain wie-
der auszuroden und den Raum neuerdings sei es durch die Aqua Alsietina, welche
Augustus als zum Trinken ungesund hauptsächlich für die Naumachie in die Stadt geführt
zu haben scheint,''' sei es durch den Tiber zu füllen, als längere Zeit ein fast stagnirendes
Wasser rein und das Becken von Verschlammung frei zu halten. — Andere Naumachien
sollen Domitian^ und Philippus^ (?) jenseits des Tiber angelegt haben, doch wir würden
nicht daran denken können, sie alle in die der Stadt gegenüberliegende Ebene zu ver-
setzen, wenn nicht die Notitia in der Regio Transtiberina ^ <^ nicht weniger als 5 Nau-
machien zählte, deren Zahl jedoch, da die Aufzählung fehlt, keineswegs als sicher ange-
nommen werden kann.
Von dem laniculus und desshalb auch von der transtiberinischen Vorstadt durch
einen Thaleinschnitt (Valle d'inferno) getrennt, erhebt sich nördlich ein anderer der Höhe
nach unbedeutender Hügel, der Vaticanus. Die traditionelle Erklärung des Namens ist
ungenügend und schwankend wie die der meisten anderen Localitäten. Varro leitet ihn
von vagire, den unartikulirten Lauten (dem Gewimmer) neugeborner Kinder ab, für
welche man auch den Vagitanus oder Vaticanus (nach einer einfachen Lautverschiebung)
anzurufen pflegte; ^^ und dieser Gottheit soll die Gegend heilig gewesen sein. Andere
aber leiteten den Namen davon her, dass die Römer auf den Ausspruch von Sehern
' Sueton. Tib. 72. Monum. Ancyr. (Chishull, Antiquit. Asiat. Lond. <728. p. 175.) Stat. Sylv. IV. 4, 6.
Frontin. de Aquaeduct. LH. * H. d. r. A. Bd. I. S. 657. 658. Annrj. 16. < 7. » Sueton. Aug. 43. * Tacit.
Ann. XIV. 15. Md. 1. c. Dio Cass. LXl. 20. " Sueton. Tit. 7. Dio Cass. LXVI. 25. ^ Frontin. 1. c.
* Sueton. Domit. 4. Dio Cass. LXVII. 8. ' Aurel. Viel. Caess. LXVII. 8. '• Curios. U. R. Reg. XIV.
" Varro Div. ap. Gell. XVI. 17. cf. Augustin, de civ. Dei. IV. 8, 41. Censorin. de die nat. 3. J. Marquardt, Hdb.
d röm. Alterth. Lpz. 1856. Der Gottesdienst, § 508.
296 Das transliberinische Gebiet und die Brücken.
(vates) hin des Hügels, nachdem sie die Etrusker von demselben vertrieben, sich bemäch-
tigt hättenJ Wie dem auch sei, der vaticanische Hügel gehörte in der ganzen republika-
nischen Zeit nicht bloss nicht zur Urbs , sondern nicht einmal zu Rom , war vielmehr
blosser Gau (ager)^ wie die übrige Umgegend, und überdiess als schlechtes Ackerland^
und als höchst ungesund'^ im Verrüfe. An den Hügelabhängen wurde auch noch bis in
späte Zeit Wein gebaut, doch mit einem Erfolge, der aus den drastischen Ausdrücken
Martials »trinkst du Vaticaner, so trinkst du Gift« oder »schlürfe Vaticaner, wenn du
gerne Essig trinkst« oder der Bezeichnung des »schlechtesten Weines«^ zur Genüge er-
sichtlich ist. Unter solchen Umständen mochte es den Cäsaren leicht sein, das ganze Ge-
biet an sich zu reissen, und die Umwandlung desselben in Parkanlagen dürfte für die
Production kein so wesentlicher Entgang gewesen sein, wie er diess gewiss in anderen
Landstrichen der Halbinsel in der Kaiserzeit war. Der ganze ager Vaticanus wurde in
zwei grosse bald als »neronische Gärten«^ mit einander verbundene Gartenanlagen um-
gewandelt, von welchen die nordöstliche als Horti Agrippinae, die südwestliche als Horti
Domitiae unterschieden wird. Die Lage der letzteren , welche ihren Namen wenigstens
bis Aurelian'^ beibehielten, wird durch das grossartige älische Grabmal (moles Hadriani),
welches ausdrücklich »in den Gärten der Domitia« befindlich genannt wird,^ die der
agrippinischen Gärten durch den für das Christenthum so berühmten von Caiigula ge-
bauten und von diesem wie von Nero benutzten Circus, ^ bei welchem sich nachmals die
Peterskirche erhob, im Allgemeinen bestimmt. Ausserdem wissen wir noch von einem
Apollo- oder vielmehr Mithrastempel unmittelbar neben oder vielmehr vor der Peters-
kirche, ^'^ nach anderen Angaben an derselben Stelle, welche seit Constantin die Peters-
kirche einnimmt,'^ von welchem wir ausser den christlichen Erwähnungen auch noch
monumentale Zeugen an Inschriften besitzend ^ Darauf beschränken sich in der Haupt-
sache die bekannten Gebäude, wozu natürlich noch zahlreiche Hallengänge und der
übrige Comfort einer römischen und insbesondere einer Kaiser-Villa zu rechnen sind, von
denen jedoch nichts erhalten ist. Dasjenige aber , wovon sich noch Ueberreste erhalten
haben, wird besonders beschrieben und dabei auch der Geschichte des Verfalls und der
Veränderungen, welche in der christlichen Zeit am jenseitigen Tiberufer vorgegangen
sind, gedacht werden.
* Paul Diac. s. v. Vaticanus. * Cic. de leg. agr. II. 35. Gell. 1. c. * Cic. I. c. * Tacit. Bist. II. 93.
* Martiai. I. Ep. 4 9. VI. Ep. 92. X. Ep. 45. * Tacit. Ann. XV. 39. 44. ^ Script. H. A. (Vopisc.) Aureliaii. 49.
• Script. H. A. (lul. Cap.) Antonin. P. 5. » Tacit. Ann. XIV. 4 4. Plin. H. N. XXXVI. H, 15, 74. cf. XVi. 40,
76, 201. '» Lib. de Mirabilibus Romae. (Montfauc. Diar. Ital. p. 290.) " Anastasius Bibl. V. Silvestr. Par.
1649. p. 14. " Orelli Inscr. 2322. 2335. 2340 sq.
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Die aiische Brücke. 297
51. Die älische Brücke. (Ponte S. Angelo.)
Von der Via de' Ponteficj , wo wir zuletzt die Ueberreste des Augustiisgrabmals
besahen, in die Strada di Ripetta einmündend und diese südlich verfolgend gelangt man
an den Fluss und an den Porto di Ripetta, einen schönen nrodernen Landungsplatz, wel-
cher wahrscheinlich einem antiken in der Lage ungeföhr entspricht. Es wird wenigstens
berichtet, dass Piso, welcher den Germanicus ermordet hatte, beim Mausoleum des Au-
gustus gelandet seiJ Antike Ueberreste davon finden sich jedoch nicht. Wenn wir nun
die dem Flusse zunächstliegenden gegen Westen sich krümmenden Strassen, welche von
Piazza Nicosia aus, obwohl sie sich in derselben Richtung und ununterbrochen fort-
setzen, die verschiedenen Namen Via della Tinta, di Monte Brianzo , dell Arco di Farina,
di Tordinona tragen, verfolgen, so erreichen wir, überrascht durch den wahrhaft impo-
santen Anblick der Engelsburg und des Vaticans mit der majestätischen Kuppel von
St. Peter, die Piazza di Ponte, und die majestätische Engelsbrücke.
Diese in einer Centrallinie auf die Engelsburg hinführende Brücke ist die bedeu-
tendste unter den noch vorhandenen Roms , sowohl nach ihren Verhältnissen als nach
ihrer Frequenz. Sie ist ganz von schöngefügten Travertinquadern , war ursprünglich
102 Met. lang, und ist 8,50 Met. an den Bogen, 14,80 mit den Pfeilervorsprüngen breit.
Drei massive Bogen von 1 4,6o Met. Spannung sind über den eigentlichen Fluss ge-
sprengt, und vier kleinere Bogen, von denen jedoch die beiden äusseren, die nur 4 Met.
Spannung haben, während die inneren 6 Met. messen, jetzt verschüttet sind, verbanden
diese mit den beiden Ufern, so dass die ganze Brücke auf sechs Pfeilern, welche eine
Stärke von 8,20 Met. haben, ruht.
Dass diese Brücke, welche bis auf das Geländer und verschiedene Ausbesse-
rungen an der Aussenseite antik ist, dieselbe sei, welche Hadrian gleichzeitig mit sei-
nem Mausoleum erbaute,^ wurde niemals bezweifelt, wird aber auch durch eine In-
schrift bestätigt, welche im 9. Jahrhundert an derselben noch sichtbar war, und also
lautete : ^
IMP CAESAR DIVI TRAI ANI PARTH ICI FILIVS
DIVI NERVAENEPOSTRAIANVS. HADRIAN VSAVGVSTVS
PONTIF MAXIM TRIBVNIC POTEST XVTm COS • TTT. P P • FECIT
Aus dieser Inschrift geht zugleich die Zeit der Vollendung der Brücke hervor, denn das
19. Jahr der tribunicischen Gewalt des Hadrian entspricht dem J. 135 — 136 v. Chr.
Dasselbe Consulatsjahr (III.) gibt auch eine Bronzedenkmünze des Hadrian (Paris) , mit
* Tacit. Ann. III. 9. * Script. H. A. (Spartian.) Hadr. 19. * Anonym. Einsiedl. »In Ponte Sei Petri«.
(Haenel, Arch. f. Philol. u. Paedag. Suppl.-Bd. V. p. H9.)
V. Rbbbr, die Ruinen Roms. 88
298 Das transtiberinische Gebiet und die Brücken.
welcher vielleicht die identisch ist , welche vonNardini^ in Abbildung gegeben und auf
den vier Hauptpfeilern der auf der Kehrseite dargestellten Brücke statuentragende Säulen
zeigt. Die Brücke wird bei der Erzählung der feierlichen Bestattung Hadrians Pons
Aelius genannt,^ entweder nach dem Vornamen des Kaisers oder nach dem Namen
des vor Hadrian verstorbenen Sohnes desselben, Aelius Caesar, welcher der erste war,
der in dem Mausoleum des Hadrian bestattet wurde. Bis zum 9. Jahrhundert und
noch später scheint sie diesen Namen abwechselnd mit der Bezeichnung Pons Ha-
driani beibehalten zu haben: der Anonymus von Einsiedeln (a. a. 0.) aber nennt sie
Pons S. Petri, weil sie wahrscheinlich schon seit Arcadius und Honorius die einzige
war, die vom Marsfelde aus zum valicanischen Gebiete und hauptsächlich zur Basilica
des heil. Petrus führte. Nachdem dann die Brücke in der Zeit Gregors VH. einen
Thurm getragen, welcher der Zeuge mancherlei Gewaltsamkeiten des berüchtigten
Cencio war, aber von dem erbitterten Volke bald wieder zerstört wurde, scheint sie
den falschen Namen des Traian erhalten zu haben, wie wir aus einer Erwähnung "^
schliessen dürfen. Mit der Benennung des Mausoleum Hadrians als Engelsburg erhielt
endlich auch die Brücke ihren gegenwärtigen Namen (Ponte S. Angelo), welcher im
15. Jahrhundert zum erstenmale erscheint. Im J. 1451 Hess Papst Nicolaus V. einige
unbedeutende Restaurationen ausführen, besonders aber durch Abbruch einiger Häuser
den Platz vor der Brücke erweitern, um ein Gedränge, wie es im Jahre vorher so
viele Menschenleben gekostet hatte , für die Zukunft zu verhüten , und errichtete zu-
gleich am Eingange zu der Brücke auf dem linken Ufer zwei runde Kapellen. Diese
beseitigte Clemens VN. im J. 1 527 aus strategischen Gründen wieder, da sie bei An-
griffen auf die Engelsburg eine allzu passende Schutzwehr darboten, und liess dafür
dort die Marmorstandbilder der Apostel Petrus und Paulus (von Lorenzetto und Paolo
Romano) aufstellen. Damit war ein Anfang gemacht, der wieder an den ursprünglichen
Zweck der Basamentvorsprünge an den Pfeilern erinnern musste, und bei der Gele-
genheit, als Karl V. auf der Rückkehr von Tunis in Rom seinen feierlichen Einzug
hielt, da stellte man die Statuen der vier Evangelisten und der vier Patriarchen da-
selbst in Modell auf, was so gefiel, dass Papst Clemens IX. 1 668 den Bernini beauf-
tragte, marmorne Standbilder an deren Stelle zu setzen. Damals nun entstanden die
zehn Engel mit den Leidenswerkzeugen, welche noch jetzt in dem flatternden Ge-
schmacke der Bernini'schen Schule die Pfeilervorsprünge schmücken, von denen jedoch,
nur einer, der Träger der Kreuzinschrift, von der Hand Bernini's selbst sein soll.
Auch das Geländer ist nach den Angaben desselben Meisters ausgeführt. Seitdem ge-
VRoma vetus. Lib. VIII. c. 3. (Graev. Thes. Ant. Rom. tom. IV. p. -1445.) " Dio Cass. LXIX. 23.
•' Pandulphi Pisani Vit. Paschal. II. (Muratori, Rer. Ital. Script, tom. III. pars I. p. 358. j
Das Grabmal des Hadrianus. 299
schah nur mehr Unwesentliches an dem stattlichen Bau, der überhaupt, wenn auch
Piranesi's Grundaufnahmen alles thatsächlichen Grundes entbehren,^ den Stempel der
Unverwiistlichkeit an sich trägt, obwohl nichts Plumpes das Auge verletzt.
52. Das Grabmal des Hadrianus.
Die beschriebene Brücke mündet am jenseitigen Ufer in die Strasse Borgo nuovo,
welche eine Strecke weit zur Rechten von den Aussenwerken der Engelsburg (Ca-
stello S. Angelo) abgegränzt wird. Diese Citadelle von Rom ist in der Hauptsache
nichts anderes als das früh zu diesem Zwecke verwendete Mausoleum des Hadrian,
dessen kolossaler Rundbau, der jetzt eine Anzahl moderner der jetzigen Bestimmug
dienender Gebäude trägt, zwar seiner äusseren Bekleidung wie namentlich seiner
oberen Ausschmückung beraubt, in seiner inneren baulichen Gestalt aber noch ziem-
lich wohlerhalten ist. Nachdem man die Vorbauten durchschritten, sieht man im Vor-
beigehen, der Brücke gerade gegenüber, den antiken Eingang, der jedoch jetzt, da
man einen anderen hineingebrochen, vermauert ist. Dieser ursprüngliche Eingang be-
findet sich auf einem massiven quadratischen Unterbau der äusserlich von Travertin, in
seinem Kerne aber aus Gussmasse besteht und auf jeder Seite 90 Met. lang und
31 Met. hoch ist, von welcher Höhe jedoch jetzt der grösste Theil unter dem moder-
nen Boden begraben ist. Auf diesem Unterbau, ruht ein kolossaler Cylinderbau von
Travertinblöcken, 67 Met. im Durchmesser, an 22 in der Höhe messend. Dieser war
mit parischem Marmor bekleidet und oben mit einem Kranze von Statuen geschmückt.^
Nach einer anderen Beschreibung ^ waren auf den vier Ecken des Substructionswtir-
fels vier eherne Reiterstatuen angebracht, oben aber ringsum ein ehernes Geländer
mit vergoldeten Pfauen, von denen sich noch zwei erhalten haben und im Giardino
della Pigna des Vatican zu sehen sind. Jetzt ist von der Marmorbekleidung keine Spur
mehr erhalten und an die Stelle des Carnieses und Statuenkranzes ist ein mittelalter-
licher Kragsteingürtel getreten.
Was das Innere dieses Baues betrifft, so führte (nach den von Major Bavari
angestellten Untersuchungen) von dem erwähnten Eingangsthore aus ein kurzer Weg
in gerader Linie zu einem Gewölbe (a) von etwa 1 1 Met. Höhe, das sich nach dem
' G. Piranesi, Le Anlichitä Romane. Roma 1784. Tom. IV. tav. VI. VII. XI. * Procop. B. Goth. 1. 22.
* Petrus Mallius, Hist. Bas. S. Petri. c. 8. n. 4 30.
38*
300
Das transtiberinische Gebiet und die Brücken.
Innern zu in eine grosse Nische ausweitet, in welcher wahrscheinHch ein Kolossal-
standbild des Kaisers Hadrian sich befand. Noch jetzt sieht man Reste der Marmor-
bekleidung der Wände an der Bodenleiste und Spuren des der Nische gegenüberlie-
genden Portals. Man gelangt jedoch nicht mehr auf dem antiken Wege zu dieser
Kammer, da Ein- und Ausgang
vermauert, der Gang selbst
verschüttet ist, sondern von
der Seite herab, auf einem
Wege, den wir theilweise wie-
der zurück gehen müssen (6),
um die übrige Einrichtung des
Gebäudes zu betrachten. Es
ist diess ein in einer vollen Spi-
rale aufsteigender Corridor,
welcher jetzt in der breiten
modernen Cordonata endigt,
die durch den modernen Ein-
gang in gerader Linie in die
Centralkammer und auf die
Höhe führt. Auf der anderen
Seite sieht man noch den ver-
mauerten Bogen, durch wel-
chen die Spirale auf die Höhe
des Hauptcylinders sich fort-
setzte. Vormals nun führte von
dem Spiralcorridor aus, da wo
er die Stelle über der erstbe-
schriebenen Eingangskammer
erreicht hatte, ein etwas höhe-
rer Corridor wagerecht zu der
Centralkammer (c), welche der
moderne Stufenweg etwas erhöht und schwach aufsteigend durchschneidet und sehr
entstellt. Diese Kammer misst 9 Met. in der Länge und 8 in der Breite bei einer Höhe
von etwa 1 4 Met. — nach dem Bogenansatz zu urtheilen ; denn die Wölbung selbst
ist zerstört. Sie bildete ohne Zweifel das Grabgemach der Familie Hadrians; vier Nischen-
vertiefungen an den vier Seitej;i zeigen noch die Stelle , wo vormals die Cippen mit den
Urnen standen (ein hier gefundener Porphyrsarkophag soll zum Grabe des Papstes
20 I/o
29. Grundriss des Mausoleum Hadrians.
"koMet
30. Durchschaut des Mausoleum Iladiiuus. (Nach Huapp.)
I
Das Grabmal des Hadrianus. 301
Innocenz verwendet worden sein, ^ der Deckel desselben ist noch für das Taufbecken
von S. Peter benutzt). Ueber den beiden Seitennischen münden rechtwinkelige Luft-
züge {d), welche die Masse des Cylinderbaues schräg aufwärts gerichtet durchschnei-
den und zugleich zur Ventilation und zur Beleuchtung dienten, was jedoch jetzt der
Durchbruch der Wölbung überflüssig macht. Aehnliche Luftzüge sind auch nach den
beiden anderen Richtungen hin am Spiralcorridore angebracht, an denselben Stellen,
an welchen auch andere konische sich senkrecht erheben. Wie dadurch für Luft und
Licht, so ist auch für den Abfluss des Wassers durch besondere Kanäle gesorgt,
welche unter dem Pavimente des Spiralcorridors abwärts laufend, sowohl an der
dem Tiber zugewendeten als an der entgegengesetzten Seite vermittelst schräger in
den quadratischen Unterbau getriebener Schachte das Regenwasser in ausserhalb lie-
gende Cloaken und durch diese in den Tiber abführten. — Ueber dem beschriebe-
nen Centralgemache, das jetzt von dem bereits erwähnten modernen Aufgang über-
brückt ist, um dessenwillen auch die Wölbung hatte fallen müssen, endigen die an-
tiken Reste. Von anderen Grabgemächern, deren zuverlässig mehre vorhanden wa-
ren, hat man keine Spur entdeckt. Vermuthlich befanden sie sich in der Linie des
antiken Eingangs: doch kann ich nicht unterscheiden, ob der von Piranesi^ gegebene
Durchschnitt des Mausoleum, welcher dort eine Reihe von Kammern zeigt, auf That-
befund beruht, oder ob auch sie, wie leider nur zu viel, der Phantasie des genialen
Architekten angehören, welche namentlich in der fabelhaft imposanten Darstellung der
Substruction des Mausoleum^ alles in dieser Weise Geleistete überboten haben dürfte.
Auf der Höhe des Rundbaues aber erhob sich wahrscheinlich noch ein zweiter klei-
ner, vielleicht äusserlich von Säulen umsäumt, der wohl in einem flach-kegelförmigen
Dache abschloss, dessen Spitze eine Statue Hadrians krönte. Dieser Statue wird auch
der kolossale Kopf zugeschrieben, den man unter Alexander VL in einem Graten vor
dem Grabmale fand und der jetzt in der Sala rotonda des vaticanischen Museum zu
sehen ist. Sonst ist von der oberen Hälfte des Grabdenkmals nichts erhalten, jetzt
wechseln auf der Höhe des schmuckentblössten Rundbaues schön bemalte päpsthche
Gemächer mit militärischen Magazinen und unheimlichen Verliessen, ein wunderbares
Gemisch aus verschiedenen Epochen, ftir die Geschichte Roms im Mittelalter von ho-
hem localen Interesse. Aus vielem weht das Grauen der barbarischen Zeit um das
Jahr 1000, in welcher das Grabmal Hadrians eine wichtige und schreckliche Rolle
spielte.
Die Erbauung dieses kolossalen Grabdenkmals wurde durch den Umstand ver-
anlasst, dass nach der Bestattung des Nerva das bisher als Grabstätte der Cäsaren
Petr. Mallius I. c. * Le Antichitä Romane. Roma < 81 7. Tom. IV. tav. VII. * tav. I\.
302 ^^^ transtiberinische Gebiet und die Brücken.
dienende Mausoleum des Augustus keinen Raum mehr bot. Traian unterliess es da-
für zu sorgen, und seine Asche wurde, wie schon erwähnt, unter der Triumphsaule
auf seinem Forum beigesetzt ; dem baulustigen Hadrian war die Gelegenheit willkom-
men, und es gelang ihm auch an Dimensionen und an Ausstattung das Grabmal des
Augustus bei weitem zu übertreffen, worin auch die imposante Lage unmittelbar am
Flusse , welcher gleichzeitig hier tiberbrückt ward , wesentlich unterstützte. ^ lieber
die Zeit der Erbauung gibt eine freilich nur mehr in Abschrift vorhandene und oben
(S. 297) mitgetheilte Inschrift der Brücke Zeugniss, welche für den Bau der lefzle-
ren (und beide Werke sind sicher gleichzeitig) das 1 9. Jahr der tribunicischen Gewalt
des Hadrian angibt, mithin das Jahr 135/136 v. Chr. Auch die Ziegel des Grab-
males, soweit solche beim Bau verwendet sind, sind mit verschiedenen Consulaten
des Hadrian gezeichnet und lassen über die Person des Erbauers keinen Zweifel zu,
und wenn berichtet wird, dass erst Antoninus Pius dieses Grabmal dem Hadrian er-
baut habe, ^ so kann diess nur auf die Vollendung des Baues bezogen werden, zu-
mal schon vor dem TodQ Hadrians dessen Sohn Aelius Cäsar in demselben beigesetzt
ward. ^ Von mehren daselbst bestatteten Cäsaren und Mitgliedern ihrer Familien ha-
ben sich die Inschriften, die wahrscheinlich am quadratischen Unterbau angebracht
waren, wenigstens bis zum 9. Jahrhundert erhalten, in welchem sie abgeschrieben
wurden. '* So zunächst von dem erwähntermassen schon vor Hadrian verstorbenen
Sohne desselben, L. Aelius Cäsar:
L • AELIO CAESARI DIVI HADRIANI • AVG • FILIO • CONS II
welche Inschrift jedoch ihrem Inhalte zufolge erst nach Hadrians Tode geschrieben
wurde. Dann von dem Kaiser Antoninus Pius und seiner Gemahlin, der älteren
Faustina :
IMPERATORI CAESARI • TITO • AELIO HADRIANO • ANTONINO • AVG PIO
PONTIF IVIAX TRI8VNIC • POT (X)XXIIIi' IIVIP Tl CONS Im P P
DIVAE • FAVSTINaE • AVGVSTAE • IMP CAESARIS • T • AELII • HADRIANI
ANTONINI • AVG PII PONTIF • IVIAXIIVII TRIB • POT Üil • CONS IlT P P
Hierauf von zwei Söhnen desselben Kaisers, M. Aurehus Fulv(i)us Antoninus und M.
Galerius Aurelius Antoninus, von welchen der erstere sonst unbekannt (also wahr-
scheinlich früh verstorben) ist:
IVI AVRELIVS FVLViVS ANTONINVS • FILIVS • IMP • CAESARIS
TITI • AELII • HADRIANI ANTONINI • AVG • PII P • P
* Script. H. A. (Spartian.) Hadr. 19. Dio Cass. LXIX. 23. Vgl. S. 297. * Script. H. A. (Capitolin.)
Antonin. P. 8. ^ (Spartian.) Ael. Caes. 6. * Anonym. Einsiedl. (Haenel, Arch. f. Philo], u. Paedag.
Suppl.-Bd. V. S. H9. <27 «S£l28.) » Richtiger XXIIII. Vgl. Eckhel, Doctr. num. vet. Pars II. Vol. VII.
p. 26 & 27.
Das (Jrabmal des Hadrianus. 303
M GALERIVS AVRELIVS ANTONINVS FILIVS IMP • CAESARIS
TITI • AELII • HADRIANI • ANTONINI • AVG • Pll P • P
und von einer Tochter desselben Antoninus Pius, Schwester der ebengenannten, Na-
mens Aurelia Fadilla:
AVRELIA FADILLA FILIA • IMP CAESARIS
TITI • AELII • HADRIANI • ANTONINI • AVGVSTI Pll P • P
Nun folgen die Inschriften von drei Kindern des M. Aurelius, welche schon, wie aus
dem Wortlaut hervorgeht, als ihr Vater noch Cäsar und ihr Grossvater Antoninus Pius
noch am Leben war, verstorben sind , nemlich Aurelius Antoninus , T. Aelius Aure-
lius und Domitia Faustina:
T AVRELIVS ANTONINVS IVI • AVRELII CAESARIS • FILIVS
JIYIP • ANTONINI • AVGVSTI Pll • P P NEPGS
T • AELIVS AVRELIVS • M AVRELII • CAESARIS • ET FAVSTINAE
AVG • (?) FILIVS IIVIP ANTONINI • AVGVSTI • Pll • NEPGS
D0IV1ITIA • FAVSTINA JVl • AVRELII • CAESARIS FILIA
IIVIP ■ ANTONINI • AVG . PN • P • P • NEPTIS
dann von L. Aurelius Verus, des Antoninus Pius Sohn und Mitregenten des M. Au-
relius :
IIVIP CAESARI • L • AVRELIO • VERO • AVG • ARIVIENIAC • IVIED PARTHIC
PONTIFIC • IVI • TRIBVNIC POTEST • VUIJ IIVIP V COS Tll P P
und endhch von dem Kaiser L. Aelius Aurelius Commodus, des Marc Aiirel unwür-
digem Sohne und Nachfolger:
IMPERATORI • CAESARI • DIVI • MARCI • ANTONINI • Pll • GERMANICI
SARMATICI • FILIO • DIVI • Pll • NEPOTl • DIVI • HADRIANI • PRONEPOTI
DIVI • TRAIANI PARTHICI • ABNEPOTI • DIVI • NERVAE • ADNEPOTI
LVCIO • AELIO • AVRELIO COMIVIODO . AVGVSTO SARMATICO
GERMANICO • MAXIMO • BRITANNICO • PONTIFICI • MAXIMO
TRIBVNICIAE • POTEST XVIII IIYiPERAT VlN CONSVLI • vTl • PATRI • PATRIAE
Die beiden letzten Inschriften waren noch im 16. Jahrhundert erhalten.'
Sämmtliche Inschriften aber sind in der Abschrift des Anonymus verhältnissmässig
überraschend richtig copirt, was aus dem Wortlaut an sich, aus der Gleichheit von
drei doppelt gegebenen Inschriften und insbesondere aus der fast durchgängigen Feh-
lerlosigkeit der Zahlen, welche letztere nach den Münzen leicht erwiesen werden
kann, hervorgeht. Doch vollständig sind sie nicht und konnten es nach den Schick-
salen, welche das Grabdenkmal in dieser Zeit (9. Jahrh.) bereits gehabt hatte, nicht
' Gamucci, Libri quattro delT antichitä della citta di Roma. Ven. 1565. p. 188.
304 Das transtiberinische Gebiet und die Brücken.
mehr sein, obwohl sie wohl alle an der Südseite, der Fronte, angebracht waren, von
welcher sie abgeschrieben zu haben der Anonymus auch ausdrücklich bemerkt. {»In
Adriano. In Parte AustraliA<) Die wichtigste, namentlich die Inschrift des Hadrian
selbst, fehlt, und ich zweifle nicht, dass diese Hauptinschrift in ähnlicher Weise, wie
diess bei dem Grabmale der Plautier an Ponte Lucano bei Tivoli und beim Grabmal
der Caeciiia Metella an der Via Appia der Fall ist , in der Mitte des Rundbaues ange-
bracht war, wo sie entweder den Blicken des Abschreibers entging, oder vielleicht schon
verschwunden war. Dass auch der Kaiser Septimius Severus dort begraben sei, ist
nicht so bestimmt, als man geglaubt hat: denn es wird nur erwähnt, dass er im Grab-
male der Antonine beigesetzt wurde. '' Ob man dabei an ein Grabmal bei der Ehren-
säule des M. Aurel, wie bei der Traiansäule denken müsse, möchte ich bezweifeln, wahr-
scheinlicher ist es, jenes sepulcrum Antoninorum, in welchem Sept. Severus beigesetzt
wurde, für dasselbe zu halten, welches dann das des Severus genannt wird, sich an der
Via Appia befand und in der Art des am Palalin befindlichen Septizonium gebaut war.*
Davon wird später die Rede sein. Auch findet sich in der That weder M. Aurelius noch
Sept. Severus unter den von dem Anonymus abgeschriebenen Inschriften. Gewiss ist,
dass nach Septimius Severus, welcher wahrscheinlich — wenn nicht schon M. Aurel —
die Reihe der in dem dritten Kaisergrabe beigesetzten Cäsaren eröffnete, das Grabmal
des Hadrian keinen Kaiser mehr aufnahm und geschlossen blieb, bis Alarichs Rotten es öff-
neten und durchwühlten, die Urnen umstürzten und zerschlugen, und was sie in den Kam-
mern an edlen Metallen fanden, mit sich nahmen. Da die aurelianische Mauer nur durch
den Fluss von dem Grabmale getrennt, mithin ganz nahe war, so kann es uns auch nicht
befremden, bei dem nächsten Gothenangriff auf die Stadt unter Vitiges das Denkmal von
den Römern als Festungsthurm benutzt zu sehen. Procopius erzählt die Belagerung des-
selben, die der Ruin des prachtvollen Gebäudes war, ausführlich : ^ nachdem alle anderen
Mittel der Gegenwehr erschöpft waren, griffen die Römer in der äussersten Bedrängniss
zu den Marmorstatuen, die am Rande des Rundbaues standen, und stürzten sie auf die
Angreifer herab, die sich jedoch nichtsdestoweniger des Bollwerkes bemächtigten. Als
später (i. J. 549) Totilas, der Anführer der Golhen, in die Stadt eindrang, * warf sich
Paulus, der Befehlshaber einer Abiheilung Reiter unter Belisar, mit 400 Mann in das
Mausoleum und besetzte die Brücke : nach langer heldenmüthiger Verlheidigung musste
sich jedoch auch dieser wegen Mangel an Lebensmitteln ergeben und Hadrians Grab-
mal gerieth abermals in die Hände der Gothen. Als nun Narses i. J. 552 gegen To-
tilas heranzog, umgaben die Barbaren das Grabmal mit einer niedrigen Mauer: doch
' Script. H. A. (Spartian.) Sept. Sev. 24. » (Spartian.) Geta. 7. Vgl. Einleitung S. 47. » Procop.
Bell. Goth. I. 22. * id. III. 34—36.
Das Grabmal des Hadrianus. ^ 305
Narses siegte in einer entscheidenden Schlacht, in welcher Totilas fiel, worauf die
gothische Besatzung gegen das Zugeständniss freien Abzuges die Burg wieder
übergab. ^
Nun scheint das Denkmal die Eigenschaft einer Burg für einige Jahrhunderte
wieder verloren zu haben. Als im Jahre 590 Papst Gregor der Grosse einen Bitt-
gang veranstaltete, um die Abwendung der schrecklichen Pest, welche damals in Rom
wüthele, zu erflehen, soll er, als der Zug eben über die Brücke ging, auf der Höhe
des Grabmales den h. Erzengel Michael erblickt haben, der zum Zeichen der Ver-
söhnung des Himmels sein Schwert in die Scheide steckte. ^ Zur Erinnerung an diese
wunderbare Erscheinung erbaute Papst Bonifacius IV. auf dem Gipfel der Moles Ha-
driani eine Kapelle zu Ehren des h. Michael, welche wegen ihrer hohen Lage S. An-
gelus inier niihes, usque ad coelos und inter coelos genannt wurde und dem erhaltenen
Rumpfe des Grabmals eine religiöse Bedeutung gab. Im Jahre 923 aber ward das
Grabmal von der berüchtigten Marozia und ihrem Gemahle Alberich, Grafen von
Tusculum und Marchese von Camerino, besetzt, was den Anfang einer langen an das
Denkmal geknüpften Kette von Gräuelthaten bildete. Alberich ward zwar bald wieder
vertrieben und zu Orte ermordet, allein Marozia, obwohl ebenfalls auf kurze Zeit ver-
drängt, bemächtigte sich mit Hilfe ihrer starken Partei doch wieder (i. J. 925) ihrer
Zwingburg und vermählte sich mit Wido, Markgrafen von Toscana, welcher wenige
Jahre darauf Papst Johann X. im lateranischen Palaste gefangen nahm und in die Moles
Hadriani brachte, wo er in Kurzem — wahrscheinlich eines gewaltsamen Todes — starb.
Nicht lange nachher (i. J. 929) endete auch dieser, und Marozia vermählte sich mit Hugo,
König von Italien. Dieser behandelte den Alberich, einen Sohn der Marozia aus ihrer
ersten Ehe, sehr übermüthig, bis es diesem gelang zu entweichen und das Volk zu sei-
ner Rache aufzurufen. Der wilde Sturm desselben auf die Burg brachte Hugo dahin,
sich heimlich an einem Seile herabzulassen und zu entfliehen : Alberich IL bemächtigte
sich des Grabmals und warf seine Mutter in's Gef^ngniss. Nach Alberichs IL Tode erbte
sein Sohn Octavian die Moles Hadriani und die Zwingherrschaft über die Stadt (i. J.
954): doch dieser nahm schon zwei Jahre darauf als Johann XIIL die Tiara und brachte
so die Burg au den päpstlichen Stuhl. Von jetzt an erscheint sie unter dem Namen Ca-
stellum S. Angeli, den sie bis auf den heutigen Tag bewahrt hat. Im Jahre 965 lag
Papst Johann XIIL daselbst im Kerker und wenige Jahie darauf wird ein gewisser
Crescentius als Zwingherr der Engelsbmg genannt. Dieser und Francone, der spätere,
nicht anerkannte Papst Bonifacius nahmen den Papst Benedict VI. gefangen und Hessen
' id. IV. 33. * Gregor v. Tours. X. 1. cf. Taul. Diacon. lU. 24. Für das Folgende vgl. Muratori, Annali
ü'Italia. Mil. 1744.
F. Rbbbb , Die Kuinen Roms. 39
306 Das transtiberiiiische Gebiet und die Brücken.
ihn im Kerker der Engelsburg erdrosseln; doch gelang es dem Usurpator Bonifacius
nicht, den rechtmassig gewählten und vom Kaiser Otto II. beschützten Nachfolger des
Ermordeten, Papst Benedict VII., zu stürzen. Als jedoch nach dem Tode des letzteren
und seines kaiserlichen Beschützers Johann XIV. gewählt ward, nahmen Crescentius und
Francone auch diesen gefangen und überlieferten ihn in einem Verliesse dem Hunger-
tode, i. J. 984. Dessen Nachfolger Johann XV. zwangen sie, nach Toscana zu entflie-
hen: als ihm aber daselbst vom Kaiser Otto III. Hilfe versprochen ward, rief ihn Cres-
centius zurück, unterwarf sich ihm bei seinem Wiedereinzuge und erhielt auf seine Be-
theuerungen hin die Begnadigung des Papstes. Dessenungeachtet setzte er hierauf von
der Engelsburg aus seine Bedrückungen fort, bis Otto III. i. J. 998 nach Rom kam.
seine Burg belagerte und einnahm. Crescentius ward auf der Höhe der Engelsburg
enthauptet, sein Leichnam von den Zinnen herabgestürzt und dann auf dem nahen Monte
Mario aufgehangen. Dem Einflüsse der Stephania, Gemahlin des Getödteten, auf Kaiser
Otto III. verdankte angeblich die Familie der Crescentier die Beibehaltung der Engels-
burg. Unter den Nachfolgern spielte Cencio die hervorragendste Rolle : er nahm den
Papst Gregor VII. in die Engelsburg auf, und vertheidigte ihn, als Kaiser Heinrich IV.
i. J. 1084 gegen ihn anrückte. Der verheerende Einzug des Robert Guiscard nöthigte
jedoch den Kaiser, von der Belagerung abzustehen.
Nun wechselte zwei Jahrhunderte lang der Besitz der Engelsburg zwischen den
Päpsten und deren Gegnern, ohne dass sich besondere hier erwähnenswerthe Ereig-
nisse daran knüpften, ausser dass Kaiser Friedrich Barbarossa sie i. J. 1 1 67 vergeblich
belagerte. Nach dieser Zeit waren es besonders die Orsini, welche sie besetzt hatten :
durch diese gelangte Johannes, Bruder des Königs Robert von Neapel, i. J. 1312 in ih-
ren Besitz und suchte mit ihrer Parthei die Krönung Heinrichs VII. zu hintertreiben : bei
einem nachfolgenden Aufstande gerieth jedoch die Burg in die Gewalt des Volkes. Der
Anführer der Volksparthei, Jacopo di Giovanni Arlotto Stephaneschi, führte ein strenges
Regiment in Rom ein, zerstörte die Burgen des übermüthigen Adels und wollte eben
daran gehen, auch die Engelsburg zu schleifen, als sich die des Druckes ungewohnten
Vornehmen verbanden , den kühnen Stephaneschi in ihre Gewalt brachten und in's Ge-
föngniss warfen, worauf die Orsini die Engelsburg wieder besetzten. Im J. 1328 nahm
ihnen Ludwig der Bayer dieselbe abermals ab, doch konnte sich die kaiserhche Parthei
nach Ludwig's Abzüge nicht gegen diese mächtige Adelsfamilie behaupten , welche die
Burg bis zur Zeit der Herrschaft des Cola di Rienzi besass, während welcher sie sich
in des Tribunen Gewalt befand. Nach seinem Tode kehrten zwar die Orsini wieder in
deren Besitz zurück: doch erlangte die Stadt bald darauf die Oberherrlichkeit über die-
selbe, und um die Mitte des 1 4. Jahrhunderts erscheint die Engelsburg schon als Fe-
stung der Stadt, indem die römischen Gesandten dem Papste UrbanV. die Schlüssel der-
Das Grabmal des Hadrianus. 307
selben als Zeichen ihrer Ergebenheit nach Avignon überbrachten. Bei der Rückkehr
Gregors IX., des letzten der französischen Päpste, nach Rom ward dessen Freund Gon-
telin de S. Crispin Befehlshaber der Burg und widersetzte sich nach Gregors Tode zu
Gunsten des französischen Gegenpapstes Clemens (VII.) der Wahl eines Italieners (Ur-
ban VIII.). Die Parthei der Franzosen war sehr stark, und erst nach einjähriger Bela-
gerung konnte die Uebergabe der Engelsburg von den Römern erzwungen werden. Bei
dieser Einnahme verlor das Grabmal Hadrians den letzten Schimmer seiner früheren
Pracht : die Bekleidung von parischem Marmor wurde abgelöst und zu Neubauten ver-
wendet, und nur die Unverwüstlichkeit der Mauern verhinderte die gänzliche Zerstörung
der Zwingburg. Bonifacius IX. stellte die Ruine als Festung mit neuen Zinnen und
Thürmen her, die jedoch bald darauf ein Orkan wieder grossentheils zerstörte (i. J. I 404).
Antonelli Tomacelli, Castellan der Engelsburg, übergab sie im folgenden Jahre dem Kö-
nige Ladislaus, worauf sie Papst Innocenz VII. vergeblich belagerte, doch i. J. 1 406
durch Vertrag gewann. Von nun an blieb die Burg in der Gewalt der Päpste.
Alexander verstärkte die Befestigungen und erbaute den sog. Corridor, den geschlos-
senen Viaduct, welcher den Vatican mit der Engelsburg verbindet, und den sowohl
er wie auch Clemens VII. beim Anzüge Kaiser Karls V. zu benutzen Gelegenheit fan-
den. Unter Paul III. erstand die Mehrzahl der noch bestehenden Gebäude über dem
antiken Rundbau; die päpstHchen Gemächer wurden durch San Gallo und Montelupo
stattlich hergestellt und von verschiedenen Meistern der Zeit al fresco ausgemalt. An
der Stelle der ehemaligen Kapelle aber wurde ein kolossales Marmorstandbild des
Erzengels Michael von Montelupo aufgestellt. Die äusseren Werke sind von Ur-
ban VIII. aus den Jahren 1625 und 1626: um diese Zeit scheint auch der letzte Rest
des mit Thierschädeln und Kranzgewinden geschmückten Frieses, welcher rings um
den quadratischen Unterbau Hef und von einem schönen Carnies gekrönt war — wie
uns noch aus dem 16. Jahrhundert berichtet wird^ — zu Grunde gegangen zu sein.
Ebenso erwähnt Gamucci zum letztenmale zwei zu seiner Zeit noch vorhandene Grab-
inschriften. —
Um die Mitte des 1 8. Jahrhunderts ward Montelupo's Marmorstatue des heil.
Michael durch eine neue Statue ersetzt, die Papst Benedict XIV. nach dem Modelle
des Peter Verschaöelt in Bronze giessen liess.^ Unter den modernen Aufbauten und
Aussenwerken macht die Bestimmung des Grabmales als Citadelle (die jetzt von den
Franzosen besetzt ist) fortwährende Aenderungen nöthig,' auf welche näher einzugehen
ausser dem Zwecke unserer Beschreibung liegt. —
• Vgl. S. 303. Anin. i. * A Nibby, Roma nell' anno 4 838. Parle 11. ant. p 517.
39*
QAg Das transliberinische Gebiet und die Brücken.
53. Die Triumphalbrücke.
Die älische Brücke war ursprünglich, wie schon angedeutet, eine blosse Luxus-
brücke, die hauptsächlich nur den Zweck hatte, einen imposanten Zugang zur Moles
Hadriani zu bilden; der nach dieser Seite übrigens nicht sehr lebhafte Verkehr zwi-
schen Marsfeld und vaticanischem Gebiete ward schon vorher durch eine, vielleicht
zwei andere Brücken, nemlich die vaticanische und die Triumphalbrücke vermittelt.
Von der letzteren haben wir zwar keine classische Erwähnung, doch brauchte die
Triumphalstrasse, welche über den Monte Mario führte, einen Flussübergang. Die be-
kannte Richtung dieser Strasse über den genannten Hügel legt die Vermuthung nahe,
die Brücke habe sich oberhalb der älischen befunden, und unansehnliche Reste eines
Brückenkopfes hinter dem Teatro Tordinone werden desshalb von Piranesi, Venuti
und Bunsen für die Reste derselben gehalten.^ Diess ist jedoch, wenn auch Becker
es beiföllig aufnimmt, ^ keineswegs als sicher zu betrachten, denn die Triumphalstrasse
konnte auch erst am jenseitigen Ufer von einer anderen abzweigen, und musste nicht
in gerader Linie auf den Monte Mario hinführen. Es ist desshalb wahrscheinlicher,
dass es keine besondere Triumphalbrücke gab, sondern dass die Via Triumphalis den
Strom weiter unterhalb überschritt, und zwar wenn auch nur für die Zeit vor der
Erbauung der älischen Brücke, auf der stromabwärts nächstliegenden Brücke {pons
Vaticanus),^ welcher sogar in der Tradition bis zum Anfange des 16. Jahrhunderts
der Beinamen triumphalis verblieben zu sein scheint, * wenn überhaupt eine Brücke
im Alterthume diesen Namen geführt hat.
54. Die vaticanische Brücke.
Wendet man sich von Brücke und Grabmal des Hadrian aus südlich, so sieht
man im Bette des Tiber bei niedrigem Wasserstande die Pfeilerreste einer anderen
Brücke, welche gerade über die Krümmung des Tiber in der Richtung auf Set. Peter
hin geführt haben musste. Ueber den Namen dieser — wenn anders die Reste antik
und nicht, wie ebenfalls behauptet worden ist, ^ mittelalterliches Gemäuer sind, was
' Le antichitä Romane, Roma 1784. Tom. IV. tav. XIII. — Accurata e succinta descrizione topografica R.
1803. 2d« Ed. Vol. II. c. 5. p. 173. Änm. 1. — Beschreibung der Stadt Rom. Stuttg. u. Tüb. Bd. II. Abth. 1. S. 6 fg.
* Handb. d. röm. Alterth. Lpz. 1843. 1. Bd. S. 700. ' Stef. Piale, Degli antichi ponti di Roma, Atti delP
Acaderaia Rom. di Archeologia. tom. IV. p. 2i3. 4 Flavii Blondi de Roma Instaiirata. Ven. 1503. Lib. I.
§. 41. F. Albertini Opusc. de Mirabilibus nove & veteris Urbi.s Rome. Rom. 1515. fol. 1i. * Venuti acc. e
succint. descriz. d. ant. d. Roma. Parte II. p. 173. Not. 1.
Die vaticanische Brücke. Der Obelisk auf Piazza di S. Pietro. 309
ZU entscheiden leider nicht in unserer Macht steht und allenfalls ein Problem für einen
wissenschaftlichen Taucher sein würde — kann nach der Lage kaum ein Zweifel sein :
es war die wohl kaum vor Caligula oder Nero erbaute Brücke, welche den Campus
Martins mit den kaiserlichen Gärten des vaticanischen Gebietes (Horti Agrippinae und
Domitiae), dem Schauplatze der Ruchlosigkeit der genannten beiden Kaiser, verband.
Sie wurde durch die nahe älische Brücke bald überflüssig gemacht, so dass man es
nicht mehr für nöthig hielt, sie bei BaufUllen wieder herzustellen, was den Verfall
derselben zur Folge haben musste. Aus Procopius' Darstelhmg der Ereignisse um das
Grabmal des Hadrian in den Gothenkriegen ist zu entnehmen , dass sie nicht mehr
gangbar und dass überhaupt die älische Brücke der einzige Flussübergang in dieser
Gegend war, wie auch die Notitia die erstere nicht mehr erwähnt. Die Mirabilien
scheinen sie noch aufzuzählen und zwar unter dem Namen der Neronischen, ^ wenn
anders der Nibby'schen Ausgabe derselben zu trauen ist, nach welcher allerdings die
sinnlose Aufzählung, wie sie der Abdruck bei Montfaucon^ giebt. wenn auch kaum
ohne gewaltsame Emendationen und Umstellungen, vernünftig gemacht wird. Ohne
Zweifel war sie damals Ruine, denn bereits im 10. Jahrhundert^ und erwähntermaassen
schon in der Zeit der Gothenkriege war sie zerstört, doch waren die Ueberreste,
welche ausdrücklich bei Kirche und Hospital von S. Spirito genannt werden, noch
am Anfange des 16. Jahrhunderts so bedeutend, dass Papst Julius II. den Gedanken
hegen konnte, sie wiederherzustellen.* Albertino nennt diese Brücke pons triumphalis
und nach einem angeblich früheren Namen Vaticanus.
55. Der Obelisk auf Piazza di S. Pietro.
Von dem Nordende der älischen Brücke und der Engelsburg aus fiihrt eine
gerade Strasse (Borgo nuovo) auf die Piazza di S. Pietro. Hier erhebt sich ein majestä-
tischer Obelisk von rothem Granit, nach dem jetzt auf Piazza del Palazzo Lateranense
stehenden der höchste und zugleich der einzige von den grösseren Obelisken Roms,
der noch ungebrochen^ aus einem einzigen Blocke besteht, welcher auf einem drei-
fachen Sockel von 15 Met. Höhe ruht. Der Obelisk selbst ist 25,50 Met. hoch, die
Hieroglyphen sind unkenntlich. Die am unteren Ende angebrachte Inschrift lautet:
' Lib. de Mirabilibus Romae ed. Nibby. (Effemeridi letterarie. Rom. 1820. I. p. 76. Pons .\(lrianiis. Pons
Neronianns. Pons Fabricius. Pons Gratianus.) * Diarium Italic. Par. 1702. p. 284. pons .\drianus; pons Fa-
bian! iuxta ipsum ; pons Neumanus, pons Antonius; pons Gratiani. ' Liutprandi Hist. III. 12. (Mural. Rer.
Ital. Script, tom. II. pars I. p. 450.) * Aibertinus, 1. c. ' Wenn man das bekannte Verfahren des D. Fontana
bei der Aufstellung dieses Obelisken nicht zur Unmöglichkeit machen will, muss man sich wohl entschliessen, das
»fractus in molilionen mehrer Handschriften des Plin. .XXXVl. 11. 74 der entsprechenderen Lesart » (actus imita-
lione« (.\ng. Vatic. V. Coli. III) aufzuopfern.
3/JO Das transtiberinisclie Gebiet und die Brücken.
dIvo caesarI dIvI ivliI f avgvsTo
Tl CAESARI DIvI AVGVSTi F AVGVSTO
SACRVM
Vielleicht kein Denkmal der Welt steht auf einem imposanteren Platze, in der
Mitte der prachtvollen elliptischen Colonnaden , welche gewissermassen den Vorhof der
grössten Kirche der Christenheit, S. Pietro in Vaticano, bilden, und man kann dem Ge-
danken, den Monolith, mit dem Kreuze gekrönt, hier aufzustellen, seine Anerkennung
nicht versagen, obwohl er trotz des hohen Basaments der grossarligen Anlage nicht voll-
kommen zu entsprechen und für den weiten Raum als Mittelpunkt nicht auszureichen
scheint. Doch man hätte eben dazu eines unausführbar riesigen Denkmales bedurft.
Der ursprüngliche Platz des Obelisken war unferne von seinem gegenwärtigen,
nemlich neben der linken Langseite der Peterskirche bei der weiter vorspringenden Chor-
kapelle, wo noch jetzt ein Inschriftstein die Stelle bezeichnet. Auffallend ist, dass Venuti,
sonst eine der bedeutendsten Autoritäten des vorigen Jahrhunderts, berichtet,^ der
Obelisk sei »in den barbarischen Zeiten«, ohne sich zu beschädigen, gestürzt und bis zu
seiner Versetzung durch Sixtus V. auf dem Boden gelegen , während die Zeitgenossen
und deren Vorgänger ihn noch in dem Jahrhundert , an dessen Ende er versetzt wurde,
ausdrücklich als den einzigen noch aufrechtstehenden grösseren bezeichnen, Gamucci
sogar eine Abbildung davon giebt.^ Der Obelisk stand also noch auf seinem ursprüng-
lichen Platze , und auch das allerdings verschüttete Basament war noch fast unversehrt
sammt dem Unterbau, auf dem es sich erhob. Dass aber dieser letztere nichts anderes
war, als die Spina eines Circus, ergab sich bei den Nachgrabungen gelegentlich der Ver-
setzung als eine Thatsache, was denn auch die Tradition, welche hieher den berüchtigten
Circus des Caius (Caligula) und Nero, wie ihn Plinius^ nennt, verlegt, auf das bestimmteste
bestätigte. Bei ausgedehnteren Nachgrabungen im J. 1 6 1 6 ^ fand man zwischen der Kirche
S. Marta und der Treppe der Peterskirche, also an der südlichen Langseite der Peters-
kirche noch so namhafte Ueberreste der Grundmauern , dass sich Lage und Massverhält-
nisse noch bestimmen Hessen , worüber ich jedoch als nicht hieher gehörig — da jetzt
keine Spur mehr von dem Circus selbst erhalten ist — auf den Bericht des Grimaldi bei
Cancellieri (a. a. 0.) verweisen muss.
Was die Geschichte des Circus und des Obeliskes betrifft, so wird zwar nicht
ausdrücklich der Anlage desselben durch Cahgula gedacht, doch kann diess nicht be-
• Venuti, Acc. e succ. descriz. topogr. d. antichitä dl Roma. Parte II. p. 4 75. (^fiaEdiz.) * Flavii Blondi,
Koma Instaurata. Ven. 1503 Lib. I. §61. — Alhertini Opusc. de Mirabil. Rom. R. 1515. fol. 67. — A. Fulvii
Antiquitates Urbis. R. 1527. L IV. fol. LXI & LXXI. — L. Fauno, delle Antichitä d. cittä dl Roma. Ven. 1548.
fol. 151. Gamucci, Libri IV dell' antichitä della cittä di Roma. Ven. 1565. p. 195. ' Plin. H. N. XXXVI. H
15, 74 • Cancellieri, de Secretariis veteris Bas. Vatic. R. 1786. Tom. II. p. 926 sq.
Der Obelisk auf Piazza di S. Pietro. 31 I
zweifelt werden. Denn in den Gärten der älteren Agrippina (w^elche dieser Gegend, wie
oben S. 296 erwähnt wurde, entsprachen) kann man einen Circiis nicht wohl früher an-
nehmen, als bis Galigula dieselben von seiner edlen Mutter erbte, und anderseits wird
von Galigula ausser der gelegentlichen Bezeichnung » Gircus Vaticanus Gaii et Neronis « *
von PHnius^ berichtet, dass Galigula den beschriebenen Obelisken »im vaticanischen Gir-
cus « habe aufstellen lassen, welchen er, wie die angeführte Inschrift desselben zeigt, sei-
nen Vorgängern Augustus und Tiberius weihte. Der durch diese Inschrift selbst authen-
tisch bestätigten Annahme, dass der Gircus schon seit Galigula bestand, scheint Tacitus^
zu widersprechen, welcher von Nero erzählt , dass ihm Seneca und Burrus in dem vati-
canischen Thale (dem Einschnitte zwischen laniculus und Vaticanus, jetzt valle d'inferno)
einen geschlossenen Raum als Rennbahn eingerichtet hätten , wo er seiner Manie des
Rosselenkens vor gewählten Zuschauern fröhnen könnte. Die allzu knappe Kürze des Ta-
citus, der es mit Baulichem überhaupt nicht sehr genau nahm , würde ohne die bezüg-
lichen Angaben des PHnius und einer anderen des Sueton * zu einem falschen Resultate
führen ; übrigens mochte in Nero's Zeit der Gircus des Galigula eine Erneuerung erfah-
ren haben , wie aus der Bezeichnung des Plinius (a. a. 0.) Gircus Gaii et Neronis abzu-
leiten ist.
Der vaticanische Gircus war, wie bekannt, der Schauplatz jener grauenhaften
Spiele, welche bei Gelegenheit der ersten schrecklichen Ghristenverfolgung gefeiert
wurden. Die neronischen Gärten rings um die Rennbahn wurden an jenem Tage bei
einbrechender Dunkelheit dadurch erleuchtet, dass man die an Pföhle gebundenen und
mit Pech überzogenen christlichen Schlachtopfer verbrannte; andere wurden an's Kreuz
geheftet, andere, welche man in Thierfelle gehüllt hatte, von Hunden zerfleischt. Es
konnte nicht fehlen, dass selbst die tiefe Erbitterung gegen die Ghristen, welche die
Beschuldigung, den grossen Brand Roms veranstaltet zu haben, in den Römern her-
vorgerufen hatte, dem Mitleide bei diesem Schauspiele weichen musste, wie unser
Berichterstatter,'' der sonst seinen persönhchen Unwillen gegen die Ghristen keines-
wegs verhehlt, ausdrücklich erwähnt. Ueber des Plinius Zeit reichen unsere classischen
Nachrichten über den Gircus Vaticanus nicht hinaus .; jedenfalls gerieth er frühzeitig in
Verfall, wie aus dem Bau der Basilica des h. Petrus in der ersten Hälfte des 4. Jahr-
hunderts zu entnehmen ist, und war so entstellt, dass er seit dem frühen Mittelalter
unter dem Namen »palatium Neronis« erscheinen konnte.^ Merkwürdig ist, dass nichts-
destoweniger der Obelisk allen Stürmen trotzend sich stehend erhielt, allein von der
ganzen ohne Zweifel einsl glänzenden Anlage, die allmälig in ihrem eigenen Schutte
' IMin. H. N. XX.WI. 1', 15, 74 ' id. XVI. 40, 76, 201. * Annai. XIV. 44. • Sueton. Claud. H.
of. Dio Cass. UX. H. ^ Tacit. Ann. XV. 44. « Lib. de Mirabil U. R. (Montfauc. Diar. Ital. p. iU.)
312 Das Iransliberinische Gebiet und die Brücken. ^
verschwunden war, über den modernen Boden sich erhebend, und in Folge einer son-
derbaren Sage , nach welcher die Asche Cäsars in der Bronzekugel auf der Spitze
enthalten war, »lulia« genannt^ Im J. 1586 sollte auch dieser seinen Platz, auf dem
er anderthalb Jahrtausende gestanden, verlassen, indem der langgehegte Plan seiner
Versetzung zur Ausführung kam. Auf Befehl des Papstes Sixtus V. leitete Domenico
Fontana das für die Mechanik nicht bloss der damaligen Zeit schwierige Unternehmen,
das auch, obgleich nicht ohne grosse Kosten und selbst nicht ohne Gefahr glück-
lich gelang. 2 Die von mehren Zeitgenossen erzählte Anekdote von dem Arbeiter
Bresca, welcher trotz des bei Todesstrafe gebotenen Schweigens, als er sah, dass
die Taue beim Aufziehen sich bedenklich erhitzten, die berühmt gewordenen Worte
»acqua alle corde« ausrief und dadurch einen Wink gab, von dessen Befolgung das
Gelingen des Unternehmens abgehangen und sogar eine grosse Gefahr beseitigt wor-
den sein soll , ist allbekannt. Wie Fontana mit einem erblichen Jahresgehalte be-
lohnt wurde, ward auch dem Bresca statt der angedrohten Todesstrafe die Gnade
zu Theil, sich selbst eine Belohnung zu wählen, worauf er denn mit mehr Fröm-
migkeit als Gewinnsucht für sich und seine Nachkommen die Befugniss erbat, die
schöngeflochtenen Palmen, welche am Palmsonntage in Set. Peter vertheilt werden, zu
liefern, welches Recht von der Familie desselben bis auf den heutigen Tag ausgeübt
wurde. — Wie einst der von Augustus errichtete Obelisk auf dem Marsfelde, so dient
jetzt der vaticanische als Gnomon, seit im J. 1817 der Astronom Gilii auf dem Boden
zu Füssen des Obehsken den Meridian verzeichnete.
56. Die aurelische Brücke. (Ponte Sisto.)
Ausser den beschriebenen Ueberresten haben sich im vaticanischen Gebiete keine
namhaften und erklärbaren, ja kaum unansehnliche Mauerüberreste erhalten, was bei den
kolossalen Palast- und Kirchenbauten und der Anlage der leoninischen Befestigungen
kaum verwundern kann. Von einiger Bedeutung war auch unter den im Mittelalter er-
wähnten Resten nur eine Grabpyramide, welche sogar noch grösser war, als die erhal-
tene des Cestius, und von der Naivetät des Mittelalters ebenso wie die letztere den Na-
men »Grabmal des Remus«, so die Bezeichnung »Grabmal des Romulus,^ später aber ge-
lehrter — weil aus einem Scholiasten des Horatius geschöpft — darum aber nicht
weniger grundlos den Namen Grabmal des Scipio (Africanus) ^ erhalten hatte. Diese
' Lib. de Mirabil. U. R. (Montfauc. Diar. Ital. p. 284.) — A. Fulvio, Antiquit. Urb. R. 1527. fol. LXXI.
- Dom. Fontana, della Trasportazione dell' Obelisco Vaticano. R. 4590. " Ordo Roman. (1143.) (Mabill. Mus.
Ital. II. p. U3.) Lib. deMirab. R. (Montfauc. Diar. It. p. 291.) * A. Fulvio, Antiquit. Urb. R. 1527. L. IV.
fol. L.X.XII. L. Fauno, delle Antichitä d. c. d. Roma. Ven. 1548. f. 155. cf. Acron. ad Horat. Epod. 9, v. 25.
Die aurelische Brücke. 313
wurde zu Ende des 1 5. Jahrhunderts, nachdem sie bereits der Marmorbekleidung beraubt
war,< behufs der Rectificirung der Strasse »Borge nuovo« abgebrochen. Ebenso ver-
schwanden spurlos die Reste eines Circus, welcher sich nördlich von dem Grabmal des
Hadrian befand, und welcher zu Anfang des 16. Jahrhunderts »von geringem Umfange
und fast ganz zerstört« genannt wird.^ Sie Sache kann nicht bezweifelt werden, denn im
J. 1743 ergaben die von Papst Clemens XIV. angeordneten Nachgrabungen die Grund-
mauern so vollständig, dass ein ziemlich anschaulicher Grundriss hergestellt werden
konnte, welcher mit dem Ausgrabungsberichte des Diego De-Revillas erst vor einigen
Jahrzehnten publicirt wurde. ^ Doch um den Circus zu benennen, haben wir keinen an-
deren Anhaltspunkt als die unmittelbare Nähe der Moles Hadriani, wonach es nicht un-
möglich wäre, dass Hadrian für die Spiele bei Leichenfeierlichkeiten (?) den Circus erbaute.
Jedenfalls darf er nicht, wie von Fl. Blondus (a. a. 0.) geschieht, mit dem neronischen
Circus identificirt werden.
Verlässt man nun die Piazza di S. Pietro wieder, indem man westlich in den
Borgo di S. Spirito und dann südlich, rechts von der Kirche S. Spirito, in die Via di Porta
S. Spirito beugt, so gelangt man nach wenigen Schritten an das Thor gleichen Namens,
durch welches man die Cittä Leonina verlässt und in eine lange, geradlinige Strasse, die
Via Longara, tritt. Verfolgt man diese in ihrer ganzen Länge , so erreicht man an ihrem
Südende die Porta Settimiana, die ausser ihrem Namen äusserlich nur mehr wenig An-
tikes zeigt, von welcher aber bei der Beschreibung der aurelianischen Mauer noch näher
gesprochen werden wird. Ausser den Ueberresten dieser Mauer finden wir nur mehr
wenige bauliche Ueberreste an dem jenseitigen Ufer, und überhaupt keine , welche be-
nannt und erklärt werden könnten, wonach für diesen Abschnitt nur mehr die Beschrei-
bung der Brücken und der Tiberinsel übrig ist. Wenn man nun sogleich innerhalb dieses
Thores zur Linken sich in die Via di S. Dorotea wendet, so gelangt man durch deren
Fortsetzung, die Via di Ponte Sisto, zu einer antiken Tiberbrücke , die jedoch durch Re-
staurationen ihr antikes Ansehen grösstentheils verloren hat. Vier massige Bogen verbin-
den die beiden Ufer mit den drei Strompfeilern. Ueber dem mittleren dieser letztern ist,
wahrscheinlich nach dem antiken Vorbilde, ein runder Wasserdurchlass angebracht, um
bei Ueberschwemmungen die Heftigkeit des Wogenandranges an das Hauptjoch zu mil-
dern. Die Bogen und der grösste Theil der Pfeiler sind modern.
Diese Brücke wird im Alterthurae in der einzigen Erwähnung , die wir von ihr
haben,'' die aurelische genannt, wie wir wohl daraus abnehmen müssen, dass keine an-
dere der acht von der Notitia genannten diesen Namen haben konnte, während er für
* Fl. Blondi, De Roma Instaurata. Ven. 1503. Lib. I. § 48. * A. Fulvio. fol. LXVII et al. cf. Fl. Blondi,
Rom. Inst. L. I. §. 46. ^ L. Canina, Atti della Pontifizia Accademia Rom. di Archeologia. Tom. X. 1839.
* Curios. Urb. Rom. Pontes.
F. Kebbr, die Ruinen Eoms. 40'
314 Das transtiberinische Gebiet und die Brücken.
diese, welche vom Marsfelde nach dem laniculus und nach der Porta Aiirelia auf der
Höhe desselben führte, vollkommen passt. Der sonst nicht unpassende Name »ianicu-
lensische Brücke « ist reine Erfindung der Antiquare. Im Mittelalter hiess sie antoninische
Brücke,'' womit der falsche Name des muthmasslichen Balbus-Theaters » Theatrum An-
tonini «^ wohl zusammenhängt. Vor mehren Jahrhunderten las man noch eine Inschrift
an dieser Brücke, die aus der Zeit Hadrians stammte und eine Herstellung berichtete : ^
IMP CAES DIVi TRAIANI PARTHiCI f DI VI • NERVAE- NEPOTIS
TRAIANI HADRIANIAVG PONT. MAX TRIBPOTIMPTTM
COS TTl L MESSI VS RVSTICVS CVRATOR • ALVEI ET Rl PARVM
TIBERIS ETCLOACARVMVRBIS R R RESTITVITSECVNDVM
PRAESIDENT. TERMINATIONEM PROXIMAM • CC PP • C TT
Die hier angegebene Restauratiqn zeigt, dass die Brücke schon geraume Zeit vor Hadrian
stand, wonach also auf keinen Fall der mittelalterhche Name derselben so erklärt werden
kann, als hätte einer der Antonine, d. h. nach der bei den italienischen Antiquaren * gang-
baren Vermuthung zunächst Antoninus Caracalla sie erbaut, was nur aus der keineswegs
klaren Notiz abgeleitet wird, dass dieser sowohl als Kind mit seinem Vater ^ als auch
nach Geta's Tode in den transtiberinischen Gärten mit besonderer Vorliebe sich aufhielt.
Allein der mittelalterhche Name der Brücke reicht nicht aus, diess zu beweisen, eben so
wenig wie der gleiche Name des muthmasslichen Baibustheaters im Ordo Romanus uns
bestimmen kann, ein antoninisches Theater anzunehmen.
Im 11. Jahrhundert erscheint die Brücke auch neben der Bezeichnung der anto-
ninischen unter dem Namen pons fractus,^ woraus die theilweise Zerstörung derselben
zu entnehmen ist. In diesem Zustande verblieb sie auch wahrscheinlich bis auf Papst
Xystus IV., welcher sie von 1 473'^ bis 1 475 ^ durch den Architekten Baccio Pintelli wie-
der herstellen liess. Seitdem führt die Brücke den ausschliessenden Namen Ponte Sisto,
ohne dass sich die Reminiscenz an frühere Namen erhielt.
57. Die fabricische Brücke. (Ponte Quattro Capi.)
Zur südlich nächsten Brücke, welche das Stadtgebiet mit der Tiberinsel verbin-
det, gelangt man auf dem nächsten Wege am linken Flussufer durch den interessanten,
' Anastas. Bibl. Par. 1649. Tom. I. de vit. Pontif. (V. Hadrianil. p. 4 20.) — Lib. de Mirabilibus. (Mont-
faucon, Diar. Ital. p. 284.). In der Ausgabe von Nibby (Effem. lett. I. p. 76) fehlt der Name ganz, allein wie es
scheint durch Emendation. * Ordo Roman. 4143. (Mabillon, Mus. Ital. Tom. II. p. 126.) ^ Nardini (nach
Marliani], Roma vetus ac recens. Lib. VIII. c. 3. (Graev. Th. A. R. t. IV. p. 1446.) * Piale, Degli antichi ponti
di Roma. Atti d. Pontif. Accad. Rom. di Arch. R. 1831. tom. IV. p. 21 8. Nibby, Roma n. a» 1 838. P. I. ant. p. 1 79 sq
* Script. H. A. (Spartian.) Sept. Sev. 4. cf. Gurios. U. R. Reg. XIV. * Bulla Benedicti VIII. anni 1019. Leonis IX
anni 1049. (üghelli, Italia sacta. Tom. I. col. 118. 124.) ^ Infessura Diario della cittä di Roma. (Muratori, Rer
Ital. Scriptores. Med. 1723. Tomi III. Pars II. p. 1143. * Inschriften des P. Xystus an beiden Seiten der Brücke
Die fabricisclie Brücke.
313
aber engen und schmutzigen Ghetto de' Ebrei , der indess in der Nähe des Flusses (die
weiter nach innen Hegenden Ruinen wurden bereits beschrieben) so wenig an antiken
Ueberresten darbietet, wie das gegenüberliegende transtiberinische Ufer an dieser Fluss-
strecke. Die Brücke, in ihrer Aussenseite — ursprünglich ganz — jetzt noch grössten-
theils von Travertin, in ihrem Kerne aus Peperin, ist 69 Met. lang, 6,30 Met. breit, und
besteht aus zwei Bogen mit einer Spannung von 25 Met. Der einzige Pfeiler in der Mitte
der Brücke springt unten an der Seite gegen die Strömung keilförmig vor, auf der gegen-
überliegenden Seite dagegen ist der Vorsprung geringer und abgerundet. Der ganze
Pfeiler misst in der Stromrichtung 20, in der Breite unten 12, so, oben 10 Meter.
31. Die fubricisi-lie und ccstisclie Brücke mil der Tiberinsel. (F. K.)
Zwischen den beiden Bogen bildet der Pfeiler einen überwölbten Durchlass, zu bei-
den Seiten von dorischen Pilastern geschmückt, von denen jedoch nur mehr Spuren
kenntlich sind, Aehnliche Durchlässe, doch von geringeren Dimensionen, scheinen nach
den noch sichtbaren Ansätzen in den beiden Brückenköpfen selbst angebracht gewe-
sen zu sein. An dem Scheitel der beiden grossen Bogen auf den zwei Seiten, mit-
hin viermal wiederholt, liest man in alten , stellenweise fast unkenntlichen Cubitalzü-
gen die Inschrift:
40*
3^6 Das transtiberinische Gebiet und die Brücken.
LFABRICIVS CF CVR VIAR
FACIVNDVM . COERAVIT
und über dem mittleren Durchlasse auf beiden Seiten in derselben Schrift:
IDEMQVE
PROBAVIT
Uebereinstimmend mit dieser Inschrift und zu dem Namen noch die Zeitbestimmung
fügend, wird in einer classischen Nachricht^ erzählt, dass die Brücke, welche die Tiber-
insel mit der Stadt verband, im J. 692 d. St. (62 v. Chr.) erbaut und die » Fabricische «
genannt wurde. Auch eine Münze mit der Umschrift lfabricivspr^ zeigt eine Brücke
mit einer Schlange, welche letztere auf die Insel des Aesculap hinweist, zu welcher
sie führt. Unterhalb der erstangeführten Inschrift über den Bogen steht in etwas klei-
neren Buchstaben eine zweite, nemhch :
Q LEPIDVS M FM LOLLIVS MF COS EXS C PROBAVERVNT
Bei der ebenso viermal wiederholten Inschrift ist abwechselnd der Name des Lollius
dem des Lepidus vorausgesetzt, eine delicate Berücksichtigung der gleichen Rechte,
welche nicht unerwähnt bleiben kann. Die Inschrift berichtet eine günstige Untersu-
chung der Haltbarkeit der Brücke, und gehört nach dem angegebenen Consulate in
das Jahr 733 d. St. (21 v. Chr.)
Diese Brücke ist demnach, da sie ausser unwesentlichen Ziegelausbesserungen
der Aussenseite bis auf das Geländer antik ist, die älteste der vollständig erhaltenen
in Rom. Es ist nun wahrscheinlich nichts als eine Verwechselung eines Scholiasten ^,
dass diese fabricische Brücke später die steinerne {lapideus) hiess, denn wir werden
sehen, dass dieser Name vielmehr einer anderen zukam, namentlich wenn er mit
pons Lepidi wechselte.* Denn dass die Brücke desshalb, weil sie von den Consuln
Lepidus und LoUius untersucht und bewährt gefunden war, den Namen des Lepidus
erhalten habe, aus welchem dann »lapideus« entstand, ist eine viel gewagtere Be-
hauptung, als den Schohasten eines Missverständnisses zu zeihen. Die Grundlage, auf
welche hin — wenigstens ist uns keine andere bekannt — Mommsen^ die sublicische
Brücke an die Tiberinsel verlegt, ist demnach nur eine sehr schwache und unzu-
reichend. Im Mittelalter erhielt sie den Namen Judenbrücke von der Nähe des Ghetto
am linken Ufer ;^ von Zerstörung und Wiederherstellung lesen wir nichts. Jetzt heisst
die Brücke Ponte Quattro Capi von den zwei Hermensäulen des lanus quadrifrons,
die sich an dem Geländer über den Brückenköpfen des linken Ufers befinden. Ich
* Dio Cass. XXXVll. 45. ^ Eckhel, Doctr. num. vet. Tom. V. p. 210. ^ Schol. Crug. ad Hör. Sat. II.
3, V. 36. * Aethic. Cosmographia. Basil. 1575. p. 20. * Mommsen, Roem. Geschiclite. Bd. I. 2. Aufl. S. 51.
" Vgl. S. 314. Anm. 6.
Die Tiberinsel.
317
halte es nicht für unwahrscheinlich, dass diese noch dem ursprünglichen Geländer
angehören. Man sieht an den Seiten noch die Löcher, in welchen die Bronzespangen
eingelassen waren, und dass man sich für Geländer öfter kleiner Hermen als Pfosten
bediente, kann man an dem auf einem Relief des Constantinbogens , von welchem
oben (S. 99) eine Abbildung gegeben wurde, dargestellten Geländer sehen. Die übrige
plumpe Brüstung ist, wie eine Inschrift an derselben besagt, von Innocenz XI. und
aus dem Jahre 1679. .
58. Die Tiberinsel. (Isola di S. Bartolommeo.)
Ueber die beschriebene Brücke auf die Insel selbst gelangt, finden wir ausser
den zahlreichen antiken Säulen, namentlich in der Kirche des h. Bartholomaeus , die
wohl hauptsächlich von den Tempeln der berühmten Insel entnommen sind, wenige
Spuren aus antiker Zeit. Nur von der ursprünglichen Gestalt der Insel, die sowohl
durch Natur als durch Kunst einem Schiffe nachgebildet war, ist noch immer der von
einer starken, jetzt allerdings über dem Wasser fast ganz verschwundenen oder ver-
sandeten Ummauerung gebildete Umriss unverkennbar. Die Abbildungen der Insel aus
den vorigen Jahrhunderten geben von dieser Ummauerung noch ansehnliche Stücke,
welche wohl grossentheils der restaurirenden Phantasie der Autoren angehören, jetzt
hat sich davon auf der östlichen Seite der Südspitze in dem kleinen, sandigen und
verwahrlosten Garten
des Franciskanerklo-
sters von S. Bartolom-
meo nur ein sehens-
werther Rest erhalten,
der jedoch ohne einen
Nachen nur bei mittel-
mässigem Wasserstande
und da nicht ganz ohne
Gefahr besichtigt wer-
den kann. Dieser Ueber-
rest ist offenbar ein
Stück von der Nachahmung eines Schiffsvordertheiles, wie aus der Gestalt der zusam-
mengearbeiteten Blöcke, deren Formen sich auffallend wohl erhalten haben, ersicht-
lich ist. Auch von dem bildhchen Schmucke des Vordertheiles ist noch eine Schlange
und ein Stierkopf in Relief deutlich, anderes aber nicht mehr sicher zu erkennen. Die
'^^jüa.
32. Ueberrest der Ummauerung der Tiberiasel. (F. R.)
34 8 Das transtiberinische Gebiet und die Brücken.
Travertinblöcke sind schön gefugt und verrathen eine gute Bauepoche : möghcherweise
gehört dieser Ueberrest zu den älteren der Stadt und könnte sogar mit der Erbauung
des Aesculaptempels auf der Insel gleichzeitig sein.
Es wurde nemlich schon in der Einleitung zum Marsfelde und auch zu Anfang
dieses Abschnittes (S. 196 und 294) erwähnt, dass die Insel, der Sage nach erst zu
Anfang der Republik durch die Aufstauung des als sacrum den Unterirdischen geweihten
tarquinischen Getreides entstanden, bis ins fünfte Jahrhundert angebUch auf Grund dieser
Sage unbewohnt und unbebaut blieb. Cultivirung' mochte übrigens die sandige An-
schwemmung gar nicht gestatten, und so war das Opfer, das man mit der heiligen Insel
den Göttern brachte, um so leichter. Als man aber nach dem J. 462 d. St. (292 v. Chr.)
bei der schon erzählten Veranlassung den Aesculaptempel auf der Insel erbaute, ward
eine bauliche Solidirung der Insel unerlässlich und musste jedenfalls auch dem Bau der
zwei Brücken , welche die Insel in den nächsten Jahrhunderten mit den beiderseitigen
Ufern in Verbindung setzten, vorausgehen. Von dem Tempel erhielt die Tiberinsel auch
den Namen Aesculapinsel ' und von den beiden Brücken später auch die Bezeichnung
Inter duos Pontes.^
Ausser dem Tempel des Heilgottes erhoben sich bald noch andere HeiHgthümer auf
der Insel, von welchen vier besonders erwähnt werden. Im Jahre 552 d. St. (202 v. Chr.)
war im gallischen Kriege von dem Prätor L. Furius Purpureo dem lupiter ein Tempel
gelobt und auf der Tiberinsel in Angriff genommen worden,^ im J. 556 wurde aus Straf-
geldern ein anderer dem Faunus erbaut;^ geweiht wurden beide, welche auch ander-
wärts erwähnt werden,^ im J. 558 d. St. (1 96 v. Chr.). Der lupitertempel kann nicht mit
dem Aesculapheiligthume verwechselt werden , denn das Fragment der pränestinischen
Fasten 6 mit der Angabe AcscuLAPIO- VEDIOVI • IN • INSVLA identificirt die beiden Gott-
heiten nicht, sondern stellt sie nur nebeneinander. Auch die Indigitar-Flussgottheit Tibe-
rinus hatte hier ihre Cultstätte, von deren localem Festtage (VI. Id. Dec.) wir durch die
amiternischen Fasten '^ unterrichtet werden. Ferner befand sich hier das Heiligthum der
sabinischen^ Gottheit Semo Sancus (Deus Fidius), deren noch von Kirchenvätern » zwischen
den beiden Brücken« gesehene Bildsäule mit der Inschrift SEMONI SANCO- DEO. . .
durch die Umwandlung in Simoni Sancto Deo zu einer sonderbaren Verwechselung mit
Simon Magus Anlass gab.^ Vielleicht ist es dieselbe Inschrift, welche noch erhalten ist
(Lapid. Vatic.) und also lautet : ^ ^
* Sueton. Claud. 25. =* Plut. Poplic. 8. Macrob. Sat. II. 12. Horat. Sat. II. 2. v. 32. Vgl. ein Fragment
des capitolinischen Planes Tab. XVI. (bei Bellori ungenau und unvollständig). * Liv. XXXIV. 53. * Liv.
1. c. Si. XXXIII. 42. " Vitruv. III. 2. Ovid. Fast. I. v. 291 sq. II. 193 sq. ^ Foggini, Fastorum anni Rom. a
Verr. Flacc. ordinatorum reliquiae. R. 1779. Facs. I. lan. ^ id. fol. 116. * Becker-Marquardt, Hdb. d. röm.
Alt. Gottesdienst. §. 508. ^ Euseb. Hist. eccl. 1. II. c. 12. et al. Olai Borricliii, Antiqua Lrbis Romanae Fa-
cies, c. 8. (Graev. Thes. Ant. Rom. tom. IV. p. 1554.) '» Grut. Inscr. p. XCVI. n". 5.
I
Die Brücke des Cestiiis. 3|9
SEIVIONI
SANCO
DEO • FIDIO
SACRVM
SEX ■ POIVIPEIVS • SP • F
COL • mVSSIANVS
QVINQVENNALIS
DECVR
BIDENTALIS
DONVm . DEDIT
Die Tempelanlagen, von welchen die Insel ausschliessend in Anspruch genommen war,
sind spurlos verschwunden und schon seit dem frühen Mittelalter sind moderne Gebäude
an ihre Stelle getreten. Der mittelalterliche Name »Insula Lycaonia« hat zur Zeit noch
keine Erklärung gefunden. Jetzt heisst die Insel von der Kirche des h. Bartholomaeus
Isola di S. Bartolommeo..
59. Die Brücke des Cestius. (Ponte di S. Bartolommeo.)
Von der Tiberinsel führt eine andere Brücke auf das rechte Ufer des Stromes,
welche von einem einzigen Bogen mit einer Spannung von 23 Met. gebildet wird und
52 Met. in der Länge, 8,70 in der Breite misst. Die beiden Brückenköpfe, deren Kern
von Peperin und Tuf besteht, während die Aussenseiten wie die Bogen nicht ganz regel-
mässige und in ihrer rohen und ungenauen Fügung eine späte Bauperiode verrathende
Blöcke aus Travertin zeigen, haben überwölbte Wasserdurchlässe von 12t,so Met. Höhe
und 11,50 Met. Weite. Auf dem Gürtel aussen am Fusse des Geländers läuft auf beiden
Seiten in einer Zeile folgende Inschrift, welche zwar jetzt nur mehr theilweise lesbar,
jedoch in besserer Erhaltung schon früher abgeschrieben worden ist :
..GraTIANI . TRIVMPHALIS • PRINCIPIS PONTEM • AETERNITATI AVGVSTI
NOMINIS CONSECRATVM IN • VSVM • SENATVS • POPVLIQ ROMANI DDD
NNN . VALENTINIANVS VALENS • ET • GRATIANVS VICTORES MAXIMI
AC PERENNES AVGVSTI PERFICI DEDICARIQVE • IVSSERVNT
Diese Inschrift, von welcher die ersten Buchstaben und ein grosseres Stück am Ende
schon seit längerer Zeit fehlen, berichtet von einer Wiederherstellung der Brücke unter
Valentinian, Valens und Gratianus , sowie von der Benennung derselben mit dem glück-
bedeutenden Namen des einen derselben, nemlich des Gratian. Dasselbe besagt auch
eine ausführlichere Geländerinschrift innen, welche, auf beiden Seiten wiederholt, na-
mentHch auf der Vorderseite noch fast unversehrt erhalten ist und also lautet :
Grut. [nscr. p. CLX. n*. 6, wo jedoch die Inschrift fälschlich dem Ponte Sisto zugeschrieben wird.
320 D^s transtiberinische Gebiet und die Brücken.
DOMINI NOSTRI • IIVIPERATORES • CAESARES
Fl VALENTINIANVS PIVSFELIX IVIAXIIVIVS VICTORAC TRIVMF SEMPER AVG PONTIF IVIAXIIVIVS
GERMANIC MAX ALAMANNMAXFRANCMAX GOTHIC MAX TRIBPOT VII IIVIP VI CONS II PPP ET
Fl VALENS PIVS Felix MAX VICTOR ACTRIVIYlFSEMPERAVGPONTlF IVIAXIIVIVS
GERMANIC MAX ALAMANN MAX Franc MAX GOTHIC MAX TRIBPOTVIIIMP VI CONS II PPP ET
Fl GRATIANVS PIVS Felix MAXVICTOR actrivmFsemperavgpontiFmaximvs
GERniANIC MAX ALAMANN MAX Francmax GOTHIC MAX TRIBPOT III IMP II CONSPRIMVM ET
POnieM-FELICIS NOMINIS GRATIANI IN VSVM SENATVS AC POPVLIROM CONSTITVI DEDICARIQVEIVSSERVNT
Beide Inschriften, von welchen die letztere das Jahr 470 v. Chr. für die Vollendung
gibt, scheinen allerdings die Kaiser Valentinian, Valens und Gratian vielmehr als die
Erbauer, denn als Wiederhersteller der Brücke zu nennen, allein während schon aus der
Natur der Sache erhellt , dass man nicht vier Jahrhunderte lang gezögert haben werde,
die fabricische Brücke von der Tiberinsel bis an das rechte Stromufer fortzusetzen , liegt
auch das frühere Vorhandensein der beiden Verbindungsbrücken schon unwiderleglich
in dem Namen der Insel »Inter duos Pontes.« Desshalb müssen sich die beiden Inschrif-
ten auf den Neubau einer schon vorhandenen Brücke beziehen. Sie wird auch in dem-
selben Jahrhundert 'i nicht mit dem seit dem Neubau wahrscheinlich officiellen, aber nicht
populären Namen des Gratian, sondern mit dem des Cestius benannt und zwar nach der
Nebeneinanderfolge der Aufzählung des Regionars in einer Weise , dass die Identität der
Cestiusbrücke mit der ebenbeschriebenen kaum bezweifelt werden kann, um so weni-
ger, als die Cestiusbrücke mit einem der angegebenen Namen zu confundiren, weit un-
gerechtfertigter wäre, als ihn an die Stelle des im Verzeichnisse sonst unerklärbar fehlen-
den Namens des Gratian zu setzen. Die Identität dieser wird auch von den Antiquaren
allgemein angenommen; doch über die Person des Cestius und den Zeitpunkt der ersten
Erbauung dieser Brücke schwanken die Ansichten. Dass jedoch einerseits der Bau der
fabricischen Brücke dem der cestischen voranging, ist an sich natürlich und erhellt auch
aus' einer classischen Angabe ; ^ anderseits ist es aber nicht denkbar, dass in der Kaiser-
zeit ein öffentlicher Bau nach dem Namen eines Privatmannes, der weder als Verwandter
noch als ausgezeichneter Günstling eines Fürsten bekannt ist, benannt worden sein sollte.
Aus der Zeit von 692 nun, dem Jahre der Erbauung der fabricischen Brücke, bis Augu-
stus ist nur ein Cestius in einer hervorragenden Stellung bekannt, nemlich L. Cestius,
welcher im J. 708 d. St. (46 v. Chr.) als Präfectus Urbi erwähnt wird.^ Diesem dürfte
auch die Brücke mit der meisten Wahrscheinlichkeit zugeschrieben werden. Im 4. Jahr-
hundert scheint sie ganz zerstört gewesen zu sein; den Wiederaufbau führte unter den
angeführten Kaisern Svmmachus, '' welcher in den Jahren 364 und 363 Präfect der Stadt
' Curios. Urb. Rom. Pontes. * Dio Cass. XXXVII. ^5. * Münze mit der Umschrift L • CESTIVS PR
cf. Dio Cass. XLIII. 28. " Amnftian. Marcellin. XXVII. 3.
Station der siebenten Cohors vigilum. 321
war. In der That zeigt auch die Coiistjuction des Bogens und der angränzenden
Theile einen minder regelmässigen Bau als der Ansatz der Brückenköpfe, welcher
sich noch von der ersten Anlage erhalten zu haben scheint.
Im 10. Jahrhundert wurde die Brücke von einem römischen Senator, Namens
Benedictus, restaurirt, wie aus einer kurzen und ungenügenden Inschrift, die man
innen auf einem Vorsprung des nördlichen Geländers findet, zu entnehmen ist. Un-
bedeutende durch die Ueberschwemmungen der Jahre 1598 und 1679 veranlasste
Beschädigungen wurden sofort wieder ausgebessert, und jetzt sind sogar noch theil-
weise die antiken Marmorgeländer, namenthch die Stücke, welche die Inschrift des
Valentinian und seiner Mitkaiser auf beiden Seiten tragen, erhalten. Die Brücke
heisst von der Insel, zu welcher sie fühit, jetzt Ponte di S. Bartolommeo.
59a. Station der siebenten Cohors vigilum.
Wendet man sich von der Brücke des Gestius auf der transtiberinischen Seite,
nachdem man eine kurze Strecke die Via in Piscinula verfolgt, rechts ab in die Via
della Lungaretta, bis zur Linken die Via di S. Grisogono abzweigt, so führt diese
an Piazza di S. Grisogono vorbei links gegen Monte di Fiore hin zum Eingange
eines erst 1866 durch Ant. Giocci und Gius. Gagliardi, den Finder der Augustus-
statue von Prima Porta entdeckten antiken Ueberrestes, der tief unter dem modernen
Niveau Hegend nach der Ausgrabung durch eine moderne Treppe zugänglich
gemacht worden ist. Die Anlage zu Wohnzwecken ist unverkennbar, in Backstein
hergestellt, zeigt sie nirgends monumentale Spuren. Die antike Aussenseite ist un-
sichtbar, die westlich angebrachte moderne Treppe führt vielmehr unmittelbar in
ein rechteckiges Atrium, dessen Dimensionen 7,48 Meter an der Eingangs-, 8,35 an
der Längsseite betragen. Der Fussboden ist mit grobem Mosaik in weiss und schwarz
belegt, das eine Nereide, einen Triton, einen Hippokamp, Aegikamp, Delphin und
Polypen darstellt, und zwar ohne symmetrische Anordnung, welche das näher an
die Ostwand gerückte Brunnenbassin, das eine sternförmig sechseckige Form zeigt,
nicht möglich machte. Die Lage dieses aber lässt es als mehr denn wahrscheinlich
erscheinen, dass die Bedachung nicht allseitig, sondern nur einseitig, nemlich der
westlichen Eingangswand entlang hinlief und zwar ohne Säulenunterstützung, von
welcher das erhaltene Paviment die Spuren hätte zeigen müssen. Von der rothen
Wandbemalung haben sich noch Reste erhalten. Den hervorragendsten Schmuck
aber bildet die Hauscapelle an der Südseite des Atriums, nur etwas weniger als
1 Meter tief und 2,35 Met. (im Zugang nur 1,65 Meter) breit, besonders durch die
adiculenartig ganz in unverkleidetem Backstein ausgeführte Eingangsdecoration, w eiche
F. Rebeb, Rom. 41
322 D^s transliberinische Gebiet und die Brücken.
auf zwei korinthischen Pilastern ein reich mit Astragal, Blattleisten und Zahnschnitt
verziertes Gebälk und einen eleganten Giebel darüber zeigt, während auch im Ein-
gangsbogen wie an den Wänden noch Einzelfiguren, geflügelte Victorien, Hermes,
Apollo u. a. sich erkennen lassen.
Durch die Ostwand des Atriums führt ein Gorridor, welcher nach kurzer
Strecke im rechten Winkel nach Süden abbeugt zu zwei Gemächern, deren erstes
noch Reste eines Mosaikbodens mit Geflechtornament enthält, während das rechts
anstossende, das an deren inneren Ende eine exedrenförmige Ausbeugung und noch
die Spuren von buntem Marmorbeleg an den Wänden darbietet, durch die Gestaltung
des vertieften Bodens sich als Badegemach erweist. Durch die Nordwand des Atriums
aber gelangt man in mehre nach- wie nebeneinander folgende Gemächer, von denen
drei mit einem Stück Gorridor biosgelegt sind, von welchen das erste ein in opus
spicatum ausgeführtes Paviment, wahrscheinlich ursprünglich mit Mosaik belegt, ein
inneres aber noch einfaches Mosaik in schwarz und weiss zeigt, während gemauerte
kleine Gelasse auf Aborte, Feuerstellen u. s. w. schliessen lassen.
Ist aber der Gesammtcomplex aus dem Blosgelegten nicht vollkommen ver-
ständlich — und an eine übrigens durch die erstaunliche NiveaudifFerenz sehr
schwierige weitere Ausdehnung der Ausgrabung ist ohne Abbruch der ringsumlie-
genden modernen Gebäude nicht zu denken — so ist dafür die inschriftliche Aus-
beute, namentlich an Sgratfiti, sehr gross und lohnend gewesen, leider aber abgesehen
von der dadurch gewonnenen Bestimmung des Gebäudes nur von speziell antiqua-
rischem Interesse. Zunächst ergab sich daraus, dass die aufgedeckten Räume zur
Caserne der Cohors VII. vigilum gehörten, zur letzten jener sieben Feuerwehrstatio-
nen, welche Augustus eingeführt und in der Stadt passend vertheilt hatte. Schon
durch die Notitia in ihrer Lage im Allgemeinen bekannt, wonach die erste Station
in der VII. Region, die zweite in der V., die dritte in der VI., die vierte in der
XII., die fünfte in der II., die sechste in der VIII. und die siebente in der XIV.
Region gesucht werden mussten, haben sich seit i 820 (Kellermann und G. B. de Rossi)
die genaueren Stellen von der ersten, zweiten, vierten und fünften, nun auch im
December 1 866 von der siebenten Station gefunden. Ein grosser Theil der 32 er-
haltenen Sgraffito-Incshriften beginnt nemlich mit der Bezeichnung der letzteren als
zur Cohors VII. vigilum gehörigen und nennt im Uebrigen die Veranstalter und die
Zeit eines etwas räthselhaften Festes, der sog. „sebaciaria." Dass es sich dabei
um eine Illumination als wesentlichsten Theil der Feierlichkeit oder Geremonie
handelt, dürfte ausser Zweifel sein, gewiss ferner, dass dieses Fest aus manigfachen
Anlässen öffentlicher wie privater Natur begangen wurde. Die Inschriften beginnen
den Consulatsangaben nach mit dem Jahr 215 n. Chr. und endigen 239. Aufge-
Die ämilische Brücke (Ponte rotto, ferrato). 323
fundene Backsteinstempel mit Angabe des Consulates des Petinus und Apronianus
(123 n. Chr.) zeigen jedoch, dass das Gebäude unter Hadrian wenn nicht neu ge-
baut, so doch wiederhergestellt worden sei. Das Nähere darüber findet sich bei
A. Pellegrini, La settima coorte dei Vigih (Bulletino d. I. d. c. a. 1867 p. 8—12)
und G. Henzen, Iscrizioni graffite della settima coorte de' vigih (1. c. p. 12 — 30).
60. Die ämilische Brücke (Ponte rotto, ferrato).
Kehrt man in die Via della Lungaretta zurück, so führt deren geradlinige
Fortsetzung, die Via della Longarina in gerader Linie wieder an den Tiber und zu
der südlichsten der noch bestehenden Brücken. Diese ist jedoch nur mehr zur
Hälfte erhalten, nemlich von den ursprünglichen fünf Jochen die drei dem rechten
Ufer zunächstliegenden. Vollständig musste sie eine Länge von 112 Meter gehabt
haben : das Vorhandene misst nur mehr 65 Meter. Sie ist 1 1 M. breit, die Joche,
in der schon beschriebenen Weise gegen die Strömung in eine scharfe Kante en-
digend und an der südlichen Seite abgerundet, messen in der Stromrichtung unten
20, und 6 Meter in der Dicke. Die Spannung der grösseren Bogen, deren ur-
sprünglich vier waren, und von denen auch die noch vorhandenen zwei nicht antik
sind, misst I6V2 Meter, die der zwei kleineren Bogen, von denen der dem west-
hchen Ufer anliegende antik erhalten ist, 11 Meter. Wie aus dem ersten Bogen
hervorgeht, war in derselben Weise wie bei den anderen Brücken wenigstens die
Aussenseite von Travertin. Die Joche waren mehrfach abgestuft : im oberen Tlieile
derselben waren, wie an der fabricischen Brücke, Wasserdurchlässe angebracht,
welche mit korinthischen Pilastern geschmückt waren. Die Drachengestalten in den
Bogenwinkein gehören den nicht antiken Restaurationen an.
Was den antiken Namen dieser Brücke betrifft, so muss deren Bezeichnung
als die palatinische, weil nur aus einem gefälschten Regionär (P. Victor)* entnom-
men, verworfen werden. Richtiger ist eine andere neben dieser übliche Bezeich-
nung, welche die Ruine mit der ämilischen Brücke identificirt. Diese aber ist ohne
Zweifel dieselbe, welche M. Fulvius Nobilor, zugleich mit M. Aemilius Lepidus Censor,
im J. d. St. 575 (179 v. Ch.) als die erste steinerne begann, die jedoch erst 37
Jahre nachher, von den Censoren Publius Scipio Africanus und L. Mummius voll-
endet worden war, nachdem ihre Pfeiler die Probe bestanden hatten ^. Die Brücke
• ed. J. B. Pius, Bononiens. Bon. ^520. 2 nv. XL. 51. Die Annahme, dass hier dass Wort „pontis" als
Interpolation zu streichen, und vielmehr an den Bau einer Landungstelle zu denken sei, (.Tordan, Topogr. IL S.
200) ist wohl ebenso gewagt, als die Beförderung des von Plutarch (Nunia 9) unverkennbar als ,, Censor''
41*
324 ß^s transtiberinische Gebiet und die Brücken.
selbst erhielt wahrscheinlich den Namen der beiden Censoren des Jahres 575, da
aber der Name des M. Aemilius Lepidus, der zugleich Pontifex Maximus und damals
Princeps Senatus war, sich eines besseren Klanges beim Volke erfreute, während
Fulvius durch einige selbstsüchtige Werke die Gunst des Volkes theilweise verwirkt
hatte, so blieb sowohl an der Brücke , wie auch an der gleichzeitig erbauten Basilica
Aemilia am Forum Romanum der erstere haften. »Aemilische Brücke« wurde
daher die herrschende Bezeichnung; ^ ob die spät vorkommende^ «pons Lepidi« in
dem Namen desselben Gensors Aemilius Lepidus ihren Grund hat, ist nicht sicher
zu bestimmen , möglicherweise wurde sie aus einem andern vulgären Brückennamen
»pons lapideus« im Zusammenhalt mit den sicher vormals auf der Brücke zu lesen-
den Gensorennamen gemacht. Dass aber der pons lapideus und die ämilische Brücke
identisch seien, wurde von Fiale ^ und Becker" überzeugend dargethan, nachdem
es vorher bei den Antiquaren für ausgemacht galt, dass der pons sublicius nach-
mals den Namen lapideus erhalten habe. Es hätte allerdings eine hölzerne Brücke
später in eine steinerne umgewandelt werden können, so lange sie aber sublicius,
die Pfahlbrücke, hiess, war es unmöglich, dass sie von Stein war und abwechselnd
auch schlechtweg die » steinerne Brücke« genannt wurde. Wenn man aber behauptet,
dass die sublicische Brücke durch M. Fulvius in eine steinerne umgewandelt worden
sei, so begreift sich nicht, wie selbst in der Kaiserzeit in vielen Erwähnungen von
der hölzernen als noch bestehend gesprochen, ^ und wie der pons sublicius neben
dem Aemilius noch in der Notitia " genannt werden konnte , davon gar nicht zu
reden, dass Rom, wenn die ämihsche Brücke an die Stelle der sublicischen selbst
trat, mehre Jahrzehnte ganz ohne Brückenverbindung war, so viel wir wenigstens
wissen. Es ist demnach auf die widersinnigen Worte eines Scholiasten, ' welcher
die subhcische Brücke als die »hölzerne, die aber jetzt die steinerne heisst« erklärt,
nicht so viel zu geben, dass man desshalb die vielbezeugte Fortexistenz der höl-
zernen Brücke ignorirte, und aus einer anderen oft missbrauchten Stelle des Plu-
tarch** ergibt sich höchstens ein Nebeneinander der beiden Brücken, aber nicht
die Identität.
genannten Erbauers der ämilischen Brücke zum „Consul", nur um den von Plutarch in Uebereinstimmung
mit Livius (1. c.) gemeinten Censor M. Aemilius Lepidus mit jenem Consul Q. Lepidus, der nach der Inschrift
die fabricische Brücke 733 d. St. approbirte, vertauschen zu können. Eine Umnennung der fabricischen Brücke
wegen der durch die Consuln Q. Aemilius Lepidus und M. Lollius vorgenommen „probatio", welches Wort
einen wesentlichen Umbau ausschliesst, wäre auch gar zu ungerecht gewesen. * luvenal. Sat. VL v.
32. Script. H. A. (Lamprid.) Antonin. Heliogab, -17. Fast. Capran. & Amitern XVL Kai. Sept. (Foggini, Fa-
storum anni Romani reUquiae. R. 1779. fol. IIa.) 2 Vgl. S. 316 Anm. 4. 3 pjaig, degli antichi ponti di
Roma. Vgl. S. 314 Anm. 4. ••De Romae vet. muris atque portis p. 78 sq. * Varro L. L. V, 15, 24 p. 87
(Speng.) Ovid. Fast. V. v. 622. Dionys. m. 46. Plin. H. N. XXXVL 15.23,100. Tacit. Hist. I. 86. Script.
H. A. (lul. Capit.) Antonin. F. 8. 6 Curios. Urb. R. Pontes. ^ Serv. ad Virg. Aen. VIII. v. 646. 8 Numa. 9.
Die ämilische Brücke (Ponto rotto, ferrato). 325
Wenn es demnach ganz ungerechtfertigt und sogar widersinnig ist, die »höl-
zerne« Brücke (subhcius) und die »steinerne« (lapideus) zu verschmelzen, so findet
der letztere Name vielmehr gerade im Gegensatze zu dem ersteren seine Erklärung:
denn nur bei der ersten neben der hölzernen in Stein erbauten Brücke hat die Be-
zeichnung »lapideus« Sinn, indem sie dadurch sehr passend von dem »sublicius
pons« unterschieden wurde. Plutarch (a. a. 0.) stellt sie auch in diesem Sinne
nebeneinander und gegenüber; denn nachdem er von der »hölzernen« Brücke als
einer zu seiner Zeit noch bestehenden gesprochen, fährt er fort: »Die steinerne
aber wurde viele Menschenalter später von dem Gensor Aemilius erbaut«.
Diess musste vorausgeschickt werden, ehe von der Lage dieser Brücke, für
welche wir die drei Namen pons Aemilius, lapideus und Lepidi fanden, gesprochen
werden konnte. Ihre Situation zwischen der Tiberinsel und dem Aventin wird aber
durch zwei Angaben noch mehr verengt. Die capran. Fasten ^ verzeichnen XVI.
Kai. Sept. PORTVNO AD PONTEM AEMILiANO(!)ADTHEATRVM MARCELLI
und die Gosmographie des Aethicus^ beschreibt die »Brücke des Lepidus, welche
jetzt missbräuchlich vom Volke Lapideus genannt wird« unmittelbar unterhalb der
Tiberinsel und neben dem Forum Boarium. Die beiden Bezeichnungen weisen mit
Bestimmtheit auf diese Stelle hin, an welcher sich noch die halbzerstörte Brücke be-
findet, und ein Blick auf den Stadt-Plan wird zeigen , dass einerseits zwischen der
fabricischen Inselbrücke oder vielmehr der Insel selbst und dem Ponte rotto keine
andere Brücke Platz hatte, und dass anderseits eine weiter südlich gelegene Brücke
keiner der beiden Angaben mehr entspräche. Was jedoch von dem ursprünglichen
Bau des Fulvius noch übrig ist, das dürfte nur sehr wenig sein ; die Arbeit an dem
Brückenkopfe des rechten Ufers verräth eine späte Bauepoche und die- folgenden
Bogen sind gar nicht antik. Doch fehlen über eine Herstellung in später Kaiserzeit
die Berichte. Nibby ^ und Jordan ^ sind jedoch der Ansicht dass diese Brücke in
späterer Zeit und wohl aus Restaurationsgründen den von Guriosum und Notitia
gebrauchten Namen „Pons Probi" trug, und Verfasser schliesst sich dieser Annahme
an, obwohl er hiezu den in den mehrerwähnten Regionenverzeichnissen übrigens
an unrechter Stelle eingereihten Namen, Pons Aemilius^ als interpolirt streichen
muss, was vielleicht der Umstand erleichtert, dass er im God. Vindob. n^ 162 der
Notitia ganz fehlt.
Im Mittelalter hiess die Brücke Pons Senatorum oder Ponte di S. Maria, und
ward auch unter dem letzteren Namen von Papst Gregor IX. in der ersten Hälfte
»Vgl. S. 323 Anm. 1. 2 Vgl. S. 316 Anni. 4. 3 Roma nell' anno MDCCCXXXVIII. R. 1839.
Partei, antica. p. 495. •« Topogr. II. S. 198. » £jfeniendi letlerarie. Rom. 1820. I. p. 76.
326 D^s transtiberinische Gebiet und die Brücken.
des 13. Jahrhunderts wiederhergestellt. ^ Eine bedeutendere Restauration unternahm
Julius III; mit Missachtung der Vorbereitungen des greisen Michel Angelo ward
jedoch der Bau so leichtfertig geführt, dass er schon nach fünf Jahren (1557) grossen-
theils wieder einstürzte. Julius' III. Wappen ist noch an dem erhaltenen Brücken-
kopfe des rechten Ufers zu sehen. Zum drittenmale unternahm Gregor XIII. i. J.
1575 den Wiederaufbau, welcher auch nur 19 Jahre dem an dieser Stelle durch
die Wiedervereinigung der beiden Flussarme besonders starken Wogenandrang
widerstand, doch stehen davon noch die zwei grossen Bogen mit der Inschrift
desselben Papstes, während, wie schon erwähnt wurde, nur mehr der kleine Bogen
an dem Brückenkopfe des rechten Ufers theilweise antik ist. Das wiederholte
Misslingen des Unternehmens der Herstellung schreckte die folgenden Jahrhunderte
von der Wiederaufnahme des Baues ab, und die Ruine verblieb in demselben Zu-
stande und unter dem Namen Ponte rotto bis auf die neueste Zeit, in welcher die
fehlende Hälfte durch eine Kettenbrücke ergänzt ward. —
61. Die muthmasslichen Reste der Brücke des Theodosius und Valentini-
anus (angeblicli Sublicius).
Eine nicht sehr bedeutende Strecke südlich von der beschriebenen Brücken-
ruino, am Fusse des Aventin und zunächst dem von S. Sabina bezeichneten Höhen-
punkte entsprechend sieht man bei sehr niedrigem Wasserstande noch Reste am Was-
seispiegel, welche bei wiederholten Untersuchungen als die Pfeilermassen einer Brücke
erkannt worden sind. Die Brücke selbst ist seit Jahrhunderten zerstört ohne eine
Nachricht über ihre vormalige Gestalt zurückzulassen und da es an allen Anhaltspunk-
ten für ihren Namen zu fehlen schien, so kamen die Antiquare dahin überein, sie die
sublicische zu nennen, mehr um für diese am meisten erwähnte Antiquität eine Stelle
zu haben, als weil die Ueberreste von der Art sind, dass sie vorzugsweise auf die
hölzerne Brücke passten. Der pons subhcius muss allerdings in dem Zwischenräume
von Ponte rotto bis zur südlichen Abdachung des Palatin angenommen werden, da
er die servische Stadt mit dem laniculum verband, und so war die Schlussfolgerung
nicht ohne Sinn, so lange man an dem Gedanken festhielt, die Pfahlbrücke sei durch
M. Fulvius in eine steinerne umgewandelt worden, und habe seitdem neben dem
von nun an nur mehr reflectiven Namen »sublicius« auch die Namen »Aemilius« und
1 Bernardi Guidonis Vita Gregorii IX. (Muratori Rer. Ital. Script. Tom. III. P. I. p. 578.)
Die ämilische Drücke (Ponto rotto, ferrato). 327
»lapideus« erhalten. Wenn jedoch diess, wie kaum bezweifelt weiden kann, ein
Irrthum ist (vgl. S. 323), und wir bis in die letzte Kaiserzeit den pons sublicius
als solchen, als Pfahlbrücke, erwähnt finden, so wird man wohl auch darauf ver-
zichten müssen, in den Steinpfeilern Reste derselben (wie berichtet wird) in Folge
religiöser Uebung ganz aus Holz bestehenden Brücke zu erkennen. Die Reste ge-
hören vielmehr einer Steinbrücke an, deren Entstehung und Namen wegen Mangel
an Nachrichten nicht mit voller Sicherheit zu bestimmen ist. Doch ist es höchst
wahrscheinUch, dass sie mit den Namen zu identificiren sei, welche in dem local
vollkommen geordnet in der Reihenfolge von Nord nach Süd vorgetragenen Brücken-
verzeichnisse der Mirabalien zuletzt genannt werden. Freilich scheinen hiezu zwei
Brücken als eine betrachtet und statt »pons marmoreus Theodosii et pons Valenti-
nianus« gelesen werden zu müssen: »pons m. Theodosii et Valentiniani« wie Jor-
dan* geltend macht, wobei dann an Theodosius den Jüngeren und an die Jahre
nach 425 als Erbauungszeit zu denken ist, weshalb auch diese Brückennamen in
Curiosum und Notitia fehlen. Den letzteren Namen bezieht Becker ^ in ganz unge-
rechtfertigter Weise auf die aurelische Brücke (Ponte Sisto), indem er sich auf
eine Inschrift des Valentinian, Valens und Gratian stützt, welche bei Gruter^ als
an der aurelischen oder ianiculensischen Brücke (P. Sisto) befindlich angeführt wird.
Allein die Inschrift befindet sich noch wörtlich und selbst mit den bei Gruter an-
gemerkten Defekten an Ponte di S. Bartolommeo, von wo sie auch Piranesi ab-
zeichnete ^ und Becker selbst bedient sich, ohne dadurch auf den Irrthum bei Gruter
zu kommen, auch bei der Cestiusbrücke wieder derselben.^ Im 12. oder 13. Jahr-
hundert, in welchem der Liber de Mirabilibus abgefasst wurde, musste von dieser
Brücke noch beträchtlich mehr erhalten gewesen sein, wenn auch »Marmorverklei-
dung« der Mirabilien mit Rücksicht auf die im Mittelalter häufige Verwechselung
von Marmor- und gewöhnlichem Quaderbau nicht wörtlich zu verstehen ist ; wann
jedoch die gründliche Zerstörung vor sich ging, ist nicht bekannt. —
1 Topographie d. St. Rom im A. Bd. VII. S. 193 fg. 2 Hdb. d. röm. Alterth. Bd. 1. S. 701. 3 Inscr. p.
CLX. 6. 4 Le antichitä Romane. R. 1784. Tom. IV. tav. 25ä. ^ Hdb. d. röm. Alt. Bd. I. S. 699. Anm. 1540.
i
328 Die Niederung zwischen dem Tiber, Gapitolinus, Palatinus und Aventiiius.
VI. Die Niederung zwischen dem Tiber, Gapitolinus, Palatinus
und Aventinus. CForum Boarium, Velabrum, Vicus Tuscus
-^^ und das Thal des Circus Maximus).
Die Beiziehung der Niederung zwischen den am Flusse hegenden Hügeln und
dem linken Flussufer zur Stadt ist der Natur der Sache gemäss so alt, wie die
Verbindung der beiden Ansiedlungen auf dem Palatinus und Ghpitolinus zu einer
Doppelstadt, mithin so alt als Rom selbst. Doch wie man uisprünglich in Latium
und Etrurien die Tiefen vermied, und sich nur auf den Höhen Wohnungen erbaute,
so folgte die Ansiedlung im Thale der Vereinigung der beiden Hügelstädte nicht
unmittelbar, war auch durch die physische Beschaffenheit eines grossen Theiles
desselben unmöglich. Denn es wird mehrfach bezeugt, dass die Gegend sehr
sumpfig war, so dass man sich sogar zum Uebersetzen vom Palatin nach dem
Aventin und Capitolin wenigstens zeitweise leichter Flösse bedienen musste, von
welcher Art des Verkehrs auch der Name Velabrum abgeleitet wird, i Sumpfig aber
war das Thal nicht nur in dem Räume, welcher nachher den Namen Velabrum
trug, sondern durchaus, selbst bis in das etwas höher gelegene Areal des Forum
Romanum hinein, wie aus der Sage vom Versinken des Curtius während des Kampfes
mit den Sabinern unter Romulus hervorgeht. '^ Und dass in diesen Etymologien
und Sagen ein localer Kern enthalten sei, dafür haben wir einen unwiderleglichen
Beweis in der Cloaca Maxima, deren Anlage eben den Zweck hatte, die feuchte
Niederung zu entwässern und namentlich die stagnirenden Lachen, welche jede
Tiberüberschwemmung zurückliess, und welche die Hügelquellen nie vertrocknen
Hessen, zum Abfluss zu bringen. Doch hatte wenigstens in historischer Zeit nicht
die ganze Thalebene vom Tiber bis zum Forum Romanum den an jenen ursprüng-
lichen Zustand erinnernden Namen Velabrum, sondern nur der mittlere Theil, ein
Raum, dessen südwestliche Gränze nicht ganz zur Linie vom lanus quadrifrons bis
zur Kirche S. Giovanni decollato herabreichte, dessen nordöstliche aber, wie es
scheint auch im Alterthume nicht so genau bestimmt, ungefähr mit der Linie von
S. Teodoro bis S. Maria della Consolazione zusammenfällt. Dieser Raum scheint
erst am spätesten und auf keinen Fall vor der Anlage der Cloaca Maxima von
Ansiedlern besetzt oder für bauliche Zwecke benutzt worden zu sein ; ohne Zweifel
früher die zwischen dem Velabrum und dem Forum etwas höher liegende Strecke,
» Varro. L. L. V. 7, 14. (p. 49. Speng.) — Ovid. Fast. VI. v, 401 sq. — TibuU. II. 5. v. 33. — Propert.
El. IV. 9. V. 5. — Plut. Romul. 5. 2 pjonys. II. 42. — Liv. I. 13. — Plut. Romul. 18.
Die Niederung zwischen dem Tiber, Capifolinus , Palatinus und Avenlinus. 329
wie auf der anderen Seite der Uferstrich , an w elchem eine uralte Lände gewesen sein
muss. Die frühesten historischen Nachrichten über die Ansiedlung in dieser Niederung
haben wir von dem nördlichen , an das Forum Romanum gränzenden Theile , dem Vicus
Tuscus, der schon durch seinen Namen auf eine etrurische Colonie hinweist. Nach
Varro^ soll diese Besetzung sogar schon in der ersten Königszeit geschehen sein und
zwar von derselben tuscischen Schaar des Cälius Vibennus, welche, nachdem sie den
Romulus im Kriege gegen die Latiner oder vielleicht, nach einer sehr wahrschein-
Uchen^ Correctur bei Varro , gegen die Sabiner unterstützt, zuerst den Calius zur Nie-
derlassung erhalten hatte , nach dem Tode ihres Anführers aber in die Ebene zwischen
Capitolinus und Palatinus herabgeführt wurde , weil ihre Haltung auf der beherrschen-
den Höhe des Cälius den Römern Verdacht einflösste. Tacitus^ versetzt dasselbe Ereig-
niss in die Zeit des Tarquinius, hinzufügend, dass die Berichte über den König, unter
welchem die Ansiedlung stattfand, nicht übereinstimmten. Die meisten uns erhaltenen
Nachrichten* aber setzen die Colonisirung des Vicus Tuscus mit dem unglücklichen Feld-
zuge des Aruns, Porsena's Sohn, gegen Aricia in Verbindung, bei welchem nur ein Theil der
Etrusker sich retten, und von den Cumanern verfolgt, auf das römische Gebiet entkommen
konnte. Diese aber nicht mehr geneigt oder durch ihre Wunden nicht mehr im Stande m
ihr Vaterland zurückzukehren, anderseits von den Römern freundlich aufgenommen, sol-
len in der Stadt geblieben sein und sich da niedergelassen haben , wo der Name Vicus
Tuscus ihr Quartier für immer bezeichnete. Dass aber dieses an das Forum Romanum
stiess, geht aus Dionys (a. a. 0.) und Livius^ hervor, welcher letztere auch die örtHche
Reihenfolge des Vicus Tuscus , Velabrum und Forum Boarium zwischen dem Forum Ro-
manum und dem Aventin bei Beschreibung der Pompa ausdrücklich bezeugt. Unter dem
Vicus Tuscus aber hat man sich , wie schon aus dem Namen und aus der Art der Er-
wähnungen hervorgeht, nicht so fast einen Bezirk als vielmehr eine Strasse mit Ein-
schluss der beiderseitigen Häuserreihen zu denken , welche vom Forum aus südlich (mit
einer kleinen Neigung gegen Westen) führte. Desshalb findet auch die Bezeichnung Vicus
Tuscus als Strassenname mit dem Eintritte in das Velabrum , welches von der Strasse
ebenfalls durchschnitten wurde, im 'gewöhnlichen Sprachgebrauche noch nicht ihr
Ende. ^ Während sie aber so noch in das südlich benachbarte Gebiet übergriff, füllte sie
der Breite nach nicht den ganzen Zwischenraum vom Capitohnus bis zum Palatinus, und
der Vicus lugarius mit dem anstossenden Aequimelium am Fusse des ersteren Hügels wie
die Via Nova am Fusse des letzteren , welche sich so ziemlich parallel mit dem Vicus
Tuscus südwestlich hingezogen zu haben scheinen, begränzen mit ihren Häuserreihen
#
' L. L. V. 8, 14. (p. ö\. Speng.) " Propert. Eleg. IV. 2. v. 49. * Ann. IV. 65. * Dionys. V. 36. —
Liv. II. 14. — Schol. Cruq. ad Horat. Sat. II. 3, v. 228. Paul. Diac. s. v. Tuscus. " XXVII. 37. « Dionys.
1. c. Liv. XXXIII. 26.
F. Rebbk , die Ruinen Roms. 42
330 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinus und Aventinus.
den Vicus Tuscus in selbstständiger Weise. Die Lage und Richtung des Vicus lugarius,
dessen Name von dem Altar der Inno luga (der Eheschliesserin) ^ abgeleitet wird, erhellt
vollständig aus den classischen Nachrichten, nach welchen er von der Porta Carmentalis
auf das Forum führte,^ nordwestlich von der Basilica lulia, also unmittelbar unter dem
Clivus Capitolinus in dasselbe mündete ^ und auch sonst am Fusse des capitolinischen
Felsens sich hinzog, wie aus der Nachricht von dem Felsklotz , der vom Capitol in den
Vicus lugarius hinabstürzte,* zu entnehmen ist. Die Strasse war wie das ganze Quartier
von Privatgebäuden besetzt und wir finden nur drei Altäre in derselben erwähnt , von
welchen der erste bereits genannte der luno luga uralt gewesen zu sein scheint, wäh-
rend die der Ceres und der Ops Augusta anscheinend aus der ersten Kaiserzeit stam-
men,^ wenn anders, wie behauptet wird, die Angabe der Fasten »Cretico et Long, cos.«
dem Consulate des A. Licin. Nerva und Q. Caec. Met. Creticus (760 d. St.) entspricht.
Bedeutender war der Lacus Servilius, ein Brunnen in der Nähe der Mündung des Vicus
lugarius in das Forum und bei der Basilica lulia, welcher durch die Ausstellung der
Opfer der sullanischen Proscription berüchtigt geworden war und später nicht ohne Bezug
auf jene Gräuelscenen von M. Agrippa mit dem Bilde einer Hydra geschmückt wurde. "^
Weniger klar ist die Lage und Gestalt des Aequimelium, ein Name, der von Sp.
Melius abgeleitet wird, dessen hier befindliches Haus nach seinem Supplicium geschleift
worden war [aequata Meli domus)."' Eine Notiz, welche von einer Substruction des Ca-
pitols über, d. h. neben dem Aequimelium spricht,^ macht die Annahme Becker's^ nicht
zulässig, dass dieses nur mittelbar an den capitolinischen Hügel stiess, und dass der Vicus
lugarius zwischen beiden war. Wenn übrigens die Sage von dem geschleiften Hause des
Spurius Melius Sinn haben soll, so dürfen wir uns auch unter der fraglichen Locahtät nicht
eine Strasse, die allenfalls neben dem Vicus lugarius sich hinzog, wie Becker zu glauben
scheint, denken, sondern es ist am natürlichsten , einen kleinen Platz darunter zu ver-
stehen, und dieser konnte sehr wohl ebenfalls am Fusse des Capitolium liegen , wenn er
nur, wie das auch heutzutage noch oft der Fall ist, eine Ausweitung einer Strasse (hier
des Vicus lugarius) bildete, die nach wie vor ihren eigenen Namen behielt. In baulicher
Beziehung wissen wir von beidem nichts. Ebensowenig von dem Vicus Tuscus selbst,
der indess eine grosse und belebte Strasse gebildet haben muss , welche ungeföhr in der
Mitte der südwestlichen Langseite des Forum Romanum , in der Kaiserzeit wahrschein-
lich zwischen der Basilica lulia und dem Castortempel ihren Anfang nahm. Ausser einem
' Paul. Diac. s. v. lugarius. * Liv. XWII. 37. ^ Curios. Urb. R. Reg. Vm. Fest. s. v. Servilius.
Liv. XXXV. 21. ^ Fast. Amitern. et Capran. IV. Id. Aug. (Foggini, Fastorum anni Romani &c. reliquiac.
R. 1779. fol. 112.) « Fest. s. v. Servilius. Cic. p. Rose. Amer. 32. Senec. de provid. 3. ' Varro L.
L. V. 32. 43. (p. 156. Speng.). — Liv. IV. 16 et al. « Liv. XXXVIII. 28. " Hdb. d. röm. Alterth. Bd. I.
S. 486.
Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palalinus und Aventinus. 331
lebhaften Handel mit Spezereien ^ (woher auch der spätere Name vieus turarius),^ mit
Seidenstoffen' und Anderem war der Vicus Tuscus auch der Sitz der Prostitution.*
Von den Bewohnern der Nova Via, welche zwischen dem Vicus Tuscus und dem
Palatin sich hinzog, wissen wir aus einer allerdings etwas böswillig geförbten Stelle einer
Komödie,^ aus welcher überdiess der Gegensatz zwischen Vicus Tuscus und Nova Via
hervorgeht, dass sie wegen Unverlässigkeit in der Geschäftswelt im Verrüfe waren. Denn
nichts anderes als die Gebäudereihe an der Nova Via kann unter dem Ausdrucke » hinter
dem Castortempel « verstanden werden, worauf sonderbarerweise Becker ^ trotz der
sonst in der angezogenen interessanten Stelle des Plautus liegenden Schwierigkeit nicht
gekommen ist, indem er, sich selbst allen Raum für eine Häuserreihe der Nova Via
wegnehmend, auch noch hinter dem Castortempel den Vicus Tuscus annimmt. Diese
Strasse aber zweigte, wie diess schon früher (S. 141) erörtert worden ist, wahrscheinlich
südwestlich vom Castortempel von dem Forum Romanum ab, und zog sich so am Fusse
des Palatinus hin, dass sie nur auf einer Seite eine Häuserreihe gehabt zu haben scheint.
An dem Theile der Nova via, welcher dem Forum Romanum nahe war [infima nova via),
befand sich der mehrerwähnte Altar des Ajus Loquens , welcher einer ominösen Stimme,
die man vor der Einnahme Roms durch die Gallier hier gehört haben wollte, seine Ent-
stehung verdankte."^ V^eiter südwestlich aber lag ein Rundtempel, dessen Ueberreste
noch besonders besprochen werden sollen (S. Teodoro). Nahe am Ende dieser Strasse,
welche wenigstens bis zur Porta Romanula, dem uralten Aufgange an der Westecke des
Palatin, reichte, befand sich noch das Heiligthum der Volupia^ und das angebliche Grab-
mal der mythischen Acca Larentia,^ welche beide auch schon zum Velabrum gehörten.
Wie schon aus dem Gesagten hervorgeht, ist die Gränze zwischen Vicus Tuscus
und Velabrum nicht genau zu ziehen, da der Vicus Tuscus selbst noch in das Velabrum
hin sich erstreckt zu haben scheint. Auch war gewiss nicht, wie Becker ohne ausrei-
chenden Grund will, die Gränze der achten und elften Region zwischen dem Vicus
Tuscus und dem Velabrum, denn wenn — wie anerkannt — der Regionär kein Inhalts-,
sondern ein Gränzverzeichniss der Regionen ist, so kann die Aufzählung der Gebäude
an der Südwestgränze der VHI. Region,'"* welche vorzüglich genau ist, die HinzufUgung
des Vicus Tuscus, dessen Linie überdiess dem Gränzsysteme gar nicht entspricht, un-
möglich gestatten. Die Gränze war vielmehr unmittelbar südwestlich von den Gebäuden
des Forum Romanum, von dem Vesta-, Minerva-, Castortempel und der Basilica lulia
' Horat. Ep. II. 1. v. 269. * Schol. Cruq. ad Hör. Sat. II. 3. v. 228, ^ Martial. XI. 28, v. H.
' Horat. Sat. II. 3. v. 228. Plaut. Cure. IV. 1, 2^ (v. 482.) » Plaut. 1. c. 20. (v. hSi.) « Hdb. d. röm.
Alterth. Bd. I. S. 489 fg. Anni. 1020. ' Cic. de div. I. 45. H. 32. — Gell. (Varro) XVI. 4 7. Liv. V. 32, 50.
V2. Plut. Gamill. 30. de fort. Rom. 5. * Varro L. L. V. 34, 46. (p. 164. Speng.) • id. VI. 3, 58. (p. 205.
Sp.; Cic. ep. ad Brut. 15. Macrob. Sat. I. 10. *" Curios. D. R. Reg. VIII.
42*
332 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capilolinus, Palatinus und Aventinus.
und umschloss dann zunächst den Vicus lugarius entlang das Capitolium. Der Narae
Velabrum hat sich an einer Kirche bis auf den heutigen Tag erhalten, nemlich an S. Gior-
gio in Velabro, welche durch das anstossende Denkmal des Septimius Severus zugleich
die Gränze zwischen dem Velabrum und Forum Boarium bezeichnet. Ausser diesem Na-
men hat jedoch nichts von diesem Bezirke die Jahrtausende überdauert. Es wird indess
auch im Alterthume trotz der zahlreichen Erwähnungen des Velabrum nie hervorragen-
der Tempel oder Staatsgebäude Erwähnung gethan. Der ganze Raum war jedoch sicher
von Privatgebäuden dicht besetzt, sowie auch von starkem Verkehr belebt und ausser
OeP und anderen gemeineren Küchenvorräthen scheinen namentlich die zahlreichen da-
mals gangbaren Leckerbissen dort feilgeboten worden zu sein.^
An das Velabrum schloss sich südwestlich das Forum Boarium , der dem Flusse
zunächsthegende Theil der Niederung an , einer der berühmtesten Plätze des alten Rom,
mit Tempeln und anderen Denkmälern reich geschmückt, die nicht, wie das namenthch
bei den Kaiserforen der Fall war, durch die Prunksucht eines Cäsaren mit einem Schlage,
sondern allmälig entstanden waren und auf die verschiedensten Epochen der Republik
zurückwiesen. Von den vier noch fast vollständig erhaltenen Denkmälern, welche zu den
schönsten unter den Ruinen Roms überhaupt gehören, wird besonders gesprochen wer-
den. Hier soll zunächst die antike Gestalt des Forum eine gedrängte Erörterung finden.
Dass nordwestlich das Forum Boarium in der Gegend der kleinen Ehrenpforte des
Septimius Severus bei der Kirche S. Giorgio in Velabro (von welchen die erstere nach der
Inschrift noch am Forum selbst oder wenigstens an der Gränze stand, während die letz-
tere nach ihrem Namen bereits in's Velabrum hinreichte) an das Velabrum gränzte, wurde
schon oben erwähnt. Südwestlich wurde der Platz von dem Circus Maximus und zu-
nächst von einem vor den Carceres stehenden Tempel , dessen Ueberreste noch beson-
ders besprochen werden sollen, begräiizt, südöstlich vom Tiber, worin die ursprüngliche
Hauptbedeutung des Forum ihren Grund gehabt zu haben scheint, und nordöstlich von
der servischen Mauer und dem ausserhalb liegenden Forum Olitorium. Von dem letzte-
ren und dessen baulichen Ueberresten wurde schon im vierten Abschnitte gesprochen
und es kömmt desshalb hier nur mehr die servische Mauer in Betracht. Diese aber zog
sich, was von keinem neueren Topographen bezweifelt wird, von dem nordwestlichen
Rande des capitolinischen Hügels an dessen südlichstem Punkte herunter und lief dann
auf dem kürzesten Wege dem Flusse zu, wo sie nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des
Dionys,3 der die Flussseite »mauerlos« nennt, endigte, um erst an dem der Nordspitze
des Aventin zunächsthegenden Uferrande wieder zu beginnen. Der Mauerzug vom Capi-
• Plaut. Capt. 111. 1, 29. (v. 489.) * Horat. Sat. II. 3. v. 229. Schol. Cruq. ad 1. c. ^ Dionys. V. 23.
Liv. II. 10. Vgl. Becker, Hdb. d. röm. Alterth. Bd. I. S -143 fg.
Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinus und Aventinus. 333
tole bis zum Flusse war aber von zwei mehrerwähnten Thoren unierbrochen , von wel-
chen das eine, welches sich dem Capitolinus zunächst befand,^ von einem urallen Altare
der Carmentis ^ porta Carmentalis hiess und jenes Doppelthor war, dessen rechter Durch-
gangsbogen seit der Cremera-Niederlage der Fabier, welche durch ihn ausgezogen wa-
ren, als porta scelerata forthin gemieden wurde. ^ Ein zweites Thor war die Porta Flu-
mentana,* näher am Flusse gelegen, wie schon ihr Name besagt, und ohne Zweifel das
Forum Olitorium mit dem Forum Boarium verbindend, während das erstere Thor vom
Forum Olitorium in den Vicus lugarius und durch diesen auf das Forum Romanum führte.
Dass aber die von den antiken Topographen ebenfalls in dieser Mauerlinie angenommene
Porta Triumphalis nicht bloss nicht hier , sondern überhaupt nicht im servischen Mauer-
ring liegen konnte, ist von Becker ^ überzeugend dargethan worden.
Das Forum Boarium selbst war ein von Hallen und Tempeln, wohl auch von Pri-
vatgebäuden umgebener Platz , in dessen Mitte gewissermassen als Wahrzeichen der
Localität ein aus Aegina weggeschleppter eherner Stier stand. ^ Doch die Ableitung des
bestimmt älteren Forumnamens von diesem Bronzewerke ^ ist so bestimmt falsch , wie
die mythische von den Rindern des Hercules ; es diente vielmehr , wie die benachbarten
Handelsplätze des Forum Olitorium , Velabrum und Vicus Tuscus für Getreide , Lecker-
bissen und Gewürze, so dieser Platz seit früher Zeit als Rindermarkt, und daher stammte
in der natürlichsten Weise, wie auch beim Forum Olitorium und Piscatorium, der Name.^
So geschah es ohne Zweifel auch bei Gelegenheit eines Ochsenmarktes, dass ein Rind
von freien Stücken bis in das dritte Stockwerk eines am Forum Boarium stehenden Hau-
ses hinaufstieg und dann vom Geschrei der Bewohner scheu gemacht, sich herabstürzte.^
Unter den Tempeln selbst aber waren die hervorragendsten der Tempel der Fortuna und
der Tempel der Mater Matuta, beide von Servius Tulhus erbaut,^ ° der Cerestempel nahe
am Circus, von welchem noch besonders gesprochen werden wird und die Tempel des
Hercules, deren mindestens drei waren, wenn nicht sogar vier, wie Becker wahr-
scheinlich findet.^ ^ Einer davon wird ausdrücklich als Rundtempel angegeben,^^
wesshalb die Vermuthung mehr als wahrscheinlich wird, dass die schöne Ruine auf
Piazza della Bocca di veritä nicht ein Vesta-, Sibylla- oder Cybele-Tempel, sondern
dieser Herculestempel gewesen sei. Ausser dieser Ruine ist noch ein anderer Tempel
erhalten (jetzt S. Maria Egiziaca), welcher fölschlich der Fortuna Virilis zugeschrieben
wird. Von grösserer Bedeutung als die meisten Tempel war die uralte Ära Maxima
• Liv. XXIV. 47. XXV. 7. XXVII. 37. ' Dionys. 1. 32. Solin. 1, <3. Serv. ad Virg. Aen. VIII. 337.
•' Liv. II. 49. Ovid. Fast. II. v. 201 et al. * Liv. XXXV. 9. 21. " De Romae vet. muris atq. port. Lps. <842.
p. 81 sq. * Pün. H. N. XXXIV. 2, 5, 10. ^ Ovid. Fast. VI. v. 478. Tacit. Ann. XII. 24. * Varro L. L.
V. 32. 40. (p. 447. Sp.) ' Liv. XXI. 62. *" Dionys. IV. 27. Liv. V. 19. XXXIII. 27. " Hdb. d. röm.
.\lterth. S. 477. ** Liv. X. 23.
334 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitoliniis, Palatinus und Aventinus.
des Hercules, welche durch die Sage bis auf diesen selbst oder auf Evander zurück-
geführt wirdJ
Diese aber, wie auch der Tempel der Ceres, des Liber und der Libera, waren
den Carceres des Circus Maximus nahe, welcher den Thalarm, der sich am Velabrum
und Forum Boarium zwischen den Palatin und Aventin hineinerstreckte, einnahm. Dieses
Thal des Circus trug nach einem uralten Altare der dea Murcia vormals und auch
später in der Dichtersprache den Namen ad Murcim^ oder ad Murciae,^ einem Beina-
men der Venus, welcher gewöhnlich als Murtea oder Myrtea aus den Myrthengesträu-
chen, mit welchen die Niederung vormals bedeckt gewesen sein soll, erklärt wurde,*
von Anderen mit murcidus (ohne Thatkraft, von den Einwirkungen der Göttin Venus)
in Verbindung gebracht,^ von den Dritten von Murcus. einem alten Namen des Aven-
tin, abgeleitet wurde. ^ Wie auch schon aus den Sagen vom Velabrum hervorgeht, war
das Myrthenthal vormals tiefer, und wurde erst bei der Anlage des Circus durch Auf-
schüttung trocken gelegt.^ Der Circus war von Alters her mit Heiligthümern umsäumt,
w^elche namentlich an der Halde des Aventin in grosser Zahl standen, die im Einzelnen
bei der Beschreibung des Circus Maximus und auch des Aventinus erwähnt werden sollen.
62. Der angebliche Tempel der Fortuna Virilis. (S. Maria Egiziaca.)
Von dem wegen des Wasserstandes sich selten lohnenden Versuche die Pfeiler-
reste der letztbesprochenen, als angeblicher pons subhcius gleichsam wie die FataMorgana
eines topographischen Märchens erscheinenden Brücke zu besehen zurückgekehrt, über-
schreiten wir, das transtiberinische Gebiet wieder verlassend, auf Ponte rotto oder fer-
rato, den wir oben als die äniilische Brücke nachgewiesen haben, den Tiber und
erblicken, kaum wieder am linken Flussufer angelangt, rechts einen kleinen, wohler-
haltenen Tempel, dessen Stirnseite nach Norden gekehrt ist. Die Substruction, welche
eine Länge von 20, eine Breite von i2l und eine Höhe von 3,4o Met. hat, besteht aus
Tufquadern, welche mit Travertinquadern bekleidet sind. Die Cella war sammt aller
architektonischen Ausschmückung mit Stuck bekleidet, der jedoch grösstentheils ver-
schwunden ist und die nackten Tufwände sehen lässt. Der Tempel hatte vier Säulen
in der Fronte (Tetrastylos) und sieben an jeder Seite, von welchen im Alterthume die
beiden der Fronte nächsten, wie die der Fronte freistehend waren. (Jetzt ist der ganze
* Dionys. I. 40. Ovid. Fast. I. 581. Serv. ad Virg. Aen. VIII. v. 274. Tacit. Ann. XV. 41. Solin. 1.10.
'' Vario L. L. V. 32, 43. (p. 454 Sp.) ' Liv. 1. 33. * Plin. H. \. XV. 29, 36, 121. Plut. Quaest. Rom.
20. ^ Serv. ad. Virg. Aen. VIII. v. 636. " Paul. Diac. s. v. Murciae. Augustin. de civ. Dei. IV. 16.
' Dionvs. III. 44.
I
Der .mgebliche Tempel der Forluna Virilis. ' 335
Pronaos vermauert und zur Kirche gezogen.) Die übrigen fünf Säulen der Langseite
sind als Halbsäulen an die Cellamauer angelehnt, ebenso auch die vier an der Rück-
seite (Pseudoperipteros). Die Schäfte dieser Halbsäulen mit Ausnahme der beiden an
den Ecken der Rückseite sind von Tuf, Basen und Capitäle, sowie die ursprünglich
freistehenden Säulen und das ganze Gebälke von Travertin. Die Säulen sind ionischer
Ordnung und canellirt, die attischen Basen mit Plinthus 0,3o, die Schäfte 7, 30, die Ca-
pitäle 0,40 Met. hoch. Die Schäfte haben unten 1, oben 0,86 Met. im Durchmesser.
Während die übrigen Capitäle Seitenvoluten haben, zeigen die vier äussersten die Spi-
ralen in einem Winkel zusammenstossend, wodurch eine Eckvolute gebildet wird. (Vgl.
Einleitung S. 18.) Das Gebälke, von welchem der Architrav 0,62, der Fries 0,5o und
das Gesimse i,io Met. in der Höhe misst, ist nur an der Westseite ganz erhalten und
zeigt im Fries noch schwache Spuren von Genien mit Blumengewinden und Cande-
labern; die Gliederungen des Carnieses sind mit Zahnschnitten, dem Eierstab, mit
Akanthosornamentik und an dem obersten Leisten mit Löwenköpfen geschmückt, welche
Zierden jedoch grösstentheils durch den Stucküberzug, der vormals den ganzen Tem-
pel bedeckte, ausgedrückt sind.
Die Topographen nennen ziemlich tibereinstimmend dieses Gebäude Tempel der
Fortuna Virilis. Dieser Name erscheint jedoch, wie bereits durch Bunsen geltend ge-
macht wurde, durchaus grundlos.'' Dionysius v. H.^ nennt zwar ausdrücklich eine For-
tuna am Forum Boarium, fügt aber hinzu, dass Servius Tulüus noch einen anderen
Fortunentempel der »Tyche Andreia« am Tiberufer erbaut habe. Damit ist vorläufig
wenigstens der Gegensatz gegeben, welcher den letzteren vom Forum Boarium aus-
schliesst. Plutarch^ aber erklärt die auch anderwärts erwähnte Fors Fortuna (der glück-
liche Zufall) irrthümlich als Fortis Fortuna und nennt sie die starke , siegreiche , tapfere
dvd^et'a), woraus sich das ganze Missverständniss auch bei Dionys dahin erklärt, dass die
Tyche Andreia hier nichts anderes als eine irrige Uebersetzung des Namens Fors Fortuna
sei, mithin der aus dem Griechischen übertragene Name Fortuna Virilis auf einer Ver-
wechselung beruhe. Denn ein Heihgthum der Fortuna Virilis wird zwar ausdrücklich
auch von Ovid erwähnt, allein nicht genauer als ebenfalls in der Nähe des Flusses lie-
gend {gelida riiii locus humet aqua) * bezeichnet. Dieses aber ist von dem servischen Tem-
pel der Fors Fortuna ganz verschieden. Der Tempel der Fors Fortuna des Servius
Tullius aber (es gab wahrscheinlich noch zwei andere desselben Namens, von denen
der eine bei dem des Servius, der zweite weiter stromabwärts lag,^ die jedoch hier nicht
* Beschreib, d. Stadt Rom. Bd. III. Abth. 1. S. 665. * IV. 27. * de Fort. Rom. 5. * Ovid. Fast.
IV. 445 sq. (Es fragt sich freilich, ob »gelida« dem »calida" einiger Handschriften vorzuziehen sei.) cf. Plut.
Fort. Rom. 4 0. Quaest. Rom. 74. * Liv. X. 46. Tacit. Ann. II. 41. Ovid. Fast. VI. 773 sq. Fast. Amitern.
VIII. Kai. lul. (Foggini, Fast. a. Rom. R. 4 779. fol. 14 0.)
336 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinos und Aventinus.
in Betracht kommen), befand sich ausserhalb der Stadt ^ und am jenseitigen Ufer des
Tiber, 2 wonach an der Identificirung desselben mit dem Tempel von S. Maria Egiziaca
nicht mehr gedacht werden kann.
Welcher Name jedoch an die Stelle dieses entschieden irrigen gesetzt werden
soll, ist keineswegs sicher. Es ist möglich, dass der Tempel einer von den vier (?)
des Hercules war, die sich am Forum Boarium befanden (vgl. S. 333), wobei jeden-
falls an den ämilischen (?) ^ Rundtempel * wie an den Tempel des Hercules Victor,^ der
sich bei der Ära Maxima und näher am Gircus befand, nicht gedacht werden kann. Auch
der auf demselben Forum stehende Tempel des Hercules Invictus, der jedoch wahrschein-
lich mit dem Hercules Victor identisch ist und ausdrücklich ad circvivi iviaxim ^ genannt
wird, kann nicht hierher bezogen werden, und so käme nur der des Pompeius Magnus'^
hier in Frage. Dieser aber war kaum von so schlichtem Material. Möglich ist ferner, dass
die Ruine der Tempel der Fortuna , von welcher kein besonderer Beinamen überliefert
ist, welche jedoch auf dem Forum Boarium stand und ebenfalls wie die Fors Fortuna
von Servius TuUius erbaut worden war,^ gewesen sei; denn die Behauptung Becker's,^
dass man diesen Tempel an der Stelle von S. Maria in Cosmedin zu suchen habe, ent-
behrt aller reellen Begründung, es wird vielmehr der Fortunatempel mit dem der Mater
Matuta ausdrücklich innerhalb des carmentalischen Thores genannt, ^^ was die Nähe des-
selben bezeichnet und der Lage des Tempels am Circus widerspricht. Nach dieser Notiz
participirt auch der Tempel der Mater Matuta an der Möglichkeit, wie auch überdiess das
kleinere Heiligthum der Pudicitia Patricia, welches ausdrücklich am Forum Boarium und
dem Rundtempel des Hercules nahe liegend erwähnt wird."*^ Wenn jedoch Becker ^^ g^f
diese Angabe hin ausser dem letztgenannten Heiligthum keine Möglichkeit findet, so ist
dagegen nur zu erinnern, dass auch fast alle andern Tempel des Forum Boarium dem
Rundtempel ungeföhr ebenso nahe gelegen sein mussten , und dass es nicht einmal aus-
gemacht ist, ob das Heiligthum der Pudicitia hier wirklich ein vollständiger Tempel war,
wogegen die Notiz bei Festus^^ »die Bildsäule der Pudicitia am Forum Boarium beim
ämilischen Tempel des Hercules « im Zusammenhalt mit der Bezeichnung » sacellum der
Pudicitia bei dem Rundtempel des Hercules«^'* bedenklich machen muss. Wie leicht ist es
überdiess möglich, dass dieser Tempel in den Schriften des Alterthums nie erwähnt
wurde, so dass vielleicht keiner von den erwähnten Tempelnamen auf die Ruine anwend-
bar wäre. Soweit sich aus dem angewendeten Material , wie aus der Architektur und
* Varro L. L. VI. 3, 56. (p. 200. Speng.) * Donat. ad Terent. Phorm. V, 6, 1. cf. Fast. Amitern. 1. o.
üvid. Fast. 1. c. ' Fest. s. v. Pudicitiae. * Liv. X. 23. * Macrob. Sat. III. 6. Serv. ad Virg. Aen. VIII.
V. 363. « Fast. Amitern. Prid. Id. Aug. (Fogg. f. -HS.) ^ Plin. H. N. XXXIV. 8, 4 9, 57. « Dionys. IV. 27.
" Hdb. d. röm. .\lterlh. Bd. I. S. 481 fg. *•» Liv. XXV. 7. cf. XXIV. 47. '* Liv. X. 23. '* S. 480
Anm. 1000. '* s. v. pudicitiae. '* Liv. X. 23.
nm^
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Der muthraassliche Rundtempel des Hercules. 337
k Ausführung der Ornamentik schliessen lässt, scheint jedoch der Bau aus der letzten Zeit
der Republik zu stammen.
Im frühen Mittelalter wurde der Tempel in eine Kirche, S. Maria Egiziaca, umge-
wandelt, welchen Namen sie noch trägt. Diesem Umstände verdankt der schöne Ueber-
rest, eine der wohlerhaltensten Ruinen Roms, seine Erhaltung. Doch wurden die Säulen
des Pronaos zu diesem Zwecke vermauert und vier Fenster in jede Seitenwand gebro-
chen. Im Jahre 1718 ward das Hospiz der Armenier an die Ostseite angebaut, die Ge-
bälkornamentik dieser Seite weggenommen und für die Fagade der Kirche S. Maria in
Cosmedin* verwendet. Im Jahre 1830 wurde die Ruine sorgföltig restaurirt und die Sub-
struction grossentheils blossgelegt, so dass jetzt namentlich von der Rückseite der An-
blick des Tempels fast ungeschmälert ist, nicht wenig gehoben durch das interessante
Haus des Cola di Rienzi (Casa di Pilato), welches den Hintergrund bildet.
63. Der muthmassliche Tempel des Hercules. (Angeblicher Tempel der
Vesta.)
Wenige Schritte südlich von dem beschriebenen Tempel , auf der Piazza della
Bocca di Verita und nahe am Tiber befindet sich die schöne und ziemhch wohlerhaltene
Ruine eines Rundtempels, das reizende Original der unter den Veduten Roms wohl am
häufigsten gemalten und gezeichneten Ansicht. Die kreisförmige , ringsum mit Marmor-
stufen umgebene Substruction misst oben 16,7o Met. im Durchmesser und ist 2 Met.
hoch, welcher Höhe etwa zehn Stufen entsprechen dürften, die jedoch theilweise zer-
stört oder verschüttet sind. Rings um den Rand der Substruction erhoben sich zwanzig
korinthische, canellirte Marmorsäulen, von welchen jetzt eine nordöstlich auf der Fluss-
seite fehlt. Die attischen Basen haben keinen Plinth und sind 0,25 Met. hoch; die Schäfte,
welche unten 0,94, oben 0,8o Met. im Durchmesser haben, messen 7, 90, die Capitäle an
1,30 Met. in der Höhe. Von den letzteren sind jedoch nur mehr wenige in ihrer ganzen
Höhe, von dem Gebälke ist nichts mehr erhalten. Die Cella, welche mit der Mauer nur
10 Met. im Durchmesser hat, ist, wenn auch nicht mehr ganz ursprünglich, doch noch
fast in ihrer vollständigen Höhe vorhanden ; der antike Theil davon ist aus demselben
weissen Marmor, wie die Säulen. Sie zeigt den hohen Eingang auf der Ostseite und zu
beiden Seiten Fenster: unter den letzteren, in einer Höhe von 3 Met. vom Boden, läuft
aussen ein einfaches Gesimse rings um die Cella.
Die älteren Topographen theilten diesen Rundtempel seiner Form nach der Vesta
zu, obwohl dafür nicht der geringste Nachweis gegeben werden konnte , ebenso wie der
' Crescimbeni, Stato della Chiesa di S. Maria in Gosmedin. Rom. <719.
F. Rbber, die Ruinen Roms. 43
338 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitoiinus, Palatinus und Aventinus.
Name Tempel der Sibylle, wie er sich im 12. Jahrhundert findet,^ — wenn anders der
Rundtempel darunter zu verstehen ist — nur aus der Form entstanden zu sein schemt.
Neuerlich wurde daraus ein dritter Name, derCybele,^ abgeleitet, der aber bestimmt irrig
ist, um so mehr, als der damit identificirte Tempel der grossen Göttermutter sich dem Forum
Olitorium unmittelbar nahe befand.^ Der Wahrheit näher scheint schon vorher Piale * ge-
kommen zu sein, welcher den Tempel dem Hercules Victor zuschrieb. Ein Herculestempel
wird die Rotunde auch wahrscheinlich gewesen sein, ob aber die aedes rotunda Hercu-
lis^ des Forum Boarium, welche anderwärts näher als ein ämilischer Tempel bezeichnet
wird^ (wenn anders die Correctur des sehr verderbten Textes des Festus richtig ist), mit
dem Tempel des Hercules Victor zu confundiren sei, ist sehr fraglich.' Nach der Arbeit
namentlich an den Capitälen dürfte die Zeit der Erbauung des Tempels in der zweiten
Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr. zu suchen sein, in welche Zeit jedoch nicht
der ursprüngliche Bau, sondern wahrscheinlicher eine umfänglichere Restauration zu
setzen ist.
Angeblich soll erst Papst Sixtus IV. im 1 3. Jahrhundert den Tempel in eine Kirche
verwandelt und dem heil. Stephan geweiht haben , wahrscheinlich diente er aber schon
früher als Kapelle , was die köstHche Ruine allein vor dpr Zerstörung schützen konnte.
Von einem vormals auf dem Platze befindlichen marmornen "Wagen oder vielmehr nach
der nahen darnach genannten Strasse entstand /dann der Name S. Stefano delle Carozze,
der jedoch bald dem Namen Madonna del Sole weichen musste, welcher von einem vor-
züglich verehrten Marienbilde in dieser Kirche herrührte. Die Umwandlung in einen
christlichen Tempel hatte an der Ruine wenigstens keine zerstörenden Aenderungen zur
Folge, zumal die innen roh behauenen Marmorquadern schon im Alterthume mit Stuck
bekleidet waren ; die Säulenweiten aber wurden mit Mauern ausgefüllt , wie es scheint,
um sie zu solidiren, weil man ihnen sonst die Last des modernen Daches nicht zumuthen
zu können glaubte. In diesem entstellten Zustande, in welchem wir die Ruine oft und
bis Venuti^ abgebildet finden, verblieb sie auch bis 1810, in welchem sie den Charakter
einer Kirche wieder verlor, von den modernen Anbauten befreit und soweit als möglich
blossgelegt wurde. Die höchst elende Bedachung, welche jetzt auf den verstümmelten
Capitälen selbst und auf den nach oben ergänzten Mauern der Cella ruht, gibt zwar dem
Ganzen den Ausdruck einer zur äussersten Dürftigkeit herabgekommenen früheren Herr-
lichkeit, die malerische Wirkung der Ruine aber scheint durch den Contrast sogar noch
' Ord. Rom. (H4 0.) Mabillon, Mus. Ital. Tom. II. p. 125. c. 16. " (Bunsen) Beschreib, d. Stadt Rom.
Bd. III. Abth. 1. Nachträge. S. 664. " Ovid. Fast. II. 55 sq. Vgl. S. 336. Anm. 10. * Del tempio volgarmente detto
di Vesta. Rom. 1817. * Liv. X. 23. ** Fest. s. v. Pudicitiae (ubi famillana aedisset Herculis = ubi Aemiliana
aedis est Herculis). ' Becker, Hdb. d. röm. Alterth. Bd. I. S. 475 fg. — Vgl. S. 336. * Accurata e succinta
descriz. topograf. delle antichitä di Roma. Ed. 2J'. Roma 1803. Part. II. p. 51.
Der Tempel der Ceres, des Liber und der Libera.
339
zu gewinnen. Die grosse Thüre, welche wohl ursprünglich — der Marmorsturz fehlt —
nicht die gegenwärtige Höhe hatte , ist jetzt durch einen fohen Bretterverschlag ersetzt,
die Fenster sind vermauert. Im Innern der Cella, wo noch Reste christlicher Malereien
sichtbar sind, befindet sich eine kleine Sammlung von einigen in der Nähe gefundenen
Marmorfragmenten , worunter besonders ein Stück von der Decke des Säulenumgangs,
das cassettirt und mit schönen Rosetten verziert ist, die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
64. Der Tempel der Ceres, des Liber und der Libera. (S. Maria in Cosmedin.)
Südöstlich von dem eben beschriebenen Tempel, auf der entgegengesetzten Seite
der Piazza della Bocca di Veritä steht die Kirche S. Maria in Cosmedin, für uns besonders
durch den Umstand interessant, dass
sie über den Ruinen eines antiken
Tempels gebaut ist. Tritt man von
dem durch seine Inschriften merk-
würdigen Atrium in das Innere der-
selben, so findet man in den Wän-
den der Kirche sechs antike Säulen,
nach ihrer Anordnung zu urtheilen,
welche für den Bau der Kirche ohne
besonderen Zweck wäre, auf ihrem
ursprünglichen Platze, nemlich an
der linken Seitenwand drei dersel-
ben, zur Hälfte aus der Mauer her-
vorragend , die drei anderen an der
Portalwand, zwei (für den Eintre-
tenden) zur Linken , eine zur Rech-
ten des Einganges. Die Ecksäule
zwischen den drei Säulen der Seitenwand und den drei der Rückwand fehlt. Geht man
in die auf der rechten Seite der Kirche befindlichen Sacristeien , so findet man in der
ersten eine grösstentheils überkleistert , in der zweiten zwei Säulen in die Pfeiler einge-
mauert, in dem dritten Gemache eine frei in der Mitte stehend. Diese vier Säulen laufen
in einer Linie mit den in der Portalwand befindlichen , und zwar so , dass keine aus der
Reihe dieser sieben fehlt. Alle zehn aber sind ziemlich wohl erhalten ; die vier in den
Seitengemächern aber nicht ganz sichtbar, da sie durch die Decke in das zweite Stock-
werk reichen. Durch diesen Umstand kann man oben ein Capital ganz in der Nähe
*3*
33. Grundplaii von S. Maria in Cosmedin mit den SUiilen des Cerestempels.
(Nach Canina.)
340
Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinus und Aventinus.
sehen, ein anderes links neben der Orgel von der dem Portale zunächststehenden Säule,
von welchem ich eine Abbildung beifüge. Die Säulen sind von weissem Marmor , die
attischen Basen mit Plinth 0,45,
die canellirten Schäfte, welche un-
ten 0,68, oben 0,59 Met. im Durch-
messer haben, 5, so, die Capitäle
0,82 Met. hoch. Die letzteren, com-
positen oder römischen Styls, jener
an römischen Bauten nicht selte-
nen Verbindung des korinthischen
und ionischen Capitälschmuckes,
sind von vorzüglich schöner Ar-
beit und verrathen eine hervor-
ragende Kunstepoche. In der öst-
lichen Wand der Sacristei sind
noch Reste der Cellamauer vor-
handen. Die Tufblöcke derselben
zeigten noch Spuren der ehema-
ligen Marmorbekleidung.
Dass die beschriebenen Säulen
einem Tempel angehörten, wurde von den Topographen mit Ausnahme Piale's , der sie
ziemlich grundlos der Schola Cassia zuschreibt, einstimmig angenommen. Doch von den
Namen der Pudicitia, der Matuta und der Fortuna , welche man der Ruine abwechselnd
gab , hat der erstere , da die Ueberreste auf keine Kapelle , sondern auf einen ziemlich
grossen Tempel schliessen lassen , gar keine , der zweite und dritte wenig Wahrschein-
lichkeit für sich, da sie nicht anders als ganz allgemein am Forum Boarium liegend
bezeichnet werden, und die ganz ungenügend motivirte Auffrischung der Identität der
Fortuna mit unseren Ueberresten durch Becker^ erklärt sich nur durch dessen Oppo-
sition gegen die weit begründetere Annahme Canina's,^ welcher die Säulen dem Tem-
pel der Göttergruppe Ceres, Liber und Libera zuschreibt. Dieser Tempel aber wird
nicht bloss »bei« und »neben« dem Circus Maximus ^ und in der XI. Region* be-
findlich genannt, sondern auch ausdrücklich »am Ende desselben und oberhalb [vneQ)
der Schranken.«^ Becker nun versetzt danach dieses Heiligthum auf den Aventin,
allein wer die Formation dieses Hügels kennt, muss zugestehen, dass dann die Be-
34. Composit-Capilll von S. Maria in Cosmedin. (F. R.)
* Hdb. d. röm. Alterth. Bd. I. S. 481 fg. " Gli Edifizj di Roma antica. R. -1848. p. 87. » Vitriiv. III.
3. — Plin. H. N. XXXV. >12, 45, 154. — Tacit. Ann. II. 49. * Curios. U. R. Reg. XI. " Dionys. VI. 94.
i
Der Tempel der Ceres, des Liber und der Libera. 341
Zeichnung der Lage eines solchen Tempels durch den Circus und insbesondere der
Carceres eine höchst unpassende wäre, da namentlich die letztere Angabe doch auf
eine grössere Nähe der beiden Punkte Anspruch machen würde. Auch wäre dann
schwer zu verstehen, was Dio Cassius* von dem Brande im J. 723 d. St. (31 v. Chr.)
sagt, welcher vom Circus ausgehend den Tempel der Demeter und der Spes auf dem
Forum Olitorium ergriff. Die Continuität des Brandes ist damit auf keinen Fall vollstän-
dig gegeben, nimmt man aber den Cerestempel nordwestlich vom Circus, also nach
Dionys wörtlich am Carcerende desselben, so bezeichnet Dio doch wenigstens die
Richtung, da auch der Spestempel noch weiter nordwestlich gelegen sein musste, und
es wird auch der Abstand wesentlich verringert. Das vne^ des Dionysius aber, worauf
Becker's Annahme eigentlich fusst, kann hier nicht so fast als » oberhalb « hinsichtlich
des Niveaus, als vielmehr durch »darüber hinaus«, was auch die eigentliche Bedeutung
des Wortes ist, erklärt werden, wonach die doppelte Bezeichnung des Dionysius in
ihrem' vollen Sinne auf die Gegend von S. Maria in Cosmedin passt. Dazu kömmt noch,
dass der Tempel am Anfange der Kaiserzeit noch als tuscischer Bau genannt wird,^
was mit unseren wirklich ausserordentlich weit gestellten Säulen (Abstand von fast
4 Durchmessern) im vollsten Einklänge steht. Eine sumptuose Restauration substituirte
zwar auch hier, wie diess beim capitolinischen lupitertempel geschah, Säulen anderen
und zwar römischen Styls, doch der tiiscische Grundplan scheint unverändert geblie-
ben zu sein.
Der Tempel der drei Gottheiten Ceres, Liber und Libera wurde von dem Dicta-
tor A. Postumius im J. 237 d. St. (497 v. Chr.) in Folge des damals herrschenden
Mangels an Lebensmitteln gelobt und drei .Tahre darauf von dem Consul Spurius Cas-
sius Viscellinus erbaut und geweiht.^ Es war der erste Bau, welcher in den Sculptur-
werken und Malereien dem griechischen Meissel und Pinsel Raum gab, während die
Architektur noch tuscisch verblieb.* Von den interessanten Werken der alten griechischen
Meister Bamophilos und Gorgasis, welche den Tempel ausgeschmückt hatten, scheinen
die meisten in dem Brande zu Grunde gegangen zu sein, welcher im J. 723 d. St.
(31 V. Chr.) die Gegend vom Circus bis zum Forum Olitorium verwüstete, auch, wie
ausdrücklich erwähnt wird, ein berühmtes, den Dionysos darstellendes Gemälde des Ari-
stides,^ wohl dasselbe, auf welches König Attalus sechzehn Talente schlug, wodurch
Mummius, der die Kunst leider weder kannte noch schätzte , auf das Gemälde aufmerk-
sam und zu dem Entschlüsse bewogen wurde, es selbst nach Rom mitzunehmen.^
Augustus unternahm mit Sorgfalt und Aufwand die Wiederherstellung des Tempels,
welche Tiberius vollendete.' Von weiteren Aenderungen ist nichts bekannt,
' L. -tO. * Vitruv. 1. c. ■ Dionys. VI. <7, 94. * Vgl. S. 340. Anm. 3. » Strab. VIII. 23.
p. 381. « Plin. H. N. XXXV. 4, 8, 24. ' Tacit. 1. c.
342 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinus und Avenlinus.
Die Restauration der Gestalt des Tempels nach den Ueberresten ist mit Schwie-
rigkeiten verbunden. Einerseits scheint es am natürlichsten , die Stirnseite dem Forum
Boarium zugewendet, also in derselben Lage wie die Fagade der Kirche anzunehmen,
wonach der Tempel den Carceres des Circus Maximus den Rücken zugewandt hätte,
anderseits wird diese Annahme erschwert durch andere Ueberreste , welche sich in einer
Scheune rechts neben der Absis der Kirche befinden. Es sind diess Kammern mit Ton-
nengewölbe aus massiven Travertinblöcken , welche kaum zur Cella gezogen werden
können, obwohl man daran denken möchte , besonders weil der Tempel wahrscheinlich,
wie der capitolinische, für die drei Gottheiten drei Cellenabtheilungen hatte. Wahrschein-
licher ist, abweichend von der Stellung der Kirche, die sieben Säulen der Langseite
und die drei der Stirnseite zuzuschreiben , bei welcher Annahme die erwähnten Kam-
mern ausserhalb zu liegen kommen. Auch wird dadurch eine andere Notiz erklärbar,
nach welcher einst ein Orkan einen Thürflügel des auf dem Aventin befindlichen Luna-
tempels losgerissen und an die Rückwand des Cerestempels herabgeschleudert haben
soll.^ Ueberdiess wird der Cerestempel nirgends als am Forum Boarium liegend genannt,
und es ist auch unwahrscheinhch , dass die Langseite des Tempels unmittelbar an das-
selbe stiess. Auffallend ist noch, dass der Tempel keinen geraden Zugang zum Haupt-
portal der Carceres zuliess, woraus jedenfalls zu schliessen ist, dass die Anlage des
Tempels in eine Zeit gehörte, in w^elcher der Circus Maximus noch nicht zur Prachtanlage
geworden war und in welcher man noch nicht daran dachte, dem Haupteingange zu den
Carceres einen directen und geraden Zugang zu wahren.
Dieser Tempel war frühzeitig zu einer Kirche benutzt, im achten Jahrhundert
aber bis auf die noch vorhandenen Reste abgebrochen worden , als Papst Hadrian die
Kirche umbaute und erweiterte. In dem bezüglichen Berichte des Anastasius ^ wird die
Kirche mit zwei Namen, S. Maria in schola graeca und S. Maria in Cosmedin, genannt,
von welchen der erstere auch bei dem Anonymus von Einsiedeln ^ und in den Mirabilien *
sich findet und von einer griechischen Gemeinde, welche sich vormals im Besitze dieser
Kirche befand, herzurühren scheint. Mit diesen Beziehungen zu den Griechen hängt auch
der Name in Cosmedin zusammen , welcher aber verschieden , entweder von der Aus-
schmückung der Kirche oder nach einem Localnamen in Konstantinopel erklärt wird.
Den letzteren Namen hat die Kirche bis auf den heutigen Tag bewahrt und ist auch , mit
geringen Veränderungen, im Innern in ihrem alten Zustande verblieben.
Am linken Ende des Atrium vor der Kirche , jenem Vorbau der Stirnschmalseite,
welcher ohne Zweifel in den Chalcidiken der vorchristlichen Basiliken sein Vorbild hatte,
* Liv. XL. 2. * Anastas. Bibl. de vitis Pontificum. Hadr. I. Paris 1649. p. 113. " Haenel, Archiv f.
Philol. u. Paed. Suppl.-Bd. V. S. 129. * Montfaucon, Diar. Ital. Par. 1702. p. 295 & al.
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Der. lanus Quadrifrons. 343
sieht man eine grosse Marmorscheibe von 1,65 Met. Durchmesser, die ein von Haar und
Bart dicht umflossenes Angesicht mit zwei kurzen stumpfen Hörnern zeigt. Mund, Augen
und Nasenlöcher sind durchbohrt und machen es wahrscheinhch , dass die Platte, welche
nach der Arbeit aus später Kaiserzeit herrührt, zur Mündung eines Brunnens gehört
habe. Nach einer sonderbaren Legende soll diese Maske zur Eidleistung gedient haben,
bei welcher der Schwörende die Hand in ihren Mund stecken musste, indem man glaubte,
dass bei einem falschen Eide der Mund sich schliessen und das Herausziehen der Hand
unmöglich machen würde ; und desswegen gab man ihr den Namen bocca della veritä
(Mund der Wahrheit), der auch auf den Platz vor der Kirche und die Strasse , welche
zum Theater des Marcellus führt, übergegangen ist.
65. Der lanus Quadrifrons.
Von der Piazza della Bocca di Veritä gelangt man in nordöstlicher Richtung zu
einem schönen vierseitigen Bogendenkmal von weissem Marmor. Dieses misst an jeder
der vier Seiten 1 6,20 Met. in der Breite und besteht aus vier gewaltigen Eckpfeilern, von
denen jeder 5,25 Met. im Gevierte stark ist, und welche auf jeder Seite einen Bogen,
mithin zwei sich kreuzende 10, eo Met. hohe, 5,7o Met. breite Durchgänge bilden und in
der Mitte durch ein Kreuzgewölbe verbunden sind. Die Pfeiler sind auf den Aussenseiten
in zwei Reihen übereinander mit Nischen geschmückt, deren Zahl sich, da auf jeden
Pfeiler zwölf — je drei nebeneinander — treffen, auf 48 beläuft, wovon jedoch sechzehn,
nemlich acht an der südlichen und eben so viele an der nördlichen Seite , in Wegfall
kommen, da sie nur angezeigt, jedoch nicht ausgehöhlt sind, was an diesen Seiten nur
bei den mittleren der Fall ist. Der Grund dieser Abweichung ist leicht ersichtlich : die
acht äusseren Nischen der beiden Seiten konnten nemlich desshalb nicht wirklich ausge-
führt werden, weil sonst ihre Höhlungen mit der Vertiefung der äussersten Nischen der
anliegenden Seiten wenn nicht zusammengestossen, doch sich so nahe gekommen wären,
dass die Solidität des Baues theilweise darunter gelitten hätte. Und so höhlte man nur
die mittleren der drei Nischen an diesen Pfeilerseiten wirklich aus , die den Bogendurch-
gängen nächsten, bei welchen zwar sonst kein Hinderniss vorlag , der Symmetrie wegen
ebenfalls nur anzeigend. Die Nischen, von welchen die unteren eine Höhe von 2, 15, die
oberen von 2, 05 Met. haben,. sind von halbzirkeliger Form mit einem Radius von 0,55
und zeigen eine nach Art einer gerippten Muschel gemeisselte Wölbung. Beide Reihen
von Nischen waren durch ein ziemlich stark vorspringendes Gesimse getrennt, von wel-
chem jedoch nur geringe Reste übrig sind. Mehr ist von dem Carnies erhalten , welcher
sich unter der ersten Nischenreihe befindet und die Pfeiler selbst von den Basamentwür-
feln trennt. Im Ganzen hat das Denkmal, soweit es erhalten ist, eine Höhe von 1 2 Met. ;
344 Die Niederung zwischen dem Tiber, C;ipitolii\us, Palatinus und Ayentinus.
das Basament mit seinem Carnies 3,io, der Pfeiler bis zum mittleren Gesimse (dieses mit-
gerechnet) 4,50, von diesem bis zum oberen Carnies 4,4o Meter. Die Bogenschlüssel der
vier Eingänge zeigen noch ihre verstümmelten Figuren in Hochrelief, unter denen maü
eine sitzende Roma und eine stehende Minerva erkennt. Dass auf diesen beiden Stock-
werken ursprünglich noch ein drittes, die Attika , ruhte , zeigen sowohl die Verhältnisse
derselben und der Vergleich mit anderen Bogen, als auch die im nordwestlichen Pfeiler
befindliche noch erhaltene Treppe, welche ursprünglich zu den Kammern der Attika
führte und durch die man jetzt auf die Plattform des Bogens gelangt. Die weit vorsprin-
genden Garniese, wie auch zahlreiche nach ihren Grössenverhältnissen entsprechende
Säulenreste korinthischer Ordnung, welche bei der Blosslegung des Denkmals gefunden
wurden, zeigen, dass der Bogen wenigstens in den zwei unteren Stockwerken zwischen
den Nischen mit Säulen geschmückt war. In den Nischen standen wahrscheinlich Götter-
bilder, die jedoch spurlos verschwunden sind.
Aus der Gestalt und Beschaffenheit dieses Bogens lässt sich — worüber auch die
Antiquare einig sind — leicht schliessen, dass wir hier einen lanus (nicht lanusbogen,
was gegen den römischen Sprachgebrauch wäre) vor uns haben, einen von jenen Durch-
gangsbogen, w^elche die belebteren Plätze Roms schmückten, und zwar einen Quadri-
frons, d. h. einen vierseitigen, einen Bogen mit vier Eingängen. Denn nach der Lage
und Gestalt des Denkmals ist weder an ein Stadtthor, noch an einen Triumphbogen oder
an einen Wasserleitungsbogen zu denken , und andere Bogendenkmäler neben den lani
sind nicht bekannt. Ueber die Zeit der Erbauung dieses stattlichen Denkmals haben wir
keine Nachrichten. Dem Style seiner Ornamentik gemäss gehört er nicht zu den zahl-
reichen lani, welche Domitian errichtete,^ und noch weniger zu einem früheren Denkmale
der Art ; die Sculptur der Capitäle, Gesimse und Bogenschlüssel weist vielmehr auf eine
etwas spätere Kunstepoche hin. Wahrscheinlich steht der Bau dieses lanus im Zusam-
menhange mit der Erbauung der Ehrenpforte des Septimius, welche noch dicht daneben
zu sehen ist, und zu deren Beschreibung ich sogleich übergehen werde. Vielleicht ward
die letztere dem genannten Kaiser nur aus Dankbarkeit für die von ihm auf dem Forum
Boarium aufgeführten Gebäude von den Geschäftsleuten dieses Quartieres errichtet. Der
Vergleich der Sculpturen der Bogenschlüssel mit den constantinischen Reliefs am Triumph-
bogen des Constantin dürfte jedoch kaum zulassen, mit Bunsen^ und Becker ^ den von
der Notitia allerdings in der XI. Region und in dieser Gegend angegebenen Bogen des
Constantin auf diesen zu beziehen.
Die fehdesüchtigen Barone des Mittelalters, besonders des 12. und 1 3. Jahrhunderts,
' Sueton. Dorait. 13. * Beschreib, d. St. Rom. Bd. III. Abth. <. S. 663. ' Hdb. d. röm. Aiterth.
Bd. I. S. 494.
Die Ehrenpforte des L. Septimius Severus. 345
hatten auch dieses Denkmal für ihre Zwecke zu benutzen gewusst. .Die Frangipani , in
deren Besitz es gerathen war, vermauerten die vier Eingänge und setzten einen Thurm
auf die Wölbung, von welchem noch am Anfange dieses Jahrhunderts zertrümmerte
Ueberreste zu sehen waren. Im Jahre 1829 wurde diese barbarische Last dem lanus
vollständig vom Rücken genommen, nachdem schon i. J. 1812 der untere Theil des
Bogens blossgelegt worden war.
66. Die Ehrenpforte des L. Septimius Severus.
Wenige Schritte nordöstlich von diesem lanus erhebt sich die ebenerwähnte
Ehrenpforte des L. Septimius Severus. Sie ist in ihrem Kerne von Backsteinen und mit
Marmor bekleidet und hat, so weit sie erhalten ist, nur die geringe Gesammthöhe von
6,15 Meter; die Tiefe beträgt 2,io, die Weite des Durchgangs 3, 20 und dessen Höhe
4,85 Meter. Zwei Pfeiler, 4,85 Met. hoch, tragen das Gebälke, Architrav und Fries zu-
sammen 0,70 , und der Carnies 0,45 Met. hoch. Da diess in gerader Linie über dem
Durchgang liegend zugleich den Sturz bildet, so kann diess Denkmal nur sehr uneigent-
lich Bogen genannt werden. Von einer Attika hat sich , wenn überhaupt eine solche ur-
sprünglich vorhanden war, nichts erhalten.-
Die reichen, jedoch ohne Geschmack ausgeführten und überladenen Sculpturen
des Denkmals sind verschieden erhalten , am besten im Inneren des Durchganges. Die
Basamentwürfel der Pfeiler zeigen nur mehr dürftige Spuren ihres reichgearbeiteten
Carnieses und sind grossentheils ergänzt. Die vierseitigen Pfeiler haben an den drei Sei-
ten (die vierte nördliche ist fast ganz schmucklos) an den Ecken Pilaster mit Capitälen
römischer Ordnung. In den Schäften derselben sieht man auf der dem lanus zugewen-
deten Fronteseite römische Feldzeichen dargestellt, welche an der Spitze die Legions-
adler und auf runden Tafeln die Bildnisse von zwei Kaisern zeigen , eine dritte Tafel er-
scheint, wie man unschwer erkennen kann, weggemeisselt ; die Pilasterschäfte der
schmalen Seiten ausserhalb und im Innern des Durchganges sind durch Akanthosge-
winde mit dem Adler an der Spitze ausgefüllt. Der Raum zwischen den Pilastern zeigt
auf jeder Seite vier Reliefdarstellungen: das untere stellt die Geschäftsleute des Forum
Boarium dar, Rinder zum Opfer führend und schlachtend. Darüber befindet sich ein
schmaler sehr belehrender Reliefstreifen mit verschiedenen Opfergeräthen : Giesskannen,
Pateren , Sprengwedel , Weihrauchkästchen , Opfermesser in ihrer Scheide , Krummstab
und Thierschädel. Das dritte , grösste Rehef zeigt in der Fronte eine (bis zur Unkennt-
Hchkeit beschädigte) einzelne Figur, im Innern des Durchgangs die kaiserliche Familie im
Begriffe zu opfern, woran man deutlich erkennt, dass eine Figur weggemeisselt ist;
und an der noch erhaltenen oder vielmehr freistehenden äusseren Schmalseite (westlich)
F. KsnER, Die Kuinen Uonis. 44
^^ß Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus , Palatinus und Aventinus
die Hinwegführung eines gefangenen Barbaren mit Beinkleidern und phrygischer Mütze.
Das vierte, oberste Relief an den Pfeilern zeigt an der Fronte und im Inneren des
Durchganges Festons und an der äusseren Schmalseite vier männliche Figuren. Der
Architrav ist nur zweifach gestuft , der Fries mit Laubgewinden geschmückt. Vom Car-
nies ist jeder der sieben Leisten überladen reich verziert , mit Akanthos , dem Zahn-
schnitte, dem Eierätab, Astragalen und einigen Phantasieornamenten, unschön erfunden
und aus Laub und bärtigen Köpfen gebildet, und überdiess derb gearbeitet, wie auch
die gewöhnlicheren Ornamente ohne richtige Verhältnisse sind. Ueber dem Durchgange
ist das Gebälke ausgehöhlt und zeigt auch innen den Architrav und Fries wie aussen ge-
gliedert und ornamentirt, die Decke aber mit reichen Cassettoni und Rosetten ge-
schmückt. An der Fronte wird Architrav und Fries fast in der ganzen Länge von der
Inschrifttafel eingenommen, neben welcher zur Linken eine ziemlich undeutliche Figur
(Mars ?) sichtbar ist. Die Inschrifttafel selbst ist von einem reichgearbeiteten Doppellei-
sten umsäumt und lautet , wie folgt :
(1) IMP CAES LSEPTIMIOSEVERO PIO PERTINACI AVG ARABIC ADIABENIC
PARTH IC . MAX FORTISSJMO- FELICISSIMO
(2) PONTIF MAX TRIBPOTESTXM IMP XI COS TM PATRI PATRIAE ET
(3) IMP CAES M AVRELIO ANTON INO PIO FELICI AVG TRIB POTEST VII
COS IM P P PROCOS FORTISSIMO FELICISSIMOQVE PRINCIPI ET
(4) IVLIAE AVG MATRI AVC N ET CASTRORVM ET SENATVS ET PATRIAE
ETIMP CAES M AVRELII ANTONINI Pll FELICIS AVG
(5) PARTHICI « MAXIMI « BRITANNICI « MAXIMI
(6)ARGENTARII ET NEGOTIATORES BOARII HVIVS}-°^^^gv^ DEVOTI NVMINI
EORVM
Aus dieser Inschrift erhellt, dass die Wechsler und anderen Geschäftsleute, die am Forum
Boarium Handel trieben, diese Ehrenpforte dem L. Septimius Severus, seiner Gemah-
lin lulia und seinem Sohne Antoninus (Caracalla) errichteten. In derselben Weise jedoch,
wie bei dem obenbeschriebenen Triumphbogen des Severus am Forum Romanum sind
auch hier die Worte MTPP PROCOS FORTISSIMO FELICISSIMOQVE PRINCIPI
in der dritten und PARTHICI MAXIMI BRITANNICI MAXIMI in der fünften Zeile
secundär, d. h. erst ergänzt, nachdem der dem Brudermörder Caracalla verhasste Name
des Geta mit seinen Titeln hinweggetilgt war. Nach der von Caracalla berichteten
nichtswürdigen Heuchelei , dass er nemlich stets in Thränen ausgebrochen sein soll , so-
bald er nach Geta's Tode seinen Namen aussprechen hörte oder sein Bild sah,^ kann es
nicht befremden, wenn wir auch hier nicht bloss, wie überhaupt an den Inschriften des
' Script. H. A. (Sparlian.) Caracalla 3. Geta 7.
GezvERel,er
Vcrldf'; vT.-O.Weigel in Lsip^ig,
Lith r.iis'.v V.'l.: -lü •: ü; 2-!rI:ii
Ehrenpforte des Septimius Severus
Die Cloaca Maxima. 347
Septimius Severus Geta's Namen, sondern auch, was noch merkwürdiger ist, sein Bild
sowohl von den Opferreliefs als auch von den Feldzeichentafeln sorgfältig gelöscht fin-
den, wie schon bei der Beschreibung dieses Denkmals erwähnt wurde. Das zwölfte
Jahr der tribunicischen Gewalt des Septimius Severus und das siebente des Antoninus
Caracalla bezeichnen das Jahr 204 n. Chr. (ein Jahr nach der Errichtung des Triumph-
bogens am Forum Romanum) als die Zeit der Errichtung dieser Ehrenpforte. Die wahr-
scheinlichste Veranlassung hiezu habe ich schon oben bei Besprechung des vierthorigen
lanus angedeutet. Die Inschrift belehrt uns überdiess mit Sicherheit , dass bis hieher das
Forum Boarium reichte , zu welchem auch der naheliegende lanus gehörte , woraus
überdiess bei den meisten Topographen, welche dem Forum Boarium nur einen be-
schränkten Raum anweisen wollen, die falsche Annahme entsprang, das Forum habe
sich nicht bis an den Fluss hin erstreckt , welche Behauptung ausdrücklichen Nachrich-
ten aus dem Alterthume widerspricht. ^ Es bedurfte in der That eines ziemlich grossen
Raumes, um nur die erwähnten Gebäude anzubringen und doch noch den nöthigen freien
Raum übrigzulassen, um so mehr, als an strenge Regelmässigkeit und dadurch erzielte
Raumersparniss bei einer so alten Anlage nicht gedacht werden kann. Desshalb ist auch
Canina's Grundriss des Forum Boarium auf seinem grossen Stadtplan nur als eine sym-
metrische Spielerei mit dem Rechteck zu betrachten. —
Im 7. Jahrhundert ward die Kirche S. Giorgio in Velabro an die Ostseite des
Denkmals angebaut und dadurch der östliche Pfeiler grösstentheils verhüllt. Der Name
dieser Kirche hat noch die alte Benennung der nordöstlich angränzenden Gegend des
Velabrum bewahrt.
67. Die Cloaca Maxima.
Der Kirche S. Giorgio in Velabro gegenüber mündet auf den kleinen Platz vor
dem lanus ein schmaler von einigen niedrigen Bogen überwölbter Brunnenweg. welcher
zu einem von den Wäscherinnen dieses Stadtviertels vielbesuchten Wasserbehälter führt.
Beugt man von diesem Bassin zur Rechten ab und steigt über die Trümmer einge-
stürzter Kanäle etwas abwärts, so erblickt man das massige Gewölbe einer Cloake, in
welcher die berühmte Cloaca Maxima zu erkennen, uns Gestalt und Lage, Richtung und
Mündung sogleich bestimmen müssen. Die erste Hälfte dieser vom Forum Romanum bis
hieher ist fast gänzlich zerstört, nur im Cimeterio von S. Maria della Consolazione , in
dessen Nähe der Kanal begann , fand man noch einzelne Reste ; die Linie aber zog sich
unter der Kirche S. Giorgio in Velabro nach der Stelle hin, wo wir den gegenwärtigen
'Ovi.d. Fast. VI. v. 477. Liv. XXXV. 40. Aethic. Cosmograph. (Bas. 1575. p. 20).
44
348
Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinus und Aventinus.
Anfang finden. Hier münden mehre Cloakenarme von den beiden Seiten ein, welche
aber, da die Verbindung derselben zerstört ist , ziemlich wasserreich , wie besonders der
rechte , die Marrana zuführende Arm , als kleine Bache der Hauptcloake zufliessen. Die
Seitencloaken sind von Ziegeln , zeigen jedoch ein solid gefügtes Gewölbe , der Ziegel-
bogen aber, welcher den Anfang der Cloaca Maxima selbst theilweise verkleidet, ist
modorn und dient nur als Substruction des hier sich erhebenden modernen Gebäudes. Das
Gewölbe der Cloaca Maxima
selbst besteht aus massiven
Tufquadern , deren sorgfäl-
tige Fügung allerdings den
Jahrtausenden trotzen konnte.
In Zwischenräumen von je
3V2 Met. ist ein Bogen von
Travertin in die Wölbung ge-
zogen. Die ursprüngliche Höhe
der Wölbung beträgt 3, eo Me-
ter, doch der Schutt hat sich
trotz wiederholter Räumun-
gen so angehäuft, dass sie
jetzt nur mehr zwei Drittheile davon misst. Ebendesshalb kann man auch nicht mehr,
wie es die ursprüngliche Einrichtung an den Seiten erlaubte, die Cloake trockenen Fus-
ses durchwandeln , denn das wegen der mannigfachen Hindernisse langsam abfliessende
Wasser bedeckt ganz den erhöhten Boden. Von hier aus bis an die Mündung in den
Tiber ist der kolossale und durch sein hohes Alter höchst interessante Bau, wahrschein-
lich nach der ursprünglichen Anlage unter den Strassen sich mehrmals krümmend in einer
Länge von 'V'IO Met. vollständig erhalten. Die Mündung selbst, wenig oberhalb des be-
schriebenen Rundtempels des Hercules , welche je nach dem Wasserstande mehr oder
minder vollständig sichtbar ist , besteht aus Peperinblöcken in dreifacher Sprengung ; der
zu beiden Seiten noch sichtbare Rest des Uferbaues zeigt in der Hauptsache Tuf-, auch
einige Peperin- und Travertinquadern, regelmässig nach dem Läufer- und Bindersystem
geschichtet.
Der Anfang zum Cloakenbau überhaupt wurde, wie schon in der einleitenden
Baugeschichte berichtet worden ist, von Tarquinius Priscus, dem fünften in der römi-
schen Königsreihe gemacht,^ und ihm wird auch später das Riesenwerk im Allgemeinen
zugeschrieben. ^ Doch sei es , dass dieser das ausgedehnte Unternehmen nicht zu Ende
Die Cloaca Maxima. (F. R.)
' Dionys. III. 68.
PUn. H. N. XXXVI. 15, 24, 106.
Die Cloaca Maxima. 349
führen konnte, oder dass des älteren Tarquinius Werk seit der Hinzufügung weiterer
Hügel durch Servius Tullius, deren Thaleinschnitte ebenfalls der Entwässerung bedurf-
ten, nicht ganz entsprach, der Hauptkanal , welcher die Cloakenzweige in der Gegend
des Forum Romanum vereinigte und die Wasser des grössten Theiles der Stadt dem
Flusse zuführte , war wenigstens in der Hauptsache des letzten Tarquinius Werk. '' Dass
nun dieser unmittelbar in den Tiber mündende Hauptkanal, die Cloaca Maxima, derselbe
sei , welcher noch theilweise erhalten und eben beschrieben worden ist , kann nicht be-
zweifelt werden; nicht so unbezweifelt aber blieb, ob der erhaltene Kanal auch
wirkhch als des Tarquinius Superbus Werk, oder vielmehr als eine spätere Wiederher-
stellung zu betrachten sei. Wenn aber auch die^ letztere Annahme durch die regelmässig
wiederkehrenden Tiburtinblöcke in dem Gewölbe und sogar durch das Gewölbe selbst
einige Begründung zu erhalten scheint , so ist doch anderseits nicht zu tibersehen , dass
in den classischen Nachrichten von einem Neubau der Cloaca Maxima sich keine Erwäh-
nung findet, dass vielmehr Plinius ausdrücklich die unverwüstliche Fortdauer der Cloa-
ken seit Tarquinius Priscus mit emphatischen Worten preist,^ und dass auch Livius
(a. a. 0.) namentlich von der Cloaca Maxima des Tarquinius in einer Weise spricht, dass
seine Ausdrücke der lächerlichste Unsinn wären , wenn bis zu seiner Zeit ein. Neubau
hätte vorgenommen werden müssen. Was aber die Bedenken wegen des ausgebildeten
Gewölbes und des Steinschnittes überhaupt betrifft, so kann aus dem unterirdischen
Verliesse des sogenannten mamertinischen Gefängnisses, bei welchem sich die Kunst
des Wölbens noch nicht angewendet findet, nicht geschlossen werden, dass man sie
auch zu Tarquinius Zeit nicht kannte, denn der Carcer wird dem Ancus Marcius zuge-
schrieben . und jenes Verliess ist sogar wahrscheinHch für ein noch älteres Brunnenge-
wölbe zu halten , welches erst secundär (durch Ancus Marcius) in einen Kerker umge-
wandelt worden zu sein scheint. Wer aber die Anwendung von Tiburlinsteinen in Rom
zu Ende der Königszeit für unmöglich hält, der übersieht den Verband der latinischen
Städte und die Handelsbeziehungen Roms, welche schon zu Anfang der Republik nicht
bloss bis nach Campanien, sondern selbst bis über das Mittelmeer nach Carthago^
reichten.
Wenn Plinius (a. a. 0.) mit grösster Anerkennung von dem Werke spricht, das
zu seiner Zeit 700 Jahre gedauert hatte, so können wir den bedeutenden Ueberrest,
der sich nicht bloss erhalten hat, sondern sogar noch dem ursprünglichen Zwecke dient,
nur mit gesteigerter Bewunderung betrachten. Bedenkt man aber die Unerlässlichkeit
eines solchen Werkes , um die sumpfigen Niederungen bewohnbar zu machen , so muss
man dem letzten Könige Roms wenigstens in so ferne Gerechtigkeit widerfahren lassen,
' Liv. I. 56. Dionys. IV. 44. Liv. I. 38. ' Plin. 1. c. cf. Strab. V, 3, 9, p. 235. » Polyb. III. 22. 26.
350 Die Niederung zwischen dem Tiber , Capilolinus , Palatinus und Aventinus.
dass er sein Volk nicht wie die Pharaonen zur Ausführung von Werken eines sich selbst
vergötternden despotischen Stolzes, sondern für ein wahrhaft gemeinnütziges und die
künftige Grösse wie die Wohlfahrt der Stadt mitbegründendes Werk in die verhassten
Fesseln des Frohndienstes schlug. ^
68. Der muthmasslich antike Rundbau von S. Teodoro.
Der kleine Platz vor dem lanus mündet östlich in die am Fusse des Palatin von
Norden nach Süden laufende Via di S. Teodoro. Verfolgt man nun diese eine kleine
Strecke weit nördlich, so gelangt man zu einer nicht sehr grossen Rotunde aus Back-
stein, welche sich zur Rechten von der Strasse befindet, und schon durch ihre tiefe
Lage auf ein hohes Alter hinzuweisen scheint. Besieht man den Ziegelbau, der aussen
ohne Anwurf oder andere Bekleidung ist, unten genauer, so glaubt man in der That
Aehnlichkeit mit den grossen Backsteinruinen der Kaiserzeit zu finden , allein da kein
Ziegelzeichen bloss liegt, so wäre es schwer, zwischen dem dritten und fünften Jahr-
hundert zu einer sicheren Entscheidung zu kommen, und so kann die Sache durch die
summarische Behauptung Platner's , dass die sichtbaren Ziegelmauern für ein Gebäude
des alten Rom zu schlecht seien und die Construction der christHchen Zeiten zeigten, ^
die Sache um so weniger entschieden werden, als auch das heidnische Rom z. B. an
den Thermen des Diocletian, der Basilica des Constantin und dem Circus des Maxentius
Ziegelmauern zeigt, die denen von S. Teodoro bestimmt nachstehen.
Auf der anderen Seite aber kann der Gewissheit derjenigen , welche den Rund-
bau dem alten Rom zuschreiben, ebensowenig Folge gegeben werden, am wenigsten
aber den Namen, die man ihm beigelegt hat. An einen Tempel der Vesta, zu welcher
überdiess sehr verbreiteten Annahme lediglich die Form Anlass gab , ist bestimmt nicht
zu denken , ebensowenig an einen Tempel des Vulcan, ^ oder an den Penatentempel an
der Velia, * die an einer ganz anderen Seite vom Palatin abzweigte — Angaben, welche
gar keiner Widerlegung bedürfen. Zwei andere Tempel haben jedoch wenigstens in lo-
caler Beziehung etwas für sich, nemlich der Tempel des Augustus und ein Tempel des
Romulus. Dass nemlich der erstere südwestlich vom Castortempel anzunehmen sei , ist
schon früher nachgewiesen worden.^ Doch entspricht die Lage des Rundbaues nicht
vollkommen, noch weniger aber die Gestalt desselben, da nach Münzen des Cali-
gula^ mit dem Epigraph DIVO AVGVSTO und der Abbildung eines Tempels dieser
* Dionys. IV. 81. Auch von Tarquinius Priscus: Plin. H. N. XXXVI. 15, 24, 107. * Beschreibung d. St.
Rom. Bd. III. Abth. 1. S. 370. « A. Fulvii, Antiquitates Urbis. Rom. 1527. Lib. III. fol. XLII. * L. Canina,
Indicazione topografica di Roma antica. 4. Ediz. Rom. 1850. p. 462. ^ Vgl. S. 142. Anm. 2—6. * Eckhel,
Doctr. numor. veter. Vindob. 1796. P. II. Vol. VI. p. 219.
Der Circus Maximus. 351
von der gewöhnlichen rechtwinkeligen Form und hexastylos gewesen zu sein scheint,
auch wissen wir nichts von einem so späten Neubau des Tempels , dass sich der Ziegel-
bau desselben mit dieser Annahme vereinbaren liesse. Aehnliche Schwierigkeiten stellen
sich der Identificirung des Rundbaues mit dem Tempel des Romulus entgegen, der
überdiess nur einmal, allein ungeföhr in dieser Gegend erwähnt wird,'' was allerdings
der Möglichkeit noch am meisten Raum lässt. ^ Dass übrigens die berühmte Wölfin (jetzt
im Conservatorenpalaste) ursprünglich und bis zu Ende des Mittelalters sich hier befun-
den habe, ^ ist eine unbeglaubigte Sage, welcher die Angabe eines anderen Fundortes
beim Triumphbogen des Septimius Severus am Forum Romanum '* widerspricht.
Es ist demnach in gleicher Weise zweifelhaft, welcher Zeit der Grundbau der
Rotunde angehört, und welchem Zwecke sie ursprünglich diente. Die erste Erwähnung
ist aus dem 8. Jahrhundert, in welchem Papst Hadrian I. die schon vorher bestehende
Kirche wieder herstellte,^ welche sich schon unter den von Gregor dem Grossen zu
Ende des 6. Jahrhunderts gebildeten fünf Diaconien befunden haben soll. Dass die
Kirche bei dem von Nicolaus V. i. J. 1451 veranstalteten Neubau an eine andere Stelle
gesetzt und verkleinert worden sei, ist eine gewiss irrige Nachricht des Stefano Infessura,*'»
indem sowohl die Grundmauern der Rotunde als auch die Tribüne der Kirche mit ihrem
Mosaik entschieden älter sind. Die Kirche hat seit Sixtus V. an Bedeutung sehr verloren,
ganz zweifelhaft aber ist ihre Bedeutung als antiker Ueberrest.
69. Der Circus Maximus.
Die Via di S. Teodoro mündet südlich in die Via de' Cerchi, welche den langen
Thaleinschnitt zwischen dem Palatin und dem Aventin, dem ersteren näher, entlang sich
hinzieht und über die spurlos verschwundenen Sitzreihen einer der bedeutendsten An-
lagen des alten Rom , des grossen Circus hinwegführt. Von den nicht unbedeutenden
Resten der Substructionsmauern , die man noch auf einer alten Zeichnung' sieht, ist bis
auf wenige Quadern, auf welchen jetzt die beiden ärmlichen Häuschen zur Rechten von
der Via de' Cerchi ruhen, seitdem Alles verschwunden. Der bedeutendste Ueberrest der
ganzen Anlage wäre der, welcher bei der Beschreibung der muthmasslichen Reste des
Tempels der Ceres des Liber und der Libera berührt worden sind , jene aus massiven
Travertinquadern gebauten und gewölbten Kammern , von welchen die erhaltenste als
Geräthschaften- Gewölbe von S. Maria in Cosmedin dient und rechts neben der Tribüne
dieser Kirche zu sehen ist — wenn zu erweisen wäre, dass diese wirklich noch zum
' Varro L. L. V. 8, 17 p. 60 Speng. * Fr. Albertini Opusc. de Mirab. nov. et vet. U. R. Rom. 154 5.
fol. 48. b. et al. * Fulv. 1. c. * Flam. Vacca, Mem. n« 3 (C. Fea Miscell. p. Uli). » Anastas. Biblioth. de
Vit. pontif. Rom. Par. 4 649. p. H6. * Muratori R. I. S. T. III. P. II. col. ^83. ^ Du Perac, I vestigj dell'
antichitä di Roma. R. 1674. fol. -1.
352 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinus und Aventinus.
Circus gehörten. Für die Carceres zwar scheinen sie nicht geeignet, auch wären diese
wohl nicht so weit nordwestlich hinausgerückt zu denken, es ist aber höchst wahr-
scheinlich , dass diese eine Art von Vorhof hatten , der zu den Vorbereitungen für die
Wagenrennen wie für den Aufenthalt der an demselben Tage rennenden Gespanne wäh-
rend der einzelnen Missus fast unentbehrlich und auf den drei Seiten (die vierte bildeten
die Carceres) am zweckmässigsten durch Kammern und Stallungen eingeschlossen war,
wie auch Canina. angenommen hat. Zu diesen Kammern kann die Ruine gehört haben,
was jedoch nur als Vermuthung hinzustellen ist. Nachgrabungen im Thale des Circus
würden darüber Entscheidung geben können , allein gerade dieser Theil des Circus ist
sehr verbaut und der Schutt hat eine ausserordentliche Höhe, was von der Inangriff-
nahme von Nachgrabungen umsomehr abschrecken muss , als der ohnediess sumpfige
Boden einen nachhaltigen Erfolg in keiner Weise hoffen Hesse.
Von dem ursprünglichen Namen des Circusthales (Vallis Murcia) war schon in
der Einleitung zu diesem Abschnitte die Rede. Es mag wohl noch in seinem natürlichen
Zustande gewesen sein, als Romulus die Spiele feierte, bei welchen nach der römi-
schen Tradition der Raub der Sabinerinnen stattfand ; zu Spielen der Art hatte die Hand
der Natur genug für den Schauplatz gethan. Nach Romulus scheint der Platz in gleicher
Weise öfters benutzt worden zu sein, die Zuschauer standen, wie berichtet wird, auf
hölzernen Gerüsten , welche sie sich selbst für die einzelnen Spiele aufschlugen. ^ Erst
Tarquinius Priscus machte die Anlage dadurch zu einem Staatsgebäude, dass er, die
bei der Einnahme von Apiolä den Latinern abgenommene Beute zur Verschönerung des
Platzes benutzend, den Zuschauerraum den dreissig Curien zutheilte und bedeckte
Sitzplätze erbaute. ^ Durch diesen Bau wurde der Circus ständig und seine Gestalt be-
stimmt : diese aber konnte nicht anders als dem griechischen Stadium ähnlich sein mit den
Unterschieden, die durch die Beschränktheit der römischen Spiele bedingt sind, und von
welchen schon bei Besprechung des Obelisken auf Piazza Navona (S. 241) die Rede war.
In den ersten fünf Jahrhunderten aber gab es in Rom keine anderen Spiele als Pferde-
und Wagenrennen, was eine längliche Bahn mit den Schranken auf der einen und
mit einem Halbkreise auf der anderen Schmalseite, innen aber zwei Meten als Ziel-
und Wendepunkte erforderte. Die Rennbahn selbst hat sich auch noch in ihrem un-
verwüstHchen Grundplane als regulirter Thaleinschnitt zwischen den beiden Hügeln
mit der Rundung am östlichen Ende erhalten, woraus hervorgeht, dass die Carceres,
die zur Aufstellung und zum Anlaufe bestimmten Schranken am Westende des Tha-
ies, unferne der Kirche S. Maria in Cosmedin sich befanden. Die Carceres aber wa-
ren, wie wir an dem einzig erhaltenen Circus Roms, dem des Maxentius an der Via
* Dionys. m. 68. " Dionys. 1. c. Liv. I. 35.
Der Circus Maximus. 353
Appia bei S. Sebastiane sehen, wahrscheinlich in segmentförmiger Linie nach aussen
gebogen angelegt, so dass der zu durchlaufende Raum bis zu einem gewissen Punkte
der rechtseitigen Bahn für alle Wagen von derselben Länge war. Ebenso war wohl
auch die Verbindung der beiden Meten, die dammförmige Spina, welche vielleicht
noch zu Cäsars Zeit fehlte , ^ nicht in der Axenrichtung der Rennbahn, sondern so
schräg gestellt, dass sie für den Anlauf eine breitere Bahn darbot.
Was die Gestalt des Zuschauerraumes seit der Einrichtung desselben durch
Tarquinius Priscus bis zum Ende der Republik betrifft, so scheint Tarquinius Priscus
nur den Grundbau solid, d. h. in Stein ausgeführt zu haben, die Schaubühnen {fori)
selbst waren von Holz. Die letzteren, entweder nur die unteren für die Senatoren
und Ritter bestimmten Sitzreihen- Abtheilungen , ^ oder überhaupt die Schaubühnen
des Circus , ^ scheinen dasselbe gewesen zu sein , was Dionys ^ ^toZ^at nennt , von
welchen Tarquinius Priscus (nach Dionys) jeder der dreissig Curien eine zutheilte,
um hier sitzend den Spielen zuschauen zu können, bedachte und logenartig ge-
trennte Räume, wie diess sowohl ausdrücklich erwähnt wird als auch im Namen liegt.
Diese unteren Zuschauerplätze aber wurden nach einer zweiten Notiz des Livius '"
schon »unter Tarquinius Superbus ständig hergestellt, und zwar so grossartig, dass
der Geschichtschreiber sie mit der Cloaca maxima auf eine Linie stellen und be-
haupten konnte , kaum irgend ein neues Werk sei diesen beiden an Mächtigkeit
gleichgekommen. Dionys dagegen, der wahrscheinlich schon dem älteren Tarquinius
zu viel zugeschrieben, spricht nur von gedeckten Säulengängen, mit welchen Tar-
quinius Superbus den Circus umgab. '^
Von den Veränderungen in der Zeit der Republik ist nichts anderes bekannt,
als dass im Jahre 427 d. St. (32l7 v. Chr.) die Carceres eingerichtet wurden ; ^ die
Zuthaten vom Jahre 580 , ^ scheinen minder belangreich gewesen zu sein. Eine
bedeutende Veränderung und Vergrösserung — vielleicht einen vollständigen Neu-
bau — unternahm Cäsar, ^ wodurch der Circus bei einer Länge von mehr als 600
und einer Breite von fast 150 Met. Raum für 150,000 (Dionys.) oder 250,000 (Plin.)
Zuschauer erhielt ; doch war noch immer nur der untere Theil von Stein, der obere
von Holz. Da der Circus jetzt schon häufig zu Thierhatzen verwendet ward, fand
Cäsar unter Anderem auch für nothwendig, die Arena und die untersten Sitzreihen
durch einen 3 Met. breiten und ebenso tiefen Graben (Euripus) zu trennen, da die
eisernen Gitter allein die Zuschauer vor iden in der Arena losgelassenen Thieren
nicht ganz sicher zu stellen schienen, und namentlich einmal die Elephanten bei
1 Sueton. Caes. 39. 2 yv. I. 35. ^ Fest. s. v. forum. < m. 68. ^ ny. I. 56. 6 Dionys.
IV. 44. 'Liv. Vlll. 20. 8 id. XLI. 27. » Sueton. Caes. 39. Plin. H. N. XXXVI. 45, 24, 102.
Dionys. m. 69.
F. Reber, Rom. 45
354 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinus und Aventinus.
den von Pompeius veranstalteten Spielen das Volk in grossen Schreken versetzt
hatten. Dieser Euripus w^urde jedoch durch Nero wieder verschüttet, i Im J. 723
d. St. kurz vor der Schlacht bei Actium brannte ein grosser Theil der Holzgertiste
ab ^ und wahrscheinhch zugleich mit der Wiederaufführung derselben erbaute Augustus
die kaiserhche Loge (das Pulvinar),^ und stellte den Obelisk, der sich jetzt auf
Piazza del Popolo befindet, in der Mitte der Spina auf. ^ Im J. d. St. 789 (36 n.
Chr.) zerstörte ein neuer Brand die Südwestseite des Gircus,^ dessen Herstellung
unter Claudius u. a. zur Folge hatte, dass die Schranken, früher von Tuf mit Holz-
gebälke, ganz in Marmor aufgeführt, und marmorne, mit Gold überkleidete Meten
an die Stelle der alten aus Holz und Tuf gesetzt wurden. ** Der neronische Brand
verbreitete sich vom Circus aus über die Stadt, ^ doch scheinen dessen Zerstörungen
im Circus selbst nicht zu bedeutend gewesen zu sein, da bald Nero in demselben
als Olympionikes erschien, und den Obelisk des Augustus mit seinen Siegeskränzen
schmückte. 8 Die Flavier besorgten den Wiederaufbau, wenigstens gehörte ein
Titusbogen zur Auszierung desselben. Dieser, wohl der einzige am Circus, wenn
auch die Mirabilien von zweien sprechen , befand sich in der Mitte der Rundung,
und war lange erhalten, so dass der Anonymus von Einsiedeln noch die Inschrift
abschreiben konnte, " wie das Denkmal auch noch im zehnten Jahrhundert im Besitz
des Klosters S. Gregorio und im 1 2. Jahrh. als von diesem Kloster an die Frangipani
verpachtet vorkommt. ^^ Das Material zum Wiederaufbau ward von der Naumachie
genommen, welche vielleicht das Interesse des Volkes nicht im genügenden Maasse
erregt hatte und desshalb nach kurzem Bestehen wieder abgebrochen worden war. ^^
Das Werk führte jedoch erst Traian zu Ende und zwar „grösser und prachtvoller"
als der Bau vorher war, ^^ und wahrscheinlich erhielt er erst damals ganz in Stein
hergestellt seine endgültige Einrichtung. Münzen von Traian und Caracalla ^^
zeigen die Gestalt des Circus, und zwar bei beiden unverändert so, dass an beiden
Enden der Carceres Portale (wahrscheinlich mit Thürmen überragt) und über den
Schranken ein gegiebeltes Gebäude sich befand, in der Mitte der Rundung aber der
erwähnte Triumphbogen. Aeusserlich erhob sich eine hohe fensterlose Wand über
den Arkaden. Seit Traian scheint er zwei Jahrhunderte lang unverändert den
Rennspielen gedient zu haben, und wir besitzen über die Anlage selbst nur
mehr sehr dürftige Nachrichten. Bei den ApoUinarspielen unter Antoninus Pius
iPIin. H. N. Vm. 7, 21. Sueton. 1. c. spio Cass. L. 10. 3 Monum. Ancyran. (Chishull p. 174) cf.
Sueton. Aug. 45. ■» Plin. H. N. XXXVl. 9, 14, 71. Ammian. Marcellin. XVII. 4. 5 xacit. Ann. VI. 45.
Dio Cass. LVIII. 26. 6 Sueton. Claud. 21. 7 Xacit. Ann. XV. 38. 8 pio Cass. LXIII. 21. 9 vgl.
S. 399. »OMittarelli Ann. Cam. I. App. col. 96. III. App. col. 417. Jordan, Topogr. II. S. 412. n Sueton.
Domitian. 5. 12 Dio Cass. LXVIII. 7. Paus. V. 12. 6. Plin. Panegyr. 51. '3 Friedländer, Abhandlungen
der Berl. Akad. 1873 S. 67 fg.
Der Circus Maximus. 355
erlag eine Säule der Schwere der wahrscheinlich auf der Bedachung einer Por-
ticus gelagerten Menge, und über tausend Menschen wurden erdrückt. ^ Ein ähn-
liches Unglück ereignete sich unter Diocletian und Maximian. Constantin stellte
den Circus mit grossem Aufwände wieder her, ^ und dessen Sohn Gonstantius Hess
den Obelisk (jetzt auf Piazza Lateranense) , den sein Vater schon bis Alexandria
gebracht hatte, nach Rom schaffen und neben dem des Augustus, welchen er an
Alter und Höhe übertraf, auf der Spina aufstellen. ^ Ueberhaupt war die Spina
damals von Säulen, Standbildern, Tempelchen und Altären dicht besetzt: von den
Säulen trugen die einen Victorien, die anderen auf einem Gebälke Delphine, welche
in ein auf der Spina angebrachtes Becken Wasser spieen ^ und wahrscheinlich durch
den Beginn ihrer Thätigkeit die Zahl der zurückgelegten Umläufe im Wagenrennen
bezeichneten, was auch durch die Aufstellung von Eiern angezeigt wurde (a. a. 0.).
Von den Standbildern werden die der Pollentia ^ und der Cybele ® besonders er-
wähnt; von den Tempelchen das des Sol,^ welchem auch der Circus und der
Obelisk des Augustus geweiht war; der bedeutendste Altar aber war der alte schon
von Romulus errichtete des von einigen mit Neptun identificirten , ^ von andern
richtiger als der ,^rathgebende" Gott'^ erklärten Consus, welcher unter dem Niveau
der Arena ^° und neben den südhchen (?) Meten stand. ^^ Die angegebenen Bestand-
theile der Spina werden im Allgemeinen durch ein interessantes Rehef des vati-
canischen Museum wie durch ein Mosaik in Barcellona ^^ veranschauhcht, welche
ein Wagenrennen darstellen und in Uebereinstimmung mit den angeführten Nach-
richten die Spina mit den Meten, Sacella, zwei Säulen mit den wasserspeienden
Delphinen auf ihrem Gebälke, Altäre, einen Obelisk und zahlreiche Statuen zeigen.
Am Anfange des 6. Jahrhunderts war ohne Zweifel der Verfall schon fühlbar,
doch wurden die Spiele noch fortgesetzt, von denen sich eine sehr lehrreiche Be-
schreibung aus jener Zeit erhalten hat. ^^ Aus dem 9. Jahrhundert besitzen wir
eine flüchtige Erwähnung des Circus in der oft erwähnten Inschriftensammlung ^*.
Im 12. Jahrhundert übergab ihn Papst Lucius II. den Frangipani; im 13. besassen
ihn wenigstens zum Theil die Savelli; im 14. und 15. ganz herrenlos und öffent-
licher Steinbruch, bewahrte er bald ausser der Form nur mehr wenige Spuren.
Bei den unter Sixtus V. veranstalteten Nachgrabungen fand man die beiden Obe-
lisken bereits 8 Meter tief unter dem modernen Boden. Die Arena ist jetzt nur
1 Catal. Imp. Vienn. (Rone. tom. II. col. 244.) — Script. H. A. (lul. Gap.) Anton. P. 9. 2 Aurel.
Vict. Caess. 40. SAmmian. Marcellin. XVII. 4. * Cassiodor. Var. III. 51. » Liv. XXXIX. 7. 6 Ter-
tullian. de spect. 8. ''id. 1. c. ^ Liy. i. 9. piut. Rom. 14. Ascon. in Cic. in Verr. I. 10. » Ter-
tull. de spect. 5. Serv. ad Virg. Aen. VIII. v. 636. — Plut, 1. c. i" Flut. 1. c. Tertull. 1. c. i* Ter-
tull. 1. c. Tac. Annal. XII. 24. 12 Ann. d. I. d. c. a. 1863. p. 135. tav. d'agg. D (Hübner). »3 Cassiodor.
1. 0. i< Anonym. Einsiediens. (Haenel, Archiv, f, Philol. u. Paed. Suppl.-Bd. V. S. 129.)
45*
336 Die Niederung zwischen dem Tiber, Capitolinus, Palatinos und Aventinus.
mehr wenig tiefer als der in Schult gesunkene Zuschauerraum, hat jedoch ihre
Gestalt, namentlich am südöstlichen Ende, noch erhalten.
VII. Der Palatinus.
Noch sind nicht volle zwei Jahrzehnte seit jener Zeit verflossen, in welcher
der Palatin in topographischer Beziehung wenn nicht terra incognita so doch zum
weitaus grösseren Theile ein Gebiet von antiquarischen Muthmassungen war. Die
farnesischen Gärten, welche fast die Hälfte des Doppelhügels einnahmen, Haus und
Garten des Gonvents der Salesianerinen wie das anstossende Areal des Klosters
von S. Bonaventura und die Vigna Barberini mit der Kirche S. Sebastiano auf der
anderen Hälfte, ferner die Vignen Butirroni und Nusiner am Abhang gegen West,
Wein- und Gemüsegärten des Collegio Inglese am Abhang gegen den Gircus, die
Vignen Benfratelli und S. Bonaventura am Abhänge gegen den Gälius hatten dem
Hügel eine Gestalt gegeben, welche seine vorige Bestimmung als Stadt und als
Stadttheil kaum mehr ahnen liess. Nur wenige Theile wie die Nordecke gegen
S. Maria Liberatrice und die Südecke zeigten noch umfänglichere Reste der Kaiser-
bauten, alles Uebrige war wie das Forum im Mittelalter tief unter Nutzgärten be-
graben.
Ein Dichter hätte unter den Hecken der verwilderten Villa Farnese von der
Rückkehr zur ursprünglichen Gestalt träumen können, welche der Hügel vor mehr
denn fünfundzwanzig Jahrhunderten dargeboten haben mochte, als sich fellbekleidete
Gampagnahirten auf demselben eine Heimat und jene vielleicht befestigte Heerden-
zufluchlstätte schufen, die wahrscheinlich auch dem Namen Palatium (Pales = Heer-
dengöttin) zu Grunde liegt. Auch damals mochten nur wenige Dächer die Vege-
tation des Hügels beeinträchtigt haben, die überdiess verstreut und ohne städtischen
Zusammenhang eines künstlichen Gesammtschutzes nicht weiter bedurften. Es
reichte hiezu der natürliche vorläufig hin, denn wie wenige Gampagnahügel fiel der
Palatin, eine Höhe von ungefähr 40 Met. über dem normalen Spiegel des benach-
barten Tiber erreichend, auf fast allen Seiten schroff ab, so dass sich ursprünglich
wohl nur ein Zugang darbot, nemlich da, wo die sanfte Ansteigung einer Halde, der
Velia, über dem nachmaligen Titusbogen annähernd zur Höhe des Hügelplateau's
sich erhob.
Der Gircus Maximus. 357
Dieses aber erstreckte sich damals keineswegs wie in der Kaiserzeit und jetzt
ununterbrochen über den ganzen Hügel, sondern war durch einen Thalspalt, der
den gegenwärtig an 1750 Meter im Umfang messenden Hügelcomplex- in zwei
ungefähr gleiche Hälften theilte, von Nordost nach Südwest durchzogen. Die nord-
westliche Hälfte nun war der Schauplatz jener Colonie, an welche sich die bekannte
Romulussage knüpft ^ die ihrerseits durchaus auf den Westrand verweist. Der
Name der letzteren war auch Germalus, nach Varro^ der Localsage von den dort
gefundenen Zwillingsbrüdern (germani) entnommen. Denn an seinem Fusse, jedoch
keineswegs an dem Cloakenarm, welchen Gori^ dafür genommen hat, muss das
Lupercal gesucht werden, jene Höhle mit Felsenquelle, beschattet von dem Ficus
Ruminalis, bei welchem der Korb mit den Zwillingen gestanden haben soll. ^ Diese
dem wolfabwehrenden Heerdenbeschützer Faunus Lupercus, den Dionys von Hali-
carnass fälschlich mit dem ähnlichen lykäischen Pan identificirt, geweihte Stätte,
darf auch als das Urheihgthum der Colonie betrachtet werden, und nicht der an-
geblich arkadische, sicher erst 460 d. St. (2t94 v. Chr.) von L. Postumius geweihte^
Tempel der Victoria ^ oder ein gleichfalls mit den hier völlig mythischen Arkadern
in Verbindung gebrachter Gerestempel ^ oder ein angeblich ebenfalls vorromulischer
Fidestempel ^ welche alle ihr überhohes Alter dem Bestreben der Geschichtschreiber
verdanken, die Urgeschichte Roms mit den Griechen in Verbindung zu setzen.
Das Lupercal hat sich bis in späte Zeit wie es scheint von Augustus umgebaut als
Cultstätte erhalten, '•* wenn auch der Ficus später, angeblich durch seine wunder-
bare Versetzung auf das Forum Romanum durch den Augur Attus Navius ^^ ver-
schwunden ist. Dagegen scheint ein dort von den Ogulniern i. J. 456 d. St. ge-
weihtes Bronzebild der säugenden Wölfin, ^^ bis zum Ende des Mittelalters an Ort
und Stelle oder wenigstens in der Nähe verblieben zu sein, wenn es, was wahr-
scheinlich, dasselbe ist, das im 15. Jahrhundert am Fuss des Palatin „im Vela-
brum" ^^ oder „in einem Tempel hinter der Schola Graeca (S. Maria in Cosmedin)
am Circus" ^^ gefunden worden ist und jetzt zu den Hauptzierden des Bronzesaales
im Conservatorenpalast gehört.
Mit der Gründung Roms, deren angebliche Zeit und nähere Umstände nichts
anderes als ein ausgebildeter und fixirter Mythus zu sein scheinen, veränderte sich
1 P. Rosa, Scavi del Palatino. Ann. d. I. d. c. a. i866 p. 346—367. Mon. d. I. VIII. tav. XXIII. 1. —
H. Jordan, die Kaiserpaläste in Rom. (A. Virchow u. Holtzendorff, Sammlung wissenschaftlicher Vorträge.
Heft 65. S. 8. 2 de L. L. V. 8. ^ An der Mündung der Via de' Fenili in die Via de' cerchi gegenüber
der Bottegha der Fratelli Ricci n" 8. Gori, II Lupereale. Bull. d. I. d. c. a. 4867. p. 404—108. < Dionys.
I. 32. 79. Varro 1. c. Flut. Romul. 3. ^ Liv. X. 33. «Dionys. I. 32. ^ Dionys. I. 33. spestus
s. V. Roma. 9 Monum. Ancyr. i" pün. H. N. XV. \8, 20, 77. Fest. s. v. Navia cf. Liv. X. 23. Dionys.
I. 79. 1' Liv. X. 23. 12 c. Fea, Miscellanea filolog. critic. ed. antiq. I. p. 53. i^ Pomp. Laet. de Rom.
ant. p. 24. Marliani Ant. Urb. top. IV. p. 78. Fulv. de U. ant. p. 229.
358 ^^^ Palatinus.
hinsichtlich der Gestalt der Colonie wenig. Der Kornelkirschbaum , angeblich aus
dem Lanzenschaft entsprossen, den Romulus vom Aventin herübergeschleudert hatte,
und derselbe welcher erst unter Caligula in Folge einer Beschädigung seiner Wurzeln
bei Anlage einer Treppe abgestorben sein soll, ^ deutet noch auf die Baumbesetzung
des Hügels , die danebenbefindliche und sicher an der Westecke anzunehmende ^
Hütte des Romulus aber, hölzern und schilfbedeckt wie sie war als verehrungs-
würdige Reliquie bis in die späteste Zeit erhalten,^ auf die dorfartige Gestalt des
Innern der Niederlassung. Gleichwohl wurde mit der Ummauerung des Hügels die
Ansiedlung zur Stadt erhoben, und diese muss um die Zeit hergestellt worden sein,
in welche Romulus von der Sage gesetzt wird. Reste der Mauer sollen unten
nachgewiesen werden.
Wenn man nach Plinius^ hinsichtlich der durch die romulische Mauer ge-
bildeten »Roma quadrata« darüber im Zweifel war, ob sie drei oder vier Thore
hatte, so wissen wir jetzt nur mehr die Namen von zweien, und auch von diesen
scheint nur die von der Gestalt des Hügels selbst bestimmte Porta Mugonia oder
vetus Palatii auf der Höhe des Velia-Vorhügels ursprünglich vorhanden gewesen zu
sein. Ihr Name Mugonia (vom Brüllen der Rinder beim Austreiben zur Weide)
weist wieder auf die Beschaffenheit der Colonie hin, welche ihren überwiegenden
Hirtencharakter auch mit Herstellung der Ummauerung nicht verlor. Die Verbindung
der palatinischen und der capitolinischen Stadt machte dann die Porta Romanula oder
Romana nothwendig, welche an der Nordecke bei S. Maria Liberatrice zum Clivus
Victoriae führte ^, den die neueren Ausgrabungen von seinem Beginn an in beträcht-
licher Ausdehnung zu Tage gefördert haben. Wahrscheinhch entsprach dann ein
drittes Thor dem wieder aufgedeckten steilen Anstieg vom Thale des Circus her,
wohl die xaA^ cckttj bei Plutarch % deren Sinnlosigkeit die Vermuthung ^ sehr nahe
legt, dass sie in der Hellenisirung der »scala Gaci« ihren Ursprung habe. Die Exi-
stenz eines vierten Thores, schon im Alterthum zweifelhaft, ist geradezu unwahr-
scheinlich, jedenfalls aber müssten wir hiefür an die Südostseite des Mauervierecks
denken. In welcher Gestalt sich die Thore in die Befestigung einfügten ist unge-
wiss, doch ist die etrurische Kammerform wahrscheinhch.
Die Mauern scheinen nicht oder wenigstens nicht allenthalben am Höhen-
rande, sondern grossentheils am Hügelabhange hingeführt gewesen zu sein. Diess
zeigen nicht blos die Reste , sondern auch die Notiz , welche Tacitus ^ über deren
» Plut. Romul. 20. Serv. ad Virg. Aen. III. v. 46. 2 Dionys. I. 79. Plut. 1. c. 3 Curiosum U. R.
Reg. X. 4 piin. H. N. III. 5, 9, 66. 6 Varro L. L. V. 34, 46. p. i64 VI. 3. 58. p. 205. (Spengel.)-Fest.
s. V. Romanam portam. e piut. Romul. 20. 7 ßethmann, Bull. d. I. d. c. a. 4 852. p. 40. » Tac.
Ann. XII. 24.
Der Circus Maximus. 359
Linie, beziehungsweise über die vier Ecken des Mauerzuges giebt, wobei freilich
auch der Glacisgürtel des sog. pomoerium in Mitrechnung gezogen werden muss.
Indess sind wir nur hinsichtlich der beiden mit dem ehernen Stier am Forum Bo-
arium und (etwas allgemein) mit dem Forum Romanum bezeichneten Ecken topo-
graphisch sicher, während die beiden anderen bei den Curiae veteres (wahrscheinlich
bei S. Sebastiano) und bei der Ära Consi (im Circus) nicht völlig bestimmbar sind.
Durch diese Unsicherheit aber erschwert sich die Entscheidung der Frage ob die
palatinische Ummauerung, wie Rosa will, nur die nordwestliche Hälfte des Hügels
oder den ganzen Palatin umfasst habe. Immerhin aber erscheint dem Verfassei",
obwohl es ihm nicht gelang das von Lanciani ' aufgeführte Mauerstück zwischen
Vigna Nusiner und dem unteren Nutzgarten der Salesianerinen (Villa Mills) zu finden,
wahrscheinhcher, dass die Roma quadrata den ganzen Hügel eingenommen; doch
kann die Hauptstütze der Rosa'schen Theorie erst bei Betrachtung der Mauerreste
selbst gewürdigt werden. Für die Annahme G. L. Yisconti's und R. A. Lanciani's
aber, dass analog den Verhältnissen auf dem Capitolinus die eine (südöstliche) Höhe
des Palatin von der Burg, die andere nordwestlich von der Stadt besetzt gewesen
sei, ^ haben wir keine Belege.
Mit der Stadtgründung hängt auch das Monument der Roma quadrata zusam-
men, ein quadratisch ummauerter kleiner Platz; der „mundus" der alten palatinischen
Stadt, welcher deshalb auch denselben Namen hatte, wie der romulische Mauer-
ring selbst^. Im Innern befand sich ein beweglicher Altar, der über einer mit
mystischen Weihegaben gefüllten Grube aufgestellt war. Die genauere Lage ist
nicht nachzuweisen, und die Hieherbeziehung eines Fragmentes des capitolinischen
Planes mit einem Freialtar (?) innerhalb der aREA APollinis unsicher. '
Topographischen Boden gewinnen wir wieder mit dem Heiligthum des
Jupiter Stator, welches Romulus, als er die Seinigen vor den Sabinern weichen
sah, zu errichten gelobte, wenn er die Fliehenden wieder zum Stehen brächte. ^
Dieses war freilich damals nur höchst unansehnlich, vielleicht sogar lediglich ein
Altar, '^ aber der Tempel, der nach dem Jahre 460 d. St. (295 v. Chr.) einem
Gelübde des Consuls M. AttiHus Regulus entsprechend an dessen Stelle trat ' und
der nach dem neronischen Brande neugebaut bis in die späteste Zeit bestand, ^
bestimmte sich nicht blos früher als über der Nova via und über dem Anfange
der Sacra via hegend '•* ziemlich genau, sondern wurde auch bei den neuesten Aus-
1 R. Lanziani, Fortificazioni di Roma anterior! a Servio Tullio. Ann. d. I. d. c. a. 1871. p. 41. sq. n". 3.
2 Ch. L. Visconti et R. A. Lanciani, Guide du Palatin Roma 1873 p. 16. ^ Fest. s. v. Quadrata Roma.
« H. Jordan, Forma U. R. tab. I. n». 1, Becker, Hdb. d. röm. Alterth. I. S. 107. «Liv. I. 12. « Dionys.
II. 50. Liv. X. 37. 7Liv. X. 36. 8 Xac. Ann. XV. 41. Curiosum U. R. Reg. X. » Liv. I. 41.
Put. Cic. 16.
360 ß^"" Palalinus.
grabungen an der vermutheten Stelle in seinen schmuckentblössten Resten wirklich
gefunden.
Von der übrigen Königszeit haben wir ausser dem Sacrarium des von Numa
gestifteten Collegiuras der palatinischen Salier, dessen Räume noch im 4, Jahrh. v.
Chr. als wiederhergestellt erwähnt werden , ^ keine Cultbauten auf dem Palatin zu
verzeichnen. Mit der Vergrösserung der Stadt wandte sich die Bauthätigkeit auch
den übrigen Stadttheilen, vorab der Linie der Sacra Via und dem Forum Romanum
zu. Numa wohnte am Fusse der Nordecke des Palatin bei dem Tempel der Vesta
in der Nähe des Forum , ^ das Haus des dritten Königs Tullus Hostilius befand sich
auf der Höhe der Velia in der Nähe des Penatentempels ^ und das des Ancus
Marcius ungefähr in derselben Gegend, da wo die Sacra via den höchsten Punkt
erreichte , bei dem Heiligthume der Laren. * Auf dem eigentlichen Palatin scheint
erst wieder der Palast des Tarquinius Priscus gewesen zu sein, der einerseits über
der Nova Via, anderseits in der Nähe der Porta Mugonia und des Jupiter Stator-
tempels angegeben wird,° womit sich seine Lage ziemhch genau bestimmt, noch
weiter gesichert durch die Angabe, dass sich das Reiterbild der Clölia vor jenem
Königshause und dem Jupiter Statortempel befunden habe. ^
Seit Erbauung der servischen Mauer aber wurde die Ummauerung der Roma
quadrata zur Antiquität, und wäre gewiss bei den Händeln der Patricier mit der
Plebs für die letztere ein Stein des Anstosses gewesen, wenn sie erhalten worden
und nicht bald unter den vorgeschobenen Privatbauten verschwunden wäre. Denn
wie der Palatin während der Königszeit die Wohnstätte der Urrömer, so blieb er
in der republikanischen Zeit dichtbesetzt von den aus der Urbevölkerung hervor-
gegangenen Patriciern, obwohl die Zahl der Besitzenden sowohl durch die ver-
grösserten Ansprüche der Einzelnen als auch durch das allmälige Aussterben des
Patriciats sich stetig verminderte. Und als aus den hundertjährigen Kämpfen der
Stände in Rom ein neuer aus Patriciat und Plebs zusammengesetzter Amtsadel
(Nobilität) sich entwickelt hatte, da gingen auch die Besitzungen des untergehenden
Patriciats in die Hände dieses über. Man darf annehmen, dass gegen Ende der
Republik der Besitz des Hügels auf wenige Familienhäupter sich concentrirt hatte.
Besonders erwähnt werden von diesen Gn. Octavius, der Triumphator über Perseus
vonMacedonien,' die Gracchen,** M. Fulvius Flaccus,'^ Drusus,^^ Gatulus,^^ Scaurus, *-
1 Orelli, Inscr. lat. sei. nO. 2244. 2 Ovid. Fast. VI. v. 264. Trist. III. 4. v. 29 sq. Plut. Numa U.
Solin. I. 21. Serv. ad Virg. Aen. VII. v. 153. 3 Cic. de rep. II. 31. Solin. I.' 22. Non. (Varro) XII. 51.
< Solin. I. 24. 5 Solin. 1, c. Liv. I. 41. 6 Plin. H. N. 6, 13, 29. ^ cic. de off. I. 89. »Plut. G.
Gracchus. 12. 9 Val. Max. VI. 3, 1. Cic. pro dorn. 44. ad Attic. IV. ep. 2 et 3. 10 Vell. Pat. II. 14.
"Plin. H. N. XVII, 1, 2. 12 Cic. de ofif. I. 39. Plin. H. N. XXXVI. 2, 6.
Die Geschichte des Palatinus. 361
Cicero \ Clodius 2, Milo ^, Crassus 4, Hortensius \ M. Antonius, dessen Besitzung später
Augustus an Agrippa und Messala schenkte ^, C. Octavius, der Vater des Augustus \
Tiberius Claudius Nero, Vater des Kaisers Tiberius^; und auch von diesen folgte
gelegentlich einer dem anderen durch Erbschaft, Kauf oder Gewalt im Besitz nach.
Man denke nur an die ciceronianische Umsturzepoche, wobei indess erwähnt werden
muss, dass die gewöhnliche Annahme, als habe auch Catilina sein Haus auf dem
Palatin gehabt, wohl nur auf einer falschen Lesart der bezüglichen Stelle des Sue-
ton beruht. ^ Leider sind die Nachrichten über den Besitzwechsel , welcher im
letzten Jahrhundert der Republik bei den besonders den höheren Ständen verderb-
lichen Bürgerkriegen und bei der häufigen Kinderlosigkeit der römischen Nobilität
sehr rasch und mannigfaltig war, nur so spärlich, dass der Besitzstand in den
einzelnen Zeitabschnitten überhaupt nur bruchstückweise und noch seltener topo-
graphisch nachgewiesen werden könnte. Doch erfahren wir aus den angeführten
Stellen, dass die Behausung des Gn. Octavius in dem vergrösserten Besitzthum des
Scaurus aufging, welches dann an Clodius und nachmals an Longus Gaecina kam,
dass Catulus das Areal des geschleiften Hauses der Gracchen zu seinen Anlagen
zog, und dass namentlich die Besitzung des M. Livius Drusus in einem Jahrhundert
in die Hände von vier anderen Eigenthümern , Crassus, Cicero, Censorinus und
Statilius Sisenna überging, welche alle nach Geschmack und Gelegenheit arrondirten
und veränderten. Verwendbare topographische Angaben liegen nur vor hinsichtlich
des Besitzthumes des Milo, welches am Germalus, d. h. an dem der südlichen Ca-
pitolshöhe gegenüberliegenden Hügelrande, und jenem des Tiberius (wenn wir dabei
an die repubhcanische domus denken sollen), welches über dem Velabrum
befindliche^ bezeichnet wird. Wir werden übrigens unter den Ruinen einen namhaften
Ueberrest als muthmaasslich dem Hause des Tiberius angehörig unten zu beschrei-
ben haben.
Mehr als von der Lage der einzelnen Privatbesitzungen auf dem Palatin
wissen wir von dem Reichthume und der ausserordentlichen Pracht derselben.
Nachdem Crassus nach der Ermordung des Tribunen Drusus dessen Haus käuflich
an sich gebracht, schmückte er unter umfänglichen Umbauten des Ganzen das Atrium
mit Säulen von hymettischem Marmor, womit zum erstenmale überseeischer Marmor
in Rom zur Anwendung kam^^ nicht ohne üble Nachrede wie den Spottnamen der
»palatinischen Venus« für den luxuriösen Besitzer zu erwecken. Wir wissen auch
1 Cic. p. dorn. 43. 44. ad AU. 1. c. Vell. Pat. 1. c. 2 Ascon. ad Cic. Milon. Arg. 7. » Cic. ad
Attic. IV. 3. * Plin. H. N. XVII. 1, 2. » Sueton. Aug. 72. 6 Dio Cass. LIII. 27. " Sueton.
Aug. 5. 8 i(j. xib. 5. 8 de gramin. ^7. ,,in Atrio Catulinae (Catuli) domus" statt „Catilinae" (ed.
Roth. p. 264). lOTac. Hist. I. 27. cf. Sueton. Vitell. 45. n Plin. H. N. XXXVI. 3, 7.
F. Reber, Rom. 4Q
362 D^^ Palati nus.
dass Cicero 3,500,000 Sesterzen (91 4,000 Mk.) für das Besitzthum bezahlte.^ Noch
prachtvoller war das Haus des Cimbernsiegers Q. Catulus , ^ am hervorragendsten
aber das des Scaurus, welcher die unerhört verschwenderische Ausschmückung des
von ihm für vorübergehende Zwecke aufgeschlagenen Theaters, dessen in der ein-
leitenden Baugeschichte Erwähnung geschehen ist, für seinen Privatsitz auf dem
Palatin verwendete. Diese Anhäufung von Kunstwerken und Prachtmaterialien, welche
dem Plinius die Hyperbel entlockte, Scaurus habe Alles bis auf die Thonbilder der
Tempelgiebel in seinen palatinischen Wohnsitz zusammengeschleppt, ^ brachte den-
selben auch zu dem unerhörten Preis von 14,800,000 Sest. (2,596,000 Mk.) um
welchen ihn Clodius erstand. ^
Die üppigen Privatbestrebungen der römischen Nobilität auf dem Palatin
liessen die Bedachtnahme auf die Götter dort mehr in den Hintergrund treten, als
diess in den übrigen Stadttheilen geschah. Von dem Neubau des romuhschen
Heiligthums des Jupiter Stator als Tempel i. J. 460 d. St., wie von dem der Vic-
toria im gleichen Jahre wurde bereits gesprochen. Nicht sehr bedeutend scheinen
auch zwei andere Jupitertempel gewesen zu sein, der Jupiter Victor, den die Notitia
(das Curiosum nicht) in der X. Region erwähnt, vielleicht derselbe den der Consul
Q. Fabius Rollianus nach dem heldenmüthigen Opfer des Decius gelobt hatte, '^ und
den auch, ebenfalls ohne locale Angabe Ovid erwähnt, ^ dann der Tempel des Ju-
piter Propugnator , aus einer Inschrift bekannt. ^ Auch der Tempel des Romulus, ^
wie derjenige des Bacchus ^ und ein weiterer der Venus *^ scheinen baulich uner-
hebhch gewesen zu sein, die Heiligthümer der Febris,^^ der Viriplaca (Gattenver-
söhnerin),^^ der Luna Noctiluca ^^ und des Ajus Locutius," jener geheimnissvollen
Stimme, welche in nächtlicher Stille die Ankunft der Gallier verkündete, waren
lediglich Kapellen mit einem Altar. Local bestimmbar sind von diesen nur einige,
und auch diese nur ungewiss oder annähernd. Der Jupiter Victortempel ist nemlich
nach der Notitia an der Nordostseite des Hügels anzunehmen, der Romulustempel
wird am Germalus, mithin am westlichen Höhenrande genannt, der Bacchustempel
neben dem Cybeletempel , Ajus Locutius in dem Haine über der Vesta, mithin an
der Nordecke des Hügels. Selbst von der Lage des bedeutendsten aller palatini-
schen Heiligthümer, des Tempels der Magna Mater Idaea (Gybele), deren Symbol P.
Cornelius Nasica aus Asien gebracht hatte und dessen Bau i. J. 550 d. St. (204
1 Cic. fam. V. 6 cf. Gell. N. A. XII, 12. ^P\m. H. N. XVII. i, 2. 3 id. XXXVI. 2, 6. Md.
XXXVI. 15, 24, 103 cf. Ascon ad Cic. Milon. Arg. 7. 5 Liv. X. 29. 6 Ovid. Fast. IV. v. 621 sq.
^Orelli Inscr. 42. 8 Varro L. L. V. 8. » Val. Max. II. 4, 6. 'O Dio Cass. LXXIV. 3. nCic.legg. II.
11, 28. nat. deor. III. 25, 63. i* Val. Max. II. 1, 6. 1 3 Varro L. L. V. 10, 20 p. 73 (Speng.) " Cic.
de div. I. 45. II. 32. Liv. V. 32. Gell. N. A. (Varro) XVI. 17. Plut. Camill. 30. de fort. Rom. 14, 5.
Die Geschichte des Palatinus. 363
V. Chr.) begonnen und 1 3 Jahre später geweiht wurde, ^ wissen wir nur, dass es
in der Nähe der Hütte des Romulus, ^ mithin nahe der Westecke des Hügels ge-
standen habe, hinsichtlich seiner Form aber dürften wir an einen Rundtempel denken,
wenn sich erweisen Hesse, dass der »Tholus Gybele's« das Martial ^ auf denselben
Tempel zu beziehen sei , und wenn die blossgelegte Stelle auch nur eine Spur von
einem solchen gezeigt hätte. Jedenfalls erhoben ihn die Neubauten nach den
Bränden von 643 und 755 d. St., der letztere von Augustus besorgt * unter die
Reihe der römischen Prachtbauten.
Eine neue Ära trat für den Palatin mit dem Beginn der Kaiserzeit ein, indem
sich nun allmälig die Umwandlung des vormals vielen Privaten gehörigen Stadt-
theils in ausschhessend kaiserlichen Besitz und in eine kaiserliche Residenz vollzog.
Auf dem Palatin selbst in dem sonst unbekannten Quartiere ,,ad capita bubula"
geboren, ^ begann Augustus nach der Schlacht bei Actium das unscheinbare väter-
liche Haus durch Einverleibung anderer mittlerweile erworbener Besitzungen, wie
des Hortensius und des Catulus standesgemäss zu erweitern. Nun verschwand
allerdings die frühere Einfachheit sowohl in den ererbten, wie in den nachträghch
erworbenen Theilen, von welchen letzteren der vormalig hortensische Bestandtheil
durch seine altbürgerliche Schlichtheit, die sich in den Säulen von Peperin wie in
dem Mangel aller Marmorzierden an Wänden und Fussböden aussprach, vor den
übrigen Patrizierhäusern wahrhaft republikanisch abgestochen hatte ;^ doch benutzte
Augustus keineswegs das ganze erworbene Areal für Privatzwecke, sondern gränzte
in weiser Erkenntniss seiner Ziele den grössten Theil davon für öffentliche Gebäude
ab, indem er an einer vom Blitze getroffenen Stelle dem Apollo, an einer anderen
der Vesta einen Tempel errichtete. ' Über den letzteren wissen wir nichts Näheres,
umso mehr von dem zur Erinnerung an die Schlacht bei Actium erbauten und
729 d. St. geweihten ^ Heiligthum des Apollo. Es war von lunesischem (carrarischem)
Marmor" und im Innern mit den Statuen des Apollo Kitharödos, der Latona und
Diana, aussen aber auf der Höhe des Giebels mit einem Phöbus auf der Quadriga
geschmückt. ^"^ Der Apollo des Innern wird dem Scopas, die Statue der Diana dem
Timotheos zugeschrieben," die Giebelgruppe unbekannten Gegenstandes aber den
alten Chier Meistern Athenis und Bupalos, von welchen die archaistische Vorliebe
des Augustus so viel als möglich an architektonischen Sculpturen für seine Bauten
zu gewinnen strebte. '^ Von dem Innern werden noch eine Daktyliothek ^^ und
' Liv. XXIX. il. XXXVI. 36. 2 Cixrios. U. R. Reg. X. 3 gpigr. I. 74. v. 4 0. *Ovid. Fast. IV.
V. 348. 5 sueton. Aug. 5. 6 id. Aug. 2. 7 ovid. Fast. IV. 951 sq. Met. XV. 864. Vell. Pat. II. 84.
Sueton. Aug. 29. Mon. Ancyr. ^ djq cags. LIII. 4. » Serv. ad Virg. Aen. VIII. v. 720. ^o Propert.
II. 34 V. 41 u. 45. "Plin. H. N. XXXVI. 5, 4, 82. la id. XXXVI. 5, 4, 43. »Md. XXXVII. 4, 45, 44.
46*
364 D^*" Palaünus.
kunstvolle Lampen 1 erwähnt, auch wurden dort die sibyllinischen Bücher bewahrt.^
Die Porticus, welche den Tempelhof umschloss, verband ihn mit zwei Bibliotheken,
einer griechischen und einer lateinischen, wohin in der Kaiserzeit öfters der Senat
berufen ward. ^ Die ungewöhnliche Pracht dieser Säle wird mehrfach erwähnt :
Säulen von afrikanischem Marmor (giallo) wechselten mit Hunderten von Werken
der Bildnerei verschiedenen Maassstabes, worunter der colossale (50 hohe) Bronze-
apollo tuscischen Styls ^ und ein als Apollo dargestellter wohl ebenfalls colossaler
Augustus, ° sonst die wahrscheinlich unterlebensgrossen 50 Danaiden und ebenso-
viele Ägyptiden zu Pfeid. "
Je reichlicher aber die Nachrichten über die Ausstattung des augusteischen
Complexes, desto unzulänglicher sind die topographischen Notizen. Gewöhnhch
nimmt man ihn an der Stelle des Salesianerinenklosters (Villa Mills) an, d. h. ungefähr
in der Mitte des dem Circus zugewandten Hügelrandes, wo in den Souterrains des
modernen Gebäudes noch einige Gemächerüberreste enthalten sind. Bei dem Neubau
der Villa zu Ende des vorigen Jahrhunderts (wohl nicht allzugründlich) untersucht,
schienen sie durch eine gewisse Ähnhchkeit der Backsteinconstruction mit der des
Pantheon auf die augusteische Epoche hinzuweisen. Allein es fehlt nicht an Notizen,
welche der Annahme des augusteischen Complexes an dieser Stelle widersprechen.
So nennt der Regionär, bekanntlich im Wesentlichen ein Grenzverzeichniss der
Regionen, zwischen dem Septizonium des Septimius Severus (Südspitze des Hügels)
und dem Lupercal (Westecke), mithin da, wo man den augusteischen Palast nach
jener Annahme erwarten müsste, nur die Victoria Germani(ci)ana , während die
Kaiserpaläste und zwar der augusteische (übrigens wie wir sehen werden viel-
mehr der domitianische) und der tiberianische an der Nordwestseite des Hügels
verzeichnet werden. Befremdlich ist ferner bei Annahme jener Localität (Villa Mills)
für die domus Augustana der Umstand, dass Augustus den circensischen Spielen von
den Speisesälen seiner Freunde und Freigelassenen aus zuzusehen pflegte, ' während
sein eigener Palast, wenn er an der beliebten Stelle war, den ganzen Circus wie
kein anderer Punkt des Hügels beherrschte. Ueberdiess setzt die angegebene Annahme
voraus, dass der Apollotempel sich nordöstlich vor dem an den Hügelrand gerückten
Hause des Kaisers befand, während Ovid *^ den Weg vom Forum Cäsars zur kaiser-
lichen Domus so beschreibt, als ob man, am Vestatempel und der Regia am Fusse
der Nordspitze des Palatin vorbei durch die Porta Mugionis beim Statortempel un-
1 Plin. H. N. XXXIV. 3, 8, 4 4. 2 Suet. Aug. 31. Ammian. Marc. XVIII. 3. 3 Dio Cass. 1. c. Suet. Aug.
29. Orelli Inscr. n» 40. 41. Tac. Ann. II. 37 et alibi. 4 pun. H. N. XXXIV. 7, 18, 43. 5 Prop. II. 34,
44. Serv. ad Virg. Ecl. IV. v. 10 Schol. Crug. ad Hör. Ep. I. 3 v. 17. 6 Prop. II. 31. 3. Ovid. Trist. III.
4, 64. Amor. II. 2, 4. Schol. Fers. 2 v. 56. ' Sueton. Aug. 45. « Ovid Trist. III. Eleg. 4. v. 27 sq. 59 sq.
Die Geschichte des Palalinus, 365
mittelbar zum Palast gelangte, worauf erst in noch grösserer Entfernung der Tempel
des Apollo und die Bibliotheken nachzufolgen scheinen. Erwägt man dazu noch,
dass die flavische Palastanlage wenigstens in dem bisher aufgedeckten Theile schon
als aedes pubhca, als Saalbau für öffentliche Zwecke angelegt war, wie diess auch
Augustus bezüglich seiner Domus gelegentlich des durch freiwillige Volksbeisteuer
ermöglichten Wiederaufbaues nach dem Brande von 756 (3 n. Ch.) verfügt hatte, * so
möchte man vermuthen, dass die augusteische Domus in der flavischen Palastanlage
ganz oder zum Theil aufgegangen sei. Jch glaube ferner, dass ihre dem neroni-
schen Brande erlogenen Ruinen von der Substruction der flavischen Anlage in ähn-
licher Weise überbaut worden sei, wie die Aurea domus von den Thermen des
Titus, und dass vielleicht jene Gemächer die man unter dem Triclinium des Domitian
gefunden, zu dem Complexe gehört haben, dessen weitere Ueberreste noch unter
der flavischen Substruction verschüttet liegen. Dahin führte dann auch direkt jene
Hauptstrasse die von der summa sacra via her den Hügel durchschnitt und welche
jetzt linkseitig vor dem domitianischen Palast etwas räthselhaft endigt. Der muth-
maassliche Ueberrest des Apollotempels aber wird bei Beschreibung der Ruinen noch
erwähnt werden.
Auf gesicherterem Boden bewegt sich die Topographie hinsichtlich des Pa-
lastes von Augustus Nachfolger Tiberius. Schon dessen Vater besass, wie oben
erwähnt worden ist, ein Haus am Palatin.^ Dieses hat dadurch erhöhte Bedeutung
gewonnen, dass die interessante Ruine des sog. Hauses der Livia, welche in einer
an Pompeji gemahnenden Erhaltung auf dem Palatin aufgedeckt worden ist, damit in
Zusammenhang gebracht wurde , was allerdings noch weiterer Sicherung bedürfte.
Wie dem auch sei, jedenfalls war des kaiserlichen Sohnes Palastbau in der Gegend
jener Wohnhausruine. Denn wenn Otho um sich mit seinen Parteigängern zu ver-
einigen »durch die tiberianische domus und über das Velabrum sich nach dem Forum«
begab ^ und Vitellius in dem tiberianischen Palaste speisend vor sich das Capitol in
Flammen stehen sah, ^ so musste sich das Gebäude am Westrand des Palatin befinden,
wo in der That entsprechende Ruinen gefunden worden sind. Annähernd bestimm-
bar ist auch der von Tiberius und Livia erbaute Tempel des Augustus, welcher
nach Münzdarstellungen ein Rundtempel gewesen und nahe an der Nordecke und
zwar am nordwestlichen Abhänge des Hügels gelegen sein muss, weil Caligula seine
Brücke nach dem Capitol über ihn wegführte.^ Ohne nähern Anhaltspunkt sind wir
hinsichtlich der als in dem tiberianischen Palaste befindlich erwähnten Bibliothek, ^
1 Dio Cass. LV. 12. 2 gueton. Tib. 5. 3 Tacit, Hist. 1. 27. < Tac. Hist. III. 71. 5 Suet. Calig.
22. vgl. die Erörterung über die Substructionsmauern hinter dem Castortempel p. 142. * A. Gell. N. A.
XIII. 19. Script. H. A. (Vopiscus) Prob. 2.
366 Der Palatinus.
die vielleicht nach Auflösung oder Brandzerstörung der augusteischen sei es anläss-
lich des domitianischen Neubaues, sei es durch die Antoninen, welche den tiberia-
nischen Palast bewohnten, ^ hierher transferirt oder hier angelegt worden ist.
Den zwischen Porta Romanula und dem Clivus Victoriae einerseits und dem
tiberianischen Palaste anderseits liegenden bis dahin noch privaten Raum aber, selbst
noch über den genannten Clivus bis über die natürliche Nordspitze durch Substruc-
tionen hinausgreifend, füllte Galigula's Palastannex aus, welcher namenthch bezweckte,
den Castortempel am Forum Romanum mit dem Palaste in Verbindung zu bringen
wie einen Zugang zu der berüchtigten Brücke zu bilden, mit welcher der wahn-
sinnige Fürst die Nordecke des Palasthügels mit dem capitolinischen Jupitertempel
in Verbindung setzte. ^ Von beiden ist bei Beschreibung des Forum (S. 1 42) ge-
sprochen worden. Galigula's Erweiterungsbauten waren ohne Zweifel von ausseror-
dentlicher Pracht, doch werden nur ausgedehnte Säulenhallen, welche Galigula in
schlaflosen Nächten zu durchwandeln pflegte 3 und ein Tempel, den er sich selbst
erbaute, * der aber nach seinem Tode selbstverständlich wieder zerstört wurde,
erwähnt. Von dem letzteren wissen wir, dass seine Porträtbildsäule daselbst von
Gold war und täglich mit ähnlichen Gewändern bekleidet werden musste , wie er
sie eben selbst trug, und dass er sogar mit dem Plane umging, unter andern be-
rühmten Götterbildern auch den olympischen Zeus des Phidias nach Rom bringen
zu lassen, um ihn wie die anderen durch Veränderung des Kopfes zu seinem ei-
genen Bildnisse zu machen und in seinem Tempel aufzustellen.
Etwas unklar ist die Bauthätigkeit Nero's auf dem Palatin. Bisher (dem
Glaudius werden keine Palaständerungen zugeschrieben) beschränkten sich die Tempel
und Residenzen der Kaiser auf die Nordwesthälfte des Hügels, über welche nur
Augustus möglicherweise hinausgegriffen hatte. Die Südosthälfte muss wenigstens
grossentheils noch in Privathänden gewesen sein. Man betrachtet es nun gewöhn-
hch als selbstverständlich, dass Nero den ganzen Hügel in Anspruch genommen,
und auch damit sich noch nicht begnügend, den Palast in nordöstlicher Richtung
noch weiter und bis über die Esquilien ausgedehnt habe. '" Es scheint jedoch, dass
zu letzterer Maassnahme nicht das Ungenügen an dem angeblich verdoppelten pala-
tinischen Areal , sondern der Wunsch Veranlassung gab , die kaiserlichen Gärten
auf dem Esquilin, welche sich von Mäcenas und Anderen an die kaiserliche Familie
vererbt hatten, mit dem Palast in Verbindung zu bringen. Daher erhielten auch
die neronischen Palastanlagen, die nun die Velia und das Thal zwischen dem Palatin,
Cälius und Esquilin bedeckten den Namen Domus transitoria (Verbindungspalast), zu
' Script. H. A. (Capitolin.) Anton. P. 10. M. Aurel. 6, 2 Suet. 1. c. Dio Cass. LIX. 28. LX. 6. 3 Suet.
Calig. 50. ■»Dio Cass. LIX. 28. Suet. Calig. 22. 5 Suet. Nero 31. Tac. Ann. XV. 39.
Die Geschichte des Palatinus. 367
welcher Bezeichnung im Sinne eines Durchgangspalastes übrigens auch der Umstand
beigetragen haben mag, dass ohne Zweifel hiebei für den öffenthchen Durchgang
zwischen dem Forum Romanum und den östlichen Stadttheilen Sorge getragen wer-
den musste. Es nöthigt demnach nichts anzunehmen, dass schon Nero die Palast-
bauten über den ganzen Palatin erstreckt habe, umso weniger als Nero seinen
ausserpalatinischen Anlagen vor den älteren Räumen den Vorzug gab, wie aus den
zahlreichen Nachrichten über jene hervorgeht, welche in den folgenden Abschnitten
bei der Beschreibung des Venus- und Romatempels, des Piedestals des Sonnen-
colosses, des Amphitheaters, und der Reste der Aurea domus in den Thermen des
Titus ihre Erwähnung finden werden. Es ist auch sicher, dass der Wiederaufbau
der palatinischen Gebäude nach dem neronischen Brande noch nicht vollendet war,
als Nero endete. Denn Otho bestimmte 500,000 Sesterzen für diese Arbeit, ^ für
welche jedoch die wenigen Monate seiner Regierung ebenso unzureichend waren,
wie die gleiche Zeit der Regierung des Vitellius, so dass ein grosser Theil davon
den Flaviern zufiel.
Vespasian zunächst war nicht der Mann, für Privatzwecke Opfer zu bringen.
Selbst in den sallustischen Gärten residirend^ liess er vielmehr die ausserpalatini-
schen Anlagen Nero's demoliren oder dem Volke öffnen, den grössten Theil des
freigewordenen Raumes für öffentliche Gebäude bestimmend, deren Ausführung je-
doch seinem Sohne zufiel (Colosseum und Thermen). Diese Aufgabe wie die Hülfe
nach der Vesuvkatastrophe des Jahres 79 und nach dem römischen Brande im J.
80 n. Chr. nahm auch Titus Aufmerksamkeit und Mittel während seiner kurzen
Regierung so in Anspruch, dass der Palastbau dessen Bruder und Nachfolger Do-
mitian zufiel. Wie aus classischen Schilderungen ^ und einigen Einzelnotizen ^ her-
vorgeht, war die Schöpfung dieses »Midas« der neronischen Aurea domus wenn
auch auf beschränkterem Räume an Pracht eher noch überlegen, und auch, soweit
diess die neuesten Ausgrabungen eines Theiles derselben, wovon unten, dargethan
haben, von einer vorher auf dem Palatin nicht erreichten Grossartigkeit. Es ist oben
die Wahrscheinlichkeit erwähnt worden, dass dadurch wenigstens ein Theil der
augusteischen Anlage absorbirt wurde, sicher aber ist, dass damit der die beiden
palatinischen Plateau's trennende Thaleinschnitt nun vollständig verschwand. Wie
beträchtlich die zu diesem Zwecke vorgenommene Auffüllung war, lehrten die tief
unter dem muthmaasslichen Triclinium liegenden Gemächer der sog. Bäder der Livia,
von welchen unten noch gesprochen werden soll. Damit war die Besitzergreifung
der südösthchen Hälfte des Hügels für die kaiserlichen Anlagen, welche früher nicht
1 Sueton, Otho 7. 2 Dio Cass. LXVI. 10. » Plut. Popl. 15. Stat. Sch. IV. 11, 18. * Script. H.
A. (Jul. Cap.) Pertinax. 11. Vit. Apoll. Tyan. VII. 32.
368 Der Palatinus.
bestimmt angenommen werden kann, sicher vollzogen, zumal die nach orientalischem
Culturgeschmack angelegten Gärten, welche Domitian unter dem Namen Adonaea
hinzugefügt zu haben scheint ^ nach dem Ausgrabungsbefund auf keiner der drei
anderen biosgelegten Seiten Raum gehabt haben könnten. Auch scheint es, wie
später dargethan werden soll, dass das palatinische Stadium, vielleicht sogar jene
der Augustana Domus zugeschriebenen Reste von Villa Mills zu dem domitianischen
Palastcomplexe gehörte, so dass die aedes publica nur einen Flügel des Ganzen bildete.
Nerva soll den domitianischen Cäsarenpalast zur aedes publica gemacht haben 2,
was, da der bekannte Theil schon von vornherein als solcher und nicht als Wohn-
palast gebaut war, nur als eine Bestätigung der ursprünglichen Bestimmung ver-
standen oder auch auf die anderen privaten Trakte der domitianischen Gesammtan-
lage bezogen werden muss. Nachdem nun in Folge dessen Traian auch die kost-
barsten Ausstattungsgegenstände entfernt und dem capitolinischen Jupiter geweiht
hatte % musste man wieder ganz zum tiberianischen Wohnpalast zurückkehren, jn
welchem wir auch die Antonine finden *. Ob der Brand, welcher kurz vor Com-
modus vom Tempel der Pax her über die Velia auch den Palatin ergrifft, sich bis zum
flavischen Palaste erstreckt hatte, ist unbekannt ; vielleicht aber war er in Folge Be-
schädigung des caligulanisch-tiberianischen Complexes Veranlassung zum Bau der
nur flüchtig erwähnten Domus palatina Commodiana% deren Stelle übrigens noch
zu suchen wäre, wenn wir nicht aus den Ziegelstempeln dieses Kaisers, die bei
neuerlich untersuchten Ueberresten in der Nähe von S. Bonaventura gefunden wur-
den, entnehmen wollen, dass sie sich hier, mithin auf der südöstlichen Höhe und
dem Cälius gegenüber befunden habe ^ , welcher Annahme auch die Gestalt der
Exedren, Gorridore etc. wie die Fragmente von Sculpturen und feinen Ornament-
wie figürhchen Malereien nicht entgegenständen. Damit wäre eine Besitzergreifung
der südöstlichen Hügelhälfte bis an die Ostecke gediehen.
Mehr aber in dieser Beziehung geschah durch Septimius Severus, durch welchen
erst der ganze Hügel in den Bereich des kaiserlichen Palastes gezogen worden zu sein
scheint. Denn er war es, welcher die Südecke mit jenen Gebäuden versah, deren
Substructionen und Gewölbe noch jetzt zu den mächtigsten Ueberresten des Palatin
gehören. Der Anblick dieser der Via Appia zugewandten Ecke musste vorher un-
ansehnlich gewesen sein, denn Severus wollte angebhch mit jenem Neubau seinen
auf der südlichen Hauptstrasse eintretenden afrikanischen Landslenten impbniren.
* Vit. Apoll. I. 1. c. vgl. den capitolinischen Plan. (Jordan Forma U. R. tab. X. 44.) 2piin. jun.
Panegyr. 47. 3 Martial LXX. epigr. iS. •»Script. H. A. (Capitolin.) Anton. P. -10 M. Aurel. 6. ^ THo
Cass. LXXII. 24. llerodian. I. U. 6 Script. H. A. (Lampridius) Gommod. -12. '0. Benndorf. Scavi in
Roma sul Palatino, nelle terme di Caracalla e lungo la Via Appia. Bull. d. I. d. c. a. 1866. 4 61—167.
Die Geschichte des Palalinus. 369
wie er auch selbst eine Zeit lang beabsichtigte, hier, wo der Palatin niemals einen
namhaften Zugang hatte, ein Prachtthor herzustellen. Von besonderer Bedeutung
aber war das diese Anlage südlich abgränzende Septizonium \ welches allerdings
noch räthselhaft ist, obwohl ein herrlicher Ueberrest bis zum Ende des 1 6. Jahr-
hunderts erhalten war, und in zahlreichen Abbildungen auch auf uns kam. Dieser
bestand aus drei übereinandergestellten Säulenreihen, decorativ an eine mächtige,
nach oben aber an Stärke abnehmende Rückwand gelehnt, deren senkrechten Glie-
derungen und Nischenbildungen sie folgten, ohne einen andern Zweck als den von
Fagadenschmuck zu verrathen. Der Name, im Mittelalter als Septizodium, Septido-
nium, Septemsolium, Septa Solis, Sedes Solis, Septem viis, scuola di Virgilio und sette
isole variirend, schien auf ein Uebereinander von sieben ähnlichen Säulengeschossen
zu deuten, aber eine solche Fronte, im Pfeilerarkadenbau nach Art der Theater
und Amphitheater wohl annehmbar, ist bei schwachen überdiess durch geradlinige
Gebälke verbundenen korinthischen Säulenstellungen kaum denkbar, bei der schon
im dritten Geschosse stark abnehmenden Dicke der Rückwand constructiv geradezu
unmöglich. Diess schliesst aber nicht aus, anzunehmen, dass die erhaltenen Reste
vielleicht nur die untere Terrasse verkleideten, die übrigen Säulenreihen aber die obere,
oder dass die letzteren überdiess getheilt zum Schmuck einer zweiten und einer dritten
Terrasse dienten. So boten sich jedenfalls demjenigen, der sich auf der Via Appia
(Via Nova) näherte, auch sieben Etagen dar, welche aber als hintereinander befindlich
jede architektonische Waghalsigkeit fernhielten. Auf die Annahme von Terrassen-
stufen leitet übrigens auch der Name, der an mesopotamische Terrassenbauten,
vorab an den gestuften Pyramidalbau des Tempels der »sieben Sphären« in Bor-
sippa erinnert. Sonst hat Jordan, dem wir eingehende Untersuchungen über dieses
Gebäude zu danken haben^ auf eine ältere Anlage gleichen Namens in Rom^ wie
auf eine ähnliche in Lambaesa ^ hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass
in beiden Fällen Prachtfontänen damit verbunden waren, wie auch eine hohe und
terrassirte Massivfronte sich trefflich zu derlei Werken eignen musste. Jedenfalls
falsch aber sind die restaurirten Pläne cinquecentistischer Architekten, ^ da sie weder
dem auf dem capitolinischen Plane ersichtlichen Fragmente, noch der ursprünglich
langen, einzeiligen Inschrift entsprachen. Die Inschrift mochte aber im Ganzen
(nach Jordan) also gelautet haben:
IMP CAES DIVI • M • ANTONINI PI! GERM SARM FIL DIVI COMMODI-
'Script. H. A. (Spartian.) Sept. Sev. 24. 'h. Jordan, Sul Septizonio Bull. d. I. d. c. a. 1872 p.
145—152. Forma ü. Roinae. Berol. 1874 c. V. 12—20 tab. XXVl. 3 gueton. Tit.2 cf. Ammian. Marc. XV.
7. 3. 4 Renier, Inscr. de TAlgörie n" 78. * h. Jordan, F. U. R. tab. XXVI. R. Redtenbacher, Zeitschrift
f. bildende Kunst Bd. XII. p. 113 fg.
F. Reher, Rom. 47
370 ^^^ Palalinus.
FRATER DIVI ANTONINI Pll NEP DIVI HADRIANI PRONEP DIVI TRAIANI
PARTH • ABNEP DIVI- NERVAE ■ Adnep. L. Seplimius Severus. Pius. Perlinax. Aug. Arah. Adiab.
Parlh. Max. Pont. Max. Trib. Pot. XI. Imp. X. Cos. lil. P. P. et Imp. Caes. M. Aurelius. Anloninus. Pius,
Felix. Au G • TRIB POT VI COS • FORTVNATISSIMVS NOBILISSIMVSQVE • •
Sie ist in ihrem ersten Theile durch den Einsiedler Anonymus von dem grösseren
wahrscheinlich 1257 von ßrancaleone zerstörten ' Theile abgeschrieben worden, in
ihrem zweiten Ergänzung, in ihrem dritten wieder lapidar gegebenen Theile der bis
ins 16. Jahrh. eihaltene Rest, und war fortlaufend auf dem Epistyl der unteren
Säulenreihe geschrieben. Der ganze Bau musste daher von beträchtlicher Länge
gewesen sein, so dass jenes von Sixtus V. zerstörte Stück nur den sechsten Theil
des Ganzen gebildet haben kann.
Nach Septimius Severus werden noch Elagabal und Alexander Severus als
in baulicher Beziehung auf dem Palatin thätig erwähnt. Elagabal erbaute daselbst
den prachtvollen Tempel des syrischen Sonnengottes gleichen Namens und stellte
als Bild der Gottheit daselbst einen schwarzen Aerolith(?) auf, wie er auch beab-
sichtigte, daselbst die ältesten Heiligthümer Roms zu vereinigen.^ Ausserdem be-
legte er die Höfe des antoninischen (Antoninus Caracalla,?) Palastes mit kostbaren
Pavimenten aus Porphyr und lacedämonischem Marmor (Serpentin) ^ und erbaute auch
ein öffentliches Bad wie ein Local für seine schnöden Ausschweifungen. * Alexander
Severus, welcher die bei Elagabal bezeichneten Pavimente zu so allgemeiner und
ausschliesslicher Anwendung brachte, dass sie den Namen opus Alexandrinum er-
hielten % der mit der Art selbst bis ins späteste Mittelalter in den Prachtböden der
Kirchen in Geltung blieb, erbaute seiner von ihm hochverehrten Mutter Mammaea
besondere Wohnungen (diaetae) auf dem Palatin, •■• welche der Umgebung derselben
den im Volksmunde sich länger erhaltenden Namen »adMammam« verschafften. Unter
den dem Maxentius zugeschriebenen Thermen' endlich sind vielleicht lediglich Um-
bauten oder Erweiterungen schon vorhandener zu verstehen.
Durch die Verlegung des Thrones nach Byzanz verloren die Palastanlagen
den Glanz ihrer Ausstattung, und nachdem Rom auch aufgehört hatte die Haupt-
stadt des Westens und die gelegentliche Residenz der lateinischen Kaiser und by-
zantinischen Exarchen zu sein, auch Zv^eck und Mittel der Erhaltung. Restaurations-
arbeiten, wie die durch eine vom Einsiedler Anonymus „in foro Palatini" abgeschriebene
Inschrift des Valens Valentinian und Gratian (von 36G n. Chr.) bezeugte, waren
wohl Ausnahmen und beschränkten sich auf das Nöthigste in der dieser Zeit ge-
* Gregorovius, Gesch. d. Sladt Rom im Mittelalter V. S. 317. 2 Script. H. A. (Lamprid.) Heliogab.
1. 3. Herodian. V. 3, 5. Aur. Vict. Caess. 23. 3 Script. H. A. Heliogab. 24. ^ id. 3. 8. 5 Script. H.
A. (Lamprid.) Heliog. 25. 6 id. Alex. Sev. 26. "> Catal. Imp. Vienn. (Rone. Tom II. col. 248.)
Die Geschichte des Palatinus. 371
wohnlichen künstlerischen Rohheit. Dass dann die beutesüchtigen Gothen und Van-
dalen in der Kaiserburg nicht bloss von den kostbaren beweglichen Gegenständen
nichts übrig Hessen, sondern auch Manches von dem zur Entführung Ungeeigneten
zerstörten, wird nach den Schilderungen von der Einnahme Roms durch Alarich
(409) ' wie durch Genserich (455) '^ nicht bezweifelt werden können, obwohl ihnen,
wie Gregorovius gezeigt hat, hinsichtlich der Zerstörung von Bauwerken zu viel zur
Last gelegt worden ist. Konnte doch Odoaker i. J. 465 den Palast noch bewohnen, ^
und ebenso 35 Jahre später Theoderich, welcher indess um dem durch mehr als
hundertjährige Vernachlässigung einreissenden Veifall vorzubeugen, schon umfassende
Ausbesserungen vornehmen musste, ^ von welchen auch Ziegelstempel mit seinem
Namen, an verschiedenen Stellen gefunden , Zeugniss geben. Seinen Bemühungen
scheint es zu danken gewesen sein, dass noch Kaiser Herachus i. J. 629 im Palaste,
wahrscheinlich im Hauptsaale der domitianischen Anlage gekrönt werden konnte. ^
Von da ab scheint aber der Verfall der palatinischen Gebäude trotz beste-
hender besonderer Aufsichtsbehörde '' reissende Fortschritte gemacht zu haben. Nach
den Aufzeichnungen des Einsiedler Anonymus ist anzunehmen, dass der Palatin
bereits im 8. Jhrh. zum grössten Theile ein Trümmeihaufen gewesen sei, der wenig
mehr klar erkennen liess. Die übrig bleibenden Gewölbe wurden zu Magazinen
und Speichern, die Abhänge zu Gärten benutzt, die sich auch allmälig, sobald sich
der nöthige Humus aus und über dem Schutte gebildet hatte, über das Plateau
verbreiteten. Im J. 975 finden wir einen Theil des Hügels um das Septizonium des
Severus herum, aus Grotten und Gärten bestehend, dem Kloster S. Gregorio geschenkt '
und in demselben Jahrhundert erhob sich auch bereits ein Kloster auf dem Hügel
selbst, S. Maria in Paladio (Palatio oder Palladio mit Bezug auf das alte Palladium
palatinum , dessen eine auswärtige Inschrift erwähnt?^) später S. Maria, SS. Seba-
stiane e Zotico und S. Andrea in Pallara genannt. Es bewahrte das Andenken
daran, dass S. Sebastianus angeblich im palatinischen Hyppodrom, wahrscheinlicher im
Circus, den Marterlod gefunden. " Eine andere Kirche erbaute P. Calixlus dem h.
Nicolaus. Sonst wissen wir noch, dass die Leoni und Frangipani im 12. Jahrhun-
dert dort einige Fortificationen anlegten.**^ Dass aber im Ganzen der Hügel während
des Mittelalters ziemlich verödete, ist wohl zum grossen Theile auf Rechnung der
Massenhaftigkeit der Ruinen zu setzen, welche zwar reiche Materialausbeute ge-
währten, aber in ihrem Kerne schwer zu bewältigen waren.
* Oros. VII. 39. 2 Procop. Bell. Vand. I. 4. 3 Cassiod. Chion. (Rone. Tom. II. p. 233.) * Cas^jod.
Var. VII. 5. » Chron. Cassin. (Mural. R. J. Script, T. II. p. I.) «de Rossi, Bull, di arch. crist. 1866 p.
9 sq. 7 Mittarelli Ann. Camald. App. tom. I. p. 97. » de Rossi, Bull, di arch. crist. 1867. p. 15 sq.
9 Martinelli Roma ex ethnica sacra p. 393, »^ Pandolf. Pisan. Vita Gelasii II (Murat. R. It. Script, tom. III.
p. 376.)
47»
372 ^^^ Palatinus.
Nach dem Aufhören der feudalen Zeit bauten die Mattei in der Mitte des
16. Jahrhunderts eine Villa auf der Südwestseite und verwandelten einen grossen
Theil des Hügels in einen Garten. Die Villa kam 1689 in den Besitz der Spada,
1765 des Marchese Magnani, 1777 des Franzosen Rancoureil, 1787 des österrei-
chischen Botschafters Brunati und 1818 des bekannten englischen Archäologen W.
Gell, der sie aber bald seinem Freunde Ch. Mills abtrat. Jetzt ist sie (seit 1857)
in ein Nonnenkloster der Salesianerinen umgewandelt und desshalb unzugänglich.
Gleichzeitig mit der Villa Mattei entstanden auch die Orti Farnesiani, von bedeutend
grösserem Umfange als die erstere und auch mit mehr baulichem Aufwände ausge-
stattet, aber an Lieblichkeit der Lage und Gestalt jener nicht vergleichbar. Durch
Heirath kamen die farnesischen Gärten mit den anderen Besitzungen dieses Hauses
an Spanien, dann an die Bourbonen in Neapel, seit welcher Zeit die Villa, der an-
tiken und modernen Ausstattung beraubt und in einen Nutzgarten verwandelt, ver-
ödete. 1861 sind die farnesischen Gärten von König Franz H. von Neapel käuflich
an Kaiser Napoleon HL übergegangen, nach dessen Sturz aber 1870 an die italie-
nische Regierung.
In beiden Villen wurden auch die ersten systematischen und nicht aus-
schliessend auf Plünderungssucht beruhenden Ausgrabungen vorgenommen. Zuerst
in den farnesichen Gärten, wo der gelehrte Veroneser Abbate Fr. Bianchini, unter
Clemens XL Commissär der römischen Alterthümer, die von Herzog Franz L von
Parma und Piacenza angeordneten Nachforschungen von 1720 — 1726 leitete, und
deren Ergebnisse in einem stattlichen nach seinem Tode publicirten Werke ^ zu-
sammenstellte. Sie beschäftigten sich hauptsächlich mit der Aufdeckung des domi-
tianischen Palastes, ohne jedoch zur Kenntniss des ganzen Zusammenhanges der-
selben wie der Stellung dieses Palastes zu den übrigen zu gelangen. Von Vortheil
war übrigens die Untersuchung für die Sache deshalb nicht, weil sie eine ergiebige
Ausbeutung und Zerstreuung der Funde zur Folge hatte, und einer sachkundigeren
späteren Forschung nur mehr die kahlen Mauermassen übrig hess. Ein halbes
Jahrhundert später (1 777) unternahm der Franzose Rancoureil die zusammenhängende
Ausgrabung der Ueberreste der in seinen Besitz gekommenen Villa Mattei-Spada,
und fand dabei einen abgeschlossenen anscheinend palastartigen Complex, jedoch
von kleineren Dimensionen, als sie der domitianische Palast darbot. Nachdem aber
einige Pläne und Aufrisse (durch den Architekten Barberi) wie ungenügende Be-
schreibungen^ geliefert waren, wurden die Reste theils zerstört, theils wieder ver-
1 Fr. Bianchini, II Palazzo dei Cesari. Opera postuma. Verona 1738. 2 Guattani, Monumenti an-
tichi inediti ovvero Notizie sulle anticliitä e belle arti di Roma. R. 1785 p. 1—7, 29—30, 59—60, 75—80, 83
—87. G. Thon e V. Ballanti, 11 Palazzo dei Cesari. Roma. 1828.
Die Geschichte des Palatinus. 373
schüttet und verbaut, ohne bis jetzt wieder in Untersuchung gezogen werden zu
können.
Ausser der durch alle Jahrhunderte gehenden gelegentlichen und ungeord-
neten Material- und Kunstausbeutung geschah dann bezüglich des antiken Palatin
nichts Erhebliches mehr bis Kaiser Nicolaus von Russland die Vigna Nusiner an der
Westecke des Hügels zum Zweck systematischer Ausgrabungen ankaufte, die 1846
begonnen ^ und bis 1 857 fortgeführt wurden, worauf die päpstliche Regierung gegen
Abtretung einiger antiker Sculpturen an Russland das Terrain zur Fortsetzung der
Arbeiten übernahm und von 1 869 an unter Leitung von P. H, Visconti weiter bios-
legte. Hiezu wurden damals auch die angrenzenden Grundstücke des südwestHchen
Abhanges, die Vignen Butirroni, Collegio Inglese und Bonfratelli erworben. Allein
die Arbeiten und Ergebnisse an jenem Abhänge waren von geringer Bedeutung
verglichen mit der grossartigen von P. Rosa geleiteten Blosslegung des Gebietes
der farnesischen Gärten, welches, wie oben erwähnt, Napoleon III. zu diesem Zwecke
erworben hatte. Als mehrjähriger Gehilfe Canina's hatte der unermüdliche Intendant
sich seither als den tüchtigsten praktischen Topographen Roms bewährt und die
Arbeit war daher mit dem besten Erfolge gekrönt. Seit nunmehr 1 7 Jahren ist fast
die ganze Nordwesthälfte des Hügels von dem Schutte befreit, und überdiess auch
Einiges von den Resten der severischen Anlage an der Südecke des Hügels bloss-
gelegt worden. Es steht zu hoffen, dass in nicht zu ferner Zeit Alles , was nicht
von Cultgebäuden bedeckt ist, der topographischen Forschung erschlossen sein wird.
Das Wesentlichste indess ist geschehen.
70. Die Ruinen an den Abhängen der Nordwesthälfte des Palatin.
Der Hügelabhang zwischen S. Maria Liberatrice und dem Titusbogen hat
seine ursprüngliche Gestalt wesentlich verändert. BeträchtUch vorgeschoben über
die frühere Hügelgränze zeigt er jetzt nur noch an der Nordecke die mächtigen
Substructionsgewölbe, welche wir als zum Erweiterungsbau des Galigula gehörig
erkennen werden : in der übrigen Ausdehnung haben die Umschliessungs- und Poital-
bauten, die Terrassen-, Treppen-, Grotten- und Gasino-Anlagen der Farnese aus
dem 16. und 17. Jahrb., grossentheils Vignola's Werk fast jede antike Spur verwischt.
Vor dem jetzt von dem Chef der palatinischen Ausgrabungen , Senator
Comm. P. Rosa, bewohnten Casino, das gleichfalls von den Farnese auf antike
Substructionen gegründet ist, angelangt, wenden wir uns zur Linken, und ge-
langen an Gewölben aus der Kaiserzeit vorbei an die ursprüngHche Hügelgränze,
wo bald antikes Strassenpflaster dem Auge begegnet. (I. des beigefügten Planes).
374 ^^^ Palatinus.
Seiner Richtung nach auf eine Abzweigung von der Sacra via deutend , die in ge-
radliniger Verlängerung vom Titusbogen her annähernd in der Linie von Nord
nach Süd in der Mitte des Hügels geführt zu haben scheint, zeigt dieses Strassen-
stück nicht blos ungewöhnliche Breite, sondern auch Basaltpolygone von ausseror-
dentlicher Grösse, überdiess zum Zwecke bequemerer Auffahrt gerippt behauen.
Eine besondere Verkehrsbedeutung der Strasse ist daraus unverkennbar, die Richtung
lässt auch keinen Zweifel übrig, dass wir hier den Hauptzugang des Palatin vor
uns haben, der von der Summa sacra via und von dem Scheitel der Velia nach
der Porta Mugonia und durch diese ins Innere der Roma quadrata führte.
Ein massiver Unterbau, der zur Rechten unmittelbar an die Strasse herantritt
(II) wird mit der Porta Mugonia oder P. vetus Palatii identificii't, könnte aber freilich
nach seiner Construclion nur ein Portalbau aus der Kaiserzeit sein, welcher übrigens
möglicherweise an der Stelle des alten Thores errichtet war. Denn unmittelbar
neben ihm erhebt sich die leider sehr verwüstete Substruction eines ansehnlichen
Tempels (III) der im Zusammenhange mit dem Thore mit Recht für jenen des Ju-
piter Stator gehalten wird, von welchem die Tradition bis auf Romulus zurückgeht.
Die Substruction zeigt an einigen Steinblöcken Marken wie PHILOCRATE, DIOCL,
die mindestens auf spätere republikanische Zeit hinweisen. Ob die in der Nähe ge-
fundenen Peperinsäulchenfragmente mit den archaisirenden Inschriften MARSPITER
(Marspater) \ REMVREINE (auf Remuria zu deuten) ANABESTAS (?) und FERT.
ERESIVS REX AEQVEICOLVS | IS PREIMVS | IVS FETIALE PARAVIT INDE
P. R. j DISCIPLEINAM EXCEPIT (auf den mythischen König der Aequicoler Ferter
Eresius bezüglich) zu dem Tempel gehörten, ist ungewiss, aber wahrscheinlich, da
das uralte Heiligthum voraussichtHch nicht ohne mythische Reliquien war. Thor
und Tempel mussten sich unmittelbar nahe an einander und beide keinesfalls ferne
von dieser Stelle befinden, so dass die aufgestellten Vermuthungen alle Wahrschein-
lichkeit für sich haben. Wie aber an die ursprüngliche Gestalt bei Beiden nicht
zu denken, so ist ein drittes denselben benachbartes Gebäude völlig verschwunden,
nemlich das Haus des Tarquinius Priscus, und ebensowenig dürfte das Suchen nach
dem Piedestal der vor dem genannten Haus und Tempel befindlichen Clöliastatue
Aussicht auf Erfolg haben. Die Beweisstellen für die Lage dieser Schöpfungen der
Königszeit sind in der Baugeschichte des Palatin (S. 359 fg.) gegeben.
Zur Entscheidung der Frage über den Mauerzug der Roma quadrata von
Porta Mugonia aus gegen die Nordecke des Hügels bieten weder Reste noch Terrain
Material. Wir befinden uns jedoch in der Richtung suchend bald auf einer zweiten
' Fabretti Inscsr. 97. 195, jetzt verloren.
Die Ruinen an den Abhängen der Nordwesthälfte des Palatin. 375
antiken Strasse von etwas kleineren Dimensionen (IV), welche gleichfalls gegen
Porta Mugonia emporzusteigen scheint, die wir aber abwärts (gegen Norden) ver-
folgen, wobei die prächtigen Ruinenmassen mit dem Gepräge der ersten Kaiserzeit,
welche sich beiderseits an sie drängen und zum Theil sogar darüber wegführen,
vorläufig unbesprochen bleiben sollen. Die Strasse endigt plötzlich an der steilab-
fallenden nördlichen Hügelecke, und es erscheint ziemlich sicher, dass hier die
Stelle des zweiten Palatinthores , der Porta Romana oder Romanula sei (V) , zu
welcher man da wo man vom Velabrum in die Nova via gelangte, auf den Stufen
des Clivus Victoriae emporstiegt Wenn sie aber zugleich in infimo clivo Victoriae
war, ^ so ist die Strasse auf welcher wir herabkamen der genannte Clivus. Freilich
fördert hier das authentischeste Unterstützungsmittel der römischen Topographie, der
capitolinische Plan nicht weiter. Denn das Planfragment, das die Strassenbezeich-
nung clivus Victoriae trägt, ^ neuestens durch eine glückliche Ergänzung vergrössert, ^
bereitet vielmehr durch seine Mauerlinien dem Ruinenbefunde gegenüber als auch
durch die Namen des Septimius Severus und Caracalla an der Stelle wo man den
tiberianisch-caligulanischen Complex annehmen muss, jedem Einfügungsversuch
Schwierigkeiten, so dass die Vermuthung, das Fragment sei vielmehr an die Südost-
seite des Palatin zu legen, " wo die Bauten des Severus sich zweifellos befanden,
nicht ganz abzuweisen ist, wenn es auch immer noch wahrscheinlicher ist, dass
der Zeichner des capitolinischen Plans wie auch sonst im Detail des Wohnhauses
hier ungenau und den Strassencurven und schieflinigen Mauern gegenüber etwas
unbeholfen und confus gewesen. Wie dem auch sei, jedenfalls theilte sich vor
Porta Romanula der Weg, so dass eine Treppe, deren Begränzung man an dem
steilen Hügelabfall noch verfolgen kann (VI) in der Richtung auf S. Maria Liberatrice
und auf das Forum , ein anderer Clivus südwärts nach dem Velabrum und fühlte.
Wir verfolgen in letzterer Richtung den modernen Weg am Fiisse der unfe-
gelmässigen Substruktionsmauern des Höhenrandes von der Nordecke zur Westecke
hin. Zur Rechten heben sich aus dem ärmlichen Quartier erst die mächtigen Mauer-
massen der sog. Substruction der Caligulabrücke, (vgl. S. 1 42) dann der gleichfalls
hinsichtlich seines Ursprunges nicht völlig gesicherte Rundbau von S. Teodoro, wäh-
rend zur Linken in malerischem Gemisch alles denkbaren Materials vom Quaderbau
bis zum betonartigen Gusswerk und von Constructionen der romulischen bis auf die
neuere Zeit die entblösste und vielfach geborstene Plateausubstruction sich hinzieht.
(VII). Wer sich antiquarischen Träumereien hingeben will, mag hier die Reste der
»Varro L. L. V. 34, 46. p. 164 VI. 3, 58. p. 205 (Spengel.) 2 fest. s. v. Romanam portani. 3 H. Jor-
dan, Forma U. R. tab. VII. 37. * A. Trendelenburg, Zwei zusammengehörige Fragmente des capitolinischen
Stadtplanes. Archäol. Zeitung 1876. S. 52. 53. «II. Jordan 1. c. II. 3.
gtyg Der Palati nus. -
Porticus suchen, die Catulus nach seinem Cimbernsi'ege erbaute, oder die Spuren des
an diese sich anschhessenden Hauses des Cicero. Die vielfachen Brechungen, Vor-
sprünge und Winkel, welche die ganze Terrassenverkleidung zeigt, beweisen, dass
diese keineswegs ein einheitliches Werk etwa der Kaiserzeit war, sondern d.ass sie
allmälig aus einer Anlage entsprungen sei , welche noch die Formation des hier
ziemlich schroff abfallenden Hügel ökonomisch festhielt, und es ist daher die Annahme
keineswegs gewagt, dass im Wesentlichen der Mauerzug der palatinischen Stadt
bestimmend geblieben sei. An verschiedenen Punkten (beiVHI) scheinen auch die
Spuren derselben in vereinzelten Blöcken zu Tage zu treten,' während in den le-
benden Fels gebrochene , vielleicht auch theilweise natürliche Höhlengänge (IX) an
Favissä, namentlich aber an das Lupercal denken lassen, welches, wie oben darge-
than wurde, in dieser Gegend gesucht werden muss.
Unmittelbar vor der südwestlichen der beiden wie nebenan vor der West-
ecke des Hügels finden sich die schönsten und sichersten Mauerstücke der Roma
quadrata (X. XI). An der einen Stelle bis zu 15 Meter lang ununterbrochen und
in 5 Lagen übereinander erhalten zeigen sie die Gonstruction in einer Deutlichkeit,
die nichts zu wünschen übrig lässt. Die Lagen wechseln nach dem Läufer- und
Bindersystem und zeigen am Hügel selbst gebrochene Tufblöcke mit einer Länge
von 1,10 bis 1,20 Meter bei einer Breite und Höhe von 0,53 und 0,53 Meter; doch
vermindern sich die Blöcke nach oben um je 0,o3 Met. an Breite, wodurch eine
leichte Verjüngung der Mauer nach oben entsteht, welche übrigens im Ganzen, je
nachdem sie an den Fels angelehnt ist oder sich frei erhebt zwischen 1,20 und
3 M. an Dicke wechselt. Die systematische Regelmässigkeit des servischen Mauer-
werks findet sich noch nicht, namentlich treffen die Stossfugen einer oberen Reihe
häufig auf solche der nächstunteren, was eine geringere Technik verräth. Uebrigens
sitzen die Blöcke sehr exakt auf- und nebeneinander, und von einem Bindemittel
findet sich keine Spur. Bei XI beugt die Mauer in stumpfem Winkel gegen Süden
ab und bildet so die abgestumpfte Westecke, welche jedoch durch Anbauten aus
der Kaiserzeit sehr entstellt und nur theilweise sichtbar ist.
Hat man die Ecke umschritten, so fällt unterhalb des Weges ein Altar auf,
welcher aus der durch die moderne Bodenerhöhung gebildeten Verschüttung, inner-
halb welcher er blossgelegt ist, nur wenig hervorragt (XII). Er wurde bereits vor
einem halben Jahrhundert entdeckt und ist an seiner ursprünglichen Stelle geblieben.
VonTravertinund ziemlich roh gearbeitet zeigt er einen an etrurische Vorbilder gemah-
nenden Archaismus in den wulstigen schwerfälligen Schmiegen wie in den voluten-
artigen Polsterenden der Oberfläche (vgl. die beifolgende lithographische Abbildung).
Die an der Südseite befindliche und noch leicht lesbare Inschrift lautet:
(0
a.
(1)
Ww liuiiien an den Abhängen der Nordwesthälfte des Pidatin. 377
SEI DEO SEI • DEIVAE SAC
C SEXTIVS C F CALVINVS PR
DE SENATI SENTENTIA RESTITVIT
Man kennt zwei G. Sextius Galvinus: Vater und Sohn; der ersteie war Consul i. J.
630 d. St., der letztere bewarb sich 654 d. St. um die Prätur. ^ Der Zusatz C. F.
und der Wurdemangel lassen hier zunächst an den Sohn denken, wonach das Denk-
mal in das letzte Jahrhundert v. Ch. zu setzen wäre, das übrigens, wie die Inschrift
besagt und durch ihren Archaismus andeutet, nur ein schon vorhandenes älteres er-
setzte. Der Fundort macht indess wenig geneigt , es wie Mommsen gewollt mit
dem Altar in Verbindung zu bringen, der »in imma nova via« beim Vestatempel aus
Anlass des geheimnissvollen Warnungsrufes bei Annäherung der Gallier errichtet
worden ist, da dieser überdiess seinen Namen (Ajus Locutius) hatte. Ueberhaupt
dürfte es schwer sein zu ergründen, welcher Veranlassung dieser »der unbekannten
Gottheit« errichtete Altar seine Entstehung verdankte. Denn erstlich war der Fall
nicht selten, dass man, wenn die Competenz des einen oder andern Gottes zweifel-
haft war, sich einer allgemeinen Formel bedient, um sich vor einem Verstoss und
der damit zusammenhängenden göttlichen Ungnade zu bewahren. Dann war auch
nicht jede Localgottheit mit einem besonderen Namen begabt, wie aus einer Formel
der Arvaltafeln »Sive deo sive deae in cujus tutela hie lucus locusque est«" her-
vorgeht. Sollte daher vielleicht an die Schutzgottheit dieser Ecke des Pomoerium
zu denken und an jeder Ecke ein ähnlicher Altar vorauszusetzen sein?
Die Mauern des südwestlichen Hügelrandes zeigen noch an zwei Stellen
muthmassliche Reste der Roma quadrata, nemlich an den mit XIII und XIV be-
zeichneten Punkten. Den ersteren ziemlich nahe und unmittelbar rechts neben dem
modernen Magazin mit der Büste Bianchini's befindet sich der (1877) noch nicht
völlig blossgelegte steile Aufgang zum Palatin, der in seinem oberen ganz aufge-
deckten Ende später noch näher betrachtet werden soll (Scala Caci XV). Das
Mauerstück XIV aber ist von besonderem Interesse durch seine Lage; statt sich
nemlich an die Linie des südwestlichen Abhanges zu halten, ist es perpendiculär
auf dieselbe gerichtet, als ob die Befestigung hier eine Ecke gebildet und sich dann
ungefähr in der Richtung des obenerwähnten den Palatinus theilenden Thaleinschnittes
nordöstlich gegen Porta Mugonia gewendet hätte. Verbindet man jedoch, um sich
diess zu vergegenwärtigen die erhaltenen Mauerfragmente der Westecke mit dem
äusseren Ende des fiaglichen Mauerstückes, so ergiebt sich ein so spitzer Winkel,
wie er für antike Fortificationen kaum angenommen werden darf, so dass man viel-
mehi-, wenn überhaupt das Stück zur Roma quadrata gehörte, annehmen muss, die
1 Cic. Brut. 34. de orat. 2. 60. ^ Marini, Atti dei trat. Arv. tav. XXXII. p. 370 sq.
F. Hkiikk, Rom. 48
378 ^^^ Palalinus.
von der Westecke her sich an den Htigehand hallende Mauer habe sich an das
innere Ende des Fragmentes XIV angeschlossen, wodurch sich dieses als zur Be-
festigung eines Hügelvorsprunges, deren Stirnseite mit der Rückwand des sogleich
zu schildernden Hauses identisch wäre, gehörig erweisen würde. In diesem aller-
dings wahrscheinlicheren Falle wird die Annahme, dass die Roma quadrata nur die
nordwestliche Hälfte des Berges eingenommen, grundlos.
Waren aber wohl zumeist Privatgebäude der republicanischen wie der Kai-
serzeit, nachmals gewöhnlich den Erweiterungsbauten der Residenzen einverleibt,
an die Hügelsubstruction angelegt, so fanden sich diese, soweit die bisherigen Aus-
grabungen reichen, nirgends in solcher Erhaltung wie hier, wo der herabrollende
Schutt der an dieser Stelle besonders steilen Höhe frühzeitig schützend gewirkt hat.
Erhalten ist freilich nur der dem Hügel nächstliegende Theil, in einer Flucht von
Gemächern (XVI) bestehend, welche eine Seite eines Hofoblongums bildete. Dieses
scheint ein Peristyl gewesen zu sein, wenigstens wurde noch eine Säule gefunden,
die jetzt unter den modernen Pfeilern steht, welche zum Zweck der Anbringung
von hier gefundenen, vielleicht aber vom Palatin herabgestürzten Marmorgebälken
aufgerichtet worden sind. Schon vor dem Eingang zu diesem Complexe sieht man
der obenerwähnten (XIV) Quadermauer entlang etliche Gemächer geringerer Erhal-
tung, die vielleicht zu demselben Hause, möglicherweise aber zu einem benach-
barten gehört haben. Die Gemächerreihe innen (XVI) aber, von welcher der Mittel-
raum exedrenförmig ist, zeigen noch ihren farbigen, freilich ziemlich rohen und
einfachen Wandschmuck in guter Erhaltung, welcher durch jene Wandkritzeleien
der Bewohner, die man Sgraffiti nennt, ein aussergewöhnliches Interesse erlangt
hat. Zunächst lassen mehre Inschriften der Art, die sonst interesselosen Namen
mit dem Zusätze (MI) V. D. N (Miles veteranus Domini nostri) verbindend, oder eine
andere, welche zwei PEREGRIni (Angehörige der Fremdenlegion) nennt, schliessen,
dass wir es hier mit einem Soldaten- wenn nicht Wachequartier zu thun haben,
welches nach dem Zusätze DE PAEDAGOGIO bei anderen eingekratzten Namen
vielleicht mit einer Art von Pagenhause in Zusammenhang stand. Von noch grösserer
und mehr culturhistorischer Bedeutung aber sind andere Kritzeleien, in welchen
müssige und rücksichtslose Hände Scherz und Spott mit Kameraden trieben, na-
mentlich das seit der Auffindung im Gemache rechts von der Exedra in weitesten
Kreisen berühmt gewordene Spottbild, (jetzt von der Wand abgenommen und ins
Museum Kircherianum gebracht). Es ist eine in jedem Sinne ungemein rohe bild-
liche Darstellung verbunden mit erklärenden Worten. Die erste zeigt eine in den
einfachsten Linien gezeichnete Kreuzform mit zwei Querhölzern, das obere, überragt
von dem aufgesteckten Täfelchen, zum Anheften der Hände, das untere zum Auf-
Die Ruinen an den Abhängen der Nordwesthälfte des Palatin. 379
stellender Füsse bestimmt. Eine nur in den allgemeinsten Umrissen gezeichnete Figur
scheint mit ausgebreiteten Armen an dasselbe geheftet, aber statt des menschlichen
Hauptes wendet sich ein Eselskopf zu dem seitwärts gezeichneten Verehrer, welcher
einen Arm wie zur Ansprache oder Adoration zum Gekreuzigten emporhebt. Zwi-
schenhinein und unterhalb sind folgende trotz der rohen Hand mit Sicherheit zu
entziffernde Worte geritzt: ^I^ES^MENO::^ GEBETE QEQN {Äle^äf-ievog oeßetai ^eov
Alexamenos verehrt [seinen] Gott). Dass es sich hier um Spott gegen einen christ-
hchen Genossen handelt, war unschwer zu erkennen, noch ehe (i 870) eine andere
halbgriechische Inschrift in einem der dreieckigen Räume hinter der Exedra „^yiE-
BAMENO:^ FIDELI8'' zu Hülfe kam. Die rohe Schreibweise erlaubt keinen Schluss
auf das Alter dieser merkwürdigen Denkmäler, die Summe aller Sgraffiti in diesen
Räumen aber, worunter schön und zierlich geschriebene, lässt vermuthen, dass das
Spottbild nicht über das 2. Jahrhundert n. Chr. herabzurücken sei. ^ Jedenfalls da-
tiren alle Kritzeleien aus der Zeit, in welcher das Gebäude bereits Annex des
kaiserlichen Palastes war, was aber die ursprüngliche Bestimmung desselben betrifft,
so muss dahin gestellt bleiben, ob es die domus Gelotiana war, welche gegen den
Circus sah und später zu dem Palastkomplexe gezogen ward. ^
71. Die Ruinen des nordwestlichen Plateau's.
Von der sog. Domus Gelotiana zurückkehrend steigen wir nun den anmuthig
gewundenen Pfad am Südwestabhang empor zur Höhe der ehemaligen farnesischen
Gärten, welche zur Zeit nur mehr zum geringen Theile die Gestalt ihrer letzten
Bestimmung bewahrt, im Uebrigen aber, soweit es Plünderung und Zerstörung von
mehr als einem Jahrtausend geschehen Hessen, ihren antiken Plan wieder gewonnen
haben. Welche Fülle von topographischen Entdeckungen, aber auch welche Fülle
von noch ungelösten und auf den ersten Blick verwirrenden Räthseln haben uns
hier die Ausgrabungen vorgelegt! Freilich Jiess das Neben- und Uebereinander einer
zwölfhundertjährigen Bauthätigkeit von der Gründung Roms bis zum Untergange des
Kaiserreichs wie die verwüstende Gewaltthätigkeit einer darauf folgenden nicht
kürzeren Periode diess auch nicht anders erwarten. Die abgeplünderten verstüm-
melten Reste muthen uns an wie ein verwittert zerfallenes Skelett eines Riesenleibes,
jetzt ein Object des architektonischen und historischen Paläontologen, welcher die
1 P. Garrucci, II Crocifisso graffito nel palazzo dei Cesari. Roma 4857. — Fd. Recker, Das Spottcrucifix
der römischen Kaiserpaläste. Breslau 1866. — C. L. Visconti Di un nuovo graffito palatino. Giorn. Arcad. Vol.
LXII. — F. X. Kraus. Das Spottcrucifix vom Palatin und ein neuentdecktes Graffito. Freiburg 1872. ^ Sueton.
Cafig. 8. Gruter DXCVIII. 7 cf. C. L. Visconti 1. c. und Guide du Patatin. p. 75.
48*
330 Per Palatinus.
Gerippe wieder zusammenzufügen strebt, oder wie ein oft überschriebenes Palimp-
sest, dessen Schriftschichten nur mit Mühe zu sondern und zu entziftern sind. Im-
merhin aber wird, wer Sinn für historische Landschaft besitzt, diesem Schauplatz
nicht ohne Ergriffenheit, wer nicht historischer Empfindung bar, dieses aufgedeckte
Grab nicht ohne ehrfurchtvollen Schauder betreten.
Hin wandelnd am Rande der steilabfallenden Höhe, deren ursprüngliche Gränze
stellenweise gewichen und mit den darauf ruhenden Gebäuden, von welchen noch
die Reste eines Hypokaustum sichtbar sind (XVII) , in die Tiefe gestürzt ist, suchen
wir zunächst nach dem antiken Aufgange von dieser Seite, der sich bald in dem von
allen altrömischen Strassen her wohlbekannten Basaltpavimente zu erkennen giebt,
das von zwei mächtigen zum Theil in Tufquadern aufgeführten Parallel mauern ein-
geschlossen unverkennbar vom Circusthale emporführt (XV). Nur ein kleiner Theil
des Pflasters ist erhalten, der ziemHch jähe Absturz lässt sonst wohl grösstentheils
Stufen voraussetzen und berechtigt so zu der bereits oben ausgesprochenen Ver-
muthung, dass wir hier den mit dem Namen Scala Gaci bezeichneten Zugang vor
uns haben. In der That kann am sonstigen Hügelrande der Westecke keine Stelle
gefunden werden , welche der zwischen Velabrum und Gircus liegenden ^ Treppe
wie dem von Solinus genannten Supercilium scalarum Gaci passender entspräche.
Mächtiges Quaderwerk in Tuf, anscheinend unregelmässige kleine Kammern bildend
drängt sich von links her an den oben angelangten Glivus (XVIII), während sich
anderes ähnlicher Construction aber von rechtwinkliger Gestalt (XIX) umittelbar voi'
die Mündung legt, beides fortificatorischen Zweck verrathend, ohne jedoch bei der
niedrigen Erhaltung die ursprüngliche Gestalt noch erkennen zu lassen. Zur Rechten
für den Aufsteigenden ist der Hügelrand beträchtlich abgestürzt, links dagegen
schhessen sich den älteren Tuf- und Travertinresten, von welchen eine arkadenver-
bundene Pfeilerreihe hervorragt (XX), Wohngebäude unbekannter Entstehungszeit
an, durch den Absturz der Aussenwände etwas verringert, während namentlich an
der Westecke die erhaltenen Mosaikböden in einsturzdrohender Schwebe ihrem
weiteren Ruine entgegensehen.
Auf dem Plateau der Westecke erhebt sich eine beträchtliche Substruction,
hochragend nach Art der römischen Tempelanlagen und so situirt, dass die vier
Ecken den vier Himmelsgegenden entsprechen (XXII). Sie erhob sich in Mitte einer
besonderen ihrer Situation rechtwinklig entsprechenden Area, deren Stufen unmittelbar
an der Mündung der muthmasslichen Scala Gaci noch sichtbar sind, und in der Mitte
einen kleinen Vorsprung bilden (XXIII). Woraus Rosa entnimmt dass dieser Unterbau
» Dionys I. 79. Plut. Romul. 20.
Die Ruinen des nordwestlichen IMaleau's. 381
nicht bestimmt gewesen sein könne, Säulen zu tragen i, ist um so weniger ersicht-
lich, als derselbe zweifellos mit besserem Material verkleidet war, auf welcher
Aussenwand dann die Säulen ruhen konnten (wie am Tempel des Castor). Doch
lässt die Substruction , welche sich ziemlich deuthch in einen Freitreppenvor-
bau, in eine Cella mit Götterbildpodium und in eine bankartige Verstärkung der
Rückwand ghedert, hinsichtlich ihres Hochbaues am wahrscheinlichsten als Templum
in antis erklären. Bei tempelartiger Gestalt ist aber wohl auch am nächsten an
einen der in der Geschichte des Palatin genannten Tempel und weniger (mit Rosa^)
an das Auguratorium zu denken, welches vom Regionär in einer keineswegs zu
dieser Annahme zwingenden Reihenfolge zwischen den Kaiserpalästen und dem Ju-
piter (Victor ?)tempel genannt wird. Welcher Gottheit aber der Tempel geweiht war
ist unsicher, nicht abzuweisen die Vermuthung C. L. Visconti's^, dass der Bau
mit dem vom Regionär zwischen der Hütte des Romulus und dem augusteischen
Apollotempel genannten Heiligthum der Mater Deum (der pessinuntischen Cybele)
zu identificiren sei. Denn die Reihenfolge des Regionars, der mit der casa Romuli
(an der Westecke) beginnt, ist sicher die, dass erst die Gebäude der Nordwestseite
bis an die Nordecke, dann eines der Nordostseite (aedes Jovis) darauf die Ostecke
(Curia Vetus) ferner ein Gebäude der Südostseite (Fortuna respiciens) und dann die
Südecke (Septizonium) endlich aber ein Punkt der Südwestseite Victoria (Germani[ciJ-
ana) und wieder die Westecke (Lupercal) genannt werden. Der Casa Romuli er-
scheint aber zunächstliegend die aedes Matris Deum , was ganz auf unsere Stelle
passen würde, neben dieser der Apollotempel, dann verbunden die beiden Kaiser-
paläste, nemlich der augusteische (wohl Domitians Neubau der kaiserlichen aedes publica)
und der tiberianische Wohnpalast, in zwingender Gonsequenz aber an der Nordecke
das Auguratorium, während die folgende Aedes Jovis des Curiosum im Statortempel
ein passendes Mittelstück der Nordostseite fände, wenn nicht die Notitia den Bei-
namen Victoris gäbe, der entweder missverständlich ist, oder dazu zwingt einen
zweiten Jupitertempel östlich von der Porta Mugonia anzunehmen.
Ganz unbekannt ist auch die Bestimmung der Baulichkeiten, welche östlich
an die Tempelarea stossen (XXIV), ohne in ihrer Situirung mit der Situation des
Tempels zu stimmen. Die vorkommenden Tufquadern lassen wieder auf ein hohes
Alter schiiessen, doch erscheint es unzulässig, hiebei an Reste des Hauses des Ro-
mulus zu denken. Der Regionär nennt einen »pentapylus« (Fünfthorbau) zwischen
dem Apollotempel und den beiden Palästen, allein möglicherweise ist pentapylus zu
ApoUinis Ramnusi, mithin als Prädicat zum Apollotempel zu beziehen, auch würde
1 P. Rosa, Scavi dcl Palatino. Ann. d. 1. d. c. a. 1865 p. 360 sq. '^ \d. p. 362. 3 Guide du
Palatin. p. 132.
382 ^^'' P^latinüs.
ein Fünfthorbaii kaum in der Ruine gesucht werden können. Sonst wissen wir
nur, dass ein Bacchusheiligthum in der Nähe des Cybeletempels lag. ' Bemerkenswerth
ist an derselben ein Rundbrunnen unzweifelhaft hohen Alters, selbst als der Eck-
stein für die Biegung einer Strasse dienend, deren Pavimentreste stellenweise noch
zu Tage treten.
Nicht minder unsicher ist die Bestimmung eines anderen überdiess sehr be-
trächtlichen Tempelbaues, welcher, nur in seinen massiven Substructionen erhalten,
östlich von der muthmasslichen Scala Gaci und in seiner Längsaxe nach Nordost
gerichtet, in imponirender Mächtigkeit dem Auge sich aufdrängt (XXV). Schon die
vorliegende und dem jetzigen Hügelrande ziemlich nah gerückte Area, zu welcher
eine schmale zweiflügelige Treppe geführt zu haben scheint, ist dem Abfall des
Plateau's zu Folge namhaft erhöht. Eine hohe, in zwei Theile gespaltene Treppe
führte zum Naos selbst. Die Ruine gibt hinsichtlich der Bestimmung so viel wie
keine Anhaltspunkte, denn die Reste von opus quadratum an derselben sind, als
ursprünglich im Innern verborgen, für die Entstehungszeit ebenso unbezeichnend, wie
das an der Areasubstruction vorkommende opus incertum oder die Ziegelstempel
aus der Antoninenzeit, welche unter den Backsteinen gefunden wurden, da auch
Restaurationen aus verschiedenen Epochen in Rechnung gezogen werden müssen.
Rosa hat a. a. 0. die Behauptung aufgestellt, dass die Ruine dem Tempel des Ju-
piter Victor zuzuschi'eiben sei, den Fabius Maximus im Samniterkriege gelobte, ^ und
welcher von der Notitia genannt wird, allein diese Annahme ist nach der obenbe-
rührten Aufzählung der Notitia die unwahrscheinlichste von allen. Stützen wir uns
aber auf den Regionär, so müssen wir festhalten, dass der Cybele- und der Apollo-
tempel sich nahe und beide südwestlich von den beiden Kaiserpalästen gewesen
seien, und dann erscheint es allerdings als das wahrscheinlichste, die umfängliche
Ruine mit dem augusteischen Prachtheiligthum des Apollo, dem anscheinend bedeu-
tendsten des ganzen Hügels zu identificiren. Das jetzt auf der Höhe der Substruc-
tion aufgestellte Altar- oder Basenfragment cylindrischer Form mit der Inschrift:
DOMITIVS MF CALVINVS |I PONTIFEX || COS ITER IMPER || DE MANVBEIS
gehört nicht zum Tempel, wurde vielmehr hinter demselben auf dem Platze zwischen
der domus Tiberiana und der aedes Domitiana gefunden. Da Domitius Calvinus
i. J. 36 V. Chr. triumphirte, so kann der Altar oder die Votivstatue erst nach dieser
Zeit errichtet worden sein.
An die Nordwestseite des Tempels stösst eine Privatanlage (XXVI) von sehr
geringer Erhaltung, deren ursprüngliche Bestimmung desshalb auch sehr problematisch
1 Val. Max. II. 1, 6. a Livius X. 29.
Difi Ruinen des nordweslliclien Platean's.
383
ist. Eine in der Nähe gefundene Inschrift ^ die von einem Priestercollegium spricht,
das »in aede Jovis Propugnatoris« auf dem Palatin seine Zusammenkünfte hatte, be-
rechtigt gewiss noch nicht, mit Rosa diese Reste für jenes Collegium zu vindiciren.
Ueberdiess entsteht die Frage, ob wir den Jupiter Propugnator dieser Inschrift mit
dem Jupiter Victor der Notitia identificiren dürfen?
Sind aber alle diese Reste noch nicht sicher aufgeklärt, so tritt uns im
weiteren Vorschreiten nordwärts ein Privatgebäude entgegen, welches sich jenseits
einer den muthmasslichen Apollotempel wie das angebliche CoUegiathaus nordöstlich
q l "^ s '^ö 6 1 ap^io^
Fig. 36. Plan des sog. Hauses der Livia. (F. R.)
abgränzenden wohlerhaltenen Strasse befindet, und zur Hälfte (XXVII) in einem
tiefer- im Uebrigen in einem höher gelegenen Theile besteht. Der erstere gehört
zu den erhaltensten antiken Wohngebäuden überhaupt und erfordert desshalb eine
genauere Beschreibung.
Den Zugang bildet ein besonderer Vorbau an der Nordecke (a des beifol-
genden Holzschnittes 36) welcher mit den nordöstlich und südwestlich vorbeiziehenden
1 Henzen bei Orelli n" 6057.
384 l^pr Palatiniis.
Strassen beweist, dass hier das Hügelplateaii bei der ursprünglichen Anlage dieses
Hauses eine nicht unbedeutende Einsenkung hatte, welche man bei dem zu Anfang
der christlichen Aera hergestellten Umbau nur äusserlich aufhohte, während man im
Innern bei dem alten Niveau blieb. Denn dieser Zugang (prothyron), seinem ein-
fachen Mosaikpavimente und seiner farbigen Wand- und Gewölbe-Ausstattung nach
gleichzeitig mit den Pavimenten und Malereien des Innern führt stark geneigt und
zum Theil gestuft schräg abwärts, und ohne weiteren Vorraum in ein Atrium (b).
Dieses, ein Rechteck von 13, so Meter Breite und 10 Meter Tiefe muss, weil sich
keine Vorrichtungen für den Wasserabzug im Pavimente gefunden haben, wohl be-
deckt angenommen werden, doch herrscht Zweifel über die Art der jetzt natürlich
gänzlich fehlenden Bedeckung. An ein Gewölbe dürfte bei der zu geringen Mauer-
stärke kaum zu denken sein, eher noch an Flachdeckung mit leiser Neigung nach
Aussen, wobei freilich am oberen Wandende metopenartige Fensterschlitze wegen
dei" Lichtzufuhr angenommen werden müssten. Nach vitruvischer Belehrung bleibt
es jedoch am wahrscheinlichsten, dass hier die Deckungsform der cavaedia displu-
viata oder testudinata angewendet war, welche bei sparrenartig schräg aufwärts
und nach der Mitte gerichteten Deckbalken eine Hypäthralvierung offen Hess, die
vielleicht durch ein überhöhtes eigenes Dach geschützt war, so dass Licht und Luft
eindringen konnte, während die Traufe ganz nach aussen geleitet war. Wahrschein-
lich der bei stürmischer Witterung nicht völlig abzuwehrenden Einflüsse wegen ist
der genannte Hausaltar, dessen Reste sich links seitwärts (c) finden, nicht in die Mitte
unter das Hypäthrum gesetzt. Die Wände sind in opus reticulatum hergestellt, das
die Eckenbildung in Backstein noch nicht zeigt, wie es seit dem Anfang unserer
Zeitrechnung in Aufnahme kam und blieb, was auf etwas höheres Alter der Wände
deutet. Der feine Verputz ist einfach bemalt, der Fussboden mit einfachem weissen
Mosaik belegt.
Höchst bemerkenswerth sind aber die drei Säle, von welchen das beschrie-
bene Atrium den gemeinsamen Vorraum bildet, gegen den sie sich an einer ihrer
Schmalseiten öffnen. Der mittlere misst 4, 70 M., jeder der beiden Seitensäle 3, 70 M.
in der Breite bei einer allen gemeinsamen Tiefe von 7,5o Metern. Die Wände sind
mit Fresken' geschmückt, deren ungewöhnliche Erhaltung nur durch frühzeitige Ver-
schüttung des tiefgelegenen Hauses erklärbar ist.
Im linkseitigen Raum (d) sind die Wände geghedert durch aufgemalte Säulen
^ Cr. Perrot, Les peintures du Palatin. Revue arch. N. S. t. XXI. 1870 p. 326 so. 387. sv. pl. U. -15.
t. XXII. p. 47 SV. 193 SV. pl. 20, 21, wiederabgedruckt in G. Perrot's Memoires d'arcli. 1875 p. 84—140 pl.
5—8. Copien besitzen die Ecole des beaux arts in Paris und das Arcli. Institut in Ron). Die beifolgende Tafel
ist nach einem Originalaquarell von Ronci.
'iCCOj.]iiani tjez.
VerLiq v/r.0.VVeit)e1 n; Leip'/.jq.
'•l: t\n-j\ V W Loeillot 111 Berln:
Mittcisaal des sog. Hauses der Livia (Palatin.)
Die Ruinen des nordwestlichen Piateau's. 385
compositer Ordnung, die auf einem marmorartig gemalten Sockel aufsitzend und von
Schlinggewächsen umrankt, noch nicht die pompeianische Schlankheit zeigen. Die
nach der Höhe getheilten Felder lassen den unteren gelbgetonten Abschnitt ohne
figürlichen Schmuck erkennen, der obere zeigt geflügelte auf Blumenkelchen gaukelnde
Genien.
Der mittlere Saal (e), von welchem die beifolgende chromolithographische
Abbildung eine Vorstellung geben wird, zeigt eine ähnliche gemalte Säulengliederung,
die Felder zwischen den Säulen aber schliessen umfänglichere Frescogemälde my-
thologischen Inhalts ein. Die linkseitige Wand ist zerstört, das Gemälde an der
Schlusswand des Saales stellt Polyphem dar, der halb aus den Fluthen eines Meer-
busens hervorragend, als des Schwinimens unkundig vergeblich der Galatea nach-
stellt, welche auf einem Hippokamp durch die Wogen zieht \ Zwei Nereiden be-
gleiten die Gruppe, ein aufPolyphems linker Schulter stehender und ihn mit einem
Bande zügelnder Amor aber deutet auf den Liebesbann des rohen Verehrers. —
Auf der erhaltensten rechtseitigen Wand des Saales befindet sich der Verbindungs-
thüre mit dem anstossenden rechtseitigen Gemache symmetrisch entsprechend wie
sich diess in der antiken Wandmalerei nicht selten findet, ein gemalter Thüraus-
schnitt mit einem Strassenprospect. Eine Frau von einer kleinen Dienerin gefolgt
scheint sich einer Hausthüre zu nähern oder eine andere zu verlassen, beobachtet
durch mehre Personen, die sich über Altanen und Mauerbrüstungen höherer Stock-
werke beugend herabsehen. Die Darstellung ist entschieden realistisch und völlig
frei von der phantastisch-decorativen Art der pompeianischen Architekturmalerei. —
Das Mittelbild dieser Wand aber stellt die Befreiung der lo dar. Die Heldin sitzt
am Fusse einer das Standbild der Juno tragenden Polygonalsäule, bewacht von
einer kräftigen nackten männhchen Gestalt, welche die Chlamys über dem linken
Arm, das Schwert in der linken und einen Speer über die linke Schulter gelehnt zeigt
(Argus), während von der andern Seite (links) her Hermes mit Flügelhut und Caduceus,
feider die einzige Figur, deren Namensbeischrift sich erhalten hat, herbeischleicht.
Bildeten diese grösseren Gemälde den Schmuck der unteren Wandflächen,
so erscheinen in den oberen kleinere Tafeln in die sonst reichere Decoration einge-
setzt. Zwei davon sind erhalten, die eine an der Schlusswand rechts über dem
Galateabilde, die andere an der rechtseitigen Wand oberhalb zwischen dem Strassen-
prospecte und dem lobilde. Es sind mystische Opferscenen im Hause, vielleicht
aus dem Gebiete der Hydromantie und der Pyromantie, worüber Perrot eingehen-
der spricht^.
» cf. Theocrit XI. 9 sq. Ovid. Met. XUI. 745 sq. 2 Memoires d'archöologie 1. c. p. \i6 sv.
F. Hedei!, Rom. 49
386 t*^*" Palati nus.
Von besonderer Schönheit ist die Decoration des dritten Saales (f), rechts
von dem beschriebenen. Auch hier finden wir wieder gemalte Säulen, aber durch
prachtvolle Blumen- und Früchtefestons verbunden, die in der Mitte von verschie-
denen Götterattributen und musikahschen Instrumenten behängt sind. Während
diese in natürhcher Grösse und in bewundernswerth flotter Frische gemalt sind,
zeigen nahezu miniaturartige Feinheit die in dem bekannten Genregeschmack römi-
scher Friesmalereien hergestellten Friesstreifen mit Hunderten von Figuren, Thieren
und phantastischen Gebäuden, die Plinius als römische Domäne des Ludius bezeichnet. ^
Die Farbe ist hier auf gelbe Schattirungen beschränkt.
Ein vierter Saal (g) ist abseits zur Rechten vom Atrium gelegen. Hier waren
die Felder zwischen den gemalten architektonischen Gliederungen ausgefüllt mit
Prospecten ganz besonderer Art, von welchen sich zwei erhalten haben ^. Die
Scenerie erinnert an Parke mit Baumgruppen, Teichen, Brücken, Stegen, Treppen,
Monumenten, Statuen und Heiligthümern, belebt von Vögeln und weidenden Thieren.
Das Arrangement ist phantastisch, ohne Anspruch auf naturwahre Verhältnisse, wie
z. B. Papageien in zehnfacher Naturgrösse , oder im Vorgrunde Miniaturziegen auf-
treten. Die loscanische von einem Baume umrankte Säule des einen Bildes trägt
eine Vase, deren Henkel auf etrurische Vorbilder zurückgehen, und ist mit einer
Tänia umwunden, während an ihrem Fusse an den Baumstamm gelehnt ein Bündel
mystischer Tafeln und anderseits ein Bucranium sich befindet. Die Säule des
andern Bildes ist ganz unarchitektonisch und zeigt den Schaft, dessen unteres Ende
stark gebaucht ist, mit anscheinend herauswachsenden Thierköpfen (Eber, Ziege und
Hirsch geschmückt, während das fast spitz zulaufende Obertheil durch eine horizontal
angebrachte, reich behängte Scheibe gesteckt erscheint. An ihrem Fusse sieht man
einen Stierschädel und (halbzerstört) eine auf den Hinterbeinen aufrecht gestellte
Ziege, daneben ein riesiges Metalldiadem mit herabhängenden Tänien; im Hinter-
grunde aber auf einer exedrenartigen Brüstung drei weibhche Statuen mit Fackeln
in beiden Händen. Das Ganze scheint auf den Dianenkult hinzuweisen, wenn abeV
auch für manche Einzelheiten wirklich vorhandene Cultobjecte die Vorbilder geliefert
haben mögen, so dürfte das Ganze doch nur als ein ziemlich loses Spiel decorativer
Phantasie zu betrachten sein. Die Ausführung ist geschickt, aber flüchtiger als in
den drei obenbeschriebenen Sälen, welche durch ihre Composition wie seltene Schön-
heit des Einzelnen und des Ganzen die zeitliche Priorität vor den pompeianischen
Wandgemälden nicht verkennen lassen.
Zwischen diesem ohne genügenden Grund als Triclinium bezeichneten 8,10 zu
iPlin. H. N. XXXV. 37. 2 j. Schreiber, Duo pitture del Palatino. Ann. d. I. d. c. a. 1875 p. 211 —
221 tav, d'agg. K. L.
Die Ruinen des nordwestlichen Plateau's. 387
4,0 Meter messenden Gemache und dem vorherbeschriebenen Complexe führt eine
schmale Treppe (h) empor zu dem andern beträchthch höher hegenden Theile des
Hauses, und zunächst zu einem nur 1 ,05 Meter breiten Corridor. Rechts von diesem
belindet sich eine Reihe von Gemächern (i), zum Theil ihre Bestimmung als Bade-
zimmer verrathend, zum Theil lediglich von der aussen vorbeiziehenden Strasse aus
zuganglich und dadurch den ursprünglichen Tabernenzweck nach Art der ähnlich
situirten in Pompeji anzeigend. Links vom Corridor breitet sich ein ziemlich normal
angelegtes Wohnhaus, dessen ursprünglicher Hauptzugang jedoch jedenfalls von der
Südostseite her war, aus. Jetzt führen enge Fauces (1 Meter breit) (k) vom Cor-
ridor her durch die Gemächerlinie der Südwestseite in das längliche Atrium, welches
durch den massiven Treppenbau (1) an der Stelle des sonstigen Impluviums auf ein
Obergeschoss schliessen lässt. Die ziemlich gleichen Kammern der Nordwest- und
Nordostseite sind sehr klein und ihre Wände jetzt ganz schmucklos. Südöstlich (m)
führt eine Crypta mehrfach im Winkel gebogen unter der Area palatina und dem
noch zu beschreibenden domitianischen Palaste weg, zuletzt sich ansehnlich erweiternd,
wo sie unzweifelhaft die Stelle alter Steinbrüche und die Senkung des Plateau's zu
der mehrerwähnten Thalspalte anzeigt. Die Mündungen von zwei Latomien (XXVHI)
gestatten noch jetzt den Eintritt und den Blick in die ehrwürdigen Aushöhlungen,
die wohl in die Königszeit' gesetzt werden müssen.
Für die Bestimmung des merkwürdigen Doppelhauses fallen zunächst die in-
schriftlichen Funde ins Gewicht, die sich aber leider auf die üblichen Stempel der
bleiernen Wasserleitungsröhren beschränken. Der eine Stempel, lediglich den Namen
lulia Aug. gebend, lässt an die nach ihrer Vermählung lulia genannte Kaiserin
Livia, Gemahlin des Augustus, aber auch an lulia Titi denken, auf deren Zeit auch
eine zweite Bleiinschrift:
IMP • DOMITIANI CAESAR AVG SVB CVRA
EVTYCHI • L (iberti) PROC (uratoris) FEC HYMNVS CAESAR (is) N • (oslri) SER(vus)
hinweist. Ein dritter Stempel nennt bloss den Namen Pescennius Eros, welcher durchaus
nicht zwingt, seinen Ursprung in die Zeit des Sept. Severus zu setzen. Lage und
Ausstattung aber lässt auf die erste Kaiserzeit schliessen, und w^enn unter der oben-
genannten luha die Kaiserin Livia, die Mutter des Tiberius zu verstehen, so liegt
es nahe, an das väterliche Haus des Kaisers Tiberius zu denken, der am Palatin
geboren war \ indem es sich dann am leichtesten begreift, dass er das Haus seiner
Wiege, vielleicht auch den Witwensitz der Mutter", schonte, als er unmittelbar ne-
1 Suet. Tib. 5. 2 l. Renier, La maison de Livio. Rev. arch. 1. c. p. 337 sv. entwickelt aus jener
Röhroninschrift den ursprünglichen Besitz der Livia ohne die Bestimmung des ,, väterlichen Hauses des Ti-
berius" gelten zu lassen.
49*
388 ^^^ Palatinus.
benan, wie wir noch sehen werden, seinen Palast erbaute. Diese Annahme wird
auch von einem Umstände unterstützt , auf den Ch. L. Visconti hingewiesen ^ Die
Beschreibung der Ermordung des Cahgula , wie sie Flavius Josephus ^ und Sueton ^
geben, lässt nämhch als den Schauplatz der That mit aller Wahrscheinlichkeit jenen
Gryptocorridor erkennen, welchen wir an der Südostseite des Palastes des Tiberius
finden werden (XXIX). Wenn nun berichtet wird, dass die Verschworenen sich
nach vollbrachter Blutarbeit ans andere Ende jenes Corridors in das Haus des Ger-
manicus flüchteten, so ist der Schluss kaum abzuweisen, dass jene Zufluchtstätte
der beschriebene Hauscomplex sei, wie dann auch nichts näher liegend ist als die
Annahme, die aus der vorkaiserlichen Zeit stammende Domus sei damals jener prinz-
lichen Familie überwiesen gewesen, welche ausser dem Kaiser selbst den meisten An-
spruch auf das grossväterliche Besitzthum gehabt habe. Es mag daher vorläufig bei
der Bezeichnung als Haus des Tiberius sein Bewenden haben.
Das Haus war aber nur mehr ein aus Pietät erhaltener Annex, als Kaiser
Tibei'ius seinen Palast erbaute, der sich vom väterlichen Hause aus bis an den
nordwestlichen Hügelrand und in ähnlicher Ausdehnung auch gegen Nordost erstreckte.
Von diesem ist jedoch zur Zeit noch nichts aufgedeckt als die südwestliche und
südöstliche Begränzung sammt einer Piscina an der Südecke (XXX). Als erstere
(XXXI) finden wir eine Reihe von tonnengewölbten Kammern, die nach etlichen
Sgraffiti angeblich für die kaiserlich Garde bestimmt^, vom Eingange zum alten
tiberianischen Hause nordwestlich sich erstreckten und sich zumeist nach der erst-
beschriebenen Area öfl'neten, als die andere südösthch den obenberührten halb-
unterirdischen Gorridor (XXXIX) , welcher durch spärliche in das Tonnengewölbe
eingeschnittene Lacunarien erhellt war. Noch jetzt sieht man an manchen Stellen
des letzteren Reste des einfachen in weiss und schwarz hergestellten Mosaikpavi-
ments wie der feinen Stuccaturen, welche freilich durch Versinterung einem raschen
Untergange entgegen gehen.
Kurz bevor aber dieser Gorridor das väterliche Haus des Tiberius erreicht,
zweigt links ein unterirdischer Gang im rechten Winkel ab (XXVII) und führt süd-
östlich von dem tiberianischen Gomplexe unter dem freien Platze, den wir wohl als
die area palatina ^ (vielleicht identisch mit dem Forum palatinum des Anonymus von
Einsiedeln) zu betrachten haben, nach dem sogleich zu beschreibenden domitianischen
Palaste, dessen Platform er vermittelst einer schmalen Treppe erreicht. Die Zweckmäs-
sigkeit einer solchen abgeschlossenen Verbindung zwischen dem tiberianischen ohne
Zweifel von vielen Kaisern als Wohnraum benutzten Palaste und dem wie wir sehen
1 Ch. L. Visconti, Guide du Palatin, api. Jos. Ant. Ind. XIX. U, 25. 3 Sueton. Calig. 58. * P. Rosa.
Ann. d. I. d. c. a. 1865 p. 365. s a. Gellius N. A. XXI. cf. Notitia Reg. X.
Die Ruinen des nordwestlichen Plateau's. 389
werden bis in die späteste Zeit öffentlichen Repräsentationspalaste des Domitian liegt
auf der Hand.
So umfänglich aber auch die tiberianische Residenz war, so fühlte sich doch
Caligula gedrängt, sie nach Nordost und gegen die Sacra via hin zu erweitern.
Der hier schon ziemlich beträchtliche Abfall des Plateau's zwang zu mächtigen Sub-
structionsbauten, welche sich in den gewaltigen Ruinenmassen erhalten haben, die
gegen die Nordecke hin grösstentheils vor uns aufgedeckt liegen (XXXIII). Dass
und wie man die düstern Gewölberäume auch wohnlich benutzte ist keineswegs
klar, und umsoweniger, als der nicht zu beseitigende schiefe und gebrochene Strassen-
zug des Clivus Victoriae zu mancher Unförmlichkeit und die Benutzung störenden
constructiven Massregel zwang. Etliche Pavimentreste im Erdgeschosse gehören
wie einige unter abweichendem Winkel beiderseits von der Strasse angelegte Theile
möglicherweise vorcaligulanischen Privatgebäuden an, Stuckverzierungen feiner Arbeit,
marmorne Geländerfragmente u. s.w. im Obergeschosse dagegen wohl dem Erweiterungs-
bau des Cahgula, der sich am unteren Ende des Clivus auch über diesen weg nach
der Nordspitze des Hügels fortsetzte. ^ Das Backsteinmauerwerk ist wie überhaupt
in dieser Zeit vortrefflich und erklärt die herrliche Erhaltung der Gewölberäume,
welche (wie die vor der Ausgrabung gezeichnete und der Einleitung beigegebene
Ansicht zeigt) dachlos den Jahrhunderten getrotzt haben. Vielleicht wird in nicht
zu ferner Zeit die Aufdeckung des ganzen tiberianisch-cahgulanischen Complexes
durch den Zusammenhang und das gegenseitige Verhältniss die jetzt unmögliche
Erklärung des Ganzen liefern.
Die Area palatina trennt den besprochenen Complex von einer mächtigen,
grossentheils aufgedeckten Palastanlage, welche nicht völlig im Gebiete der ehema-
ligen farnesischen Gärten liegend, ungefähr die Mitte des Hügels einnahm. Schon
der massive Unterbau war ein colossalcs Werk, denn um den nöthigen Raum zu
gewinnen, musste die Thalspalte geebnet werden, welche wie mehrfach erw^ähnt
worden ist, hier den Hügel in zwei Plateau's theilte. Den Massstab für die Höhe
der Auffüllung geben die 12 Meter tief unter dem Pavimente des muthmasslichen
Tricliniums liegenden schon von Bianchini 17216 entdeckten und mit dem ganz aus
der Luft gegriff'enen Namen der Bäder der Livia belegten Gemächer (XXXIII), zu welchen
jetzt eine moderne Treppe hinabführt. Der Ausstattung und den Resten der Malerei
nach wohl aus dem Ende der vorchristlichen Zeit stammend , bieten sie zur Er-
kenntniss ihrer Entstehung und Bestimmung keine weiteren Anhaltspunkte, doch
* Ein modernes an diesen Theil sicli anlehnendes Gebäude umschliesst jetzt ein kleines Museum, das
die inschriftlichen und plastischen Funde, eine Materialien- und Kostbarkeitensammlung u. a. der palatini-
schen Ausgrabungen enthält.
390 • ^^^r Palatinos.
geht aus deren Vorhandensein die eigentlich selbstverständliche Thatsache hervor,
dass auch die Senkung vordem von Wohngebäuden besetzt war, unter welchen,
wie schon oben berührt wurde, wahrscheinlich auch das ererbte Haus des Augu-
stus, mithin ein Theil des augusteischen Palastes sich befand.
Der Palast scheint, ähnlich der constantinischen Basilika, zwei Fronten gehabt
zu haben, eine gegen Nordost in der Richtung gegen den Jupiter Statortempel und
die Porta Mugonia, die andere an der nordwestlichen Langseite gegen die Area
palatina und den tiberianischen Palast. Obwohl sich die Disposition der Säle aus-
schliessend nach der ersteren richtete, scheint diese doch überwiegend auf eine
prunkhafte Erscheinung berechnet, die letztere dagegen für den eigentlichen Verkehr
bestimmt gewesen zu sein. Denn während diese in der Mitte, da wo das ansteigende
Plateau keine hohe Treppe mehr nöthig machte den Unterbau einer solchen deutlich
erkennen lässt, haben sich an der nordwestlichen Fronte, wo wegen der beträchtlichen
Höhe eine Riesenfreitreppe erforderhch gewesen wäre, keine sicheren Spuren einer
solchen gefunden. Freilich muss die noch näher zu begründende Vermuthung wie-
derholt werden, dass die aufgedeckte Anlage vielleicht nur einen Flügel eines
grösseren Palastcomplexes bildete, und dass dann der nordöstliche Aufgang mög-
licherweise an einer andern Stelle, etwa da wo jetzt der Zugang zu Villa Mills
von der Via di S. Bonaventura aus, gewesen sei.
Die nordöstliche Fronte (XXXIV) des aufgedeckten Saalbaues war mit einer
Säulenreihe geschmückt, welche sich auf einer vor den Sälen hinlaufenden Terrasse
erhob. Da letztere, den drei Haupteingängen zu den anstossenden Sälen entsprechend,
die Spuren von drei Risaliten zeigt, so waren wahrscheinlich auch die Säulen nicht
in eine Linie gestellt, sondern an den Risaliten etwas weiter hinausgerückt. Diese
aber trugen wohl Giebelbekrönung , während die übrige Porticus sich auf ihr hori-
zontales Gebälke beschränkt zu haben scheint. Von den Säulen haben sich dürftige
Reste gefunden, die an der Nordecke zusammengefügt aufgestellt sind, sie waren
von Cipollin und uncannellirt.
Tritt man von der Vorhalle aus in den Mittelsaal (XXXVI), so zeigen die
wuchtigen Backsteinpfeilermassen echt römischer Construction sofort an, dass wir
hier ein Gewölbe, wahrscheinlich tonnenförmig, zu denken haben. Die Nischenglie-
derung der Wände, natürlich einst plastisch belebt und durch Pilaster und vorge-
setzte Säulen umrahmt erlaubt es die Gestalt der Wände, welche unter dem Gewölbe-
ansatz ein reiches über den Säulen verkröpftes Gebälk abschloss zu reconstruiren.
Von der prachtvollen Ausstattung fand sich bei den letzten Ausgrabungen nur noch
wenig: an der Hauptnische der Schlusswand korinthische Basen von Halbsäulen,
und Fragmente von Pavonazetto am Hauptportal wie stellenweise am Sockel der
Die Ruinen des nordwestlichen Plateau's. 39 1
Wände. Ungleich mehr war noch zur Zeit der Ausgrabungen Bianchini's erhalten,
welche ergaben, dass die sechzehn korinthischen Säulen des Innern, von welchen
einzelne vollkommen erhalten waren in ihren Schäften von phrygischem und numidi-
schem Marmor waren, während Gapitäle und Gebälke aus weissem Marmor in ihrer
Arbeit eine seltene Gediegenheit mit höchstem Reichthum verbunden zeigten. Von
den in den Nischen aufgestellten Golossalstatuen fanden sich damals noch zwei in
Basalt ausgeführte vor : ein Hercules und ein Bacchus. Das Meiste von den Funden
kam nach Neapel, zwei Säulen von Giallo (in numidischem Marmor) wurden für 2000
Zechinen verkauft, ein Theil der Architekturfragmente aber bildet noch jetzt die
malerische Ausstattung des Vestibüls in Palazzo Farnese zu Rom. Was die einstige
Bestimmung dieses Saales betriift, so ist dessen frühere Bezeichnung als Bibliothek
des Augustus entschieden falsch, doch auch die neuere als Aula regia oder Tablinum
willkürlich. Wahrscheinlich aber ist es, dass er zu Senatsitzungen und Empfängen
wie zu Solemnitäten anderer Art bestimmt gewesen sei, wie auch, dass er mit
dem von einem späteren Chronisten (Chron. Gass.) erwähnten Solium augustale zu
identificiren sei, in welchem die Krönung des Kaisers Heraclius stattgefunden. Die
Hauptnische, jetzt mit der Erinnerungsschrift an Bianchini's Ausgrabungen geschmückt,
war dann ohne Zweifel der Platz für den kaiserlichen Thron.
Sicherer aber ist die Bestimmung des in manchem Betrachte interessanten
Saales zur Rechten an der Ecke gegen die Area palatina (XXXVH). Dieser war
dreischiffig, nemlich durch zwei in der Längsrichtung laufende Säulenreihen gelheilt,
so dass der Mittelraum beträchtlich breiter war, als die Seitenschiffe. Die Verhält-
nisse und Abstände der Säulen, von welchen übrigens nur sehr dürftige CipoUin-
fragmente gefunden wurden, die auf einen Durchmesser von 0,6o Meter schliessen
lassen, machen es wahrscheinlich, dass die Nebenschilfe ,doppelgeschossig waren.
An das innere Ende dieses Oblongums setzt sich eine grosse halbkreisförmige Apsis
an, welche noch das erhöhte Podium zeigt, zu dem man auf etlichen an den bei-
derseitigen Enden angebrachten Stufen emporstieg, während das Uebrige durch eine
Balustrade von weissem Marmor abgegränzt war, die der Form nach Imitation von
Stabgeländer, zum Theil noch auf dem ursprünglichen Platze zu sehen ist. Wie von
der Apsis, so haben sich auch im Mittelschiff noch Spuren des Paviments erhalten,
namentlich eine kreisförmige Platte aus grauem Granit von 1,10 Meter Durchmesser.
— Der den älteren und einfacheren Basiliken vollkommen gleichartige Plan dieses
Saales lässt keinen Augenblick zweifeln, dass wir es hier mit einer Basilika zu thun
haben, welche Vitruv als einen Bestandtheil der römischen Domus nennt; die von
den forensen Basiliken mit ihren ringsum geführten Seitenräumen abweichende und
sich an die christlichen Basiliken anschliessende Gestalt aber konnte dem Verfasser
392 ^^^ Palatinus.
dieses durchaus nicht auffallend sein , da derselbe, bevor er diesen Sachverhalt an
der palatinischen Doraus kennen konnte, aus conslructiven Gründen die Behauptung
vertreten, dass gerade diese in der durchgeführten Dreischiffigkeit liegende Abwei-
chung durch die Einfügung der basilikalen Anlage in die Domus bedingt war und
durch diese auf ihre baukünstlerische und wie Messmer gezeigt hat, geschichtliche
Nachfolgerin, die christliche Basihka überging \ Das hier vorliegende Beispiel aber
ist von umso grösserem Interesse, als es das ältest erhaltene einer Privatbasilika und
somit der älteste Typus jener Basilikalform ist, welche sich dann in der christlichen
Basilika erhalten hat'^. Die von Rosa^ aufgestellte Bezeichnung des Saales als Ba-
silica lovis ist unsicher.
Lediglich Vermuthung war dann die von Bianchini stammende Bezeichnung
des der Basilika gegenüber an der andern Seite des Mittelsaales liegenden Raumes
(XXXVIIl) als Lararium. Doch leitet ein in demselben gefundenen Altarrest auf
religiösen Zweck und es ist in der That sehr entsprechend anzunehmen, dass wäh-
rend der Mittelsaal für die Functionen des Kaisers als Senatsprüsidenten, und die
Basilika für jene als Prätor gedient habe, dieser Saal zur Ausübung seiner Würde als
Pontifex beabsichtigt war. Bemerkenswerthes bietet der Raum weiter nichts; die an
denselben angränzenden Räume dienten wohl zu Treppen und andern Communicationen.
Von den nun beschriebenen Räumen führen vier Ausgänge in den grossen
Säulenhof (Peristyl) (XXXIX). Der Raum ist ganz gewaltig, und bei einer Länge von
59 Meter auf eine Breite von 52 zu veranschlagen, wenn eine erhaltene Spur an
der Böschung bei Villa Mills nicht teuscht. Der einfache Plan als Säulenhof mit
Pfeilern statt der Ecksäulen ist völlig gesichert, wenn auch die Reste sehr dürftig
sind. Doch beweisen die gefundenen Fragmente eine ausserordentliche Pracht, so
die auserlesenen Marmorarten von der Wandverkleidung, dem Paviment, wie von
den Säulen, welche, nach den cannellirten Resten 0,8o Meter im Durchmesser stark,
den schönen Portasanta- (carischen oder iassensischen) Marmor zeigen, während
man am Sockel der Wände noch gelegentlich den afrikanischen Giallo vorfindet.
An der Nordwestseite des Peristyls reihen sich drei hemicyclisch endende
Räume mit einigen durch die aneinanderstossenden Halbkreise gebildeten Zwischen-
kammern an (XL), die man wohl dem Vestibülzweck zuschreiben und mit Wachen
und Dienern gefüllt denken darf. Vor diesen aber läuft und zwar in der ganzen ■
Länge des Gebäudes mit Ausschluss der Stelle an welcher der angebliche Jupiter
Victortempel anstösst ein Corridor, aussen von Pfeilerarkaden getragen, die ihrerseits
' F. Reber, Die Urform der römischen Basilika. Mittheilungen der k. k. Centralcommission zur Erhaltung
der Baudenkmale. Wien, 1869 S. 35 fg. 2J. A. Messmer, Ueber den Ursprung der christl. Basilika.^ Quast
u. Otte's Zeitschrift für christl. Archäologie u. Kunst. Lpz. 1859 p. 212 fg. ^ \. c. p. 252.
vorlag v.T.Ü.Weijel in. Leipzig .
Der Palatin. (Nordwesthälfte)
lij _L'_lJ
Lith.Anst.v.W.LoeillotittBerlin
Die Ruinen des nordwestlichen Plateaii's. 385*
wieder eine Säulenreihe vor sich hatten. Die gegenüberstehende Südostseite liegt
unter dem Areal von Villa Mills, lässt aber nur einen Corridor ohne alle Gemächer
annehmen.
Südöstlich schliessen an das Peristyl Saalbauten von ähnlicher Disposition w^ie
wir sie an der gegenüberliegenden Seite beschrieben haben, von welchen jedoch
nicht viel mehr als die Hälfte blosgelegt werden konnte. Der ungefähr quadratische
und mit einer leichten Curve an der südwestlichen Schlusswand versehene Mittel-
saal (XLI) liess einen Speisesaal (Triclinium) vermuthen. Einige Fragmente von
Granitsäulen, die nach den Basenspuren nahe an die Wand gerückt standen, und
Pavimentreste aus Porphyr, Serpentin, Giallo und anderen Gesteinarten, welche sich
in jenem Apsiden-Segment finden, sind die einzigen Ueberreste der jedenfalls pracht-
vollen Ausstattung. In dieser Beziehung reicher ist das nordwestlich anstossende
Gemach (XLII) welches sich durch einen eliptischen Fontänenbau in der Mitte, der
von einem schmalen Bassin umzogen wird, als Nymphäum erwiesen hat. Während
der Fussboden orientalischen Alabaster zeigt, war der in zwei Absätzen mit Nischen
geschmückte Fontänenkörper wohl mit Statuen und anderem Schmuck, oben vielleicht
mit einem Becken für lebende Pflanzen versehen, und selbst der Boden des Bassins
zeigt noch Reste von weissem Marmor. Hier wurde auch der schönste plastische
Fund der ganzen Ausgrabung gehoben, nemlich jener jetzt im Louvre befindliche
geflügelte Eros griechischer Arbeit, der zugleich von so guter Erhaltung war, dass
man an eine vollständige Restauration (von Steinhäuser ausgeführt) denken konnte.
Obwohl das Ganze dem Plane des römischen Wohnhauses folgt, verräth doch
die Abwesenheit der eigentlichen Wohn- und Schlafräume wie der unvermeidlichen
Räumlichkeiten für den Haushalt, dass wir es hier nicht mit einem zum gewöhn-
lichen Aufenthalte bestimmten Palaste, sondern mit einem Repräsentationsgebäude
(Festsaalbau) zu thun haben. Damit stimmen auch die unfehlbar auf diesen Com-
plex bezüglichen Bezeichnungen, welche, seit Plinius d. I. von den »aedes publicae«
des Nerva spricht \ begegnen. So »aedes aulicae« und »aedes imperatoriae« ^.
Das Gebäude aber, das Nerva zur aedes publica machte, wie es Augustus früher
mit seiner Domus gethan, war das von Domitian erbaute, das Plutarch ungeftihr in
dieser Lage bestimmte ^ und Statins so sehr bewundert ^ Damit steht auch Ma-
terial, Construction und architektonische Ausstattung im Einklänge, welche allent-
halben, wonicht spätere Restaurationen ersichtlich sind auf die Periode der Flavier
verweisen (vgl. oben 367).
Es erübrigt noch zweier Saalbauten (XLIII u. XLIV) sammt eines Porticus
iPanegyr. 47. 2 Script. H. A. (Lamprid.) Elagabal. 3 Plut. Poplic. 25. < Silv. IV. H. 18.
F. Reber, Rom. 49«
386* Der Palalinus.
von Säulen aus Cipollino zu gedenken, welche sich südlich zwar ausserhalb des
durch den besonderen Unterbau bestimmt abgegränzten domitianischen Gomplexes
befinden, auch in ihren Maueilinien nicht mit jenem übereinstimmen, aber doch in
einem gewissen Zusammenhange mit dem öffentlichen Palaste stehen. Beide Säle
werden von segmentförmigen Exedren abgeschlossen und tragen die Spuren einstiger
prachtvoller Ausstattung, doch ist nichts vorgefunden worden, was über deren Be-
stimmung belehrte und die Bezeichnungen »Akademie« und »Bibliothek«, welche ihnen
ohne ausreichenden Anhalt gegeben worden sind, sicher begründete. Doch muss
man in erster Linie an die Bibliotheken denken, welche einen Theil des augusteischen
Gomplexes ausmachten, und beim domitianischen Neubau vielleicht geschont wor-
den sind? Sicherheit darüber, wenn sie überhaupt noch zu erlangen ist, könnten
nur systematische Forschungen in Villa Mills gewähren.
72. Die Ruinen der südlichen Höhe des Palatin.
An Villa Mills, dem nunmehrigen Kloster der Salesianerinnen , über deren
angebliche topographische Bedeutung oben gesprochen worden ist, während eine
weiter mögliche sogleich berührt werden soll, müssen wir, da sie unzugänglich ist und
ihre antiken Ueberreste unter dem modernen Boden wie unter Neubauten begraben
liegen, vorübergehen. Verfolgen wir nun den Südwestabhang entlang den Pfad zu
den noch übrigen Palastanlagen, so gelangen wir zu den gewaltigen Bauresten der
Südseite, von welchen übrigens mit Ausnahme der dem Septimius Severus zuge-
schriebenen Gebäude der Südecke keine classische Erwähnung zu Gebote steht.
An der Südecke von Villa Mills nimmt uns zunächst ein sehr ansehnlicher Raum
auf, der schon durch seine Umfassung keinen Zweifel übrig lässt, dass wir eine
Rennbahn vor uns haben. Die Längserstreckung beträgt bei einer Breite von 62 M.
1 65 Meter, was den Dimensionen eines Stadiums entspricht, wofür auch der Raum
zu halten ist. Denn während für einen Hippodrom die Bedingungen, wie z. B. die
Spina, fehlen, passt Alles für gymnische Spiele, besonders die Art der breiten bas-
sinartigen Meten, von welchen die südwestliche ganz biosgelegt ist, und welche für
Gespanne zu wenig Bahn gelassen hätte. Als Zuschauerraum lief ein Gorridor um
das Ganze, dessen Obergeschoss von einei* Pfeilerreihe getragen war, welche durchj
Bogen verbunden und nach der Arena zu mit marmorverkleideten Halbsäulen ge-
schmückt war. Erhalten haben sich von diesen wohl viele, blosgelgt aber sind
am segmentförmigen Südwestende und unweit davon sieben, drei an der nordwest-
lichen Langseite, fünf an der Nordecke und vier in der Mitte der südöstlichen]
Langseite.
Die Ruinen der südlichen Höhe des Palatin. 387*
Einige Backsteinstempel weisen auf die Periode der Flavier als erste Ent-
stehungszeit, und dieser Umstand und das parallele Verhältniss des Stadiums zu
der oben beschriebenen aedes publica des Domitian reizt zur Verfolgung einer
schon oben ausgesprochenen Vermuthung. Da wie bemerkt wurde, jener domitia-
nische Bau den Wohnzweck ausschiiesst , hat man angenommen, dass diesem der
tiberianisch-caligulanische Complex immer entsprochen habe. Sollte sich nun nicht
dem Repräsentationsbau Domitians, wenn nicht dessen Privatresidenz so doch die
Palastthermen und Räumlichkeiten für Spiele angeschlossen haben? Dass kaiserliche
Gärten wie die Adonaea sich an die südöstliche Langseite der aedes publica an-
reihten, ist bereits als sehr wahrscheinlich erwähnt worden, es darf nun vielleicht
auch angenommen werden, dass die angebliche Domus Augustana am Südwestrande
der ehemaligen Villa Mills vielmehr als die kaiserlichea Thermen zu erklären sei,
während die Gebäude für Spiele den Complex südöstlich abschlössen.
Wir müssen jedoch an dem Stadium einige nachträgliche Aenderungen con-
statiren. Die mächtige Exedra an der südöstlichen Langseite des Stadiums, eines
der besterhaltenen Stücke des ganzen Hügels lieferte Backsteinzeichen aus Hadriaus
Zeit, während mancherlei Details namentlich der Stuccoausschmückung, an welcher
noch ein grosser Theil der Gewölbemalereien erhalten ist, auf die Zeit des Septimius
Severus schliessen lassen. Andere inschriftliche Unterstützung als durch Backstein-
oder Marmormarken findet sich jedoch nicht, denn der an der Meta gefundene
Cippus mit der Inschrift der Vestale Coelia Glaudiana ist ohne Zweifel später hieher
verschleppt worden.
Die Baulichkeiten südlich vom Stadium sind als von Septimius Severus her-
rührend durch classische Nachrichten wie durch Ziegelstempel bezeugt. Das Haupt-
werk dieses Kaisers zwar, der unter dem Namen Septizonium hergestellte Fa^aden-
bau oder Terrassenschmuck der Südecke, wovon in der historischen Beschreibung
des Hügels gesprochen worden ist, in seinem unteren Theile ziemHch weit über
den natürlichen Hügelrand vorgeschoben, ist leider zerstört, oder in geringen
vielleicht noch erhaltenen Theilen unter dem modernen Boden begraben. Die noch
erhaltenen mächtigen Gewölbe aber, welche sich labyrinthisch neben und über-
einander thürmen, müssen zum grössten Theil als Substructionen betrachtet werden,
bestimmt, das Hügelplateau nach dieser Seite zu ergänzen und zu erweitern und
erst auf ihrem Scheitel die bewohnbaren Räume aufzunehmen, wesshalb es ganz
unmöglich ist, eine verlässige Vorstellung von diesem Palastbau zu gewinnen.
Am meisten verständlich sind noch die Reste unmittelbar hinter der Exedra des
Stadiums, wo ein hinter derselben laufender Corridor noch ein Stück des cassettirten
Tonnengewölbes zeigt, und ^einzelne Räume auf Badezwecke schhessen lassen.
49**
388* ^^^ Palatinus.
Sonst überwiegt trotz bedeutender Ausgrabungsarbeiten aus letzter Zeit wie vorher
der pittoreske Charakter dieser in der Ansicht wie durch die von ihnen aus zu ge-
winnende Aussicht herrh'chen Ruinen , an welche sich auch in den vergangenen
Jahrhunderten der Name der Kaiserpaläste vorzugsweise geknüpft hatte.
In 'den anstossenden Gärten aber sieht man nur noch sehr vereinzelte Ruinen,
welche der vielhundertjährigen und noch bestehenden Wein- und Gemüsekultur
getrotzt haben, vorab die stattlichen Reste eines Aquäducts, der einst als über den
Caelius geleiteter Zweig der Aqua Claudia einen Strom von Wasser auf die jetzt was-
serarme Höhe geleitet hatte.
VIII. Die Velia und das Thal des Oolosseum.
Während der Palatin an den übrigen Seiten ziemlich schroff abfällt, läuft er
im Norden in einen sanft abdachenden Arm aus, welcher die Thäler des Forum Ro-
manum und des Colosseum mit seinem Rücken trennt. Dieser Hügelarm hatte den
besonderen Namen Velia ^ und verdankte den grössten Theil seiner Bedeutung der
Sacra via, welche über ihren Rücken führte. Diese begann, wie wir aus doppelten
Zeugnissen wissen, ^ an der Kapelle der Strenia in den Carinen (mithin wahrschein-
lich zwischen dem nachmaligen Colosseum und den Esquilien) und endigte auf dem
Capitolium. Ob das auch schon die ursprüngliche Ausdehnung der heiligen Strasse
war, deren Anlage (ä. a. 0.) mit Romulus und Tatius in Verbindung gebracht wird,
ist nicht klar, doch wissen wir aus beiden Angaben, dass im Munde des Volkes nur
derjenige Theil den Namen trug, welcher an der Velia selbst lag, nemlich nur die
verhältnissmässig kurze Strecke von der Regia am Vestaheiligthum bis zum Hause des
Rex sacrificulus. Wie aber die Regia, an der Gränze des Forum und am Fusse
der Velia lag, so muss das Haus des Rex sacrificulus weiter südöstlich und auf der
Höhe der Velia oder wenigstens dem Scheitel nahe gestanden sein, ^ vielleicht an
der Stelle einer der Königswohnungen auf der Höhe der Velia, wo sowohl Tullus
Hostilius ^ als Ancus Marcius, '" vielleicht auch Tarquinius Superbus, der letzte König ^
> I. 68. 2Varro L. L. V. 8, U. p. 52 sq. (Speng.). Fest. s. v. Sacram viam. 3 liv. 27. Man ver-
gleiche hierüber die vorzügliche Abhandlung Becker's De Romae veteris muris atque portis. Lps. i842.
p. 23 sq. Hdb. d. röm, Alterth. Bd. 1. S. 219 fg. 246 fg. « Cic. de rep. II. 31. s Solin. 1, 23. 6 Plin.
N. XXXIV. 6, 13, 29.
Die Velia und das Thal des Colosseum. 389*
ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben sollen. — Bei diesen Königswohnungen auf der
Höhe der Velia befanden sich auch zwei alte Tempel, die Kapelle der Laren ^ und
der Tempel der Penaten, ^ welche nicht identificirt werden dürfen , weil sie beide
unter den von Augustus wiederhergestellten genannt werden.^
Die Sacra via aber hiess da, wo sie den Scheitel der Velia überschritt, die
Summa sacra via, ein Punkt, den der Titusbogen genau gibt, während die von hier
abwärts gegen die Meta Sudans gerichtete Linie der Strasse nicht die ursprüngliche
zu sein scheint, da ihr Lauf durch die Anlage des hadrianischen Venus- und Ro-
matempels vermuthlich eine Aenderung erfuhr. Auch ihre Richtung im Thale des
Colosseum, wie wir sie aus der Notitia entnehmen können, nach welcher sie zwischen
dem Piedestal des Sonnenkolosses und dem Colosseum sich dem Fusse der EsquiHen
nabelte, ist sicher durch die neronischen und flavischen Anlagen alterirt.
Aus der republikanischen Zeit wissen wir von der Velia wenig. Gleich am
Anfange derselben erbaute Poplicola auf der Höhe jenes Haus, welches er, durch
das argwöhnische Missvergnügen des Volkes bewogen, wieder niederriss, um am
Fusse des Hügels an einer minder beherrschenden Stelle ein anderes zu errichten. ^
Die Höhe des Hügels aber war bis in die Kaiserzeit hinein der Obst- und Blumen-
markt, ^ wie überhaupt die Sacra via von Geschäftsleuten viel besucht und ohne
Zweifel grossentheils von Privatgebäuden und Tabernen begränzt war.
Die Palasterweiterungen des Nero mussten die ganze bauliche Gestalt der Velia
verändern. Die Höhe derselben wurde in ein weitläufiges Vestibulum umgestaltet,
in welchem das Kolossalbild des Nero, wovon bei den erhaltenen Ueberresten seines
Piedestals besonders die Rede sein wird, aufgestellt ward. Das Thal des Colosseum
aber, von dessen früherer Bedeutung ausser dem partiellen Localnamen »Cerohensis«
nichts bekannt ist, ward in einen grossen Teich umgewandelt.
Die neronische domus aurea aber wurde durch die Flavier wieder gänzlich
aufgelöst, der Verbindungsbau auf der Veha dem Erdboden gleichgemacht, der
Teich im Thale durch den Riesenbau des Amphitheaters ersetzt, die Gärten auf dem
Esquilinus theils dem Privatbesitze zurückgegeben, theils für die Anlage der Titus-
thermen verwendet. Zum Amphitheater kamen in dem Thal zwischen Esquilin und
Caelius und an den beiderseitigen Abhängen bis gegen S. Clemente (einem Mithras-
heiligthume der Kaiserzeit) einige Gebäude, welche der Regionär in der HL Reg.
nennt: die kaiserliche Münze (bei S. Clemente), der durch ein capitolinisches Frag-
ment^ auch der Gestalt nach theilweise bekannte Ludus magnus oder die Gladia-
» Solin. 1. c. 2Varro L. L. V, s, 47. (p. 60. Speng.) Non. XII. 51. Liv. XLV. H. Solin. 1, 22.
»Monum. Ancyr. (Chish. p. 174.) < Cic. de rep. II. 31. Dionys. V. 19. Liv. II. 7. Plut. Popl. 10.
^Varro, r. r. I, 2. Ovid. ars am. II. v. 266. Fast. VI. v. 791 sq. 6 Jordan, F. U. Romae 1, 4.
390* D'6 V^''3 u"tl das Thal des Colosseum.
torenkaserne (näher am Colosseum wahrscheinlich an der Gaeliusseite), das Summuui
choragium oder das Magazin für die Ausstattung und die Geräthe des Colosseum
(wahrscheinlich in der Tiefe des Thaies nebenan) und endlich die Castra Misenatium, die
Caserne der im Amphitheater verwendeten Marinesoldaten (nach Inschriftfunden
zwischen der Via Labicana und dem Kreisbogen der Cavea der Titusthermen). ^
Ueber der Summa sacra via aber erhob sich in bescheidenen Dimensionen ein
kleines Denkmal eines grossen weltberühmten Erfolges, der Triumphbogen des Titus.
Die Kunstschätze des goldenen Palastes wurden in dem nahen Tempel und Tempel-
hofe der Pax aufgestellt, welches Heiligthum dem gleichen Anlasse, wie der genannte
Triumphbogen, seine Entstehung verdankt. Domitian legte bei dem Forum Pacis
und zwar an der Stelle zwischen SS. Gosma e Damiano und S. Francesca Romana
Gewürzmagazine an, welche jedoch in Commodus' Zeit sammt dem Paxheiligthume
und den Gebäuden an der Nordwestecke des Palatin ein Raub der Flammen wurden.
Glänzender als Domitian benutzte Hadrian den östlichen, dem Colosseum zugewandten
Abhang der Velia zum Bau seines prachtvollen Tempels der Venus und Roma, dessen
Ueberreste unten genauer betrachtet werden sollen. Der Bau hatte eine Erweite-
rung des Hügels durch eine massive Substruction , die Veränderung der Linie der
Sacra via, welche wahrscheinlich vormals vom Titusbogen aus mehr östlich Hef,
und namentlich die Versetzung des Sonnenkolosses zur Folge, der nun auf dem
Platze zwischen dem Doppeltempel der Venus und Roma und den flavischen Am-
phitheater aufgestellt wurde, wo wir noch namhafte Reste seines Piedestals finden
werden.
Wenn die unter Commodus abgebrannten Gewürzmagazine wieder aufgebaut
wurden, so waren sie in Maxentius' Zeit wieder zu Grunde gegangen oder abge-
tragen worden, denn damals erbaute dieser an deren Stelle jene Basilica, welche
einzuweihen und zu benennen seinem Ueberwinder Constantin vorbehalten blieb
(vgl. die Beschreibung). Unter Maxentius war auch der Venus- und Romatempel
ein Raub der Flammen und von demselben wieder hergestellt worden. Eine weitere
Aenderung der baulichen Gestalt der Velia im Alterthume ist nicht bekannt, die
Schicksale der einzelnen Bauwerke aber werden bei der Beschreibung im Einzelnen
ihre Besprechung finden.
74. Der Roniulustempel. (SS. Cosma e Damiano.)
Wandeln wir nun, um das Erhaltene zu betrachten, vom Forum Romanum
die sanft ansteigende Höhe der Velia hinan, so ist der erste Ueberrest, dem wir
1 G. Henzen, Sulla posizione delle castra Misenatium e di alcuni altri punti della terza regione di Roma.
Ann. d. I. d. c. a. 1862 p. 60—67.
Der Romulustempel,
391
begegnen, die Rotunde, welche jetzt die Vorhalle der Kirche SS. Cosma e Damiano
bildet, wie wir schon im vorhinein aus Form und beschränkten Dimensionen ver-
muthen können, ein Rundtempel von eben nicht hervorragender Bedeutung. Sowie
wir den Tempel jetzt sehen, hat er von aussen seine ursprüngliche Gestalt fast ganz
verloren. Der antike
Eingang war dem
Forum zugewandt,
mithin an der West-
seite, wie man noch
aus vorhandenen Spu-
ren erkennt; der
moderne Eingang ist
mehr südlich. Der
Ziegelbau ist aus sehr
später Zeit , ebenso
die Marmorornamen-
tik der Thürpfosten.
An der Seite sieht
man noch zwei Säu-
len von GipollinO 37. Der Romulustempel. (SS. Cosma e Damiano.) (F. H.)
(caristischem Marmor), welche vielleicht zum Pronaos der Rotunde gehört hatten,
halb verschüttet aus der Erde hervorragen. Woher die beiden Porphyrsäulen des
gegenwärtigen Portals stammen, ist schwer zu sagen, der ganze Aufbau darüber
sammt dem Gebälk ist modern. Von reicher Arbeit und antik ist jedoch der Thür-
rahmen und ein seltenes Beispiel der Erhaltung von Bronzegegenständen an öffent-
lichen Gebäuden die zwar sehr und gewaltsam beschädigte, aber schön gearbeitete
Bronzethüre. Pfosten und Thüre scheinen nach ihren Verhältnissen dem Tempel
selbst angehört zu haben, sind aber gleichwohl versetzt und insbesondere bedeutend
höher angebracht worden. Der innere Durchmesser des Rundgebäudes beträgt
14,80, der äussere 17, 50 Meter.
lieber die Bestimmung dieser Rotunde sind verschiedene Meinungen aufge-
stellt worden. Doch ist jetzt ^ wohl kein Zweifel mehr möglich, dass nach einer
Notiz im Liber Pontificalis - und einer Erwähnung bei Joannes Diaconus ^ die Rotunde
dem Romulus, d. h. des Maxentius Sohn, zuzuschreiben sei, womit auch der etwa
constantinisch scheinende Ziegelbau und eine Münze mit einem einfachen Rund-
1 G. B. de Rossi, Bull. d. arch. crist. 1867 p. 61 sq.
Paris 1649. p. 36. 3 Vita S. Gregorii
2 Anastas. Biblioth. de vit. Pontif. Felic. IV,
392^ Die Velia und das Thal des Colosseum.
tempel ohne Säulen und dem Namen des Romulus, des Maxentius Sohn, überein-
stimmt. Jedenfalls wurde dieser Rundtempel ebenso wie Maxentius' Basilica später
dem Constantin geweiht wie aus der noch von Panvinius und Ligorius gelesenen
Inschrift Imp. Caes. Fl. CONSTANTINo MAXIMO iriuMPhatori, die sich auf dem Portal-
epistyl befand hervorgeht,^ und zwar erst nach 315 p. Chr. da erst in diesem
Jahre Constantin den Beinamen Maximus annahm.
Die Basihca von SS. Cosma e Damiano, noch eine der interessanteren Roms,
wurde von Papst Felix IV. (536 — 530) erbaut und die Rotunde als Vorhalle be-
nutzt. 2 Die seitherigen Veränderungen sind unbedeutend, doch machte es der sich
ringsumher immer mehr erhöhende Schutt endlich unerlässlich , das Paviment der
Kirche und Vorhalle beträchtlich zu erhöhen, was durch Papst Urban VIII. im J.
1632 vermittelst Unterwölbung geschah.
Besonders merkwürdig aber wurde die Nachbarschaft der Kirche durch den
Fund der Fragmente des antiken Planes der Stadt Rom, die jetzt in 26 Tafeln an
den beiden Wänden der Treppe des capitolinischen Museums eingelassen zu sehen
sind. Ueber diese so wichtigen Reste, neuerlich durch Nachträge nicht blos an-
sehnlich erweitert sondern auch hinsichtlich des vorher zweifelhaften Fundortes
vollkommen gesichert zudem kürzlich durch eine mustergültige wissenschaftliche
Behandlung^ zu weiterer Bedeutung erhoben, wird im einleitenden Vorworte beson-
ders zu sprechen sein.
75. Die Basilica des Constantin.
Den Abhang der Velia weiter hinansteigend, erbhckt man eine gewaltige aus
drei grossen Tonnengewölben, dem nordöstlichen Dritttheile eines im Uebrigen nur
noch in den Grundmauern sichtbaren Gebäudes, bestehende Ruine. Die drei noch
erhaltenen Bogen, welche vermittelst 2 Meter breiter gewölbter Durchgänge mit-
einander verbunden sind, messen 24,5o Met. in der Höhe, 20, 50 in der Breite und
1 7,25 in der Tiefe. Die Tonnengewölbe zeigen abwechselnd achteckige und rhombische
Cassettonen. Die beiden Seitenhallen sind nordöstlich von geraden Wänden be-
gränzt, von denen jede sechs gewölbte Fenster in zwei Reihen zeigt, die jetzt
grösstentheils vermauert sind; die Mittelhalle jedoch läuft in eine grosse halbkreis-
förmige (Radius von 10 Meter) Tribüne aus, welche durch 16 rechteckige Blenden
von schwacher Vertiefung in zwei Reihen übereinander, ohne Zweifel zur Aufstel-
lung von Statuen bestimmt, gegliedert ist. Vor der etwas grösseren mittleren Blende,
bei welcher auch noch kragsteinförmige Vorsprünge mit rohgearbeiteten Victorien
zu sehen sind, befindet sich ein tribunalartiges Suggestum. Die Kragsteine trugen
1 Jordan, Sylloge inscriptionum Fori Romani n» 22, Die Ergänzung ist nachi de Rossi. ^ Vgl. die
Mosaikinschrift in der Apsis. ^ jor,jan, Forma Urbis Romae Regionum XIV. ßerol. 4874.
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Die Basilica des Constanlin.
393
Säulchen oder Pilaster, wie aus dem Gürtelgebälke hervorgeht, von welchem noch einige
Stücke am Boden Hegen, und dessen Ornamentik auf eine späte Kunstepoche hinweist.
9oMet.
38. Grundriss der Basilica des Constanlin. (Nach Knapp.)
Die Tribünenwölbung , welche sich an das Tonnengewölbe des Mittelbogens anschloss,
jetzt aber durch den Einsturz eines grossen Theiles getrennt ist, zeigt an dem noch er-
haltenen Theile sechseckige Cassetten abwechselnd mit kleinen Rhomben. Die Tribüne
aber war nach innen nicht völlig frei und offen ; man sieht vielmehr in der Linie der
Rückwand der beiden Seitenhallen laufend noch die Reste von zwei Pfeilern mit vorste-
henden Säulen, von welchen sich sogar noch eine Base erhalten hat.
^ Wie schon erwähnt, bildeten die drei mächtigen Bogenhallen, welche billigerweise
zuvörderst unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, nur den dritten Theil des gan-
zen sowohl nach der Länge als nach der Breite dreischiffigen Gebäudes. An den vier
Pfeilern sieht man auch noch die Ansätze von Kreuzgewölben , welche sich mehr als die
erhaltenen Tonnenbogen erhoben und nach ihrer Krümmung auf eine bedeutende Höhe
schliessen lassen. Es entstanden dadurch die drei, jedoch gegeneinander olTenen Gewölbe
des Hauptschiffes, jedes 2ö Met. breit, 20 tief und annähernd 35 hoch. An diese schlös-
sen sich südwestlich ursprünglich noch drei Tonnengewölbe an, welche nach ihren
Pfeilerresten dieselben Dimensionen, wie die correspondirenden erhalten haben mussten
I". Kebeu , die Ruinen Roms.
50
394 Die Velia und das Thal des Colosseum.
und so das Ganze symmetrisch schlössen. Von dem Allen aber sind nur die Pfeiler in
verschiedener Höhe übrig; der höchsterhaltene darunter zeigt in den Nischen dieselbe
Constniction wie die Pfeiler der beschriebenen Tonnengewölbe. Das zerstörte Mittelschiff'
bildete an der Nordwestseite eine ähnliche Tribüne, wie wir sie an dem mittleren der drei
Tonnengewölbe beschrieben haben, doch sind die dürftigen Reste der halbzirkeligen
Mauer jetzt durch ein Magazin eingeschlossen. Man sieht aus diesen zwei Tribünen das
Charakteristische der Anlage, eines Dreischiffsystems nach zwei Richtungen hin, wodurch
denn auch das Gebäude organisch zwei Fagaden erhielt, die eine an der Lang-, die an-
dere an der Schmalseite. Die Mauern zu beiden Seiten der nordwestlichen Tribüne sind
von ausserordentlicher Dicke (6 Met.), und enthalten im Innern Wendeltreppen, von denen
die zur Rechten noch theilweise erhalten ist. Auf der südöstlichen Seite führen der Tri-
büne gegenüber drei Eingänge in das Mittelschiff, je einer in die beiden Seitenschiffe, vor
diesen Eingängen aber bildete ein 7, 50 Met. breiter Corridor eine Art von Vorhalle, deren
Gestalt aus dem Plane ersichtlich ist. Wir haben an dieser Vorhalle ohne Zweifel ein Bei-
spiel eines Chalcidicum, über dessen Bedeutung schon so viele grundlose Vermuthungen
aufgestellt worden sind. Auf nichts anderes könnten nemlich jene oft besprochenen Worte
Vitruv's,^ »wenn der Raum in der Länge über den Bedarf (einer Basilica) hinausgeht, so
lege man am Rande Chalcidiken an«, besser passen, als auf diesen Corridor, der auch
in der That nicht bloss hier, sondern selbst bei den meisten christlichen Basiliken an der
Schmalseite sich findet, welche der Tribüne gegenüberliegt und desshalb auch zum Ein-
gange dient. Hier aber war der Haupteingang nicht an dieser Schmalseite , sondern an
der dem Palatin und der Sacra via zugewendeten Langseite, wodurch auch die Richtung
der Tonnengewölbe wesentlich bedingt ward. Der Tribüne des Mittelbogens gegenüber
fand man auch noch die Spuren einer Treppe, wie einer Art von Pronaos mit Porphyr-
säulen, von deren Schäften zwei gefundene Stücke in den Hof des Conservatorenpalastes
gebracht worden sind. Die Eingänge an der Schmalseite aber haben nicht einmal einen
directen Zugang, denn die Strasse nordöstlich von dem Tempel der Venus und Roma
mündet nicht in der Linie des mittleren Einganges, sondern weiter nordöstlich aus. Da
der Abhang der Velia bei der Anlage dieses Gebäudes erst geeignet geebnet werden
musste, so kann es auch nicht befremden, zu bemerken, dass man von der antiken Strasse
zu dem Chalcidicum auf drei Stufen hinabsteigt. In der äusseren Mauer dieser Vorhalle
ist eine auf die Höhe des Corridors führende Treppe angebracht , welche sich von da
durch eine in dem nordöstlichen Pfeiler befindliche Wendeltreppe auf die jetzt terrassen-
förmige Höhe der drei Tonnengewölbe fortsetzt.
Das beschriebene Gebäude galt sonderbar genug bis auf dieses Jahrhundert fiir
* Vitruv. V.l.
Die Basilica des Constanlin. , 395
den Tempel der Pax, obwohl die Gestalt der Ueberreste schlechterdings nicht an einen
Tempel hätte denken lassen sollen. Der hauptsächlichste Grund für diese Annahme scheint
gewesen zu sein, dass die Mirabilien^ diesen Tempel als »hinter SS. Cosma e Damiano«
befindlich bezeichneten, was leicht, nachdem mittlerweile die Reste des Paxheihgthums
verschwunden waren, zu dem Irrthum Veranlassung werden konnte, und zwar um so mehr,
als auch die anderen Angaben zu passen schienen, denn jener Tempel war in der That un-
mittelbar nahe, doch nicht östhch, sondern vielmehr nordwestlich von SS. Cosma e Da-
miano (vgl. S. 1 69).^ Im vorigen Jahrhundert, in welchem die antiquarische Forschung
doch schon einen bedeutenden Aufschwung genommen hatte, fühlte nurPiranesi, der
freilich ohne philologische Kenntnisse und mehr als Künstler mit stumpfen Waffen kämpfte,
die Unmöglichkeit , die Ruine für einen Tempel anzusehen, und zog sie daher zu den
neronischen Palastbauten, womit er allerdings bei den Gelehrten keinen Anklang finden
konnte. Das Verdienst, diesem Baudenkmale als Basilica des Constantin den richtigen
Namen gegeben und nach schwerem Kample mit einem sonst verdienstvollen , hier aber
sehr zur Unzeit höchst leidenschaftlichen Gegner^ zur allgemeinen Geltung erhoben zu
haben, gebührt dem gelehrten und thätigen A. Nibby.* Dass die Anlage mit ihren Tribü-
nen im Allgemeinen einer Basilica entspricht, wird von keinem Kenner in Abrede gestellt
werden können. Was aber die Zeit der Entstehung betritft, so weisen sowohl der Ziegel-
bau, welcher dem der diocletianischen Thermen ganz ähnlich ist, als die Reste der rohen
Marmorarbeit, der Ornamentik und der» Victorien in den beschriebenen Kragsteinen, be-
stimmt auf die constantinische Kunstepoche. Ueberdiess ward in einem im J. 1828 her-
abgestürzten Gewölbestücke im Mörtel eine Silbermünze gefunden, welche auf der Kopf-
seite den Namen iviaxentivs p • f avg und auf der Kehrseite die Umschrift conserv vrb ■
SVAE trug,^ eine Münze, die einen neuen schlagenden Beweis für die neun Jahre vorher
aufgestellte Behauptung Nibby's lieferte. Wenn nun schon daraus abzunehmen ist, dass
der Bau nicht vor Maxentius, wahrscheinlich sogar unter diesem Kaiser, dem Vorgänger
Constantin's, ausgeführt wurde, so gewinnt diess durch die weiteren Umstände unzwei-
felhafte Gewissheit. Die Basilica, die Maxentius zugleich mit der Wiederherstellung des
Tempels der Venus und Roma erbaute, und welche nach Maxentius' Tode unter Constan-
tius' Namen eingeweiht wurde, stand nemlich an der Stelle der von Domitian erbauten
Gewtirzmagazine,^ welche von dem Brande des Tempels der Pax unter Commodus er-
griffen und vernichtet worden waren. ' Aus der Richtung dieses Brandes von dem Fo-
' Montfaucon, Diar. Ital. Par. 1702. p. 295. * Dort hat sich leider, nach wiederholt richtiger Bezeich-
nung, Zeile 25 das sinnstörende Versehen «Basilica lulia« statt »Basilica des Constantin« eingeschlichen.
* C. Fea, La Basilica di Costantino sbandita dalla Via Sacra. Lettera al S. .4nt. Nibby. R. 4 819. Diesem folgte
N. Ratti, Sil le rovine del tenipio della Pace. R. 1823. * A. Nibby, Del tempio della Pace e della Basilica di Costan-
tino. R. 1819. * id. Roma neu' anno 1838. P. II. ant. p. 248. * Catalog. Imp. Vienn. (Roncalli, Vet. Script.
Chron. tom. II. col. 24.S.) ^ Dio Cass. L.XXII. 24. Galen, de comp. med. I. 1.
50*
396 Die Velia und das Thal des Colosseum.
rum Pacis gegen den Palatin hin ist ersichtlich , dass diese Magazine zwischen beiden,
also an der Velia lagen. In der That haben sich auch in geringer Tiefe im Boden des
Mittelschiffes wie auch bei der Eingangstreppe Kammern domitianischen Ziegelbaues ge-
funden, die jedoch, da sie kein weiteres Interesse boten, wieder verschüttet wurden.
Dieser Platz der auf dem Räume der ehemaligen Gewürzmagazine erbauten Basilica des
Constantin wird auch durch die Notitia ^ bestätigt, in welcher die Basilica nova , wie sie
als die letzte heidnische genannt werden konnte, unweit von der Sacra via zwischen dem
Tempel der Roma und dem Forum Romanum und in der vierten Region, die sich nord-
östlich von der Sacra via befand, genannt wird.
Was die weiteren Schicksale dieser Basilica betrifft, so fehlt es uns gänzlich an
Nachrichten. Nach dem Bestand der Reste scheint sie niemals durch Brand gelitten zu
haben, vielmehr nach Hinwegnahme der Bedachung, der Säulen und der Bekleidung all-
mälig eingestürzt zu sein. Es knüpfte sich auch im Mittelalter an diess Gebäude die Sage,
dass es in der Nacht, in welcher Christus geboren wurde (!). grösstentheils eingestürzt
und dass seitdem in jeder Ghristnacht ein weiteres Stück davon herabgebrochen sei.^
Zu Anfang des 17. Jahrhunderts stand noch eine Säule von prokonnesischem Marmor
und canellirt, mit Base und Capital, 19,25 Met. messend, links von dem zweiten Pfeiler
des Mittelschiffes. 3 Diese Hess jedoch Paul V. im J. 1613 wegnehmen, vor S. Maria
Maggiore aufstellen und den Gipfel mit der Statue der h. Jungfrau schmücken. Bis zum
Anfange dieses Jahrhunderts ward der Schutt so hoch, dass er fast bis an den Wölbungs-
ansatz reichte, und in diesem Zustande diente die Ruine als Schutz und Futterort für die
Karrenrinder der Campagna, welche noch jetzt einen Theil des Forum und den anlie-
genden Abhang der Velia als Campo vaccino in ererbtem Besitze haben. Die Ausgrabun-
gen begannen zur Zeit der Franzosenherrschaft im J. 1812, wurden aber zwei Jahre
darauf wieder eingestellt, doch wenigstens die Einsturz drohenden Theile durch Ver-
mauerung der Fenster und angebrachte Strebepfeiler solidirt. Die unter Fea's Leitung im
J. 1818 wieder aufgenommenen Arbeiten wurden ebenfalls schon in einem Jahre wieder
unterbrochen. Im J. 1828 stürzte ein grosses Stück von der Wölbung der Tribüne des
Mittelschiffes herab und der donnerähnliche Schlag erweckte zu neuer Arbeit , worauf
unter Aufsicht Nibby's der ganze Bau bis zum antiken Boden blossgelegt wurde. Von
dem Pavimente fand man nur mehr wenige und unbedeutende Reste, kleine, dünne Plat-
ten von theilweise kostbaren Marmorarten ; doch auch diese wenigen sind von Jahr zu
Jahr sich verringernd jetzt schon fast vollständig verschwunden.
* Curios. U. R. Reg. IV. * L. Fauno, dell' anlichitä di Roma. fol. 61. =* Du Perac, I vestigj dell' an-
tichitä di Roma. R. 1674. tav. 5. (Die Zeichnungen sind demnach jedenfalls weit älter.)
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Der Triumphbogen des Titus. 397
76. Der Triumphbogen des Titus.
Von der Südwestseite der Basilica des Constantin erreicht man, südlich zu der
dem Nordostabhange des Palatin zunächstliegenden Höhe der Velia zum Theil auf anti-
kem Polygon -Pflaster hinansteigend wieder die Linie der Sacra via und zugleich den
Triumphbogen des Titus, eine Reliquie, nicht minder als geschichtliches, wie als Kunst-
denkmal bedeutend und bewunderftswerth. Er ist 15,4o M. hoch, 13, so breit und 4,75
tief und hat nur einen Durchgangsbogen. Von dem ursprünglichen Bau ist jedoch nur
der mittlere Theil erhalten , das Uebrige moderne Ergänzung. Man kann indess leicht
den antiken Theil von dem restaurirten unterscheiden , denn jener ist von pentelischem
Marmor, dieser von Travertin.
Das an seiner Aussenseite grösstentheils neu ergänzte Basament ist 2,75 Met.
hoch und schmucklos. Die beiden Pfeiler waren auf jeder Seite mit je zwei canellirten
Halbsäulen compositer Ordnung, die korinthische Base mit Plinth 0,6o, der Schaft 5, 20,
das Capital 0,75 Met. hoch, geschmückt, von denen jedoch nur die innern sich er-
halten haben, während die äusseren moderne Ergänzung und nicht canellirt sind.
Zwischen den Säulen sind fensterähnhche Vertiefungen mit einfachen Rahmen umgeben
angebracht, von denen die nordöstliche als Thüre dient, durch welche man vermittelst
einer Treppe zum Innern der Attika und auf die Plattform derselben gelangt. Der Bo-
gendurchgang hat eine Breite von 5,36 Met. und eine Höhe von 8,30. Die Bogenwinkel
sind mit Victorien in Basrelief ausgefüllt, welche zwar sehr verstümmelt sind, aber
durch die Schönheit ihrer Ausführung sich von denen der beiden anderen Triumph-
bogen wesentlich unterscheiden. Die feinen Formen, die Leichtigkeit der Bewegung
und der gewählte Wurf des Gewandes bekunden einen Höhepunkt römischer Kunst.
Auf dem Bogenschlüssel an der Seite gegen das Colosseum sieht man die Roma, auf
der andern Seite den Genius populi Romani oder eine Fortuna mit dem Füllhorn dar-
gestellt ; beide Figuren sind jedoch sehr beschädigt. Im Innern des Durchganges be-
finden sich zu beiden Seiten herrhche Hochreliefs mit der Darstellung des Triumphes
des Titus nach der Einnahme und Zerstörung von Jerusalem, leider ebenfalls in einem
beklagenswerthen Zustande. Das nördliche zeigt den Triumphwagen des Imperators
mit vier Rossen bespannt und von lorbeerbekränzten Rittern und Lictoren umgeben.
Die Pferde sind, soweit diess die arge Verstümmelung erkennen lässt, von hervor-
ragender Schönheit: ihr ungeduldig langsamer Schritt, der fein modellirte Rumpf wie
der gedrungene Hals athmen Leben und Bewegung. Die noch sichtbaren Köpfe der
Umgebung sind Ideale, wie die ganzen Gestalten. Der Wagen selbst ist sehr ver-
stümmelt, und auch die Gestalt des Triumphators nur mehr wenig erkennbar, etwas
mehr die Victoria, die ihm den Kranz über das Haupt hält, und Roma, welche die
398
Die Velia und das Thal des Colossoum.
Zügel führt. Von noch grösserem Interesse ist das gegenüberstehende Relief, das den
Aufzwig der jüdischen Gefangenen und der Tempelbeute darstellt, und von welchem
ich eine Zeichnung beifüge. Besonders merkwürdig ist hier die Abbildung des sieben-
39. Rf^Iief vom Tiiusbogen. {F. R.)
armigen Leuchters , wie des freilich fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten goldenen
Tisches , welche Tempelgeräthe leicht getreu abgebildet werden konnten, da sie in dem
nach der Unterjochung von Palästina und der Zerstörung Jerusalems erbauten Tempel
der Pax aufgestellt waren. ^ Der Zug ist eben im Begriffe unter dem Schalle der Tuba
in einen perspectivisch schräg dargestellten Triumphbogen einzutreten. Die Composition
und Ausführung, die Schönheit der Gestalten, des abwechselnden Ausdruckes, der Be-
wegung und des Gewänderfalles ist von hoher Vollendung. Doch ist die Darstellung
etwas zu gehäuft und gedrängt, die vordersten Figuren sind durch das Uebereinander
über die Schranken des Reliefs herausgetrieben, kurz es fehlt das klare, flache Ueber-
einander und die behagliche Ruhe der hellenischen Reliefbildung. — Die Wölbung des
Durchgangs ist durch Cassetten mit reichen Rosetten und Ornamentleisten belebt ; an
dem Wölbungsscheitel aber ist die Apotheose des Kaisers, d. h. dieser von einem schwe-
benden Adler in einer keineswegs besonders ansprechenden Art rittlings getragen dar-
gestellt. Von dem auf den Halbsäulen ruhenden Gebälke ist nur mehr ein Theil auf der
dem Colosseum zugewendeten Seite erhalten. Der 0,48 M. hohe Architrav ist schön und
reich ornamentirt, im 0,52 M. hohen Friese befindet sich ein Relief, das die auf den
Triumphzug folgende Opferpompa darstellt, aber so verstümmelt ist, dass es eine Be-
urtheilung der Arbeit nicht mehr zulässt, ja den Gegenstand selbst kaum mehr erkennen
' Flav. losepli. de bell. ludaic. VII. 5, 7.
Der Triumphbogen des Titiis. 399
lasst. Auf einer Bahre scheint ein Greis (der Fluss Jordan) getragen zu werden, vor ihm
sieht man Opferstiere führen. Der ebenfalls sehr beschädigte Carnies mit den schönen
Kragsteinen misst 0,65 M. in der Höhe. Ueber dem Gebölke erhebt sich die 4,4o M. hohe
Attika, von welcher jedoch ausser der aus mehren Stücken zusammengesetzten Inschrift-
tafel auf der Colosseumseite wenig mehr antik ist. Die Inschrift, deren Buchstaben, wie
man noch aus den Nietlöchern sieht , mit Metall ausgelegt waren , lautet :
SENATVS
POPVLVSQVE ROMANVS
dIvo TITO dIvI VESPASIANI F
VESPASIANO AVGVSTO
Auf der gegenüberliegenden Seite befand sich ursprünglich, wie bei den anderen
Triumphbogen, eine gleichlautende Inschrift, an deren Stelle jedoch jetzt eine auf die
Restauration des Denkmals unter Pius VII. bezügliche getreten ist. Die angeführte antike
Inschrift enthält zwar keine Zeitangabe über die Erbauung des Bogens, doch geht aus ihr
hervor, dass er erst nach Titus' Tode erbaut oder wenigstens vollendet worden sei, da
der Triumphator bereits »Divus« zubenannt wird. Dasselbe erhellt aus der in der Bogen-
wölbung dargestellten Apotheose. Die Reliefs aber lassen mit Sicherheit annehmen, dass
der Bogen in Folge des Triumphes über die Juden und der Einnahme Jerusalems durch Titus
errichtet war, wenn auch erst längere Zeit nach dem Triumphe selbst. Ein etwas frühe-
rer Triumphbogen, der noch zu Lebzeiten des Kaisers Titus errichtet worden war, stand
noch im 9. Jahrh, am Circus Maximus ^ und ward wahrscheinlich wegen der besonderen
Feier der circensischen Spiele nach dem Falle Jerusalems daselbst errichtet. Die Inschrift
jenes Bogens, jetzt ebenfalls verloren und eine Zeitlang fölschlich der Forumseite unseres
Titusbogens zugeschrieben, von Orelli^ aber merkwürdigerweise für unächt gehalten,
während sie sich doch schon im Einsiedler Anonymus findet, lautet ^ :
SENATVS POPVLVSQVEROMANVS
IMPTITO CAESARI Divl VESPASIANI F
VESPASIANO AVGPONTIFICIIVIAXIIVIO
TRIB POT X IMP XVTi COS viirPPPRINCIPISVO
QVOD PRAECEPTIS PATRIS CONSILIISQVE ET
AVSPICIIS GENTEM IVDAEORVM DOMVIT ET
VRBEM HIEROSOLYIVIAIVI OIVINIBVS ANTE SE
DVCIBVS REGIBVS GENTIBVSQVE AVT FRVSTRA
PETITAIYI AVT OIVININO INTENTATAIVI DELEVIT
Dieser Triumphbogen am Circus wurde demnach i. J. 80 n. Chr. errichtet und
sieht wohl mit den glänzenden Spielen in Verbindung, welche damals Titus bei Ein-
* Anonym. Einsiedlens. ed. Hänel. Arch. f. Philol. u. Paed. Suppl. B. V. S. 4 23. * Inscript. Lat. select.
Vol. I. No. 759. ^ Gruteri Inscr. p. CCXLIV. No. 6. (Ich habe die Inschrift nach der Abschrift des Anonymus
etwas geändert.)
%
400 Die Velia und das Thal des Colosseum.
weihung seines Amphitheaters und Bades gab, ^ denn Jerusalem war schon zehn Jahre
früher gefallen, und ein eigentliches Triumphdenkmal hätte etwas früher entstehen müssen.
Die Errichtung des auf der Höhe der Velia erhaltenen Bogens aber föllt nach der oben
angeführten Inschrift wahrscheinlich in das nächstfolgende Jahr (81 n. Chr.) das erste der
Regierung Domitians. und hing wohl mit dem Consecrationsdecrete zusammen, da später
für die Errichtung eines solchen Denkmals kein vernünftiger Anlass gedacht werden kann.
Schon im frühen Mittelalter erhielt der Bogen den Namen »ad Septem lucernas«
von dem siebenarmigen Leuchter , welcher sich auf dem beschriebenen Relief abgebildet
findet, welchen Namen wir von dem 9. bis 17. Jahrhundert lesen. Wie alle Denkmäler
der Art , so musste auch dieses im Mittelalter dazu dienen , einen Thurm zu tragen , den
die Frangipani, welche diese Gegend von Rom in ihre Gewalt gebracht hatten, der Attika
aufbürdeten, und welcher, ohne Berücksichtigung des Schwerpunktes erbaut, dem Denk-
male verderblich werden musste. Die elf konischen Stücke des Bogens wichen aus den
Fugen und hatten sich allmälig so gesenkt, dass es im J. 1 822 zur Verhütung des Einsturzes
nothwendig wurde, vorerst die Ruine des Thurmes zu beseitigen und dann auch den
Bogen abzutragen. 2 Der Wiederaufbau hatte eine vielleicht allzu umfassende Herstellung
des Denkmals zur Folge , welche übrigens die ursprüngliche Gestalt anerkennenswerth
veranschaulicht. Mit gutem Rechte Hess man an dem Ergänzten die Ornamentik, wie sie
der antike Theil zeigt, weg, da sie das angewandte Material (Travertin) nicht auszuführen
erlaubte, wodurch sich auch die Restauration von dem Ueberreste deutlich unterscheidet.
77. Der Tempel der Venus und Roma.
So fesselnd auch von der Höhe der Velia aus für den nordwestlich gewendeten
Beschauer der Anblick des römischen Forum ist , so ist er doch ohne allen Vergleich mit
demjenigen, welcher sich dem überraschten Auge in südöstlicher Richtung eröffnet. Nir-
gends in Rom ist die Ausgrabung umfassender und vollständiger gediehen , nirgends sind
die Ueberreste klarer, zusammenhängender und imposanter ! In gerader Linie senkt sich
die Via sacra wieder in die Tiefe , theilweise noch mit den antiken Polygonen gepflastert
und noch jetzt als Fahrstrasse dienend, zur Linken von der gewaltigen Substruction eines
Riesentempels, zur Rechten von den Unterbauten der Nordostspitze des Palatin begränzt.
Die geräumige Tiefe aber füllt zum grössten Theile der Riesenbau des unter dem Namen
Colosseum weltbekannten flavischen Amphitheaters, der Krone unter den Ruinen Roms,
welcher der schöne Constantinbogen , der besterhaltene und reichste unter den Triumph-
bogen Italiens, zur Seite steht. Doch wir wollen diese einander unmittelbar nahe stehen-
den Baudenkmale im Einzelnen betrachten.
* Dio Cass. LXVI. 25. ' G. Valadier, Narrazione del ristauro dell' Arco di Tito. R. 1822.
E
Der Tempel der Venus und Roma.
40 t
Wandelt man vom Titusbogen die Sacra via entlang gegen das Colosseum hinab,
so sieht man zur Linken die bei absteigendem Wege stets an Höhe zunehmende Sub-
struction eines mit seiner Umfriedung sehr umfangreichen und ohne Zweifel höchst be-
deutenden Tempels. Die Substruction beginnt ganz nahe an der Nordostseite des Titus-
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40. Grundriss des Tempels der Venus und Roma.
bogens südlich von der Basilica des Constanlin und ist 167 M. lang, i03M. breit. Dieser
gewaltige Unterbau besteht, wie alle Tempelsubstructionen , in seinem Kerne aus Guss-
masse und war an den Seiten mit Travertinquadern bekleidet, von denen man jedoch nur
mehr einen neben der Sacra via am unteren Ende liegen sieht. An der gegen das Forum
gewendeten Seite südwestlich von der Kirche S. Francesca Romana haben sich noch
ziemlich bedeutende Reste von sechs bis sieben Stufen, welche hier vormals in der gan-
zen Breite der Substruction, um auf die von dieser Seite geringe Höhe derselben zu führen,
hinliefen, die aber jetzt durch die genannte Kirche unterbrochen sind , erhalten. Die bei-
den Langseiten hatten keine Stufen; die 8,5o Met. hohe Breitseite jedoch zeigt nur an
den beiden Ecken die Kernmasse von zwei verhältnissmässig schmalen Treppen. Zwischen
diesen beiden sieht man noch den Backsteinbau, welcher innerhalb der jetzt verschwun-
F. Rebeh, die Ruinen Roms.
51
402 Die Velia und das Thal des Colosseum.
denen Travertinbekleidung an dieser Seite des Unterbaues angebracht war , und Bogen-
sprengungen zur Solidirung derselben.
Oben am Rande dieser Substruction lief ringsum eine Porticus, von der sich am
Boden nur mehr wenige Spuren, aber mehre Säulenschäfte von grauem Granit mit einem
Durchmesser von etwas über 1 Met. erhalten haben, welche an den beiden Langseiten
am Fusse der Substruction liegen. Diese Umfriedungsporticus scheint nur an den beiden
Schmalseiten doppelsäulig und offen gewesen zu sein, während an den Langseiten blos
die innere Linie von Säulen, die äussere aber von einer Mauer gebildet gewesen zu sein
scheint. Der innenliegende Tempel erhob sich wieder um sieben bis acht Stufen, von wel-
chen jedoch kaum mehr eine Spur übrig ist, über die Plattform der Substruction, und
war, wie man aus der Gestalt der Doppelcella, aus der Entfernung derselben vom Rande
der Tempelsubstruction, aus den Dimensionen im Allgemeinen, wie nach den erhaltenen
Gebälk-Fragmenten im Besondern, und aus einigen Münzen ^ schliessen kann, einPseudo-
dipteros dekastylos, das heisst ringsum mit einer Säulenreihe umgeben, die an den beiden
zehnsäuligen Fronten gedoppelt war; den zehn Säulen der Stirnseite aber entsprechen
nach den gegebenen Maassverhältnissen zwanzig in der Länge. Von den Säulen hat
sich nichts mehr erhalten, wohl aber von deren Gebälke, von welchem ein gewaltiges
Marmorstück im Pronaos der Kirche S. Francesca, ein anderes aber neben der dem
Colosseum zugewendeten Cella zu sehen ist.
Während demnach die Ueberreste der ganzen äusseren Ausschmückung der gross-
artigen Anlage nur sehr spärhch sind, haben sich von der Cella selbst so bedeutende und
zugleich deutliche Reste erhalten, dass die Gestalt des Baues aus ihnen vollkommen er-
klärt werden kann : der Tempel war nemlich doppelt, und so angelegt, dass die Tribünen
der beiden Cellen an ihrem Scheitel zusammenstiessen und der Eingang des einen Tem-
pels dem Forum , der andere dem Colosseum zugewendet war. Die Cella des ersteren
umschliesst jetzt ein kleines Gärtchen des zur Kirche S. Francesca gehörigen Klosters und
ist mehr erhalten , als die andere dem Besucher offenliegende Cella. Von beiden steht
noch die Tribüne, deren Wölbung, in einer ursprünglichen Höhe von 15 Met. beginnend,
in Rhomben cassettirt ist, die Verbindungsmauern derselben mit den Seitenwänden und die
südwestliche Langseite, auf dieser abersieht man noch an der ersteren Cella — was an der
südöstlichen fehlt — den Ansatz des mit grossen quadratischen Cassettonen geschmück-
ten Tonnengewölbes. Die Tribünen, welche einen Radius von 5,5o M. haben, zeigen zu
beiden Seiten schwach vertiefte rechtwinklige Blenden, die Seitenwände, die 23, so M. in
der Länge messen , je fünf grössere , abwechselnd halbkreisförmig und rechtwinklig ver-
tieft, 2 M. breit, 1,85 hoch und 0,9o tief, zur Aufstellung von Statuen bestimmt. Die Wöl-
' Eckhel, Doctr. num. vet. P. II. Vol. VI. p. 509.
Der Tempel der Venus und Roma. 403
bungen waren mit vergoldetem Stuck, die Wände mit kostbarem Marmorgetäfel bekleidet,
von welchem bei der Ausgrabung einige, zu Ende des 16. Jahrhunderts aber noch sehr
bedeutende Reste ^ gefunden wurden. Die Seiten der beiden Tempel waren durch
zwei fortlaufende Mauern von Marmorquadern verbunden, welche zugleich die Winkel am
Zusammenstoss der beiden Tribünen verbargen. In dem einen dieser Winkel war eine
Treppe angebracht, die auf die Höhe des Tempeldaches führte.
Ueber den Namen dieser eigenthümlichen Tempelanlage kann kein Zweifel obwal-
ten. Schon die Doppelgestalt der Gellen weist nemlich auf den Prachttempel der Venus und
Roma hin, und dies wird durch locale Umstände bestätigt. Dass nemlich dieser Tempel an
der Sacra via lag, erhellt aus den Berichten vom neronischen Koloss, dessen ausführliche
Besprechung unten folgen wird, sowie auch aus der Lage des neronischen Atrium,
in welchem der Tempel erbaut ward, namentlich aber aus einem Berichte des Dio
Cassius , ^ nach welchem er überdiess dem flavischen Amphitheater ganz nahe gewesen
sein musste. Auch die Notitia^ nennt ihn in der vierten Region an einer passenden
Stelle. Dennoch kam dieser Name erst durch Nardini* in Aufnahme, nachdem die
Ruine vorher die Namen Castoris et Pollucis, ^ Concordiae et Aesculapii, ^ Isidis et Se-
rapidis,' Sohs et Lunae^ getragen hatte.
Der Tempel der Venus und Roma wurde im J. 135^ (132)<o n. Chr. von dem
kunstliebenden Kaiser Hadrian an der Sacra via und an der Stelle erbaut, wo sich
vorher das Atrium vom goldnen Palaste des Nero befunden hatte. ''^ In der That fand
sich auch auf den Ziegeln desjenigen Gemäuers, das noch vom ursprünghchen Bau
herrührt, die Consulatsbezeichnung des Apronianus und Petinus (123 n. Chr.) und
insbesondere an einer Cloake am Fusse der Substruction auch des Servianus III. und
Varus (134). ''2 Hadrian, bekanntlich als Künstler und besonders als Architekt gebildet,
entwarf selbst den Plan zu diesem Prachtbau , für welchen er auch so eingenommen
ward , dass er damit alle Werke seiner Vorgänger übertroffen zu haben wähnte. Dess-
halb schickte er auch den Entwurf an den berühmten Architekten Apollodorus von
Damascus, der die traianischen Bauten und insbesondere das Traianforum ausgeführt
hatte , von Hadrian aber wegen seines Hochmuthes verbannt worden war, in der Ab-
sicht, ihm durch den Entwurf Bewunderung zu entlocken und ihm auch gleichsam
seine Entbehrlichkeit vor Augen zu legen. Der Kaiser erreichte jedoch seinen Zweck
* Fl. Vacca, Mem. No. 73. (Fea, Miscell. p. LXXXV.) ' Dio Cas.s. LXIX. 4. » Ciirios. Urh. Rom. Reg. IV.
* Romavet. acrec. (Graev. Thes. ant. Rom. tom. IV. p. -1034 sq.) ' Poggii Florent. de fortunaevarietateetc. (1440)
Basil. s. a. p. 134. « Albertini, Opusculum de Mirabilibus etc. R. 1515. Fol. 46. ' A. Fulvii AntiquitatesUrb.
R. 1527. Fol. LXXXVII. * L. Fauno, Antich. di Roma. Ven. 1548. Fol. 61. » Cassiodor. Chron. (Rone. II.
col. 201 .) *•* Hieron. Chron. (Rone. I. col. 455.) " Dio Cass. 1. c. Script. H. A. (Spartian.) Hadr. 1 9. cf. Martial.
de spectac. epigr. 2. *- A. Nibby, Roma n. a. 1834. P. II. ant. p. 725, 732.
51*
404 Die Velia und das Thal des Colosseum.
nicht, Apollodorus nahm sich viehnehr heraus, das Eine zu tadeln, das Andere zu
bewitzeln , bemerkte unter Anderem, dass leider die sitzenden Kolossal-Götterbilder zu
gross wären, um aufstehen und hinausgehen zu können und dergleichen mehr. Der
theilweise gerechte Tadel und der Spott des Baukünstlers reizte den enttäuschten Kaiser
zu dem Befehle, den Apollodor aus dem Wege zu räumen.
Da der Tempel demnach für Hadrian selbst eine Ehrensache geworden war,
so können wir wohl annehmen, dass er alle früheren Tempel wenigstens an Pracht
übertrofFen habe. In der That bestand auch die Aussenseite ganz aus prokonnesischem
Marmor, während zur Bekleidung des Innern nur die kostbarsten farbigen Marmor-
arten verwendet waren. Ob Hadrian, der diesen Bau erst in der letzten Zeit seines
Lebens unternahm, denselben noch vollendete, ist sehr zweifelhaft, und es scheinen
vielmehr Münzen des Antoninus Pius, welche das Bild eines Dekastylos mit der Um-
schrift ROiviAE AETERNAE und VENER viCTRici zeigen , ZU belegen, dass die Einweihung
erst unter dem Adoptivsöhne Hadrians stattgefunden habe. Der Venustempel wurde
später mit den silbernen Bildsäulen des M. Aurel und der Faustina und einem
Altare, auf welchem fürder jedes römische Brautpaar opfern sollte, geschmückt,^ der
Romatempel aber, wenn meine oben bei Beschreibung des Penatentempels ausge-
sprochene Vermuthung richtig ist, unter Septimius Severus mit einem den Plan der Stadt
darstellenden Pavimente. Von nun an besitzen wir über den Doppeltempel keine weite-
ren Nachrichten bis zur Regierung des Maxentius, unter welcher der Tempel (307 n. Chr.)
ein Raub der Flammen , sofort aber wieder aufgebaut , jedoch erst nach seinem Tode
unter Constantins Namen geweiht wurde. ^ Der grösste Theil der noch stehenden Tri-
bünen und Seitenmauern mit den Stuccaturen und Gebälkstücken ist von diesem Wieder-
aufbau, wie man namentlich aus dem der Basilica des Constantin gleichartigen Ziegelbau
ersieht. Doch gehörte auch nachher noch der Tempel zu den prächtigsten Gebäuden
Roms.^ In der späteren Kaiserzeit überwog der Name der Roma den ihrer Tempel-
genossin Venus und wir finden bei späteren Schriftstellern den Doppeltempel nur mehr
unter dem Namen templum Romae^ und templum Urbis. ^ Ais nach Theodosius die Gult-
stätten des Heidenthums geschlossen wurden, stand er noch lange unversehrt, bis zu
Anfang des 7. Jahrhunderts Papst Honorius I. den Anfang der Zerstörung damit machte,
dass er sein Dach mit Genehmigung des byzantinischen Kaisers Heraklius der Bronzeziegeln
berauben Hess und diese zur Bedeckung der Basilica des h. Petrus verwendete,^ von
welcher sie jedoch im J. 846 durch die Saracenen abgenommen und weggeführt
' Dio Cass. LXXI. 31. * Catalog. Imp. Vienn. (Rone. II. col. 248.) Aurel. Vict. deCaess. 4 0. ' Ammian.
Marcellin. XVI. 10. * Aurel. Vict. 1. c. Notitia. Reg. IV. ° Script. H. A. (Spartian.) Hadr. 19. Ammian. 1. c.
Cassiod. Chron. (Rone. II. col. 201.) ® .\nastas. Bibliothec. vit. Pont. Par. 1649. V. Hon. p. 46.
Das Piedestal des neronischen Kolosses. 405
wurden J Seit der Tempel die Bedachung verloren, musste er in kurzer Zeit den Ein-
flüssen der Witterung, noch mehr aber der dadurch autorisirten Plünderungssucht der
Römer erliegen. Auf der Substruction selbst erhob sich in den ersten Jahren des 8. Jahr-
hunderts unter Johann VII. eine Kirche der h. Maria, ^ um 760 unter Paul I. eine andere,
welche den Aposteln Petrus und Paulus geweiht war. ^ Beide Kirchen wurden später
vereinigt , unter dem Namen S. Maria Nova (jetzt S. Francesca Romana) neu aufgebaut
und mit einem Kloster verbunden, welches noch mit der Kirche fast die ganze nordwest-
liche Hälfte des Tempelgebietes einnimmt. Bei Anastasius (a. d. a. St.) schwanken auch
bereits die Namen templum Roma und Romuli, woraus zu entnehmen ist, dass schon
damals die ursprüngliche Bestimmung der Ruine sich in der Erinnerung verwischte. Als
der Marmor des Tempels wohl grossentheils zur Gewinnung des Kalkes, wie die im
J. 1819 bei der Treppe neben dem Titusbogen aufgegrabenen Kalkbrandstätten gezeigt
haben, erschöpft war, wendete sich die Plünderung zu dem minder kostbaren Bau-
material und bemächtigte sich der Travertin- und Peperinblöcke von der Aussenseite der
Substruction. So ward besonders im 1 5. und 1 6. Jahrhundert bis zum Kerne des Unter-
baues hineingewühlt, dessen ursprüngliche Gestalt sich dadurch allmälig in dem rings
sich anhäufenden Schutte verlor.
Im Jahre 1819 begann man die Blosslegung der Ueberreste mit der Treppe an
der Nordwestseite der Substruction. Vom November 1827 bis December 1 829 ward
unter Leitung Nibby's sowohl die Tempelruine selbst, als auch die ganze Substruction
aufgedeckt und sorgföltig untersucht. Auch die Republikmonate des Jahres 1849 thaten
das Ihrige an diesem Baudenkmale durch das Fällen des herrlichen Lorbeerbaumes am
Klostergärtchen , welcher die Mauern seit langer Zeit so freundhch beschattet hatte und
dem Maler , wie dem Alterthumsfreunde wohlbekannt und lieb gewesen war. * Der An-
blick der dürftigen Reste, besonders aber der entblössten Substruction ist jetzt kahl und
trauriger als der irgend einer anderen Ruine Roms , wie überhaupt das Biossiegen der
Ueberreste und die Entfernung der Vegetation von denselben , so förderlich es auch für
die Wissenschaft sein mag , den Reiz der Ruinen nur zu häufig zerstört , was besonders
dann zu beklagen ist, wenn die Ergebnisse zu dem Geopferten in keinem befriedigenden
Verhältnisse stehen.
78. Das Piedestal des neronischen Kolosses.
An dem östlichen Ende der eben beschriebenen Substruction und auf dem Platze
vor dem Amphitheater sieht man die kaum 1 Met. hohen Reste eines Ungeheuern quadra-
' loann. Diac. Chron. Episc. Neap. (Muratori , R. I. S. Tom. I. p. II. p. 390.) * .\nastas. Bibliothcf. Vit.
loannis VIT. p. 63. * Vit. Pauli, p. 90. * Archäologischer Anzeiger. März 1850. No. 15.
406 '^'ß Velia und das Thal des Colosseum.
tischen (die Seite zu 8 M.) Piedestals, welche bei der Blosslegung des Zwischenraumes
zwischen der Tempelsubstruction und dem Colosseum entdeckt wurden. (Vgl. den
oben beigefügten Plan des Tempels der Venus und Roma.) Der Kern derselben be-
steht aus der bei Massivbauten gewöhnlichen Gussmasse [fartura) , welche von einer
schönen Backsteinmauer umschlossen ist, die ohne Zweifel ursprünglich mit Marmor
bekleidet war.
Wie aus einer Münze des Alexander Severus^ ersichtlich ist, welche den Ko-
loss des Nero unmittelbar vor dem Amphitheater darstellt, diente diese Substruction
derselben Kolossalstatue als Piedestal. Diesem Zwecke entsprechen auch Gestalt und
Grösse vollkommen, und die classischen Angaben über die verschiedenen Schicksale
und den letzten Aufstellungsort bestätigen diese Lage. NachSueton^ errichtete Nero dieses
sein Kolossalbild im Vestibulum seines goldenen Palastes, es gleichsam zu seinem Thür-
hüter bestimmend. Das Vestibulum befand sich jedenfalls an der Velia, und vielleicht
war es dasselbe, welches Martial dichterisch die Atria Neronis^ nennt. Möglich ist
allerdings, dass der Koloss schon zu Domitians Zeit nicht mehr auf dem ursprünglichen
Platze stand, denn Dio Cassius erwähnt — jedoch ohne weitern erklärenden Zu-
satz — dass ihn Vespasian an der Sacra via aufgestellt habe. ^ Vielleicht war der
Tempel der Pax an die Stelle jenes Vestibulum getreten, was dann wohl schon unter
Vespasian eine Versetzung des Kolosses nöthig gemacht hätte. Allein wahrscheinlich
verwechselte der in dieser Sache nicht gut unterrichtete Dio hier den Vespasian mit
Hadrian, welcher — was eine sichere Thatsache ist — bei der Anlage des Tempels
der Venus und Roma das Kolossalbild wegnehmen und im Thalgrund vor dem Amphi-
theater aufstellen Hess. Die Versetzung geschah unter Leitung des Architekten Dextria-
nus (?), welcher sich dazu wohl nicht ohne die Sucht, damit das grösstmögliche Aufsehen
zu machen, der Zugkraft von 24 Elephanten bediente.^
Die Bildsäule war aus Bronze und von Zenodoros^ gefertigt; die Höhenangaben
schwanken zwischen 30 und 36 Met. (100,' 102V2,^ 107, ^ 110^« und 120^^ röm.
Fuss). Die Porträtähnlichkeit des Bildes mit Nero war nach Plinius, der selbst das
Modell unter seinen Augen entstehen sah (a. a. 0.), bewundernswerth, wonach Nero
und Titus sich von Angesicht sehr ähnlich gewesen sein müssen, da die einen den
Kopf als Porträt des Nero, die andern als den des Titus betrachteten, wie Dio Cassius
(a. a. 0.) sich ausdrückt, der übrigens die Sache kaum richtig verstanden hat, denn
nach Nero's Tode wurde das Bild zum Sonnenkoloss umgewandelt, ^ ^ was ausser der
* Eckhel, Doctr. num. vct. P. II. tom. VII. p. 271. ' Nero. 3i. * Mart. de spect. epigr. 2. v. 3.
* Dio Cass. LXVI. \ö. Hieron. Chron. (Rone. I. col. 439.) " Script. H. A. (Spartian.) Hadr. 19. Vgl. H. Brunn,
Geschichte d. griech. Künstler. Bd. II. Stuttg. 1839. S. 334. * Plin. H. N. XXXIV. 7, 18, 45. ^ Dio 1. c.
* Curios. U. R. Reg. IV. » Hieron. Chron. I. c. ** Plin. 1. c. " Sueton. 1. c. '* Plin. 1. c.
Das flavische Amphitheater (Colosseum).
407
Anbringung eines Kranzes von mehr als 6V2 Met. (22V2 röm. Fuss)' hohen Strahlen sicher
auch eine Aenderung des Kopfes zur Folge hatte. Commodus nahm das Haupt des Ko-
losses, das kaum mehr, wie Lampridius glaubt, das neronische war, ab, indem er seinen
Porträtkopf an dessen Stelle setzte , gab dem Kolosse , um ihn zum Hercules , für wel-
chen er sich selbst hielt , umzugestalten , eine Keule in die Hand und legte ihm einen
ehernen Löwen zu Füssen.^ Doch nach der Ermordung dieses wahnsinnigen Wütherichs
wurde dem Bilde wieder die vorige Gestalt gegeben. Im 6. Jahrhundert scheint die Bild-
säule nach den Ausdrücken des Hieronymus und Cassiodor noch gestanden zu haben,
fiel aber wahrscheinlich bald darauf als eine Beute der Gothen unter Totilas.
79. Das flavische Amphitheater (Colosseum).
Das Thal zwischen dem Palatinus, der Velia, den Esquilien und dem CäHus, in wel-
15 100
41. ürundriss des (lavischen Amphitheaters.
• Curios. U. R. 1. c. " Dio Cass. LXXII. 22. — Script. H. A. (I.amprid.) Commod, 17.
Hieron. Chron. Cassiodor. Chron. (Rone. I. col. 465. II. col. 205.)
408 Die Yelia und das Thal des Colosseum.
chem wir uns jetzt befinden, füllt grossentheils eines der merkwürdigsten , grossartigsten
und wohlerhaltensten Denkmäler des Alterthums, das grosse Amphitheater. Dieses ist
von elliptischer Form mit 1 83 M. im grössern und 1 56 im kleineren Durchmesser. Die
Aussenseite misst 48V2 Met. in der Höhe und besteht aus vier Geschossen. Auf einer
Substruction von zwei Stufen schlingt sich ähnlich dem beschriebenen Theater des Mar-
cellus als Erdgeschoss eine Arkadenreihe, deren Pfeiler 2,4o M. breit und 2,7o M. tief sind
mit einer Bogenweite von 4, 20 und einer Bogenhöhe von 7, 03. An diese Pfeiler lehnen
sich aussen Halbsäulen dorischer Ordnung, die Base mit Plinth 0,5o, der Schaft 7, 20 und
das Capital 0,65 Met. hoch. Ueber diesem läuft ein Gebälke, das jedoch nichts von den
dorischen Eigenthümlichkeiten an sich trägt, sondern aus ganz schmucklosem, dreifach
gestreiftem Architrav, Fries und Carnies 0,6o, 0,65, 0,8o M. hoch besteht, und sich schon
dadurch von der Aussenseite des Marcellustheaters unterscheidet , wo das von den dori-
schen Halbsäulen getragene Gebälk auch in seiner ganzen dorischen Eigenthümlichkeit
ausgebildet ist. Unter diesem Gebälke sind die Eingangsnumern für die ursprüngHch
achtzig Bogen des ganzen Umkreises noch theilweise zu lesen, die Numern erreichten je-
doch, da die vier Haupteingänge an dem grossen und kleinen Diameter, als nicht für das
Publicum bestimmt, unbezeichnet sind, nur die Zahl 76. Ueber dem Gebälke dieser
ersten Arkadenellipse läuft ein 2,05 M. hoher Gürtel (Attika) mit Vorsprüngen, die den
Halbsäulen entsprechen. Auf diesem erhebt sich das zweite Geschoss, Arkaden von der-
selben Art und Dimension, wie am ersten, doch sind die Bogen etwas niedriger
(6,45 M.) und mit einer 1 Met. hohen Geländerbrüstung versehen. Die Halbsäulen dieses
zweiten Stockwerkes sind ionischer Ordnung, die attische Base mit Plinth 0,55, der Schaft
6,75, das Capital 0,45 M. hoch. Das letztere ist durch die Art der Behandlung interessant;
in Voraussicht dessen nemlich, dass man von unten aus die ornamentalen Details nicht
mehr werde unterscheiden können, beschränkte man sich darauf, die Voluten mit Weg-
lassung der Spirallinie nur einfach anzuzeigen, wodurch sich die bei fortgesetztem Massen-
bau unvermeidliche Verflachung der Architektur , die noch am Marcellustheater in dieser
Beziehung tadellos erscheint, deutlich manifestirt. Das Gebälke , ohne den hierhergehöri-
gen Zahnschnitt und wie das erste, aus ganz schmucklosen Leisten bestehend, misst zu-
sammen 2,10 Met. in der Höhe. Auf diesem ruht wieder eine vermittelnde Attika, 1,95 M.
hoch, über welcher sich ein drittes Stockwerk erhebt mit 6,40 M. hohen Bogen. Die
Halbsäulen sind korinthischer Ordnung, die Basis (ein einfacher Wulst mit einem Plinth
0,40, der Schaft 6,35, das Capital 0,95 hoch. Wie die Spiralen der ionischen Capitäle, so
sind auch die Akanthosblätter der korinthischen hier nur angezeigt, und ohne alle Aus-
zackung nur aus dem Rohen herausgearbeitet. (Die Gestalt der drei Capitäle ist in bei-
folgender Abbildung zusammengestellt und veranschaulicht.) Das darauf ruhende Gebälke,
wie das erste und zweite ohne ornamentale Zierde, hat eine Höhe von i,90 Met. Ueber
E ■
0}
x>^
Das flavische Amphitliealer. (Colosseum.
400
diesem läuft wieder eine 2,6o Meter hohe Attika, auf welcher sich das vierte Stockwerk
erhebt, das jedoch selbst keine Bogen und nur über jedem zweiten Bogen der übrigen
-t i 1 H 1 I
3 Md.
42. Capiiale und Basen von den Halbsäiilen des Colosseum. (Nach Canina.)
Geschosse ein rechteckiges Fenster, 1,75 M. breit, 2,55 M. hoch, zeigt. Kleinere Fenster
sind abwechselnd in der Attika unterhalb angebracht , um den sonst lichtleeren oberen
Corridor zu erhellen. Statt der Halbsäulen finden sich hier schwach erhobene Pilaster
korinthischer Ordnung, die attische Base 0,55, der Schaft 6,6o, das Capital 1,io M. hoch.
Das Gebälke darüber hat eine Höhe von 2,2o, während der darauf ruhende letzte Mauer-
gürtel 1.50 M. misst. Zwischen den Pilastern, in geringer Höhe über den Fenslern
springen einfache Consolen vor, denen in dem Gebälke senkrecht oberhalb Ausschnitte
von gleichen Dimensionen entsprechen. Diese trugen die Balken [mali), welche, senkrecht
stehend, noch etwas über den ganzen Bau emporragten und dazu dienten, das ungeheure
Zeltdach [vela oder velaria) zum Schutze gegen Sonnenhitze und Regen über das Innere
des Amphitheaters zu spannen.
Diese äussere Umfassungsmauer, welche an den Pfeilern des Erdgeschosses
2,70 Met. dick ist, zeigt, sich stetig verjüngend, im vierten Stockwerke nur mehr eine
Dicke von 2,i5 Met. Jetzt ist von ihr noch fast die Hälfte erhalten, nemlich von den
achtzig Bogen noch die dreiunddreissig von dem XXHI, bis LHH. mit dem Hauptein-
gange auf der Seite gegen die Esquilien. Die übrigen siebenund vierzig (die drei anderen
nicht numerirten Haupteingänge mitgerechnet) sind vollständig verschwunden. Inner-
halb beschreiben ein zweiter und ein dritter Ring von Bogen derselben Art, jener von
dem äussersten o,8o, und der innere von dem zweiten 4,5o Met. entfernt, dieselbe
Ellipse mit entsprechend verringerten Durchmessern. Von dem zweiten Ringe fehlen
noch vierundvierzig Bogen auf derselben dem Cälius zugewendeten Seite , der dritte
ist vollständig. Diese dr,ei Ringe bilden zwei im Kreuz gewölbte Corridore {ambulacra),
die nach oben wegen der Verjüngung der Ringpfeiler an Breite zunehmen, von denen
F. RüBKK, die Ruinen Korns.
52
^IQ Die Velia und das Thal des Colosseum.
jedoch nur das erste und zweite Geschoss des äusseren und das erste des inneren ganz
frei von Stufen sind; die übrigen sind je nach dem Bedürfnisse für Treppen, Zugänge
und Substructionen theilweise geschlossen, wahrend im vierten Stockwerke die Sitz-
reihen selbst bis an die Aussenwand reichten. Die drei ersten Geschosse des äusseren
und die zwei ersten des inneren Corridors zeigen die Kranzleisten am Bogenansatz
der Aussenseite ringsum fortgesetzt ; ausseidem sieht man, entsprechend den Halbsäu-
len der Aussenseite in den beiden Corridoren des Erdgeschosses wie in dem äusseren
des zweiten Stockwerks an den Pfeilern schw^ach vorspringende dorische Pilaster mit
einem Architrav, über welchem die Gewölbebogen beginnen. Die Pfeiler des zweiten
Ringes haben selbstverständlich schon etwas geringere Breite und Dicke. An den drit-
ten Pfeilerring sich anschliessend, richten sich massive Substructionsmauern, (als Nor-
malen) senkrecht auf der Curve der Ellipse stehend, nach innen, um in drei Abschnitten,
der äussere 15, der mittlere 10, öo und der innere 2, so Met. tief, die Stütze für die
Sitzreihen zu bilden und unterhalb Raum für Treppen und Verbindungsgänge zu ge-
währen. Die elliptischen Zwischenräume zwischen diesen Abschnitten, der äussere 6,
der innere 2,4o Met. breit, waren ebenfalls zu Corridoren benutzt, von welchen aus
Treppen zu den unteren Sitzreihen führten.
Während man durch die 76 mit Zahlen bezeichneten Eingänge des Erdge-
schosses zu den in einer gewissen künstlichen Ordnung abgetheilten Treppen und
Gängen der verschiedenen Geschosse gelangte, führten die zwei Haupteingänge an den
Endpunkten des grösseren Durchmessers unmittelbar zu der Arena, und waren dem-
nach sowohl für die Züge der Gladiatoren, wie auch zur Herbeischaffung der Maschinen
und Thiere bestimmt. Die beiden anderen nicht numerirten Eingänge, welche sich an
den Endpunkten des kleineren Durchmessers befanden , hatten wahrscheinlich später
^ne ihrem Zwecke entsprechende Verkleidung erhalten, eine Art von Portal mit Säulen
von griechischem Marmor, deren Schäfte an dem erhaltenen Haupteingange auf der
Esquilinusseite noch gebrochen liegen, mit einem Gebälke von weissem Marmor, während
sonst die ganze Aussenseite von Travertin war. Hier scheinen auch die beiden um die
ganze Ellipse laufenden Stufen einen kleinen Vorsprung gebildet zu haben. Dieser
Haupteingang der Esquilinseite führt in einen von den übrigen Corridoren isolirten
Saal, dessen Wölbung noch Stuckverzierung zeigt. Von diesem führte eine besondere
Treppe zu dem unteren Theile der Sitzreihen {podium), deren Regelmässigkeit dadurch
eine Unterbrechung erlitt, die man noch an den erhaltenen Grundmauern wahrnimmt.
Hier war nemlich die Kaiserloge {pulvinar), welche von den übrigen Sitzreihen des
Podium abgesondert war, und dieselben an Höhe etwas überragte. Dieselbe Einrich-
tung, jedoch weniger erhalten, da die äusserste und die zweite Ellipse hier fehlt,
findet sich auf der gegenüberliegenden Seite (gegen den Cälius) ; die eine Loge scheint für
Das flavische Amphitheater. (Colosseum.) 411
den Kaiser und dessen Familie, die andere für den Präfecten der Stadt oder diejenige
obrigkeitliche Person bestimmt gewesen zu sein, welche die Spiele veranstaltete.
Der innere Raum ist sehr entstellt und verwüstet und zeigt nur mehr theil-
weise die Stützmauern der Sitzreihen. Letztere {gradus) sind sämmthch verschwunden:
denn die wenigen Marmorblöcke, welche noch unten um die Arena herumliegen —
allerdings sehr schatzbar zur Bestimmung der Höhe und Tiefe der Sitzstufen, sind in
Anbetracht der ungeheuren Masse der Sitzplätze keine namhaften Reste. Marmorstufen,
schon in Quaderform behauen, gewährten allerdings ein nur zu bequemes Baumaterial
für die Paläste und Kirchen der Feudalzeit ! Wie wir an den noch vorhandenen Stücken
sehen, welche die Inschriftfragmente EQVITI und ib in theatro lege pl •vm p -xi]..
zeigen, waren die unteren Rangabtheilungen den bevorrechteten Ständen namentlich
zugetheilt und besonders überschrieben. Die Abschnitte der Sitzreihen sind noch mehr
oder weniger deutlich zu erkennen , so dass sich noch mit Sicherheit fünf Rangord-
nungen imterscheiden lassen, deren Gestalt und gegenseitiges Verhältniss der beifol-
gende restaurirte Durchschnitt klar machen wird. Die unterste Rangabtheilung {podium)
hat bis zur Unkenntlichkeit gelitten, von der Mauer gegen die Arena hin sieht man
nur noch schwache Spuren. Zu diBsem Podium gelangte man durch den inneren der
unter den Sitzreihen angebrachten elliptischen Corridore iitinera) vermittelst kleiner zu
den Eingängen [vomitoria) ftihrender Treppen, welche durch den Gürtel {halleus) über
dem Podium selbst einmündeten. Ausser dem Kaiser und seiner Familie wurden die
Plätze des Podium nur von den höchsten Obrigkeiten und den vestalischen Jungfrauen
besetzt. Hierauf erhoben sich erst die eigentlichen Stufenordnungen (praecinctiones). Die
erste von diesen, welche sich auf etwa zwanzig Gradus berechnet, und an Höhe das
Erdgeschoss nach der äusseren Abtheilung um drei Meter überragte, bot den Rittern
und Magistratspersonen je nach ihrem Range Platz und war nach oben durch einen
zweiten Gürtel von der nächsten Abtheilung abgegränzt. Sowohl in diesem Balteus,
wie auch in der Präcinction selbst, die Gradus unterbrechend, befanden sich Yomito-
rien. Von derselben Beschaffenheit war die zweite Präcinction, welche, obwohl nur
etwa 1 6 Gradus hoch und das äussere zweite Stockwerk nur wenig überragend, doch
durch die wachsende Vergrösserung der Ellipse einer weit beträchtlicheren Anzahl von
Zuschauern Raum bot. Diese war für die römischen Bürger bestimmt. Ein 5 Met. hoher
Balteus, welcher auf der Esquilinseite noch grösstentheils erhalten ist, und zwischen
den Vomitorien mehre Fenster zeigt, welche sowohl zur Erhellung des innenlaufenden
Corridors, als auch, die kahle Gürtelwand unterbrechend, zur Zierde dienen sollten,
trennte die zweite Präcinction von der dritten. Die Stufen dieser aber mussten be-
trächtlich steiler als die der beiden Hauptordnungen gewesen sein und scheinen die
geringeren Stände aufgenommen zu haben, lieber diesen, deren Anzahl sich auf etwa
52*
412
Die Velia und das Thal des Colosseum.
zehn berechnet, erhob sich durch einen niedrigen, nicht durch Vomitorien unterbro-
chenen Balteus getrennt, noch eine vierte Präcinction, deren Stufen jedoch wegen der
// 20 Z5
43. Restaurirler Durchschnill des Colosseum,
'soMet:
nach aussen hin angebrachten Fenster nicht viele sein konnten. Diese waren von einer
Porticus tiberdeckt, deren korinthische Säulen auf dem letztgenannten Balteus ruhten
und deren Bedachung bis zur Gesammthöhe des Gebäudes reichte. Die Höhe dieser
letzten Präcinction ist noch zugänglich (Esquilinseite) und wurde neuerlich unter Ca-
nina's Leitung als Plattform hergestellt. Noch erkennt man den Platz , wo die Säulen
standen, und die von Bunsen nach Lucangeli angenommene Versetzung der Porticus
auf den nächstniederen Gürtel, welche überdiess die Aussicht versperrend den letzten
Rang und somit auch den grossen Umfang des Ganzen zwecklos macht, ist daher
bestimmt irrig. Von den Säulen dieser Porticus sieht man noch einige an den Seiten
Das flavische Amphilheafer. (Colosseum.) 4 1 3
der Arena liegen; die Granitschafte sind 6,62, die ganz rohgearbeiteten Marmorcapitäle
],nMei. hoch. Die von dieser Porticus bedeckte Präcinction scheint der Platz für die
Frauen gewesen zu sein; aus einer Beschreibung der oberen Räume möchte man al-
lerdings entnehmen, dass sie hier mit Leuten aus dem gemeinen Volke untermischt
sassen,'' doch ist diess jedenfalls unwahrscheinlich. Auf dem Dache dieser Porticus ope-
rirten die Leute, wahrscheinlich Matrosen {classiarii), welche mit der Ausspannung des
Zeltdaches {velariiim) betraut waren. Jedenfalls war an jedem der obenbeschriebenen
240 Masten oder Balken, welche über die äussere Umfangsmauer emporragten, wenig-
stens einer davon aufgestellt. Der Mechanismus der Ueberspannung lässt sich nicht
nachweisen; am wahrscheinlichsten bestand das Zeltdach nicht aus einem einzigen
grossen Tuche, sondern aus mehren Theilen, so dass je nach der Richtung der Son-
nenstrahlen nur ein Theil des inneren, für die Zuschauer bestimmten Raumes {cavea}
bedeckt werden konnte.
Die Arena, deren grössere Axe 77, die kleinere aber 46, 50 Met. betrug, deren
jetziger Umfang jedoch durch die Beseitigung der unteren Podiummauer beträchtlich
grösser geworden, ruht auf elliptischen Grundmauern, welche durch gerade, der
grösseren Axe parallele Mauern verbunden werden, deren Untersuchung aber gezeigt
hat, dass sie mit dem Bau des Amphitheaters nicht gleichzeitig entstanden seien, son-
dern aus einer viel späteren Zeit herrühren. Ueber den Zweck dieser Substructionen
ist man nicht einig ; die meisten glauben, sie hätten für die Spiele selbst eine gewisse
Bedeutung gehabt. Doch vermittelst dieser Souterrains ein überraschendes Maschinen-
spiel auszuführen, scheint mir zu sehr der Vorstellung von modernen Theaterapparaten
entlehnt, auch müssten dazu diese Unterbaue, die meistens nur einen schmalen Raum
darboten, am unzweckmässigsten erscheinen. Bedenkt man dagegen, dass der kolos-
sale Bau an die Stelle des neronischen Teiches (stagna Neronis) getreten war,^ dass zur
Ableitung des Wassers eine grössere Anzahl von Abzugskanälen erbaut ward, von
denen man noch bei den Nachgrabungen unterbrochene Züge gefunden, dass jedoch
in Folge mancherlei Störungen dieser Abfluss später gelitten habe, und so die Feuch-
tigkeit des Teiches in dem tiefstgelegenen Theile, nemlich in der Arena, wieder zu Tage
getreten sei, so dürfte als das Wahrscheinlichste erscheinen, dass diese Substructionen
unter der Arena aus dem Grunde erbaut worden seien, um die letztere vor Versum-
pfung zu bewahren. In der That erwähnt auch eine noch vorhandene Inschrift aus
der Zeit des Theodosius und Valentinian, die bei der Geschichte des Baues angeftlhrt
werden soll, Herstellungen dieser Arena.
Ueber die Geschichte der Spiele des Amphitheaters und de^ letzteren selbst sind
' Calpurn. Ecl. VII. v. 26 sq. * Martial. De spectac. epigr. II. v. 6.
414 Die Velia und das Thal des Colosseum.
wir ziemlich genau unterrichtet. Wie schon erwähnt, erstand fast gleichzeitig mit der
Gründung Roms, in dem Thale zwischen Palatin und Aventin, der römische Circus.
Dieser, in seiner Einrichtung dem griechischen Hippodrom analog, doch keineswegs
gleich, genügte für die damals üblichen Spiele, Rennen zu Pferd und zu Wagen. Die
Wettkämpfe des Stadion, wie dieses selbst, kamen bei den Römern erst spät in Auf-
nahme, und als die Ringspiele auch in Rom auftauchten, bestanden sie zunächst in
blutigen Kämpfen mit Waffen aller Art, welche jedoch nicht den ehrenvollen Charakter
hatten, wie die Ringkämpfe in Griechenland, und, von dem Circus ganz ausgeschlos-
sen, ursprünglich einer besonderen Localität entbehrten. Yon solchen blutigen Spielen,
den Gladiatorenkämpfen, lesen wir zum erstenmale um das Jahr 490 d. St., und diese
wurden von Marcus und Decimus Brutus zu Ehren ihres verstorbenen Vaters auf
dem Forum Boarium gegeben.'' Später finden sich die Fechterspiele, aus ähnlichen
Anlässen und meist von Privaten veranstaltet (daher munera gladiatoria), auf dem Forum
Romanum als allgemein üblich angeführt. So wird vom J. 547 d. St. erwähnt, dass bei
der Abhaltung dieser Spiele (?) zum erstenmale das Comitium bedeckt gewesen sei,^
worunter man nur eine Zeltbedeckung in der beim Theater übhchen Weise verstehen
kann,^ so wie sie auch später vorübergehend über das ganze Forum und über die Sacra
via ausgespannt wurde.^ Im J. 569 d. St., als Mänius sein am Forum Romanum liegen-
des Haus ^ an den Censor Cato zur Erbauung der ersten römischen Basilica verkaufte,^
bedang er für sich und seine Nachkommen das Recht, bei den jemaligen Fechterspielen
sich eine Schaubühne über eine der Säulen hinauslegen zu dürfen,'^ woher solche später
allgemein übliche ungeföhr unseren Balcons entsprechend, über die Säulen vorspringende
Schaubühnen den Namen »Mäniana« erhielten. ^ Die beiden letzten Nachrichten zeigen
unverkennbar, dass sich im 6. Jahrhundert d. St. die Fechterspiele am Forum Romanum
concentrirt hatten. Später wurden auch Ringspiele nach griechischer Art [athletorum cer-
tamina) gegeben, von welchen die, welche M. Fulvius Nobilior im J. 568 wahrscheinlich
im Circus gab, ausdrücklich als die ersten bezeichnet werden.^ Diese scheinen jedoch
keine besonders beifällige Anerkennung gefunden zu haben , und wurden selbst in der
Kaiserzeit, auch nachdem sich seit Domitian ein ständiges Stadium im Marsfelde befand,
mehr in den Stadien der Thermen zur Belustigung der Badenden und zur Uebung der
Jugend , denn als öffentliche Spiele veranstaltet. Mehr Eingang hatte ein drittes Spiel ge-
funden, nemlich die Thierhatze [venatio). Dieses, in Griechenland bis zur Zeit der römischen
Kaiserherrschaft völlig fremd, erscheint in Rom zuerst im J. 502 d. St., in welchem L. Cä-
cilius Metellus die in der Schlacht bei Panormus in Sicilien den Carthagern abgenommenen
' Liv. Epit. XVI. Val. Max. II. 4, 7. Augustin. civ. Dei. III. 17. * Liv. XXVII. 36. * Piale, del Foro
Romano. R. 1832. p. 15 sq. * Plin. H. N. XIX. 1, 6, 23. ^ Schol. Cruq. ad Horat. Sat. I. 3, 21. « Liv.
XXXIX. 44. ^ Pseudo-Ascon. in Cic. Divin. in Q. Caec. 16. * Vitruv. V. 1. ^ Liv. XXXIX. 22.
Das flavische Amphitheater. (Colosseum.) 415
über hundert Elephanten nach Rom brachte und wahrscheinHch im Circus tödten liess;^
sowohl um den Ruhm des Feldherrn als Ueberwinder dieser vorher von den Römern so
gefürchteten Thiere zu erhöhen, als auch um das Volk an den Anblick derselben zu ge-
wöhnen und ihm die Furcht vor ihnen zu benehmen. Die Thierhatzen im Circus kamen
von dieser Zeit an in Aufnahme ^ und eifreuten sich so der Gunst des Volkes, dass die
Festgeber in der Anzahl und Auswahl der Thiere südlicher Zonen einander überboten
und öfters mehre Hundert an einem Tage erlegt wurden, Elephanten, africanische Löwen,
Bären, Panther, Leoparden, Krokodile, Nilpferde, Giraffen u. s. w. — L. Aemilius Paullus
wusste den blutigen Reiz dieses Schauspiels noch dadurch zu erhöhen, dass er nach der
Unterjochung Macedoniens in den Siegesspielen die gefangenen UeberlSufer und Flücht-
linge im Circus den Elephanten vorwerfen liess,^ zu welcher Unmenschlichkeit Carthago
das Beispiel gegeben zu haben scheint,* wie überhaupt die Venatio africanischen Ur-
sprunges sein dürfte. Die schreckhche Execution scheint auch bei den Zuschauern An-
klang gefunden zu haben, denn Scipio Africanus der Jüngere ahmte nach der Zerstörung
von Carthago das Beispiel seines Vaters nach.^ — Eine weitere Art von römischen Spie-
len wurden grössere Gefechte, die von den Einzelkämpfen der Gladiatoren ganz verschie-
den waren. Diese wurden ebenfalls im Circus ausgeführt und zu diesem Zwecke, v/ie
auch zu den Thiergefechten in voraugustischer Zeit die Spina weggenommen.^ Das Alter
dieser Kämpfe, an welchen sich, soweit es Scheingefechte waren , bei besonderen Anläs-
sen die vornehme Jugend selbst betheiligte {Indus Troiae), ist nicht bekannt.
Da jedoch die Anlage des Circus entschieden für Rennspiele berechnet und so-
wohl die Spina als auch die überlange Form für die Fechterspiele und Thierhatzen minder
geeignet war, letztere für die Zuschauer sogar gefahrdrohend schienen,' kam endlich
G. Curio im J. 695 d. St. auf den Gedanken, für die beiden genannten Spiele ein beson-
deres, zweckmässigeres Gebäude aufzuführen und diess nach der Idee von zwei mit der
Höhlung aneinanderstossenden Theatern, also in rundlicher Form zu erbauen. ^ Diese
von Plinius (a. a. 0.) gebührend bewunderte Construction schuf die Amphitheater, welche
sich in kurzer Zeit über alle Provinzen des römischen Reiches verbreiteten. Das erste
steinerne Amphitheater errichtete dem Wunsche des Augustus gemäss im J. 724 d. St.
T. Statilius Taurus auf dem Marsfelde an einer nicht näher bestimmbaren Stelle.^
Augustus selbst beabsichtigte ein grösseres zu erbauen, ^^ seine Absicht ward jedoch erst
durch Vespasian und Titus verwirklicht: das Werk dieser, das Amphitheatrum Flavium.
steht noch vor uns in der staunenerregenden Ruine , dem gewaltigsten Ueberreste eines
römischen Unternehmens. Der Bau wurde von Vespasian nach Beendigung des Juden-
' Liv. Epit. 19. l-'lor. I. 18. (II. 2.) Plin. H. N. VIII. 6, 6, 16. * Vgl. S. 4U. Anm. 9. I.iv. XLIV. 18.
^ Liv. epit. LI. Val. Ma\. II. 7, 13 & U. * Polyb. I. 84. * Vgl. Aura. 3. « Sueton. Caes. 39. ' Plin.
H. N. VIII. 7, 7. 21. « id. XXXVI. 15, 24, 117. *•• Dio Cass. LL 23. *• Sueton. Vesp. 9.
4 1 () Die Velia und das Thal des Colosseuni.
krieges begonnen,^ und dafür das Thal gewählt, in welchem sich vorher, wie schon er-
wähnt wurde, der zu dem goldenen Palaste des Nero gehörige Teich ausbreitete. Titus
weihte ihn noch unvollendet im J. 80 n. Chr., nicht lange vor seinem Tode.^ Aus der
Construction des Gebäudes geht aber hervor, dass die Aussenbauten den inneren der
Cavea immer etwas voranschreiten müssen , und desshalb können Münzen des Titus von
dessen YIII. Consulatsjahr = 80 n. Chr. bereits die ganze Aussenseite so vollendet zei-
gen, wie wir sie auch auf Münzen der Gordiane wieder finden , während doch ausdrück-
lich berichtet wird, dass Vespasian den Bau bis zu den ersten drei Stufenabtheilungen
(das Podium offenbar mitgerechnet) fortführte, Titus die nächsten zwei Präcinctionen hin-
zufügte, während erst Domitian den Bau bis zu den Schilden {iisque ad clypea) vollen-
dete,^ welche Schilde wahrscheinlich unter dem letzten Kranzleisten angebracht waren.
In dem ungeheuren Prachtbaue, welcher bald Circus und Theater an Anziehungs-
kraft übertraf, mussten auch die für denselben gehörenden Spiele, welche bisher nur in
unregelmässigen Zeitabschnitten und zumeist auf Kosten von Privatmännern veranstaltet
wurden, nunmehr als Staatsspiele eine ständige Gestalt bekommen , und eine grosse An-
zahl von Leuten in ganz zunftmässiger Organisation dauernd beschäftigen. In allen Thei-
len des Reiches, namentlich aber in Africa sammelten besoldete Thierfänger (venalores)
die verschiedensten Thiere, welche wieder von besonderen Bediensteten (mansiieiores)
transportirt und in Rom, wie in allen bedeutenderen Städten, die sich nach dem Vorbilde
der Hauptstadt ein Amphitheater gebaut hatten, in weitläufigen Geföngnissen {vivaria oder
in scherzhaftem Euphemismus nach den Hasengehegen der Villen leporaria genannt)*
aufbewahrt wurden, um von hier aus unmittelbar vor den Spielen in besonderen Käfigen
in die Arena abgeführt zu werden. Zu Rom befand sich das Vivarium bei der Porta Prae-
nestina an der aurelianischen Mauer.^ Die Thierspiele waren verschiedener Art; nicht
immer blutig, manchmal wurden harmlose Scenen zwischen gezähmten Thieren und sol-
chen, welche wie Hirsche und Hasen von Natur friedlichen Charakters sind, dargestellt,
doch waren diese seltener : öfters wurden reissende Thiere gegen einander gehetzt , oft
von Menschen [hestiarii) ^ angegriffen und erlegt, beides im Einzelkampfe oder in Rotten.
Oft auch verbluteten in dem Amphitheater Verurtheilte , namentlich Christen , wovon die
Acta Martyrum leider nur zu viele Beispiele geben, in den Zeiten ihrer Verfolgung wehr-
los den w^uthgereizten Thieren gegenübergestellt. — Noch systematischer hatten sich
die Spiele der Gladiatoren ausgebildet. Die Fechter bildeten zahlreiche, eidlich'^ einem
Herrn, zumeist dem Kaiser verpflichtete Schaaren {familiae) und hatten ihre besonderen
Quartiere [ludi), von denen durch die Notitia*^ und die capitolinischen Planfragmente
* Sueton. Vespas. 9. * Sueton. Tit. 7. Cassiod. Chron. (Rone. II. col. 4 96.) * Catalog. Imp. Vienn.
(Rone. II. col. 243.) * Gell. N. A. II. 20. ^ Procop. b. Goth. I. 22. ^ Cic. p. Sext. 64. ad Q. Fr. H. 6.
' Petron. Satiricon fgm. H7. » Curios. U. R. Reg. II. III.
Das flavische Amphitheater. (Colosseum.) 417
mehre bekannt sind, wie der ludus Matutinus, Magnus, Mamertinus, Galliens und Dacicus,
alle innerhalb der zweiten und dritten Region, mithin in der Nähe des Amphitheaters.
Hier lebten sie in militärischer Verfassung unter einem Oberhaupte [curator) und wurden
von älteren Meistern [lanistae) eingeübt. Die Fechter selbst unterschieden sich je nach
den Kampfarten , denen sie sich zugewandt. Die Kämpfer zu Wagen [essedarii) waren
gefangene GaUier oder Dritten , welche nach Landessitte von einem nationalen Wagen
(essedum) herab kämpften.'' Die Kämpfer zu Pferde hiessen equites, wenn sie nach Ritter-
art bewaffnet waren 2; wahrscheinlich waren auch die laqueatores, welche eine Schlinge,^
die dimachaeri, die zwei Schwerter trugen,* und die andahatae, deren bei verbundenen
Augen ausgeführter Kampf mehr auf eine komische Wirkung berechnet schien,^ beritten.
Am zahlreichsten und beliebtesten waren die Fechter zu Fuss : diese theilten sich nach
Bewaffnung in hoplomachi,^ Samnites'^ und cruppellarii,^ welche alle bis an die Zähne be-
bewaffnet waren, aber durch die national-griechische, samnitische und keltische Bewaff-
nungsart sich unterschieden, und in Leichtbewaffnete, welche zum Kampfe herausforder-
ten [veliles oder provocatores),^ wozu auch die Thraces, die fast nackt und nur mit einem
kleinen halbcylinderförmigen Schilde (parma thracidica) und einem krummen Messer be-
waffnet waren, ^0 ^[q meridiani,^ ^ welche, um die Mittagszeit auszufüllen, wahrscheinlich
nur einen Scheinkampf mit stumpfen Waffen ausführten, und die mirmillones,^^ welche
wahrscheinlich gallischer Herkunft sind, deren Namen jedoch nicht näher erklärt werden
kann, zu rechnen sind. Eine besondere, sehr beliebte und desshalb sehr zahlreiche Classe
bildeten noch die retiarii und die secutores,^^ von welchen die ersteren nur mit einem
Wurfnetz {iacidum) und einer dreizackigen Gabel [fiiscina) ausgerüstet waren und mit
dem ersteren ihren mit Schild, Schwert und Harnisch bewaflheten Verfolger durch einen
geschickten Wurf zu umstricken suchten. Gelang diess , so war ihre ungeschickte Waffe,
die fiiscina, ausreichend für den Todesstoss, ging aber der Netzwurf fehl , so musste der
retiariiis fliehend eine neue Gelegenheit, sein iaculnm zu schleudern, erspähen. Alle diese
im Einzelkampfe auftretenden Gladiatoren hiessen die ordinarii , im Gegensatze zu den
catervarii,^ '^ welche truppweise im Massenkampfe sich begegnend der speciellen Schule
nicht bedurften. — Obwohl in dem geordneten Zustande der Zunftverfassung der Gla-
diatoren und ihrer Ueberwachung eine staatsgefährliche Meuterei, wie die unter Spartacus
zu Capua, nicht mehr stattfinden konnte, so ist doch sicher, dass die grosse und mäch-
tige Anzahl der Fechter namentlich in der Kaiserzeit manchmal von gewichtigem Einflüsse
• Sueton. Cal. 35. Claud. 21. * OrelM, Inscr. n". 2569. 2577. ^ Isid. Orig. XVIII. 56. * Orelli,
n». 2584. ' Cic. fam. VII. 10. Hieron. adv. lov. I. 36. * Suet. Cal. I. c. Mart. VIII. 74. ' Cic. Sext. 64.
" Tacit. .4nii. III. 43. » Cic. 1. c. Oreiii, n». 2566. '» Senec. Q. N. IV. 1 . " Suet. Claud. 34. Senec.
ep. 7 & 95. Orelli, n". 2587. '* Cic. Phil. VI. 5. Suet. Domit. 10. luven. VIII. v. 200. '» Sueton. Cal. 30.
luven. 1. c. sq. Dio Cass. (Xiphilin.) LXXII. 19. Fest. s. v. retiarius. '* Sueton. Aug. 45.
I'. Rebeu, die lluinen lloms. 53
4^3 Die Velia und das Thal des Colosseum.
war. Die catervarii , deren oft eine grosse Anzahl gleichzeitig auftrat , gehörten jedoch
gemeiniglich der Kaste der Gladiatoren gar nicht an ; diese Truppen wurden gewöhnlich
aus Gefangenen constituirt, oft wurden auch Sclaven von ihren Herren zur Betheiligung
daran gezwungen. Solche Gefechte waren meistens zu Fuss , seltener zu Pferde ; See-
kämpfe, welche im Allgemeinen nicht hierher gehören , doch durch mehre Zuflusskanale,
welche man aufgefunden hat, auch im Amphitheater bewerkstelligt werden konnten, in
der an sich sumpfigen Lage desselben aber nicht ohne Nachtheil für das Gebäude sein
konnten, scheinen nach den von Domitian veranstalteten Spielen * nicht mehr im Amphi-
theater stattgefunden zu haben.
Alles, was sich von dem Gebäude bis jetzt erhalten , ist fast durchaus von seiner
ursprüngHchen Anlage. Des Antoninus Pius Herstellungen ^ waren nicht von grossem
Belange. Von grösserem Interesse ist uns die Anlage des unterirdischen Weges vom
Cähus nach dem kaiserhchen Suggestum am Podium und unmittelbar nach der Arena,
den Commodus, der leidenschaftliche Liebhaber der amphitheatralischen Spiele, an denen
er sich selbst und zwar mit rühmenswerther Geschicklichkeit zu betheiligen pflegte,^ er-
baute, und in welchem er selbst einem mörderischen Angriffe nur mit Mühe entging.*
Dieser unterirdische Gang ward bei den Ausgrabungen zu Anfang dieses Jahrhunderts
entdeckt und ist von der Arena aus zugänglich. Doch von den schönen Stuckreliefs, die
Thorwaldsen noch ziemlich unversehrt sah und copirte, ist nur mehr ein geringer Theil
sichtbar. Die auf dem Grunde stagnirende Wassermasse , die sich oft bis zur Unzugäng-
Hchkeit des Cofridors steigert, wird wohl in wenigen Jahren durch die sich an den Wän-
den hinaufziehende Feuchtigkeit und deren Sohn, den stets mehr um sich greifenden
Moosfilz, auch den letzten Rest vertilgen. — Nach Antoninus Pius machten sich beson-
ders Elagabalus ^ und Alexander Severus ^ nach einem bedeutenden durch einen Blitz-
strahl veranlassten Brande im Innern des Gebäudes unter Macrinus '^ um die Herstellung
desselben verdient. In dem furchtbaren Erdbeben des Jahres 442 n. Chr., welches eine
grosse Anzahl römischer Bauten sehr beschädigte,^ scheint auch der innere Theil des
Amphitheaters gelitten zu haben. Diess bezeugt die Inschrift der sogleich darauf erfolg-
ten Restauration, welche im J. 1814 gefunden ward und in der Arena neben dem süd-
östhchen Ausgange zur Rechten aufgestellt wurde. Sie lautet nach Fea's auch auf den
Stein selbst übertragener Ergänzung : ^
SALVdS DD) NN THEODOSIO ET PLACIDO V(ALENTINIANO AVGG)
RVFVS CAECINA FELIX LAMPADIVS VC ET (INL PRAEF VRBI)
' HARENAIVI AIVIPHITEATRI A NOVO VNO CVm PO(DIO ET PORTIS)
OSTICIS SED ET REPARATIS SPECTACVLI GRADIBVS (RESTITVIT)
* Sueton. Domit. 4. * Script. H. A. (Capitolin.) Antonin. P. 8. ^ Dio Cass. LXXII. 17 sq. Herodian.
I. 15 sq. Script. H. A. (Lamprid.) Commod. 11. * Dio Cass. LXXII. 4. * Script. H. A. (Lamprid.) Helio-
gab. 17. 8 id. Alex. Sev. 24. ' Dio Cass. (Xiphilin.) LXXVIII. 25. * Paul. Diac. de gest. Long. IV. 47.
' C. Fea, Notizie degli Scavi nell' Anfiteatro Flavio e nel Foro Traiano. Roma 1813. p. 5.
Das flavische Amphitheater. (Colösseum.) 419
Der Präfect Lampadius wird zwar sonst nirgends erwähnt , doch finden sich unter der
Regierung des Theodosius II. und Valentinian III. (von 425—450 n. Chr.) in der Reihe
der Präfecten grössere Lücken, besonders 427 — 433, 433—439 und 446 — 449,^ welche
für die Präfectur des Lampadius Raum geben. Schon einige Jahre vorher aber (1810)
hatte man zwei andere mit Inschriften versehene Cippen ausgegraben und in der Arena
zu beiden Seiten des nordwestlichen Einganges aufgestellt. Beide Inschriften sind des-
selben Inhalts, jedoch die Schrift auf dem Steine zur Rechten für den Eintretenden besser
erhalten. Bei der gegenüberliegenden wurde dafür die Kehrseite eines schon mit einer
nicht hierhergehörigen Inschrift des Carinus beschriebenen Cippus benutzt, wie diess in
der materialarmen späteren Zeit häufig geschah. Die Restaurationsinschrift aber lautet:
DECIVS IVIARIVS VENANTIVS
BASILIVS VC ET TlSIL PRAEF
VRB PATRICIVS CONSVL
ORDINARIVS ARENAIVl ET
PODIVIVl QVAE ABOIVII
NANDI TERRAE MO
TVS RVINA PROS
TRAVIT SVMPTV PRO
PRIO RESTITVIT
Decius Marius Venantius Basilius findet sich in den Fasten als Consul des Jahres 380
n. Chr. verzeichnet, aus welcher Zeit ungefähr auch diese Inschrift stammt. Sie beurkun-
det eine abermalige Herstellung der Arena und des Podium nach einem Erdbeben. Die
Inschrift bietet zugleich ein Beispiel der Verderbtheit der Marmorschrift am Anfange des
6. Jahrhunderts und der Geringschätzung, mit welcher man solche monumentale Zeugen
behandelte. Die blutigen Gladiatorenspiele hatten indess längst , doch nicht unmittelbar
mit der Einführung des Christenthums als Staatsreligion, ihr Ende gefunden. Das von
Constantin im J. 325 n. Chr. erlassene Verbot^ blieb im Abendlande fast unbeachtet;
ebenso das zweite des Constantius und lulianus im J. 357 und das dritte des Arcadius
und Honorius im J. 397. — Da reiste etwa fünf bis sechs Jahre darauf ein Mönch, Na-
mens Telemachos, von Syrien nach Rom und stürzte sich von glühendem Eifer für die
durch das blutige Spiel vor seinen Augen geschändete Religion beseelt, in die Arena, die
Kämpfenden mit Gewalt zu trennen. Die in ihrem Vergnügen gestörten Zuschauer ge-
riethen über diesen kühnen Eingriff des Mönches so in Wuth , dass sie von allen Seiten
Steine auf ihn schleuderten. Telemachos fiel und ward den heiligen Märtyrern beigezählt;
in Folge dieses Auftrittes jedoch wurden die Fechterspiele factisch und für immer abge-
schafft. Die Thiergefechte dauerten jedoch noch fort, und überlebten selbst den Fall des
* Gorsini, Series Praefectorum Urbis. Pis. 1766. p. 34 5 sq. * Cod. Theodos. Hb. XV. tit. XII. I. 1.
53*
420 Die Velia und das Thal des Colosseum.
abendlandischen Kaiserthums, wenn auch die Pracht bei der Feier derselben sich allmä-
lig verringerte.
Im achten Jahrhundert erscheint zum erstenmale der jetzt herrschende Name
Coliseus^ (Colosseum, Coliseo), welcher jedoch kaum, wie gewöhnlich angenommen wird,
aus dem schon längere Zeit beseitigten Koloss des Nero, entstanden ist , sondern wohl in
den riesigen Dimensionen des Gebäudes selbst seinen Grund hat. Vom 11. — 13. Jahr-
hundert finden wir es bereits als Zwingburg und in der Gewalt der Frangipani, welchen
es zwar im J. 1130 gelang, eine wüthende Belagerung durch den jüngeren Pierleone
zurückzuschlagen, die aber doch 12 Jahre darauf dem römischen Volke ihre Besitzungen
räumen mussten ; ^ bald darauf kehrte indess diese mächtige Familie wieder in den Be-
sitz des Colosseum zurück.^ Zu Anfang des 1 3. Jahrhunderts gelang es den Annibaldi
mit Hülfe des Kaisers Friedrich IL, dem sie sich gegen P. Innocenz IV. angeschlossen
hatten, die Frangipani zu zwingen, ihnen erst die Hälfte, und später, nach mancherlei
Zwischenföllen, das ganze Colosseum zu überlassen. Kaiser Heinrich VII. nahm diesen
im J. 1312 das Colosseum mit ihren übrigen Burgen wieder ab,'* seit welcher Zeit es den
Charakter einer Zwingburg für immer verlor. Bei der Anwesenheit des Kaisers Ludwig
des Bayers zu Rom wurde daselbst ein grosses Stiergefecht veranstaltet und von den
Vornehmen der Stadt eine grosse Anzahl Thiere erlegt : ein fränkisch-spanisches Ritter-
spiel, ohne Zweifel ein Ueberrest der amphitheatralischen Thiergefechte , auf den classi-
schen Ursprungsort zurückverpflanzt! Es hat sich eine ausführliche Beschreibung dieses
Stiergefechtes erhalten, in welchem sich die prahlerischen Devisen der Kämpen mit ängst-
licher Vollzähligkeit aufgeführt finden.^ Die marmornen Sitzreihen waren bereits ver-
schwunden ; für die Damen hatte man hölzerne Schaugerüste aufgeschlagen und diese
mit rothen Tüchern ausgelegt.
Seit diesem Ritterspiele wird das Colosseum weder als Burg noch als Arena mehr
erwähmt. Es war die Zeit gekommen, in welcher man, nachdem der Marmor der Sitz-
reihen erschöpft war, auch zu den Travertinblöcken der Umfangsmauer griff. Ein gewal-
tiger Steinbruch! Die Ausbeutung war bequem, man fand die Blöcke schon wohl be-
hauen und ohne Schwierigkeit erhoben sich aus ihnen die Paläste des modernen Rom.
Zu Ende des 1 4. Jahrhunderts war die Aussenseite gegen den Cälius hin schon gefallen,
wie man aus den Wappen von 1381 ersieht, welche auf den Bruch eines eingestürzten
Bogens des Erdgeschosses gemalt sind. Ein Theil des Gebäudes war ftir ein Hospital
eingerichtet, als Zweig des Ospedale Lateranense, wie aus den Urkunden dieses hervor-
* Beda, Collectanea Col. 1612. Tom. III. p. 483. Ganz erstaunlicher Unsinn darüber findet sich in hand-
schriftUchen Mirabiiien. So Cod. Mon. 516. fol. 200 sq. * Gort, De Senatu Romano, üb. VIII. c. 1. §. 168.
* C. de Aragonia, Vit. Alexandri III. (Muratori, R. I. S. Tom. III. P. I. col. 459.) * Alb. Mussati, De gest. Hen-
rici VII. (Muratori, R. I. S. Tom. X. col. 454.) * Monaldesco, Fgm. Ann. Rom. (Muratori, R. I. S. Tom. XII.
col. 535 sq.)
Das flavische Amphitheater. (Colosseum.) 421
geht. Gegen die Mitte des 1 5. Jahrhunderts wird das Colosseum » ob slultitiam Romano-
runn( grösstentheils abgetragen genannt.^ Bald darauf suchte das Kloster di S. Maria
Nova (jetzt S. Francesca Romana) die Riesenruine zu seinem Garten zu ziehen und
schloss es, von P. Eugen IV. dazu veranlasst und ermächtigt, mit einer Mauer ein: doch
das Volk erhob sich gegen die Besitzergreifung und riss die neugebaute Mauer nieder.^
Die angegriffene Aussenseite des Gebäudes musste sich nun von selbst allmälig auflösen
und die Bausteine, von der Höhe herabstürzend, sammelten sich in bedeutender Anzahl
am Fusse des Cälius. Mit diesen erbaute Papst Paul II, am Ende des 1 5. Jahrhunderts
den Palazzo di S. Marco (jetzt di Venezia). Gleichzeitig erhob sich der Palast der Can-
celleria und am Anfange des nächsten Jahrhunderts der Palazzo Farnese aus dem Mate-
rial des Colosseum. Vom Anfang des 1 6. Jahrhunderts an ward die Arena zu drama-
tischen Darstellungen der Leidensgeschichte des Herrn benutzt, aus welcher Periode
noch ein Gemälde übrig ist, das sich an dem westlichen Eingange, innerhalb des zweiten
Corridors über dem Bogen befindet, nemlich eine auf den Leidensweg bezügliche Plan-
abbildung von Jerusalem. Der Aberglaube dieser Zeit füllte die dunklen Hallen mit
nächtlichen Gespenstern , die wahrscheinlich mit dem Raubgesindel , welches hier sein
Quartier aufgeschlagen hatte und die Gegend ringsum beunruhigte, im engsten Zusam-
menhange standen. Um diesem Unwesen zu steuern, liess Clemens IX. am Anfange des
18. Jahrhunderts die Hallen des Erdgeschosses, die zu den trefflichsten Schlupfwinkeln
gedient hatten, vermauern und füllte sie dann mit Dünger, um Salpeter für seine nahe
Pulvermühle zu gewinnen, welchem Zwecke sie bis zum Jahre 181 I dienten. In der
Mitte des vorigen Jahrhunderts weihte Papst Benedict XIV. die Arena zu Ehren der
h. Märtyrer, die dort ihr Blut vergossen, zum Kreuzwege. Diese Bestimmung hat die
Arena noch : ringsum stehen die vierzehn Stationen des Leidensweges und in der Mitte
erhebt sich ein einfaches hölzernes Kreuz ; an der Nordseite aber befindet sich eine Kan-
zel für die Freitagsvorträge der Ordensbrüder des h. Franciscus.
Als im J. 1805 ein grosser Theil der Aussenmauer an der Ostseite mit Einsturz
drohte, liess Pius VJI. den gewaltigen Strebepfeiler daselbst errichten, von welchem, ob-
wohl er wegen der drängenden Gefahr nicht die gekrümmte Gestalt der Mauer selbst
erhalten hat, doch sowohl der herrliche Backsteinbau als auch das kühne Unternehmen,
den — wie man noch sieht — bereits höchst bedenklich aus den Fugen gewichenen
Bogen entgegenzuarbeiten, gleiche Bewunderung verdient. Die Arbeit geschah unter der
Leitung des verdienten Archäologen C. Fea. Hierauf begann man im J. 1811 die Bloss-
legung des antiken Bodens ; die von Clemens XI. angeordnete Vermauerung ward wie-
' Poggü Florent. de fortunae varietate Urbis Romae &c. Opp. Basil. s. a. p. 137. * Flam. Vacca,
Mem. 72. (Fea, Misceü. I. p. LXXXIV.)
422 '^•® Velia und das Thal des Colosseum.
der beseitigt und nach dreijähriger Arbeit, bei welcher fast durchgängig 500 Personen
beschäftigt waren, der Grundplan so vollständig hergestellt, wie wir ihn jetzt sehen. Im
Jahre 1813 stiess man auf die unterirdischen Kanäle und deckte auch die Untermauerung
der Arena, über deren wahrscheinlichste Bedeutung schon oben gesprochen wurde,
grösstentheils auf. Jetzt sind alle hohlen Räume dieser Hypogäen mit Wasser angefüllt,
welches, wenn auch die Oberfläche hin und wieder einigen Wechsel zeigt, doch in den
meisten mehr abgeschlossenen Räumen nahezu stagnirt. Man hat zwar allgemein einge-
sehen, dass diese Versumpfung von fieberhauchendem Einflüsse auf die Umgebung sein
müsse: doch scheint die von C. Fea^ vorgeschlagene Abhülfe, die Zuflüsse zu verstopfen
und die Räume auszupumpen, zwar theilweise, doch nie vollkommen ausführbar. Denn
bei der Schwierigkeit, die Fäden der Kanalisirung wieder vollkommen ausfindig zu
machen, dürfte auch die in der angegebenen Schrift (p. 11) brieflich versicherte Ent-
deckung eines Zuflusses noch nicht genügen. Der Vorschlag , den nach dem Tiber füh-
renden Abfluss, der in beträchtlicher Tiefe liegen muss, wieder herzustellen , wäre mit
riesigen Kosten verbunden, und mit Pumpen könnte nach vieler Arbeit nur eine theil-
weise Trockenlegung und diese nur für einige Zeit erzielt werden. Als das Einfachste
und Zweckmässigste dürfte es vielleicht erscheinen, die Hypogäen gänzhch auszufüllen,
und so das Wasser an einer anderen Stelle an die Oberfläche zu treiben , wo jedenfalls
leichter ein Abfluss ermittelt werden könnte. — Im Jahre 1815, nach vollständiger Bloss-
legung, schritt man zur Restauration des Gebäudes selbst. Darin ist seit dieser Zeit bis
zum Jahre 1850 mit Aufwand von ungeheuren Kosten vielleicht zu viel geschehen. ^
Es ist jedoch schwer, eine sichere Gränze zu ziehen , worauf sich die Herstellung eines
antiken Gebäudes zu beschränken habe. Im Allgemeinen aber sollte man sich an den
Grundsatz halten, dass so viel — aber auch nicht mehr — geschehen solle , als zur Be-
wahrung vor weiterem Einsturz nöthig ist.
80. Die Meta Sudans.
Kehrt man vom Amphitheater wieder zurück gegen die Velia, so erblickt man zur
Linken von der Substruction des Tempels der Venus und Roma und der Sacra via, dem
Piedestal des neronischen Kolosses gegenüber, einen Backsteinkegel von der Form einer
Meta, 5 Met. im unteren Durchmesser und 9 M. in der Höhe messend. Die Seite gegen
das Colosseum hin ist sehr beschädigt und zeigt in der Mitte nach der Richtung der Axe
des Kegels eine cylindrische Höhlung ; die Aussenseite ist dreimal abgestuft , was wohl
an der ehemaligen Bekleidung von Marmor oder vielleicht vergoldeter Bronze noch mehr
' Nuove Osservazioni dell' avvocato D. Carlo Fea intorno all' arena dell' Anfiteatro Flavio, coli' acqua,
che ora la ricopra. Roma 1814. p. 4. * Archäologischer Anzeiger, März 1850. Jahrg. VIII. N". 15.
Die Meta Sudans. Der Triumphbogen des Constantin. 42l3
hervortrat. Ringsum zeigen sich die Spuren eines kreisförmigen Bassins, von 21 M. in-
nerem Durchmesser, dessen niedrige Brüstung jedoch, zwar auf antiker Grundlage ruhend,
im Uebrigen modern ist. Die Backsteine des Kegels sind den übrigen Bauten der Flavier
homogen, die Ueberreste der Brüstung jedoch erwiesen sich als constantinisch.
Ueber die Bedeutung dieser Ruine kann kein Zweifel sein , denn ein theilweise
zerstörter Zuflusskanal, der von der Seite des Esquilinus her in den Kegel ausmündend
entdeckt ward, erhebt es zur Gewissheit, dass wir hier eine Fontäne vor uns haben, was
übrigens schon aus der cylindrischen Höhlung in der Axe des Kegels und von dem
ringsum befindlichen Becken abgenommen werden konnte. Die Metagestalt des Kegels
musste auch daraufhinweisen, in der Ruine die Meta Sudans zu erkennen, welche von
der Notitia neben dem neronischen Kolosse an der südlichen Gränze der vierten Region
angegeben wird.^ Der Name erklärt sich durch das Schäumen des von den drei Abstu-
fungen im Herabfallen dreifach abgestossenen Wassers. Dieser Brunnen ist auch auf den
Münzen des Alexander Severus,^ auf welchen das Amphitheater dargestellt ist, zu sehen,
doch lässt sich natürlich aus den undeutlichen Umrissen der Münzen nicht auf die Be-
schaffenheit desselben schliessen. Auf den zahlreichen Münzen des Titus, welche das
Amphitheater zeigen,^ findet sich jedoch die Meta Sudans noch nicht dargestellt, wodurch
sich die Angabe der Chronisten* zu bestätigen scheint, dass sie erst unter Domitian und
zwar im J. 95 n. Chr. erbaut worden sei. Allein eine andere Erwähnung der Meta Sudans
findet sich schon bei Seneca,^ der sich über den Lärmen beklagt, welchen ein Trompe-
tenbläser bei diesem Brunnen zu verursachen pflege , wonach dieser sich schon in den
Anlagen Neros befunden haben muss und von Domitian nur wiederhergestellt worden
sein kann. An die Klage des Philosophen aber wird sich noch heute derjenige lebhaft
erinnert fühlen, welcher in den Morgenstunden das Colosseum besucht. Denn Seneca's
Tubicen scheint sich hier vervielfältigt zu haben, da der öffentliche Garten südlich vom
Colosseum ganz besonders zur Uebung der militärischen Signale mit Trompete und
Trommel ausersehen worden ist.
81. Der Triumphbogen des Constantin.
Wendet man sich von der Meta Sudans südlich, so steht man vor dem besterhal-
tenen und zugleich schönsten Triumphbogen Roms und Italiens. Dieser hat eine Höhe
von 21, eine Breite von 25,7o und eine Tiefe von 7,4o Met. und bildet drei Durchgänge,
' Curiosum U. R. Reg. IV. * Eckhel, Doctr. Num. vet. P. II. Vol. VII. p. 270 sq. » id. P. II.
Vol. VI. p. 357 sq. * Cassiod. Chron. Catal. Imp. Vienn. (Rone. II. col. <97 & 243.) ' Senec. cp. 56.
424
Die Velia und das Thal des Colosseum.
von welchen der mittlere in der Breite und Höhe 6,58 und 11, so und jeder der beiden
äusseren 3,36 und 7,4o Met. misst. Die beiden Fronteseiten sind durch je vier Säulen, die
sich auf vorspringenden 3,65 M. hohen, 1,8o breiten und ebenso tiefen Piedestalen erhe-
ben, gegliedert. Die drei Seiten der letzteren sind mit Reliefs geschmückt, Victorien mit
Gefangenen zu deren Füssen an der Stirnseite, wovon die
angefügte Abbildung ein Beispiel gibt, und gefesselt aufge-
führte Barbaren an den beiden anderen Seiten darstellend,
welche dem Beschauer ein recht deutliches Bild von dem
Kunstverfall im Anfange des vierten Jahrhunderts gewähren.
Die Formen sind ungeschmeidig , die Contouren tief geschnit-
ten und ohne Uebergänge, die Gewandfalten rinnenförmig
nebeneinander, kurz die ganze Arbeit roh und kantig. Von
den Säulen ist der doppelte Plinth 0,36, die attische Base
0,34 M. hoch. Die Schäfte von numidischem Marmor (giallo),
der untere Theil in umgekehrten Canelluren (in Rundstäben)
gearbeitet, die oberen zwei Dritttheile in den gewöhn-
lichen Hohlkehlen vertieft, sind 7, 20 M. hoch mit 0,56 im un-
teren, 0,79 im oberen Durchmesser. Die korinthischen Capi-
täle messen 0,96 M. in der Höhe. Von den acht Säulen ist die
äusserste der Meta Sudans gegenüberstehende in ihrem un-
teren Dritttheile moderne Ergänzung und von weissem Mar-
mor. Den Säulen entsprechend sind Pilaster derselben Art an die Pfeiler angelehnt. Die
Bogenschlüssel des mittleren Durchganges zeigen eine sitzende Roma , die Bogenwinkel
desselben sind mit überaus schlecht gearbeiteten Victorien mit dacischen Trophäen, unter
welchen sich vier Genien mit den Attributen der vier Jahreszeiten von derselben Arbeit
befinden, ausgefüllt. Unter diesen, an dem Pfeiler selbst, der sich durch einen reichen
Carnies von dem Bogenansatz absondert , sieht man die Nietlöcher einer Bronzeverzie-
rung, welche, nach der Anordnung der Löcher zu schliessen, wahrscheinlich die gewöhn-
liche, nemlich von römischen Feldzeichen war. Im Innern des Durchganges befinden sich
zu beiden Seiten zwei 1,90 M. hohe, 3 M. lange Reliefs von vorzüglicher Arbeit. Sie sind
unverkennbar aus einer ganz anderen Epoche als das Denkmal selbst und vielmehr dem
Styl der traianischen Zeit entsprechend, auf welche auch die Bekleidung der Soldaten,
die zu Constantins Zeit sich schon ganz verändert hatte, hinweist. Von derselben Art
und Kunstepoche ist ausser diesen beiden noch eine grössere Anzahl von Reliefs an die-
sem Bogen, die ich der örtlichen Reihenfolge nach sogleich erörtern werde und welche
ihren traianischen Ursprung noch deutlicher zeigen. Was aber die beiden Reliefs im Mit-
telbogen betrifft, so ist aus den Enden leicht ersichtlich , dass sie nicht ursprünglich von
44. Piedestalrelief <\es Constanlin-
bogens. (F. R.)
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Der Triumphbogen des Constantin. ^r^ 425
derselben Gestalt waren. Doch hat erst Rossini * erkannt und nachgewiesen, dass beide
zugleich mit den zwei grossen Reliefs , welche oben an den beiden schmalen Seiten der
Attika angebracht sind , ursprünglich zu Einem langen Relief gehörten , und sie in ent-
sprechender Zusammensetzung abgebildet. Dasjenige der vier Stücke , welches sich im
Mittelbogen auf der Colosseumseite befindet, erscheint nach dieser Anordnung als das
erste. Der Kaiser im Kriegsgewande , unbärtig und den sonstigen Abbildungen Traians
ähnlich, wird als Sieger in die Stadt eingeführt. Roma mit Speer und Schwert geht
voran, eine leicht vom Boden aufschwebende Victoria krönt den Kaiser mit einem Kranze.
Hinter dem letzteren geht ein Lictor mit zierlichem Stabbündel und Beile , ein unmänn-
licher Jüngling, welcher zeigt, wie sich die in der Republik so schrecklichen Lictoren in
der Kaiserzeit in liebliche Pagen verwandelten. Neben dieser Gruppe sieht man das
Schlachtgewühl: Römer zu Pferde, im Vernichtungskampfe mit überwundenen Barbaren
mit langen Barten, Beinkleidern, Aermeltuniken und dacischen Mützen dargestellt. Die
Fortsetzung dieses Kampfes befindet sich auf der dem Cälius zugewendeten Seite und
der Schluss auf dem Relief im Mittelbogen an der Palatinseite , wo der Kaiser zu Pferde
auf einen zu Boden stürzenden Barbaren eine Lanze schleudernd erscheint. Auf dem
vierten Theile des Reliefs an der dem Palatin zugewendeten Schmalseite der Attika ist
die Huldigung der Barbaren dargestellt, welche zum Zeichen ihrer Unterwerfung mit der
Linken ihr Haar fassen ; vor dem Kaiser selbst steht ein gebundener Barbar mit der ge-
fransten Chlamys und auch sonst ganz denen gleich, von welchen man Fragmente bei
der Ausgrabung des Forum Traianum gefunden , und wie man sie noch an der Traian-
säule sieht. Die vier Reliefs sind ohne besondere Wahl nur nach dem Bedürfnisse der
Länge auseinandergesägt. — lieber den beiden im Mittelbogen befindlichen Reliefs liest
man die auf Constantin bezüglichen Inschriften : LIBERATORI VRBIS und FVNDATORI
QVIETIS, jene auf der Palatin-, diese auf der Cäliusseite. Die Wölbung ist, was unge-
wöhnlich ist, nicht cassettirt, ebenso an den Seitenbogen. — Im Innern dieser letzteren
sind kleine Reliefs mit Brustbildern, wahrscheinlich der Cäsaren, auf jeder Seite zwei,
mithin zusammen acht, die jedoch fast bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt sind. In den
Bogenwinkeln der Seitendurchgänge sind Flussgötter dargestellt, wo möglich noch un-
correcter, verschobener und härter gearbeitet, wie die Victorien über dem Mittelbogen,
und unverkennbar der Kunstepoche des vierten Jahrhunderts angehörend. Von den Bo-
genschlüsseln lässt einer noch einen stehenden Mars erkennen.
Ueber den Seitenbogen läuft rings um das ganze Denkmal, nur von den Pilastern
und dem Mittelbogen unterbrochen, ein 0,9o M. breiter Reliefgürtel von ebenfalls constan-
tinischer Arbeit. Es sind zumeist Darstellungen aus Constantins Kriegen, Heerzüge, durch
* L. Rossini, Gli Archi trionfali, onorarii e funebri degli antichi Romani. Roma 1836. fol. 69.
F. Reber , die Ruinen Roms. 54
J-.
426
18..
i#
Die Velia und das Thal des Colosseum.
die Verschiedenheit der Bewaffnungsart von der früher-römischen sehr bemerkenswerth ;
in der Richtung gegen S. Gregorio an der Cäliusseite lässt sich des Constantin Sieg über
Maxentius an der milvischen Brücke erkennen. Ueber dem Seiteneingang aber, welcher
dem Colosseum zugewendet ist, befindet sich jene interessante Darstellung der Nord-
westseite des Forum, auf welche schon früher bei der Bestimmung der Ruinen am Clivus
Capitolinus Bezug genommen wurde.
45.
Giirtelrelief vom ConstantiQbogen. (F. R.)
lieber diesem befinden sich zehn Rundreliefs von 1,93 M. Durchmesser, zwei über
jeder Seite der Mittelbogen und je eines an den beiden Schmalseiten des Denkmals. Die
Flächen über den Seitenbogen, in welchen sie angebracht sind , waren mit Porphyr be-
legt, von welcher Bekleidung sich noch Reste an der Seite gegen das Colosseum zur Lin-
ken erhalten haben. Acht von den Rundreliefs sind, wie die beschriebenen grossen des
Mittelbogens und der Schmalseite der Attika, aus traianischer Zeit und die Bildnisse der
Hauptfigur wie die Darstellungen (Jagd und Opfer) stimmen auch damit überein. Wenn
man mit der Betrachtung auf der Colosseumseite zur Linken beginnt, so zeigt das erste
eine Eberjagd; das Thier flüchtet, vom Kaiser überholt, in's Wasser. Das zweite stellt
ein Opfer dar ; die männliche Figur des Gottes wird wohl Apollo sein , der Kaiser er-
scheint vor dem Altare, das Haupt mit dem Nimbus umsäumt, jenem kreisförmigen Rande,
welcher ursprünglich zur Bezeichnung der Hauptfigur des Reliefs und zum Schutze des
Kopfes angebracht wurde, später aber in den ausschliessenden Besitz der Heiligen über-
gegangen ist. Wir fügen von diesem eine Abbildung bei. Das dritte Relief zeigt wieder
eine Jagdscene : ein erlegter Löwe liegt zu den Füssen des Kaisers, welcher wieder mit
dem Nimbus erscheint. Das vierte stellt ein dem Hercules Victor dargebrachtes Opfer
dar; neben dem Bilde der Gottheit liegt ein grosser bärtiger Kopf; der opfernde Kaiser
hat das Haupt halb verhüllt. Das erste gegenüberliegende Bild (gegen S. Gregorio auf
der Palatinseite) zeigt wieder den Kaiser mit verhülltem Haupte opfernd; hinter dem
Altare steht die Bildsäule der Diana und auf einem Baumaste steckt der Kopf eines Ebers.
Auf dem zweitfolgenden Relief sieht man den Kaiser zu Pferde, seinen Speer auf einen
Bären schleudernd. Das dritte zeigt wieder ein dem Hercules dargebrachtes Opfer ; der
Gott trägt in der Linken eine Keule, in der Rechten ein abgeschlagenes , grosses Haupt ;
ein ähnlicher noch grösserer Kopf steckt auf einem Baume über der Gottheit. Die Haupt-
Der Triumphbogen des Constanlin.
427
figur (Kopf, Brust und das linke Bein fehlen) opfert mit der Patera, eine andere setzt
dem Bilde des Gottes einen Kranz auf das Haupt. Das vierte Bild dieser Seite zeigt einen
Jagdzug; die Haupt-
figur (der Kopf fehlt)
hält ein Pferd am
Zaume, zur Rechten
führt ein nackter Jüng-
ling einen Hund ; die
Gruppe verlässt eben
ein Bogenthor. — Die
zwei übrigen Rund-
reliefs an den Schmal-
seiten verrathen wie-
der den Meissel der
constantinischen Zeit.
Das auf der Ostseite
dem Cälius gegenüber
befindliche stellt den
aus dem Meere auf-
steigenden Sol auf
einer Quadriga dar,
voran schwebt Luci-
fer. Auf der Westseite,
dem Palatin gegen-
über, sieht man die Luna auf einer Biga , von Hesperus begleitet , im Begriffe , in den
Ocean zu tauchen.
Ueber diesen Medaillons sind auf beiden Seiten Epigraphe angebracht und zwar
auf der Colosseumseite zur Unken VOTIS X, zur Rechten VOTIS XX und auf der ent-
gegengesetzten (Südseite) links SIC X, rechts SIC XX. Diese Inschriften stammen aus
dem zwanzigsten Jahre der Regierung Constantins, können jedoch für die Erbauung des
Bogens selbst nicht als Anhaltspunkt dienen. Seit Augustus , um den gehässigen Schein
einer ausgeprägten Tyrannis zu vermeiden, die Vorsicht gebrauchte, sich von zehn zu
zehn, zeitweise sogar von fünf zu fünf Jahren das Imperium neuerdings übertragen zu'
lassen, war es für alle nachfolgenden Kaiser üblich geblieben , die zehnjährige Verlänge-
rung oder Erneuerung der Herrschaft, welche an sich factisch längst veraltet war, durch
eine Art von Jubelfest mit feierlichen Opfern und Spielen zu begehen.^ Diese Feste
' Dio Cass. LIII. 13, 16. Norisii de Votis decennalibus dissert. chronol. Opp. Ver. 1729. T. II, p. 1177 sq.
54*
46. Medaillonsrelief vom Constantinbogen. (F. R.)
428 Die Velia und das Thal des Colosseum.
wurden decennalia, vicennalia u. s, w. genannt, und zwei derselben finden sich auf der
Nordseite dieses Bogens, wahrscheinlich mit Bezug auf die beiden sich durch den
Triumpbogen bewegenden Festzüge, bezeichnet. Die auf der Südseite befindlichen Worte
SIC X — SIC XX sind als die Acclamationsformel des Volkes erklärt worden. Von den Vi-
cennalien, deren heidnische Feier zu Rom dem Kaiser Constantin (der doch damals noch
kein erklärter Christ war) höchlich missfallen, soll die Versetzung des Kaisersitzes nach
Byzantion herrühren : ^ doch bezweifelt heutzutage Niemand, dass der Kaiser mehr aus
strategischen und politischen Rücksichten dazu bestimmt worden sei.
Ueber diesen Inschriften läuft das den Säulen und Pilastern entsprechende Ge-
bälke rings um das Denkmal, der einfache Architrav 0,74, der Fries 0,59 und der Carnies
0,85 M. hoch ; der letztere ist mit Zahnschnitt , Eierstab , Kragsteinen und anderer Orna-
mentik reich geschmückt, jedoch von verschiedener Arbeit. Auf den durch die acht Säu-
len bedingten Gebälkvorsprüngen ruhen 1,6o Met. hohe Piedestale, die sich an die über
dem Gebälke sie erhebende 6,65 M. hohe Attika anlehnen und acht 3,o4 M. in der Höhe
messende schön gearbeitete Standbilder von gefangenen Barbaren mit dacischen Mützen,
gegürteten Aermeltuniken , am Knöchel gebundenen, weiten Beinkleidern, Bundschuhen
und befransten Mänteln tragen. Sie sind von phrygischem Marmor (dem schönen purpur-
geaderten Pavonazetto) und gleichen in jeder Beziehung denen , von welchen man Frag-
mente bei der Ausgrabung des Forum Traianum gefunden hat, welche jedoch um ein
Geringes kleiner sind. ^ Alle Köpfe dieser Standbilder sind modern, waren aber auch
früher, wie die Hände, von weissem Marmor. Es wird erzählt , dass Lorenzo de' Medici,
um die Wachsamkeit der Regierung zu verhöhnen , sie unvermerkt in einer Nacht abge-
nommen habe. Einen der Köpfe fand man jedoch , und zwar ziemlich unversehrt , bei
der Ausgrabung des Denkmals im J. 1733 wieder, nach welchem alle in w^eissem Mar-
mor ergänzt wanden ; das Original aber wurde in das vaticanische Museum gebracht.
Eine der acht Bildsäulen , welche sich auf der Seite gegen S . Gregorio zur Rechten vom
Mittelbogen befindet, ist ganz modern (von weissem Marmor) und wurde im J. 1734 an
die Stelle eines halben Rumpfes gesetzt, der jetzt im capitoHnischen Museum links am
Ende des Corridors im Erdgeschosse zu sehen ist.
Die Attika ist mit zehn grösseren Rehefs , in deren Mitte sich auf beiden Seiten
die Inschrift befindet, ausgefüllt. Arbeit und Darstellungen sind wieder aus Traians Zeit
und lassen sich auch als auf dessen Geschichte bezüglich erklären. Von den beiden an
den Schmalseiten wurde schon oben bei Beschreibung der beiden Reliefs im Innern des
Mittelbogens gesprochen ; von den übrigen acht stehen , wie die Medaillons, je zwei über
* Zosim. II. 29. * C. Fea, Notizie degli scavi nell Anfiteatro Flavio e nel Foro Romano. R. 1813. p.
-13 u. 25.
Der Triumphbogen des Constantin. 429
einem Seitenbogen und sind, jedoch rechteckiger Form, 1,9o M. breit, 3,io hoch und von
einem starken Rahmen umschlossen. Wenn wir bei dem zunächst am Golosseum befind-
lichen (an der Nordseite links) unsere Betrachtung beginnen , so erblicken wir hier den
Einzug des Kaisers in die Stadt : Roma schreitet voran, Mars (?) folgt dem Kaiser ; über
dem Letzteren schwebt ein Genius, im Begriffe , ihm einen Kranz um das Haupt zu win-
den. Das zweite Relief stellt die Anlage einer Strasse dar (durch die pontinischen
Sümpfe und hauptsächlich von Beneventum nach Brundisium , ein Werk Traians). ^ Die
Strasse selbst ist durch ein auf dem Boden liegendes halbentblösstes Weib , das sich mit
der Linken auf ein Rad stützt und die Rechte dem Kaiser reicht, symbolisirt ; ein bärtiger
Mann aus des Kaisers Umgebung wird für den Baumeister Apollodorus gehalten. Das
dritte Relief zeigt den Kaiser unter anderen Personen auf einer geräumigen Erhöhung ;
unterhalb stehen Eltern mit ihren Kindern vor ihm. Das vierte stellt den Kaiser auf einem
Suggestum sitzend dar, vor ihm wird ein reich gekleideter B arbaren fürst , schwach auf
einen Jüngling gestützt, geführt. — Auf der entgegengesetzten Seite (Südseite) zeigt
das erste Bild den Kaiser wieder auf einem Suggestum , wie es scheint , den Barbaren
einen aus ihrer Mitte gewählten Mann als ihren Fürsten bezeichnend; das zweite das
kaiserliche Urtheil über einen herbeigeschleppten Barbarenfürsten ; das dritte eine Anrede
des Kaisers an das Heer. Das vierte stellt den Kaiser opfernd, die Weihrauchschale in
der Hand haltend, dar; die drei von den Knaben herbeigeführten Opferthiere, ein
Schwein, ein Schaf und ein Stier, deuten auf das Fest der Suovetaurilien. Im Hinter-
grunde sieht man römische Soldaten mit Trompeten und einen Jüngling mit der Doppel-
pfeife. So dürftig auch leider die Züge sind, welche uns von der Geschichte des grossen
Traian erhalten sind, so bleibt doch mit Bezug auf das von ihm Bekannte , namentlich
aus seinen dacischen Kriegen , nichts von dem hier Dargestellten unerklärt , wenn auch
die Namen fehlen. (Eben jetzt ist man damit beschäftigt, die in kunstgeschichtlicher Be-
ziehung so interessanten Reliefs in Gyps abzuformen, womit M. Malgieri, von dem bereits
die Reliefs der Traiansäule nachgebildet wurden, kürzlich betraut worden ist , ^ wodurch
die Besichtigung der Sculpturen in grösserer Nähe ermöglicht wird.) Zwischen diesen Reliefs
der Attika, im Mittelbogen, findet sich folgende an beiden Seiten gleichlautende Inschrift:
IMP CAES FL CONSTANTINO • MAXIMO
PF AVGVSTO S P • Q • R
QVOD . INSTINCTV DIVINITATIS MENTIS
MAGNITVDINE CVM EXERCITV SVO
TAM DE TYRANNO QVAM DE OMNI EIVS
FACTIONE VNO TEMPORE IVSTIS
REMPVBLICAM VLTVS • EST • ARMIS
ARCVM TRIVMPHIS • INSIGNEM DICAVIT
* Dio Cass. (Xiphilin) LXVm. 15. ' Augsb. Allg. Ztg. Beilage zu No. 112. 12. April 1862. S. 1683.
^30 D'^ Velia und das Tlial des Colosseum.
Aus dieser Inschrift geht hervor, dass der Triumphbogen dem Kaiser Fl. Con-
stantinus als Denkmal seines Sieges über Maxentius bei der milvischen Brücke und der
dadurch herbeigeführten Beendigung des Zwiespaltes der Gegenkaiser errichtet worden
sei. Seiner Bedeutung nach scheint demnach der Bau in die ersten Jahre der Allein-
herrschaft Constantins gesetzt werden zu müssen , womit jedoch einige Worte der In-
schrift im Widerspruch zu stehen scheinen. Denn der Zuname Maximus findet sich auf
den Münzen dieses Kaisers erst von dem Jahre 315 an und auch die Worte instinctu di-
vinilatis geben zu erkennen, dass Constantin in der Zeit , als man die Inschrift schrieb,
mit seiner Hinneigung zum Christenthume schon mehr zu Tage getreten sei , als diess
unmittelbar nach seinem Siege über Maxentius, wenn man von der legendarischen Ueber-
lieförung absieht, der Fall war. Man glaubt indess bemerkt zu haben, dass die ersten
drei Zeilen, welche die erwähnten Schwierigkeiten enthalten, aus spaterer Zeit, und die
Marmorplatten, auf welchen sie eingegraben sind , erst nachtraglich eingelassen worden
seien, um an die Stelle einer mehr heidnisch klingenden Phrase zu treten, wogegen ich
jedoch erinnern muss, dass die Buchstaben der dritten Zeile noch in die älteren Marmor-
platten unterhalb hereinragen, ohne dass man an den letzteren die Nietlöcher einer vor-
maligen anderslautenden Inschrift wahrnehmen kann.
Von der monumentalen Zierde auf der Höhe der Attika haben wir weder Reste
noch Nachrichten ; wahrscheinlich war auch dieser Triumphbogen , wie die meisten , mit
einer ehernen Quadriga gekrönt. Zum Innern des Denkmals und zur Plattform über der
Attika führt eine Treppe, welche wie gewöhnlich in beträchtlicher Höhe über dem Boden
auf der gegen den Palatin gewendeten Schmalseite beginnt. Das Innere zeigt, dass
der ganze Bau aus Marmorstücken , die schon einmal für einen anderen Zweck gedient,
besteht.
Wie im Laufe der Beschreibung mehrfach erwähnt wurde , sind die Sculpturen
dieses Denkmals aus zwei — schärfere Augen wollen sogar drei unterscheiden — verschie-
denen Epochen. Betrachtet man von diesen die Reliefarbeiten der constantinischen Zeit, so
kann es nicht befremden, wenn die Unternehmer des Baues in gerechter Missachtung des
Meisseis ihrer Epoche so viel wie möglich schon vorhandene Sculpturen einer besseren
Zeit zur Ausschmückung des Bogens verwendeten. Aus der Gleichheit der Barbaren-
standbilder mit den am Forum Traianum gefundenen Resten , ihrer Kleidung mit der an-
erkannt dacischen, wie wir sie an der Traiansäule so vielfach sehen, aus der Ueberein-
stimmung der Reliefdarstellungen mit der Geschichte Traians und aus der Porträtähnlichkeit
der bekannten Büsten Traians mit der kaiserlichen Hauptfigur auf diesen Reliefs geht un-
zweifelhaft hervor, dass die leicht zu unterscheidenden nicht constantinischen Sculpturen
zu einem Denkmal des Kaisers Traian gehörten. Und ob nun die Sculpturen wirklich
von einem Triumphbogen dieses Kaisers und zwar demjenigen waren, welcher zu dem
Der Triumphbogen des Constantin. 431
Forum Traianum führte, was indess sehr zweifelhaft ist (vgl. S. 1 87) oder von einem an-
deren prachtvollen Gebäude des Traian herrührten, die Plünderung desselben gibt ein
gleiches Zeugniss von dem tiefen Verfall des Römersinnes und von der Missachtung
gegen einen der gefeiertsten und verdientesten ihrer Cäsaren, der Schamlosigkeit nicht
zu gedenken, mit welcher man so viele marmorne Lügen auf das Triumphdenkmal Con-
stantins zu heften wagte. — Auch der Plan desselben, der den des Severusbogens an
Schönheit bei weitem übertrifft, scheint nicht aus der constantinischen Periode zu stam-
men und ist wahrscheinlich mit einem Theile des architektonischen Materials einem uns
nicht mehr erhaltenen älteren Vorbilde entlehnt.
Der hochverehrte Name des Constantin scheint diess Denkmal, welches unter
allen römischen Triumphbogen am unversehrtesten auf uns gekommen ist , mehr als die
übrigen geschützt zu haben. Doch wurde im Mittelalter auch seine Höhe durch die
Frangipani, in deren Besitz die ganze Gegend war, befestigt. Im J. 1733 unternahm
daran Clemens XII. eine verdienstliche Herstellung und ergänzte, wie schon erwähnt
wurde, die Köpfe der Barbarenstatuen, von denen er eine ganz neu herstellen Hess, eine
Ecksäule und anderes; die Gedenktafel dieser Restauration befindet sich an der dem
Palatin zugewandten Schmalseite neben der Treppenthüre. Die von ihm unternommene
Ausgrabung des Denkmals und Aufdeckung des antiken Bodens aber war nicht von
bleibendem Erfolge, und im J. 1805 reichte der nachgerollte Schutt wieder bis zur
Hälfte der Piedestale, als Pius VII. das Denkmal neuerdings ausgraben und in der
Weise, wie jetzt beim Triumphbogen des Septimius Severus, den aufgedeckten Raum
mit einer Mauer umgeben Hess. Bei der im J. 1 829 unter P. Leo XII. ausgeführten
Blosslegung des ganzen Platzes vor dem Colosseum wurde die Mauer tiberflüssig und
wieder abgetragen, der Bogen aber neuerdings zugänglich und als Durchfahrt an der
Einmündung der Via di S. Gregorio in die Piazza del Coliseo hergestellt. Ursprüng-
lich war der mittlere Durchgang mit Marmorplatten belegt, wie aus den aufgefundenen
Resten ersichtlich war, wurde jedoch bei der mit der letzten Ausgrabung gleichzeiti-
gen Pflasterung der Via di S. Gregorio ebenfalls mit Polygonen belegt und der Boden
dadurch um etwa 0,i5 Met. erhöht. Zuverlässig entspricht die Linie der Via di S. Gre-
gorio einer antiken Strasse, und zwar der ohne Zweifel sehr bedeutenden, welche
von der alten Porta Capena (in der Gegend von S. Gregorio) nach der Velia und
nach dem Esquilin ftihrte, doch ist der Name derselben nicht bekannt, und die Be-
zeichnung der Via Triumphalis blosse Vermuthung.
^32 ^^^ Aventin und der Cälius
IX. Der Aventin und der Cälius.
Das Gebiet, welches in diesem Abschnitte zusammengefasst und beschrieben
werden soll, obwohl weit umfönglicher als die Gebiete der drei vorhergehenden, ist
nichtsdestoweniger nicht so reich an hervorragenden Gebäuden und bezüglichen Nach-
richten, noch ärmer aber an Ueberresten. Wenn wir, zunächst von den letzteren
ganz absehend, vorerst nur die Gestalt des mehr als ein Viertheil des alten Rom nach
der aurelianischen Abgränzung betragenden Raumes ganz im Allgemeinen betrachten,
so lässt uns die Ueberlieferung schon in wesenthchen Punkten im Stiche : weder die Aus-
dehnung des Aventinus noch die des Cälius ist sicher, ungewiss ist, wo der mehr-
erwähnte Caeliolus zu suchen sei, ganz unbekannt und namenlos sind ferner die ausser-
halb der servischen Mauern befindlichen Höhen , links von der Via Latina und rechts von
den antoninischen Thermen.
Als Aventinus ist jedenfalls der Hügel zu betrachten, welcher durch das Thal des
Circus maximus von dem Palatin getrennt und dem Tiber unmittelbar nahe ist, jetzt vor-
zugsweise eingenommen von den an der Flussseite nebeneinander liegenden Klöstern und
Kirchen S. Sabina, S. Alessio, S. Maria und der auf der Ostseite befindlichen Kirche
S. Prisca, im Uebrigen von Vignen und Gärten bedeckt. Südöstlich aber wird er durch
ein ziemlich tiefes, breites und deutlich markirtes Thal von einem anderen Hügel getrennt,
welcher etwas mehr als den halben Umfang des Aventin hat und von den Klöstern S.
Balbina und S. Saba beherrscht und benannt wird. Ob nun dieser Hügel ebenfalls unter
dem Namen Aventin verstanden wurde, oder ob er wenigstens in soferne zu demselben
gerechnet ward , als er keinen besonderen Namen hatte , und ob ihn die servische Mauer
ganz einschloss, das sind Fragen, welche sicher zu beantworten unmöglich sein wird.
Das erstere ist nicht wahrscheinlich, sowohl wegen der schroffen Sonderung, als weil die
Thore der servischen Mauer, welche unzweifelhaft zwischen der Südspitze des Aventin
und dem Südabhange des Caelius , mithin nahe an irgend einer Seite jenes namenlosen
Hügels (SS. Balbina e Prisca) liegen mussten, nicht mehr zur Region des Aventinus (XIII.),
sondern zur XII., welche Piscina pubhca hiess, gehörten. ^ Auch zur Bejahung der bei-
den anderen Fragen gibt es keine zureichenden Gründe , und ohne diese sind wir kaum
berechtigt, den Hügel von S. Balbina und S. Saba der servischen Stadt zuzuschreiben.
Becker 2 hält zwar ftir unzweifelhaft, »dass die servische Bevölkerung auf der Höhe des
Berges bis S. Saba gegenüber sich hinzog«, allein um von dem durch S. Maria del Prio-
rato bezeichneten Punkte des Aventin nach S. Saba zu kommen, musste die Mauer in
*■ Basis Capitolina (Grut. Inscr. p. CGXLIX. No. 8. CCLI. Orelli, Inscr. No. 5). '^ Hdh. d. röm. Alterth.
Bd. I. S. 163.
Der Aventin und der Cälius. 433
das zwischenliegende Thal sich senken, wodurch Becker's Ausdruck schon zur Un-
richtigkeit wird. Trotzdem hat es mehr Wahrscheinlichkeit für sich, den Pseudoaventin
(SS. Balbina und Saba) in den servischen Stadtumfang zu ziehen. Denn erstlich
sind an verschiedenen Punkten desselben, so an der Westseite von S. Saba, in der
Mauer zwischen dem Klostergarten und der Vigna Codini wie in der Vigna zwischen
S. Saba und der Vigna di Porta S. Paolo Mauerreste gefunden worden, die mit den
gesicherten Fragmenten der servischen Mauer Aehnlichkeit haben. Dann würde,
wenn die Mauerlinie etwa in der Richtung von Via di Porta S. Paolo angenommen
werden sollte, die Schwierigkeit beinahe unlöslich, auf der kurzen Strecke zwischen
Porta Trigemina und Porta Capena drei oder vielleicht sogar vier Thore, (die Navalis)
die Lavernalis, Raudusculana und Nävia, über deren muthmassliche Vertheilung in
der einleitenden Baugeschichte gesprochen worden ist \ unterzubringen.
In augusteischer Zeit wurde das ganze aventinische Hügelgebiet in zwei
Regionen geschieden, in die XIII des eigentlichen Aventmus und in die XII den
Hügel von SS. Sabina und Saba umfassende, welche ihren Namen „Piscina publica"
von einem alten in der Kaiserzeit aber eingegangenen Volksbadeteich hatte, der
wohl an der Südseite des Hügels innerhalb der Porta S. Paolo angenommen werden
muss ^. Auffallend dagegen ist ein anderes eigenthümliches Verhältniss, in welchem
der Aventin zur übrigen Stadt stand, indem dieser Hügel einerseits durch die ge-
meinsame Mauer zur Stadt gezogen, anderseits aber acht Jahrhunderte lang vom
Pomörium ausgeschlossen war. Wenn sonst das Pomörium ein die Stadt selbst
einschliessender, von aller baulichen wie landwirthschaftlichen Benutzung freigehal-
tener Landstreifen war, in dessen Mitte oder vielleicht mehr an dessen innerer
Grenze sich die Mauer selbst hinzog, so dass ein Theil jenes Grundes ausserhalb,
ein Theil aber innerhalb des Mauerrings lag, ^ so musste hier das Pomörium an
einer älteren Mauerlinie haften, und diese konnte keine andere sein, als die an der
Südwestseite des Palatin sich hinziehende der Roma quadrata, wonach etwa der
Circus Maximus das Pomörium selbst einnahm.
Woher der Aventin seinen Namen erhalten habe, war schon im Alterthume
unklar: die einen leiteten ihn von aves (Vögel), die anderen von adventus^ dem Zu-
sammentrömen zu dem latinischen Heiligthume der Diana, oder von odvectm (Lan-
dung), andere von einem sabinischen Flusse Avens, wieder andere von Aventinus,
einem hier geborenen Sohne des Hercules und der Rhea * ab, die meisten aber von
1 S. 43. 2 Amin. Marc. XVII. 4. Cic. ad. Quint. ir. III. 7. Hcnzen, Scavi nel bosco dei fr. arv. p.
400. 3Liv. I. 44. Gell. XIII. 14. Varro L. L. V: 32, 40 p. U5. (Speng.). " Varro L. L. 1, U p. 48.
(Speng.) — Virgil. Aen. VII. v. 656. Serv. ad 1. c,
F. Reber, Rom. §5
434 ^^^ Aventin und der Cälius.
dem angeblich auf dem Hügel begrabenen Albaner- oder Aboriginerkönige Aventinus. *^
In Numa's Zeit noch ganz unbewohnt und als Weideland benutzt,^ wurde der Hügel
durch Ancus Marcius nach der Einnahme der Städte Politorium, Tellenä und Ficana
den Bewohnern derselben als Wohnsitz angewiesen.^ Die Colonie scheint jedoch nicht
gediehen zu sein, da wir den Hügel noch nach zwei Jahrhunderten grösstentheils
unbewohnt und als Ager publicus finden, wesshalb er auch, obwohl ummauert, doch
nicht in das Pomörium eingeschlossen wurde. Die Mauer aber umfriedete die
Cultstätten, und fügte sie, was namentlich hinsichtlich des Nationalheiligthums der
Diana wichtig war, zu Rom.
Aeltere Heiligthümer waren die Altäre des Evander, * des lupiter Inventor, den
Hercules für das Wiederfinden seiner Rinder errichtet haben soll,^ und die Höhle des
Gacus,^ welche sämmtlich am nördlichen Fusse des Hügels sich befanden, die Stelle
Remuria, wo Remus die Auspicien genommen d. h. nach den Geiern gesehen haben
und nachher auch begraben worden sein soll,^ und das Lauretum, ein das Grab des
von den Laurentern erschlagenen Tatius umschliessender Lorbeerhain,** welche mythi-
schen Königsgräber im Zusammenhalt mit dem ganz unbegründeten des Aventinus
jedoch noch nicht berechtigen, in dem Hügel eine Nekropolis im etruskischen Style
zu sehen und dadurch den Ausschluss vom Pomörium zu erklären.
Merkwürdig ist, dass wir nicht einmal in den Stand gesetzt sind, die Lage
und Stellung des den Hügel hauptsächlich beherrschenden Tempels der Diana, welchen
Servius Tullius als Heiligthum und geraeinsamen Mittelpunkt des latinischen Bundes
erbaute, genauer nachzuweisen. Doch ist wenigstens so viel wahrscheinlich, dass
er nicht weit von der Porta Trigemina am oberen Ende des Glivus Publicius, jedoch
nicht unmittelbar am westlichen Hügelrande gelegen habe. '' Von seiner Gestalt und
Ausdehnung wissen wir nichts, denn die Angabe, dass man die Idee dem panioni-
schen Artemistempel zu Ephesus entnommen, ist wohl nur Fiction hellenisirender
Geschichtschreiber. ^"^ Der Tempel hat jedenfalls mit dem Aufgehen des latinischen
Bundes in der unmittelbaren römischen Herrschaft an Bedeutung sehr verloren, und
obwohl er sich bis in die späteste Kaiserzeit ^^ erhielt, bis Augustus sogar mit den
ursprünglichen Monumenten, von welchen Dionys ^^ noch die Bronzestelen erwähnt,
auf welchen die latinische Bundesformel und die lex IciUa de Aoenllno publicando
eingegraben waren, so haben wir doch nur eine überdiess unbestimmte Notiz von
1 Varro 1. c. Liv. I, 3. Paul Diac. s. v. Aventinus. Hieron. Chron. {Roncalli I. col. 265.) 2 piut.
Num. 15. 3 Dionys. m. 44. Liv. I. 33. « Dionys. I. 32. ^ jd. i. 39. 6 Solin. I. 8. ^ Paul.
Diac. s. V. Remurinus. — Dionys. I. 87. 8 Varro L. L. V. 32, 42. p. 151. (Speng.) 9 Preller Aus-
gewählte Aufsätze S. 513, lo Dionys. IV. 25. Liv. l. 45. " Curios. U. R. Reg. XIH, 12 Dionys.
IV. 26. X. 32.
1
ßer Aventin und der Cälius. 435
einer Restauration des Tempels, welche L. Cornificiiis unter Augustus ausgeführt zu
haben scheint. ^ Noch weniger wissen wir von dem nächstbedeutenden Tempel
dieses Hügels, dem der vejentischen luno Regina, welche etrurische Göttin nach
der Zerstörung von Veji neben der latinischen Diana ein Asyl fand, das Camillus
vier Jahre nach dem Falle ihrer tuskischen Heimath weihte. Auch dieser Tempel
war unter den vielen Gebäuden, welche Augustus ,, aus Ziegeln oder Landstein be-
stehend vorfand und in Marmor zurückliess." - Der Diana nahe, vielleicht weiter öst-
lich, lag der wenigstens schon im 6. Jahrh. d. St. bestehende Tempel der Minerva, ^
wenn man das Fragment des capitolinischen Planes, welches einen Tempel mit der
Inschrift MINERBAE und eine anliegende Porticus mit dem Namen CORINFICI
zeigt, in der Weise hierher beziehen darf, dass man den Namen des Cornificius,
mit dessen Neubau des Dianentempels in Verbindung bringen will. ^ Von dem Tempel
des Jupiter Dohchenus haben wir ausser einer inschriftlichen Kunde, '' deren Fundort
S. Alessio ist, (neuerlich wieder entdeckt) nur das Wort Dolocenum im Regions-
verzeichniss. Ebenso spärlich sind die Nachweise für den von Ti. Sempronius
Gracchus dem Aelteren erbauten Tempel der Libertas *' und den Tempel der Bona dea
{subsaxana), welcher wohl am nördlichen Abhänge des Hügels von SS. Sabina und
Saba sich befand, da er nach der Notitia bei der Region ,, Piscina publica" ungefähr
an dieser Stelle genannt wird, ^ wie für den des Vortumnus im Loretum maius. ^
Von Tempeln so ziemlich besetzt musste der nordöstliche, dem Circus zugewendete
und zugleich die Gränze der XI. Region (Circus Maximus) bildende Abhang gewesen
sein, wo die Tempel des Sol, der Luna, des Mercur, der Magna mater deum und
des lupiter nebeneinander lagen, welche jedoch ausser der Aufzählung der Notitia
nur wenige Erwähnung gefunden haben. Der Tempel des Sol wird als „altes
Heiligthum" neben dem Circus vonTacitus, " der Lunatempel von Livius "^ „am Aventin"
erwähnt, was jedoch nicht nach Becker ^^ mit Bezug auf die Notitia, welche den
Tempel in der Region „Circus Maxiraus" nennt, zur Annahme von zwei Heilig-
thümern der Luna veranlassen kann, denn das, was südwestlich vom Circus Maximus
lag, musste am Abhänge des Aventin liegen und Livius bezeichnete die Locahtät
und nicht die allerdings in seiner Zeit, doch vielleicht erst etwas später gebildete
Region Aventinus, welche den dem Circus zugewendeten wie auch den östlichen
Abhang ausschloss. Dass der im J. 258 d. St. (496 v. Chr.) geweihte Tempel des
• Sueton, Aug. 29. 2 Monum. Ancyr. (ChishuU p. <74.) cf. Sueton. Aug. 29. Dio Cass. LVI. 30.
"Fest. s. V. Scribas. * L. Canina, Indicazione topogr. di Roma ant. 4. Ediz 4850. p. 532. » Muratori,
nov. thes. 426. K. G. B. de Rossi. Ann. d. I. d. c. a. 4859. p. 281. » Liv. XXIV. 16. Paul. Diac. s. v.
Libertatis. 7 Ovid. Fast. V. 148 sq. Propert IV. 6. Script. H. A. (Spart.) Hadr. 19. 8 past. Amit. &
l'ast. Capran. Eid. Aug. (Foggini. F. R. 1779 f. 112.) »Ann. XV. 74. i" XL. 2. n Hdb. d. rüni.
Alterth. I. S. 470.
55*
436 . ^^^ Aventin und der Cälius.
Mercur gegen den Gircus hin sah, wird auch durch eine classische Angabe be-
stätigt. ^ Dieser ist übrigens nächst dem erwähnten des lupiter Dolichenus der ein-
zige Tempel des Aventin, der mit ziemHclier Sicherheit genauer locahsirt werden
kann, denn im 1 7. Jahrhundert wurden in der jetzigen Vigna Carridoro die Ueber-
reste eines Tempels mit einem Altar, auf welchem unter Anderem ein Caduceus
(der Mercurstab) gemeisselt war, ausgegraben,"^ welche wahrscheinlich auf diesen
Tempel zu beziehen sind. Ein Tempel der grossen Göttermutter am Aventin wird
sonst nicht erwähnt, der lupitertempel aber, welcher nach der Reihenfolge der
Aufzählung der Notitia dem Ceres-, Liber- und Libera-Tempel , mithin dem Forum
Boarium schon ziemlich nahe gewesen sein musste, ist vielleicht derselbe, welchen
das Monumentum Ancyranum ^ als lupiter Liberatas unter den von Augustus res-
taurirten Werken am Aventinus nennt.
Der Grund, warum die Topographie des Aventinus so in Dunkel gehüllt ist,
hegt ohne Zweifel in der späten Golonisirung desselben, sowie in dem Umstände,
dass die lew Icilia ihn den Plebejern zur Niederlassung überwies, wodurch dem
Quartiere ein gewisser ignobler Charakter, der sich auch durch das spätere Nivelliren
der Stände nicht ganz verlor, besonders da der neronische Brand den Aventin ver-
schonte, aufgeprägt wurde. Desshalb sind uns auch die meisten Namen, welche
die capitolinische Basis ^ und die Notitia von dieser Region verzeichnen, sonst völlig
unbekannt, zum grossen Theile nicht einmal erklärbar. Von Profangebäuden aus
der republicanischen Zeit wissen wir nur, dass Ennius hier in altvaterischer Be-
scheidenheit gewohnt habe ; ^ doch erregt sein Häuschen mehr Interesse als der
Palast des Licinius (?) Sura, des Traian Vertrauten, der auch von diesem Kaiser
unterstützt Bäder unweit des Dianatempels anlegte. ^ Das Bruchstück des capito-
linischen Planes mit der fragmentirten Inschrift BAL SVRAE ' gehört jedenfalls zu
dieser Anlage, gibt jedoch über die Lage derselben keinen nähern Aufschluss, und
Canina's ^ Identificirung des Planfragments mit den Mauerresten bei S. Prisca ist
ganz unzuverlässig. Mit mehr Anspruch auf Glaubwürdigkeit hat man neuerlich
Bäderruinen die man da wo die Vigna Torlonia und Vigna Vaselli bei S. Prisca
sich begränzen, gefunden, mit den Bädern des Sura in Zusammenhang gebracht. ^
1 Ovid. Fast. V. v, 669. Liv. II. 21. 2 Nardini Roma vet Lib. VII. (Graev. Thes. A. R. tom. IV. p.
1363.) 3 Der lat. Text heisst ET lOVIS LIBERTATIS, der griechische JIOS EAET0EPIOT. Die
Vermuthung, dass dieser Tempel mit jenem der Minerva und der Juno Regina, mit welchen zusammen ihn
das Monumentum Ancyranum nennt, ein dreiceUiges Heiligthum nach Art des capitolinischen Tempels war,
erscheint nicht genügend begründet. Mommsen, Res gestae Divi Augusti. 1863 p. 54. ■* Grut. Inscr. p. LCC.
5 Hieron. Chron. (Rone. I. col. 369.) ßMartial. VI. Epigr. 64. v. 12. sq. Dio Cass. LXVIII. 15. Aurel.
Vict. Caes. 13. Epit. 13. ^ ßellori Fragm. etc. tab. IV. (Graev. Th. A. R. tom. IV.) 8 jndicaz.
topograf. 4a Ediz. 1850. p. 533. ^A. Pellegrini, Le terme Snriane e Deciane e la casa privata di Traiano.
Scavi di Roma. Bull. 1868. p. 177—183.
Der Aventin und der Cälius. 437
Unfern davon, wahrscheinlich aber mehr westHch, müssen die im Regionsverzeichniss
damit verbundenen Thermen des Decius gewesen sein, welche auch durch classische
Erwähnungen beglaubigt werden.^ Ferner befand sich in demselben Gebiete wahr-
scheinlich das Haus des Traian, welches, als privata Traiani von der Notitia genannt,
als domus Ulpiorum in einer Inschrift ^ erscheint. Häufige Ziegelstempel mit Traians
Namen, vor einigen Jahren in der Vigna Torlonia entdeckt, lassen ihre Zugehörigkeit
vermuthen , wie auch eine bei S. Alessio gefundene Bleiröhre mit dem Namen
dieses Kaisers, ^ die Funde aber wie die Gruter'sche Inschrift lassen die Lage bei
S. Prisca vermuthen.
Zwischen dem Aventin und dem Fluss erstreckte sich das zur Region
Aventinus gehörige Hafengebiet mit grossen Magazinanlagen. Zunächst vor Porta Tri-
gemina darf das von dem Regionär erwähnte Forum pistorum angenommen werden,
an der Stelle des alten mit dem Denkmal des L. Minucius geschmückten Getreide-
marktes. Wie sich zu diesem die aemiHschen Portiken* verhielten, ist schwer zu
sagen. Jedenfalls aber stellten sie die Verbindung mit dem eigentlichen weiter
südwärts gelegenen Emporium, wie mit den Getreidemagazinen, von welchen wir
die Horrea Galbiana et Lolliana kennen , hei*. Von diesen wie von dem Marmor-
lagerplatz wird noch bei den Ueberresten zu sprechen sein.
Wenig wissen wir von dem Gebiete des Hügels von SS. Sabina und Saba,
der augusteischen Region »Piscina Publica«. Denn die vom Regionär als deren
Grenzpunkte angegebenen Baulichkeiten sind zumeist sonst unbekannt. So ist un-
erfindlich, was wir unter der erstgenannten Area radicaria '' zu verstehen haben,
wenn auch das bezügliche capitolinische Planfragment wie die Reihenfolge des Regio-
när keinen Zweifel lassen, dass wir sie am Fusse der Nordspitze des Hügels SS. Saba
und Sabina anzunehmen haben , da wo noch einige antike Backsteinkammern
erhalten sind. Von da ab bis zu den antoninischen Thermen folgten noch Kapellen
der Fortuna , der Isis und der auch sonst genannte ^ Tempel der Bona dea subsa-
xana. — Von den übrigen Anlagen sind ausser den Thermen nur noch die Privat-
besitzung Hadrians (privata Hadriani) nennenswerth , welche nach dem Gang der
Gränzbeschreibung am nordwestlichen Abhänge bei S. Balbina angenommen wer-
den muss, und endlich die Horti Serviliani^
Etwas mehr Nachrichten haben wir von der beiderseits von der Via Appia
befindlichen, und (südlich vom Cälius) von der Porta Capena bis zur Porta Appia
lEutrop. IX. 4. Cassiod. Chron. (Rone. II. col. 212.) 2 Gruter XLV. 10. 3 R. A. Lanciani,
Recenti scoperte in Roma e nelle vicinanze. Bull. d. I. d ca. 1870. p. 74—90. •• Liv. XXXV. 10. 41.
^ Auch am capitolinischen Plan neben dem zur Region Porta Capena gehörigen Mutatorium genannt. 6 Vgl. S. 435.
Anm. 7. 7 h. stark. Die Horti Servlliani und ihre Begründer. Denkm. und Forschungen 1866. p. 224.
438 ^^^ Aventin und der Cäliiis.
(P. S. Sebastiano) reichenden, 1. Region »Porta Gapena«, wenn auch die Ueberreste
daselbst nur sehr spärlich sind. Schon in republicanischer Zeit werden die Tempel
des Honos und der Virtus, wie der Tempel des Mars, viel genannt; von welchen
jedoch der letztere schon ausserhalb des aurelianischen Mauerringes kam, was aller-
dings Becker, welcher ihn bei S. Sisto sucht, ^ aus ganz unhaltbaren Gründen in Ab-
rede stellt. Denn wenn Ovid ^ den Tempel angesichts der Porta Gapena nennt, so
fordert diess umsoweniger ein Nebeneinander, als der Marstempel auf einer An-
höhe lag, und wenn Becker die Notiz des Servius, ^ dass der Tempel ausserhalb der
Stadt neben dem Thore lag, auf die Stadt der Königszeit und die Porta Gapena be-
zieht, so ist dabei nicht bedacht, dass zu Servius' Zeit bereits die aurelianische
Mauergränze bestand , während die ältere verschwunden war, und der Gommen-
tator sich nur auf die erstere beziehen konnte. Es wurden aber in der That un-
mittelbar ausserhalb der Porta S. Sebastiano auf dem Hügel zur Linken für den
Hinausgehenden (Vigna Marini) die Reste eines bedeutenden Marmortempels gefun-
den, * namentlich aber in der Nähe (Vigna Nari) eine Inschrift, welche von dem
GlivusMartis spricht (Vatican. Sammlung): SENATVS POPVLVSQVE • ROMANVS
CLIVOM MARTIS PECVNIA PVBLICA IN • PLANITIAM REDIGENDVM CV-
RAVIT- ^ Es kann nicht bezweifelt werden , dass der Glivus Martis der Theil der
Via Appia selbst war, welcher die vom Marstempel beherrschte Höhe überschritt,
und so kann auch der vielbesprochene Inhalt der Inschrift nicht anders als dahin
erklärt werden, dass man nicht den Hügel selbst abgrub, sondern nur, um die Strasse
zu ebnen, durchschnitt oder abböschte, wie diess bei römischen Strassen gar nicht
selten geschah. Nur durch eine entsprechende Entfernung des Marstempels von der
Porta Gapena bekommen die Nachrichten Sinn, nach welchen im J. 457 d. St.
(297 V. Ghr.) der Fussweg und sieben Jahre darauf auch die Fahrsti asse von der
Porta Gapena bis zum Tempel des Mars gepflastert wurde, " was bei einer kurzen
Strecke kaum der geschichtlichen Erwähnung werth gewesen wäre. Wenn aber der
Regionär den Tempel in die erste Region einschliesst, so kann dies nicht als ein
Grund dafür genommen werden, dass der Tempel innerhalb der aurehanischen
Mauer lag, denn dasselbe Verzeichniss nennt unmittelbar daneben den Fluss Almo,
(jetzt Aquataccio) welcher sogar noch weiter ausserhalb des Thores vorbei und ohne
die Stadt zn berühren dem Tiber zufliesst; wahrscheinlich war vielmehr hier der Re-
gionär über das Ziel hinausgelangt, denn die Region selbst musste mit den Gräbern,
d. h. vor dem Scipionengrab und den Golumbarien der Vigna Godini aufhören. —
Jedenfalls nahe an der servischen Porta Gapena lag der Doppeltempel des Honos
'Hdb. d. röm. Alterth. I. S. 542. 2 Fast. VI. 191. sq. ^ad. Virg. Aen. I. v. 295. (292)
< Canina, Indicaz. topograf. 4» Ediz. 1850. p. 60. s Orelli, Inscr. No. 3. « Liv. X. 23. XXVVIII. 28.
Der Aventin und der Cälius. 439
und der Virtus, welcher an der Stelle des einfachen von Q. Fabius Verrucosus im
J. 520 d. St. erbauten Tempels des Honos durch Marcellus errichtet und von Ves-
pasian wiederhergestellt worden war. ^ An der Marrana aber, in dem Thale zwi-
schen dem Calius und dem Hügel nördlich neben der Via Latina vermuthe ich den
Hain der Camenen und die Quellgrotte der Egeria, wo Numa mit der Nymphe seine
geheimen Zusammenkünfte gehabt haben soll, '^ welche Grotte man jetzt gewöhnlich
in dem Nymphäum am Almo in Valle Caffarelli zu erkennen glaubt, denn die Nähe
des Thaies der Egeria an der Porta Capena wird durch mehie Angaben unzweifel-
haft. ^ In derselben Region befand sich auch nach dem Verzeichnisse der Notitia
jener Tempel der Tempestas, welchen L. Cornelius Scipio, der Sohn des Barbatus,
in-Sturmesnoth vor Corsica gelobt hatte und von welchem sich eine Erwähnung
in der schönen jetzt im vaticanischen Museum befindlichen Grabinschrift desselben
findet. (Vgl. unten No. 88.) Die Kaiserzeit fügte noch die Thermae Gommodianae
und Severianae hinzu, von welchen wir zwar kurze Erwähnungen,^ aber keine
Spur mehr besitzen. Von den drei ebenfalls von der Notitia verzeichneten Triumph-
bogen des Verus, Traianus und Drusus, welche jedenfalls über der Appia standen,
werden wir noch einen bei Porta S. Sebastiano finden. Die Strasse selbst aber
war seit früher Zeit mit Grabdenkmälern besäumt, von welchen das des Scipio,
1780 wieder entdeckt, vorzüglich reiche und interessante Ausbeute gewährte; von
anderen Grabmälern, den sogenannten Columbarien wurden in den Weinbergen
zwischen Via Appia und Via Latina erst in neuerer Zeit mehre vollständig erhaltene
blossgelegt, welche wie das Scipionengrab besonders beschrieben werden sollen.
Was endlich den Cälius betrifft, so wurde schon in der einleitenden Bau-
geschichte (S. 7. 8) von der Entstehung des Namens desselben gesprochen. Die
lang und vielfach ausgezackte Form des Hügels macht es erklärlich, dass man sich
eines besonderen Namens, Caeliolus, für einen Theil desselben bediente, doch ist
trotz wiederholter Erwähnung nicht klar, welcher von den vielen Ausläufern dafür
zu halten sei. Der lange östliche Arm, welcher noch weiter über S. Giovanni in
Laterano hinausreicht, gehörte jedoch nicht mehr zur servischen Stadt und kann
desshalb für den Caeliolus nicht in Betracht kommen, da gerade dieser in früher
Zeit colonisirt worden war. ^ Der Hügel wird aber durch einen Thaleinschnitt,
welchen die Via della Navicella bezeichnet, mit Ausnahme der nicht breiten Höhen-
verbindung bei Piazza della Navicella in zwei Theile getheilt, und es ist nicht un-
1 Curios. U. R. Reg. I. Liv. XXV. 40. XXVII. 25. Cic. de nat. deor. 11. 23. Valer. Max I. 4, 8.
2Plut. Num. 13. Liv. I. 21. s Curios. U.R. Reg. I. luvonal. III. v. 10 sq. Symmach. ep. I. 21. < Curios.
1. c. Script. H. A. (Lamprid.) Comm. 17. Herodian. I. 12. Hieron. Chron. — Cassiodor. Chron. — Catal. Imp.
Vienn. (Rone. I. col. 465. 469. II. col. 205. 306. 244.) » Varro L. L. 8, 14. p. 52. (Speng.)
440 D^s Emporium.
möglich, dass der östliche Theil durch den Namen Caeliolus unterschieden wurde.
Die zweite Region der augusteischen Eintheilung fasste jedenfalls beide Theile unter
dem Namen Caelimontium zusammen. Dass der Hügel in der republicanischen
Zeit, und seit Tullus Hostihus hier zu wohnen pflegte, ^ dicht besetzt gewesen sei,
ist unzweifelhaft. Doch ist uns von P. Capena (bei S. Gregorio) her nur ein ser-
visches Thor für die bedeutende Mauerstrecke bekannt, nemlich die Porta Caeli-
montana, und auch von öffentlichen Gebäuden haben wir wenig Kunde. Grosse
Bedeutung können auch die Kapellen der Dea Carna, - der Minerva Capta, ^ der
Diana, * die Tempel der Isis, ^ und des lupiter Redux mit den etwas räthselhaften
Castra peregrinorum ^ nicht gehabt haben. Nur die Lage des letztern Tempels ist
nach dem Fundorte der ihn erwähnenden Inschrift (bei S. Maria in Domnica) an-
nähernd bestimmbar. Zwei bedeutendere Anlagen aus der Kaiserzeit sind der
Tempel des Claudius und das Macellum, von welchen beiden besonders gesprochen
werden soll. Auch von dem neronischen Zweigaquäduct werden wir noch be-
deutende Reste finden. Nicht minder hervorragend waren ohne Zweifel die auf
dem Cälius befindlichen Paläste, namentlich des Mamurra, welcher das erste Bei-
spiel von Marmorbekleidung an seinem prachtvollen Hause gab, "^ der Laterani, der
durch Schenkung Gonstantins nachmalige päpstliche Palast, das Haus des Annius
Verus, ^ der vectiUanische Palast, den vorzugsweise Commodus bewohnte,*^ und
einige andere.
Das ganze Gebiet des Aventinus, Cälius und des zwischen beiden und der
aurelianischen Mauer liegenden Raumes gehört jetzt nicht mehr zur eigentlichen
Stadt. Denn die Gärten und Weinberge dieser Gegenden werden nur mehr ganz
sporadisch von einsamen Kirchen und Klöstern oder den ärmlichen Winzerbe-
hausungen unterbrochen, und in den öden staubigen Wegen begegnet dem Wanderer
selten ein lebendes Wesen.
82. Das Emporium.
Die antiken Ueberreste des Aventin sind überaus spärlich, insbesondere auf
der Höhe selbst. Sumptuose Nachgrabungen würden wohl nicht ohne Ergebnisse
sein können, allein der römische Grundbesitzer ist in der Regel nicht geneigt,
seinen Ackerboden zu verwüsten, um Ruinen ans Licht zu fördern, wenn er nicht
iLiv. I. 30. 2Macrob. Sat. I. \2. 3 Ovid. Fast, m. v. 837. < (Gic.) de har. resp. 15.
^Script. H. A. (Treb. Poll.) XXX tyr. 25. 6 Orelli, Inscr. No. 1256. ^Plin. XXXVI. 6, 7, 48.
8 Script. H. A. (lul. Capit.) M. Ant. 1. » (Lampiid.) Gommod. 16. (lul. Cap.) Pertin 5,
Das Emporium. 44/|
die Hoffnung hegt, durch bewegUche und verkäutliche Kunstobjecte für Mühe und
Aufwand reichliche Entschädigung zu finden. So müssen wir uns denn im All-
gemeinen mit den wenigen und unbedeutenden Resten begnügen, welche den Schutt
überragen.
Umgeht man den Aventinus an der Flussseite, so werden am Flusse ge-
legentlich antike Quaimauern sichtbar, meist in Backstein hergestellt und besonders
da deutlich, wo die antiken Salinen vermuthet werden. * Da jedoch, wo der
Aventin vom Flusse zurücktritt, und dadurch die Flussebene sich zu verbreitern be-
ginnt, finden sich die deutlichsten Spuren des antiken Landungsplatzes, welcher sich
jedoch in grösserer Ausdehnung an 500 Schritt südwärts erstreckt zu haben scheint.
Zunächst fanden sich 1868 an der Stelle, welche durch Marmorfunde seit dem 16.
Jahrhundert den noch anhaftenden Namen Marmorata erworben, noch fünf Aufgänge
vom Tiber her, die aber nicht stufenförmig, sondern in schiefen Terrassen an-
gelegt und von in den Fluss vorspringenden Wangen getrennt wsren. Die letztern
zeigten am äusseren Ende durchbohrte vorspringende Quadern, welche zur Be-
festigung jener Schilfe bestimmt waren, die zu löschen hatten. Man fand noch die
Bedeckung der Terrassen in grossen Backsteinplatten theilweise vor. Von der West-
ecke des Aventin ab scheint aber die Landungsstelle für überseeisches Baumaterial
gewesen zu sein, denn trotz einer mehrhundertjährigen Ausbeutung sind selbst in
neuester Zeit die Funde des hier im Alterthum aufgestapelten Marmormateriales
noch ausserordentlich gewesen, wie denn die von Erc. Visconti geleiteten Ausgra-
bungen von 1868 allein 493 Stücke Marmor, darunter 200 Serpentin und 140 Giallo-
blöcke ergaben. ^ Diese Ausbeute war auch in wissenschaftlicher Beziehung durch
die eingemeisselten oder mit Mennig geschriebenen Steinmalzeichen nicht unbedeutend.
Diese bewiesen nemlich, dass die Steinbrüche zumeist kaiserlich waren, dass der
afrikanische Marmor meist von den Flaviern, der Cipollin, Pavonazetto und parische
Marmor vorwiegend von Hadrian, der Giallo zumeist von M. Aurel importirt ward
und dass nach den Consulatsdaten der Import von 67 — 206 unsrer Zeitrechnung
hier stattfand. ^ Auch die aufgefundenen sog. Anticaglien in Bein- und Glasarbeit,
in Münzen, Gewichten, Prägeformen und Thonstempeln gaben der antiquarischen
Forschung manchen bemerkenswerthen StolT. ^
Eigentlich bauliche Reste des Emporiums befinden sich noch in der schwer
zugänglichen Vigna Cesarini (jetzt Torlonia). Sie müssen übrigens bis zum vorigen
Jahrhundert weit bedeutender gewesen sein, wie aus der bezüglichen Notiz von
> Liv. XXIV. 47. Frontin. de aquaeduct. I. 5. Solin. 1. 8. 2 a. Peliegrini , II portico Emilio coli
cmporio. Bull. d. I. d. c. a. -1868 p. 145— 152. ^ P. Bruzza. Scavi nella Marmorata. Bull. d. I. d. c. a.
1869 p. 9. *P. Bruzza, Varj oggetti rinvenuti nell' emporio Romano. Bull. 1872 p. 134.
F. Reber, Rom. 5g
442 ß^^ Avenlin und der Cälius.
einer grossen Qiiaderumfassung mit Innenwänden von opus incertum hervorgeht. ^
Das Gebäude hatte lang gestreckte (nach Fabretti in einer Ausdehnung von über 300 Met.)
Stufen vor sich. Wahrscheinlich hängen diese Reste mit mächtigen Magazinbauten
zusammen, von welchen drei ausdrücklich erwähnt werden, die horrea Galbiana, Ani-
ciana und LoUiana. Die erstgenannten, ausser den Regionsverzeichnissen auch
inschriftlich aufgeführt und wahrscheinlich mit dem capitoHnischen Planfragment
• • ALB -zu indentificiren , werden als Gründung des Kaisers Galba ausdrücklich
genannt. ^ Auf sie bezieht sich auch wahrscheinlich eine Notiz aus dem 1 2. Jahrh.
von dem »Schloss des Königs Galbia ausserhalb der Stadt mit einem Umfange von
3 Meilen und mit 360 Fenstern gleich den Tagen des Jahres«.^ Die Horrea Lolliana
aber werden in einer Inschrift genannt, ^ aus welcher zugleich hervorgeht , dass
ihr Gründer vor Claudius gelebt haben müsse, der also vielleicht derselbe
M. Lollius M. F. (Gonsul i. J. 733 d. St.) welcher mit M. Lepidus die fabricische
Brücke restaurirte. ^
83. Reste der servischen Mauer an der Westseite des Aventinus.
Wieder in die Via della Marmorata zurückkehrend und diese eine kurze Strecke
weiter nördlich verfolgend, durchschreitet man einen sehr verstümmelten Backstein-
bogen, dessen Bedeutung und ursprüngliche Bestimmung zu ermitteln alle Anhalts-
punkte fehlen. Unmittelbar neben diesem jetzt Arco di S. Lazzaro genannten
Bogen zur Linken, am Abhänge des Aventinus, sieht man noch einen kleinen Rest
einer Tufmauer, nur mehr aus 1 0 Blöcken bestehend, welche sowohl nach Material
und Fügung als nach ihrer Lage möglicherweise zu der servischen Ummauerung
gehört haben können. Weit mehr von dieser Mauer und jedenfalls auch einen
gewisseren Ueberrest findet man, wenn man von der Via della Marmorata um
Bastione di Paolo III. herum gegen S. Alessio den Aventin hinansteigt und dann in
das Dominicanerkloster von S. Sabina tritt. Im Klostergarten, welcher reich an
überraschenden Ansichten des Stromes und der Stadt den hier etwas steilen Ab-
hang des Hügels an der Flussseite einnimmt, sieht man unten die Reste von einer
Gemächerreihe mit schlechten Malereien und Graphitinschriften, ähnlich den am
Südwestabhange des Palatin. Diese aber lehnen sich an ein theilweise blossliegendes
ziemlich grosses Stück der servischen Mauer, welches jedenfalls zeigt, dass hier der
iRaph. Fabretti de aquis et aquaeductibus III. H. Piranesi Antich. R. IV. t. XLVIII. cf. T. t. XX. 1.
2 Chronogr. ai. 354 Mommsen p. 646. 21. 3 ßenjam. Tud. ed. A. Asher I. p 89. -» jyiurat. Incr. 891. 2,
5 Jordan, Topographia II. 68. Forma U. R. n« 43.
Die servische Mauer in der Vigna Torlonia,
443
Mauerring, ebenso wie diess bei der Roma quadrata der Fall war, und wie wir es
auch noch an den Resten des Quirinalis sehen werden, nicht auf dem Höhenrande,
sondern fast am Fusse des Hügels geführt war. Der Garten ist für den Alter-
thumsfreund auch durch mehre Kanäle interessant, welche ebenfalls dem er-
wähnten des Palatin ähnlich in den Tuf des Hügels gewühlt sind, und wohl ur-
sprünglich für den Abtluss der Hügelquellen und Brunnen, mithin als Zweigcloaken
dienten. Ein Kanal, zu dem man auf einer Wendeltreppe gelangt, wird wohl mit
Unrecht der Aqua Appia zugeschrieben. Bei anderen Nachgrabungen, ungefähr in
der Mitte des Abhanges, stiess man auf schöne Marmorpavimente, deren Bestimmung
jedoch nicht zu ermitteln ist.
84. Die servische Mauer in der Vigna Torlonia.
Den schönsten und bedeutendsten Ueberrest der servischen Mauer findet
man, wenn man von S. Sabina durch die Via di S. Prisca an die gleichnamige
Kirche gelangt, und dieser ungefähr gegenüber in die aus der Vigna de Gesuiti und
Maccarani vereinigte Vigna Torlonia
tritt. Etwa in der Mitte des hier
ziemlich sanft ablaufenden, Porta S.
Paolo zugewendeten Abhanges steht
noch ein in den letzten Jahren in
seiner ganzen Höhe blossgelegtes
Mauerstuck von 33 Met. Länge, an
den höchsterhaltenen Stellen über
13 Meter Höhe und fast 5 Met. Dicke.
Die beigefügte Abbildung, vor der
neuesten Ausgrabung hergestellt, ver-
anschaulicht keineswegs das Ganze
sondern nur ein Dritttheil zum Zweck
der Darstellung der Construction. Die
nicht ganz gleich langen, oblongen
Tufblöcke, welche, soviel die Verwitterung erkennen lässt, rustik behauen waren,
wechseln in regelmässigen Lagen nach dem Läufer- und Bindersystem ab. Jetzt
sind an den höchsten Stellen noch 24 Lagen in der Höhe erhalten; die Dimensionen
der Blöcke, durchschnittlich 0,48:1,10, sind dieselben wie an den übrigen servischen
Mauerresten. Die Mauer war vorher mit theilweise bemalten Ziegelbauten aus der
Kaiserzeit bedeckt, deren Abbruch zu der interessanten Entdeckung führte, welche
56*
47. Servisches Mauerslück am Aventin. (F. l\.)
444 D^'* Aventin und der Cälius.
jedoch leider die Zerstörung eines bedeutenden Theils der Mauer selbst zur Folge
hatte. Denn es war bereits ein grosses Stück, — angeblich sogar der Rest eines
Thores, — in der Absicht, die Quadern zu verkaufen, abgebrochen worden, als man
endlich die Bedeutung der Ruine ahnte, und die Demolirungsarbeiten einstellte.^
Der auf der Höhe der Mauer ruhende Bogen aber dürfte aus spaterer Zeit stammen,
als die Stadtmauer zu anderen und zumeist Privatzwecken benutzt werden konnte. —
Unweit von dem beschriebenen Mauerstück, westlich, befindet sich noch ein Stück
der Fortsetzung, einen rechtwinkligen Vorsprung bildend, aber leider nur in einer
Länge von 4 Met. und in einer Höhe von 1 1 Lagen erhalten.
Darauf beschränken sich alle namhaften Reste des Hügels und der Region
Aventinus; von der in die aurelianische Mauer eingeschlossenen Grabpyramide des
Cestius wie von dem etwas räthselhaften Monte Testaccio wird bei Beschreibung
der Stadtmauer die Rede sein.
85. Die Reste der Höhe von S. Saba und S. Balbina.
Wo möglich noch spärlicher als auf dem Aventinus sind die antiken Ueber-
reste des angrenzenden kleineren Hügels , den wir in Ermangelung eines antiken
Namens nach den beiden einzigen Gebäuden auf dem sonst völlig verlassenen Berg-
rücken als die Höhe von S. Saba und S. Balbina bezeichneten. Steigt man zu-
nächst zu S. Saba empor , so findet man dort in der Umfriedungsmauer des Vor-
hofes aussen rechts vom Eingange ein Stück von der Art der servischen Mauer,
freilich nur in wenigen sichtbaren Blöcken bestehend, in der modernen Mauer benutzt.
Reste derselben Mauer sollen auch in den angränzenden Vignen gefunden worden sein.
Unverkennbar antiken Ursprunges ist auch die Substruction des Plateau's von S. Bal-
bina, doch erscheint das Vorkommen von Stücken der servischen Mauer ^ in derselben
sehr problematisch, besonders an der Nordwestseite (Vigna Modetti) wo ein grö-
sseres Fragment jenes Quaderbaues schon der Lage nach nicht zur Mauerlinie der
Königszeit gehören kann. — Sonst sind nur noch die jetzt halb unterirdischen
Kammern in der genannten Vigna (Eingang Via di S. PaoloNo. i)bemerkenswerth, deren
einstige Bestimmung übrigens jetzt sehr unsicher ist. Unweit von diesen muss die
von den Regionsverzeichnissen genannte Area radicaria gewesen sein, vor welcher
dann die Prachtstrasse Via Nova vorbeizog, durch welche Caracalla^ den Anfang
der Via Appia zwischen dem Gircus und seinen Thermen ersetzt zu haben scheint.
1 Th. Mommsen, Römische Geschichte, 2. Aufl. Berlin. 1856. Bd. I. S. 216 f. ^ w. Gell, The
Topography of Rome and its vicinity. Lond. 1834. Vol. II. p. 405 sq. 3 Script. H. A. (Spartian. Carac. 9.)
Die Thermen des Caracalla.
44 5
86. Die Thermen des Caracalla.
Von S. Balbina aus hat man eine imposante Ansicht einer ausgedehnten
Trümmermasse, welche einen grosen Theil der bis an die Porta Appia sich erstre-
ckenden Tiefe einnimmt, nemHch der Ruinen eines der grössten Prachtgebäude Roms,
der Thermen des Antoninus (Caracalla). lieber diesen Namen selbst kann kein Zwei-
fel obwalten: denn einerseits geben sich die Ruinen selbst mit Sicherheit als Ther-
men zu erkennen, und als die antoninischen erweisen sie sich anderseits durch den
Ziegelbau und durch die Angabe derselben in der XII. Region {Piscina publica).
IXHartl
MillllllllWlllllWilll lIllWlIinMlililllUM
48. Grundiiss der antoninischen Thermen. (Nach Paliadio.)
Die Thermen haben überdiess traditionsweise immer den Namen getragen, so dass
die an der Gegend haftende Erinnerung sogar dem Wege, welcher zu den Ther-
men führt, den Namen Via di Antonino und einem anderen, näher an Porta S. Se-
bastiano den Namen Via della Antoniniana gegeben hat. Wenn wir, durch die
Via di S. Balbina zu der Via di S. Sebastiano herabsteigend, zur Rechten in den
erstgenannten Weg (di Antonino) einbeugen, so gelangen wir durch den hier unter-
brochenen Umfriedungsbau sogleich zum Innern der Anlage.
446 Der Aventin und der Cälius.
Der Gesammtbau der Thermen bestand nemlich — und dies war in ganz
analoger Weise auch bei den zwei erhaltenen anderen Anlagen der Art, den Ther-
men des Titus und des Diocletian, der Fall — aus zwei Theilen, dem innenliegen-
den Hauptbau (den eigentlichen Baderäumen), und einem fast quadratischen aus
einer Menge anderer Hallen und Gemächer bestehenden Umfriedungsbau , welcher
ohne baulichen Zusammenhang mit dem inneren Gebäude dasselbe in einer ziemlich
beträchtlichen Entfernung umgab. Der innere Bau misst 220 Met. in der Länge
und 11 4 in der Breite, der äussere 337 und 328 mit Ausschluss der Exedren, d. h.
der nach aussen vorspringenden Curven, welche die gegebene Länge noch etwas
überschreiten. Auf die Räume des Umfangsbaues, soweit sie erhalten sind, wird die
Beschreibung noch zurückkommen, wir wollen vorerst das Hauptgebäude betrachten.
Eingänge zu diesem befanden sich auf allen vier Seiten, auf der nordöst-
lichen Fronte zu den kalten Baderäumen, auf der südwestlichen zu den warmen,
womit auch die Disposition bei Vitruvius übereinstimmt. ^ Der moderne Zugang (/")
befindet sich an der nordwestlichen Schmalseite; da indess das Verständniss der
ganzen Anlage erfordert, von den mittleren Räumen auszugehen, so durchschreiten
wir vorläufig die Säle und Gemächer bis zu den grossen Saale [t). Dieser, wel-
cher 56 M. in der Länge, 23 M. in der Breite misst, vv^ird nordöstlich von der
äusseren Mauer des Hauptbaues begränzt, welche nach innen eine doppelte Reihe
von je neun Blenden zeigt, die abwechselnd halbzirkelig und rechteckig und so
gruppirt sind, dass zwischen je dreien sich ein etwas grösserer Zwischenraum be-
findet; die Blenden waren sicher mit Sculpturwerken ausgefüllt. Die beiden Schmal-
seiten waren gegen die anstossenden Nebensäle hin offen, d. h. nur durch Säulen
abgesondert, und die gegen das Innere liegende Langseite bildete drei Vertiefungen,
von welchen die innere rechtwinkelig, die beiden äusseren halbkreisförmig waren.
Dass dieser Saal bedeckt gewesen sei, wird durch keine Spuren bezeugt; der Zweck
desselben scheint auch keine Decke erfordert zu haben. Denn der beckenartig ver-
tiefte Boden zeigt, dass diess der Schwimmteich {natatio), das kalte Bad {frigidarium)
gewesen sei. An den beiden schmalen Seiten hat man noch die Spuren von den
Stufen, welche zu dem Becken hinabführten, gefunden und ergänzt. — An diesen
Schwimmbadraum stösst südwestlich ein Saal von ungefähr gleichen Dimensionen [li),
der jedoch durch die Ausweitungen an beiden Langseiten noch geräumiger wird.
Der Boden dieses Centralsaales, mit Recht für das Tepidarium (Laubadsaal) gehalten,
war mit einem kostbaren Marmorpavimente belegt, das sich besonders in den ni-
schenförmigen Ausweitungen, von welchen die beiden mittleren rechtwinkelig und
I
> Vitruv. V, iO.
Die Thermen des Caracalla. 447
die vier anderen fast kreisförmig sind, erhalten hat. Diese Exedren waren durch je ein
Säulenpaar von dem Saalraume selbst abgetrennt, wovon sich noch Schaftfragmente
aus grauem und rothem (Porphyr) Granit, wie mehre Compositcapitäle mit schönem
figürlichem Schmuck (Diana, Mars, Bacchus, Hercules, Genien mit Kränzen oder
Muscheln u. s. w.) in grösserer Zahl neuestens gefunden haben. Die beiden
mittleren Ausweitungen hatten in der Mitte zwei grosse Porphyrschalen, von denen
die eine (zerbrochen) gefunden und in das Museum zu Neapel gebracht wurde.
Das Kreuzgewölbe war von acht mächtigen Granitsäulen von 1,5o Met. Durch-
messei- unterstützt, von welchen die einzige erhaltene von Papst Pius IV. dem
Herzoge Gosimo I. geschenkt und auf Piazza di Trinitä in Florenz aufgestellt wurde.
Wie das Frigidarium, so stand auch das Tepidarium mit zwei nur durch Säulen-
stellungen abgesonderten kleineren Sälen in Verbindung, welche wahrscheinlich
ebenfalls für warme Bäder oder die hiezu gehörigen Dienstleistungen bestimmt waren ;
daran aber stiessen drei abgeschlossene Kammern (m. n. o.), welche zum Theil durch
complicirte Oefen, deren Maueransätze man noch sieht, zur Erhitzung des Wassers
in den veischiedenen Wärmegraden , zum Theil zur Vertheilung desselben in die
entsprechenden Baderäume eingerichtet waren. — Südwestlich reihen sich an den
Centralsaal drei Gemächer an, von welchen das mittlere zur Verbindung diente,
während die beiden grösseren und unregelmässigen zu beiden Seiten sich am wahr-
scheinlichsten als Requisiten- und Diener-Räume erklären. An diese aber schliesst
sich eine Rotunde (/) von fast 50 M. äusserem Durchmesser an, von welcher aller-
dings nur mehr sehr wenig und namentlich von dem über den Körper des Haupt-
baues vorspringenden Theile nichts mehr sichtbar ist. Lage und Form im Allgemeinen
lassen bezüglich der Bestimmung dieses Rundbaues zunächst an ein Laconicum, das
Schwitzbad denken, welches man nach Vitruv (a. a. 0.) neben dem Tepidarium und
als Rotunde zu bauen pflegte, doch scheint diese nach allen Seiten hin offen, d. h.
durch mehre Fenster oder Thüren durchbrochen gewesen zu sein, was wohl dem
Zwecke des trockenen, nur mit erhitzter Luft gefüllten Schwitzbades, welches ähnlich
dem Pantheon ausser einer Thüre nur an dem Scheitel der Kuppel eine Oefifnung
haben sollte, die je nach dem gewünschten Grade der Hitze durch eine Bronzeplatte
mehr oder minder verschliessbar war, nicht entsprechen dürfte. Die Blosslegung
des Pavimentes und Nachforschungen wegen des Hypokaustum, des Ofenraumes unter
dem Boden würden darüber völlige Gewissheit geben können. In den beiden er-
haltenen Pfeilern dieser Rotunde waren Wendeltreppen angebracht, welche zum
zweiten Stockwerke der Nebengemächei' führten.
Die beiderseits an diesen Mitteltheil sich anschliessenden Säle sind vollkommen
symmetrisch, wesshalb die Beschreibung der erhalteneren wie grösstentheils blosge-
|~|g Der Aventin und <iler Cälius.
legten Südostseite genügt. An das Frigidarium stossen mehre Gemächer, welche als Apo-
dyterien (Garderoberäiime) dienten, und einfache Mosaikmuster in dunkelgrün (Serpentin),
weiss, gelb und blassroth zeigen. In dem sowohl dem Frigidarium als auch dem Tepi-
darium zunächstliegenden Gemache {t) befindet sich in dem beiden Sälen gemeinsamen
Hauptpfeiler eine in Rechtecken gebrochene Treppe, welche wieder hergestellt und zu-
gänglich gemacht worden ist. Man gelangt durch diese in beträchtlicher Höhe auf
eine Art Terrasse, die noch Reste eines groben Mosaik in weiss und dunkelgrün zeigt.
Eine Masse von lose gewordenen keilförmigen Musivstückchen bedecken den Boden.
Man kann hier einige Gemächer übersteigen, von welchen die kleineren in zwei Stock-
werken bestanden, und gelangt so zu verschiedenen interessanten Ansichten der
Thermenanlage wie der Umgebung. Die Treppe in dem Pfeiler des entsprechenden Ge-
maches der nordwestlichen Hälfte (/i), ist nicht mehr zugänglich. Die oberen Geschosse,
von welchen jedoch wenig erhalten ist, dienten wahrscheinlich als Bibliothek, Pina-
kothek und für andere Sammlungen. — Tritt man von dem Gemache {() in das
östlich zunächstliegende (/), so sieht man hier wie in den anstossenden kleineren Räumen
schöne Pavimente in einfachen aber höchst wirksamen Mosaikmustern. Durch diese
Gemächer gelangt man in einen grossen länglichen Raum (/?), welcher einschliesslich
der äusseren Seitengemächer 42 M. breit und 66 M. lang ist. Er war, wie es
scheint, in der Mitte hypäthral, d. h. unbedacht mit zwei Tribünen an den beiden
Langseiten, einer kleineren nach Aussen und einer grösseren nach Innen. Die erstere
hatte noch Säle zu beiden Seiten, welche wie die Tribünen selbst durch Säulen
von dem Hauptraume getrennt waren. Der die drei anderen Seiten umziehende Neben-
raum, welcher ebenso wie der Mittelraum Mosaikpavimente der oben beschriebenen
einfachen Art mit einem breiten Band in Rankenornament zeigt, war, wie man an
den Spuren der Umfangsmauer sieht, in zwei von Säulen und einigen Pfeilern ge-
tragene Geschosse gegliedert. Am Boden liegen grosse wahrscheinlich zum zweiten
Geschosse der Seitenschiffe gehörige und herabgestürzte Pavimentstücke mit einer
Tritonen und Seeungeheuer darstellenden Musivarbeit in weiss und schwarz. In der
grossen Tribüne {(/) der inneren Langseite aber fand man das schöne und interessante
Pavimentmosaik der Athleten, welches grösstentheils — Fragmente liegen noch an ihrer
ursprünglichen Stelle — in den lateranischen Palast versetzt worden ist. ^ Dieses
ist in 63 oblonge Felder eingetheilt: von welchen die an den vier Ecken befind-
lichen sowie drei Felder aus der mittleren der sieben Reihen Siegeszeichen und Ge-
fässe, die übrigen abwechselnd Brustbilder, deren 26 sind, und Athletengestalten
zeigen, viele mit Preisen in den Händen, andere die Arme zum Faustkampf um-
riemt oder auch mit einer Art an den Gelenken gebundener Stulphandschuhe be-
1 G. P. Secchi, II Musaico Antoniniano. Roma <843. fol.
Die Thermen des Caracalla. 449
kleidet, andere mit dem Diskos, einer mit drei kurzen Wurfspiessen — alles in ziem-
lich feiner, bunter Darstellung. Bei den meisten Athleten sieht man einen Haarbüschel
am Hinterkopfe, über zweien der gefeiertsten steht der Name, lovinus Alumnus trägt
einen Kranz mit fünf gebogenen Spitzen und die Palme. Diess Mosaik weist auf die
auch sonst nnchstliegende Annahme, dass dieser, wie der entsprechende Saal der
anderen Seite (vielleicht bei ungünstiger Witterung) als Palästren oder Sphäristerien
(Ballspielsäle) gedient haben , wobei man das zweite Geschoss der Seitenschiffe als
Zuschauerraum denken kann. Jedenfalls war der Boden der Tribüne auf dem anderen
Flügel mit einem ähnlichen Mosaik geschmückt, welches noch — wenigstens ist von
einer Ausgrabung und Herausnahme desselben nichts bekannt — wie so viele andere
Kunstwerke unter dem Schutte der eingestürzten Gewölbe begraben liegt. — Welchen
Zweck die jetzt nur von der Vigna del Collegio Romano aus zugänglichen Gemächer-
reihen am südwestlichen Rande des Hauptbaues zu beiden Seiten der Rotunde hatten,
ist nicht kenntlich. Sie hatten alle, als gegen Südwest, der sonnigen und warmen Seite,
gewendet, keine Thüren, sondern breite Eingänge mit Säulenstellungen, wodurch jeden-
falls der Gedanke an Lakoniken ausgeschlossen wird. Auch die Eläothesien oder Uncto-
rien (Salbezimmer) scheinen nach Vitruv (a. a. 0.) beim Frigidarium, mithin an der
Nordostseite gesucht werden zu müssen. Am wahrscheinlichsten ist, diese Säle eben-
falls als Badesäle (Tepidarien) anzunehmen, deren, nach den IGOO Badesitzen,'' jeden-
falls mehre gewesen sein müssen; gewiss aber entbehren die Erklärungen jedes ein-
zelnen Raumes, wie wir sie bei Bleuet und Bunsen finden, aller sicheren Begründung.
Von dem äusseren Umfangsbau ist die nordöstliche Seite am besten erhalten.
Um die Reste zu sehen, trete man von der Via di S. Sebastiano aus und nordwestlich
von der Kirche SS. Nereo e Achilleo in die Vigna Gavotti. Hier sieht man eine lange
Reihe von Kammern gleicher Gestalt und Grösse (a), wie die ganze Anlage überhaupt
von Backstein, nach der Strasse hin oifen, mehre sogar noch überwölbt und mit Spu-
ren eines zweiten Geschosses, womit auch die sechs Doppeltreppen, deren Ansätze
man noch erkennt, übereinstimmen. In der Mitte, wo sich die Parallelmauern der Kam-
mern etwas ferner stehen, befindet sich der Haupteingang zu den Thermen selbst.
Die noch übrigen Gewölbe sind jetzt theilweise mit Wasser gefüllt und befinden sich
desshalb in einem sehr herabgekommenen Zustande, lieber den Zweck dieser Kam-
mern hat man verschiedentlich geurtheilt. Gewiss mit Unrecht hielten sie einige für
(he Gemächer der Thermendiener oder der Wachen, denn für beide hätte man kaum
einen so umfangreichen Bau aufgeführt, welcher auch für eine übergrosse Anzahl der
dabei Bediensteten noch zu gross erscheint; wahrscheinlicher ist, dass die gegenseitig
' Phot. Bibl. (Olympiod.) 80. p. 63. (Bekk.)
1'. Reber, die Ruinen Roms. 57
450 0^'' Aventin und der Cälius.
verbindungslosen Kammern zu Einzelbädern (vielleicht für Frauen) gedient haben. An
der Südostseite ist in der Vigna del Collegio Romano , zu welcher man durch die Via
della Antoniniana gelangt, nur mehr ein nach Innen abgerundeter massig grosser Saal (c)
erhalten, das Uebrige erhebt sich nur sehr spärlich über den modernen Boden. Desto
mehr linden wir aber auf der ebenso angelegten Nordwestseite, zu welcher man von
der Via di Antonino aus, dem modernen Eingange zu den Thermen fast gegenüber
(Vigna Agatucci), gelangt. Die Umfriedung bildet nemlich hier eine segmentförmige Aus-
beugung, welche von einem überwölbten Corridor derselben gekrümmten Gestalt, des-
sen Wölbungsansätze an den erhaltenen Pfeilern und Mauern noch theilweise sichtbar
sind, umsäumt war, und drei Säle (b) enthielt, die wahrscheinHch für die geistige Un-
terhaltung, die rhetorischen, poetischen und philosophischen Vorträge und Discussionen
bestimmt waren. — '■ Die vierte Seite der Umfriedung (Südwest) gehört wieder gröss-
tentheils zu dem schon erwähnten Weingarten des Collegio Romano, dessen Reben
jedoch, von Jahr zu Jahr schwächer, mit dem Schilfrohr der etwas sumpfigen Fläche
einen in ungleicher Weise begünstigten Kampf zu bestehen haben. Zwischen vier wahr-
scheinlich zur Vorbereitung für gymnische Uebungen und auch für diese selbst be-
stimmten Sälen (Apodyterien, Eläothesien, Conisterien), von denen zwei ((/) sehr geräu-
mig waren und schön ausgestattet gewesen zu sein scheinen, befand sich ein grosser
Wasserbehälter in vielen Zellen (e) und vor diesem gegen das Innere gewendet die
Cavea eines Stadium; die Reste dieser Seite überragen den modernen Boden nur mehr
in geringer Höhe. Den grossen Zwischenraum zwischen dem Stadium und dem Haupt-
bau nahmen ohne Zweifel grüne mit Wandelgängen durchschnittene Anlagen, von den
Griechen ne^idfjöf-uöat, von den Römern xysti genannt, ein, deren Unerlässlichkeit hier aus
Vitruv^ sicher hervorgeht. Wie wesentlich auch Rasenplätze, deren niedriges Gebüsch
Platanen, Pinien und Cypressen überragten, wohl von Fontänen belebt und gekühlt,
die Schönheit und den Reiz des Ganzen erhöhen mussten, braucht nicht besonders
hervorgehoben zu werden. Wahrscheinlich umgaben die Anlagen den ganzen Mittel-
bau und wir haben desshalb nicht nöthig, mit A. Rich^ rings herum eine Säulenhalle
anzunehmen, von welcher man keine Spur gefunden hat.
Diese Thermen wurden im Consulatsjahre des Sabinus und Venustus,^ 21 G v. Chr.,'^
erbaut, doch nicht vollendet. Die Einweihung nahm Elagabal vor, während erst Alexan-
der Severus die Porticus (wohl die Umfriedung) vervollständigte.^ Wir begreifen leicht
aus den Ruinen, obwohl die düsteren Wände jetzt alles Marmorschmuckes beraubt sind,
wie diese Bäder »grossartig und prächtig« genannt werden konnten.^ Als Hauptmerk-
* V. 11. * lUustrirtes Wörterbuch d. röm. Alterth. Par. und Lpz. 1862. S. 621 fg. ' Cassiod.
Chron. (Rone. II. col. 208.) * Hieron. Chron. (Rone. T. col. 472.) " Script. H. A. (Lamprid.) Heliogab. 17.
Alex. Sev. 25. " (Spartian.) Sept. Sever. 21. Carac. 9.
Die Columbarien der Vigna Codini. 45^)
Würdigkeit wird an der letztangezogenen Stelle erwähnt, dass die ungeheure Wölbung
der Cella Solearis (Miltelsaal kF) von einem ehernen Netze getragen wurde. Die weit-
läufigen Räume enthielten 1600 Badesitze,'' wonach jedenfalls der grösste Theil des
Erdgeschosses für Baderäume benutzt sein musste. Auf diese wenigen und kurzen
Notizen beschränken sich die classischen Nachrichten; dass jedoch die Thermen sogar
noch zu Anfang des 6. Jahrhunderts im Gebrauche waren, erhellt aus den Restaura-
tionen des Theodorich, von welchen man noch Ziegel mit dessen Namen entdeckt hat.
Bald nachher aber müssen sie in Verfall gerathen sein.
In der Mitte des 1 G. Jahrhunderts, unter P. Paul III., veranstalteten die Far-
nese eine Ausgrabung, bei welcher eine grosse Anzahl kostbarer, meist fragmentirter
Sculpturwerke, darunter aber namentlich der berühmte Herakles des Glykon^ und die
Gruppe des farnesischen Stieres gefunden ward, der zahlreichen Relief- und Säulen-
fragmente von kostbarem Marmor, Bronzestatuetten, Lampen, Cameen und Münzen ^
nicht zu gedenken ; aus diesen Thermen stammen auch die beiden Porphyr-Brunnen-
becken auf Piazza Farnese.* Im J. 1564 wanderte die letzte der kolossalen Säulen
des Mittelsaales (zu Anfang desselben Jahrhunderts scheinen noch mehre gestanden zu
sein 2) nach Florenz, wo sie, mit einer Victoria geschmückt, zur Erinnerung an Cosimo's
Sieg über Pietro Strozzi aufgestellt wurde. — Papst Paul V. schenkte die Ruine dem
Seminarium Romanum,^ in dessen Besitz sich jedoch der grösste Theil nicht mehr be-
findet; der Mittelbau ist Eigenthum der Regierung. Die Ausgrabungen, welche Conte
E. di Velo im Jahre 1 823 unternahm, ergaben nur unbedeutende Sculpturreste, hatten
aber eine genaue Planaufnahme mit Beschreibung von De Romanis und Blouet zur
Folge. '^
87. Die Columbarien der Vigna Codini.
Das spitze Dreieck, welches einerseits von der Via Appia (di P. S. Lorenzo),
anderseits von der Via Latina und an der Grundlinie von der aurelianischen Mauer
begränzt wird, war ursprünghch, wie diess neben allen Strassen zunächst der Stadt
(nach dem servischen BegriÜe) und besonders an der Appia der Fall war, mit Grab-
mälern dicht besetzt. Die Zerstörung der einen verschüttete die andern, und so kömmt
es, dass man fast überall, wo man Nachgrabungen veranstaltet, auf zerstörte Gräber
stösst. Dass aber auch von erhaltenen Grabdenkmalen noch viele unter dem moder-
' Vgl. S. 449. Anm. 1. * Aldroandi, Raccolta delle Statue di Roma. R. 1554. id. Memorie 1556. n». 18.
(Fea, Miscell. I. p. CCXI.) ^ Bartoli, Mem. n«. 78. (Fea, Miscell. I. p. CCXLl sq.) * Fl. Vacca, Mein. n". 23.
(Fea, p. LXV.) * Albertini Opusc. de Mirabilibus nov. et vet. U. R. 1515. fol. 20. « Donati de IJrlje Roma
L. III. c. 19. (Graev. Th. A. R. tom. III. p. 776.) ^ G. A. Biouet, Restauration des thermes d'Antonin Cara-
caila ä Rome. Par. 1828.
57*
452
Der Aventin und der Cälius.
nen Boden ruhen, mag daraus erhellen, dass man vier derselben in und unmittelbar
an einer einzigen Vigna (Codini) fand, welche nicht bloss zugänglich gemacht, sondern
auch durch neue Gewölbe und Bedachungen geschützt wurden. Es sind diess jedoch
insgesammt Libertengraber ohne persönliches Interesse, in culturgeschichtlicher Beziehung
aber wegen ihrer vorzüglichen Erhaltung von grossem Werthe. Sie werden Columbarien
genannt, w eil die Aehnlichkeit der kleinen Nischen , in welchen sich in einer doppelten
Vertiefung am Boden die Aschentöpfe befinden und welche die Wände innen ringsum
von oben bis unten durchbrechen, mit den Taubenlöchern an Taubenschläge erinnern
musste. Diese Löcher sind in der Regel ganz schmucklos, die eingelassenen irdenen Töpfe
mit ebenfalls irdenen Deckeln bedeckt, und nur ein kleines dabei angebrachtes Mar-
mortäfelchen enthält die Namen des in den Doppeltöpfen beigesetzten Paares. Der eine
oder andere Beigesetzte wurde durch eine kleine Aedicule in Stuck, welche seine Nische
schmückte, oder durch eine marmorne Aschenkiste ausgezeichnet. Manche Columbarien
sind durchaus mit grösserem Aufwände angelegt, und gliedern sich schon in mehr oder
minder reich ausgeschmückte Familiengräber,
Zwei sehr einfache Columbarien findet man, wenn man in die Via di P. S. Lo-
renzo No. I 4 eintretend die Vigna Codini bis nahe an die Via und Porta Latina durch-
schreitet. Das eine davon wurde im J. 1840 entdeckt.* Eine schmale und steile Back-
steintreppe von 20 Stufen führt der einen Wand entlang hinunter in ein länglich
viereckiges Gemach, dessen (moderne)
Decke durch einen massiven ebenfalls
oblongen Pfeiler in der Mitte gestützt
wird. Die Anlage der Grabstellen ist
hier überaus einfach; denn die vier
Wände und der Pfeiler selbst sind mit
der grössten Raumersparniss ganz mit
den halbkreisförmigen Nischen, welche
den Columbarien ihren Namen gaben,
bedeckt, und zwar in 9 Reihen über-
einander, so dass sich die Summe von
425 Nischen berechnet, welche, da
jede zwei Aschentöpfe aufnahm, mit
den einzelnen an den Bodenbänken
angebrachten Grabstellen Raum für
i'-i. Innere Ansicht eines Columbariuin. (F. R.)
' Cav. G. P. Campana, Di due sepolcri Romani del secolo di Augusto scoperti tra la via Latina e I'Ap-
pia presso la tomba degli Scipioni. R. 1840.
Die Columbarien der Yigna Codini.
453
Gruniii'iss eines Golutnbui'iuii
909 Verstorbene enthielten. An den Wänden sind die Grabstellen von fast durchweg gleicher
Beschaffenheit ; einige jedoch sind viereckig ausgeweitet und enthalten marmorne Aschen-
kisten, von welchen eine unten
abgebildet ist, was besonders
am Pfeiler häufiger der Fall ist,
der überhaupt zur Aufnahme der
hervorragenderen Persönlichkei-
ten bestimmt gewesen zu sein
scheint. Die so erweiterten Höh-
len sind meist mit einem von
Halbsäuichen getragenen Giebel
in bemaltem Stuck geschmückt.
In den vier grossen, fast 2 Met.
hohen Nischen , welche an den
vier Seiten des Pfeilers unten
angebracht sind, fand sich eine
/(/Ak/ Urne, eine Aschenkiste und eine
Büste, unter welcher letzteren
man den Namen p • valerivs • creticvs liest. An den beiden längeren Seiten des Pfeilers
reichen die Columbarlöcher bis zur Decke, an den beiden schmäleren wird der obere
Theil von je vier durch Gesimse getrennte Fresken eingenommen, welche ein bekränztes
Bildniss eines Mannes, einen Pfau, Hahn, ein Kaninchen, Tauben und andere Vögel,
Früchte, Geräthschaften und Rosengewinde
— ziemlich roh gearbeitet darstellen. Die In-
schriften sind ohne namentliches Interesse; sie
nennen meistens Freigelassene und Hofbedien-
stete aus der Zeit der drei ersten Kaiser.
Nicht weit davon befindet sich ein anderes
im J. 1847 entdecktes^ Columbarium von ähn-
licher Gestalt und Einrichtung , doch ohne den
Mittelpfeiler , mit einer Treppe derselben Con-
struction und Stufenzahl. Auch die Columbar-
höhlen befinden sich in neun regelmässigen
Reihen übereinander, sind aber häufig mit Gie-
beln, in rolh und blau roh gemalt, verziert. Hier wurden mehre Aschengefässe in
Muniionie Aschunkisic uus einem Coluinl)arium. (i\a<-h
Canipaiiii.)
' Bulletino d. Inst. d. Corrisp. arch. 1847. IM. 6. Marzo. p. 4 9— 51. (Colombario detto di famiglia dl Pompeo.)
454 ^er Aventin und der Cälius.
Marmor und Terracotta, an 400 Marmorepigraphe zum Theil noch an ihrer ursprünglichen
Stelle und andere Gegenstande gefunden, auch drei Büsten befinden sich noch an ihrem
Platze, In dem Fussboden sieht man eine in Stuck mosaicirte, theilweise unleserliche In-
schrift, aus welcher hervorzugehen scheint, dass Freigelassene aus der letzten Zeit der
Bepublik diese Grabstätte errichteten:
C • MEIVIIVIIVS OL- ALEXAN
DROS • SEXPOIVIPEI DSPD-D
CVRATORIS .... NimENT
In diese Zeit bis Tiberius gehören auch die Epigraphe.
Unferne von diesen beiden Columbarien in der benachbarten Vigna Sassi und
ganz nahe an der Porta Latina befindet sich ein drittes , bei weitem schöneres , schon im
J. 1831 entdeckt.^ Eine moderne Treppe führt zu dem noch erhaltenen antiken Ein-
gange, welcher von einem schon zerstört gefundenen Vorgemach in das untere Grab
hinabführt, lieber dem Eingange befindet sich eine Musivinschrift :
CN • POIVIPONI/
HYLAE
POIVIPOIMIAE • CN • L
VITALINIS
unter welcher zwei Greife zu beiden Seiten eines Dreifusses gemalt sind. Oberhalb be-
findet sich eine rechtwinkelige Blende, deren Gewölbe grottesk mit Muscheln bekleidet
war. Steigt man nun die antike Backsteintreppe ganz hinunter, so gelangt man an ein
fast quadratisches Gewölbe, welches ursprünglich halb unterirdisch war und in seinem
unteren Theile in den lebenden Tuf selbst gehauen ist. Das noch erhaltene Tonnenge-
wölbe ist mit Rebengewinden in grossen, anmuthigen Verschlingungen bemalt ; auf den
Zweigen derselben tanzen und ruhen Genien in mannigfachen Stellungen, mit Vögeln
u. dgl. abwechselnd. Die Grabstätten an den Wänden herum sind nach Familien durch
Doppelädiculen gegliedert , welche von verschiedener Gestalt sind , gewöhnlich aber im
unteren Geschosse Pilaster, im oberen dorische Gebälke und Giebel tragende Halbsäulen
zeigen. Die beiden durch Gesimse geschiedenen Geschosse dieser Aediculen enthalten
je eines der Columbarlöcher mit doppelten Aschentöpfen, Von besonderer Schönheit und
reich an Stuck- und Marmorornamentik sind die zwei Aediculen unmittelbar bei der
Treppe, und das Hauptdenkmal in der grossen 2, so M. weiten und ebenso hohen halb-
kreisförmigen Nische. Das letztere enthält acht Aschentöpfe, vermuthlich von sechs Kin-
dern und den beiden Eltern, deren Bildnisse über der Hauptvertiefung gemalt sind und
deren Namen die Inschrift unterhalb nennt:
Q GRANIVS • NESTOR FEC
SIBI • ET VINLEIA • HEDONE
CONIVGI • BENE • m
* Bulletino d. I. d. C. a. VII. 1 831 . Luglio, Columbario d'Ottavia nelia via Latina. p. 97. 98. & 1 832. Gennaro. p. 5.
Diis Grabmal der Scipionen. 435
Auch Fries und Giebelfeld dieses Hauptgrabes sowie die Wölbung der grossen Nische
sind mit heiteren Gestalten und Laubgevvinde bemalt. Merkwürdig ist noch von den übri-
gen Aediculen der Hauptnische die Verbin(|ung von je zwei durch einen gemeinsamen
Giebel, dessen Spitze jedoch unterbrochen ist , um einem halbkreisförmigen Mitteltheile
Platz zu machen, eine Geschmacklosigkeit, welche der Barockstyl mit besonderer Vorliebe
nachgeahmt und in Anwendung gebracht hat. An der Treppenseite befinden sich in acht
Reihen übereinander die ärmlichen Columbarlöcher ohne weitere Ausschmückung. Ausser
einer grossen Anzahl von Namentafelchen fand man mehre schön gearbeitete Aschen-
kisten, Reliefs und Reste von Statuetten in Marmor und Terracotta, verschiedenes Ge-
räthe, Lampen, eine goldene Nadel, eine Krystallvase u. a. m. Die Inschriften sind ohne
besonderes Interesse und meistens von Freigelassenen und Bediensteten des Augustus,
wesshalb man diess Grabmal dem Gesinde {familia) dieses Kaisers und überhaupt seines
Hauses zugeschrieben hat.
Neben diesem Grabmale stiess man noch auf mehre kleinere Columbarien, die
man jedoch bereits geplündert und zerstört fand.
Ein viertes Columbarium ebenfalls von der reicheren Art befindet sich in der
westlich anstossenden Vigna, ganz nahe an der Via Appia. Dieses besteht in einem ziem-
lich schmalen dreiseitigen und in rechten Winkeln gebrochenen Corridor. Die Mauern
von Netzfach sind mit schönen Festonen und anderer Ornamentik bemalt, sonst aber an
allen Seiten für Columbarhöhlen benutzt, von welchen die grösseren zur Aufnahme von
Aschenkisten cubisch ausgeweitet sind. Hier fand man mehre Sarkophage und von den
Gerippen noch wohl erhaltene Schädel. Die Inschriften, ebenso wie in den zwei anderen
kaiserliche Liberten der augusteischen und unmittelbar nachfolgenden Zeit nennend, sind
ohne Namensinteresse, doch geben einige nicht unwichtige Aufschlüsse über die Hof-
chargen, wie von Aufsehern an den beiden Apollo-Bibhotheken auf dem Palatin u. a. m.
Auch ein Lieblingshündchen war unter den Liberten beigesetzt worden. Das erst vor fünf
Jahren blossgelegte Grab harrt noch der Publication und wird desshalb nur auf sehr
nachdrückliches Verlangen gezeigt.
88. Das Grabmal der Scipionen.
Wenn wir die beschriebenen vier Columbarien als Curiositäten untergeordneter
Art ohne historisches Interesse und ohne Sympathie für die Tausende , deren Staub sich
grossentheils noch in den irdenen Aschenkrügen befindet , betrachteten , so werden wir
wohl die südöstlich nächstanstossende Vigna (No. 1 3), über deren unansehnlichem Ein-
gange sich die Aufschrift »Ingresso al Sepolcro degli Scipioni« befindet, mit ganz anderen
Gefühlen betreten. Gibt es doch wenige Gräber in der Welt, an denen eine grössere
456
Der Aventin und der Cälius.
Erinnerung weltgeschichtlich ruhmvoller Vergangenheit haftet, als die Grabstätte der Sci-
pionen, wenn auch manches Columbarium reicher geschmückt und mit grösserem Auf-
wände hergestellt war. In der That bewegte auch den Verfasser dieses, als er vor dem
modernen und ziemlich geschmacklos decorirten Portale des Grabmales selbst sass, um
die Zeichnung anzufertigen, nach welcher das Titelbild dieses Buches ausgeführt ist, mehr
Empfindung, als vor manchem grossartigen Bau, den der Stolz der Cäsaren hatte er-
stehen lassen !
Hier eintretend, gelangt man bei Fackelschein durch einen kurzen , ebenfalls mo-
dernen , unterirdischen Corridor zu der unregelmässig in den -weichen Tuf gewühlten
Gruft, die aus mehren schmalen und niedrigen einander durchschneidenden Gängen be-
steht. Die jetzige Gestalt derselben ist jedoch leider von der antiken sehr verschieden,
sowohl in Folge der zu wenig sorgsamen und beaufsichtigten Ausgrabungen als auch der
vielen Substructionsmauern , welche der drohende Einsturz einzelner Gänge erforderte ;
und selbst der Plan, welcher gleich nach der ersten Ausgrabung im J. 1780, dem Jahre
der Entdeckung, angefertigt wurde und sich in der Form eines Modells im Besitze des
Herrn Vincenzo Titoli'' befinden soll, lässt sich, zuverlässig schon an sich von der ur-
sprünglichen Anlage verschieden, auch in dem gegenwärtigen Zustande kaum wieder
erkennen.
Die Gruft, welche nach zwei
Seiten zugänglich war, westhch
von einer Strasse aus, welche die
Latina und Appia verband und
südlich von der Appia selbst,
nimmt an jener Seite einen Raum
von etwa 26, an dieser von etwa
17 Met. ein. Der antike Ein£:an^
an der Verbindungsstrasse , jetzt
ebenfalls unterirdisch, ist in sei-
ner Aussenseite noch theilweise
sichtbar, dient jedoch jetzt nicht
mehr seinem ursprünglichen
Zwecke, denn der moderne Ein-
gang ward an einer andern Stelle,
von der Via Appia aus, hineinge-
brochen. Von jenem antiken Eingange aber bildet der Tuffelsen selbst, sorgfältig behauen.
Gi-uridriss des Scipioiieiigrabes. (Nacli Cotlafavi.)
ioMet.
' Eine Abbildung davon bei Nibby, Roma nell' anno 1838. Parte II. ant. tav. XXII. a.
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Das Grabmal der Scipionen.
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457
die Wand. Ueber dem aus wenigen Tufblöcken construirten Eingangsbogen läuft ein
einfacher Gürtel und über diesem waren Halbsäulen ionischer Ordnung mit attischen Ba-
sen angebracht, von welchen noch eine zur Linken theilweise sichtbar ist. Das Uebrige
der Wand ist mit Stuck bekleidet, der in wenigen Resten noch Spuren rother Bemalung
zeigt. Von diesem Eingange aus verzweigen sich zur Linken die in den Tuf gebrochenen
Gänge, während sich zur Rechten drei in Backstein gemauerte und gewölbte Kammern
befinden. An verschiedenen Stellen sind die Inschrifttafeln der hier bestatteten Mitglieder
der berühmten Familien und einige schmucklose Reste der in den Tuffelsen eingelassenen
Steinsärge angebracht. Doch letztere, roh in grauem Tuf gearbeitet, sind fast bis zur Un-
kenntlichkeit zerstört, und jene sind nur Copien der hier gefundenen Inschriften , selbst
diese nicht vollzählig und ganz willkürlich da angebracht, wo sich eben ein passender
Platz fand, wesshalb sie auch keine besondere Beachtung verdienen. Jedenfalls aber
bleibt es sehr beklagenswerth, dass dieses Grabmal des in der Geschichte unsterblichen
Geschlechtes der Scipionen nicht mit mehr Schonung und Pietät behandelt worden ist.
Alles Erhaltene aber, was man gefunden, wurde im vaticanischen Museum in der Ro-
tunde des Torso von Belvedere aufgestellt , wesshalb es besser sein wird , es dort im
Originale zu betrachten.
Das älteste und hervorragendste Denkmal aus dieser Sammlung ist der Sarkophag
des Corn. Luc. Scipio Barbatus. Dieser ist von grauem Tuf (Peperino) und mit Attributen
des dorischen und ionischen Styls, mit Triglyphen, verschiedenartigen Rosetten in den
Metopen und dem ionischen Zahnschnitt ornamentirt. Der Deckel, welcher zur Hälfte er-
gänzt ist, zeigt an den Ecken die Spiralen des ionischen Capitäls. Von dem ganzen Sar-
llililllliiül I i!ll!ili!ll!p)!!JP|'iW#|!!|!|l|!!!!lii!lli!H\ia.^ mä I\
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,^bR/^E,U»Vs'-'uVciV^-'SGTPlöiBAR6mS%K/AIVbD^P^^^
illlliiii!lllii!!l!illllllliiiil!;li!i!iiiillliillliiiiiiiy
53. Saikophu'; des (Idi-ii. Lucius Scipio Haihalus. ;l'. U.)
F. Ukhek, die Ruinen Roms.
58
• '■^i,
458 f^^'" Aventiii und der Cälius.
kophage ist jedoch nur die eine Langseite und von den beiden Schmalseiten nur ein
kleines Stück so ausgeziert, da der übrige Theil in den Tuffelsen des Grabgewölbes ein-
gelassen war. Der mit Menig auf den Deckel gemalte Name, wie die durch den Styl
(saturnin. Verse) und die gegebenen Nachrichten höchst interessante auf den Sarkophag
selbst eingegrabene Inschrift ist auf der beifolgenden genauen Abbildung (S. 457) deut-
lich und selbst mit der Eigenthümlichkeit der alten Buchstaben zu ersehen.
Das Wort Samnio der vierten Zeile ist Ergänzung , wahrscheinlich stand an der
Stelle desselben ein anderer Stadtnamen. Die Archaismen Gnaivod für Gnaeo, quoius für
cums, virtutei statt virtute, quei für qiii, die Abkürzungen Tmirasia, Cisauna für Taurasiam
und Cisaunam, omne Loucana für omnem Lucaniam, sowie abdoiicit für ahducit u. a. wer-
den kaum befremden, die inschriftlichen Angaben aber geben Thatsachen von den unter-
italischen Kriegen, die wir sonst aus der Geschichte nicht im Einzelnen kennen.^ Das
Consulat dieses Scipio fällt in das Jahr 456 d. St. (298 v. Chr.), wonach der Sarkophag
zu den ältesten noch erhaltenen römischen Monumenten gehört.
Eine in ähnhcher Weise abgefasste Lobesinschrift fand sich auch von dem gleich-
namigen Sohne dieses, welcher im J. d. St. 495 (259 v. Chr.) Consul war, und wie sein
Vater im Samniterkriege, so in Corsica seinen Kriegsruhm erwarb, worauf er, wie auch
anderwärts erzählt wird,^ in der L Region (Porta Capena) ^ den Tempestates einen Tem-
pel weihte. Diese Inschrift, schon im J. 1616 ausgegraben, befindet sich jetzt in der bar-
berinischen Bibliothek an der Mauer links vom Eingange und lautet also :
HONC • OINO PLOIRVME COSENTIONT • R. • . .
DVONORVIVl • OPTVmO • FVISE VIRO
LVCIOlVI SCIPIONE FILIOS BARBATI
CONSOL • CENSOR • AIDILIS • HIC • FVET A. . .
HEC • CEPIT CORSICA ALERIAQVE • VRBE
DEDET • TEMPESTATEBVS • AIDE • IVIERETO
Der hiezu gehörige Titel war wieder bloss mit rother Farbe gemalt (gefunden 1780.
Mus. Vatic. No. 1 7) :
CORNELfO L F SCIPIO
' AIDILES • COSOL CESOR
Von den Archaismen dieser Inschrift bedürfen nur das Wort diionorum flir bonorum und
die Formen oplumo viro lAiciom Scipione für optimum viriirn Luciiim Scipionem, filios für
filius nebst den anderen accusativischen Abkürzungen der Erwähnung. — Eine dritte
Inschrift der Art nennt den etwa ein halbes Jahrhundert später lebenden Sohn des be-
rühmten Scipio Africanus, welcher nur die Würde eines Flamen Dialis bekleidete, den-
selben, welcher als kinderlos den nachher unter dem Namen Scipio Africanus Minor
' Liv. X. 12. 13. Frontin. Strateg. I. 6 11. * Ovid. Fast. VI. v. 193 sq. ' Notitia dign. Reg. I.
#*
*
Das Grabmal der Scipionen. 459
bekannten Sohn des Aemilius Paullus adoptiite^ (gefunden 1780 in 2 Platten. Mus.
Vat. No. 22):
QVEI APICE INSIGNE • DIALIS • FLAIVIINIS • GESISTEI
mORS • PERFEcit • TVA VT • ESSENT • OIVINIA
BREVIA • HONOS • FAIVIA • VIRTVSQVE
'^ GLORIA ATQVE • INGENIVIVl QVIBVS SEI
IN LONGA LiCVISETTIBEVTlER VITA
FACILE FACTEIS • SVPERASES ■ GLORIAIYI
MAlORViVI • QVARE • LVBENS • TE • IN • GREMIV
SCIPIO • RECIPIT • TERRA PVBLI
PROGNATVm • PVBLIO • CORNELI
Die drei angeführten Inschriften, von welchen besonders die letzte von hoher poetischer
Schönheit, sind metrisch und aus der Classe der saturninischen Verse, deren Ende zu-
weilen durch kleine horizontale Striche angezeigt ist. Aus der Form derselben vermuthet
Niebuhr mit Recht, dass wir in ihnen theilweise oder ganze Nänien besitzen, ^ jene Lob-
lieder, welche bei Leichenbegängnissen zur Flöte abgesungen zu werden pflegten.^ —
Ungeftihr derselben Zeit gehört der fragmentirte Titel der Gemahlin des Cn. Cornehus
Scipio Hispallus, welcher in seinem Consulate (578 d. St.) starb, an (Mus. Vat. No. 21):
AVLLA CORNELIA • CN F HISPALLI
Ebenso der Stein des L. Corn. Scipio, des Asiaticus Sohn (Mus. Vat. No. 19), und ein
anderer fragmentirter von einem Enkel des Asiaticus, der nur ein Alter von 16 Jahren
erreichte (Mus. Vat. No. 1 8) : H
L • CORNELI L F P n RNELIVS L F L N
SCIPIO • QVAIST * O ASIAGENVS
TR IVIIL • ANNOS OMATVS ANNORV
GNATVS • XXXIII GNATVS • XVI *
IVIORTVOS • PATER
REGEIVI ANTIOCO
SVBEGIT
Die folgenden Inschriften gehören dem 7. Jahrhundert der Stadt und die Namen
derselben dem Zweige der Hispalli an. Die erste nennt den L. Corn. Scipio , den Sohn
des Cneius, des Eroberers von Spanien, welcher im J. 578 als Consul gestorben war. —
Dieser hatte die Prätur im J. 615 und vertrieb die Astrologen und die Verehrer des lupi-
ter Sabazius aus Rom ^ (Mus. Vat. No. 24. 3 Platten) :
CN • CORNELIVS • CN • F • SCIPIO • HISPANVS
PR • AID • CVR • Q TR • miL II X • VIR SL IVDIK
X VIR • SACR • FAC
VIRTVTES • GENERIS • MIEIS IVIORIBVS • ACCVMVLAVI
PROGENIEIVI • GENVI • FACTA • PATRIS • PETIEI
MAIORVM • OPTENVI • LAVDEIVI • VT • SIBEI IVIE • ESSE ■ CREATVM
LAETENTVR STIRPEIVl • NOBILITAVIT • HONOR
' Cic. Cat. mai. M. " Niebuhr, Rom. Gesch. I. S. 285. Vgl. Mommsen, Rom. Gesch. L Bd. 2. Aufl. S. 426.
* Cic. legg. II. 24. * anni 583. Liv. XLV. 44. * Val. Max. L 3, 3 & 4.
68*
460 Der Aventin und der CUliiis. *
Die Inschrift bezeichnet den Gefeierten als Prätor, AediHs Curulis, Quästor, Tribunus
Mih'tum, Decemvir Litibiis iudicandis und Sacris faciundis. Die beiden schönen Distichen
werden dem Ennius zugeschrieben, sind jedoch wahrscheinhch , wie der ganze Stein,
aus etwas späterer Zeit. — Eine andere Inschrift bezieht sich wahrscheinlich auf des
Genannten Bruder, der jung starb (Mus. Vat. No. 23):
L • CORNELIVS • CN • F ■ CN ■ N • SCIPIO • MAGNA • SAPIENTIA
mVLTASQVE • VIRTVTES • AETATE • QVOlVI • PARVA
POSIDET • HOC • SAXSVm • QVOIEI • VITA • DEFECIT • NON
HONOS • HONORE IS • HIC • SITVS • QVEI • NVNQVAIVI
VICTVS • EST • VIRTVTEI • ANNOS • GNATVS XX • IS
♦ DATVS NE • QVAIRATIS HONORE
QVEI • miNVS • SIT • IVIAND
Alle bisher angeführten Inschriften sind in grauen Tuf (Peperin) gegraben ; zwei andere,
aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts d. St. befinden sich auf Marmortafeln. Die
eine von diesen nennt die Cornelia Gätulica, Tochter des Corn. Gossus Lentulus, welcher
um d. J. 759 d. St. nach der Unterwerfung der Gätuler die Triumphalinsignien und den
Beinamen Gätulicus erhielt.^ Die andere bezeichnete die Grabstätte des M. lunius Sila-
nus Lutatius Catulus, des Sohnes des Decimus lunius, welcher durch Adoption in die
Familie der Cossier und durch diese in das Geschlecht der Cornelier gelangt war,^ Enkel
des Gätulicus, Urenkel des Cossus (Mus. Vat. No. 32) :
CORNELIA IVl IVNIVS • SILANVS
GAETVLIC! • F D • SILANI F GAETVLICI
GAETVLICA NEPOS • COSSl • PRON
LVTATIVS • CATVLVS X VIR
STILITIB • IVDIC • SALIVS • COLLIN • VIXIT
ANNIS • XX • lYIENSIBVS VMlT
In demselben Saale des vatican. Museum befinden sich noch mehre Inschriften
von Freigelassenen des Hauses der Scipionen , welche bei , nicht in dem Grabmale ge-
funden wurden und einige andere Fragmente. Nicht uninteressant ist eine dort gefun-
dene, einen jugendlichen Kopf darstellende Büste von Peperin, welche mit Unrecht dem
Dichter Ennius zugeschrieben wird. Denn dieser scheint zwar im Grabmale der Scipio-
nen beigesetzt worden zu sein,^ allein an diese Büste wird doch kaum gedacht werden
dürfen, wenn Livius * von einer Statue des Ennius daselbst spricht. — Das Epitaphium
des grössten der Scipionen, des Scipio Africanus Maior, suchte man vergeblich : eine theil-
weise Bestätigung der allerdings von Livius selbst unbestimmt gegebenen Nachricht,^ dass
er auf seinem Landgute zu Liternum beigesetzt worden sei, gegen welche Angabe doch
die Fabel eines Scholiasten^ von der Grabpyramide des Africanus im vaticanischen Gebiete
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' Dio Cass. LV. 28. Tacit. Ann. IV. 46. * Tacit. Ann. 111. 24. ' Hieron. Chron. (Rone. 1. col. 379.)
XXXVin. 36. » id. 53. 36. « Acron. ad Uor. Epod. 9. v. 23.
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Der muthmassliche Bogen des Drusus: 461
kein Gewicht haben kann. Bei den Scipionen herrschte noch der traditionell. in der Fa-
milie der Cornelier bis Sulla ^ festgehaltene altlatinische Brauch, die Leichen nicht zu ver-
brennen, sondern zu begraben. Der Sarkophag des Scipio Barbatus enthielt, als man ihn
entdeckte, noch die in Staub zerfallenden Gebeine, diese aber wurden, als man das
Denkmal in das Museum brachte, aus einem unbekannten Grunde herausgenommen und
blieben unbeachtet liegen, bis der Lombarde Quirini, Senator von Padua, sie mit sich
nahm und in seiner Villa Altichiero bei Padua bestattete.
Eine ausführliche und mit zahlreichen Illustrationen ausgestattete Besprechung
des Scipionengrabes hat der gelehrte Visconti geliefert.^
89. Der muthmassliche Bogen des Drusus.
Ganz nahe an der Porta Appia (P. d. S. Sebastiano) erhebt sich über der Via
Appia oder Via di P. S. Sebastiano ein sehr verstümmeltes, einthoriges Bogendenkmal.
Dieses ist in seinem Kerne von Travertin und war, wie man noch an beträchtlichen
Resten sieht, mit Marmor bekleidet ; ganz von Marmor jedoch ist die Bogenwölbung mit
den Imposten. Der Bogendurchgang ist 7, 21 M. hoch, 5,7ö tief und 0,50 M. weit. Von
den Säulen, deren ursprünglich acht gewesen sein müssen , haben sich nur zwei an der
Seite gegen das Thor (Südost) erhalten; diese stehen auf 2,6o M. hohen Piedestalen, der
Schaft von numidischem Marmor (giallo) ist 4,98 M. hoch, die korinthische Base 0,4o, das
Composit-Capitäl 0,9o; die beiden letzteren sind von weissem Marmor. Auch der ihnen
entsprechende Gebälkvorsprung ist noch erhalten, ausser diesem und den undeutlichen
Spuren eines Giebels auf der anderen Seite von architektonischem Schmucke nichts mehr.
Auf dem Bogen lasten die Ueberreste eines Baues aus Ziegeln und kleineren
Bruchsteinen, welche häufig mit dem Zweigaquäducte in Verbindung gebracht werden,
den Antoninus Caracalla von der Aqua Marcia weg nach seinen Thermen leitete und
allerdings über diesen Bogen führte, wie man aus der Richtung der nordöstlich nahelie-
genden Backsteinpfeiler und Bogen sowie aus deren Fortsetzung auf der gegenüberiie-
genden Seite entnehmen kann. Doch der Aufbau auf unserem Bogen zeigt keine Aehn-
lichkeit mit dem Backsteinbau der antoninischen Thermen und der nahen Aquäductbogen
selbst und gehört vielmehr in eine schlechte Bauzeit des Mittelalters (sog. opera sarace-
nesca) und zu einem Thurme, der auf diesem, wie auf den übrigen Bogen der Stadt er-
richtet war.
Die Kostbarkeit des bei dem Bogen selbst angewendeten Materials macht es auch
nicht wahrscheinlich, dass dieses Denkmal als Strassen übergangsbogen eines Aquäducts
* Cic. legg. II. 22. Plin. H. N. VII. 12, 10, 54. * E. Q. Visconti, Opere varie racc. dal Df« G. Labus. Mil.
1827. Vol. I p. 1—70. er. Orelli (Henzen) Inscr. I & III. No. 550—360.
m
462 D^^ Aventin und der Cälius.
erbaut worden sei, und es ist weit natürlicher, dass Caracalla einen schon vorhandenen
Bogen benutzt habe, um über die Attika seinen Kanal zu führen. Nun aber nennt die
Notitia in der Region Porta Capena drei Triumphbogen, des Verus, Traianus und Drusus,
und wir haben zunächst zwischen den dreien schwere Wahl. Wenn aber auch die com-
positen Capitäle einerseits veranlassen, an eine etwas vorgerückte Periode zu denken, so
legt es anderseits eine Münzabbildung vom Triumphbogen des Drusus , der auch nach
einer anderen Angabe ^ sich über der Via Appia befand , durch die Aehnlichkeit nahe , in
der Ruine das Denkmal des Drusus zu vermuthen.^ Durch den Bogen wird überdiess
gewiss, dass die Via Appia schon vor Caracalla in der Linie lief, welche auch jetzt noch
durch die Via di P. S. Sebastiano eingehalten wird, wenn auch weiter nach Innen ihr
Lauf ursprünghch nicht so geradlinig war, wie er wahrscheinlich erst durch Antoninus,
um ihn mit den Thermen in Einklang zu bringen, als Via (Appia) nova, wie der Name in
der Notitia heisst, geschaffen wurde. Der alten Appia gehörte wahrscheinlich das Stück an,
welches hinter dem Hause No. 7 erst unlängst aufgedeckt wurde, wonacli sich die ältere
Strasse näher an den CäHus hielt und mehr gegen S. Gregorio zu laufend, wo auch die
Porta Capena angenommen werden muss, einen Theil der starken Krümmung von der
Via di S. Sebastiano in die Via di S. Gregorio vermied, dafür aber einige Unebenheiten
mit in den Kauf nahm.
90. Der lateranische Obelisk.
Nach Besichtigung der Ueberreste der Region Porta Capena zur nächstliegenden,
dem Caelimontium übergehend, erreichen wir, nachdem wir von der Via di S. Sebastiano
aus bei S. Sisto die Via della Ferratella betreten und diese der ganzen Ausdehnung nach
verfolgt haben , die östlichen Ausläufer des Cälius und den Lateransplatz. Diesen
schmückt ein imposanter Obelisk , der älteste , schönste und höchste der vielen in Rom
befindlichen, von blassrothem Granit, 32, 4o Met. in der Höhe messend. Seine schön ge-
arbeiteten Hieroglyphen sollen nach der Erklärung von Kennern in den Königsringen den
Namen des Thoutmes IV. enthalten, welcher ihn um die Mitte des 1 8. Jahrhunderts v. Chr.
vor dem grossen Sonnentempel in Theben errichtete. Kaiser Constantin nahm ihn von
seinem Platze und Hess ihn auf dem Nil nach Alexandria schaffen, wie es scheint in der
AbsicTit, ihn von da nach Byzanz (Ammianus nennt allerdings Rom als den beabsichtig-
ten Bestimmungsort) zu bringen. ^ Doch während der Vorbereitungen zur Ueberfahrt
über das Meer starb Constantin, und sein Nachfolger Älaxentius brachte ihn nur bis drei
römische Meilen vor Rom, wo er an der Via Ostiensis ausgeschifft wurde und liegen
Suelon Claud. -1 . * Veteres Arcus Augustorum notis I. P. Bellorii illustr. delin. e sculpt. a P. S.
Bartolo. R. 1690. tab. LH. Eckhel, Doctr. Num. vet. P. H. Vol. VI. p. 4 76 sq. * Ammian. Marcellin. XVII. 4.
♦
Der lateranische Obelisk. 463
blieb. Erst Constantius, Conslantins Sohn, schaffte ihn in die Stadt und liess ihn auf der
Spina des Circus Maximus neben dem des Augustus aufstellen. Am Ende des 16. Jahr-
hunderts lagen beide 2 Met. tief unter dem modernen Boden des Circus ; der erstere
wurde in drei Stücke zerbrochen gefunden, unter Sixtus V. ausgegraben und durch Dom.
Fontana hier aufgestellt,'' nachdem man von dem unteren Theile ein sehr beschädigtes
Stück von fast 1 Met. Länge abgenommen hatte. (Der andere des Augustus erhielt , wie
wir unten sehen werden, auf Piazza del Popolo seinen neuen Platz.) Das antike Granit-
piedestal wurde zersägt und zu den nöthigen Ausbesserungen verwendet , die auf den
vier Seiten desselben angebrachten metrischen Inschriften aber nicht bloss abgeschrie-
ben,^ sondern auch im Gypsabdruck im vaticanischen Museum niedergelegt, wo sie noch
zu sehen sind. Die Inschriften lauten :
PATRIS • OPVS • mVNVS • suum • TIBI • ROIVIA • DICAVIT
AVGVSTVS loio . ConsiaiiTIVS • ORBE • RECEPTO
ET • QVOD • NVLLA • TVLIT • TELLVS NEC • VIDERAT • AETAS
COIMDIDIT • ET CLARIS • EXA,quET • DONA • TRIVMFIS ^
HOC • DECVS • ORNATVm • GENITOR • COGNOiVIINIS • VRBIS ^
ESSE • VOLENS • CAESA • THEBIS • DE • RVPE REVELLIT
SED • GRAVIOR • DIVVfVl . TANGEBAT • CVRA • VEHENDI
QVOD • NVLLO • INGENIO • NISVQVE • iVIANVQVE ■ IVIOVERI
CAVCASEAIVI • lYlOLEIVI • DISCVRRENS • FAMA • iVIONEBAT
AT • DOIYIINVS ■ iVIVNDI • CONSTANTIVS • OMNIA • FRETVS
CEDERE VIRTVTI TERRIS • INCEDERE IVSSIT
HAVT • PARTEM • EXIGVAIVl • MONTIS • PONTOQVE • TVMENTI
CREDIDIT • ET PLACIDO • vexerunt • acqunra • FLVCTV
LITVS AD • HESPERIVm • Tibeti • IVIIRANTE • CARINAIVI
INTEREA • ROmAm TApoRO • VASTANTE • TYRANNO
AVGVSTI • lACVIT • DONVIVI • STVDIVIVIQVE • LOCANDI
NON FASTV • SPRETI • SED QVOD NON • CREDERET • VLLVS
TANTAE • lYlOLIS • OPVS • SVPERAS • CONSVRGERE • IN • AVRAS
NVNC VELVTI • RVRSVS • RVfis • AVVLSA iVIETALLIS
EmiCVIT PVLSATQ • POLOS • HAEC • GLORIA • DVDVIVl
AVCTORI SERVATA SVO • CVm CAEDE TVRANNI
REDDITVR ATQVE ADITV ROmae • VIRTVTE REPERTO
VICTOR • OVANS • VRBIQue • locat • sublime • TROPAEViVl
PRINCIPIS • ET • mVNVS • CONDIgnis • usQVE TRIVMFIS
Sixtus V. leste ein neues grosses Piedestal unter , das er wieder auf den vier Seiten mit
Inschriften, die sich auf die Geschichte des Denkmals beziehen , schmücken liess. Der
Gipfel ist mit dem Wappenzeichen Sixtus V., den vier Löwen und dem Symbol der
sieben Hügel, von Stern und Kreuz überragt, gekrönt.
' Fl am. Vacca, Mem. n». 5. (Fea, Mis^ell. I. p. LIII.) * Grut. Inscr. p. CLXXWI. no. 3.
'M •
464 Der Aventin und der Cälius.
91. Der neronische Zweigaquäduct.
Der Lateranplatz unterbricht den einzigen innerhalb der Mauern noch grossen-
theils erhaltenen Bogenaquäduct, welcher von Porta Maggiore nach dem Cähus führt
und dessen Lauf bis an den Westabhang des Cälius verfolgt werden kann. Er ist ganz
aus Ziegeln gebaut, deren Fügung eine vorzügliche Bauperiode verrathen, zweigt südlich
von dem genannten Thore von der Aqua Claudia ab, und besteht an den niedrigeren
Stellen aus doppelt übereinandergestellten Bogen, deren schönsterhaltene man in der von
Porta Maggiore nach S. Croce in Gerusalemme führenden Yia di S. Croce sieht. Die
exacte Fügung der flachen Ziegel namentlich an den Bogen ist sehr beachtenswerth ;
auch sieht man noch die Vertiefung von einer vormals hier (als einem Strassenübergang)
befindlichen Inschrifttafel. Von hier führt der Aquäduct durch die Villa Conti und die
Vigna Falcone, wird bei S^'ala Santa unterbrochen , beginnt dann nach einzelnen Pfeilern
zu beiden Seiten der Via Merulana endlich in der Via di S. Stefano wieder, und zieht
sieb die Strasse entlang mit Unterbrechungen bis zu dem Bogen des Dolabella und Sila-
nus (s. den folgenden Artikel), auf welchem er die Via di S. Giovanni e Paolo überschrei-
tet, um sich etwas nordwestlich zu wenden und dann zu endigen. Der letzte Theil könnte
dem Backstein nach etwas späteren Ursprunges sein. Ueber Namen und Bedeutung die-
ser Wasserleitung kann kein Zweifel herrschen. Denn wir wissen aus Frontin, dass Nero
von der Claudia aus einen Arm nach dem Cälius leitete, und dass diese neronischen Bo-
gen, welche bei dem Tempel des Claudius endigten, hauptsächlich den Cähus, in einzel-
nen Zweigen aber auch den Palatin, Aventin und die transtiberinische Region speisten.''
Der Lauf der Leitung, der Anschluss derselben an die Claudia und der Ziegelbau selbst
bestätigen es auch in unwiderleglicher Weise, dass wir in den Resten diesen neronischen
Zweigaquäduct vor uns haben. Der Endpunkt ist allerdings nicht sicher, die Stelle beim
Tempel des Claudius, welche Frontin angibt, kann übrigens jedenfalls nur auf die gemein-
same neronische Leitung bezogen werden , und gibt wohl nur das Hauptcastell an , wo
die Vertheilung des auf den Cälius, den Aventinus und Palatinus trefienden Antheils vor
sich ging, wo sich auch vielleicht eine Hauptfontäne befand. Von der Fortsetzung auf
den Palatin hinüber sieht man noch einige Bogen im Thale neben der Via di S. Gregorio,
von derjenigen aber, welche ßen Aventin versorgte , haben wir ausser den bestimmten
Angaben bei Frontin keinen Nachweis.
92. Der Bogen des Dolabella und Silanus.
Wie eben erwähnt , überschreitet der neronische Zweigaquäduct auf der Höhe
des Cähus vermittelst eines entschieden älteren Strassendenkmals die Via di S. Giovanni
' Frontin. de aquaed. I. 20. II. 76. 87.
"a^ASäT?.-'«'"
Gezv. E Reber
Verlag v. T. O.Weigel in Leipzig
Lith Allst vW i.oeiliot 111 üsriu
Bo^en des Dolabella und Silanus.
Das angebliclie Macellum. 463
e Paolo, welche demnach sicher an die Stelle eines antiken Clivus getreten ist. Dieses
Denkmal besteht in einem einfachen, einthorigen Bogen von Travertin , welcher auf der
Westseite noch fast ganz von dem neronischen Ziegelbau bedeckt ist, an der Ostseite aber,
welche die beifolgende Abbildung zeigt, wahrscheinlich durch die Zerstörung der Zeit
von dieser Verhüllung grösstentheils befreit worden ist. Auf dem schmucklosen Fries be-
findet sich eine Inschrift, welche also lautet :
P CORNELI VS PF. DOLABELLA
C I VN I VS • C F . SILANVS FLAMEN MARTI AL
EX S C
FACIVNDVM CVRAVERVNT IDEMQVE PROBAVERVNT
Das Gonsulat der in der Inschrift genannten Erbauer Mt in das Jahr 763 d. St. {10
n. Chr.), mithin in die Zeit der Regierung des Augustus, und da der Bogen in diesem
Jahre erbaut ward, so musste er ursprünglich einem anderen Zwecke dienen, als die
neronische Leitung zu tragen. Doch kann hier an kein Ehrendenkmal gedacht werden,
da sich keinerlei Zierden finden, auch die Inschrift auf ein solches nicht hinweist, viel-
mehr auf eine öffentliche auf Senat sbeschluss hin geschaffene Anlage schliessen lässt.
Welcher Art aber diese gewesen sei, dürfte schwerlich zu ermitteln sein , möglich ist es
indess, dass der Bogen schon ursprünglich eine Wasserleitung trug, da schon vor der
neronischen die Aqua Marcia und luha den Cälius versorgten, mit Beiziehung der Clau-
dia durch Nero aber aufß:efi;eben worden waren. ^
93. Das angebliche Macellum. (S. Stefano Rotondo.)
Zu den antiquarischen Räthseln des Cälius gehört namentlich der schöne Rund-
bau von S. Stefano Rotondo, nicht weit östlich von dem ebenbeschriebenen Bogen des
Dolabella und Silanus. Es herrscht zwar darüber kein Zweifel mehr, dass die Kirche
selbst fast vom Grund auf aus christlicher Zeit stamme , und in der zweiten Hälfte des
5. Jahrhunderts (geweiht 468 durch Papst Simplicius) erbaut wurde; was sowohl die
Ziegel als auch die verschiedenartigen 56 Säulen, die von mehren antiken Gebäuden ent-
lehnt sind, beweisen. Doch die ganze Anlage erscheint einem christlichen Kirchenbau
dieser Zeit so durchaus fremd, dass man allen Grund hat anzunehmen , man habe Plan,
Grundmauern und Material eines antiken Gebäudes zum christlichen Neubau benutzt.
Der in seiner Anlage wirklich imponirende Bau besteht in einer ziemlich hohen, von Säu-
len getragenen und darüber in Ziegeln aufgemauerten Rotunde, welche eine etwas nied-
rigere, von einem zweiten Säulenkreise gestützte Halle umgibt. Diese ist jedoch jetzt in
* Frontin. de aquaeduct. I. <9. II. 76. 83. 87.
F. Rebbr, die Buinen Roms. 59
4(36 Der Avenlin und der CUlius.
Kapellen abgetheilt und der äussere Säulenring wurde grösstentheils vermauert, wodurch
allerdings der Eindruck, den das Gebäude ursprünglich machen musste , wesentlich be-
einträchtigt wird. Noch mehr benachtheiligen das gegenwärtige Aussehen die zwei
grossen Säulen, welche durch Bogen verbunden das Dach der Rotunde stützen, der
gräulichen Martergemälde an den Wänden und des geschmacklosen, übertünchten Haupt-
altars in der Mitte nicht zu gedenken, wie denn überhaupt die sehr herabgekommene
Kirche in jeder nur möglichen Weise entstellt ist. Wenn wir aber auch annehmen müs-
sen, dass dem Bau dieser Kirche eine Ruine ähnlicher Gestalt zu Grunde lag, so ist es
doch schwer, die ursprüngliche Bedeutung derselben zu errathen. Die localen Nachrich-
ten über die Gebäude des Cälius sind sehr mangelhaft, und wenn wir auch aus inschrift-
lichen Funden ^ und mehren in dieser Gegend entdeckten marmornen VotivschifTchen, von
welchen eine auf Befehl des Papstes Leo X. angefertigte Copie noch die danach benannte
Piazza della Navicella schmückt, darauf schliessen dürfen, dass sich in dieser Gegend die
Castra peregrina und der Tempel des lupiter Redux befanden , so ist doch damit kein
passendes Gebäude gefunden, da der letztgenannte Tempel auf keinen Fall so bedeutend
war, und eine Rotunde für die Castra peregrina , deren Entstehung , Gestalt und Zweck
übrigens ganz unklar ist,^ noch weniger passend sein würde. Die ganz sinnlose bei den
älteren Topographen ^ übliche Bezeichnung der Kirche als eines Tempels des Faunus
übergehend, können wir nur noch den Tempel des Claudius und das Macellum Magnum
in Betracht ziehen, welche beide von der Notitia nebeneinander genannt werden , und
sich allerdings auf der Westseite des Hügels befunden haben müssen ; und unter diesen
würde der Anlage nach das letztere mehr entsprechen. Denn für eine grosse Victualien-
und zunächst Fleischerhalle würde der leicht auf Säulen stehende und von einem dop-
pelten Hallengang umschlossene Raum sich wohl geeignet haben, und dass man die
Macella überhaupt gerne als Rundgebäude anlegte , geht sowohl aus einer Münze des
Nero* als auch aus einer Notiz des Varro^ hervor. Zu der Gewissheit jedoch, wie sie
die moderne italienische Topographie in ihrer überhaupt leicht befriedigten Art (Nardini,
Nibby, Canina) auch in diesem Punkte gefunden , kann man auf diese Gründe hin nicht
gelangen.
94. Der Obelisk in der ehemaligen Villa Mattei.
Die Umwandlung der Villa Mattei in einen Nonnenconvent hat leider den schönen
durch seine herrliche Aussicht über die Campagna und das Albanergebirge berühmten
' Orelli, Inser. n». 9 & <256. * Ammian. Marcell. XVl. 12. » A. Fulvii Antiquit. Urb. R. 1527.
fol. XXII. — L. Fauno, Antich. della c. d. Roma. Ven. 1548. fol. 98. — Gamucci, Libri IV dell" antichitä di Roma.
Veu. 1565. p. 92. * Eckhel, Doctr. Num. vet. Tom. II. Vol. VI. p. 273. * Non. VI. 2.
Die Arcaden bei SS. Giovanni e Paolo. 467
Garten für Männer unzugänglich gemacht, und damit auch den in demselben befindlichen
Obelisk der Besichtigung entzogen. Das letztere mögen diejenigen sehr beklagen, welche
eben grossen Werth auf ein nicht sehr bedeutendes Bruchstück eines Obelisken später
Arbeit legen, das jedenfalls unter den vielen der Hauptstadt an die letzte Stelle gehört.
Der Obelisk war bis zum Ende des IG. Jahrhunderts auf dem Capitolsplatze neben der
Einmündung der Via dell' Arco di Settimio Severo gelegen, wesshalb man auf die Er-
wähnung von Isispriestern auf dem Capitole hin^ glaubte, er habe dort ein Heiligthum
dieser ägyptischen Gottheit geschmückt, welches Heiligthum jedoch durch keine andere
Notiz eine bestimmte Bestätigung erhält. Das Volk machte ihn dem Ciriaco Mattei zum
Geschenke und dieser stellte ihn im J. 1582 nach der am Piedestal angebrachten In-
schrift in seiner Villa an einer Stelle auf, wo man ihn in der Via di S. Sebastiane schon
von ferne erblickt.
95. Die Arcaden bei SS. Giovanni e Paolo.
Unter den vielen Ungereimtheiten der älteren Topographen gibt es kaum eine
grössere, als die, welche sich an einen schwerbestimmbaren Ueberrest bei SS. Giovanni
e Paolo geknüpft hat. Es befinden sich nemlich dort doppelte Reihen pilastrirter Traver-
tinbogen, von welchen noch ein geringer Theil auf dem kleinen Platze vor der genann-
ten Kirche sichtbar, das Uebrige von modernen Magazinen verbaut, doch unter dem Kloster
noch in drei Stockwerken erhalten ist, mithin Corridore , wie sie in der römischen Bau-
kunst sowohl im Privatbau als bei öffentlichen Gebäuden, Theatern, Basiliken u. a. häu-
fig wiederkehren. Es kann demnach gar nichts willkürlicheres geben, als einen solchen
Ueberrest einem in Tempelform angelegten Gebäude zuzuschreiben, besonders wenn die-
ses notorisch in einer ganz anderen Gegend sich befunden haben musste , wie diess bei
der Curia Hostilia der Fall war, einem der sichersten Punkte am Comitium und Forum
Romanum ! Doch ist es in gewisser Beziehung nicht unbelehrend zu sehen , wie von den
alten Antiquaren einer dem anderen getrost nachschrieb , was der Vorgänger selbst bei
ganz geringem Aufwände von Gelehrsamkeit einmal ausgeklügelt hatte, und wie so die
Curia Hostilia übereinstimmend auf den Cähus gesetzt und mit einer ganz unpassenden
Ruine in Verbindung gebracht wurde. ^
An ein selbständiges Gebäude wird man überhaupt bei diesen Ueberresten kaum
denken dürfen, um so weniger, als sie ofl'enbar mit der übrigen oblongen Substruction
des gegen das Colosseum zu etwas vorspringenden Cälius in offenbarem Zusammenhange
* Sueton. Domit. 1. "Fl. Biondi Roma instaurata. Ven. -1503. Lib. I. § 63. Albertini Opnsc. de Mira-
bilibus vet. et nov. U. R. R. 1515. fol. 29. — A. Fulvii Antiquit. U. R. 1527. fol. XXII. — L. Faune, Aiitichitä di
Roma. Ven. -1548. fol. 98. — Gamucci, Antichitä d. c. di Roma. Ven. 4565. p. 91, u. a.
69*
468 Der Aventin und der Ciilius.
Stehen. Die neueren Topographen betrachten sie desshalb als den Rest der Verkleidung
der Substruction an der dem Palatin gegenüberliegenden Seite , das Werk selbst dem
Vespasian und die Substruction dem Tempel des Claudius zuschreibend, welcher sich auf
dem Calius befand. Die erstere Ansicht ist kaum zu bestreiten , um so unentschiedener
aber die andere topographisch wichtigere Frage, ob die Substruction wirklich das Areal des
Claudiustempels gebildet habe, welche Frage sogleich in Betracht gezogen werden soll.
96. Der angebliche Tempel des Claudius.
Der Garten des Passionistenklosters von SS. Giovanni e Paolo wird an der West-,
Nord- und Ostseite durch stellenweise sehr beträchtliche Substructionen abgegränzt,
welche den dadurch eingeschlossenen Raum zu einer rechtwinkeligen Ebene machen.
Dass diese antiken, sumptuosen Substructionsbauten zu dem Zwecke unternommen wur-
den, um für irgend ein bedeutendes Gebäude ein Areal zu schaffen, springt in die Augen,
und je mehr diess einleuchtete, um so ansprechender musste der Gedanke sein, dass
auf diesem Areal eines der hervorragendsten Gebäude des Cälius , der Tempel des Clau-
dius, sich befunden habe. Allein wenn man auch bei Bestimmung des Umfangs jenes von
Agrippina begonnenen , durch Nero zerstörten , von Vespasian aber neugebauten Tem-
pels^ den höchsten Massstab anlegt, so wird man finden, dass die Dimension dieses
Areals im Vergleich zu den ähnlichen Substructionen eines der grössten Tempel der
Stadt, des Heiligthums der Venus und Roma, ganz unverhältnissmässig gross sein würde,
und über den Bedarf selbst für einen riesigen Tempel weit hinausreichte. Der Annahme
des Claudiustempels an dieser Stelle stehen aber auch positive Gründe entgegen. Fron-
tin nemlich berichtet, dass die neronische Leitung bei diesem Tempel ihren Endpunkt
gehabt habe, worunter wohl nur das Castell verstanden werden kann , von wo aus der
Cälius selbst, der Aventin und der Palatin in einzelnen Zweigen gespeist wurde. ^ D
aber die neronische Leitung hauptsächlich für den Cälius berechnet war, und ihn aifc
lange Zeit allein versorgte, ^ so ist nicht anzunehmen, dass sich das Hauptcastell am
Westrande des Hügels befunden habe , welches vielmehr , überdiess in Berücksichtigung
der Fortsetzung jener Leitung nach dem Aventinus, unmittelbar bei dem Bogen des Do-
labella und Silanus gewesen sein muss, so dass vielleicht die über diesen fortgeführte
Leitung gar nicht mehr zum gemeinsamen Aquäduct gehörte. Dann aber müsste auch
der Tempel nicht am Nordwestrande, sondern vielmehr bei der Kirche S. Maria in Navi-
cella oder bei der Kapelle S. Tommaso oder überhaupt in der ehemaligen Villa Mattei
angenommen werden, eine LocaUtät, welche übrigens zu den imposantesten der alten
Ml
* Suelon. Vespas. 9. " Frontin. de aquaed. II. 76. ^ id. 11. 87.
Der angebliche Tempel des Claudius. 469
Stadt gehört haben musste. Es scheint auch in der That eine andere Combination mehr
auf die Südwestseite des Hügels hinzuweisen ; denn Frontin sagt einerseits , dass Nero
für die Aqua Claudia am Cälius keine neuen Castelle erbaut habe, sondern sich der alten
von der Aqua Marcia und lulia bediente J während er anderseits den Endpunkt der Mar-
cia, mithin das Hauptcastell als über Porta Capena liegend bezeichnet.^
Ueber die Bedeutung des substruirten Areals des Gartens von SS. Giovanni e
Paolo aber hat Bungen ^ die entschieden wahrscheinlichste Vermuthung ausgesprochen.
Commodus bewohnte nemlich in den letzten Jahren, weil ihn sein unruhiges Gemüth in
den Räumen des Palatium keinen Schlaf mehr finden Hess, den vectilianischen Palast auf
dem Cälius,^ in welchem er auch ermordet wurde. ^ Die Vectiliana werden noch von der
Notitia^ erwähnt, und müssen jedenfalls eine weitläufige Anlage, etwa ein Mittelding
zwischen Palast und Villa gewesen sein. Wer aber die Ueberreste der römischen Villen
im Sabiner- und Albanergebirge besieht, wird sich durch ihre oblongen terrassenförmigen
Substructionen, durch welche an allen Abhängen erst ein passendes Areal geschaffen zu
werden pflegte, lebhaft an die Substructionen dieses Gartens erinnert fühlen, und da wir
nur von zwei bedeutenden Anlagen der Art auf dem Cälius , den lateranischen , deren
Lage gewiss ist, und den vectilianischen wissen, so dürfen wir kaum Bedenken tragen,
die letzteren mit unseren Ueberresten in Verbindung zu bringen. Diess wird auch noch
durch den Umstand unterstützt, dass wir den Lieblingsaufenthalt des Gladiatorenkaisers
am wahrscheinlichsten in möglichster Nähe des Schauplatzes seiner Thätigkeit, des
Amphitheaters zu suchen haben, und dass namentlich auch der von Commodus zum
Amphitheater angelegte und benutzte unterirdische Corridor, in welchem er bekannthch
einem meuchelmörderischen Ueberfalle einmal nur mit Mühe entging, nach seiner Rich-
tung hieher führt und innerhalb dieses Raumes gemündet haben musste. Und während
man sonst nicht einsehen würde, was die vom Bogen des Dolabella aus nordwestlich
gerade nach diesem Räume sich richtende, wahrscheinlich erst nachneronische Zweiglei-
tung des neronischen Aquäducts mit dem Tempel des Claudius zu schaffen gehabt habe,
erklärt sich die Richtung dieser Leitung durch das Bedürfniss von Brunnen , Fontänen
und Piscinen, von welchen letzteren man noch auf Reste stiess, in einer sumptuosen Pa-
lastanlage oder Villa auf eine höchst befriedigende Art.
* id. II. 76. * id. I. ■lO. * Beschreibung der Stadt Rom. Bd. III. Abth. 1. S. «76. * Script.
11. A. (Lamprid.) Gomm. 4 6. •' (lul. Capit.) Pertin. 5. Catalog. Imp. Vienn. (Rone. II. col. 24 4.) " Curios.
ü. R. Reg. II.
470 . ^^^ Esquilien.
X. Die Esquilien.
Vom Gälius durch ein in der Gegend des Colosseum ziemlich breites und tiefes,
weiterhin gegen Osten aber sich immer mehr hebendes und verengendes Thal nördUch
getrennt, erstreckt der Esquilinus, nach aussen erst in grösserer Ferne sich allmälig ver-
lierend, seinen breiten Rücken mit den zwei Armen in die Stadt. Die etwas unklare Ge-
stalt und die zügigen, dichtbesetzten und sich nicht genau abgränzenden Abhänge des-
selben erschweren die topographische Grftnzbestimmung nicht wenig und um so mehr,
als sich ausser dem allgemeinen mehre besondere Localnamen finden , deren Verhültniss
und Ausdehnung theil weise schwer zu bestimmen ist.
Dass man unter Oppius den südlichen breiteren Arm und unter Cispius den nord-
westlichen schmäleren zu verstehen habe, ist zwar nach Varro^ kaum zu bezweifeln,
ebensowenig, dass man unter der vielgenannten Bezeichnung Subura die Tiefe verstand, in
welche die ringsum sich gruppirenden Zungen des Oppius, Cispius , Viminahs und Quiri-
nalis ausliefen, da der noch an der LocaUtät haftende Name Subura uns sowohl am An-
fange der Via di S. Lucia in Selci als auch weiter nördhch bei der alten Kirche S. Agata
alla Suburra begegnet , mit welcher Lage auch die Erwähnungen übereinstimmen. Um
so schwieriger aber ist die Bestimmung dessen , was man unter dem Namen Carinae be-
griff. Das zwar ist aus Festus (a. a. 0.) sicher, dass die Carinen sich da befanden, wo
auch der Oppius war, welcher letztere Name zugleich mit dem des Cispius immer mehr
erlosch, jemehr die Bezeichnung Carinae in Aufnahme kam. Einerseits aber werden uns
die Carinen als die Höhe selbst bezeichnet,^ während anderseits auch die Tiefe des Cero-
liensis, welche sich unstreitig als das Thal zwischen Esquilinus und Cälius darstellt, als
zu den Carinen gehörig genannt wird.^ Demnach sind sie jedenfalls südlich zu suchen,
doch für die Nordgränze und für ihr Verhältniss zu dem Esquilinus haben wir keinen
Anhalt. Möglich ist indess, dass die Notiz des Livius,* nach welcher das römische Heer
bei einem Durchmarsche durch die Stadt von Porta Capena durch die Carinen [per Carl-
nas) nach den Esquilien und zum esquilinischen Thore marschirt sei, so verstanden
werden müsse, dass nur der Abhang des Hügels, der freilich durch die Anlage der Titus-
thermen wesentlich verändert werden musste , den Namen Carinä getragen , und dass
man mit der Höhe auch die EsquiUä erreicht habe.
Die Erklärungsversuche aller dieser Namen, EsquiHä von excuhiae oder excolere,^
Oppius von dem Tusculaner Oppius , und Cispius von dem Anagniner Cispius , welche
zum Schutze der Stadt herbeieilend diese Punkte besetzt hatten, ^ Subura von siib iirbe
' Fest. s. V. Septimontio. Cf. Anastas. Bibl. Vit. Pontif. Pii I. Par. -1649. 8.5. * Dionys. III. 22. * Varro
L. L. V. 8, 15. p. 52. (Speng.) * XXVI. 10. * Varro L. L. V. 8, 15. p. 54. (Speng.) — Ovid. Fast. III. v. 245 sq.
" Fest. 1. c.
Die Esquilien. 471
oder von succurrere,* Carinae von den in der Form von SchifiFskielen [carinae) gebauten
Häusern rings um den Tempel des Tellus ^ haben, wie die meisten der Art, wenig Werth ;
einen verlässigen historischen Aufschluss wenigstens können wir darin nicht suchen.
Thatsache ist vielleicht, dass der Esquilinus von Servius Tullius zur Stadt gefügt wurde, ^
welcher König überhaupt das Stadtgebiet nach der Nordostseite hin vervollständigte und,
da hier die natürliche Gestalt der Hügel nicht unterstützte, durch den Wall sicherte, wel-
chen noch Plinius * unter die hervorragendsten Werke zählt. Dieser Wall begann südhch
da, wo der durch die Yia Merulana bezeichnete Thaleinschnitt endigte , bei dem einzigen
Thore dieses Hügels, der Porta Esquilina, etwas innerhalb des Gallienusbogens. Am süd-
lichen Abhang des Hügels, den Carinen, befand sich jedoch noch die Porta Querquetu-
lana beim Fagutal.^ Servius Tullius wohnte auch auf dieser Höhe,^ und in der Nähe sei-
nes Hauses ging auch die Greuelscene vor sich, die dem Vicus Sceleratus den Namen
gab, in welchem bekanntlich die ruchlose Gemahlin des Tarquinius Superbus über die
Leiche ihres erschlagenen Vaters Servius Tullius hinwegfuhr, eine Scene, die Livius'' mit
erschütternder Meisterschaft geschildert hat. An öffentlichen Gebäuden verhältnissmässig
arm, war dagegen der Hügel mit seinen Thaleinschnitten grösstentheils mit gemeinen
Leuten dicht bevölkert und namentlich die Subura eines der lebhaftesten Quartiere Roms,
berüchtigt durch den bedeutenden Lärmen der Kleingewerbe und Schenken, wie durch die
dort heimische Prostitution. Auf den Höhen befanden sich indess mehre Haine, wie derLucus
Fagutalis (Fageus), Esquilinus, PoeteUus, Mefitis und derLucus lunonis Lucinae , welche
alle Altäre oder Kapellen umschlossen. ^ Diese müssen gegen die servische Mauer hin
angenommen werden, wo allerdings die Nähe des Campus Esquilinus ausserhalb vor der
Ansiedlung abschrecken musste. Denn dieses ursprünglich den breiten Rücken des Esqui-
linus bis über die nachmahge aurelianische Mauer hinaus einnehmende esquilinische Feld
diente nicht bloss als allgemeiner Begräbnissplatz, wo vorzugsweise die Armen und.
Sclaven^ an bestimmten Plätzen verscharrt wurden, sondern auch als Richtstätte be-
sonders für Sclaven , deren an den Kreuzen hängen bleibende oder in die offenen Gru-
ben geworfene Leichen den Wölfen und Geiern wie der Fäulniss überlassen blieben, ^ ^
um die Umgebung zu verpesten (woher der Name Puticuli)^^ und endlich das Gefilde durch
ihre bleichenden Gebeine zu entstellen.'' ^
Von den wenigen Tempeln, welche sich in republicanischer Zeit auf dem Esqui-
linus befanden, war wohl der von P. Sempronius Sophus im picentinischen Kriege 484
* Varro L. L. V. 8, 1 5. p. 53 sq. (Speng.) Fest. s. v. Suburam. * Serv. ad Virg. Aen. Vlll. v. 361 . ' Strabo
V. 3, § 7. p. 234. Liv. I. 44. * Plin. H. N. III. 5, 9, 67. — Liv. I. 44. » Plin. H. N. XVI. 10, 15, 37.
* Dionys. IV. 39. ^ Liv. I. 48. " Varro L. L. V. 8, 15. p. 54. 32, 42. p. 152. Fest. s. v. Septimontio. Paul.
Diac. s. V. Fagutal. Plin. XVI. 10, 15, 37. " Horat. Sat. I. 8. v. 8. '" Tacit. XV. 60. Plaut. Mil. II. 4. v. 6.
(V. 359.) Horat. Epod. V. V. 99 sq. " Varro L. L. V. 5, 12. p. 42. Schol. Cruq. ad Hör. Sat. 1. 8, v. 10. '"Ho-
rat. Sat. I. 8, V. 16.
472 D'^ Esquilien.
d. St. (270 V. Chr.) gelobte Tempel der Tellus, welcher auf der lange öde liegenden Statte
des niedergerissenen Hauses des Sp. Cassius in den Carinen errichtet ward , der bedeu-
tendste.^ Sehr entlegen und bei Porta Maggiore befand sich die Spes Vetus,^ Die Tem-
pel der Fortuna Seia,^ der von einem der Haine eingeschlossenen luno Lucina und der
Diana* dürften kaum mehr als Kapellen gewesen sein, was sich vom Sacellnm Streniae,
dem am Fusse der Carinen, mithin in dem Thaleinschnitte hinter dem nachmaligen Golos-
seum liegenden Ausgangspunkte der Sacra via von selbst versteht.^ In den Carinen befand
sich auch das nachmals von Antonius in Besitz genommene und ohne Zweifel glänzende
Haus des Pompeius.^ Ausser mehren traditionellen Cultorten, wie das Tigillum soror'mm,
jener Querbalken, an welchen sich die Reminiscenz an den Schweslermord des Horatiers
und dessen Jochstrafe knüpfte,' die Tabernola^ u. a. scheint in den ersten sieben Jahr-
hunderten nur ein Prachtdenkmal auf dem Hügel erstanden zu sein, die Trophäen des
Mari US, von welchen noch besonders gesprochen werden wird.
In der Kaiserzeit veränderte sich die Gestalt des Hügels vollständig. Die Gärten
des Mäcenas nahmen einen grossen Theil zu beiden Seiten des servischen Agger in An-
spruch und drängten namentlich das esquiHnische Leichenfeld weiter ostwärts,^ was für
den städtischen Esquilin von grossem Vortheile sein musste. Diese Anlage, wie auch die
benachbarten lamianischen Gärten, ''^ nobilisirten auch den Stadttheil, der indess durch die
Wohnung des VirgiM^ und das Grab des Horatius kaum weniger geehrt wurde. ^^ In
eine fortgesetzte Prachtanlage aber wurde der Hügel durch Nero verwandelt, welcher
die nach Mäcenas' Tode in kaiserlichen Besitz tibergegangenen Gärten durch seine domus
transiloria mit dem Palatium verband, aus welcher Verbindung nach dem Brande der
goldene Palast hervorging, von welchem noch besonders gesprochen werden soll. Auf
den Ruinen dieses erstanden die Thermen des Titus, von welchen ebenfalls noch ansehn-
liche Reste zu beschreiben sind, wie denn von vielen anderen einzelnen Werken der Kai-
serzeit, dem Amphitheatrum Castrense mit dem naheliegenden Vivarium, dem Tempel
der Minerva Medica, dem Nvmphäum des Alexander Severus, dem Sessorium , dem Bo-
gen des Gallienus u. a. eine besondere Besprechung der Beschreibung der Ueberreste
vorbehalten werden muss. Das ganze Gebiet aber war seit Augustus drei Regionen zu-
getheilt, der dritten, Isis und Serapis, nördlich vom Cälius, welche jedenfalls einen ägypti-
schen Tempel voraussetzt, der vierten, in Augustus' Zeit Sacra via, später Templum Pa-
cis genannt, welche die ganze Tiefe vom Esquilinus, Viminalis und Quirinalis bis zum
Forum Romanum und dem des Augustus, mithin auch die Subura umfasste, und der
* Dioriys. VIII. 79. Liv. II. 4i. * Fionlin. de aquaecl. I. 19—21. =• Plin. H. N. XXXVI. 22, 46, 163. —
üb identisch mit der Fortuna Redux bei Plut. de fort. Rom. 10. (?) ' * Plut. Quaest. Rom. 3. * Varro L. L.
V. 8, <5. p. 53. (Speng.) « Vell. Fat. II. 77. Flor. II. 4 8. ^ Dionys. III. 22. Liv. I. 26. * Varro I. c.
* Hör. Sat. I. 8, v. U. Schol. Cruq. ad 1. c. *" Phil, de virt. II. (p. 597. Mang.) " Donat. Vit. Virg. 6.
'* Sueton. Vit. Horat. frg. (p. 298. Roth.)
Die Thermen des Tilus. 473
fünften, welche den Namen Exquiliae trug, und nördlich von der dritten sogar noch über
den Viminalis sich erstreckt zu haben scheint.
Wollen wir nun die esquilinischen Ueberreste im Einzelnen betrachten.
97. Die Thermen des Titus.
Die Via della Navicella mündet neben der letztbesprochenen Substruction der
Höhe de' Passionisti stelig absteigend in das Thal zwischen dem Cälius und Esquilinus
vor dem Ostende des Colosseum. Umgeht man nun die Südostseite des Gebäudes bis an
die Via Labicana, welche von hier in östlicher Richtung abzweigt, und verfolgt diese eine
kurze Strecke, so gelangt man an einen Thorweg zur Linken mit der halbverlöschten
Aufschrift »Ingresso alle Terme di Tito«. Hier eintretend, erblickt man neun grosse Ton-
nengewölbe von Backstein, deren parallele Wände einen Halbkreis, senkrecht auf dessen
Durchmesser gerichtet, in neun verschieden lange Corridore theilen. Diese Gewölbe dien-
ten ohne Zweifel als Substruction eines halbkreisförmigen Baues, und zwar, wie aus dem
Gesammtplane der naheliegenden Ruine hervorgeht, der Cavea einer Art von Theater,
verrathen auch ausser dieser keine besondere Bestimmung und waren muthmasslich ur-
sprünglich geschlossen. Der Backsteinbau gehört in die Zeit der Flavier. Dieser Halb-
kreis aber war nur ein geringer Theil einer sehr bedeutenden Anlage , von welcher wir
im weiten Umkreise der rückwärts anstossenden Vigna der Canoniker von S. Pietro in
Vincoli noch zerstreute Reste, namentlich von zwei symmetrischen Exedren und anderen
Mauern derselben Zeit erblicken. Die Ueberreste sind gleichwohl nicht von der Art, dass
ohne bedeutende Nachgrabungen ein vollständiger Grundplan hergestellt werden könnte,
doch besitzen wir einen solchen noch aus früherer Zeit, in welcher beträchtlich mehr er-
halten war, was seither dem allzugeschäftigen Karste der Winzer weichen musste, nem-
lich von der kundigen Hand des Palladio.^ Die Richtigkeit dieser Aufnahmen im Allge-
meinen fand durch ein von Canina^ beigezogenes Fragment des capitolinischen Planes
(tab. XIV) eine erwünschte Bestätigung, und wir können so viel wenigstens mit Sicher-
heit erkennen, dass die Disposition im Grossen den antoninischen Thermen sehr ähnlich
war. Der Umfriedungsbau trat jedoch hier an der Fronteseite ganz nahe an den Mittel-
bau und zeigte auch nicht die vielen Gemächer, welche bei den antoninischen Thermen
als Einzelbäder vorzugsweise für Frauen erklärt worden sind. Dieser fehlende Theil war
nemlich durch eine andere mit dieser verbundene Thermenanlage vertreten, welche nach
' La Terme dei Romani disegnate da A. Palladio e ripiibblicate da 0. B. Scamozzi giusta l'esemplare
del Lord Conte di Burlington impresso in Londra l'anno 1732. Vic. 4 797. tav. VII. * Indicaz. topograf. di
Roma ant. R. ISS'.. 4. Ediz. p. 102.
F. Rf.beI! , die Ruinen Roms. 60
474 Die Esqullien.
Palladio, der sie jedoch fölschlich dem Vespasian zuschrieb, in schräger Stellung sich an
die erstbeschriebene anschloss, und von beträchtlich kleinerer Dimension, sonst von ahn-
licher Gestalt war.
lieber die Entstehung dieser Doppelthermen kann noch Weniger ein Zweifel ob-
walten, wie über ihre Disposition. Denn Sueton^ nennt die von Titus erbauten Bader
»neben« dem Amphitheater, und die Notitia verzeichnet sie in der hauptsächlich die Carinen
umfassenden dritten Region , und zwar zusammen mit den traianischen Thermen. Diese
Bezeichnungen, verbunden mit einer dritten des Martial,^ welche die Titusthermen an die
Stelle der neronischen Palastanlagen getreten nennt, passen so vollkommen auf die be-
sprochenen Ruinen, dass wir uns aller Bedenken füglich entschlagen können. Die traia-
nischen Thermen aber werden sowohl vom Anonymus von Einsiedeln bei S. Pietro in
Vincoh, als auch von Anastasius Biblioth.^ bei der Kirche S. Martino de' Monti erwähnt,
neben welcher Kirche im 16. Jahrhundert auch eine Inschrift gefunden wurde, welche
diese Thermen nennt (jetzt im Museum zu Neapel) :
IVLIVS • FELIX CAIVIPANIANVS
VC • PRAEFECTVS • VRBI
AD • AVGENDAIVI • THERIVIARVIVI
TRAlANARVm • GRATIAIVl • COLLOCAVT
Dass aber der Name der traianischen Thermen nicht dieselben Bäder bezeichnete, welche
Titus anlegte, aber wahrscheinlich noch nicht ganz vollendet eröffnete, das geht aus dem
Nebeneinander in der Notitia, besonders aber aus der Inschrift des Ursus Togatus,'* in
welcher die Traiansthermen von denen des Titus getrennt verzeichnet werden ••••theriviis-
TRAiANi • THfeRmis • AGRiPPAE • ET TiTi •• hervor. Es Würde uns aber unerklärlich sein , wie
Traian unmittelbar neben den grossartigen Bädern des Titus neue anlegen konnte,
welche tiberdiess, wie der Plan des Palladio zeigt, von viel kleineren Dimensionen waren,
wenn nicht ein Chronist^ darüber eine kaum zu bezweifelnde Aufklärung gäbe, dass
nemlich Traian seine Thermen als ein Frauenbad errichtete , so nahe verbunden , wie es
die Zweckmässigkeit wegen gemeinsamer Speisung, und doch wieder so getrennt, wie
es der Anstand erforderte. Wie jedoch eine andere Angabe der Chronisten ^ zu verstehen
sei, dass die Titus- und Traiansthermen gleichzeitig und zwar unter Domitian im J. 90
oder 92 n. Chr. erbaut worden seien, ist mir nicht völlig klar, wenn ich aber auch diese
Notiz einerseits durch die Vollendung der Titusanlage unter Domitian beziehe, so möchte
ich doch anderseits wegen dieser offenbar summarischen Angabe nicht mit Becker'^ an-
nehmen, dass Traian seine Thermen schon vor seinem Regierungsantritte erbaut habe,
was ein Domitian kaum gestattet haben würde.
* Tit. 7. * de Spect. 2. « Vit. Pontif. Symmach. Par. 1649. p. 32. * Orelli, Inscr. n". 2591.
* Catal. Imp. Vienn. (Rone. tom. II. col. 243.) " Hieron. Chron. Cassiod. Chron. (Rone. I. col. 443. 11. col.
197.) ^ Hdb. d. röm. Alterth. Bd. I. S. 687.
üeberreste der iieroiiischen Aurea Domus.
475
Von der weiteren Geschichte der Thermen haben wir keine Kunde. Es ist aber
zu vermuthen, dass sie mit der Zerstörung der Aquäducte durch Yitiges und Totilas ausser
Gebrauch kamen , und seitdem verfielen. Die Zerstörung der letzten Jahrhunderte war
leider ebenso beträchtlich als in der Zeit der tiefsten Barbarei, und von den jetzt noch
übrigen Ruinen sind die zur Substruction verwendeten, von welchen sogleich gesprochen
werden soll, entschieden bedeutender, als die der Thermen selbst.
98. Üeberreste der neronischen Aurea Domus.
Die ebenbeschriebene und durch parallele Gewölbe gegliederte halbkreisförmige
Ausbeugung der Umfriedung der Thermen des Titus ruht auf einer ausgedehnten Anlage
eines Privatgebäudes mit zahlreichen Gemächern und Gängen, welche bei dem Bau der
Thermen mit Schutt angefüllt, und so als künstliche Terrasse benutzt wurde, in den letz-
ten drei Jahrhunderten aber grossentheils wieder ausgegraben und zugänglich gemacht
ward. Die ausgedehnte Anlage zieht sich, wie aus dem beifolgenden Plane, auf welchem
'"""»"W/A
Giuixiriss iler Souterrains unter den TilusiliiM'meu (Aurea Doniiis). (iN'acli Cauiiia.)
jedoch die Mauerlinien im Halbkreise («) mit den diesen parallelen zur Rechten als zum
Bau der Titusthermen selbst gehörig und ihrem Liniensystem entsprechend gedacht wer-
den müssen, ersichtlich ist, in schräger Richtung unter der erwähnten Cavea und unter
dem südlichen Theile der übrigen äusseren Thermenräumlichkeiten hin, und besteht, so
weit sie blossgelegt ist (was auf dem Plan durch den weissen Grund angezeigt wird),
grösstentheils aus parallel nebeneinanderliegenden, von Ost nach West gerichteten läng-
lichen Gemächern {d — /(;), die durch Scheidewände unter sich abwechselnder, im ganzen
60*
476 ^''^ Esquilien.
Plane jedoch symmetrischer Form in je zwei getheilt werden, von welchen die einen von
Süden, die anderen von Norden Licht und Zugänge hatten. An beiden Seiten dieser Ge-
macherreihe öffneten sich länglich viereckige Platze, um welche Säulenhallen herumliefen.
Von diesen freien Plätzen wurde der nördliche später durch parallele Mauern für die
Substruction tauglich gemacht, zeigt aber noch in dem aufgedeckten Theile nördlich von
dem Mittel z immer (g) die Spuren eines in der Mitte liegenden Brunnenbassins und eines
Piedestals, während der südliche, welcher später von den Gewölben des Halbkreises (o) ein-
genommen wurde und auf der Südseite von einer Reihe kleiner Kammern , deren Reste
für die Custodenwohnung benutzt worden sind, begränzt war, selbst noch die Ueberreste
einer Porticus zeigt. Man gelangt zu diesen und überhaupt zur ganzen bisher bloss-
gelegten unterirdischen Anlage durch das westlich äusserste Tonnengewölbe des Halb-
kreises, in welchem man 3 — 4 Meter unter das äussere Niveau hinabsteigt. Hier sieht
man eine korinthische Base von 0,n Met. noch an ihrem Platze und als Beweis, dass hier
das westliche Ende der Porticus war, daneben eine Pilasterbase , beide von weissem
Marmor. Die beträchtlichen Intercolumnien lassen auf die für eine solche Porticus nach
Vitruv sehr passende Säulenstellung Araeostylos schliessen. Neben der Pilasterbase zur
Linken sieht man noch einen Theil der Porticuswand mit Spuren von Malerei , Palmen
und Vögel auf lichtblauem Grunde darstellend. Von hier aus in nördlicher Richtung fort-
schreitend, gelangt man in einen Corridor. Dieser und alle übrigen zur Rechten folgen-
den Gemächer (d — k) sind in Tonnenform überwölbt, ihre wechselnde Breite beträgt
zwischen 3,io bis 8,6o M., die Tiefe von je zwei ihrer Länge nach aneinanderstossenden
Gemächern 18, so M., die Höhe 10, 4o. Die Wände waren grösstentheils mit Malereien der
Art, welche wir die pornpeianische zu nennen pflegen, bedeckt, welche jedoch , wie die
Marmorbekleidung, die in verschiedener Höhe vom Boden sich erhob , bis auf dürftige
Spuren verschwunden ist. Doch besitzen wir noch Aufnahmen der Malereien^ aus einer
Zeit, in der noch mehr erhalten war, aus welchen sich die Art der Bemalung ersehen
lässt, die phantastische Hallen und Aediculen mit dünnen Säulchen in perspectivischer
Zeichnung , die Giebel mit Festonen und Draperien behangen , und die inneren Felder,
wie die Quadrate, Rhomben und Ellipsen an den Wölbungen mit Fip;uren sowohl von
Menschen als Göttern, mit tanzenden Bacchanten einzeln und in Gruppen, mit Vögeln,
Vasen und anderen Ornamenten ausgefüllt, zum Vorwurfe hat. Von vielem sind noch
Spuren kenntlich, namentlich an der Wölbung der mit d, i, k bezeichneten Gemächer,
welche eine ungemeine Pracht und Zartheit der Malerei verrathen : das Uebrige ist zu-
meist durch die Feuchtigkeit fast gänzlich zerstört. Die nächstfolgenden , nicht mehr dem
* Bellorii et Caussei Picturae antiquae cryptarum Romanarum delineatae a P. e F. S. Bartoli. R. 1738.
Mirri e Carletti, Le antiche camere delle Terme di Tito. Roma 1776. — Poncc, Description des bains de Titus.
Par. 1786. — A. de Romanis, Le anticlie camere Esquiline dette comunemente delle Termi di Tito. Roma 1822.
¥>
Ueberresle der neronisclien Aurea Doraiis. 477
symmetrischen System angehörigen Gemächer zeigen keine Spur ihrer vormaligen Aus-
schmückung, interessant aber ist ein Badezimmer [m), zu welchem man durch einen
etwas schrägen Corridor (/) gelangt. Dieses, erst in den letzten Jahren ganz blossge-
legt, misst 13, so M. in der Länge, 6,90 in der Breite. Durch eine grosse Nische im
Süden, welche halbkreisförmig, beim Eingange jedoch rechtwinkelig vertieft ist, ein-
tretend, sieht man zur Rechten ein kleines oblonges Becken, 2,i5 M. lang. 1,i5 breit;
im Uebrigen zeigt der Boden gemauerte Erhöhungen, ohne Symmetrie und nur nach
der Bequemlichkeit ihres Gebrauches angebracht. An der Nordseite sieht man noch
deutlich eine Wasserrinne, 0,65 M. breit, sowie noch ein grösseres Becken, das 4,6o M.
lang und 1 M. breit ist. Vom Schmuck der Wände ist nichts mehr übrig , selbst der
Anwurf ist grösstentheils abgefallen, und das theilweise eingestürzte Gewölbe gestat-
tet, von herabwuchernden Schlinggewächsen umstrickt, dem Tageslichte einigen Zu-
gang. — Von hier aus erstrecken sich die Gemächer und Corridore des ausgedehnten
Gebäudes noch in mehr als doppelter Länge der ebenbeschriebenen gegen Osten, und
man kann diese noch theilweise durchkriechen, ohne jedoch ausser dem Abenteuer
eine andere und besonders scientifische Ausbeute zu gewinnen.
Kehrt man durch die beschriebenen Gemächer zurück bis zu dem Corridor, bei
dem wir begonnen, und geht dann in nördlicher Richtung diesem und der angebau-
ten Thermensubstructionsmauer entlang, so sieht man zur Linken eine Reihe von Kam-
mern (flf), die sowohl nach den Linien des Grundrisses als nach dem Ziegelbau zu
derselben Anlage gehörten. Es sind deren elf, mit Hinzurechnung der beiden noch
ausserhalb des darübergebauten Halbkreises liegenden Kammern. Diese zeigen jedoch
nicht die Spuren jener Pracht, welche man an den anderen Gemächern beobachtete:
so sind noch die Ansätze von drei hölzernen Treppen zu sehen, die jedenfalls niedrige
Stockwerke voraussetzen lassen, und die Bemalung war durchaus so roh und schmuck-
los, dass wir kaum zweifeln können, diese Kammern seien dem Dienstpersonal ange-
wiesen gewesen. Am nördlichsten Ende dieser Kammern zur Rechten, unmittelbar vor
dem Eintritt in einen langen Corridor, sieht man ein anderes Gemach (w) mit einem
Mosaikpaviment in weissen und schwarzen Feldern, welches jedoch nicht in dem Li-
nienverhältnisse der übrigen steht, auch um ein Meter tiefer liegt und beim Aufgraben
nur mehr niedrige Mauerspuren zeigte: mithin augenscheinlich nicht zu der übrigen
Anlage, sondern zu einem früheren Gebäude gehörte, welches jener weichen musste.
Die geringschätzige Verschüttung eines Mosaikbodens (der sich leicht herausnehmen
und versetzen Hess!) ist zwar auffallend, doch durch die Persönlichkeit des Baunach-
folgers wohl zu erklären.
Von hier aus führt in östlicher Richtung ein 60 Met. langer, 3 M. breiter Cor-
ridor [h) , der auch ursprünglich durch keine Fenster in den Wänden , sondern nur
478
Die Esquiüen.
durch 1 5 quadratische OefFnungen im Tonnengewölbe, welche jedoch beim Thermen-
bau geschlossen wurden, sein Licht empfing. Dieser bildet die nördliche Begränzung
der Area, die im Norden der erstbeschriebenen Gemächer liegt und wahrscheinlich die
südliche einer grösseren Gartenanlage, welche kurz vor Erbauung der Titusthermen
den Esquilinus einnahm. Die Wände dieses Corridors sind jetzt fast ganz entblösst und
scheinen vormals theilweise mit Marmor bekleidet gewesen zu sein; das Gewölbe
jedoch war mit schönen Malereien bedeckt, welche sich noch zu Anfang dieses Jahrhun-
derts in ziemlich wohl erhaltenem Zustande befanden, jetzt aber von der durchsickern-
den Feuchtigkeit und einem allmäligen Filz- und Salpeteransatz nach und nach vernichtet
zu werden scheinen. Von den noch sichtbaren einzelnen Stücken füge ich eines in
Abbildung bei, welche jedoch bei mangelnden Farben nur von der Disposition einigen
55. Fresko aus den Souteriaiiis der 'l'heriiieu des 'l'clus. (lN'iicIi Du Kumauis.)
Begriff geben kann. Auch diese wenigen Ueberreste erblassen stets mehr und mehr
und leiden auch nicht wenig unter der Besichtigung der Besucher, d. h. unter der
rücksichtslosen Beleuchtung des sonst wohlunterrichteten Custoden. Ungefähr in der
Mitte des Corridors sieht man zur Rechten unten an der Wand ein rohes und ohne
Zweifel späteres Gemälde, zwei ineinandergewundene Schlangen, die aus einer auf
einem Altare stehenden Opferschale nippen, mit der schlecht gemalten Inschrift :
DVODECP DEOS IIT DEANA*' ET lOVElYI
OPTVIVIv"" MAXVMV • HABEAT IRATOS
QVISQVIS HIC lYlIXERIT AVT CACARIT
Dass es überhaupt in Rom üblich war, statt des Verbotes der Verunreinigung eines
Platzes oder zu demselben zwei Schlangen zu malen, erhellt aus Persius.'' Im Uebri-
gen scheint diese bis auf den heutigen Tag in Rom beispiellos schlecht gehandhabte
Art von Polizei den zwölf Göttern anheimgegeben gewesen zu sein.
Kehrt man nun aus den unterirdischen, grösstentheils bei Fackelschein durch-
wanderten Räumen zurück, so ist noch eine kleine Sammlung aufgefundener Gegen-
' Satyr. I. v. 126 — 128.
Ueberreste der neronischen Aurea Domus. 479
Stände im zweiten Gewölbe des Halbzirkelbaues {p) zu besehen. Hier finden sich mehre
in den Souterrains ausgehobene Ziegel {matloni) mit ihren Stempelzeichen [hollii) zusam-
mengestellt, welche sich auch bei De Romanis ^ schön und verlässig, wie überhaupt
alle Kupfer dieses mit seltener Sorgfalt behandelten Werkes, dargestellt finden. Beson-
dere Beachtung verdient auch ein dreieckiges Piedestal eines marmornen Candelabers,
auf welchem Ceres, Apollo und ein bärtiger Priester mit einer Schale in Relief darge-
stellt sind, 2 ein ionisches Capital mit einem Stücke des marmornen Säulenschaftes, zwei
Basen, ".darunter eine reich verzierte ionische, ein Fragment eines korinthischen Pila-
stercapitäls u. dergl. Merkwürdig ist auch eine grosse irdene Vase, welche noch am
Boden Reste von einer gelben Farbe enthält, welche für Ocker angesehen wird.
Um einen weiteren Theil der eben betrachteten Anlage zu besichtigen, verfolge
man die Via Labicana noch weiter in östlicher Richtung und beuge dann zur Linken
in die Via delle Sette Säle. In der zur Linken von dieser Strasse gelegenen Vigna
befindet sich jener eigenthümliche Ziegelbau, der unter dem von seiner früheren Ge-
stalt hergenommenen Namen Sette Säle bekannt ist, und sich namentlich bei den älte-
ren Topographen einer grösseren Berühmtheit erfreute, als er sie zu verdienen scheint.
Statt der vormaligen sieben wurden durch wiederholte Nachgrabungen neun längliche
Hallen blossgelegt, die in der Richtung nach der Breitseite des ganzen Gebäudes par-
allel nebeneinander liegend unter sich 30 Verbindungen und 10 Ausgänge haben. Gegen
Osten weitet sich der Bau curvenförmig aus bis zur höchsten Breite von 44 M. ; die
Länge (Süd nach Nord) beträgt 59 Met. Man hat dieses Gebäude mit Recht für einen
grossen Wasserbehälter, doch irrthümlich bis auf die neuere Zeit als ursprünglich zu
den Thermen gehörig betrachtet; denn da es vielmehr genau in derselben Richtung
wie die beschriebenen unterirdischen Gemächer steht, so gehörte es offenbar zu die-
ser primären Anlage. Allerdings konnte ein Wasserbehälter der Art für die Thermen
nur erwünscht erscheinen und so später, als man alles Uebrige unter der neuen An-
lage begrub, für dieselben benutzt worden sein.
Für die Benennung dieser unterirdischen Ruinen haben wir nur eine Wahl. Wir
wissen nemlich, dass Nero durch umfängliche Bauten und Anlagen die Kaiserburg auf
dem Palatium mit den Gärten des Mäcenas (am servischen Walle) verband, und müssen
schon desshalb annehmen, dass der Raum, welchen nachmals die Thermen des Titus
einnahmen, von den weitläufigen Anlagen der Aurea Domus eingenommen gewesen
sei. Diess wird auch in bestimmter Weise von MartiaP bestätigt, welcher die Titus-
thernien als an die Stelle der neronischen Gefilde getreten nennt. Wollte man den
nsuperbus agem des Dichters buchstäblich verstehen, so müsste man, woran allerdings
• tav. V. Vgl. S. 476. Anm. 1. " Geiiach, Archaeolog. Anzeiger. X*. 8 & 9. Aug. u. Sept. 1849. S. 94 f.
^ de spectac. 2.
480 ^'6 Esquilien.
nichts hindert, annehmen, dass nördhch vom Corridore (/) sich ein freier, vielleicht
parkähnlicher Raum befand, in dessen Mitte sich nachmals der Hauptbau der Thermen
erhob. Auf keinen Fall ist aber dadurch die Möglichkeit ausgeschlossen, dass der Um-
friedungsbau der Thermen auch noch bauliche Anlagen des neronischen Palastes in
Anspruch nahm , welche man überdiess nicht zu demoliren brauchte, da der Abhang
der Carinen an dieser Seite eine ziemlich bedeutende Substruction zur Gewinnung eines
horizontalen Thermenareals nöthig machte, wozu die schon bestehenden Mauern, mit
neuen ergänzt, die besten Dienste leisten mussten.
Dass aber die erhaltenen Souterrains wirklich zu keiner anderen als der nero-
nischen Anlage gehören konnten, erhellt noch aus dem Umstände, dass der esquilinische
Theil derselben in Vespasians Zeit nachweislich noch bestand. Nachdem Otho noch
eine bedeutende Summe zur Vollendung der Aurea Domus bewilligt hatte,^ war erst
Vespasian dem Unwillen der Bevölkerung gerecht geworden, indem er das Vestibulum
demolirte, d. h. die Velia wieder freigab, und namentlich an der Stelle des neronischen
Teiches das Amphitheater zu bauen begann, während die südlichsten und westlichsten
Enden der Palastanlage durch die Tempel des Claudius und der Pax verdrängt wur-
den. Dadurch waren jedenfalls die esquilinischen Anlagen vom Palatium abgeschnit-
ten, doch lesen wir nichts von Veränderungen jener selbst. Es erscheint zwar bei den
Topographen, und selbst bei Nibby^ und Becker^ als eine sichere Thatsache, dass
Vespasian den esquilinischen Theil der Aurea Domus dem Volke geöffnet und tiberlas-
sen habe, doch ist mir ein classischer Nachweis dafür nicht erinnerlich. Die an sich
nicht unwahrscheinliche Annahme aber wird durch Verunreinigungsverbote , wie
die oben angeführten, welche einerseits in dem kaiserlichen Palaste und anderseits
nach dem Bau der Titusthermen undenkbar wären, wesentlich unterstützt. Ein solches
Verbot mag übrigens bei dem Grimme und der Geringschätzung, welche sich nach
Nero's Tode gegen diesen Luft machte, in dessen ehemaligem Palaste doppelt veran-
lasst gewesen sein. Titus aber konnte bei seinem Regierungsantritte die Grundlosig-
keit der Befürchtungen, dass man von ihm einen zweiten Nero zu erwarten habe,*
nicht sprechender widerlegen, als dass er den Rest des goldenen Palastes niederriss
und an dessen Stelle eines der beliebtesten gemeinnützigen Werke, Thermen, erbaute,
welche dasjenige, was sich als Substruction verwenden Hess und desswegen der Zer-
störung entging, wenigstens für mehr als ein Jahrtausend begruben. Doch scheint
Titus neben den Bädern sich selbst ein Haus reservirt oder wahrscheinlicher neu ge-
baut zu haben. ^
Erst vom Anfange des 1 6. Jahrhunderts wissen wir, dass in der Tiefe wieder
* Suet. Oth. 7. « Roma nell' anno 1838. P. II. ant. p. 446. ^ Hdb. d. röm. Alterth. Bd. I. S. 433.
* Sueton. Tit 7. => Plm. H. N. XXXVI. 5, 4, 37.
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Der Bogen des Gallienus. 481
gegraben wurde , und dass namentlich Raphael und Giovanni da Udine die bloss-
gelegten Gemächer besuchte, um die damals noch frischen Wandmalereien zu
Studiren. Epochemachend war die Entdeckung der Laokoongruppe in der Vigna
des Feiice de Fredis bei den sog. Sette Säle (1506) \ ein Fund, welcher auf die
Nähe des von Phnius (a. a. 0.) erwähnten Hauses des Titus schliessen lässt. In
der zweiten Hälfte des 1 7. Jahrhunderts wurden in der Nähe der genannten Kirche
des h. Petrus mehre athletische Inschriften ausgegraben,^ welche sich neuerlich
dahin erklärt haben, dass im 4. Jahrhundert ein Athletencollegium in den Traian-
thermen seinen Sitz hatte. ^ Die Nachforschungen der französischen Regierung
(1811 — 1814) veranlassten die schätzbare Beschreibung des A. de Romanis, welcher
eine freilich ganz fehlgreifende wissenschaftliche Abhandlung folgte.^ Im Jahre 1849
wurden die Arbeiten wieder aufgenommen, doch ohne besondere Ausdehnung; die
Neigung zur Fortsetzung der Arbeit ward aber dadurch nicht wenig abgeschwächt,
dass die nächsten Gemächer sich als schon durchwühlt und geplündert erwiesen.
Von den unzweifelhaft in der Nähe befindlichen Castra Misenatium oder der
durch ein neugefundenes Fragment des capitolinischen Planes der Gestalt nach be-
kannten Porticus Liviae^ ist keine Spur gefunden worden, dagegen wurde in beträcht-
licher Tiefe unterhalb der Unterkirche von S. demente, einem der wichtigsten Punkte
der christlichen Archaeologie , 1 870 ein Mithrasheihgthum entdeckt, von welchem
jedoch Verfasser nur Berichte kennt, da es seit 1875 mit Wasser gefüllt ist. Ob
die gewölbte Kammer noch jemals davon wird befreit werden können, ist zu be-
zweifeln, wenn er aber auch gelingen sollte, werden Stuccaturen und Bemalungen
voraussichtlich zerstört sein.
99. Der Bogen des Gallienus.
Steigen wir die Via della Polveriera zu S. Pietro in Vincoli empor und verfolgen
von dem Platze dieses Namens die gleichnamige Strasse ostwärts, so gelangen wir
in die Via in Merulana, und von dieser rechts in die Via di S. Vito. Diese führt durch
einen einfachen, ganz aus Travertin gebauten antiken Bogen. Von dem doppelt-
abgestuften Basament der beiden Pfeiler ist der untere Theil verschüttet, die Bogen-
weite 7,30. die Höhe 8,8o Met.; die Pfeiler sind 1,4o breit, 3,5o tief. Zu beiden
' Aldroandi, Mem. No. 10. (Fea, Mise. I. p. CCVIII.) 2 falconieri, Inscriptiones athleticae nuper
repertae. R. 1868. Ficoroni, Notizie. No. 3. (Fea. p. CXIX.) ^ jg Rossi, Bull, crist. 1867. p. 86. fg.
* Fiale, delle Terme Traiane dette dal volgo erronemente di Tito, della domus aurea di Nerone e della Titi
domus. R. 1832. 5 Wäre westlich von den Titusthermen zwischen der Via del Coliseo und der Via della
polveriera zu suchen. Mon. d. I. d. c. a. Vol. VIII. tv. XL VIII. a. G. Honzen Scavi di SS. Cosnia e Damiano.
Ann. d. I. d. c. a. 1867 p. 416—423. Jordan Forma U. R. p. 27. Klügmann, Philol. XXVII. 493.
F. Reber, Rom. gl
482 Die Esquilien.
Seiten derselben springen Pilastei- vor, mit rohgearbeiteten korinthischen Capitälen,
zusammen 7,9o M. hoch; unter dem Bogenansatz läuft ein einfaches Gesimse ; ebenso
einfach ist das auf den Pilastern ruhende, 2 Meter hohe Gebälke, dessen einzigen
Schmuck die in kleinen Charakteren in den bloss zweifach abgestuften Architrav
eingegrabene zweizeilige Inschrift bildet:
GAULIENO CLEMENTISSIMO PRINCIPI CVIVS • INVICTA VIRTVS SOLA
PIETATE SVPERATA EST ET SALONINAE SANCTISSIMAE AVG i| M •
AVRELIVS • VICTOR DEDICATISSIMVS NVMINI MAIESTATIQVE EORVM
M. Aurelius Victor, der nach der Inschrift diesen Bogen errichtete, war Prae-
fectus Urbi im J. 262 n. Chr. ^ in welche Zeit ungefähr auch die Errichtung des
Denkmals zu setzen ist. Es entstand nicht als Triuraphdenkmal, wozu jeder Anlass fehlte;
sondern vielmehr aus persönlichen Motiven und aus Privatmitteln. Die Worte der
Inschrift enthalten daher auch nur leere Schmeicheleien, die im schroffsten Contraste
zu den historischen Nachrichten stehen. So wird er hier der ,, mildeste Herrscher
genannt, und anderwärts seine unerhörte Grausamkeit hervorgehoben, die oft 3 — 4000
Opfer an einem Tage verlangte.^ Im Gegensatze zur ,, unbesiegten Tapferkeit" der
Inschrift erzählt derselbe Berichterstatter,^ dass er, während das Reich von den
sogenannten dreissig Tyrannen an den Rand des Verderbens gebracht war, in
schwelgerischer Zurückgezogenheit, seinen Lüsten lebte. Seine „Pietät" endlich, die
hier noch über seine Tapferkeit gesetzt wird, charakterisirt die bekannte Thatsache,
dass er seinen greisen Vater Valerian in der schimpflichen Gefangenschaft des per-
sischen Königs Sapor sterben Hess, ohne sich während der langen Zeit dieser Schmach
um die Befreiung desselben oder um die Klagen des Volkes in anderer Weise zu
bekümmern, als dass er fingirte Triumphzüge über die Perser hielt. In neuerer
Zeit hat der Bogen erhöhte Bedeutung dadurch erhalten, dass er sich als in der
Linie der servischen Mauer und überdiess an der Stelle eines alten Stadtthores
(Porta Esquilina) befindlich erwiesen hat. * Dieses Umstandes wird noch bei Behand-
lung des Agger, dessen südliches Ende die Porta Esquilina gebildet hat, zu ge-
denken sein.
Der Bogen, im Mittelalter wegen der westlich anstossenden Kirche Arco di
S. Vito genannt, war zu Ende des 15. Jahrhunderts nach einer Zeichnung Sangallo's
noch weit mehr erhalten und zeigte noch Reste eines Giebels kleinerer Seitenbogen,
oder Durchsichten. ^ Die noch sichtbaren Spuren davon sind gering.
1 Corsini, Series Praefectoium Urbis. Pis. ■ITGö. p. -142. ^ gd-ipt. H. A. (Trebell. Poll.) Gallieni
duo. 48. 3 id. c. 16. ^ Vgl. p. 11. 5 Veteres Arcus Augustorum noUs lo. P. Bellorii illustrati
delin. et sculpt. a P. Santi Bartolo. Romae 1690.
Das muthmassliche Nymphäum des Alexander Severus.
483
100. Das muthmassliche Nymphäum des Alexander Severus.
Die Via di S. Vito führt durch die breite von S. Maria Maggiore aus-
gehende Via di Carlo Alberto, von welcher jedoch eben jetzt (1877) ausser der um-
fassenden Tieferlegung und einigen Neubauten noch wenig zu sehen ist, zu der
Piazza Vittorio Emanuele, künftig wohl dem umfänglichsten Platze Roms, jetzt noch
volle Wüstenei, seit die ehemaligen Vignen rasirt sind. Auf diesem Platze, zur Linken
von der Einmündung der Via di Carlo Alberto erhebt sich eine nicht unbedeutende
Ruine aus Backstein, welche unten
eine Breite von 23, in der Mitte
eine Tiefe von 1 3,5o und vom an-
tiken Boden aus eine Höhe von 22
Met. hat. Da die Ruine an der Süd-
ostseite mit einem Aquäduct in Ver-
bindung steht, so ist es wohl nicht
zu bezweifeln, dass wir hier einen
der vielen Hauptbrunnen vor uns
haben, welche das wasserreiche
alte Rom schmückten. Die im
vorigen Jahrhundert vorgenom-
menen Nivellirungen ^ schienen
darzuthun, dass sowohl die Zweigleitung als auch unsere Ruine selbst mit der Aqua
Julia in gleicher Höhe stehen und desshalb zu dieser gehörten, doch später wurde
nachgewiesen,^ dass die mit unserer Ruine in Verbindung stehende Wasserleitung
ein Theil des von Alexander Severus angelegten Aquäducts sei. Die Ruine besteht
aus einem ziemlich complicirten, doppelt abgestuften Unterbau mit je sechs oder
sieben Mündungen, aus welchen das Wasser in ein Bassin strömte. Darüber ist in
der Mitte noch eine grosse Nische erhalten und von den beiden Seitenbogen noch
ein Theil des nördlichen. In diesen Seitenbogen standen bis zum Jahre 1585 die
beiden Trophäen (die angeblichen Trophäen des Marius), welche seitdem auf der
Balustrade an der Capitolstreppe stehen, wohin sie Sixtus V. versetzte. Die Ziegel
der Ruine wie die Sculptur der Trophäen widersprechen der Zeit des Alexander
Severus keineswegs, und so wird es mit Bezugnahme auf die das Brunnendenkmal
vormals speisende Aqua Alexandrina ziemlich wahrscheinhch, dass die Ruine dem
Nymphäum des Alexander Severus (dem Hauptbrunnen der Leitung), welches auch
56.
^ io io SoMtt.
Grundriss des muthmasslichcn Nymphäum des Alexander Severus.
(Nach Caniiia.)
1 Piranesi, Le Rovine del Castello dell' Acqua Giulia in Roma. R. 1761. 2 Lenormant, Revue numis-
raatique. 1842. Bull. d. I. d. C. a. 1844. p. 39. Gerhard, Arch. Zeit. 1844. S. 320.
61*
484
Die Esquilien.
in der esquilinischen Region an einer nicht unpassenden Stelle genannt wird, ^ zu-
zuschreiben sei.
Alexander Severus erbaute seine Wasserleitung , welche 1 3 Mgl. vor Rom
zwischen dem alten Gabii und dem See Regillus gefasst wurde, ^ um das Jahr 225
n. Chr. ^ Vitiges' Zerstörung der AqiiUducte im J. 537 n. Chr. scheint mit der Leitung
auch dem Brunnen ein Ende gemacht zu haben. Im Munde des Volkes galt die
57. Das mulhmassliche Nymphänm dos Alexander Severus. (F. R.)
Ruine nun forthin als Cimbrum, welcher Name, nachdem der Anonymus von Ein-
siedeln ^ wahrscheinlich dafür zwischen S. Vito und S. Bibiana richtiger das „Nym-
pheum" verzeichnete, sich schon im 12. Jahrhundert findet,^ woraus sich später
der Name ,,Trofei di Mario" bildete. ^ Dass nun dieser irrthümlich von einem nahen
Siegesdenkmal oder Trophäen -Sacellum des Marius auf diese Ruine übertragen
wurde, ist schwer zu behaupten. Denn es ist nicht unmöglich, dass dem Alexander
' Curios. U. R. Reg. V. 2 r. Fabretti, de Aquis et Aquaeductibus veteris Romae. (Graev. Thes. A. R.
tom. IV. p. 1680. sq.) 3 Script H. A. (Lamprid.) Alex. Sev, 25. ■»ed. Haenel, Archiv, f. Philol. u. Paed.
Suppl.-Bd. V. p. 434. 5 Ord. Rom. (Mabillon, Mus. Ital. tom. II. p. 141. Not.) Lib. de Mirabilibus Romae.
(Montfaucon, Uiar. Ital. p. 295.) 6 Vgl. Abbildung bei Gamucci, Antichitä di Roma. Ven. 1565. p. 100.
Q.
E
Der angebliche Tempel der Minerva Medica.
485
Severus gerade die Stelle, an welcher sich das übrigens schon von Cäsar wieder-
hergestellte ^ Siegesdenkmal des Marius befand , für seinen Hauptbrunnen passend
schien, und dass er dessen Trophäen erneut auf dem letzteren einen Platz anwies.
101. Der angebliche Tempel der Minerva Medica.
Beugt man von der beschriebenen Brunnenruine aus zur Linken entweder
durch die Via Mamiani oder durch die Via Ricasoli (beide zur Zeit nur auf den
Plänen benannt) in die dei Bahnlinie parallele Strasse, die den Namen Principessa
Margherita trägt, so erblickt man
an deren südöstlichem Ende die
malerische Ruine eines grossen
Kuppelbaues, im inneren Durch-
messer 23, im äusseren 34 und in
seiner ursprünglichen Höhe 33 Met.
messend. Ringsum befinden sich,
den Seiten des Dekagons ent-
sprechend, neun Nischen und an
der Stelle der zehnten der Ein-
gang. Der Anwurf der Wände
weist auf eine bis zum Gesimse
über den rundbogigen Fenstern
hinaufreichende Marmorbekleidung,
während oberhalb und namentlich
-^
JoMei.
58. Giundriss des angebl. Tempels der Minerva Medica. (Nach San Gallo.)
an dem noch erhaltenen Theile der
Wölbung Spuren von Stuckbekleidung sichtbar sind. Von dem Pavimente hat man
noch Porphyrplatten entdeckt : das Badebassin in derMitte jedoch ist modern. Der
Saal war auf drei Seiten von anderen Gemächern umgeben, von denen man noch
die Ansätze sieht, von welchen aber in des älteren San Gallo Zeit noch mehr
sichtbar war. Der Backsteinbau weist auf das dritte Jahrhundert n. Chr.
Im Mittelalter trug das Gebäude den auffallenden Namen le terme di Gal-
luccio ^ und le Galluzze,^ von welchem man fälschlich die Bezeichnung Thermen
oder, weil solche classisch nicht nachweisbar waren, eine Basilica des Gaius und
Lucius abgeleitet hat. Nicht minder unpassend ist der im 18. Jahrhundert entstan-
dene und bis jetzt üblich gebliebene Name Tempel der Minerva Medica (welcher
* Sueton. Caes. \\. 2 ßlondi Flavii de Roma Instaurata. Ven. 4503. Lib. II. § 24. L. Fauno, delle
Antichitä di Roma. Ven. 1548. fol. i09. 3 A. Fulvii Antiquitates Urbis. R. <527. fol. XXV. Gamucci, Anti-
chitä di Roma. Ven. ises. p. iOO.
486 I^'ß Esquilien.
allerdings in der Nähe angenommen werden muss ^), von der angeblich ^ (nicht sicher ^)
hier gefundenen Pallas Giustiniani (Braccio nuovo des Vatican). Der Rundbau gehörte
jedentalls einem grösseren Gomplexe an , welchen einem öffentlichen Gebäude zu-
zuschreiben wir durch den Grundplan keinen Anlass haben, doch müssen wir wohl
an einen sehr hervorragenden Besitzer denken, welcher sowohl die Dimensionen
als auch die dabei verwendete Pracht, wozu die zahlreichen bei der Ruine gefun-
denen^ Statuen, der Pomona, des Aesculap, des Adonis, der zwei Luperci, der Venus,
eines Faun, des Hercules, des Antinous u. a. gehören, rechtfertigen kann. Ganina ^
hat daher angenommen, dass die Ruine zu den heinischen Gärten des Gallienus ge-
hört habe, deren sonst nicht local bestimmte ^ Existenz auf dem Esquihn und zwar
sehr passend bei S. Bibiana als Palatium Licinianum vom Liber pont. ^ bezeugt wird.
Einfacher ist es, mit Jordan, welcher indess geltend macht, dass dieser Name im
Mittelalter zwischen dem Sessorium und unserer Rotunde schwankte ^ anzunehmen,
dass dem »Galluccio« ein uns unbekannter Eigenname zu Grunde liege.
102. Das Sessorium und einige Columbarien.
Verlässt man die Vigna Magnani an der südöstlichen Ecke vor Porta Mag-
giore, so findet man in der Nähe des Ausgangs noch drei Columbariencomplexe.
Der erstere ist sehr zerstört, der zweite zeigt ein wohnhausartiges Gemächeraggregat
in drei Stockwerken, von welchen das oberste im Niveau des modernen Bodens
hegt und nur mehr wenig erhalten ist, das mittlere dagegen einen grossen Raum
mit einem starken die Treppe umschliessenden Pfeiler in der Mitte enthält. Der dritte
Complex lässt noch zwei kleine fast isolirte Columbarienhäuschen erkennen, von
welchen das eine noch sein Tonnengewölbe und leichten Wandschmuck zeigt.
Wendet man sich nun südlich die Via di Porta Maggiore entlang gegen die
Basilika S. Croce, so findet man zunächst in der Vigna zur Rechten die Ueberreste
eines kleinen Wasserbehälters für Bäder, welche auf eine in der Nähe gefundene
sehr fragmentirte Inschrift hin, die ganz zusammenhangslos die Worte HELENA
und THERM A.. darbietet, (jetzt im valicanischen Museum'^), als die Bäder der
Helena bezeichnet werden. Zur Linken von S. Croce aber in die anstossende
Vigna des Klosters tretend, sieht man eine beträchtliche Ruine, bestehend aus einer
grossen Apsis mit einigen Rundbogenfenstern und zwei geradlinig sich anschhessen-
den Mauern. Der Backsteinbau scheint dem 3. Jahrhundert n.Chr. zu entsprechen;
1 Gurios. U. R. Reg. V. Grut. Inscr. p. MLXVII. No. 5. 2 Ficoroni, Le vestigia e raritä di Roma an-
tica. R. 1774. p. 119. 3 P. Santi Bartoli, Memorie. No. 112. (Fi, Meascell. I. p. GGLIV.) * Fl. Vacca,
Mem. No. 17. (Fea, pLXI.) s indicaz. topogr. 4. Ediz. R. 1850. p. 160 sq. «Script. H. A. (Treb. PoII.)
Gallien. 17. ^ Vit. Pont. Simplic. (Par. 1649.) p. 29. 8 Jordan Topographie II. S. 131. » Orelli Inscr. n« 20.
Das Sessorium und einige Columbarien. 487
einen Grundplan herzustellen, aus welchem vielleicht die ehemalige Bestimmung
der Ruine ersichtlich wäre, ist ohne Nachgrabungen unmöglich.
Die früheren Bezeichnungen der Ruine als Tempel der Venus und Cupido
nach einer hier gefundenen Statue der Venus oder als Spes Vetus nach der Nähe
der Ruine an dem Anfange der neronischen Zweigleitung, bei welchem jener Tem-
pel lag,^ sind grundlos. Auch die Identificirung mit dem obenerwähnten Nymphäum
des Alexander,^ wie Becker^ gezeigt hat. Das Wahrscheinlichste ist, dass man in
der Ruine Ueberreste jenes Sessorium zu erkennen habe, welches von einem Scho-
liasten bei den Gemeingräbern der Armen und Verbrecher auf dem Esquilinus er-
wähnt^ und als Palatium Sessorianum vom Liber pont. bei S. Croce bezeichnet
wird. ^ Zweck und Bedeutung des Sessorium ist dunkel.
Von dem nahen, jedoch schon in die aurelianische Mauer eingeschlossenen
Amphitheatrum Castrense wird bei Beschreibung dieser Mauer die Rede sein, da-
gegen fügen wir hier noch die Notiz von einem schönen Columbarium an, welches
unweit davon i 866 in der Villa Wolkonsky gefunden worden ist. ** An der Süd-
seite einer muthmasslich von der Porta Caelimontana gegen Porta Maggiore führen-
den Strasse, welche 6,,.^ M. unter dem modernen Boden entdeckt ward, gelegen,
erhob sich der Grabbau in zwei Stockwerken über das antike Strassenniveau, wäh-
rend ein drittes Gelass schon im Alterthum unterirdisch war. Die Fagade; 4,^^ M.
lang und 4,2o hoch , ist höchst schlicht in unverputztem Ziegelwerk aufgeführt und
ausser einfachen Terracottagesimsen, nur durch eine schmucklose 1 ,45 M. hohe Thüre
und zwei Fensterchen gegliedert. In der Mitte aber ist eine umrahmte Marmortafel
eingelassen, welche folgende Inschrift enthält:
Tl CLAVDIO • Tl F VITALI || Ti CLAVDIVS VITALIS ARCHITEC || CLAV-
DIA • Tl • L • PRIMIGENIA || CLAVDIA Tl • E O L OPTATA • F |1 Tl CLAV-
DIVS AVG L II EVTYCHVS ARCHITECTVS
Der Eingang führte zu einem kleinen Podest, von welchem aus nur drei 0,55 M.
breite Backsteinstufen zur mittleren empor, ebensoviel in die untere Kammer führen.
Die erstere zeigt einen Mosaikboden mit geometrischen Mustern in weiss und schwarz,
in der Mitte jeder Seite mit Ausschluss der Treppenseite ist eine Nische angebracht,
in einigen Resten einstigen Musivschmuck verrathend. Sonst waren Wände und
Kreuzgewölbe auf Verputz bemalt. Aehnlicher Art war das untere Gelass, nur
einfacher behandelt; ausser den Bestattungsplätzen in den Wandlöchern waren auch
Särge aufgestellt. Das oberste Geschoss scheint später hinzugefügt worden zu sein
1 Frontin. I. 19—21. 2 Beschreibung d. St. Rom. Bd. m. Abth. I. S. 568. Vgl. Bd. I. S, 181. (Bunsen.)
3 Hdb. d. röm. Allerth. Bd. I. S. 547 fg. * Schol. Cruq. ad Hör. Epod. V. v. 100. Sat. I. 8. v. 11.
5 Vit. Pontif. Silvestr. Par. 1649. p. 16. 6 r, ßergau, Sepolcro antico scoperto nella villa Wolkonski. Bull. d.
J. d. c. a. 1866. p. 112—117.
488 ^^**^ Esquilien.
und zeigt Wände von opus reticulatuni. Die Zeit der Entstehung des älteren Thei-
les aber ist durch die angeführte Inschrift nach Inhalt und Schriftform unzweifel-
haft claudisch, wie auch die Besitzer des Grabmales als Architecten des Kaisers
Claudius genannt werden. Vielleicht darf sogar der unmittelbar nahe claudische
Aquaeduct und der imposante Strassenübergang der jetzigen Porta Maggiore mit
ihnen in Zusammenhang gebracht werden.
103. Das angebliclie Auditorium des Mäcenas/
Kehrt man von der Villa Wolkonsky durch die Via in Merulana zurück, so
gelangt man an antiken Hügelsubstructionsmauern in den links anstossenden Gärten
vorüber, da wo die neuabgesteckte Via Leopardi rechts gegen die zur Zeit nur an
den sog. Trofei di Mario erkennthchen Piazza Vittprio Emanuele abzweigt zu einer
höchst bemerkenswerthen, erst in neuester Zeit (1874) gefundenen Ruine.
Sie besteht in der Hauptsache aus einem seit 1 876 unter ein Schutzdach ge-
brachten im Alterthume zur Hälfte unterirdischen oblongen Saal von i9,jQ M. Länge
und 1 0,g(, M. Breite an dessen nordwestlicher Schmalseite sich eine halbkreisförmige
5,3Q M. im Radius messende Exedra anschloss. Die letztere zeigt eine an den Zu-
schauerraum eines antiken Theaters erinnernde concentrische Terrassirung , deren
sieben Stufen ursprünglich mit caristischem (Cipollino) Marmor bekleidet waren und
deren Schlusswand durch fünf Nischen gegliedert ist, welche halb so tief als breit
und oben geradlinig abgeschlossen sind. Die Längswände werden der Exedra zu-
nächst durch je sechs Nischen, welche von der Art der erstgenannten, jedoch an-
nähernd so tief als breit sind, und sich ganz nahe stehen, belebt, bleiben aber gegen
die Schlusswand hin ohne anderen gebauten Schmuck als den, welchen die Ein-
gänge beiderseits etwa dargeboten haben mochten.
Das Mauerwerk zeigt die Technik das opus reticulatum als Innen- wie Aussen-
verkleidung der zwischenliegenden Gussmasse (fantura). Wie das Netzwerk so sind
auch die an den Kanten , Bogen u. s. w. nöthigen ziegeiförmigen Stücke in Tuf
hergestellt. Die Wände sind grossentheils bis zum Gesimse einschliesslich, d. h.
in einer Höhe von 7,4o Met. erhalten; die Bedeckung aber war im Oblongum un-
zweifelhaft durch ein Tonnengewölbe der Exedra wahrscheinlich durch eine Halb-
kuppel erwirkt, wie diess auch an ähnlich geplanten Terapelcellen (Venus und
Roma) der Fall war. Das Licht konnte nur hypäthral besorgt gewesen sein, weil
^ Vespignani e G. L, Visconti, Antica sala da recitazioni, ovvero auditoro, scoperto fra le ruine degli
orti mecenanziani sull' Esquilino. Bull, della comm. arch. mun. 1874. p. 137— i 74. Tav. XI— XVm.
Das angebliche Auditorium des Mäcenas.
489
der Bau mehr als zur Hälfte unterirdisch war, und sonach die Fensterausschnitte
des Saales (mit Ausschluss der Exedra) unter dem äussern Niveau lagen, mithin selbst-
verständlich von vorneheiein geblendet sein mussten. Man wird annehmen dürfen,
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^.J.
_..; ^^-^^
58*^. Plan und Durchschnitt des angeblichen Auditorium des Mäcenas. (Nach C, Mariani.)
dass die Hypäthren im Gewölbescheitel in der Weise angebracht waren, wie diess dei-
ähnliche Saal der Villa der Livia Augusta in Prima porta zeigt. Fragmente von
ij;rossen Glasplatten, die man im Schutte des Innern fand, Hessen sogar vermutlien,
F. Reber, Hom. 62
490 Die Esquilien.
dass die Lichtausschnitte einst (ob urspr'ünglich?) verglast waren. Als Paviment fand
sich feines weisses Mosaik mit einem rothen Einfassungsstreifen unterhalb den Resten
eines späteren Marmorpflasters. Die Wände waren auf rothem Grunde leicht orna-
mentirt; die Nischen dagegen zeigen von Vögeln belebte Vegetation, Bäumchen,
Gesträuche und Blumen , gleichsam als Ersatz für die fehlenden Fenster und die
Aussicht in die benachbarten Gärten. Sonst ziehen sich 0,27 Met. hohe Figurenfriese
auf schwarzem Grunde unter den Exedra- wie über den Saalnischen hin.
Einiges Bemerkenswerthe bietet auch Lage und nächste Umgebung dar. Es
ist schon gesagt worden, dass der Saal beträchtlich (7 Met.) unter dem antiken
Niveau lag, weit mehr als unter gegenwärtig bedeutend vertieftem Boden. Da nun
der Erbauer einen Treppenzugang vermeiden wollte, so legte er an der linken Seite
des Saales einen sanft abwärtsführenden in zwei Läufe gebrochenen Corridor an,
welcher, in opus spicatum gepflastert, an der das Suggestum enthaltenden Schluss-
wand mündete. Ein Ausgang an der diesem Eingange gegenüberliegenden Seite
bewerkstelligte die Gommunication auch an dieser und führte zu angebauten jedoch
nicht weit erhaltenen Gemächern, aus deren Resten sich indess wenigstens ergab,
dass der Saal nicht isolirt für sich stand, sondern einem grösseren Complexe an-
gehörte. Wichtiger aber war die Entdeckung der servischen Mauer, welche bei
der durch die esquilinische Stadterweiterung nothwendig gewordenen Tiefer-
legung des Niveaus unter dem Boden der Kaiserzeit beiderseits zum Vor-
schein kam. Der Plan No. 58* giebt in der schrägen Punktirung die Linie derselben,
welche den Saal theilweise durchschnitt, in dessen Innenraum aber bei seiner Er-
bauung demolirt werden musste. Das nördlich an den Saal anstossende Stück ist
noch 16 Met. lang in 5 Lagen erhalten, die ursprüngliche Gesammtdicke von 3,(5o
Met. zeigend, die zwei kleineren Stücke an der Südecke des Saales dagegen bieten
nur 3 Lagen dar. Da sie sämmtlich auf einen ursprünglich höheren Grund gebettet
waren, so mussten sie, zum Theil schon im Alterthum, substruirt werden. Die Stein-
zeichen sind A und H. Die Reste fallen in den Trakt zwischen Porta Esquilina
und Querquetulana und bieten das anschaulichste Stück der normalen Ummauerung
dar, da die grösseren gänzlich blossgelegten Stücke jenseit der Porta Esquilina schon
der Aggerverstärkung angehören.
Dass der Saal aus der ersten Kaiserzeit stammt, ist durch Construction wie
Gemäldeslyl ausser Zweifel. Denn es ist nicht blos durch Vitruv (IL 8) ziemlich sicher,
dass das opus reticulatum (Netzwerk) erst mit Augustus das opus antiquum oder
incertum verdrängte, sondern die neueren Forschungen lassen auch vermuthen,
dass mit dem opus reticulatum sich nur kurze Zeit die Herstellung von Bogen und
Kanten in ziegeiförmigen Tufsteinen verband, an deren Stelle bald die bequemere
Das angebliche Auditorium des Mäcenas. 491
Ziegelconstiiiction trat, bis endlich unter Hadrian der Ziegelbau das opus reticulatum
ganz verdrängte. ^ Auch ist die Aehnlichkeit der gemalten Vegetation mit dem
bereits angezogenen Gemache in Primaporta überraschend und überhaupt der Deco-
lationsstyl noch nicht so manirirt wie in der flavischen Epoche (Pompeii).
Was aber den Zweck des Gebäudes betrifft, so schienen die theaterförmigen
Sitzstufen der Exedra auf einen Zuschauer- oder Zuhörerraum zu weisen. Dabei dachte
man zunächst an jene Vorlesungen in den Häusern hochgestellter Literaturfreunde,
welche zu Anfang der Kaiserzeit sich keiner geringeren Verbreitung erfreuten, wie heut-
zutage,^ für welche man eigene Säle, auditorium genannt,^ einrichtete, die ungefähr
die Gestalt des vorliegenden Saales haben mochten. * So ansprechend sich aber
auch diese Bestimmung namentlich mit Rücksicht auf den Besitzer des Raumes in
der Phantasie darstellen mag, so ist sie doch von Sicherheit weit entfernt. Noch
mehr der Gedanke an ein Gewächshaus, wofür zwar die Gestalt und namentlich die
lialbunterirdische Lage nicht aber die Beleuchtung passen würde.
In Bezug auf Bestimmung und Besitzer geben die gefundenen Inschriftfrag-
mente keinen Aufschluss. Doch unterliegt es keinem Zweifel, dass der Saal in das
Gebiet fällt, über welches sich die Gärten des Mäcenas erstreckten. Denn dass
diese auf der Höhe des Esquilinus von der Stelle der nachmaligen Thermen des
Traian bis über die Porta Esquilina diessseits wie jenseits der servischen Mauerlinie
sich ausdehnten ist durch Horaz wie dessen Scholiasten^ trotz einiger Verwech-
selung bei den letzteren bezüglich der äusseren und inneren Gärten unzweifelhaft.
Minder gewiss dagegen ist der Antheil, den Caligula oder Nero an dem Gebäude
hatten; denn nachdem die Gärten in Augustus' Besitz gekommen waren, finden wir,
dass Caligula diese mit den angränzenden vormals lamischen Gärten wenigstens
vorübergehend bewohnte , ^ während Nero unter grossartigen Umbauten dieselben
sogar zu seinem bevorzugten Aufenthalte (domus aurea) umschuf.
104. Der Agger des Servius Tullius.
Verfolgt man die Linie des am sog. Auditorium des Mäcenas erhaltenen
Restes der servischen Mauer über das in Folge der modernen Tracirungsarbeiten
jetzt völlig öde esquilinische Gebiet nordwärts, so findet man jenseits des Gallienus-
bogens bis zum Bahnhofe ausser mehren unansehnlichen Resten ein grösseres Be-
festigungsstück an der Stelle der projectirten Piazza Manfrede Fanti. Es hat eine
Länge von 22 Met., ist in 5 Steinlagen erhalten und bildet einen stumpfen Winkel,
dessen Spitze nach aussen gekehrt ist. Im Winkel innen ist eine bogenförmige
1 V. Vespignani e C. L. Visconti 1. c. p. 147. 2 pün. Ep. III. i8. 3 Sueton. Octav. 85. Plin. Ep. V. 3.
■• Juvenal. Sat. VII. 39. 49. » Acron et Sehol. Grucq. ad Hör. Sat. I. 8. «Philon. Ind. opp. VI. p. 143 (Lps.)
62*
492
Die Esquilien.
Verstärkung angebracht, deren Construction in keilförmigen Steinen aus der beifol-
genden Abbildung (Fig. 58b) ersichtlich ist. Die Mauerstärke beträgt 4,3o Met.; die
Dimensionen der in der üblichen Weise nach Läufer und Binder geschichteten Steine
sind die gewöhnlichen, nemlich 0,57 — 0,59 Met. nach Breite und Höhe bei einer mehr
variirenden Länge bis zu 1 ,8o Met. Das Stück musste schon dem Agger angehören, d.
h. jenem stärker gehaltenen ßefestigungstheile, welchen Servius Tullius an der nicht
durch die natürliche Beschaffenheit des Terrains unterstützten Hochebene gegen Nord-
osten für erforderlich hielt, denn wir wissen, dass sich diese, die Porta Viminalis in
die Mitte nehmend, von Porta Esquilina (Gallienusbogen) bis Porta GoUina (Nordeckc
des Finanzministeriums) erstreckte. ^
SSI»' Mauerstuck vom Agger des Servius TuUius. (F. R.)
Belehrt aber dieses Stück nicht weiter über die Gestalt der ganzen Befesti-
gung, so haben die weiter nördlich auftretenden Stücke beim Bau des Bahnhofes
durch die hierbei nothwendig gewordene Demohrung Gelegenheit zu gewissermassen
anatomischer Erforschung derselben dargeboten. ^ Andere Unterstützung gewähren
dann die erst in den letzten Jahren aufgefundenen fünf Stücke östlich vom Bahn-
stationsgebäude bis hinterhalb der Thermen des Diocletian, welche zwar schon in
das viminalische Gebiet gehören, aber des Zusammenhanges wegen doch hier zur
Besprechung herangezogen werden müssen.
1 Strabo V. 3 , 1 u. 7 u. 9 p. 228. 234. 237. 2 r. Bergau u. E. Pinder, gli avanzi dell' aggere e
del muro di Servio TuUio scoperti nella villa Negrnni. Ann. d. I. d. c. a. -1862 p. 126—137 tav. d'agg. J. K.
— R. Lanciani, SuUc mure e porte di Servio. Ann. d. I. d. c. a. 1871. p. 61 sq.
Der Agger des Servius TuUius. 493
Der Wall fieilicli, d. h. die Erdaufschüttung, ist jetzt, obwohl er sich bis auf
die neueste Zeit vollkommen deutlich von der Via di Porta Pia (Venti Settembre)
bis zur Piazza di S. Maria Maggiore erhalten hat, in Folge der Tracirungsarbeiten
zum Zweck der viminahschen Stadtanlage gänzlich verschwunden, in seinen letzten
Stücken nordöstlich vom Stationsgebäude erst i. J. 1877. Der Graben vor dem-
selben, aus welchem das Material für den Wall genommen ward und worüber das
Nöthige schon in der Baugeschichte (S. 11) vorgetragen worden ist, war schon in
der Kaiserzeit, völlig zugeschüttet. Dagegen stehen noch etliche Mauerstücke, wenn
auch durch den Anbau des neuen Stadtviertels taglich bedroht. Sie gehören zu den
Substructionswänden, von welchen der Erdwall aussen, stellenweise innen und aussen,
gehalten war, wonach der Agger den Charakter einer Wallmauer hatte. Die Breite
des ganzen Walles, nicht überall gleich, scheint an der schmälsten Stelle unten
24 Met., an der breitesten über 30, Met. betragen zu haben, die Höhe von der
Tiefe des Grabens aus über 9 Met. Das Material der Futtermauern, welche in Ab-
ständen von etwa 5,5o Met. Lisenenverstärkung zeigen, ist zwar in den Maassen der
Quadern den übiigen Resten der servianischen Mauern gleichartig, nicht aber hin-
sichtlich der Herkunft, denn an der Stelle der sonstigen Blöcke von gelbrothem
römischem oder grauem Peperintuf zeigt sich hier ein abweichend graulicher Tuf
verwendet, von welchem nach Lanciani's Bericht 1872 die alten Brüche in der
Vigna Gigli, jetzt Quirini links von der Via Tiburtina, ein Kilometer von der Stadt
entfernt gefunden worden sind.
XI. Die CoUes. Viminalis, Quirinalis und Collis Hortorum
(Pincius).
Von dem schmalen und unbedeutenden Viminalis, der nur durch ein enges
Thal vom Esquilin getrennt sich in südwestlicher Richtung herabzieht, und dessen
Name von dem ihn vormals bedeckenden Weidengehölz {salix viminalis) abgeleitet
wird,^ wissen wir nur wenig, und auch von diesem ist nur das von Plinius ■ wegen
seiner Pracht hervorgehobene Haus des Ritters G. Aquilius bestimmt. Weit mehr
Bedeutung hatte der etwas grössere Quirinahs, welcher von dem Viminalis ebenfalls
nur durch ein schmales Thal getrennt, bis nahe an den Capitolinus sich herabzieht,
und sogar ursprünglich den Fuss des letzteren berührte, wie bei Beschreibung des
Traianforum erwähnt worden ist. Schon in vorromulischer Zeit von einer sabinischen
1 Varro L. L. V. 8, 16. p. 57 (Speng.) Fest. s. v. Viminalis, luvenai. 111. v. 71. 2 XVII. i, 2.
494 Die Colles. Viminalis, Quirinalis und Collis Horlorum (Piiicius)
Colonie besetzt, erhielt er, angeblich vorher Agonalis genannt,^ seinen Namen von
dem uralten Heiligthum des sabinischen Gottes Quirinus, welches dadurch zum
römischen Nationalheiligthum wurde, dass Numa den Romulus mit dem Quirinus identi-
ficirte.^ Numa war es auch, der den sabinischen Gau durch eine Mauer zur städtischen
Ansiedlung machte,^ und auch selbst auf dem Hügel — wie es scheint abwechselnd mit
der Regia an der Velia — Wohnung nahm.^ Von dem Agger des Servius Tullius
und dessen neuerlich aufgefundenen Ueberresten sammt Thoren desselben wie von
dem Mauergang und den Thoren von der Nordspitze der servischen Stadt bis zum
Slidfusse des Quirinals wurde früher (p. 10. 11 u. anderw.) gesprochen.
Der sabinische Charakter der quirinalischen Ansiedlung prägt sich namentlich
in den ältesten Cultstätten aus, die auf dem Hügel erstanden. Der dem Numa zu-
geschriebene Tempel des Quirinus war wahrscheinlich von dem, der neu gebaut
im J. 461 d. St. (213 v. Chr.) von L. Papirius Cursor geweiht^ und im J. 738 d.
St. (16 V. Chr.) durch Augustas in prachtvoller Weise umgebaut wurde," verschieden,
und vielleicht jenes Sacellum Quirini, das bei Porta CoUina (quirinalis) genannt wird, ^
während der grosse Tempel nach der Notitia weiter südlich und in der Nähe der
constantinischen Thermen lag. Nahe dabei befand sich der kleine ^ Hypäthraltempel
des Semo Sancus oder Dens Fidius angeblich in romulischer Zeit von Tatius gegründet,
von Tarquinius Superbus neugebaut und in republikanischer Zeit geweiht. " Unweit
davon bei Palazzo Barberini ^^ befand sich auch das Capitolium vetus, älter als das
capitolinische Nationalheiligthum, ^^ aber klein und unansehnlich, und desshalb nach
Erbauung des letzteren alle Bedeutung verlierend. Diess Capitolium vetus aber war
dem Tempel der Flora benachbart ^^, und beide werden mit den Tempeln des Quirinus
und des Semo Sancus am südlichen Theile des Quirinals liegend noch von der Notitia
genannt. Weiter nördlich befand sich der im J. 450 d. St. (304 v. Chr.) von C.
Junius Bibulcus geweihte und durch Fabius Pictor ausgemalte Tempel der Salus, ^^
während die drei Tempel der Fortuna der Porta Collina nahe waren, ^* und zwar wie
wahrscheinlich auch die Venus Erycina ^^ vielleicht ausserhalb derselben, was aus dem
Fund einer Altarinschrift (1 873) wenigstens für die von P. Semp. Sophus gelobte und
von Q. Marcius geweihte Fortuna Primigenia hervorzugehen scheint. ^"^ An der Porta
Collina aber ^"^ befand sich ein Honostempel, von welchem sich bei Anlage des Finanz-
1 Fest s. V. Quirinalis. 2 Dionys. 63. II. Ovid Fast. 11. v. 509 sq. 3 Dionys. II. 62. * Plut.
Num. U. Solin. I, 21. 5 Liv. X. 46. Plin. Vit. 60, 213. 6 Dio. LIV. 19. ^ paul. Diac. s. v.
Quirinalis. 8 Varro L. L. V. 10, 20. p. 72. (Speng.) 9 Dionys IX. 60. Tertull. ad nat. II. 9. Vgl.
Becker, Hdb. d. röm. Alterth. I. S. 576 fg. 10 S. Bartoli Mem. Fea. Mise. 230, 10. G. I. L. I. 41, 630, 638.
i> Varro L. L. V. 32, 44. p. 158. (Speng.) 12 Varro 1. c Mart. Ep. V. 22. 4. '3 Paul. Diac. s. v.
Salutaris. Liv. X. 1. Plin. H. N- XXXV. 4, 7, 19. i^ Vitruv. III. 1, 16. is Ovid. Fast. IV. v.
871. Am. V. 549. 16 C. L. Visconti, Due monumenti del culto della Fortuna sul Quirinalc. Bull. mun. I.
1873 p. 206. n cic. legg. II. 23. 58. Strabo V. 3 p. 228.
Die Collis, Viminalis, Quirinalis und Collis Hortorum (Pincius). 495
ministeriums unter der Via del Maccao 35 Met. vom servischen Wall ein nach der
auf die Zeit vor 520 d. St. weisenden Schreibart sehr alter Votivcippus gefunden hat. *
Den Anfang der kaiserlichen Prachtbauten auf dem Quirinal hatte schon
Salustius mit seinen sumtuosen Gärten gemacht, von w^elchen besonders gesprochen wer-
den soll. Unter Domitian erstand an der Stelle seines Geburtshauses das Heroon
des flavischen Geschlechtes,^ ein Tempel und Giabmal, zu welchem vielleicht der
vor Porta Collina gefundene Colossal-Kopf des Vespasian gehörte. ^ Jedenfalls prächtig
waren auch die beiden Werke des unsinnigen Elagabal, der Tempel des Serapis ^ und
dasSenaculum mulierum.'^ Von einem Triumphbogen desGordian in der Nähe des praet.
Lagers wahrscheinlich über der Via Viminalis, der noch im späten Mittelalter ge-
standen zu haben scheint, fanden sich, jedoch nicht in situ neuerlich bedeutende
Reste. ^ Mit allen früheren Bauten dieses Hügels aber gar nicht zu vergleichen
waren die grossartigen Anlagen der diocletianischen und der constantinischen Thermen,
welche nahezu die Hälfte des ganzen Hügels in Anspruch nahmen. Von beiden
wird besonders gesprochen werden. Ausserhalb des Agger wurden meist Privat-
anlagen gefunden. So die 1 872 entdeckten Gemächer mit den Ziffern im Paviment,
welche Lanciani und Visconti ' als auf die praetorianischen und urbanen Cohorten be-
züglich, Rosa '^ alsPlannumerirung, Jordan dagegen" am zutreffendsten als Erstreckungs-
maasse eines musivischen Hausplanes erklärte. Oder die schon 1862 bei Anlage des
Bahnhofes gefundenen Bäder oder Nymphäumsreste aus antoninischer Zeit, deren
Hauptraum, ein Octogon mit einer Brunnenapsis und vier halbkreisförmigen Nischen,
drei Statuen, eine überlebensgrosse Faustina sen. (jetzt im capitolinischen Museum),
eine Diana (jetzt im Braccio nuovo des Vatican) und ein Apoll (noch unrestaurirt
in den vaticanischen Magazinen) enthalten hatte. ^"
Was endlich den dritten und nördlichsten der drei Golles, den Gärtenhügel
oder Pincius, welcher erst durch die aurelianische Ummauerung zur Stadt kam, betrifft,
so wissen wir nur, dass er wenigstens in der Kaiserzeit mit Villen und Gärten be-
deckt war. Am berühmtesten waren die lucullischen Gärten, ^^ die Messalina, des
Claudius Gemahlin, mit einer Begierde anstrebte, die dem damaligen Besitzer Valerius
Asiaticus das Leben kostete, und in welchen sie nicht bloss ihre schamlose Hochzeit
1 Henzen, Miscellanea epigrafiche. Bull. d. I. d. c. a. <873. p. 89. 2 Sueton. Dom. i. 5. ^5. 17.
3 R. Lanciani, delle scoperte principali nei colli Quirinale e Viminale. Bull mun. 1873 p. 229. * Curios
U. R. Reg. VI. Grut. Inscr. p. LXXXV. No. 6. » Script. H. A. (Lamprid.) Heliogab. 4. « Virg. Ves-
pignani, Frammenti di colossale cornice rinvenuti sul Viminale. Bull. mun. 4873, p. 103 — 110. tv. II. — R.
Lanciani. Bull. mun. 1873. p. 234 sg. ^ Delle scoperte avvenute nel nuvo quartiere detto del Castro pret.
Bull. mun. 1872. p. 12. § Relazione sulle scoperte etc. R. 1873. p. 76. » Arch. Zeitung 1873 p. 76.
'" Bergau und Finder, gli avanzi dell aggere e del muro di Servio Tullio scoperti nella villa Negroni. Ann. d.
I. d. c. a. 1862 p. 126—137 tav. I. K — C. L. Visconti. Dei rilievi di un' aretta e di un gruppo di statue esprimenti
il concetto della etcrnita. Bull. mun. 1875 p. 225 sg. " Plut. Luculi. 39.
496 Die CoUis. Viminalis, Quirinalls unü CoUis Hortum (Pincius).
mit Silius feierte, sondern auch ihren Tod fand. ^ Die Lage dieser Gärten bestimmt
sich durch die sie durchschneidende Leitung der Aqua Virgo, ^ ungefähr nordöstlich
von S. Trinitä de Monti bis zur Villa Ludovisi. Weniger bezeugt sind die Gärten der
Domitier, zu deren Annahme die Erwähnung ihres Grabdenkmals auf dem Hügelrande ^
noch nicht berechtigen dürfte, und ebenso verhält es sich mit den angeblichen
Besitzungen der Pincier, von welchen der Name des Hügels abgeleitet wird. Denn
der von Cassiodor^ erwähnten und von Belisar bewohnten y^domus Pinciana^i steht
der später "^ vorkommende Name »palatium in P'mds(( entgegen. Dagegen sind Horti
Acilii auf dem Pincio durch Inschriftfunde unzweifelhaft geworden, welche 1742 und
1868 gemacht wurden, und schliessen lassen, dass die lucuIHsche Besitzung mehr
südlich, die der Acilii Glabriones mehr nördlich lag, vielleicht getrennt durch das
Intermontium, welches auch den Pincio in zwei Hälften theilte ''
Wollen wir nun die mit Ausnahme der diocletianischen Thermen ziemlich dürfti-
gen Ueberreste der drei Hügel betrachten.
105. Die Thermen des Constantin.
Von den Ruinen, woraus Palladio ^ seinen instructiven Plan dieser Thermen-
anlage und den vierfachen Durchschnitt entwerfen konnte, hat sich ausser den für
die Substruction des Palazzo Rospigliosi verwendeten Mauern nichts mehr erhalten,
denn die Anlage dieses Palastes Hess den Abbruch des grössten Theiles und die
Verschüttung des Uebrigen nothwendig erscheinen. Der Plan giebt jedoch nur den
Mittelbau, von dem bei keiner der übrigen Anlagen der Art fehlenden Umfriedungs-
oder Aussenbau aber bloss den Theil, welcher eine auch bei den Titus- und Dio-
cletianthermen ganz ähnlich vorkommende Cavea enthält. Wenn wir nun erwägen,
dass der ganze Hügel hier nur eine Breite von 220 Met. hat, und die Thermen des
Diocietian , welche die antoninischen nur um weniges übertreffen , eine Breite von
mehr als 520 Met. zeigen, so werden wir kein Bedenken tragen, diesen Um-
friedungsbau uns in einer Weite zu denken, w^ie sie die Breite des Hügels nur
immer zulässt, indem auch dann noch die Ausdehnung der Anlage bedeutend hinter
jener der diocletianischen Thermen zurücksteht. Diese für die Anbringung des Umfrie-
1 Tacit. Ann. XI. \. 32. 37. 2 Frontin. de aquaed. I. 22. 3 Sueton. Ner. 50. * Variar. III.
iO. cf. Vit. Pontif. Silver. Par. 4649. p, 39. 5 jd. i. c. & al. ^ Mai Script. Vett. nova coli. v. V. p.
288. R. Lanciani, Sugli orti degli Acilii Bull. d. I. d. c. a. 1868. p. 419—128. "' Le Terme dei Romani disegnate
da Andrea Palladio e ripubblicate da 0. Bert. Scamozzi giusto Tesemplare del Lord Conte di Burlington im-
presso in Londra 1732. Vic. 1797 tav. XIV. XV.
Die Thermen des Cotistanlin. 497
dungsbaues unerlässliche Annahme aber löst zugleich ein topographisches Räthsel einer
Ruine, über deren Bedeutung schon zu viel gefabelt worden ist. Wenn ilemlich die Ther-
men vom Ostabhang des Quirinalis bis zum Westrande reichten , so können jene gewal-
tigen Treppensubstructionen hinter der päpstlichen Scuderia nebst den erhaltenen noch
imposanteren Gebälkresten in Giardino Colonna keinem anderen Gebäude zugeschrieben
werden, als eben den constantinischen Thermen oder vielmehr dessen Umfriedungsbau,
und es formt sich daraus in der passendsten Weise ein prachtvoller Aufgang und Eingang
zu dieser letzten kaiserlichen Anlage der Art in Rom.
Die Behauptung dieser Zusammengehörigkeit wird in jeder Weise unterstützt.
Die Südseite des Hügels bot , wie aus der in der Umfriedung angebrachten Cavea zu
schliessen ist, keinen Zugang, und an der Nordseite war dieser, da nur mehr ein gerin-
ger Theil der Stadt nördlich lag, unangemessen. Zweckmässiger musste er an der Ost-
seite und noch mehr an der Westseite gewesen sein , welche den Kaiserforen und dem
Marsfelde zunächst lag, und hier erforderte der Zugang zu der hochgelegenen Prachtan-
lage wegen des steilen Abhanges auf dieser Seite unbedingt eine Haupttreppe. Von die-
ser sind auch die riesigen Substructionsmauern noch zum grossen Theil in den modernen
Heumagazinen der päpstlichen Stallungen auf dieser Seite des Hügels erhalten. Zur Ein-
gangshalle aber gehörte sicher jene räthselhafte Ruine, welche unter dem sinnlosen Na-
men »Thurm des Mäcenas« und dem kaum klügeren »Frontispiz des Nero« in den ver-
gangenen Jahrhunderten bekannt war und deren Gestalt glücklicherweise in mehren
Abbildungen überliefert worden ist.^ Wenn schon Gamucci richtig erkannte, dass diese
auf keinen Fall einem Tempel entsprechen könne, so ist es nur durch Palladio's^ Vorgang,
der bloss nach den Gebälkresten, wie auch beim Tempel der Venus Genitrix am Forum
lulium seinen angeblichen lupitertempel reconstruirte , die Localität aber nicht genauer
gewürdigt zu haben scheint, zu erklären, wie auch noch heutzutage bedeutende Autori-
täten 3 auf dem Irrthum beharren konnten, dass die nur auf einer Seite pilastrirte Ecke,
wie sie uns die Abbildung deutlich gibt , und welche noch ein bedeutendes Stück von
Gebälk und Giebel trug, ohne von Säulen eine Spur zu verrathen , zu einem Tempel und
zwar zu dem aurelianischen des Sonnengottes gehört habe. Das setzte schon vom archi-
tektonischen Standpunkte voraus, dass der Tempel, welcher nach den Resten einer der
kolossalsten der Stadt gewesen sein müsste, nicht bloss an den Langseiten, sondern auch
an der Fronte ohne Säulen gewesen sei, wenn man nicht zu der lächerlichen Aushilfe
greifen wollte, aus dem Riesenbau ein lemplum in antis zu machen ; denn wie konnte der
völlig ausgebildete Giebel auf der Mauer ruhen , wenn der Pronaos eine Säulenstellung
• Du Perac, tav. 31. Gamucci p. 123. * I Quattro Libri dell' Architettura. Ven. 1570. Libr. IV. c. XII.
l). 41 — 47. ä Urlichs, Beschreib, d. St. Rom. Bd. III. Abth. II. S. 387. Canina, Gli Edifizj. di Roma antica.
tom. il. tav. L.
F. Reher, die Ruinen Roms. 63
498 Die Colles. Viminalis, Quirinalis und Collis Hortorum (Pincius] .
hatte! Wer aber entweder einen grossen Tempel ohne äusseren Säulenschmiick , oder
einen Giebel im Innern des Pronaos für möglich hält , für den habe ich keinen Gegenbe-
weis , welcher ohnediess sowohl in dem Wesen des antiken Tempelbaues wie in den
technischen Bedingungen desselben liegt. Wenn indess Canina einerseits die Substructio-
nen als den Rest einer grossartigen Treppe anerkennt, anderseits aber sie zu der ganz
kahlen Rückseite seines Sonnentempels führen lässt, so muss ich mich als unschlüssig be-
kennen, ob ich diese Anordnung mehr sinnlos oder mehr geschmacklos nennen soll,
da ich, selbst wenn die Treppe nicht wäre, unmöglich glauben kann , dass ein Architekt
der Welt einem Prachtbau auf einem weithin sichtbaren Hügelrande eine so kahle Wand
gegeben hätte, selbst wenn sie die Rückseite gewesen wäre, die sonst bei grösseren
Tempeln in der Regel eine der Fronte gleiche oder wenigstens ähnhche Säulenstellung
hatte. Es ist aber überdiess schon durch Becker^ überzeugend nachgewiesen worden,
dass der Sonnentempel des Aurelian überhaupt nicht auf dem Quirinal gesucht werden
dürfe, da die Notitia ihn in der VII. Region {Via Lata) und die Thermen des Constantin,
wie überhaupt die Gebäude des Quirinalis in der VI. {Alta Semita) verzeichnet.
Während demnach die Annahme des aurelianischen Soltempels in oder bei Giar-
dino Colonna aufgegeben werden muss, bestätigt sich die oben ausgesprochene Bedeu-
tung der Ruine des sog. Frontispiz des Nero als Eingangshalle des Umfriedungsbaues der
constantinischen Thermen durch einen vergleichenden Blick auf die erhaltene Eingangs-
halle der Porticus der Octavia. Die Ecken konnten für eine solche Anlage massiv oder
nur pilastrirt sein, während zwei dazwischenliegende Säulenreihen den Zugang frei
Hessen, wie das bei jener Porticus der Fall war. Von entsprechend riesigen Säulen
(9 Palm Durchmesser) haben sich auch in der That im 16. Jahrhundert beim Frontispiz
des Nero Reste gefunden.*
Die kolossale Ruine ist jetzt sammt dem angebauten mittelalterlichen Thurme, der
dem Ganzen den Namen Torre mesa gab, bis auf zwei riesige Gebälkstücke von weissem
Marmor, welche jetzt in Giardino Colonna , Palazzo Rospigliosi gegenüber, liegen, ver-
schwunden. Die beiden Blöcke, von welchen der eine dem Architrav und Fries, der an-
dere dem Carnies angehörte, haben die erstaunlichen Dimensionen von 5, 2, so, 1,6o und
3,70, 2,80, 3,90 in Länge, Höhe und Dicke und zeigen ihre architektonische Ausschmückung
noch so wohlerhalten, dass eine Restauration des Gebäudes hinsichtlich der decorativen
Architektur keinen Schwierigkeiten unterliegt. Während alle Leisten in der üblichen
ionisch-korinthischen Weise ornamentirt sind, zeigt namentlich der Fries ein reiches und
gross angelegtes Laubgewinde, das, aus Halbfiguren von Genien hervorzuwachsen scheint.
Die Arbeit gehört, wie von allen Kennern bestätigt wird , einer sehr späten Kunstepoche
• Hdb. d. röm. Alterth. S. 587. * Fl. Vacca, Mem. No. 78. (Fea, p. L\ XXVII.)
Die Thermen des Constanlin. 499
an, und widerspricht demnach nicht der constantinischen Epoche wie der Zusammenge-
hörigkeit mit dem an der Stelle von Palazzo Rospigliosi anzunehmenden Mittelbau der
Thermen.
Nur Aurelius Victor^ gedenkt der Erbauung der constantinischen Thermen, doch
ohne, wie auch Ammianus Marcellinus ^ sie nur flüchtig erwähnt, ihre Localität zu be-
zeichnen. Diese wird jedoch durch die Notitia^ ziemlich bestimmt gegeben, und bis in
die vorigen Jahihunderte herab durch die Ruinen, wie namentlich durch eine lange Zeit
hier befindliche und von den alteren Topographen mehrfach abgeschriebene , jetzt aber
leider verschwundene Inschrift bestätigt, welche also lautete : *
PETRONIVS PERPENNA IVIAGNVS qvadraTianvs VC ET üsTl praeF vrb
consTanTinianas Therivias Longa incvria eT aboLendae civilis veL
PoTivs FeRalis cLadis vasTaTione vehementer adFLicTas iTa vT agni
TlONEIVI (?) SVI EX OMNI PARTE PERDITA DESPERATIONEM CVNCTIS REPA
raTionis adFerrenT depvTaTo ab AMPLISSIMO ordine parvo
svmpTv qvanTvm pvblicae paTiebanTvr angvsTiae ab exTremo
VINDICAViT OCCASV ET PROVISIONE LARGISSIMA IN PRISTlNAM
Faciem spLendoremqve resTiTviT
Die durch diese Inschrift bezeugte Restauration fällt in das Jahr 443, in welchem, wenn
Corsini's etwas schwache Argumentation richtig ist, Petronius Perpenna Präfectus Urbi
war. Die Inschrift spricht nicht so fast von Verfall als von Zerstörung bei inneren Un-
ruhen, welche man allerdings am wahrscheinlichsten mit dem Sturm auf des Lampadius
Haus im J. 366, welches, ausdrückUch als neben den constantinischen Thermen Hegend
bezeichnet, bei einem Volksauflaufe in Brand gesteckt worden war,^ in Verbindung brin-
gen würde, wenn nicht nach Corsini's Bestimmung der Präfectur des Petronius fast ein
Jahrhundert dazwischenläge. Die nächste Notiz von den Thermen bringt im 9. Jahrh.
der Anonymus von Einsiedeln, '^ welcher sie richtig zwischen S. Agata und S. Vitale ver-
zeichnet. Der gelehrte Florentiner Poggio ^ nennt sie ebenfalls auf dem Quirinal und er-
wähnt bereits der dort befindlichen ebenangeführten Inschrift, wie auch Albertini, ^ wäh-
rend diese selbst von L. Fauno^^ und Gamucci^^ berichtet wird. Der Hauptbau der
Thermen musste im 16. Jahrhundert, nachdem Du Perac die Ruinen gezeichnet, nach
dessen eigener Notiz ^^ den Palastbauten daselbst weichen, von den daselbst befind-
lichen Marmorwerken aber kamen zwei Constantinstatuen , die eine mit der Inschrift
CONSTANTINVS CAESAR, die andere constantinvs avgvstvs auf die Balustrade des Ca-
pitolplatzes, eine dritte, den Kaiser in etwas vorgeschrittenerem Alter darstellend, in das
' de Caess. 40. "" XXVII. 3. ^ Curios. U. R. Reg. VI. * Grut. Inscr. p. CLXXVII. No. 7. " Cor-
sini, Series Praef. Urb. Pis. 1766. p. 348. " Vgl. Anra. 2. ^ Arch. f. Phil. u. Paedag. Suppl.-Bd. V. S. 132.
* De fortunae varietate urh, R. et de ruina eiusdem descr. Opp. Bas. s. a. p. 135. * fol. 20. '" foi. 117.
" p. 121. »'^ tav. 32.
' 63*
500 D'6 Colles. Viminalis, Quirinalis und Collis Hortorum (Pincius).
Atrium von S. Giovanni in Laterano; die beiden Dioskuren aber, von welchen sogleich
besonders gesprochen werden soll, auf den Platz vor dem päpstlichen Palaste auf dem
Quirinalis selbst.^ Von den übrigen hier gefundenen Statuen ^ ist der Ort, wo sie sich
gegenwärtig befinden, nicht bekannt.
Unter den beschriebenen Substructionsmauern am Westabhange des Quirinal
wurden auch zwei Schichten von Tufquadern entdeckt, deren Construction den übrigen
bekannten Resten der servischen Mauer entspricht. Auch ihre Lage hier am Fusse des
Quirinalis entspricht der Gränzlinie der Hügelstadt unter Servius.^
106. Die Dioskuren und der Obelisk von Monte Cavallo.
Vom Eingange zum Giardino Colonna bringen einige Schritte auf die Höhe des
Quirinalis und zu dem interessanten marmornen Dioskurenpaare , welchem der ganze
Berg seinen vulgären Namen Monte Cavallo verdankt. Sie sind über 6 Met. hoch, einan-
der in der Anlage wie so ziemlich auch in der Ausführung ähnlich , in ausschreitender
Stellung und mit dem einen erhobenen Arme das nebenanstehende nach dem natürlichen
Verhältnisse weit kleinere Pferd am Zaume fassend. Das letztere Missverhältniss hat sei-
nen Grund nicht bloss in der allgemeinen Neigung der griechischen Kunst, die Thiere in
den Gruppen gegen die Menschen zurücktreten zu lassen, sondern auch und zwar ins-
besondere in der Absicht, die beiden Heroengestalten über das menschliche Maass hin-
ausragen zu lassen. In der ganzen Gruppe die Dioskuren zu erkennen, bedürfte es in
der That des Beweises nicht, dass man in den Scheiteln die Löcher bemerkte, in wel-
chen die bronzenen Sterne eingelassen waren.
Was die Kunstwerke als solche betrifft, so ist ihre Conception im Allgemeinen
vorzüglicher, als sie im Einzelnen durchgeführt ist. Die majestätische Hoheit der ganzen
Figuren, die heroische Haltung und Bewegung lässt die höchste Blüthe griechischer Kunst
ahnen und erinnert an jene idealen Schöpfungen des perikleischen Zeitalters, welche,
durch den Genius ihrer Meister selbst belebt, ein künstliches Formenspiel zu verschmähen
schienen. Gleich als ob aber die Idee aus einer besseren Zeit herübergenommen, diese
jedoch schon in das Gewand einer bereits abnehmenden Kunst eingehüllt wäre, zeigt die
Ausführung im Einzelnen bereits grosse Aehnlichkeit mit jenen Erzeugnissen der rho-
dischen und pergamenischen Schule, bei welcher schon in typisches Detail, so zu sagen
in den Wellenschlag der Muskelbewegung eine Art von Virtuosenthum gelegt zu werden
' Fl. Vacca, Mem. No. 10. (Fea, Mise. p. LVIII.) * Pomp. Laet. de vetust. Urbis. fol. 9. Fabric. Vai-
rani, De ürbe Roma collect. Bon. 1520. fol. 5. Fl. Vacca, Mem. No. 41. 49. (Fea, p.LXXIII. LXXV.) ^ E. Braun,
Sülle sostruzioni anlichissime del Quirinale e del Palatio. Discorso letto nella solenne adunanza della fondazione
di Roma. 1852. Ann. d. I. d. C. a. 1852. p. 324—338.
Die Dioskuren und der Obelisk von Monte Cavallo. ÖOI
begann, wonach die Gruppe auf keinen Fall in eine frühere Zeit gesetzt werden kann.
In eine entschieden noch spätere dürften überdiess die eingeschnittenen Pupillen und die
Form des zur Solidirung des einen Beines dienenden Panzers verweisen.
Wenn demnach auch die Inschriften an den modernen Piedestalen den einen
Tyndariden als Opus Phidiae und den anderen als Opus Praxitelis bezeichnen, so ver-
mögen doch diese Angaben , obwohl sie keineswegs moderne Erfindung sind , sondern
den antiken Piedestalen abgeschrieben wurden , die begründeten Bedenken gegen ihre
Richtigkeit durch die triumphirende Grösse ihrer Buchstaben nicht zu verscheuchen.
Möglich bleibt indess, dass man Vorbilder der grossen athenischen Kunstepoche benutzte,
welche jedoch nicht so copirt sein können, dass die Originale die Eigenthümlichkeit des
nachahmenden Künstlers überwogen. Wer würde aber namentlich in den Pferden eine
Schöpfung des Phidias oder auch nur eine Copie nach einer solchen zu erkennen vermö-
gen, wenn man sich an die unvergleichlichen Pferde vom Giebel und Fries des Parthenon
aus der Schule des Phidias erinnert ! Dazu kömmt noch die Schwierigkeit zu erklären,
wie erst Praxiteles ein halbes Jahrhundert nach Phidias zur Bearbeitung der einen Hälfte
der Gruppe schreiten konnte und sich dazu hergab, seinen Vorgänger zu copiren. Wir
müssen uns entschliessen , selbst wenn wir die Möglichkeit zugeben , dass ein Original
eines der beiden Meister einem späteren Künstler wenigstens die Idee gegeben , die In-
schriften als unwahr und als eine Fälschung zu bezeichnen, welche bei dem in constan-
tinischer Zeit herrschenden Verfall des Kunstsinnes fast ebenso leicht als in den Jahrhun-
derten des Mittelalters gewagt werden konnte.
Wo die Gruppe vorher stand, ehe sie Constantin zur Auschmückung seiner Ther-
men benutzte, ist nicht bekannt. Doch ist die Tradition , welche sie ein Geschenk des
Tiridates an Nero nennt, nicht so unbedingt zu verwerfen, da die Notitia (Curiosum)
wirklich » equi Tiridatis «, doch auffallender Weise an der Gränze der VII. Region , Via
Lata, verzeichnet, welche doch nicht als Reiterstandbilder des armenischen Königs er-
klärt werden können. Diese Region aber reichte nur bis an den Fuss des Quirinalis, was,
wenn man nicht eine spätere Versetzung der Gruppe annehmen will, die Identificirung
wieder etwas erschwert, welche sonst nicht ohne Wahrscheinlichkeit in der muthmass-
lichen Dedicationsinschrift ihre Erklärung und Begründung fönde. Bufalini verzeichnet
auf seinem Stadtplane von 1551 noch den Platz an den Thermen, auf welchem sich die
Gruppe befand, auch besitzen wir noch Abbildungen aus dieser Zeit, welche namentlich
auch das antike Piedestal anschaulich machen.^ Zu Ende des 16. Jahrhunderts (1589)
wurde sie durch Sixtus V. vor den Quirinalpalast versetzt , wobei man nicht anstand,
mit derselben Gedankenlosigkeit, welche die M. Aurelsäule dem Antoninus Pius zuschrieb,
* Speculum Romanae magnificentiae. R. s. a. (4575?) tav. 88— 90.
502 Die Celles. Viminalis, Quirinalis und Collis Hortorum (Pinclus).
durch eine neue Inschrift die Dioskuren für Alexanderbilder mit dem Bucephalus zu er-
klären und sie zugleich dem Meissel des Phidias und Praxiteles zuzuschreiben , obwohl
beide Künstler das Auftreten des macedonischen Königs nicht erlebten.'' Urban VIII.
Hess daher diese Inschrift löschen und setzte nur mehr die Künstlernamen , welche schon
auf dem constantinischen Piedestale zu lesen waren, auf die Fussgestelle, Eine neue
Veränderung der damals nebeneinanderstehenden und gegen Porta Pia gewendeten Mar-
morbilder unternahm zu Ende des vorigen Jahrhunderts Pius VI., welcher sie trennte und
so divergirend stellte, wie sie noch stehen, und zwischen ihnen einen Obelisk errichtete,
zu welchem sein Nachfolger Pius VII. noch eine Fontäne fügte , eine grosse Schale aus
orientaHschem Granit benutzend, die im 1 6. Jahrhundert S. Pietro in Carcere gegenüber,
wo vormals der sog. Marforio stand, ausgegraben und dann für einen Brunnen an Campo
Vaccino verwendet worden war.^
Der ObeHsk, welcher zugleich mit dem vor S. Maria Maggiore im J. 1527 vor
dem Mausoleum des Augustus entdeckt worden, aber noch zweihundert Jahre länger als
der letztere an seinem Fundorte liegen geblieben war, wurde erst im J. 1781 auf Befehl
des Papstes Pius VI. aus dem ihn neuerdings bedeckenden Schutte ausgegraben und aus
drei Stücken zusammengesetzt hier aufgestellt. Er misst unbedeutend weniger als der
von S. Maria Maggiore, nemlich 14,4o Met. Auf der Spitze ist das Kreuz aufgepflanzt;
die Hieroglyphen sind sehr beschädigt.
107. Die Thermen des Diocletian.
Von dem Quirinalplatze die Via del Quirinale und di Porta Pia nordösthch ver-
folgend, gelangt man endhch an die Ausweitung der Strasse vor der Fontana di Termini,
und durch diesen Platz auf die grosse Piazza di Termini, wo man sich schon innerhalb
des Umfriedungsbaues einer der grossartigsten Thermenanlagen Roms befindet. Obwohl
kaum mehr die Hälfte davon in den Backsteinmauern, die wir hier theilweise unbenutzt,
zum grösseren Theile jedoch für moderne Gebäude verwendet vor uns sehen , erhalten
ist, lässt sich doch aus den mehr oder minder erhaltenen Trümmern der Grundplan noch
vollständig herstellen. Der innere Hauptbau war, wie bei den meisten anderen Thermen,
von einem fast quadratischen Umfriedungsbau eingeschlossen , von welchem jedoch nur
mehr ein geringer Theil dem Sturme der Zeiten getrotzt hat. Am meisten davon ist noch
* Die naive mittelalterliche Volkssage, welche (in den Mirabilien [Montfauc. p. 289] umständlich erzählt) den
Phidias und Praxiteles zu allwissenden Philosophen machte, ist höchst charakteristisch für den damaligen Bil-
dungsstand. " Fl. Vacca, Mem. No. 69. (Fea, p. LXXXIII.)
Die Thermen des Diocletian. 303
auf der Sudwestseite erhalten, in deren Mitte man innerhalb des Klostergartens von
S. Bernardo noch Reste von einer halbkreisförmigen Cavea mit einem Radius von ßo Met.
sieht, wie wir sie auch an den Thermen des Titus gesehen haben. Von den Sitzreihen
hat sich kaum eine Spur erhalten. Die Rückwand aber war im Innern mit 27 abwechselnd
halbzirkeligen und rechtwinkligen Nischen versehen, von denen noch 1 9 kenntlich sind.
Zu beiden Seiten von dieser Cavea (ob Zuschauerraum für scenische oder gymnische
Spiele ist ungewiss) befanden sich rechteckige Säle mit kleineren Gemachern und an den
beiden Enden dieser Seite des Umfangsbaues Rotunden, von denen die nordwestliche,
jetzt in die Kirche S. Bernardo umgewandelt und als solche modernisirt und übertüncht,
noch fast vollständig erhalten ist, 22 Met. im Durchmesser hat und besonders durch die
schöne mit nach oben sich verjüngenden Octogonen cassettirte Kuppel die Aufmerksam-
keit auf sich zieht. Auch ein Stück der Rotunde am südöstlichen Ende ist noch erhalten
und zu dem angebauten Gefängnisse (Casa di forza) gezogen. Von den beiden anliegen-
den Seiten des Aussenbaues ist die nordwestliche fast spurlos verschwunden, während
an der südöstlichen die Grundmauern von zwei Exedren und drei rechtwinkeligen Ge-
mächern zu einer ärmlichen Häuserreihe an der Via di Strozzi benutzt sind. Nahe bei
dieser Seite, doch schon in dem Gebiete der Villa Massimi (Negroni) sind noch die Reste
des Wasserbehälters der Thermen, dessen Grundplan fast die Form eines rechtwinkligen
Dreiecks mit einer Basis von 26 und einer Höhe von 94 Met. hat, zu sehen. Der innere
Raum war durch 36 Pfeiler gegliedert, ist jedoch jetzt völlig verschüttet; was die Form
betrifft, so war ihre Unregelmässigkeit wohl durch eine vorbeiführende Strasse bedingt,
welche kaum eine andere als die Via Viminalis gewesen sein kann. Von der Nordostseite
des Umfriedungsbaues ist nur mehr ein kleiner in zwei halbkreisförmigen Tribünen mit
einem kleinen rechteckigen Gemache bestehender Theil übrig.
Von dem innern eigentlichen Thermenbau jedoch hat sich ein grosser Saal mit
den an drei Seiten anstossenden Räumen fast vollkommen erhalten. Dieser Saal, jetzt in
die Kirche S. Maria degli Angeh umgewandelt, befindet sich in der Mitte des ganzen Ge-
bäudes und wird nach der gewöhnlichen Disposition der Thermen kaum mit Unrecht für
das Tepidarium (laue Bad) gehalten. Tritt man von der Piazza di Termini durch das Por-
tal der modernisirten Fagade, so gelangt man zuerst in einen kleinen runden Vorsaal von
17 Met. im Durchmesser mit zwei rechteckigen, jetzt für Altäre dienenden Vertiefungen
an den beiden Seiten : Gestalt und Lage dieser Rotunde geben der Vermuthung Raum, dass
in ihr das Sudarium oder Laconicum (Schwitzbad) zu erkennen sei. Von da gelangt man
durch eine rechteckige Vertiefung, welche einer gleichen, jetzt für den Hauptaltar be-
stimmten gegenübersteht, in den für die Kirche benutzten Hauptsaal , dessen kürzeres
Querschiff jedoch von anderen in Kreuzform gebauten Kirchen abweichend als Haupt-
schiff dient. Das Langschiff aber ist von drei Kreuzgewölben überdeckt, deren Ansätze
504 Die CoUes, Viminalis, Quirinalis und Collis Hortorum (Pincius).
von dem Gebälke grosser Granitsäulen ausgehen. Diese acht Säulen selbst sind jetzt nicht
mehr in ihrer ganzen Höhe sichtbar, denn ihre Basen und das Schaftende befinden sich
unter dem modernen Boden, und die jetzt sichtbaren Basen sind nur eine moderne Wulst-
überkleidung, die am Schafte selbst angebracht ist. Die Schäfte sind 11, eo M. hoch und
haben unten 1,40, oben 1,26 M. im Durchmesser. Vier davon sind von korinthischen, vier
von compositen oder römischen Capitälen, welche alle 1,8o M. hoch sind, gekrönt. Von
dem Gebälke misst der reichverzierte Architrav 1,io, der Fries l,05, und der etwas über-
ladene Carnies 1,25 M. in der Höhe; all dieser Schmuck ist von Marmor, leider aber, wie
das ganze Innere der Kirche, von modernem Weisswerk überzogen. Als man in den
Nischen des Hauptaltars und des gegenüberstehenden Einganges je vier Säulen von
Backsteinen erbaute und sie in Nachahmung eines besseren Materials übertünchte,
glaubte man diess, um Gleichartigkeit zu erzielen, auch an den Granitsäulen, wie an
den Marmorcapitälen und dem Gebälke thun zu müssen. Doch trotz dieser Verunzie-
rungen vom Ende des vorigen Jahrhunderts und der Mangelhaftigkeit des Ornament-
styles der damaligen Zeit gehört diese Kirche, der gewaltige Thermensaal mit dem
charakteristischen Stempel römischer Erfindung, zu den schönsten und imposantesten
Roms. Die Vermauerung der vier ehemals offenen Nebengemächer zu beiden Seiten
der Eingangs- und der Hauptaltar-Nische, wie die Umwandlung der beiden grösseren
an den Enden des Langschiffes in Kapellen für die beiden Seitenalläre muss indess
dem Ganzen viel an der ursprünglichen Grossartigkeit, Leichtigkeit und durchsichtigen
Gliederung benommen haben.
Die anderen theilweise erhaltenen Ruinen des Thermen-Mittelbaues bieten einen
unerquicklichen Anblick dar. Der Flügel zur Linken von der Kirche ist in eine Armen-
Industrie-Schule umgewandelt, an deren Nordseite Oel- und Getreide-Magazine stossen ;
beides hat das antike Ansehen gänzlich verloren. Mehr ist noch an der Südspitze sicht-
bar: unbenutzte Mauern von verschieden geformten Gemächern, zumeist bis zur Wöl-
bung erhalten. Hier ist auch der Eingang zu dem vielbesuchten Kloster der Karthäuser,
dessen schöner hundertsäulige Kreuzgang rings um einen grossen Gartenraum, in dessen
Mitte sich die sogenannten Cypressen des Michel Angelo erheben , mit den stillen Grab-
hügeln an der Südspitze, für einen Augenblick vergessen macht, dass man sich hier in
Mitte der einst so geräuschvollen Thermenanlage befinde. Die südlichen Klosterräume
zeigen noch deutlich Mauerreste und sogar noch vollständige antike Gemächer.
Betrachtet man die Backsteinbogen der Mauern vor dem genannten Kloster, so
wird man schon durch die Unregelmässigkeit der Stellung der einzelnen Ziegel an die
analoge Erscheinung bei der Basilica des Constantin erinnert. In diese Zeit ungeföhr
gehören auch die Backsteine, die Marmorornamentik und die Bauart überhaupt. Bestimm-
teren Aufschluss über Zeit und Urheber der Erbauung aber gibt uns eine Inschrift, die
Die Thermen des Diocletian. - 505
man vor zwei Jahrhunderten noch in den Thermen selbst sah, und welche aus zwei
stückweisen Abschriften^ zusammengesetzt nach der neuesten Ergänzung ^ also lautet:
dd • iin • diocielianus • et • maxllVIIANVS • INVICTI
SENIORES • AVGG paires • ilVlPP • ET • CAESS • ET
dD • NN CONSTANTIVS ei niaximiaNVS INVICTI ■ AVGG • ET
severus • ET • (IVlAXIIVIinus •) noBILISSIIVII • CAESARES
THERIVIAS • FELICes • dioclETIANAS • QVAS
(inAXIIVIIANVS ) AVG absenS EX AFRICA
p.AESENTIA • IVtAIEsiaiis • DISPOSVIT • AC
fiERI IVSSIT • ET DIocIciiani • AVG FRATRIS • SVI
nOIVIlNI • CONSECRAVit coelVIPTOS ■ AEDIFICIIS
PRO TANTI OPERIS magniiuDINE OMNI • CVLTV
pcrfeclas ■ loniunis • suis • DEDICAVERVNT
Drei andere Inschriften desselben Inhalts, doch minder ausftihrlich und zum Theil
fragmentirt, berichtet Gruter ^ mit dem Beisatze, dass zwei davon in den Thermen selbst,
die dritte unmittelbar nahe (bei S. Susanna) gefunden worden seien. Aus allen, nament-
lich aber aus der angeflihrten erhellt, dass Maximian als Herrscher von Africa und Italien
unter dem Namen seines Mitregenten Diocletian den Bau dieser Thermen unternahm, und
den Befehl dazu in seiner Abwesenheit von Rom, wahrscheinlich während er in den letz-
ten Jahren des 3. Jahrhunderts in Africa mit den Mauren kämpfte, gab. Die Dedication
f^llt nach den Worten der obigen Inschrift in die Zeit zwischen der Abdankung des Dio-
cletian und des Maximianus Heraklius, nach welcher die beiden Cäsaren Constantius und
Galerius Maximianus den Titel Augusti erhielten (1. Mai 305), und dem Tode des Con-
stantius (25. JuH 306). Die von einem Chronisten überlieferte Angabe des Jahres 302 für
das Jahr der Erbauung dieser Thermen ist zwar richtig, aber nicht genau.* Da jedoch
der Bau in die Zeit der maximianischen Christenverfolgung föUt , so kann es nicht be-
fremden, die Ueberlieferung ^ zu treffen, dass die Christen zum Frohndienste beim Bau
dieser Thermen verurtheilt worden seien, welche Betheiligung diese dadurch verewigt
haben sollen, dass sie in die ungebrannten Ziegel die Kreuzform einprägten.
Was die innere Ausstattung betrifft, so wird erzählt,^ dass für 3200 Badende Raum
war, das Doppelte der Thermen des Caracalla, und dass die ulpische Bibliothek vom Fo-
rum des Traian hieher versetzt ward.' Auch war der weite Raum mit zahlreichen Bild-
säulen geschmückt, von welchen sich noch viele Reste gefunden haben. Aus den Erwäh-
nungen am Ende des 5. Jahrhunderts^ geht hervor, dass diese Bäder damals zugleich
* Grut. Inscr. p. CLXXVill. No. 8 (nach Smetius). Girolamo Aleandro, Cod. Vatic. 71 1 3. fol. 29. « Th. Momm-
sen, Topographische Analekten. Archäolog. Zeitg. 1846. Febr. No. 38. S. 225—231. » 1. c. cf. Anonym. Ein-
siedl. (Arch. f. Philol. u. Paed. Suppl.-Bd. V. S. 121.) * Hieron. Chron. (Rone. I. col. 487.) ' A. Fulvii An-
tiq. R. 1527. fol. XXXVII. * Olympiod. ap. Phot. Biblioth. 80. (p. 63. Bekk.) ^ Script. H. A. (Vopisc.) Prob. 2.
" Curios. U. R. Reg. VI. Sidon. Apoliinar. ad Consent, v. 459 sq. (495.)
F. Rbber, die Ruinen Roms. 64
506 Die Colles. Viminalis, Quirinalis und Collis Hortorum (Pincius).
mit denen des Agrippa und des Nero noch im Gange waren. Der Anonymus von Ein-
siedeln ^ fand sie jedoch ohne Zweifel schon als Ruine.
Im 16. Jahrhundert, in welchem hier mehre Büsten der Kaiser Diocletian, Maxi-
miah, Constantius und Galerius ausgegraben und nach dem Capitole, theilweise nach
Florenz gebracht wurden,^ zeichnete Palladio den Grundriss dieser Thermen,^ welcher
sich auch auf Bufalini's Stadtplan (1551) noch frei von moderner Benutzung findet; denn
die schon aus dem 5. Jahrhundert stammende Kirche des h. Cyriacus in den Thermen
war damals wieder fast spurlos verschwunden. Um dieselbe Zeit brachte der französische
Gesandte, nachherige Cardinal und Bischof von Albano, Jean Bellay, den weiten Buinen-
raum in seinen Besitz und verwandelte ihn in die Horti Belleiani. Von Bellay gingen diese
Gärten in den Besitz des Cardinais von S. Prassede, des nachmals heilig gesprochenen
Carolus Borromeus, und von diesem an Papst Pius IV. über, der sie den Karthäusern
schenkte und den grossen Mittelsaal der Ruine nach der Zeichnung des Michel Angelo in
die Kirche S. Maria degli Angeli verwandelte. Der Plan derselben erlitt aber im J. 1749
dadurch eine bedeutende Veränderung, dass man das Langschiff in das Querschiff ver-
wandelte und desshalb auch den Eingang verlegte , welcher Aenderung namentlich die
Fagade des genialen Meisters weichen musste. — Am Ende des IG. Jahrhunderts hatten
die Karthäuser den westlichen Theil des Thermengebietes an die Gräfin Caterina Sforza'^
verkauft, welche mit dem Eigenthumsvorbehalt aller etwa aufzufindenden antiken Kunst-
werke ihn den Cisterziensern des h. Bernhard schenkte und das kleine Rundgebäude an
der Nordwestspitze, in welchem sich früher obscöne Gemälde befunden haben sollen , in
eine Kirche umwandelte. Mit dem Blei, welches man bei den von ihr in der Nähe veran-
stalteten Ausgrabungen auffand,^ und welches wohl von den Wasserleitungsröhren her-
rührte, konnte die ganze Kuppel der Kirche eingedeckt werden. Damals wurden auch
die 18 Philosophenbüsten gefunden, welche sich jetzt in der farnesischen Sammlung be-
finden. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts richtete Papst Urban II. den nördlichen Theil
des Hauptbaues für Speicher ein , deren westlicher Theil jetzt die Pia casa d'industria
bildet. Von nun an erstanden auch allmälig die ringsum liegenden Häuser und Speicher.
108. Die salustischen Gärten.
Geht man von der Piazza della Fontana di Termini in die Via di S. Susanna, beugt
dann zur Linken in den Vicolo di Tolentino, von welchem nach wenigen Schritten rechts
der Vicolo delle Fiamme abzweigt, so gelangt man an der Mündung des letztgenannten
' Arch. f. Philol. u. Paed. Suppl.-Bd. V. S. 121. 132. * Albertini Opiisc. de Mirabilibus vet. et nov. iirb.
Romae. R. 1515. fol. 21. * Scamozzi, Le Terme dei Romani disegnate da A. Palladio. Vic. 1797. tav. XI— Xm.
' Ratti, Storia della famiglia di Sforza. R. 1795. P. II. p. 191. » P. Santi Bartoli, Mem. No. 34. (Fea, p. CCXXX.)
Die salustischen Gärten. 507
in die Via di S. Basilio und zum Portale der Villa Massimi, welche die ehemalige Villa
Cesi und Mandosi umfasst, und sich desshalb nicht mit Unrecht in der Inschrift über dem
Thorwege als die Nachfolgerin der berühmten salustischen Gärten bezeichnet. Die bau-
lichen Ueberreste dieser Villa, obwohl nicht unbedeutend , sind jedoch grösstentheils auf
Substructionen beschränkt, welche sich sowohl zu beiden Seiten des zwischen Quirinalis
und Pincio nördlich laufenden Thaleinschnittes hinziehen, als auch den südlichen Hügel-
abhang stützen. An die Hauptmauer lehnen sich allenthalben Gewölbe mit Streben an,
deren besonderen Zweck wir um so weniger zu erkennen vermögen, als die weitern
unzweifelhaft sich anschliessenden Anbauten verschwunden sind. An der Südseite der
Villa sieht man noch eine Reihe von 1 8 mehr oder weniger erhaltenen gleichartigen
Kammern mit Tonnengewölben in der Richtung von West nach Ost sich hinziehen. Am
nördlichen Ende der Villa aber befinden sich weit interessantere Ruinen , von welchen
eine wohlerhaltene Rotunde von 11, so Met. innerem Durchmesser mit einer octagonen
Kuppel am meisten hervorragt. Die 1 1 Nischen, von welchen 7 halbkreisförmig, die an-
deren rechtwinkelig sind, und von welchen zwei den Eingang und drei die gegenüber-
liegende 5,70 Met. breite Hauptnische schmücken, und welche ohne Zweifel Statuen ent-
hielten, wie auch die Spuren der ehemaligen Marmorbekleidung lassen auf keine geringe
Pracht schliessen , welche sich ohne Zweifel auch auf die angebauten Räume erstreckte,
deren nur mehr zum geringen Theil erhaltene Wände schönen Backsteinbau und wahr-
haft musterhaftes Netzwerk [opus reticulatum) zeigen. Bei verschiedenen Nachgrabungen
um das Rundgebäude fand man auch Säulen von Giallo und orientalischem Alabaster,
von welchen die ersteren zersägt zur Ausschmückung einer Kapelle von S. Pietro in
Montorio verwendet wurden, die letzteren aber auf der Fahrt nach Portugal zu Grunde
gingen.'' Auch stiess man auf Bleiröhren, welche geneigt machen, wenigstens das Rund-
gebäude für einen Badesaal zu halten. In den anstossenden Gemächern aber wurden
noch Reste von Musivböden, und erst zu Anfang dieses Jahrhunderts ein Theil des Mar-
morbodens der Rotunde zu Tage gefördert, jedoch dann , wie auch die zahlreichen hier
aufgefundenen Sculpturen, beseitigt.
Dass nicht bloss die letztbeschriebenen Ruinen , sondern der ganze Raum vom
Fusse des Pincio bis zur Via di Porta Pia zu den berühmten salustischen Gärten gehör-
ten, erhellt aus den classischen und späteren Angaben , wie aus der Tradition , welche
dieser Gegend noch im 1 6. Jahrhundert den Namen Salustrico gab,^ mit ziemlicher Sicher-
heit. Schon aus der Erzählung von Nero's nächtlichen Abenteuern,^ wie noch mehr von
dem Strassenkampfe zwischen den Vespasianern und den Vitellianern ^ ergibt sich die
Lage derselben nördlich zwischen Porta CoUina und den lucullischen Gärten auf dem
* Fl. Vacca, Mem. No. 58. (Fea, p. L.VXVIII.) * S.. Fulvii Antiq. l). R. 1527. fol. XXilll. L. Fauno, An-
tich. d. c. di R. Ven. ■1548. fol. 120. ^ Tacil. Ann. Xlll. 47. * id. Hist. HI. 82.
64* ^
508 Die CoUes. Yiminalis, Quirinalis und Collis Hortorum (Pincius) .
Pincio, welche von Procopius ^ noch genauer innerhalb der Porta Salaria bestimmt wird.
Ganz entsprechend verzeichnet auch die Notitia^ die salustischen Gärten zwischen dem
Tempel des Quirinus und den diocletianischen Thermen.
Ueber die Anlage im Einzelnen sind wir mit Ausnahme der Notiz von der Porti-
cus milliarensis, jener geräumigen Säulenhalle (vielleicht in dem Thale des angeblichen
Circus), in welcher Aurelian seine Pferde zu tummeln pflegte,^ hauptsächlich auf spätere
Nachrichten, und zumeist auf die Acten der Märtyrer angewiesen. Am wenigsten beglau-
bigt ist das angebliche Forum, welches nur bei Baronius* vorkömmt, während gleich da-
neben und auch in einer anderen Redaction der Acta S. Susanna von aedes oder palatium
Salustii gesprochen wird. Die Existenz eines Palastes daselbst ist um so weniger zu
bezweifeln, als nach Salust mehre Kaiser in den salustischen Gärten zu wohnen pflegten,
und man wird kaum irren, mit Urlichs ^ die beherrschende Höhe der Villa Barberini und
zunächst des Casino wenigstens als den Mittelpunkt des Palastbaues zu bezeichnen. Dass
aber in den Ruinen im Thale zwischen Quirinal und Pincio, nemlich in der beschriebenen
Rotunde mit den anstossenden Mauern die mehrfach erwähnten salustischen Thermen zu
suchen seien, wie Urlichs glaubt und Becker^ billigt, wird zwar durch die Aufzählung
derselben von dem Anonymus von Einsiedeln wahrscheinlich, jedoch durch eine von
jenen beiden Gelehrten nicht beachtete Notiz im Martyrologium des h. Adonis , welche
diese Thermen » ausserhalb der Mauern « (foras rnuros) nennt , nicht unbestreitbar. — In
das Gebiet der Gärten war auch ein Venustempel eingeschlossen,'^ welcher vielleicht jener
der Venus Erycina war, der vor Porta Collina lag.^ Bei diesem war auch ein freier Raum
für circensische Spiele und kein Circus, wie gewöhnlich irrthümlich angenommen wird,
wo einmal die Apollinarspiele gefeiert werden sollten, als der Circus Maxiraus über-
schwemmt war.9 Dieser Raum, welcher möglicherweise selbst noch ausserhalb der
aurelianischen Mauer und wohl nicht, wie mit der Annahme eines vollständigen Circus,
von welchem es jedoch keinen classischen Nachweis gibt, behauptet zu werden pflegt, in
dem Thale der Villa Massimi zwischen Quirinal und Pincio lag, hat kaum jemals eine
bauliche Gestalt erhalten, entbehrte aber jedenfalls bis Livius der Sitzplätze.
Die ebenso ausgedehnte , als glänzende Besitzung hatte der Geschichtschreiber
Salustius Crispus mit dem in Numidien erpressten Reichthume an sich gebracht. ^^ Wahr-
scheinlich kamen sie schon nach dem Tode des Salustius Crispus, des Verwandten und
Erben des Geschichtschreibers, ^^ unter Tiberius in kaiserhchen Besitz, in welchem wir
sie wenigstens unter Nero finden,^ ^ wodurch fast der ganze Norden des jetzigen Rom,
* de bell. Vand. I. 2. ^ Curios. U. R. Reg. VI. ' Script. H. A. (Vopisc.) Aurel. 49. * Act. S. Su-
sannae anni 294. * Beschrbg. d. St. R. Bd. III. Abth. II. S. 382, * Hdb. d. röm. Alt. S. 586. ^ Grut.
Inscr. p. XXXIX. 4. CIL 4. « Ovid. Fast. IV. v. 871. Remed. am. 549. Liv. XXX. 38. ^ id. 1. c.
'" Pseudo-Cic. in C. Salust. 7. " Tacit. Ann. III. 30. " id. XIII. 47.
Reste der servischen Mauer am Quirinalis.
>09
vom vaticanischen Gebiet bis zur Porta Salaria (denn auch den Pincio nahmen zum gröss-
ten Theile die ehemals lucullischen Gärten ein) aus kaiserlichen Gärten bestand. Die sa-
lustischen Gärten waren der Lieblingsaufenthalt von mehren Kaisern, so von Vespasian/
von Nerva, der daselbst starb, ^ und von Aurelian.^ Zu Anfang des 5. Jahrhunderts gin-
gen die prachtvollen Anlagen bei Alarichs Einnahme der Stadt durch Brand zu Grunde.*
G'-i^''^^^-^
109. Reste der servischen Mauer am Quirinalis.
Das formlose, meist aus Gussmasse bestehende Mauerwerk der Substruction des
Hügels, auf welchem das Gasino Barberini steht, birgt ohne Zweifel bedeutende Ueber-
reste der servischen Ummauerung, deren Gang um den Hügelrand von allen Topographen
in der noch gegebenen natürhchen Linie angenommen wird. Wenn demnach abgebroche-
nes salustisches oder späteres Mauerwerk oder Bogensprengungen desselben am Hügel-
abhang hinter dem späteren Mauerwerk eine Mauer zeigen, welche durch Material,
Fügung, Gestalt und Grösse der Blöcke den anderen
bekannten ältesten Mauerresten , namentlich den be-
deutenden am Aventin homogen ist, so dürfen wir
wohl kaum Bedenken tragen, in diesen Stücke des
servischen Ringes zu erkennen. Solche Ueberreste
können wir an zwei Stellen beobachten : den ersten
in der Villa Massimi selbst, nahe an der beschriebe-
nen Rotunde, namentlich durch den untern Ansatz
der Mauer, welche auf dem lebenden Tuf des Hügels
selbst aufliegt, der dann als natürliche Befestigung
noch weiter und gewiss noch mehre Meter unter den
modernen Schutt hinab abgeschrofft ist, höchst
interessant. Den zweiten finden wir, wenn
wir in die Via di Porta Pia zurückkehren und
hier in den Garten des Franziskanerklosters
von S. Maria della Vittoria treten, welcher
sich südlich unter dem Casino Barberini be-
findet. Auch hier zeigt sich im Grunde eines
offenen Substructionsbogens dieselbe Mauer
aus länglichen, in ihrer Höhe nicht ganz glei-
chen Tufblöcken in sechs Lagen übereinander, und wir sehen auch hier, dass die Um-
.'i 1__ ? JMet.
59. Servischc Mauer in der Villa Massimi (Man-
dosi). (F. R.)
Servische Mauer im Kloslergarten von S. Maria della
ViUoria. (F. R.)
' Dlo Cass. LXVI. 10. * Hieron. Chron. (Rone. I. cd. 445.) ' Vopisc. 1. c. * Procop. 1. c.
5f0 Die Colles. Viminalis, Quirinalis und Collis Hortorum (Pincius).
niauerung sich nicht an die oberste Kante des Hügels hielt, sondern schon von etwa hal-
ber Höhe aus begann, sich substructionsweise an den Abhang selbst anlehnte und auch
den Rand wohl kaum mehr bedeutend überragte. Der letztere Ueberrest scheint wegen
erschwerter Zugänglichkeit des Klostergartens bisher noch nicht bekannt gewesen zu
^ein und ist desshalb um so mehr der bestätigenden Besichtigung zu empfehlen.
HO. Der Obelisk vor S. Trinitä de Monti.
Während demnach der Quirinalis eine nicht unbedeutende antiquarische Ausbeute
bot, haben wir von der dritten Höhe , dem Gärtenhügel oder Mons Pincius , schlechter-
dings nichts Bauliches namhaft zu machen, obwohl man häufig auf vereinzeltes antikes
Mauerwerk stösst. Es bleiben daher der Besprechung nur mehr die Obelisken übrig,
welche überdiess, wie alle in Rom befindlichen, nicht mehr auf ihrem ursprünglichen
Platze stehen. Wir gelangen zu dem ersten, wenn wir die Via di Porta Pia südwestlich
bis zur Via di Quattro Fontane und dann diese, welche in ihrer den Pincio hinansteigen-
den geradlinigen Fortsetzung die Namen Via Feiice und weiterhin Via Sistina trägt, bis
zur imposanten Höhe von Trinitä de' Monti verfolgen. Der vor der gleichnamigen Kirche
und über der grossen, von Piazza di Spagna heraufführenden Treppe sich erhebende
Obelisk misst 12,90 Met. in der Höhe und soll der Arbeit seiner Hieroglyphen nach eine
schlechte, dem 2. Jahrh. n. Chr. angehörende Copie des auf Piazza del Popolo stehenden
Obelisken, von welchem sogleich gesprochen werden wird, sein. Er lag zerbrochen in
der Villa Ludovisi, wo ihn sowohl Fulvius » in colle horlulorum in horlis Salusiianis « er-
wähnt,^ als auch Bufalini auf seinem Stadtplan (1351) verzeichnet, und ist wahrschein-
lich derselbe, welcher schon im Alterthume als in den Gärten des Salust befindlich er-
wähnt wird. 2 Clemens XH. erbat ihn von dem Fürsten Ludovisi und schaffte ihn im
J. 1733 zur Scala Santa, um ihn auf dem Hauptplatze vor S. Giovanni Laterano aufzu-
stellen; doch hier blieb er liegen bis zum J. 1788, in welchem er auf Befehl des Papstes
Pius VI. auf den Monte Pincio geschaöl und hier vor der genannten Kirche aufgestellt
ward. Das auf seinem Gipfel aufgepflanzte Kreuz enthält Reliquien des h. Kreuzes, der
Apostel Petrus und Paulus, des h. Joseph, Augustinus, Pius V. und Franciscus von Paula.
111. Der Obelisk im Giardino del Pincio.
Von der Höhe des Platzes vor S. Trinitä de' Monti führt eine Allee zu dem nörd-
lichsten Theile des Monte Pincio, der seit einigen Jahrzehnten in einen herrlichen Garten
umgewandelt ist. Dass die vulgäre Meinung, welche diesen Raum den domitischen Gär-
Antichita di Roma. R. 1527. fol. LXXI. * Ammian. Marceil. XVII. 4.
Der Obelisk auf Piazza del Popolo. 51 1
ten zuschreibt, eines classischen Beleges entbehrt, wurde schon oben (S. 495) erwähnt,
wir wissen nur von dem Grabmale der DomitierJ Doch lassen die zu der aurelianischen
Mauer gezogenen Hügelsubstructionen (von welchen unten) bedeutende Anlagen, wahr-
scheinlich durch die Kaiser, als die Besitzer des Hügels, vermuthen. Sonst haben die
schönen modernen Anlagen die bedeutenden noch übrigen antiken Reste beseitigt, so
dass sich unsere Betrachtungen auf einen in der Mitte des Gartens stehenden Obelisken
beschränken. Dieser ist nur 9 Met. hoch, von rothem Granit; seine Königsringe nennen
die Namen Hadrianus Caesar und Sabina Augusta , an zwei Stellen soll auch der Name
des Antinous zu lesen sein.
Dieser Obelisk erfuhr bereits die mannigfachsten Schicksale. Er stammt aus dem
Circus, dessen dürftige Reste neben dem Amphitheatrum castrense in der nächsten Yigna
ausserhalb der Stadt zwischen der Porta Maggiore und der Porta S. Giovanni noch er-
kennbar sind. Hier lag er unverschüttet und in zwei Stücke zerbrochen bis zum J. 1 570,
in welchem er von den Brüdern Curzio und Marcello Saccoccia an derselben Stelle wie-
der aufgerichtet ward, wie die noch erhaltene Inschrift an einem nahehegenden Bogen
der Acqua Feiice besagt. Dort blieb er bis zum 17. Jahrhundert, worauf er, in die Stadt
gebracht, im Hofe des Palazzo Barberini am Boden lag, bis ihn Pius VI. im J. 1773 in
den Giardino della Pigna des Vatican schleppen Hess , wo er jedoch ebenfalls nicht zur
Aufstellung kam. Erst Pius VII. Hess ihn im J. 1 822 wiederhersteHen , auf den Monte
Pincio schaffen und schmückte damit die Passeggiata in sehr wirksamer Weise.
112. Der Obelisk auf Piazza del Popolo.
Von dem Giardino del Pincio führt eine prächtige , mit modernen Sculpturen und
architektonischer Ausschmückung aller Art ausgestattete Auffahrt, wohl die schönste
aüer städtischen Anlagen dieses Jahrhunderts in Rom , zur Piazza del Popolo herab. In
der Mitte dieses Platzes, welcher zwar nicht mehr zu dem Hügelgebiete gehört, hier aber
wegen der localen Reihenfolge angemessener als beim Marsfelde in Betracht kömmt , er-
hebt sich ein mächtiger, 23, 70 Met. hoher Obelisk, dessen Königsringe den Namen des
Ramses III., des sog. Sesostris, zeigen. Er steht noch auf seinem antiken granitenen
Piedestalwürfel, das auf zwei Seiten folgende Inschrift zeigt :
IMF CAESAR DI VI F
AVGVSTVS
PONTIFEX • MAXIMVS
IMP XTT COS XT TRIB POT.XIV
AEGYPTO IN POTESTATEM
POPVLI ROMAN! REDACTA
SOLI DONVM DEDIT
* Sueton. Ner. 50.
5*12 ^^® aurelianische Mauer.
Dieser Obelisk war zugleich mit dem schon beschriebenen auf Monte Citorio durch
Augustus vom Sonnentempel zu Heliopolis in Aegypten weggenommen, im J. 744 d. St.
nach Rom gebracht und auf der Spina des Circus Maximus aufgestellt worden.'' Doch
Plinius irrt sowohl in Bezug auf die Höhe desselben, welche er ohne Piedestal auf
85V4 röm. Fuss (25,37 Met.) angibt, als auch auf den Namen, indem er ihn einem
Semneserteus oder Spemetnepserphreus (Cod. Bamb. & Mon.) zuschreibt, und während
er ihn auch aus der Zeit der Reise des Pythagoras nach Aegypten herrührend nennt, ist
uns jetzt bekannt, dass Sesostris 1 000 Jahre früher, nemlich im 1 6. Jahrhundert v. Chr.
geherrscht habe. Ammianus (a. a. 0.) schreibt ihn richtig dem Ramses zu und bringt
überdiess unter der Autorität des Hermapion eine griechische Uebersetzung der hiero-
glyphischen Inschrift bei, welche im Allgemeinen angemessen, doch etwas ungenau
gefunden ward: orientalisch pomphafte Phrasen einer Anrede des Sonnengottes an
seinen Günstling Sesostris.
Im 16. Jahrhundert fand man diesen Obelisk in zwei Stücke zerbrochen und
über zwei Met. unter dem modernen Boden in der Arena des Circus Maximus. Nach-
dem er ausgegraben und ausgebessert war, Hess ihn Sixtus V. im J. 1 587 mit grossem
Aufwände hieher bringen und durch Fontana auf seinem antiken gleichfalls granitenen
Piedestal aufstellen. Das Basament unter dem Piedestal wurde zu einem Brunnen
benutzt und an den Ecken mit vier wasserspeienden ägyptischen Basaltlöwen ge-
schmückt.
XII. Die aurelianische Mauer.
Nachdem wir nun auf unserer Wanderung durch die Ruinen den inneren Kreis
der Stadt vollendet, stehen wir im Begriffe, eine etwas ausgedehntere Kreislinie be-
schreibend, die Mauern und Thore mit den in ihren Gang hineingezogenen, ursprüng-
lich nur anderen Zwecken dienenden Ruinen zu betrachten. Fast rings um die Stadt,
mit Ausnahme der Seite am Flusse, wo jedoch, wie wir theilweise schon gesehen
haben, die Reste derselben grösstentheils verschwunden sind, zieht sich aussen um
die Mauer ein bequemer, ausser dem bei den ungepflasterten Strassen Italiens fast
unvermeidlichen massenhaften Staube oft sehr anmuthiger Fahrweg. Die Strasse flihrt
neben den Villen, an Gärten und Weinbergen vorüber, deren hohe Mauern zwar leider
selten einen Einblick gestatten, doch öffnet sich an höheren Stellen zuweilen eine ent-
* Strab. XVII. i, 27. p. 805. Plin. H. N. XXXVI. 9, 14, 71. — Ammian. Marc. XVII. 4.
Die aurelianische Mauer, 513
Zückende Fernsicht über die weite schwachgewellte Campagna zu jenen duftigen Höhen,
deren Vorberge Tivoli, Palestrina, Frascati und Albano beherrschen.
Was die Entstehung dieser Mauer betrifft, deren Kreis wir jetzt betrachten
wollen, so ist nicht zu bezweifeln, dass sie aus dem Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr.
stammt. Es ist bekannt und mehrfach beglaubigt, dass Rom seit der servischen Um-
mauerung, welche allerdings nach dem gallischen Brande eine umfassende Erneuerung^
und auch später Herstellungen ^ erfuhr, keinen neuen Mauerring erhielt, welcher den
bedeutenden Vergrösserungen der Stadt in den letzten Jahrhunderten der Republik
bis zu Anfang der Kaiserzeit Rechnung getragen hätte. Diese Ausdehnung aber musste
die alte Mauer, deren Bedeutung sich nun darauf beschränkte, die Altstadt anzuzei-
gen, zur unbequemen Fessel machen, welche man zunächst dadurch brach, dass man
die Thore zur bequemen Verbindung der äusseren und inneren Strassen namhaft ver-
mehrte, so dass Plinius ihre Zahl auf nicht weniger als 37 angibt. ^ Ich glaube auch nicht,
dass man auf die Verlegung und Erweiterung des Pomörium gewartet habe, um sich
für bauliche Zwecke dieses inaugurirten Landstreifens zu bemächtigen, welcher zu
beiden Seiten der Mauer einerseits von aller baulichen, anderseits von aller landwirth-
schaftlichen Benutzung frei bleiben sollte, denn schon Dionys v. H. sagt,* dass man
zu seiner, d. h, in augusteischer Zeit den Gang der Mauer wegen der vielfältig sich
anschliessenden Gebäude nur schwer nachweisen könne; und dass man dann auch
die Mauer selbst, wenn sie hinderlich war, nicht verschonte, wird, wenn es auch
sonst von den Römern etwas befremdet, doch bei demselben Geschichtschreiber durch
den Beisatz sicher, dass man stellenweise noch Reste des alten Baues sehe. So lange
es seit dem Falle von Carthago keine Macht gab , die den Römern geföhrlich sein
konnte, war auch wegen der Undenkbarkeit eines Angriffs eine Mauer ganz entbehr-
lich. Mit dem Verfall der römischen Macht aber wurde auch das Bedürfniss eines
Mauerschutzes wieder fühlbar, besonders seit die germanische Invasion in Oberitalien
in Gallienus Zeit zu Rom die grösste Bestürzung erweckt hatte.^ Aurelian begann
das Werk einer neuen umfassenden Ummauerung der Stadt kurz nach seinem Regie-
rungsantritte, da er jedoch schon im fünften Jahre seiner Regierung starb, führte es
erst Probus zu Ende.*^ Hinsichtlich des Umfangs aber brachte eine verderbte Stelle
des Vopiscus,^ welche diesen auf fast fünfzig römische Meilen angibt, einige Verwir-
rung unter die Topographen. Denn diese Angabe würde , wenn man sie als richtig
annähme, den Umfang der aurelianischen Mauer fast um das Fünffache über die jetzige
auf der linken Flussseite vergrössern, und doch findet sich in dem Umjkreise der
Campagna weder eine Spur der Mauer selbst, noch von den Gebäuden, welche von
' Liv. VI. 32. VII. 20. - id. XXV. 7. * H. N. III. 5, 9, G6. * IV. 13. » Script. H. .\. (Vopisc.)
Aurel. 21. .\urel. Vict. de Caess. 35. Zosimus I. 37. " Zosim. I. 49. ' Aurel. 39.
F. Reber, die Buincn Uoiiis. 65
514 ^'ß aurelianisclie Mauer.
dieser eingebildeten Riesenbefestigung eingeschlossen gewesen wSren. Desshalb haben
auch die neueren Topographen — wenn auch nicht ohne Ausnahme^ — die Richtig-
keit dieser Zahl verworfen und unter mehren anderen Auskunftsmitteln namentlich das
zu grosser Wahrscheinlichkeit erhoben, dass zu der Angabe y^ quinquaginta prope mil-
Hau des Vopiscus nicht, wie gewöhnlich, passimm (fünffüssige Doppelschritte) zu den-
ken, sondern pcdum zu ergänzen sei.^ Dadurch kömmt man dem Umfange des noch
vorhandenen Mauerringes, welcher an 1 1 Mgl. misst, ziemlich nahe, und da sich von
einem anderen nicht die geringsten Reste finden, so muss die aurelianische Mauer in
der Hauptsache dieselbe sein , welche noch die Stadt umschliesst. Darin kann auch
die Angabe Olympiodors,^ welche den Umfang fälschlich auf 21 röm. Meilen angibt,
nicht beirren, und spätere Nachrichten scheinen sogar das Richtige wiederzugeben,
wie die Leipziger Handschriften des Martinus Polonus,'* welche der Mauer (einschliess-
lich der Flussseite) eine Länge von 12 Mgl. zuschreiben, während die gewöhnliche
Lesart, 5 wie auch die des mir vorliegenden Codex,^ dafür 22 Mgl. gibt, welche Zahl
sich auch in den Mirabilien,"^ der Hauptquelle jenes topographischen Abschnittes bei
Martinus Polonus, findet. Irrthümer, wie diese, können aber um so weniger in Ver-
legenheit setzen, als sie lange nach Honorius entstanden, dessen Neubauten an der
Mauer auf mehren Thoren inschriftlichen Nachweis und selbst die Erwähnung eines
gleichzeitigen Dichters^ finden. Denn 125 Jahre nach dem aurelianischen Bau war die-
ser, ohne Zweifel etwas tumultuarisch angelegt, wieder so in Verfall gerathen, dass
eine umfassende Wiederherstellung namentlich der meisten Thore nothwendig wurde.
Nicht unbedeutenden Schaden scheint die Mauer dann durch Totilas erlitten zu haben,
welcher den dritten Theil derselben in Ruinen verwandelt haben soll.^ Becker ^^ glaubt
aus einer weiteren Stelle des Procopius^^ herauszufinden, dass damals auch alle Thore
zerstört worden seien , allein es scheint da nur von den hölzernen Thorflügeln die Rede
zu sein, wesshalb die bis auf dieses Jahrhundert erhaltenen Thore mit den Inschriften
des Honorius, wie die anderen gleichartigen Thore ohne Inschriften mit Procopius nicht
im Widerspruche stehen. Wenn aber der Mauerring schon ursprünglich durch die Be-
nutzung von verschiedenen auf dem Wege liegenden anderen Bauten, des prätoriani-
schen Lagers, verschiedener Wasserleitungen und mehrer Grabmäler, noch mehr aber
durch die Verwendung des durch Abbruch nächstliegender Gebäude zu Gebote stehen-
den .Materials ein ganz ungleiches Ansehen erhalten haben musste, so mehrten sich
* A. Nibby, Mura di Roma p. 220 sq. * St. Piale, delle Mura Aureliane, discorso letto 1822. impr. 1833.
p. 9 S(i. Becker, De Roinae vet mur. atq. port. Lips. 1842. p. 111. ^ Phot. Bibl. 80. p. 63. Bekk. * Becker,
Hdb. d. röm. Alterth. Bd. I. S. 189. * Nibby, Le Mura di Roma, disegnate da S. W. Gell. R. 1820. p 280.
Not. 424. * Cod. Ben. 273. ;Moii. 4773.) foi. 56. ' Montfaucon, Diar. Ital. p. 283. * Claudian. Paiieg. in
VT. Cons. Hon. v. 526 sq. " Procop de bell. Goth. HI. 22. "> Hdb. d. r. Alt. Bd. I. S. 190. Anm. 289.
" HI. 24.
Die aurelianische Mauer. 51 o
tiie Verschiedenheiten durch die Wiederherstelhing des Honorius und besonders auf-
[fallend durch die in fünfundzwanzig Tagen ausgeführte Herstellung des von Totilas Zer-
störten durch Belisar,'' so dass es, ganz abgesehen von den vielen Ausbesserungen
der Mauer im Mittelalter bis auf die neueste Zeit, von welchen zahlreiche Marmor-
tafeln mit den Namen und Wappen verschiedener Päpste und Senatoren Zeugniss geben,
schwer wird, das aurelianische, honorische und behsarische Werk mit Sicherheit zu
unterscheiden. Doch gibt es noch einzelne Züge wohlerhaltener und verhältnissmässig
guter Backsteinarbeit, welche dem aurelianischen Bau zugeschrieben werden können
und im Laufe der Beschreibung besonders betrachtet werden sollen.
Von den Thoren haben sich die meisten wenn auch nicht in ihrem antiken
Zustande , so doch an oder bei ihrer ursprünglichen Stelle erhalten. Nichtsdestowe-
niger ist der Nachweis mancher Namen nicht ohne Schwierigkeit, obwohl uns darin
namentlich die vortreflliche Aufzählung des Anonymus von Einsiedeln ^ vorzügliche
Dienste leistet. Procopius^ aber zählt 14 Thore und »einige« Pförtchen, von welchen
ersteren 1 3 mit Sicherheit nachzuzählen sind : die Porta Flaminia, Salaria, Nomentana,
Tiburtina, Praenestina, Asinaria, Metronis, Latina. Appia, Ostiensis, Portuensis, Aurelia
vetus (Pancratiana) und Aurelia nova (S. Petri). Als die vierzehnte würde sich aller-
dings die auch vom Anonymus als eines seiner 13 Thore aufgezählte Pinciana zu-
nächst empfehlen, allein diese wird von Procop wiederholt, wenn auch nicht aus-
schliessend,'^ als Pförtchen [nvXlc) bezeichnet, was unten seine Erklärung finden wird.
Wir müssen daher dafür nach einem anderen Thore suchen, jedoch nicht bloss, wie
Becker glaubt, die Ardeatina südlich zwischen der Appia und Ostiensis, welche in-
(less die meiste Wahrscheinlichkeit für sich zu haben scheint, sondern auch die Vimi-
nalis (Porla chiusa) südlich am prätorianischen Lager, und die transtiberinische Septi-
miana in Betracht ziehen, zwischen welchen zu wählen ich keinen ausreichenden
Anhaltspunkt sehe. Denn die drei Thore finden sich weder in den gelegentlichen Er-
wähnungen des Procop, noch in der systematischen Aufzählung des Anonymus von
Einsiedeln, von welchem letzteren jedoch anzunehmen ist, dass er die Septimiana, die
jedenfalls für den transtiberinischen Verkehr dringend nothwendig und desshalb kaum
jemals geschlossen war, tiberging, weil er in derselben nicht ein Thor als solches,
sondern ein dazu benutztes Bogendenkmal erkannte, während er die Viminalis und
Ardeatina, da sie geschlossen waren, ungenannt Hess. Die nähere Erörterung wird
sich bei der Beschreibung im Einzelnen, zu welcher wir sogleich übergehen, finden.
' id. ]. c. ' Arch. f. riiil. u. Päd. Suppl.-Bd. V. St 137 f-. ' de hello Goth. I. 19. * II. 10.
•"' 11(11). d. r. A. S. 2U.
63*
5jß Die aurelianische Mauer.
113. Die Porta Plaminia (Porta del Popolo).
Die heutige von der anliegenden Kirche S. Maria del Popolo sogenannte Porta
del Popolo trug ehedem von der flaniinischen Heerstrasse, welche, an die Via Lata
des Marsfeldes sich anschliessend, über die milvische Brücke nordwärts lief und in
Ariminum endigte, den Namen Porta Flaminia. Von dieser selbst in ihrer ursprüng-
lichen Gestalt ist jedoch keine Spur mehr mit Sicherheit nachzuweisen, so dass sogar
die Behauptung viele Wahrscheinlichkeit für sich hat, dass hier gar nicht der Platz
der Porta Flaminia, und dieser vielmehr an der Stelle der Kirche S. Maria del Popolo
zu suchen sei. Denn das ebene Terrain hier macht die Notiz des Procopius,'' dass die
Gothen auf das flaminische Thor keinen Versuch machten, weil es, als auf einer steilen
Stelle liegend, nicht leicht zugänglich war, unmöglich und diese wird nur denkbar,
wenn das Thor etwas gegen den Pincio hinangerückt war. Damit stimmt auch die
Linie nach Ponte Molle überein , wie auch die Via Lata wahrscheinlich nicht genau
der Strada del Corso entsprach, sondern vielmehr durch die östlichen Ausweitungen
von Piazza di S. Marcello und Sciarra angezeigt wird. Bedeutend konnte jedoch die
Abweichung nicht sein, wie durch den erst im 17. Jahrh. abgetragenen Bogen des
M. Aurel und andere im Corso aufgefundene Bogenreste (vgl. S. 277 fg.) bewiesen
wird. — Nach der Erbauung des jetzigen Thores durch Pius IV. im J. 1561 haben
mehre Herstellungen, besonders im 17. Jahrhundert, demselben einen widerlich unhar-
monischen Charakter aufgeprägt.
Verfolgen wir nun unseren Weg, die Mauer zur Linken von der Porta del
Popolo, welche sich, ohne auf dieser Strecke einen Gegenstand von besonderem In-
teresse darzubieten, an den nahen Tiber schliesst, unerörtert lassend, von dem genann-
ten Thore aus östlich in dem hart ausserhalb der Mauer befindlichen Thaleinschnitt
zwischen dem hier schroff abfallenden Pincio und dem zur Linken massig ansteigen-
den und in einen Park verwandelten Hügel der Villa Borghese, so sehen wir rechts
die bedeutenden Substructionen des Pincio, die jedoch nur mehr theilweise antik sind,
als Stadtmauer benutzt. Schwachvorspringende, oben in Bogen verbundene Strebe-
pfeiler verleihen der hohen Substruction eine erquickliche Abwechselung; doch haben
die neueren Restaurationen, besonders die des Jahres 18ö7, welche indess an Schön-
heit der Ausführung aus behauenen Steinen dem alten Bau in nichts nachstehen, das
antike Ansehen fast ganz verwischt.
An der Nordecke der Mauer, dem alten Eingange in die Villa Borghese gegen-
über, ragt ein gewaltiger, 21 Met. langer Mauerklotz aus Gussmasse und mit Netzfach
bekleidet über die Strasse herein. Das bedenklich im halben Falle überhangende Stück
* de bell. Golh. I. 23.
Die Porta Pinciana. 51 7
möchte es als unglaublich erscheinen lassen, dass es in diesem Zustande eine dauernd
feste Lage habe. Und doch ist es mehr als wahrscheinlich, dass es dasselbe sei, wel-
ches schon in Procopius' Zeit den Namen murus dirutus {Sif^Qcoyög) trug und schon
damals in ähnlicher Weise einsturzdrohend schwebte, als Belisar die Mauern gegen
die Gothen herstellte. Der fromme Glaube der Römer, dass der h. Petrus diese Stelle
beschütze, hinderte schon damals den Belisar, die durch diese Ruine unzureichend
befestigte Ecke herzustellen, und in der That versuchten auch die Gothen hier keinen
Angriff.^ Diess Stück gehört weder zu des Aurelian noch des Honorius Werk, son-
dern zu den früheren Substructionen des CoUis Hortorum. Von derselben Art ist der
nächstanliegende Theil, welcher in doppelter Reihe übereinanderstehende, konische, oben
gewölbte Nischen zeigt, und ebenfalls mit opus reticulatum überkleidet ist. — Die
Fortsetzung dieser Mauer, die sich erst in südöstlicher Richtung hinzieht, dann einen
rechten Winkel bildend sich nordöstlich wendet, zeigt grösstentheils späteres Mauer-
werk aus dem 6. Jahrhundert, wonach man diesen Theil nicht mit Unrecht mit der
Herstellung durch Belisar in Verbindung bringt. Die äussere Beschaffenheit und Form
dieser Mauer ist dieselbe, wie überall, wo sich der antike Bau erhalten hat : die Grund-
mauern sind grossentheils aus Quadern, während der übrige Theil aus etwas unre-
gelmässigen kleineren Bruchstücken aufgeführt ist; die Mauer aber ist in nicht überall
gleichen Zwischenräumen von rechteckig vorspringenden Thürmen unterbrochen, welche
sie jedoch an Höhe nicht überragen. Die späteren Restaurationen dieses Theils sind
von den Päpsten Julius H., Gregor XV. und Pius IX.
114. Die Porta Pinciana.
Nachdem man ungefähr eine römische Meile von der Porta del Popolo an zu-
rückgelegt, gelangt man zu der Porta Pinciana, welche im Verhältniss zu dem Mauer-
zuge in schräger Stellung und gegen Nordost gew^endet, von zwei runden Backstein-
Ihürmen flankirt ist. Der untere Theil des Thores selbst mit dem Thorbogen ist von
Quadern; in den Bogenschlüssel ist in einen runden Schild von 0,3-. M. Durchmesser
ein griechisches Kreuz gemeisselt. Nur durch eine Lage von Quadern von dem Bogen
getrennt, läuft oberhalb ein schmaler Carnies mit einem schwachen Sculpturversuch :
verschiedenförmige Rosetten zwischen kragsteinähnlichen Stücken. Darüber ist eine
Mauer in Backstein mit Zinnen von der Höhe der Thürme und der übrigen Mauer
und damit verbunden aufgeführt. Jetzt ist das Thor als ganz entbehrlich, weil zu kei-
ner Hauptstrasse führend, geschlossen.
* Procop. 1. c.
5/) H Die aurelianische Mauer.
Der Umstand, dass Belisar in der Domus Pinciana wohnte ' und dass Procop
einmal eine Porta Belisaria nennt, ^ welche sich allerdings an der Nordseite der Stadt
befunden zu haben scheint, beweist noch nicht, dass dieses Thor es war, welches
eine Zeit lang den Namen des Belisar getragen. Procopius nennt vielmehr dieses Thor
ein Pförtchen, was er kaum gethan hatte, wenn der jetzt bestehende vollständige
Thorbau schon von Belisar herrührte. Ich glaube desshalb keinen Widerspruch befürch-
ten zu müssen, wenn ich die Sache so erkläre, als sei erst in der Zeit des Exarchats
das noch zu Procopius' Zeit bestehende Pförtchen in ein eigenthches Thor, als wel-
ches es beim Anonymus von Einsiedeln erscheint, umgewandelt worden. Denn wel-
chen Einfluss auf den Namen von Thoren ganz gleicher Beschaffenheit die Qualität
der aus ihnen führenden Strassen haben soll, ist mir unverständlich, und ich kann dess-
halb dem von Nibby^ angeführten und von Becker* gebilligten Grunde, die Pinciana
habe bei Procop desshalb Pförtchen geheissen, weil sie keiner Hauptstrasse, sondern
nur einem Verbindungswege diente, ebenso wenig beipflichten, als ich glauben kann,
dass man heutzutage ein Stadtthor aus demselben Grunde Pförtchen nennen würde.
Dass die ganz grundlose und späte Sage von Belisar, welcher hier blind gebettelt
haben soll, der angeblichen Porta BeHsaria kein weiteres Gewicht gibt, braucht kaum
erwähnt zu werden.
Von hier an zieht sich die Mauer in östlicher Richtung in schwachen Curven
weiter. Das Mauerwerk ist dem vor der Pinciana beschriebenen ähnlich; der vierte
Thurm von dem genannten Thore an zeigt sich vollständiger, als die anderen, erhal-
ten und trägt noch seinen Aufbau mit drei Fenstern in der Fronte und zweien an
jeder Seite, die jedoch jetzt sämmtlich vermauert sind. Noch ein anderer Thurm der-
selben Strecke ist ebenso erhalten. Die späteren sehr mangelhaften Herstellungen die-
ser und der nächstfolgenden Strecke sind von P. Julius II.
115. Die Porta Salaria.
Von der Porta Pinciana ungeföhr eine halbe Miglie entfernt ist die Porta Sala-
ria (jetzt Salara), der an die Stelle der servischen CoUina getretene Ausgangspunkt
der salarischen Heerstrasse, deren Namen » Salzstrasse « dadurch erklärt wird, dass
die Sabiner auf dieser das vom Meere oder den römischen Magazinen bezogene Salz
am linken Ufer des Tiber stromaufwärts nach Hause zu führen pflegten.^ Dieses Thor
trägt die Kennzeichen von verschiedenen Bauepochen : der untere Theil des doppelten
' Anastas. Biblioth. vit. Pontif. Par. 1649. Vit. Silver. p. 39. * Procop. I. 18. * Le Miira di Roma,
p. 3 IS. " Hdb. d. r. A. Bd. I. S. 193. Anm. 292. " Varro r. r. I. 14, 3.
Die Porta Noraentana. 519
Thorbogens besteht aus Quadern und gehört zum Bau des Honorius, vielleicht sogar
des Aurelian, der obere Theil dagegen ist sehr schlechtes Ziegelwerk, augenscheinlich
in aller Eile auf dem Reste des zerstörten Thores wieder aufgebaut. Ebenso sind die
beiden rechteckigen Thürme, von welchen einer sehr verstümmelt ist, von einer spä-
teren Herstellung auf einem Unterbau von Quadern. Diese Erscheinung stimmt auch
mit der Geschichte überein : Durch dieses Thor nemlich drang Alarich im J. 409 mit
seinen Gothen ein, nachdem die Wachen von der bestochenen römischen Jugend nie-
dergemacht waren , und wie die angränzenden Gebäude und Gärten , so ward w ohl
auch das verrathene Thor durch Brand zerstört. Der eilfertige Wiederaufbau dürfte
demnach nicht ohne Wahrscheinlichkeit in die Zeit nach dem Abzüge der Gothen zu
setzen sein, wofür jedoch keine Gewissheit vorliegt.
116. Die Porta Nomentana.
Zu beiden Seiten der Porta Salaria ist die Mauer eine Strecke weit ohne die
sonst ziemlich regelmässigen Thürme, bietet aber im Uebrigen keine Verschiedenheit
von der vorigen Strecke dar. In fast gerader Richtung südöstlich gewendet, wird sie
bald von der kaum 400 Schritte von dem salarischen Thore entfernten Porta Pia un-
terbrochen, welche nach dem Entwürfe Michel Angelo's von Pius IV. im J. 1564 von
Grund auf neu gebaut wurde, als dieser die Strasse Alta Semita beseitigte und dafür
etwas weiter links, doch parallel mit der ersteren die Via Pia anlegte. Das nach /lern
Geschmacke der Zeit schön zu nennende Thor wurde unter der gegenwärtigen Re-
gierung umfassend restaurirt.
Wie aber die Via Pia etwas weiter nordwestlich gerückt wurde, als die ihr
im Alterthume entsprechende Alta Semita sich hinzog, so musste auch die neue Porta
Pia, wenn man dem Laufe der Strasse keine Krümmung geben wollte, an eine an-
dere Stelle und zwar nordwestlich neben das alte Thor gesetzt werden. Dieses letz-
tere aber, die Porta Nomentana, durch welche die nach dem nur 1 4 römische Meilen
entfernten Nomentum führende gleichnamige Strasse, die früher zugleich mit der sala-
rischen an der servischen Porta Collina begann, ausmündete, ist jetzt als völlig unnütz
vermauert, doch an den runden Thürmen noch deutlich, von welchen jedoch einer
sehr zerstört ist. Ueberhaupt ist an dem zum grossen Theile für den Neubau abge-
tragenen und misshandelten Thore schwer zu erkennen, wie Poggio es neben Porta
Maggiore und Porta S. Lorenzo zu den drei schönsten antiken Thoren zählen konnte.
520 D'6 aurelianische Mauer.
117. Das prätorianische Lager.
Nicht ferne von der Stätte der alten Porta Nomentana weitet sich die Stadtmauer
fast quadratisch gegen Osten aus, eine schon vorhandene Umfangsmauer eines anderen
Baues benutzend. Um die Reste dieses zuerst im Innern zu besichtigen, treten wir durch
die Porta Pia in die Strasse gleichen Namens und gelangen, von da zur Linken in die
Via del Maccao abbeugend, durch den dritten Eingang links zur Vigna del Maccao,
welche sich innerhalb jener fast quadratischen Ausweitung befindet. Der Raum selbst
hat keine antiken Reste zurückgelassen, obwohl der Pflug nirgends häufiger als hier an-
tike Münzen zu Tage fördert, doch sieht man an die Umfangsmauer angelehnt noch viele
halbzerstörte Kammern von 4,4o M. Breite und Tiefe und 4 M. Höhe aus Netzfach mit
Spuren von bemaltem Stuck. Ueber diesen Kammern lief, wie man jedoch nur mehr an
den Ansätzen sieht, ein Corridor, 7,7o M. hoch, dessen einfache Backsteinpfeiler durch
Bogen sowohl unter sich als auch mit der äusseren Umfangsmauer verbunden waren.
Jedem Bogen entsprach eine kleine Nische in der Aussenmauer, in deren Grunde sich
eine fensterarlige Oeffnung (jetzt vermauert) befand. Ueber der Wölbung des Corridors,
wovon jedoch ebenfalls nur stellenweise der Ansatz an der Mauer sichtbar ist , war eine
dicke Lage von jener in Kalk gekneteten Scherbenmasse, welche man opus Signinum
nannte, und darüber jenes Backsteinpaviment , bei welchem die aufgestellten Ziegel in
der Weise der Körner einer Aehre aneinandergereiht waren (opus spicatiim),^ wodurch,
überdiess durch ein grobes Mosaik verkleidet, ein dauerhaftes Paviment für den offenen
Zinnengang hergestellt wurde. An der Mauer lassen sich noch die schwachen Reste von
zwei Thoren an der Nord- und Ostseite , eine der beiden principales und die decumatia,
erkennen, die aber schon in antiker Zeit vermauert wurden. Sonst ist im Innern nichts
Antikes bemerkenswerth.
Umgehen wir diese Mauerausweitung, an welcher die Herstellungen mit Ein-
schluss der nicht hieher gehörigen Mauerstrecke von Porta Nomentana an von Cle-
mens XL, Pius IV., Nicolaus V., Gregor XV. und Urban VIII. sind, von aussen, so erken-
nen wir auch hier noch die schwachen Spuren der beiden vermauerten Thore, doch ohne
wesentliche architektonische Kennzeichen. Die Mauer aber, welche auf der Nordseite
400 und an der Ostseite 450 M. misst, unterscheidet sich wesentlich von der übrigen
bisher beschriebenen Stadtmauer. Der Backsteinbau verräth die in dieser Beziehung
beste Zeit : die flachen Ziegel sind in einer fehlerlos horizontalen Lage und denjenigen
von Gebäuden der ersten Kaiserzeit gleichartig; doch reicht diese schöne Structur nur
wenig über die mittlere Höhe , der übrige Theil ist späterer Aufbau. Am Anfange der
* Vitruv. de architect. VII. i.
Diis prätorianische Lager. 521
nördlichen Linie ist ein Theil ganz von der späteren Herstellung und mit den gewöhn-
lichen Thiirmen versehen; sonst sind die Thürme selten und unregelmässig. Die drei
nebeneinanderstehenden auf der Nordseite haben unten keilförmige Vorsprünge, wie die
■ Brückenpfeiler auf der gegen den Strom gewendeten Seite. Die beiden Ecken der Um-
mauerung sind abgerundet, eine Eigenthümlichkeit, die sich sowohl von Vitruv^ vorge-
schrieben, als auch bei Befestigungsbauten zumeist befolgt findet. An dem Südende der
Ostseite endigt die Mauer der beschriebenen Art und sie erscheint jetzt wieder von spä-
terer Anlage , von verschiedenem Material und in öfters gebrochener Linie von Ost nach
West laufend.
Diese grosse, rechtwinkelige Ummauerung , welche erst später durch Aurelian in
den Befestigungsring der Stadt gezogen ward , wurde fast von allen Topographen und
mit Recht als ein Ueberrest des prätorianischen Lagers erkannt. Dass dieses, welches
auch sonst etwas allgemeiner »ausserhalb der Stadt «^ und »an die äussersten Häuser
angränzend « ^ genannt wird, in dieser Gegend lag, erhellt schon aus dem Umstände, dass
Nero auf der Flucht nach dem Landgute seines Freigelassenen Phaon, welches zwischen
der Via Salaria und Nomentana lag, das aufrührerische Geschrei der Prätorianer zu Gun-
sten Galba's hörte;* noch genauer aber werden die Castra praetoria von einem Scho-
liasten^ als »neben dem Walle und über die diocletianischen Thermen hinausliegend«
bezeichnet. Ausserdem fand man im J. 1742 in der eingeschlossenen Vigna die Bleiröhre
einer Wasserleitung, auf welcher in einer Inschrift aus der Zeit des Macrinus die Castra
praetoria genannt werden.^
Was die Geschichte dieses Lagers und zunächst der prätorianischen Cohorten be-
trifft, so stammt ihre Einführung schon aus der Zeit der Republik. Nachdem der Sage
nach bereits in der ersten Zeit derselben der Diclator Postumius — vermuthlich nach
dem Beispiele der Königszeit — sich eine besondere Cohorte ausgelesen hatte, '^ war
nach einer bestimmteren Erwähnung Scipio Africanus der erste , der sich als Oberfeld-
herr eine Cohorte der Tapfersten ausgewählt, welche er immer um sich haben wollte
und welcher er höheren Sold gab.^ Seit dieser Zeit erscheint diese Cohorte, die präto-
rische genannt, gewöhnlich bei den Feldherren. Augustus aber machte sie zur ständigen
Miliz und vermehrte sie wahrscheinlich bis auf neun Cohorten , von welchen er drei zum
Schutze der Stadt {cohortes urbanae), wo sie jedoch noch kein gemeinsames Lager erhiel-
ten,^ und drei zur Leibgarde [cohortes praeloriae) bestimmte; die übrigen waren in der
Umgebung stationirt. Des Augustus Nachfolger Tiberius hielt es besonders auf des Prä-
M. 1. * Tacit. Ann. IV. 2. « Plin. H. N. III. 5, 9, 67. * Sueton. Ner. 48. * ad luven. Sat. X.
V. 94 sq. " Ficoroni, Notizie. No. 76. (Fea, p. CLVI.) ^ Liv. II. 20. * Paul. Diac. s. v. Praetoria cohors.
' .Sueton. Aug. 49.
r. Rbbbr, die Ruinen Roms. 66
ggg Die aurelianische Mauer.
fecten Seianus, seines Günstlings, Vorstellungen hin für nöthig, diese Truppen, welche er
als seine Hauptstütze betrachtete, noch mehr an sich zu fesseln, und erbaute unter dem
Vorwande, dass in den zerstreuten Quartieren die Mannszucht nicht gehörig gehandhabt
werden könnte, das befestigte und standige Lager, welches im J. 23 n. Chr. vollendet
ward.^ Tiberius mag vielleicht dadurch seinen Zweck, Sicherheit seiner Person und sei-
nes Thrones erreicht haben, doch wie mit dem bald erwachenden Machtbewusstsein der
PrStorianer, welche überdiess bald auf 10^ und auf 16 Cohorten^ angewachsen waren,
diese Zwingburg der Stadt der Heerd der Revolution und allen dieser Truppenkaste miss-
liebigen Kaisern verderblich wurde , ist aus der Kaisergeschichte zur Genüge bekannt.
Erst Constantin konnte es wagen, nachdem er seinen Gegner Maxentius, dem die Prato-
rianer anhingen, an der milvischen Brücke besiegt hatte, diese Cohorten ganz aufzulösen
und ihr Lager, soweit nicht dessen Mauern zu der aurelianischen Ummauerung benutzt
worden waren, zu zerstören.^ Da nach Constantin die Stadt sich auf keinen Fall mehr
ausdehnte, so scheint auch der innere Raum, dessen Zellen zerstört wurden , nicht mehr
zur bewohnten Stadt gezogen worden zu sein. Die Yigna aber, welche seit langer Zeit
den Jesuiten gehörte, wird eben jetzt wenigstens zum grossen Theile der vormaligen
Bestimmung zurückgegeben, nachdem im Juni dieses Jahres der Grundstein zu einer
neuen Kaserne für die päpstlichen Truppen gelegt worden ist.^
118. Die Porta clausa und die Porta Tiburtina (di S. Lorenzo).
Nachdem uns der Umfang des prätorianischen Lagers um mehr als eine römische
Meile von der Porta Pia entfernt hat , erreichen wir am Endpunkte der Südseite dieser
eckigen Ausweitung, da wo sich die Mauer wieder fast in einem rechten Winkel südlich
wendet, ein schon seit langer Zeit vermauertes Thor ohne Namen, welches demnach
schlechtweg als Porta chiusa bezeichnet wird. Dieses wird nicht, wie die übrigen, von
zwei Thürmen flankirt, da einen solchen Schutz der rechte Winkel der Mauer selbst über-
flüssig machte, sondern unterbricht ohne weitere Anordnung die Mauer selbst ; der Thor-
bogen ist aus grossen, ziemlich schlecht gefügten Travertinblöcken, und nur durch sechs
über dem Bogen befindliche jetzt vermauerte Bogenfenster und ein ganz schmuckloses
Gesimse gezeichnet : sonst zeigt sich keinerlei Zierde.
In der Benennung dieses Thores sind dem Fabretti^ Piale, Niebuhr und Bunsen
gefolgt, welche es alle als die Porta Tiburtina bezeichnen, während Nibby^ und Becker''
' Dio Cass. LV. 24. » Tacit. Hist. II. 93. » .\iirel. Vict. de Caess. 44. Zosimus. II. M. * Augsb.
AHgem. Zeitg. 10. Juni 1862. No. HO. S. 2828. * de aq. et aquaeduct. § 248 sq. (Graev. Th. A. R. tom. IV.
I». 1753.) « Mura di Roma. p. 339 sq. ' H. d. r. A. I. S. 201 fg.
Die Porta clausa und die Porta Tiburfina (di S. Lorenzo), 523
zur vorher allgemeinen Annahme zurückkehrend in dem Thore von S. Lorenzo die Tibur-
tina erkennen. Ich sehe keinen Grund, der mich zum Anschluss an die ersteren bestim-
men sollte. Denn die Via Tiburtina ging von der servischen Porta Esquilina aus,^ lief
also auf keinen Fall in so nordöstlicher Richtung, denn sonst wäre sie viel passender von
dem viminalischen Thore in der Mitte des Walles ^ ausgegangen. Wenn aber im Allge-
meinen angenommen w^erden darf, dass die aurelianischen Thore (allerdings oft verdop-
pelt , wenn die Strassen ausserhalb der servischen Thore auseinanderzweigten) den ser-
vischen entsprachen, so muss es befremden, während wir für die Collina in der aurelia-
nischen Mauer zwei Thore, die Salaria und Nomentana, und für die Esquilina ebensoviele,
die Tiburtina und Pränestina (Labicana) haben, die zwischen der Collina und der Esqui-
lina liegende Viminalis in der aurelianischen Mauer nicht berücksichtigt zu finden , umso-
mehr als das Bedürfniss eines Thores in der fast zwei Miglien langen Strecke zwischen
Porta Nomentana und P. S. Lorenzo ursprünglich fühlbar gewesen sein musste. Was
aber den Namen des Thores betrifft, welches der Anonymus von Einsiedeln ganz uner-
wähnt lässt, weil es ohne Zweifel schon zu seiner Zeit, wie jetzt, vermauert war, so lässt
sich kein andei^er als eben der des alten servischen Thores, welchem es entsprach, nem-
lich Porta Viminalis vermuthen. Da aber keine Hauptstrasse , sondern nur Verbindungs-
wege, nach der Richtung zu schliessen zunächst mit der Tiburtina, durch dasselbe führten,
so erschien es aus demselben Grunde wie die Pinciana frühzeitig entbehrlich, und wurde
desshalb vermauert, was möglicherweise schon zu Belisars Zeil geschehen sein kann,
wonach es allerdings nicht zu den 1 4 Thoren des Procop zu rechnen wäre.
Von Porta chiusa an beginnt wieder der regelmässige Gang der Ummauerung in
mehr ursprünglicher und erhaltener Gestalt , als an der Nordseite mit den rechteckigen
Thürmen in regelmässigen Zwischenräumen , ohne bis zum nächsten Thore, ausser einem
unter Julius IL hergestellten Mauertheil, etwas Besonderes darzubieten. Das nächste von
der 1 Mgl. ausserhalb liegenden höchst interessanten Basilica Porta S. Lorenzo genannte
Thor aber, etwa eine halbe Miglie von Porta chiusa entfernt, ist in Bezug auf den
Thorbogen dem ebenbeschriebenen sehr ähnlich. Es besteht aus Travertinquadern und
zeigt fünf gewölbte Fenster über dem Bogen. In einiger Höhe darüber läuft ein schwacher
Carnies und über diesem befindet sich die Inschrift der unter der Regierung des Hono-
rius und Arcadius ausgeführten Erbauung dieses wie der übrigen Thore und Mauern.
Sie ist gleichlautend mit der, welche man noch bei Porta Maggiore sieht, und welche
dort nach Abtragung des honorischen Thores in der Nähe wieder aufgestellt und ge-
reinigt wurde, so dass man sie dort sicherer und bequemer lesen kann, wesshalb ich sie
auch nach einer dort genommenen Abschrift mittheile :
• Liv. IX. 30. Ovid. Fast. VI. v. 677. * Strab. V. 3, 7. p. 23^.
66'
524 - ÜIjNM» Die aurelianische Mauer. '■J'*"»
(1) S P Q . R
2) IMP CAESS DD NN INVICTiSSIMIS PRINCIPIB ARCADIO ET HONORIO
vicToRib ac TrivmFaTorib semp avgg (3) OB insTavraTos VRBI
aeTernae mvrosporTas ac Tvrres egesTis IMMENSIS rvderibvs ex
SVGGESTlONE VC (4) ET INLVSTRIS COM ET MAG vTrIVSQVE MILiTIAE
STiLICHONIS AD PERPETviTaTEM NOMINIS EORVM (5) SIMVLACRA
CONSTiTviT (6) CVRANTe FL MACROBIO LONGINIANO VC PRAEF VRB
D N M Q EORVM
Wo die in dieser Inschrift erwähnten Kaiserstatuen standen, ist nach der Beschaffenheit
des Baues nicht nachzuweisen , am wahrscheinHchsten befanden sie sich im Thorwege
oder an den beiden vierkantigen Thürmen, welche in ihrer jetzigen Gestalt aus späterer Zeit
zu stammen und sehr alterirt zu sein scheinen. Nicht mit Unrecht aber setzt Corsini^ die
Präfectur des Macrobius Longinianus mit Bezug auf die schon erwähnten Verse des Clau-
dianus ^ in das Jahr 403 n. Chr.
Dass in diesem Thore kein anderes als die Tiburtina zu suchen sei , ergibt sich
sowohl aus dem Umstände , dass die Yia Tiburtina , wie oben belegt wurde , von der
Porta Esquilina ausging , als auch, dass schon im 9. — 12. Jahrhundert entschieden die
Porta S. Lorenzo als Tiburtina bezeichnet^ wird, wie denn auch heutzutage noch die
Strasse nach Tivoli von diesem Thore ausgeht. Das letztere hätte zwar im Zusammenhalt
mit der Via Appia nova wenig Beweiskraft, wenn sich die Sache nicht schon in der Zeit
jenes Mönches, dessen Büchelchen als Anonymus von Einsiedeln schon so oft erwähnt
wurde, ebenso verhalten hätte. Als eines der vornehmsten Thore erweist sich diess auch
durch die angeführte Inschrift, welche an den Thoren minderer Bedeutung fehlt.
119. Strassenbogen der Aqua Marcia, Tepula und Julia.
Tritt man durch das eben besprochene Thor ein, so findet man es mit zwei an-
deren Bogen verbunden, von welchen der innerste, grösstentheils von Travertin und mit
einem etwas gedrückten Bogen, von derselben Zeit zu sein scheint, wie der äussere.
Der mittlere jedoch, zwar ebenfalls von Travertin , ist in seiner Construction und Arbeit
ganz und gar von diesen verschieden und weist nach der Fügung der Quadern auf die
beste Bauperiode Roms. Die Bogenweite beträgt 5,38 Met., die ursprüngliche Höhe an
5,60 ; doch jetzt ist das Denkmal fast bis an den unter dem Bogenansatz laufenden ein-
* Series Praef. Urb. Pis. 1766. p. 314. * S. 514. Anm. 8. * Anonym. Einsiedl. an mehren Stellen.
De Mirabilibiis U. R. (Montfaucon, Diar. Ital. p. 283.)
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Strassenbogen der Aqua Marcia, Tepula und Iiilia. 325
' fachen Carnies verschüttet, ein Beweis, wie sehr sich die Oberfläche der Stadt an man-
chen Stellen in den ersten fünf Jahrhunderten unserer Zeitrechnung erhöht haben musste ;
denn die Thorbogen der Porta Tiburtina selbst erheben sich schon auf dem Schutte. Im
BogenschUissel lässt sich ein sehr verstümmelter Stierkopf in Relief erkennen, welcher
auch dem Denkmale und Thore den schon in den Mirabilien (1 2. Jahrh.) erscheinenden
Namen Taurina gab; zu beiden Seiten befinden sich dorische Pilaster, ursprünglich ^
0,60 M. hoch, jetzt aber grossentheils unter dem modernen Boden, die ein l,7o M. hohes
Gebälke tragen, von welchem Architrav und Fries spater in eine Fläche gemeisselt wur-
den, um eine Restaurationsinschrift aufzunehmen. Ueber dem Gebälke erhob sich ur-
sprünglich ein Giebel , von welchem man jetzt nur mehr die Form in der Lage der Qua-
dern sieht, da er ebenfalls beseitigt und in eine 2,43 Met. hohe Attika umgewandelt
I wurde, um einer zweiten Herstellungsinschrift Platz zu machen. Darüber erhebt sich
eine zweite (die eigentliche) Attika, welche die ursprüngliche Inschrift zu tragen bestimmt
war. Diese lautet :
IMP • CAESAR DivI IVU AVGVSTVS
PONTIFEX MAXIMVS COS XI I
TRIBVNIC POTEST XIX IMP Xllll
RIVOS • AQVARVM OMNIVM REFECIT
Die Restaurationsinschrift unten an der Stelle des Gebälkes :
IMP . TITVS ■ CAESAR • DIVI F • VESPASIANVS AVG PONTIF MAX
TRIBVNICIAE • POTEST • IX IMP XV • CENS COS • VTl DESIG VMl
RIVOM . AQVAE • MARCIAE • VETVSTATE DILAPSVM • REFECIT
ET . AQVAM • QVAE • IN VSV ESSE • DESIERAT REDVXIT
Die zweite Herstellungsinschrift an der Stelle des Giebels:
IMPCAESMAVRELIVSANTONINVSPIVS FELIX AVG PARTH MAXIM
BRIT MAXIMVS PONTIFEX MAXIMVS
AQVAM MARCIAM. V ARMS KASIBVS IMPEDITAM PVRGATO FÖNTE EXCIS ET. PERFORATIS
MONTIBVS RESTITVT A FORMA ADQVISITO ETI AM FÖNTE NOVO ANTON I N lANO
IN . SACRAM VRBEM • SVAM PERDVCENDAM CVRAVIT
Die drei Inschriften beziehen sich auf die Herstellung der Wasserleitungen und zwar
die erste im Allgemeinen auf die unter Augustus bereits vorhandenen Aquäducte, die
anderen auf spätere Erneuerungen der Aqua Marcia. Dass unser Denkmal selbst zu
einem Aquäduct gehörte, zeigen die Ansätze zu beiden Seiten, auf welchen man drei
Kanäle übereinander wahrnimmt, von welchen der untere den inneren Raum des Gebäl-
kes , der mittlere den des Giebels und der obere den der eigentlichen Attika einnimmt.
Was die Namen dieser drei Leitungen betrifft, so geht aus den beiden Herstellungsin-
526
Die aiirelianisghe Mauer.
Schriften von Titus und Caracalla hervor, dass eine von diesen die Marcia war; Fronti-
nus ^ aber berichtet, dass die Marcia, Tepula und lulia , soweit sie über der Erde geführt
waren, auf gemeinsamen Bogen zur Stadt kamen, und zwar die
Marcia als die älteste unten , über ihr die Tepula und als die
höchste die lulia. Nach dieser Angabe haben wir in unserem
Denkmale den Strassenübergang dieser drei Leitungen über die
Via Tiburtina unzweifelhaft vor uns.
Die Aqua Marcia war die drittangelegte Leitung der Stadt
und von dem Prator Q. Marcius Rex , welcher zugleich die bei-
den schon vorhandenen , Appia und Anio vetus , herstellte , im
J. 608 d. St. (162 V. Chr.) erbaut. Die Quellen derselben wur-
den 3 Mgl. zur Rechten des 36. Meilensteines der Via Valeria
(Strada di Arsoli) gefasst, wo man sie noch reichlich fliessen
sieht. Die Leitung mass mit den Umwegen 6OV3 röm. Meilen, ^
grösstentheils unterirdisch bis 7 Meilen vor Rom , von wo sie
V2 Meile auf Substructionnen, im Uebrigen auf Bogen geführt,
etwas nördlich von Porta Maggiore an die Stadt kömmt , und
der späteren aurelianischen Mauer einverleibt, sich nördlich
wendete , an der Stelle des beschriebenen Bogens die Via Ti-
burtina überschritt und sich dann oberhalb der Porta S. Lorenzo
westlich gegen das Innere der Stadt richtete. Die Marcia galt
als besonders reiner, frischer und gesunder Brunnen, ein, wie
Plinius sich ausdrückt, wahrhaft »göttliches« Geschenk für die Stadt. ^ — Die Tepula
ward im J. 627 von den Censoren Cn. Servilius Cäpio und L. Cassius Longinus zwei
Mgl. rechts vom 10. Meilensteine der Via Latina gefasst und über der Leitung der Mar-
cia in die Stadt geführt. Doch scheint sie ohne Bedeutung gewesen zu sein, bis sie
Agrippa im J. 719 d. St. mit einem neuen, 2 Mgl. rechts vom 12. Meilensteine derselben
Strasse gefundenen Quell, der Aqua Tulia, in einem gemeinsamen Behälter [caslellum] am
7. Milliarium der Via Latina vereinigte und vermehrte. Doch von da theilte er sie wieder
ab und leitete die lulia über der Tepula, beide natürhch von hier an gemischt und von
gleicher Qualität. Die drei Leitungen scheinen den gemeinsamen Namen Aqua Marcia
geführt zu haben, wie aus den Restaurationsinschriften erhellt, welche nur die Marcia
erwähnen, die als die unterste bei den meisten Beschädigungen auch die beiden über ihr
laufenden Kanäle in den Schaden hineinziehen musste. Bei der ersten durch Augustus
veranstalteten Restauration dieser Leitung, .bei welcher Gelegenheit auch die übrigen
m, 1
(il. Üiiiciist;iiiiiii oe> Slrassenbo
^ens der Aqua Marcia.
' Frontin. de aquaed. I. 7.
id. I. 19.
Plin. H. N. XXXI. 3, 24, 41.
Strassenbogon der Aqua Marcia, Tepula und lulia. 527
bisher bestehenden gereinigt wurden, nach der erstangeführten Inschrift im J. d. St. 749
(5 V. Chr.), ward die Marcia durch einen reiclien, ungefähr eine röm. Meile ferner hegen-
den Quell (Aqua Augusta) < vermehrt, und von dieser Herstellung scheint auch der Ueber-
gangsbogen an der Porta di S. Lorenzo zu stammen. Die Inschrift des Titus v. J. 832
(79 n. Chr.) berichtet eine umfassende Ausbesserung der ganz in Verfall gerathenen Lei-
tung; die dritte von Antoninus Caracalla bezeugt die Reinigung der verstopften Kanäle
wie auch die Vermehrung der Marcia durch einen neuen Quell (Aqua Antoniniana), welche
Vermehrung jedoch nur bis 1 V2 Mgl. von Rom dauerte, wo ein Zweig dieser Leitung und
zwar ohne Zweifel mit dem grössten Theile des Wassers nach den antoninischen Ther-
men abbeugte. Die drei Leitungen versorgten unter Nerva zehn (Frontin. 1. c), unter
Traian sogar zwölf Regionen mit ihrem vortrefflichen Wasser: doch blieb ihre Ergiebig-
keit nicht immer dieselbe. Nachdem schon Antonin einen grossen Theil nach seinen Ther-
men abgeleitet, führte Diocletian fast den ganzen Rest nach seinen Bädern , woher auch
wenigstens ein Theil der Leitung nach dem Beinamen des Kaisers den Namen lovia
(lopia oder lobia) erhielt.^ Als Vitiges im J. 537 die Leitungen ausserhalb der Stadt ab-
schnitt, ^ traf diess Schicksal auch diese und die beiden oberen Leitungen werden nach-
her nicht mehr erwähnt. Die Marcia (lobia) aber erscheint noch im achten Jahrhundert
als eine der reichhaltigsten, wahrscheinlich von Narses nach der Zerstörung durch die
Gothen wiederhergestellt, denn nach nur zwanzigjähriger Unterbrechung brachte sie
P. Hadrian I. wieder in Gang.* Doch nach dem wiederholten Verfall etwa im 9. Jahr-
hundert unternahm man die Herstellung nicht wieder. Jetzt ergiesst sich das Wasser der
Marcia bei den Mühlen von Arsoli in den Anio, wie das der Tepula und lulia in den Bach
von Grotta Ferrata (Marrana).
Setzen wir nun unseren Weg ausserhalb der Mauer fort , an welcher die recht-
eckigen Thürme in der obenbeschriebenen Weise wiederkehren , so sehen wir ungefähr
in der Mitte des Weges die Spuren einer wohl frühzeitig wieder vermauerten Neben-
pforte, ohne allen Schutz von Thürmen und ohne Vorsprung in der gerade fortlaufenden
Mauer angebracht ; man erkennt noch den Backsteinbogen mit den Imposten von Traver-
tin. Im Innern der Mauer laufen die Kanäle der ebenbeschriebenen dreifachen Leitung, an
welche sich eine kurze Strecke weit noch vier andere, auf welche ich sogleich zurückkom-
men werde, anschlössen, lieber eine halbe Miglie von Porta S. Lorenzo unmittelbar vor
dem südlich nächsten Thore gelangen wir zu der Stelle, wo die Leitung der Marcia, Te-
pula und lulia mit der aurelianischen Mauer sich verband , wovon man noch die ver-
mauerten Kanalmündungen der hier unterbrochenen Leitung sieht. In der nächsten Um-
gebung ausserhalb der Mauern sind von den Bogen des Aquäducts keine Reste vorhan-
* Frontin. de aquaed. I. 12, 5. * Anonym. Einsiedl. (Arch. f. Philol. Suppl.-Bd. V. S. 129.) * Procop.
de Bell. Goth I. 15. * Anastas. Bibl. vit. Pontif. (Par. 1649.) Vit. Hadr. I. p. 113.
528 J^'ö aurelianisclio Mauer.
den, ebensowenig, wie innerhalb der Mauer von der Stelle an, wo sie sich von der Stadt-
mauer entfernen. Neben diesem Aquäducte führten auch die beiden ersten Leitungen
in die Stadt, die Appia (vom J. 442 d. St.) und der Anio vetus (481 d. St.). Es ist höchst
wahrscheinlich, dass zu der ersteren jener merkwürdige unterirdische Kanal gehört,
welcher bei den Grundbauten für die Bahnlinie nach Villa Negroni in der ersten zwischen
den beiden von Porta Maggiore ausgehenden Strassen befindlichen Yigna im J. 1 860
aufgedeckt wurde. Dieser Kanal zeigt namentlich jene primitive dreieckige Decke, w^elche
aus je zwei auf eine Kante gestellten und oben giebelförmig sich gegeneinanderlehnen-
den Steinblöcken gebildet ist.
120. Die Porta Praenestina (Labicana) oder der Strassenübergang der Aqua
Claudia und Anio Nova (Porta Maggiore).
Unmittelbar neben der Einmündung der beschriebenen Leitungen in die aureha-
nische Mauer erhebt sich ein zweites noch weit grossartigeres doppeltthoriges Strassen-
tibergangsdenkmal von zwei anderen Wasserleitungen, welches ebenfalls wie das der
Marcia an der Porta S. Lorenzo zum Thore benutzt ward, während die übrige Leitung
eine Strecke weit den Gang der angebauten Stadtmauer bedingte. Die unter Honorius
erbaute äussere Hälfte des der Porta S. Lorenzo ähnlichen Thores mit derselben Inschrift
über dem einen (geschlossenen) Thorbogen ward zugleich mit allen anderen entstellen-
den Anbauten innen und aussen im J. 1840 — 41 durch P. Gregor XVL abgetragen, wie
die Inschrift auf der Durchfahrt zeigt. Der obere Theil desselben Thorbogens aber sammt
seinen Fenstern und Zinnen wurde ausserhalb zur Linken für den gegen die Stadt ge-
wendeten wieder aufgestellt und lässt die oben bei der Porta Tiburtina mitgetheilte
nachlässig und ungleich, ja selbst nicht einmal geradlinig geschriebene Inschrift des Ar-
cadius und Honorius deutlich und ganz in der Nähe lesen.
Das nun ganz freistehende Aquäductdenkmal selbst, ganz aus Travertin gebaut,
dessen Quadern mit Ausnahme der Inschriftflächen rustik (abgekantet mit rauhgelassener
Aussenseite) behauen sind, besteht aus zwei nebeneinanderstehenden Bogen, welche eine
Weite von 6,35, eine ursprüngliche Höhe von 1 4, und an den Basamenten eine Tiefe von
6,20 M. haben. In der Mitte zwischen den beiden Thoren ist ein kleinerer, 5, 10 M. hoher,
1,80 M. breiter Durchgang, der jedoch jetzt zwar blossgelegt , aber grösstentheils unter
dem modernen Niveau ist. Darüber befindet sich ein jetzt vermauertes Bogenfenster von
derselben Grösse, ebenso wie an den beiden äusseren Pfeilern des Denkmals, welche mit
Aediculen geschmückt sind, die auf einem etwas vorspringenden Basament stehen und
sich an den Bau selbst anlehnen. Die korinthischen Halbsäulen derselben haben einen
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Die Porta Praeiiestina oder der Strassenübergang der Aqua Claudia und Anio Nova. 529
Würfel unter dem hohen Phnth und sind, was die Renaissance mit Vorliebe nachgeahmt
hat, in den einzelnen Säulentrommeln ebenfalls rustik behandelt , was , obwohl an sich
hässlich, mit den rohbehauenen Blöcken des Uebrigen wohl im Einklänge steht, und nicht
verfehlt, die cyklopisch-massige Wirkung des grossartigen Denkmales, die durch zierliche
Säulen beeinträchtigt worden wäre, zu erhöhen. Diese Säulen tragen ein regelmässiges,
einfach und schön gearbeitetes Gebälke, das mit einem Giebel geschmückt ist, der jedoch
an den beiden Seitenädiculen innen zerstört ist. Die mittlere dieser Aediculen ist etwas
weiter, als die beiden äusseren, und ihr Giebel , welcher desshalb auch verhältnissmässig
höher ist, ragt fast bis zum Leisten der unteren Attika. Drei Attiken übereinander tragen
die Inschriften, welche die ganze Fläche derselben einnehmen. Von diesen ist die erste
2,75 M. hoch und enthält keinen Kanal, während die zweite und dritte, welche 2,30 und
4 M. in der Höhe messen, die Wände zu zwei Kanälen bilden. Das ganze Denkmal
hat eine Breite von 32V2 M. und eine Höhe von 24, eo. Die drei Inschriften, welche,
wie die gesammte architektonische Ausschmückung, an beiden Seiten gleich sind,
lauten :
n TI.CLAVDIVSDRVSIFCAISARAVGVSTVSGERMANICVSPONTIF MAXIM
(2) TRIBVNICIAPOTESTATE.XII.COS V IMPERATOR XXVII PATER PATRIAE
(3) AQVAS . CLAVDI AM EX FONTIBVS QVI VOCABANTVR C AERVLEVS ET
CVRTIVS AMILLIARIO XXXXV (4) ITEM ANIENEM NOVAMA MILLIARIO-
LXI I • SVA • INPENSA IN VRBEM PERDVCENDAS CVRAVIT
1) IMP CAESAR VESPASIANVSAVGVSTPONTIF. MAX TRIBPOT. IIIMP VI-
COS III DESIG IM P P (2) AQVASCVRTIAM ET CAERVLEAM•PERDVCTAS•
A DIVO CLAVDIO ET POSTEA . INTERMISSAS DILAPSASQVE (3) PER-
ANNOS NOVEM • SVA • IMPENSAVRBI RESTITVIT
( I IMPTCAESAR DI VI • FVESPASIANVS AVGVSTVS • PONTIFEX MAXIMVS
TRIBVNIC (2) POTESTATE X • IMPERATOR XVI I PATER PATRIAE CENSOR
COS VIII (3) AQVAS CVRTI AM ET CAERVLEAM PERDVCTAS A DIVO
CLAVDIO ET- POSTEA (i) A DIVO VESPASIANO PATRE SVO VRBI
RESTITVTAS CVM A CAPITE AQVARVM A (5) SOLO VETVSTATE
DILAPSAE ESSENT- NOVA • FORMA REDVCENDAS SVA • IMPENSA CVRAVIT
Diese Inschriften nennen die Aqua Claudia und Anio nova, wie sie hier genannt
wird, oder Anio novus nach Frontin als die Wasser dieses Aquäductes. Die erste berich-
tet den durch Claudius ausgeführten Bau der beiden Leitungen, von welchen die eine
(Claudia) aus zwei Quellen, Cäriileus und Curtius, in der Nähe des 35. Meilensteines der
Via Sublacensis gefasst wurde und später noch den Zuwachs des Albudinus erhielt, und
die andere, Anio nova, welche über der Claudia geführt, am 62. Milliarium der-
r. Reder, die Ruinen Roms. 67
530 l-*'^ aurelicinische Mauer.
selben Strasse vom Anio weggeleitet und beim 38. Meilensteine, unweit des Beginnes
der Claudia, mit dem Rivus Herculaneus verbunden ward.^ Die Entfernungsangaben auf
diesem Denkmale differiren mit denen des Frontin, wo indess leichter ein Versehen an-
genommen werden kann, als bei den monumentalen Angaben.
Schon Caligula hatte den Bau dieses Aquäductes im J. 791 d. St. (38 n. Chr.)
begonnen, doch erst 1 4 Jahre darauf brachte ihn Claudius zur Vollendung. ^ Diese Dop-
pelleitung, welche ganz nahe südlich von dem Denkmale zur Stadt kam , dann über das-
selbe nordwärts in der Richtung der nachmaligen Stadtmauer geführt ward und zwischen
Porta Maggiore und Porta S. Lorenzo nach der Stadt abzweigte, um dieser durch die
Claudia das reichlichste und nach der Marcia beste Wasser zu liefern , war die grossar-
tigste und längste von allen, und hatte die höchsten Bogen , welche ursprünglich ganz
aus Travertinquadern bestanden. Den Herstellungen durch Vespasian und Titus, deren
Gedächtniss die beiden anderen Inschriften auf dem Strassendenkmal bewahren, werden
einige Strecken in schöner Backsleinarbeit zugeschrieben , welche man noch ausserhalb
der Stadt sieht. Später unternahm auch Traian bedeutende Herstellungsarbeiten: von
ihm berichtet namentlich rrontin,^ dass er die Anio nova, welche trübe ward, noch um
etwas (6 Mgl.) verlängerte und aus dem See oberhalb der Villa Neroniana Sublacensis
oder nach moderner Topographie unterhalb dem Kloster di S. Scolastica von Subiaco
speiste. Im Jahre 537 ward die Leitung von den Gothen abgeschnitten, aber bald wie-
der hergestellt, und nachdem sie unter P. Hadrian l. wieder fast versiegt war, von diesem
abermals, doch kaum für lange Dauer, erneuert.* Jetzt sind von dieser Leitung an der
Via Latina noch grosse Strecken in Ruinen zu sehen, die einen ebenso imposanten als
malerischen Anblick bieten.
Wie schon erwähnt, benutzte Aurelian — und als Wiederhersteller Honorius —
die Leitung für seine Mauer und das Strassendenkmal zum Thore. Ueber den Namen
dieses finden sich die verschiedensten Ansichten, von welchen jedoch nur die, welche
einige Grundlage haben , in Betracht gezogen werden können. Vor Allem muss dabei,
wie Nibby ^ richtig bemerkt, wie aber die deutschen Topographen , namentlich Niebuhr ^
und Becker,"^ nicht zu berücksichtigen scheinen, festgehalten werden, dass der Doppel-
bogen des Wasserleitungsdenkmals in Verbindung mit der Trapezoidgestalt des Grabmals
des Eurysaces unmittelbar ausserhalb die Annahme von zwei eine geringe Strecke inner-
halb auseinanderzweigenden Strassen unbedingt erfordern. Da aber Niemand den Ein-
wurf machen wird, dass die eine dieser Strassen vielleicht irgend ein bedeutungsloser
Feldweg oder Steig gewesen sei, über welchen Claudius einen über 6 Meter weiten und
' Frontin. I. 14. 15. * Sueton. Calig. 21. Claud. 20. Frontin. 13. Script. H. A. (Lamprid.) Alex. Sev.
30. ^ II. 93. * Anastas. Bibl. vit. Pontif. Par. 1649. p. 113. = Le Mura di Roma. p. 349. ^ Beschreib,
d. St. R. I. S. 657. III. S. 570 fg. ' H. d. r. A. I. S. 201 fg.
Die Porta Praeneslina oder der Strassenübergang der Aqua Claudia und Anio Nova, 531
14 hohen Bogen mit sumptuoser Ausschmückung, wie über die Hauptstrasse gebaut
habe, so können wir eben nur an die Hauptstrassen denken, welche in dieser Richtung
ausgingen. Von der servischen Porta Esquihna aber Hefen drei Strassen aus, von wel-
chen die eine, die Tiburtina, die ohne Zweifel links von den sog. Trofei di Mario abzwei-
gend sich gegen die Porta S. Lorenzo wandte, hier nicht in Betracht gezogen werden
kann, wonach keine andere Wahl bleibt , als die Praenestina und die Labicana hier zu
suchen.
Dieser Annahme aber scheint, wenigstens nach der Niebuhr-Becker'schen Inter-
pretation, Strabo ' zu widersprechen, welcher berichtet, dass die labicanische Strasse mit
der pränestinischen vom esquilinischen Thore ausgegangen sei, und dass die erstere (La-
bicana) sowohl das esquilinische Feld als auch die Praenestina zur Linken gelassen habe.
Die beiden genannten Autoritäten finden nun aus dieser Notiz heraus, dass die Trennung
der beiden Strassen unmittelbar ausserhalb der Porta Esquilina stattgefunden habe , in
diesem Gedanken durch die Besorgniss bestärkt, dass sonst der Campus Esquilinus, wel-
cher zur Linken von der Via Labicana blieb, nicht mehr von der Praenestina durchschnit-
ten werden konnte, welche letztere Behauptung übrigens in der Notiz des Strabo auch
nur eine schwache Bestätigung zu finden scheint. Allein abgesehen davon konnte der
Campus nur dann nicht mehr von der Praenestina durchschnitten werden, wenn er schon
in der aurelianischen Mauerlinie seine Begränzung fand, was nicht bloss durch nichts
bezeugt wird, sondern wegen des nur schmalen Striches zwischen dem servischen
Wall und der noch jetzt bestehenden aurelianischen Mauer sogar höchst unwahr-
scheinlich ist.
Es steht demnach Nibby's Annahme , dass , wie schon ursprünglich die Wasser-
leitungsbogen die Durchgänge von zwei Strassen, der Praenestina und der Labicana,
bildeten, so auch das doppelte Thor ursprünglich keinen anderen Zweck gehabt haben
könne, kein stichhaltiger Grund im Wege. Doch musste man das Ueberflüssige des einen,
welches die Vertheidigung nur erschwerte , bald einsehen , so dass es kaum lange eine
Porta Praenestina und eine Labicana nebeneinander gab , indem man die Labicana , das
Thor zur Rechten für den Hinausgehenden, abweichend von der jetzigen Einrichtung,
bei welcher der linke Bogen geschlossen ist, vermauerte. Es blieb sonach nur die Porta
Praenestina übrig, welche schon bei Procop allein erscheint ^ und ebenso im neunten
Jahrhundert sich allein findet. ^ Da jedoch fortan auch die Via Labicana von diesem Thore
auslief, so tauchte später auch der Name Porta Labicana wieder auf,* als, wie Becker^
sehr ansprechend vermuthet , die lavicanische Strasse als der Weg zur h. Helena wich-
' V. 3, 9. p. 237. * de hell. Goth. I. 19. * Anonym. Einsiedl. fArcli. f. Philol. Suppl. V. S. 138.)
' Lib. de Mirabilibus R. (Montfaucon, Diar. Ital. p. 283.) Martin. Polon. (Cod. Ben. 273. Mon. 4773. fol. 56.)
" Hdb. d. r. A. I. S. 205.
67»
I
532 ^'^ aurelianische Mauer.
tiger erschien, als der pränestinische, während gleichzeitig der Name Porta Maior in Auf-
nahme kam, der immer mit S. Maria Maggiore in Verbindung gebracht wird , aber doch
auch in der Grösse des Thores selbst seinen Grund haben kann. Nicht minder früh ist
der in den Acten der Märtyrer und bei Anastasius erscheinende Name Sessoriana , von
dem unmittelbar nahen Sessorium/ von nur kurzer Dauer aber scheint der unerklärbare
Name Sirucrana oder Siracusana, und der Name Porta della Donna gewesen zu sein.
Seit dßm Abbruch des beiderseitigen Thorvorbaues und der angebauten Häusei-
geniesst man den unverkilmmerten Anblick des stattlichen Denkmales , das, durch die
massige Anlage den Jahrhunderten trotzend, sich ziemlich unversehrt erhalten hat. Der
Thorschluss und Thorzoll jedoch machte die Yermauerung des einen Bogens und die
Verengung des anderen nöthig.
121. Grabmal des Eurysaces und Ueberreste anderer Grabmäler.
Ausserhalb des beschriebenen Wasserleitungsdenkmales und ganz nahe an dem-
selben befindet sich ein Grabmal, das offenbar schon vorher an dieser Stelle erbaut war
und, obwohl dem claudischen Monumente einigermassen hinderlich, doch aus der üblichen
Pietät gegen die Gräber beim Bau desselben nicht beseitigt wurde. Die Richtung der in
schon besprochener Weise auseinanderzweigenden Strassen und das Vorhandensein an-
derer Grabdenkmäler , von denen man zahlreiche Reste gefunden , erlaubte diesem nur
die Form eines ganz unregelmässigen Vierecks, dessen Nord- 8,75, Ost- 6,85, Süd- 5,6o
und Westseite 4, 05 Met. misst. Die Ostseite ist fast ganz zerstört und zeigt als Kern nur
die gewöhnliche Gussmasse ; die höchst seltsame äussere Ausschmückung aber lässt sich
nur durch die Beziehung auf das Handwerk des hier Beerdigten erklären. Auf einem ein-
fachen Travertinbasament sieht man nemlich in der ersten Abtheilung eine Art stehender
und in der zweiten eine andere Schicht liegender Röhren, welche letzteren ihre Höhlun-
gen nach Aussen kehren, in Travertin dargestellt. An den Ecken befinden sich Pilaster
ohne Basen mit einem flachen Phantasie-Capitäl , über welchen noch ein Theil von Fries
und Carnies erhalten ist. Auf jenem sieht man ein ringsumlaufendes, doch jetzt verstüm-
meltes Relief, welches das Mahlen von Getreide, die Verarbeitung des Mehles zu Broden
und das Wägen und den Verkauf der letzteren in anschaulicher und belehrender Weise
darstellt. Zwischen der zweiten und dritten Abtheilung läuft ein Gürtel mit der theilweise
zerstörten, auf den drei erhaltenen Seiten wiederholten Inschrift :
EST HOC MONIMENTVIVI • MARCEI • VERGILEI • EVRYSACIS
PISTORIS • AC REDEMTORIS • APPAREToium
' Vgl. S. 487.
Das Amphitheafrum Castrense.
533
Inschrift und Relief bezeichnen den Stand des hier bestatteten Eiirysaces als den eines
Bäckers, worauf sich auch die an dem Grabmale dargestellten Röhren beziehen müssen.
Die Zeit der Erbauung ist nicht sicher anzugeben ; doch verrathen die Reliefs keine
schlechte Kunstepoche, wenn auch keinen bedeutenden Künstler.
Bei der Abtragung des honorischen Thores wurden neben diesem Grabmale noch
andere Gräberreste gefunden, deren Inschriften, welche jedoch kein weiteres Interesse
darbieten, jetzt neben der Auffahrt zu dem provisorischen Südbahnhofe eingemauert sind.
Sehenswerth sind jedoch die als Ausschmückung der Cippen dienenden Darstellungen
verschiedenformiger Brode, eines Korbes und eines concaven Mühlsteines, welche zu der
Annahme veranlassen, dass die Bäcker hier ihre gewissermassen zunftmässige Beerdi-
gungsstätte hatten.
122. Das Amphitheatrum Castrense.
Der Porta Praenestina unmittelbar nahe und mit der aurelianischen Mauer ver-
bunden musste das Vivarium, der Zwinger, gewesen sein,^ wo die Thiere für die amphi-
theatralischen Spiele aufbewahrt wurden. Leider wurde der Fundort einer in dieser
Gegend ausgegrabenen bezüghchen Inschrift aus der Zeit der Gordiane ^ nicht genauer
verzeichnet , so dass sich die Localität dieses Thierzwingers nicht mehr mit Sicherheit
bestimmen lässt.
Setzen wir aber unseren Weg um die Mauer von Porta Maggiore an fort, von wo
sie mit der Aqua Claudia eine Strecke weit verbunden eine beträchtliche südöstliche Aus-
G2. Ansiclil <lus Ainpliidieatruiii C;istrcase. (F. R
* Procop. de bell. Goth. 1. 22. 23. " Orelli, Inscr. 22.
534
Die aurelianische Mauer
beugung bildet, und mit dem Verlassen des Aquäducts grosse Unregelmässigkeit, Be-
nutzung von älteren Tufsubstruetionen , schlechte Ausbesserungen in sog. opera sarace-
nesca, und bessere neuere Restaurationen von Pius VII. und IX. zeigt, so gelangen wir
endlich an die nicht unbedeutenden für die Mauer benutzten Ueberreste des äusseren
Umfriedungsbaues eines Amphitheaters, wie die Gestalt der Anlage unzweifelhaft zu er-
kennen gibt. Von dem Ganzen ist fast nur der von Aurehan benutzte Theil des Erdge-
schosses der Aussenmauer erhalten, jedoch zum grossen Theile mit seiner architekto-
nischen Ausschmückung. Denn wenn man die Gurve von Ost nach West umgeht, bemerkt
man erst 1 1 Backsteinbogen, und an die Pfeiler der ersten angelehnt noch drei Halbsäu-
len, und dann nach einer etwa 4 Bogen betragenden Unterbrechung durch eine spätere
Mauer noch fünf Bogen, welche noch, wie die beigefügte Ansicht zeigt, mit 6 Halbsäulen
und ihrem Gebälke geschmückt sind. Auffallend und selten ist, dass mit Ausnahme der
Sockel unter den Halbsäulen und einiger Solidirungs-
stücke alles Architektonische, selbst die korinthischen
Capitäle und das daraufliegende Gebälke von Ziegeln
hergestellt ist. Der Ziegelbau verräth die beste Periode
dieser Technik und ist wohl aus der Mitte des 1 . Jahr-
hunderts n. Chr. ; die Halbziegel sind von gelblicher,
die ganzen (doppelt so grossen) quadratischen Ziegelpiat-
ten, welche die Bogen bildeten, von rother Farbe, was
dem Bau , welcher nie beworfen war , eine angenehme
Farbenwirkung verliehen haben musste. An dem süd-
lichen Maueransatz sieht man noch Reste eines zweiten
Stockwerkes derselben Art mit einem verstümmelten
Pilaster. Sonst ist der Maueraufbau wie die Ausbesse-
rung von der schlechtesten Art.
Das jetzt als Nutzgarten benutzte Innere des Amphi-
theaters, zu welchem sich der Eingang zur Rechten von
Kirche und Kloster S. Croce in Gerusalemme befindet, zeigt ausser dem Umfange, aus
dem sich die Maasse von 105 für die grössere und 80 Met. für die kleinere Axe ergeben,
nur mehr schwache Spuren von den radienförmigen Substructionen der Sitzplätze. Der
moderne Boden bedeckt übrigens im Innern wie an der Westseite fast das ganze Erd-
geschoss.
Nachdem seit langer Zeit das beschriebene Amphitheater als das an der Gränze
der esquiiinischen Region genannte^ Amphitheatrum Castrense bezeichnet worden war,
7i> ^(, M /,0 JO
\ 1 * ¥ 1 — I
63. Capil'äl vom Aniphithealruin Castrense. (F.R.)
' Cuiios. U. R. Ree. V.
Die Porta Asinnria. 535
suchte Becker ^ diesen Namen zu beseitigen, ohne jedoch genügende Gründe dafür bei-
zubringen, dass die esquilinische Region sich nicht so weit erstrecken konnte. Ich glaube
gerade umgekehrt, dass jenes Amphitheater, deren doch nicht zwei einander ganz nahe
angenommen werden können, über die südliche Ausdehnung der V. Region Aufschluss
gibt, um so mehr, als kein materieller Umstand zum Zweifel an der Identität der Ruine
mit dem Amphitheater der Prätorianer Anlass gibt, denn der Ziegelbau ist dem der be-
schriebenen Lagermauer ganz homogen und w^ahrscheinlich mit ihr gleichzeitig. Aller-
dings haben wir über das Gebäude in den classischen Schriften keine Nachricht, und die
Erwähnung in der Notitia bildet den einzigen , aber desshalb nicht minder unumstöss-
lichen Anhaltspunkt. Die Zerstörung des Lagers durch Constantin hatte wahrscheinhch
auch die des Amphitheaters zur Folge, soweit es nicht wie jenes von Aurehan zur Stadt-
mauer benutzt worden war. Nachgrabungen am Anfange des 1 8. Jahrhunderts brachten
eine grosse Anzahl von thierischen Knochen zum Vorscheine, ^ welche man lächerlicher
Weise. mit den bei den Spielen gefallenen Bestien, die man doch nicht hier vermodern
Hess, in Verbindung brachte, während sie wohl von später hier verscharrten Thieren her-
rührten.
Neben dem Amphitheater, ausserhalb der Stadt und in der nächstgelegenen Villa,
sieht man noch wenigstens die Form eines kleinen Circus , welchen man wohl wie das
Amphitheater als Castrensis zu bezeichnen, nicht unberechtigt ist. Von der Spina dieses
Circus stammt auch der kleine, jetzt im Giardino del Pincio befindliche Obelisk, welcher
schon oben (S. 510) besprochen worden ist.
123. Die Porta Asinaria.
Zwischen dem Amphitheatrum Castrense und der Porta S. Giovanni ist die Stadt-
mauer in fast ganz ursprünglichem Zustande erhalten und liegt sowohl von aussen als
von innen ganz frei der Besichtigung offen. Der Backsteinbau ist gut und regelmässig,
so dass mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden kann, dass dieser Zug dem aure-
lianischen Bau angehöre. Die ursprüngliche Einrichtung der Mauer aber wird unten noch
genauere Betrachtung finden.
Die moderne, von P. Gregor XIII. im J. 1574 erbaute und keinerlei Interesse
bietende Porta S. Giovanni entstand, wie die Porta Pia, nicht an der Stelle eines antiken
Thores, sondern neben demselben. Wendet man sich nemlich noch weiter südlich, so
gelangt man zunächst an das vermauerte, namentlich innen sehr zerstörte und verschüt-
tete alte Thor, von welchem die beiden im Halbzirkel nach Aussen vorragenden ThUrme
* Hdb. d. r. A. S. 549 fg. " Ficoroni, Le Vestigia e raritä di Roma ant. R. 1744. p. 121.
536 l^'G aurelianische Mauer.
noch ziemlich wohl erhalten sind, und oben die Spuren eines Gesimses und drei Fensler-
reihen in drei Stockwerken zeigen. Der Name dieses Thores , Porta Asinaria , erscheint
zum erstenmale bei Procopius,^ findet sich auch noch ausschliessend im 9. ,2 zugleich mit
dem Namen Lateranensis aber im 12. Jahrhundert,^ so dass über die Richtigkeit der Be-
zeichnung kein Zweifel obwalten kann. Was den Namen betrifft, so ist zwar möglich,
dass er von dem des Erbauers herrühre, doch wird dessen Name kaum, wie gewöhnlich
angegeben wird, Asinius gelautet haben , da in diesem Falle das Thor Porta Asinia ge-
heissen hätte , und da Asinarius als Name bedenklich erscheint , so könnte , wenn eine
Vermuthung ausgesprochen werden soll , nur der Stamm Asina in Vorschlag gebracht
werden. Hinsichtlich der Bedeutung scheint das Thor zunächst der Porta Caelimontana
entsprochen zu haben ; es ging aber keine besondere Heerstrasse von ihm aus, sondern
nur ein Verbindungsweg mit der Via Latina, welcher aber jedenfalls von den in der nörd-
lichen Stadthälfte Verkehrenden viel benutzt worden sein muss. Im J. 1408 wurde es
mit mehren anderen von König Ladislaus vermauert'' und erst 166 Jahre später dafür die
Porta S. Giovanni erbaut, durch welche damals auch die Hauptstrasse nach dem Süden,
die sog. Via Appia nova, gelegt wurde.
124. Die Porta Metronis.
Von den Thürmen der Porta Asinaria ab hat die Fortsetzung der Mauer wieder
ein ungleichförmiges, verschiedene Restaurationen verrathendes Ansehen , von welchen
einige nach den Inschriftsteinen aus der Zeit der Päpste Benedict XIV., Clemens XL,
Nicolaus V. und Urban VIII. sind. Auch hat die Mauer keine sichere Linie, die vorhan-
denen Mauerreste, von welchen namentlich die schönen Backsteinsubstructionen den
Besitzungen der Laterani zugeschrieben werden, übersorgsam benutzend. Nachdem die
Mauer von der Porta S. Giovanni her fast Vs Mgl. sich südwestlich gewendet, bildet sie,
plötzlich sich südöstlich beugend , einen scharfen Winkel , unter welchem ein Bach , in
alter Zeit aqua crabra, jetzt Marrana genannt, durch einen niedrigen Bogen in die Stadt
fliesst. Hier wird , wie es scheint , fussend auf Martinus Polonus , der den Einfluss des
Baches als die Stelle des Thores bezeichnet, die Porta Metronis,^ wie sie in der ersten
bekannten Erwähnung vom Ende des 6. Jahrhunderts,^ oder Metroni (Metronii), wie sie
in den Mirabilien und bei Martinus Polonus heisst, angenommen, obwohl gerade hier die
ziemlich ursprünglich erhaltenen Mauern mit den Gängen im Innern die Annahme eines
Thores geradezu unmöglich machen. Der Stellung der Thürme nach dürfte es etwas
• de bell. Goth. I. 14. III. 20, ' Anon. Eins. (Arch. f. Ph. &c. V. S. 138.) ' Lib. de Mirab. U. Marl.
Polon. 1. c. * Diarium Romanum. (Muratori, R. I. Scr. tom. XXIV. p. 992.) * Greg. Magn. Epist. IX. § 69.
Die Porta Latina. 537
weiter nordöstlich gesucht werden, wo indess späte Restaurationen die ursprüngliche
Gestalt sehr alterirt haben.
Ueber die Bedeutung des Namens kann um so weniger etwas ermittelt werden,
als die Bezeichnungen so verschieden lauten und namentlich aus dem 9. Jahrhundert die /
sehr abweichenden Benennungen Metrovia ^ und Metrobi^ vorliegen. Die Einziehung des
Thores aber scheint ebenso wie bei den übrigen später geschlossenen eine Folge des
mangelnden besonderen Zweckes gewesen zu sein.
125. Die Porta Latina.
Von hier wendet sich die etwas besser erhaltene Mauer zu der V2 Mgl. entfernten
Porta Latina. auf welcher Strecke man eine ältere Mauer von Travertinquadern sehr
schöner Fügung und nahe dabei Reste von einem älteren Ziegelgemäuer, wahrscheinlich
von einem Wasserbehälter, den jetzt die Strasse ausserhalb durchschneidet, in die Mauer-
linie einverleibt sieht.
Die Porta Latina steht zwischen zwei auf einem jetzt nur mehr wenig sichtbaren
achteckigen Unterbau ruhenden halbrunden Backstein-Thürmen , welche , in der erhalte-
nen Höhe vollständig kahl, weder Fenster noch eine äusserlich sichtbare Gliederung der
Stockwerke zeigen. Doch der aus ungleichen Travertinblöcken bestehende Thorbogen
hat, wie auch mehre andere der bereits beschriebenen Thore, oben fünf Bogenfenster.
Der Bogen selbst scheint erst zu weit angelegt gewesen zu sein und ward durch eine
zweite schlecht eingefügte Sprengung verengert. Im Bogenschlüssel befindet sich das
Christusmonogramm mit den beiden mystischen Buchstaben der Apokalypse A und ß
eingemeisselt, wonach dieses Thor, wenigstens in der bestehenden Gestalt , kaum in die
Zeit vor Belisar gesetzt werden darf.
Die Via Latina, welche zugleich mit der Appia von der servischen Porta Capena
ausging und sich wahrscheinlich, wie noch jetzt, erst bei S. Sisto von der appischen
Heerstrasse trennte, gab dem Thore seinen noch jetzt üblichen Namen. Da dieses jedoch
von der Porta Appia nicht weit entfernt ist , und die moderne Via Latina , nemlich die
Strasse nach Frascati und Grotta Ferrata (an deren Stelle indess neuerhch ein Schienen-
weg getreten ist), schon seit langer Zeit durch die Porta S. Giovanni führte, so dass die
Linie der alten Via Latina eine ziemliche Strecke weit nur mehr durch die Gräber er-
kennbar ist, so wurde dieses Thor, als entbehrlich, im J. 1808 geschlossen (nicht ver-
mauert) und seit dieser Zeit nur mehr 1 827 auf einige Monate geöö'net.
* Anonym. Einsiedl. (Arch. f. Ph. Suppl. V. S. 137 fg.) * Galletti, Del Primicero della S. Sede Aposto-
lica. R. 1776. p. 96.
F. Heber, die lluinen Roms. 68
538 ^'^ aurelianische Mauer.
126. Die Porta Appia (Porta S. Sebastiano).
Von der Porta Latina führt ein kurzer, Restaurationen von Pius IL, Pius IV.,
Alexander VII. und Urban VIII. zeigender Weg ohne besonderes Interesse um die süd-
östliche Ecke der Mauer zu dem nächstliegenden Thore, von welchem die durch eine der
umfassendsten Ausgrabungen der neuesten Zeit in der bedeutenden Strecke fast bis Bo-
villae blossgelegte Via Appia ausmündet. Seiner Construction nach ist diess das beträcht-
lichste Thor an der Mauer Roms und von zwei mächtigen Thürmen beschützt. Diese
bestehen aus drei Absätzen, von welchen der auf einem etwas vorspringenden Basamente
stehende unterste in cubischer Form und ganz aus Marmorquadern gebaut ist. Auf die-
sem ruht ein zweiter Würfel von fast denselben Dimensionen in Backstein , und auf dem
letzteren erhebt sich noch ein halbrunder Thurm in zwei Geschossen mit je fünf Bogen-
fenstern, ebenfalls von Backstein und theilweise mit Zinnen gekrönt, so dass die Thürme
hier die Höhe von 28 Met. haben. Diese äusseren Thürme lehnen sich nach innen an
zwei einander entsprechende Backsteinthürme von rechteckiger Form. Zwischen den
beiden Thürmen befindet sich der einfache, in der Höhe des ersten Thurmabsatzes eben-
falls aus Marmor bestehende Thorbogen ; ein einfacher, auch den Marmorbau der Thürme
fortlaufend krönender Carnies, über welchem in ähnlicher Weise , wie bei den meisten
anderen Thoren, sieben Bogenfenster in einer Reihe angebracht sind, trennt den Quader-
bau von dem darauf ruhenden ebenfalls mit Zinnen geschmückten Ziegelbau.
Was die Zeit der Erbauung dieses Thores betrifft, so weist das Kreuz am Bogen-
schlüssel mit den darüber gesetzten Worten gegy xapi2 und den Anrufungen afie
KiJNON, AriE TEßPri auf die byzantinische Zeit des Exarchats. Dass der schöne und wohl
behauene Marmor des unteren Theiles nicht für das Thor gebrochen wurde, ist als sicher
anzunehmen, und es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass seine Verwendung zu dem
Thorbau mit dem Verschwinden des oft erwähnten Marstempels, welcher auf der Anhöhe
unmittelbar vor dem Thore stand (vgl. S. 438 fg.), zusammenhängt. Der Name Porta Appia
erscheint zuerst im 9. Jahrhundert (Anonym. Einsiedl.), in welchem die Hauptstrasse
nach dem südlichen Italien dem Thore noch eine grosse Bedeutung gegeben haben
musste. Seitdem aber die Strasse dahin durch die Porta S. Giovanni geführt ward (1 574),
hatte die Via Appia in ihrem ersten Theile nur mehr den Zweck, den Wanderer nach
den Katakomben und nach der Basilica di S. Sebastiano zu führen, von welcher auch das
Thor seinen jetzigen Namen erhielt. Ein am Thore angebrachter Inschriftstein vom
J. 1 327 mit dem Bildnisse des Erzengels Michael berichtet ein siegreiches Gefecht der
Römer gegen eine ))gens foresteriaif, unter welcher nach geschichtlichen Ueberlieferungen
die Leute des Königs Robert von Neapel zu verstehen sind. — Von dem unmittelbar
innerhalb liegenden Triumphbogen (des Drusus?) wurde schon (S. 461 fg.) gesprochen.
Die Porta Ardeafina und die Porta Ostiensis (dl S. Paolo). 539
127. Die Porta Ardeatina und die Porta Ostiensis (di S. Paolo).
Auf der 1 V2 Mgl. betragenden Strecke von Porta S. Sebastiano bis Porta S. Paolo
hat sich durch die auf dieser Seite sehr bedeutenden Herstellungen, welche oft die ur-
sprüngliche Gestalt ganz änderten, kein drittes Thor mehr erhalten. Obwohl aber auch
keine Nachricht eines solchen erwähnt, so ist doch kaum zu bezweifeln, dass die zwischen
den beiden genannten Thoren auslaufende Via Ardeatina ungefähr in die Mitte dieser
Strecke ein besonderes Thor erforderte. Man hat nun in dem mit Halbsäulen geschmück-
ten Ziegelbogen kurz vor der sog. Bastione di S. Gallo dieses zu erkennen geglaubt,^
allein ich muss gestehen , trotz dem bestimmten Gutachten so bedeutender Autoritäten
keine Wahrscheinlichkeit darin finden zu können. Denn es wird S. Balbina als ein Punkt
an der Via Ardeatina, ^ welche schon von einem servischen Thore aus den Namen trug,
angegeben; die Localität des Hügels von S. Balbina und dessen Substructionen gestatten
aber nicht, die Strasse westlich von dieser Kirche anzunehmen, wonach für ihre Linie
nur der gegen die antoninischen Thermen gerichtete Abhang in Betracht zu ziehen ist.
Vergegenwärtigen wir uns aber eine Strassenlinie , welche durch S. Balbina und deren
Höhe einerseits, sowie durch die Thermen anderseits bedingt ist, so wird ebenso klar,
dass die südlich von S. Gregorio anzunehmende Porta Capena der entsprechendste An-
fangspunkt derselben von der servischen Stadt aus gewesen sein müsse, wie es natürlich
scheint, dass diese Strasse weiter westlich und weit näher an Porta S. Paolo, etwa in
der Nähe der Stelle , wo die Mauer einen scharfen Winkel nach Innen bildet , dieselbe
durchschnitten habe. Diesem Punkte entspricht auch die Richtung nach Ardea entschie-
den mehr, als der von Nibby angegebenen Stelle, welcher überdiess die Strasse in einer
sehr unpraktischen Art längere Zeit parallel neben der Mauer hinführt, der Schwierigkeit
nicht zu gedenken, aus dem angeblichen, den übrigen Thoren in der ganzen Anlage un-
ähnlichen Pförtchen ein grösseres Stadtthor zu reconstruiren.
Das Thor, welches, als niemals erwähnt, schon frühzeitig eingegangen sein muss,
konnte übrigens bei den vielen Restaurationen auf dieser Mauerseite, unter welchen die
auf Befehl des Papstes Paul HI. von San Gallo erbaute, jedoch kaum für seine Zeit ge-
nügende Bastion am meisten hervorragt . während die übrigen durch die Inschriftsteine
den Päpsten Alexander VI., Innocenz X., Alexander VII., Nicolaus V. und Benedict XIV.
zugeschrieben werden, leicht spurlos verschwinden. Zur Via Ardeatina aber ftihrten seit-
dem Verbindungswege, namentlich von der Ostiensis. Es ist indess zu hoffen , dass die
gründlichen von Pietro Rosa unternommenen, zur Zeit aber noch unbeendigten Forschun-
* Nibby (Geil), Mura di Roma. p. 201 sq. 375. Bunsen, Besclireib. d. St. R. I. 666. Becker, De Romae vet.
mur. alq. port Lips. -1842. p. 126. Hdb. d. r. A. I. S. 211. * Anastas. Bibl. Vit. Pontif. Par. <649. Vit. S.
Marci. p. 19. cf. Martinelli, Roma ex Kthnica sacra. p. 171 sq.
68*
540 Die aurelianische Mauer.
gen über das Strassehnetz und über die Topographie der Campagna überhaupt auch hin-
sichtlich solcher noch offenliegender Fragen über die Thore Roms erhebliche Resultate
liefern werdend
Bei der malerischen Porta Ostiensis, von der ausserhalb liegenden , seit dem be-
klagenswerthen Brande in der Nacht vom 5. — 6. Juli 1823 neu und in gleicher Pracht,
doch leider nicht ganz in der vormaligen Gestalt wieder aufgebauten Basilica Porta di
S. Paolo genannt, angelangt, sehen wir den einfachen Thorweg wie gewöhnhch von
zwei Thürmen flankirt, welche nach aussen halbrunde, nach innen rechteckige Form zei-
gen, oben mit Bogenfenstern geschmückt sind und noch ihre Zinnen tragen. Von den
zwei nebeneinander befindlichen Thorbogen des etwas unregelmässigen und sehr zer-
störten Innenbaues ist der eine östliche vermauert. Während der Aussenbau , welcher
nur einen Durchgang zeigt und wohl erhalten ist, jedenfalls der byzantinischen Zeit ent-
spricht, scheint der innere Theil wenigstens dem Bau des Honorius, wenn nicht dem
aurelianischen Werke anzugehören. Bei dem Bau des Thores musste indess der Schutt
schon eine bedeutende Höhe gehabt haben, denn der antike Boden ist über 3 Met. unter
dem Niveau desselben. Die ursprüngliche Via Ostiensis aber scheint westlich von der
Pyramide des Cestius vorbeigeführt zu haben, wenigstens wurden an der Ecke des alten
protestantischen Kirchhofs noch Reste einer mit den bekannten Polygonen gepflasterten
Strasse aufgedeckt, welche noch zu sehen sind.
Nachdem Ammian das Thor zum erstenmale erwähnt,^ findet sich schon bei Pro-
copius ^ und in der sog. Kosmographie des Aethicus * der jetzige Name nach der von Va-
lentinian II. und Theodosius erbauten Basilica. Als im J. 1 407 hier König Ladislaus von
Neapel eingezogen war, wurde auch dieses wichtige Thor vermauert,^ kam jedoch 1410
wieder in die Gewalt des Volkes, worauf es sofort wieder geöffnet wurde.
128. Die Pyramide des Cestius und die sich anschliessende Mauerlinie.
Monte Testaccio.
Ganz nahe an dem Thore zur Linken für den Eintretenden ist der Mauer ein
Denkmal einverleibt, das durch Grösse und Pracht seine innere Bedeutung bei weitem
übertrifft. Es ist diess eine Pyramide, welche auf jeder Seite 30, in der senkrechten Höhe
37 Met. misst und auf einem quadratischen Unterbau von Travertin ruht ; der aus ge-
wöhnlicher Gussmasse bestehende Kern des Baues ist mit 0,9o M. langen, 0,6o breiten
und 0,30 dicken Platten von weissem Marmor bekleidet. Im Innern befindet sich eine
* P. Rosa, dell' antica via lavinate. (Ann. d. I. d. C. a. 1859. Vol. XXXI. p. 186 sq. tav. I.) * XVII. 4.
de hello Goth. III. 36. * Basll. 1575. p. 20. * Diarium Romanum. (Muratori, Rer. It. Scr. tom. XXIV. p. 992.)
C4
O
O
V
E
<0
Die Pyramide des Cestius und die sich anschliessende 3IauerUnie. Monte Testaccio. 541
kleine, 5,95 M. lange, 4, 10 breite und 4, so hohe Backsteinkammer, die noch grossentheils
mit feinem Stuck bekleidet ist, an welchem noch Candelaber als Felderabtheilung und an
den vier Ecken geflügelte Genien von vorzüglicher Malerei kenntlich sind. Von der
Aschenkiste oder dem Sarkophage des hier Bestatteten ergab sich keine Spur, woraus
hervorgeht, dass die Grabkammer schon früher geplündert worden war, und doch fand
man den antiken Eingang, der wahrscheinlich an der Nordostseite sich befunden hatte,
nach der Beisetzung des Leichnams aber vermauert w^orden zu sein scheint, nicht mehr.
Der gegenwärtige Zugang an der Nordwestseite wurde erst im J. 1663 durch die Masse
des Baues gebrochen. Eine sowohl an der Südost- als Nordwestseite angebrachte In-
schrift berichtet die Namen des hier Bestatteten und der Erbauer des Denkmales :
C CESTIVS L F . POB EPVLO • PR TR • PL
VI! . VIR . EPVLONVM
OPVS • ABSOLVTVIVI • EX • TESTAIVIENTO • DIEBVS • CCCXXX
ARBITRATV
PONTI PF- CLA • lYlELAE • HEREDIS • ET • POTHI • L
Der hier genannte C. Cestius, des L. Cestius Sohn, aus der poblilischen Tribus, der Prä-
tor, Volkstribun und in dem Collegium der sieben Epulones, was ihm auch den Beina-
men Epulo gab, gewesen war, diese hier im Tode so verherrlichte Person , machte sich
im Leben so wenig bemerklich, dass er, einige beiläufige und nicht ganz gewisse Erwäh-
nungen ^ abgerechnet , historisch ganz unbekannt geblieben ist , wodurch sich die Zeit-
bestimmung der Erbauung des Denkmals sehr erschwerte, wenn man nicht in der Nähe
zwei Aufklärung gebende Marmorpiedestale gefunden hätte , an deren einem noch der
Fuss einer überlebensgrossen Bronzestatue befestigt war. Die auf beiden Piedestalen
gleiche Inschrift lautet :
M • VALERIVS • IVIESSALA • CORViNVS
P • RVTILIVS • LVPVS • L IVNIVS SiLANVS
L • PONTIVS • MELA • D IVIARIVS
NIGER • HEREDES • C • CESTI • ET
L • CESTIVS • QVAE • EX PARTE • AD
EVIV! • FRATRIS • HEREDITAS
M • AGRIPPAE • IVIVNERE • PER
VENIT • EX • EA • PECVNIA • QVAM
PRO • SViS • PARTIBVS RECEPER
EX • VENDITIONE • ATTALICOR
QVAE • EIS PER EDICTVM
AEDiLIS IN SEPVLCRVIVl
C • CESTI • EX • TESTAIVIENTO
EIVS INFERRI NON LICVIT
• Cic. pr. Flacc. i3. ad Attic. V. 13.
542
Die aurelianische Mauer.
Aus dieser Inschrift geht hervor, dass die Erben des Cestius Zeitgenossen des Agrippa,
mithin des Augustus waren, und dass die Statuen (wahrscheinlich beide des C. Cestius)
von dem Gelde errichtet worden waren, welches aus den kostbaren attalischen, d. h. gold-
durchwirkten ^ Gewändern, die nach dem Verbote des Aedils auf ein bestehendes Gesetz
hin^ nicht mitbestattet werden durften, wie es das Testament des Verstorbenen verlangte,
erlöst wurde.
Durch die Benutzung des Grabdenkmales für den aurelianischen Befestigungsring
litt der massive Bau nur wenig. Wie unbeachtet er aber blieb, erhellt daraus , dass trotz
der deutlich lesbaren Inschrift selbst Petrarca ihn das Grabmal des Remus nannte.^ Im
J. 1663, als P. Alexander VII. ihn ausgraben liess, war dessen Fuss über 4 Met. tief ver-
schüttet. Bei der damals vorgenommenen umfassenden und dankenswerthen Restaura-
tion* wurden auch die beiden dorischen, canellirten Säulen, deren Stücke man zerstreut
umher aufgefunden hatte, an den beiden Ecken aufgestellt.
Von der Pyramide des Cestius aus erreicht die Mauer ohne weitere Unterbrechung
den Tiber. Die Thürme sind trotz der vielen Ausbesserungen von Nicolaus V. sehr be-
schädigt, und die Strasse ausserhalb der Mauer, welche wir bisher verfolgten , erreichte
bei Porta S. Paolo ihr Ende, wesshalb wir diese Strecke innerhalb zurücklegen und da-
bei, ehe wir den Endpunkt der linksseitigen und überhaupt der erhaltenen antiken Um-
mauerung erreichen, die innere Beschaffenheit derselben ins Auge fassen wollen , wozu
ich eine hier genommene Ansicht mit Grundplan beifüge. Wie aus beidem ersichtlich ist.
64. luiienansicht der aureliuiiischfn Mauer. (F. K
bestand die Befestigung aus zwei Mauern, welche durch Tonnengewölbe mit einander
verbunden waren. Diese aber waren durch überwölbte Durchgänge durchbrochen, welche
* Plin. H. N. VIII. 48, 74, <96. ^ Cic. de legg. II. 24. § r>0. •'' Togg. Florent. de variet. fort. &c. p. »33.
* 0. Falconierii de Pyramide C. Gestii Epulonis dissert. (Graev. Thes. A. R. torn. IV. p. 14 61 sq.)
I
Die Porta Aurelia (Pancraziana),
o43
einen fortlaufenden Conidor bildeten, der den an den Scharten aufgestellten Verlhei-
digern zur Verbindung diente. Durch die in den Thürmen angebrachten Treppen gelangte
JüMet.
65. Grundriss der aurelianischeu Mauer.
man auf die Zinnenhöhe, auf welcher der Schwerpunkt der Vertheidigung lag. Der Ein-
gang in die Thilrme ist jetzt, um ihre Benutzung zu Schlupfwinkeln zu verhindern , fast
überall vermauert.
An dem Flusse aufwärts sind nur mehr wenige Reste der ehemaligen Stadtmauer
in den modernen Weinbergmauern erkennbar, deren Besichtigung und Umgehung von
der Flussseite wegen des haltlosen Sandbodens und der Eingriffe des Tiber stellenweise
sogar sehr gefährlich ist. Den ganzen dreieckförmigen, jetzt grösstentheils von Weingär-
ten eingenommenen Raum aber beherrscht jene räthselhafte kahle Höhe des sog. Monte
Testaccio, von deren Entstehung, welche nach einem innen aufgefundenen durch den
Hügel selbst verschütteten Grabmale^ möglicherweise noch aus republicanischer Zeit,
jedenfalls eine künsthche ist, die Vermuthung am entsprechendsten erscheint, sie sei
durch eine Schuttaufhäufung nach dem neronischen Brande wenigstens begründet wor-
den. Denn Tacitus berichtet, dass Nero zur Ablegung des Schuttes die Sümpfe von Ostia
bestimmt habe und dass die Getreideschiffe ihn als Rückfracht dahin führen sollten.^ Der
Schutt musste daher jedenfalls an das Emporium geschafft werden, und wir wissen nicht,
ob die Verfrachtung wirklich zur Ausführung kam. Dass der Hügel aus Schutt und Scher-
ben bestehe, ist Thatsache, und daher rührt auch der Name , welcher wahrscheinlich an-
tiken Ursprunges ist, obwohl vor dem 8. Jahrhundert^ keine Erwähnung bekannt ist.
Neben diese Vermuthung mag als interessante Curiosität die Volkssage gestellt werdeö,
wonach der Berg aus den aufgehäuften Töpfen entstanden wäre, in welchen die unter-
worfenen Völker den Tribut nach Rom gebracht hätten ! *
129. Die Porta Aurelia (Pancraziana).
Auf dem jenseitigen Tiberufer bildet die aurelianische Mauerlinie nicht mehr die
Gränze des Stadtgebietes, welches (mit Ausnahme des südlichen Theiles, wo die moderne
* Eschinardo, Descriz. di Roma e dell' agro Romano. 1750. p. 441. Fabretti Inscr. No. 638 & 639.
Ann. \V. 43. ^ Eine Inschrift im Chalcidicum von S. Maria in Cosmedin aus dem 8. Jahrhundert nennt Weinberg
auf dem »Testacius«. * Nardini, Roma vet. VII. 9. (Graev. Th. A. R. (om. IV. p. 1401.)
Tacit.
;e
544 Die aurelianische Mauer.
Stadt etwas weiter zurücktrat) den laniculus und Vaticanus umschliessend nach der
Abgrenzung und neuen Ummauerung unter Urban VIII. sich bedeutend weiter aus-
gedehnt hat. Die dadurch unnütz gemachten aurehanischen Mauern sind desshalb
grösstentheils verschwunden, doch lässt sich ihre Richtung nach den einzelnen in den
Weingärten befindHchen oder zu modernen Gebäuden benutzten Resten noch verfolgen.
Das südlichste 'Thor des jenseitigen Ufers befand sich bis zum siebzehnten
Jahrhundert etwas über 500 M. (nach Nolli's Plan) weiter südlich als die jetzige von
Urban VIII. im J. 1644 neu erbaute und von Innocenz X. restaurirte Porta Portese.
Sie trug, wie die jetzige von der nach Portus führenden Strasse Portuensis genannt,
dieselbe Inschrift wie Porta S. Lorenzo und Maggiore,^ und war, wie es scheint, noch
wohlerhalten, als die neuen Befestigungen Urbans ihren Untergang zu fordern schienen.
Auch von dem nächsten aurelianischen Thore, Porta Aurelia (vetus), dem Aus-
gangspunkte der an der Küste des tyrrhenischen Meeres bis Ligurien führenden Via
Aurelia, schon zu Procops Zeit wie noch jetzt von der ausserhalb liegenden Kirche
des h. Pancratius Pancratiana genannt,^ doch noch im 9. und 12. Jahrhundert^ unter
seinem alten Namen erscheinend, hat sich zwar ebenfalls keine Spur erhalten, doch
befindet sich das neue Thor noch an der Stelle des alten. Nachdem schon Urban VIII.
es ähnlich der Porta Portese ganz umgebaut hatte, litt es im J. 1849 bei der Er-
stürmung durch den französischen General Oudinot wieder so bedeutend, dass Pius IX.
es ganz neu herzustellen beschloss, was im J. 1857 zur Ausführung kam. Zu beiden
Seiten sieht man noch Reste der divergirenden Linien der aurelianischen Mauer.
130. Die Porta Septimiana.
So wie sich Aurelian öfters verschiedener in der Mauerlinie liegender Denk-
mäler für dieselbe bediente, so scheint er auch einen schon vorher bestehenden Ein-
gang in eine Anlage des Septimius Severus (Bäder?) zu einem Thore benutzt zu haben,
welcher auch daher den Namen Porta Septimiana erhielt. Leider wurde auch dieses
Thor wie die übrigen transtiberinischen, nachdem es schon vorher arg geHtten hatte,
unter Alexander VI. niedergerissen, und wir wissen nur, dass es eine Inschrift des
Septimius getragen hatte,'* und dass jenes schlichte von demselben Papste ' erbaute
Thor, welches, den Eingang zur Via della Longara bildend, noch besteht, an der
Stelle des alten erbaut wurde, wie auch noch der alte Name daran haftet. Das Thor
' Grut. Iiiscr. p. CLXV. No. 1. * de bell. Goth. 1. 18. 23. » Anonym. Einsiedl. (Arch. f. Philol.
Suppl. V. S. 4 38.) Lib. de Mirab. U. R. (Montf. Diar. Ital. p. 283.) * A. Fulvii, Antiq. U. R. 1527. fol. XI.
L. Fauno, Antichitä di Roma. Ven. 154 8. fol. 25.
Die Porta Septimiana. 545
wird von Spartian ausdrücklich und in einer Weise erwähnt, als ob jenes Thor,
welches ja in Septimius Severus' Zeit noch nicht zur Stadtmauer gehört haben konnte,
ursprünglich mit einer Bäderanlage in Verbindung gestanden wäre^
Von hier aus lief die Mauer an den Fluss, welchen sie oberhalb Ponte Sisto,
nicht an demselben erreichte, wie diess Verfasser gegen Becker' schon früher
behauptet hat, und wie es neuestens von Jordan gerade aus Becker's hauptsäch-
lichstem Beweismittel^ unwiderleglich gezeigt worden ist*. Dem transtiberinischen
Endpunkte gegenüber begann dann die Mauer wieder am linken Ufer so dass an
beiden Seiten des Flusses die zwischen dem Emporium und der Farnesina liegenden
Uferstrassen ohne Mauerschutz blieben. Dieser konnte aber in Belagerungsfällen
durch Ketten ersetzt werden, die man unten und oben von einem Ufer zum andern
spannte. Von Palazzo Farnese an zog sich dann die Mauer, durch 2 Pförtchen ' die
Verbindung mit den Brücken unterhaltend, stromaufwärts bis zur älischen Brücke,
wo sich ein Thor befand, Porta Aurelia (nova?) oder Porta S. Petri, welches, wie
die ganze letzterwähnte Mauerstrasse, jetzt spurlos verschwunden ist. Hier finden
sich nun fast unüberwindliche Schwierigkeiten, welche hauptsächlich Procops Un-
klarheit herbeigeführt hat. Im Gegensatze gegen die früher auch von uns ange-
nommene Erklärung, dass es zwei Portae S. Petri gegeben haben müsse, nämlich
an den beiden Enden der älischen Brücke, suchte Jordan zu erweisen, dass nur an
eine, auf dem linken Ufer befindliche gedacht werden könne. Diese ist unzweifel-
haft durch die Einsiedler Mauerbeschreibung, welche einmal die Linie von Porta S.
Petri zur Porta Flaminia und dann die Mauerlinie vom Fluss (bei Ponte Sisto) nach
der Porta S. Petri giebt, was nach Analogie der Beschreibung von Porta Ostiensis
nach Porta Portuensis nicht in der Weise hätte geschehen können, wenn der Fluss
die Linie zerrissen hätte. Wie aber die Befestigung des Hadrianeum's angeordnet
war, die wohl ein ganz selbständiges Fort bildete, bleibt unklar. Denn wenn sie
sich an den Fluss angeschlossen hätte, so wäre entweder die Communication mit
dem Vatican über die Engelsbrücke ganz unterbrochen gewesen, oder es hätte noch
zweier Thore bedurft, eines am westlichen Brückenende und eines weiteren in
der südlichen Schenkelmauer. Die letzteren Annahmen werden durch die Wieder-
holung der ,, Porta S. Petri'' beim Anonymus wie durch die von demselben ,,in arcu
proximo ponte Petri" gelesene Bogen-Inschrift des Gratianus Valentinianus und
Honorius, welche den Bogen „ad concluderdum orane opus porticuum" (Halle nach
dem Vatican '') erbauten, die wahrscheinlicheren. Erhalten ist von den letztge-
1 Script. H. A. (Spartian.) Sept. Sev. c. 19. 2 Hdb. d. röm. A. I. S. 494. ^ Procop. de hello
Goth. I. ■ig. < Top. I. 374. »Anonym. Einsiedl. «Procop. de b. Goth. I. 22.
F. Keber, Rom. 69
g^ß Die Umgebung Rom's.
nannten Thoren und Bogen keine Spur mehr. Ebenso nichts mein- von der den
Fhiss entlang bis an den Punkt ziehenden Mauer, wo die von der Flaminia aus-
sehende Mauerlinie den Fluss berührt, mit Ausnahme der Ecke selbst.
xni. Die Umgebung Roms.
Wenn wir noch einen Blick auf die nächste Umgebung Roms werfen wollen,
so kann diess schon der Mauerumschliessung der nächsten Grundstücke wegen
nur unter Begehung der strahlenförmig von der Hauptstadt auseinanderzweigenden
Strassen geschehen, üebrigens drängen sich auch die meisten Ruinen der Um-
gebung an die Hauptwege, was in der angestrebten Zugänglichkeit der betreffenden
Bauwerke seinen nahe liegenden Grund hat. Die zahllosen Gräber aber, der Haupt-
theil aller Campagnaruinen , bildeten wenigstens seit dem Anfang der Kaiserzeit
einen weitreichenden Saum der Heerstrassen, wodurch gerade die römische Be-
stattungsart von dem altitalisch - etrurischen wie von dem modern europäischen
Nekropolensystem sich unterscheidet.
Die Strassennamen sind in der Regel mit den Thornamen der aurelianischen
Mauer, im Gegensatze zu den Thornamen des servischen Mauerringes identisch.
Diese aber sind gewöhnlich dem Ziele, wohin die Wege führen entlehnt. Die älteren
Strassen weichen davon ab: so die Salaria, welche als Salzstrasse keine geogra-
phische oder die Latina, welche nur eine allgemeine Bezeichnung erhalten hat, so
auch die ältesten Kunststrassen, die Appia, die Flaminia und Aurelia, welche
von den Erbauern den Namen haben. Keinem Strassennamen entspricht nur die
Porta Metro via, deren Bestimmung überhaupt ganz zweifelhaft ist.
Die Via Flaminia, mit welcher wir dem Rundgang um die aurelianische
Mauer entsprechend unsere Betrachtung beginnen scheint sich in gerader Linie von
der servischen Porta Ratumena nördlich vom Capitol nach der mulvischen Brücke
erstreckt zu haben, fiel demnach weder mit dem Corso noch mit dessen Verlängerung
ausserhalb der Porta del Popolo zusammen, sondern hef mit beiden parallel östlich
von denselben. Die Demolirungsarbeiten der beiden letztvergangnen Jahre an den
Bastionen der mittelalterlichen und seit Pius IV öfter restaurirten Porta del Popolo
haben ergeben*, dass die Ebnung des Platzes wie der Bau wirklich, wie schon
Flaminio Vacca^ angiebt, mit Zerstörung der benachbarten Grabdenkmäler verbunden
1 C. L. Visconti. Delle scoperte avvenute per la demolizione delle torri della porta Flaminia. Bull,
mun. 4 877 p. 181. 2 Memorie. No. 113 (Fea. Miscell.)
Die Umgebung Rom's. 547
war, zu welchen sowohl das am Abhang des Pincio bei S. Maria del Popolo gelegene
Domitiergrab in welchem Nero bestattet wurde als das Pyramidalgrab bei S. Maria
de' Miracoli gehörte. Die neue Strasse bis zum Ponte Molle bietet keine Antiken
dar; die Brücke selbst, in ihrer Anlage noch aus repubhcanischer Zeit stammend,
und in dem corrumpirten Namen Pons Mulvius auf einen unbekannten Erbauer
von G44 d. St. weisend ist jetzt grossentheils modern. Gleichwohl wird sie eine Reihe
von historischen Reminiscenzen wachrufen: so an die Gefangennehmung der in die
catilinarische Verschwörung verwickelten Allobroger, an die nächtlichen Ausschweif-
ungen Nero's, namentlich aber an den epochemachenden Sieg Gonstantins über
Maxentius. Unverändert erheben sich zur Linken die Zeugen jener Schlacht, die
benachbarte Höhe des Monte Mario über den majestätisch geschwungenen Bogen
des Tiber, sowie sie Raphael beim Entwurf seiner Constantinsschlacht vor Augen
waren. Unmittelbar nach dem Uebergang über die Brücke spaltet sich die Heer-
strasse. Die den Namen Flaminia tragende Hauptstrasse biegt rechts ab , wahr-
scheinlich bis Tor di Quinto nicht mehr die antike Linie verfolgend, welche sich in
der Ebene und näher am Fluss hält. Sie bietet nichts Wesentliches von Antiken
bis zur 7. Miglie, wo die Strasse das Tiberthal verlässt und durch einen tiefen
Einschnitt in die Felsen sich links wendet, und wo der Name des Fleckens Prima-
porta durch neue Funde erneute Bedeutung gewonnen hat^ nachdem schon bisher
die Saxa rubra wie die Gegend von Prima porta im Alterthum hiess, durch den Beginn
der Constantinschlacht historische Bedeutung besessen hatte. Die Locahtät liegt schon
ausserhalb des uns gesteckten Rayons, und wir müssen uns begnügen, die den
Triumphlorbeer spendende^ kaiserliche Villa nur zu erwähnen, welche Livia Au-
gusta unter dem Namen „ad gallinas" hier auf dem die Via Flaminia und Tiberina
trennenden Plateau angelegt hat^ und von welcher ausser Mosaiken, Büsten von
Sept. Severus und seiner Familie am 20. April i 863 die prächtige Statue des Au-
gustus ,,von Primaporta" jetzt im Vatikan, gefunden wurde, wie auch in demselben
Jahre die schöne als Laube ausgemalte Gartengrotte mit Tonnengewölbe, welche
für die ältere römische Wandmalerei von so grossem Interesse geworden ist.
Die jenseits Ponte molle in direkt nördlicher Linie von der Flaminia ab-
zweigende Strasse verfolgt in der Hauptsache die Richtung der alten Via Cassia
oder Clodia (?) welche über Veji nach Oberitalien führte. Das einzige namhaftere
antike Monument, welches dieser Weg darbietet, ist das Grabmal des Publius Vibius
Marianus und seiner Gemahlin Reginia Maxima, jenseits der Höhen von Monte Mario
1 G. Henzen c E. Brunn, Scavi de Prima porta. Bull. d. I. d. c. a. 1863 p. 71—78. 81—76. 2 pijn.
II. N. XV. 30. 40. 3Dio XLVIII. 52. Suet, Galba 1.
548 '^'^ Umgebung Rom's.
und der Brücke über den Fosso dell aqua traversa zwischen der 4. und 5. Miglie
liegend. Es befindet sich links von der modernen, rechts von der jetzt verlassenen
aber stellenweise noch durch die bekannte Polygonpflasterung kenntlichen antiken
Strasse, und besteht aus einem Marmor-Sarkophag, der auf einem hohen Unterbau
ruht und auf der von der modernen Strasse ab- und der antiken zugewandten
Seite die durch Inhalt wie Form auf den Anfang des 3. Jahrhunderts weisende
Inschrift trägt. Wir lernen durch dieselbe den Marianus als Gouverneur von Sar-
dinien, Tribunen der X. Cohors praetoria V. urbana, IV. vigilum, als Praefectus
der Leg. II. Italica u. s. w. kennen. Das bereits 1 1 Miglien von Porta Flaminia
entfernte Veji (Isola Farnese) entzieht sich unserer Betrachtung \
Der geschlossenen Porta Pinciana entspricht keine Strasse, sondern nur ein
kurzer Vignenweg, welcher bei der Villa Albani in die Via Salaria mündet.
Die Via Salaria, die alte Salzstrasse der Sabiner (vgl. S. 518 Anm. 5)
hält sich bis zum Flüsschen Rio Linguessa ziemlich nahe an das linke Tiberufer,
worauf sie sich durch das Sabinergebirge windet. Die unvergleichliche Villa Albani
zur Rechten von der Porta Salaria enthält jedoch mehr Antikes als die ganze Strasse.
Wenig mehr als zwei Miglien entfernt links von der Strasse auf der den Zusammen-
fluss von Anio (Teverone) und Tiber beherrschenden Anhöhe muss das uralte An-
temnä gesucht werden; erhalten hat sich nichts, denn die Reste von drei recht-
winkligen in Travertin gebauten Gräbein, welche sich ein Kilometer von der Anio-
brücke entfernt rechts von der Strasse befinden, stehen mit Autemnae, das in der
Kaiserzeit zu einem Landgute herabgesunken war^, in keinem Zusammenhang. —
Die Aniobrücke, welche bis in unser Jahrhundert noch theilweise auf Narses zurück-
ging und ähnlichen Charakters war wie Ponte Nomentano, Mammolo und Lucano
ist jetzt völlig neu. Jenseits der Brücke zeigt die malerische Osteria di Mentana
einen mittelalterlichen Thurm, der sich auf dem massiven Kern eines stattlichen
antiken Grabmales erhebt. Hier hatten sich die Gallier gelagert und hier jene
Niederlage erlitten, welcher Titus Manlius Torquatus seinen Ruhm verdankt. Etwas
über eine Miglie weiterhin muss das Landgut des Freigelassenen Phaon, das in der
Nähe des 4. Meilensteines zwischen der Via Salaria und Nomentana angegeben
wird^, angenommen werden, der Schauplatz des Todes Nero's. Erhalten ist davon
nichts mehr, und der Versuch die Sandgrube, welche Phaon seinem Herrn als
Schlupfwinkel darbot, mit einem hier vorkommenden Steinbruch, und die Pfütze aus
welcher der Verfolgte trank mit dem Lago di Serpentara zu identificiren, ist wohl
etwas gewagt. Nicht ohne Interesse ist dann die 5 Miglien von der Stadt anzu-
1 L. Canina, Descrizione della antica citta di Veii, Roma 1847. 2 strabo V. 3, 2. p. 230. 3 Sueton.
Nero 48.
Die Umgehung Rom's. 549
nehmende Stelle von Fidenä. Ob die Höhe von Castell Giubileo (eine Gründung
des Papstes Bonifacius VIII) Hnks von der Strasse, oder das Plateau rechts von
derselben, welches in den Felsschroffen noch schmucklose Grottengräber zeigt, für
die Stadt, aber ob die eine für die Stadt, die andere für die Nekropole zu halten
sei, ist nicht zu entscheiden. Wir verfolgen die Strasse nicht weiter, welche
auch von den schon im Sabinergebiet zu suchenden Städten Crustumeiium und
Eretum keine kenntlichen Reste mehr enthält.
Nicht mehr bietet die Via Nomentana dar, bis Ponte Lamentano jetzt
grösstentheils verlassen, indem die neue Strasse sich der Thorverlegung (Porta Pia)
entsprechend zumeist links von der alten Linie hält. Die Strasse berührt die
berühmten altchristlichen Cultstätten S. Agnese und besonders die übrigens jetzt mehr
abseits liegende Rotunde S. Costanza. Obwohl aus constantinischer Zeit stammend,
entzieht sich doch die kunstwissenschaftlich so wichtige Grabkapelle als christlich
hier der Betrachtung, und es muss genügen darauf hinzuweisen, dass zwar auch
hier an Basen und Capitälen die Spoliation vorhandener Bauten bereits ersichtlich
ist, dass aber wenigstens noch die Granitschäfte der Säulen für den vorliegenden
Zweck neu hergestellt worden sind, wie die Barbarei rechtwinkligen Anlaufs wie
Ablaufs an denselben zeigt, die keiner frühern Zeit zugemuthet werden könnte.
Ausser einem mit Pilastern geschmückten Backsteingrabmal in Heroonform beim 3.
Kilometerstein links etwas abseits von der Strasse finden sich keine nennenswerthen
Ruinen bis Ponte Lamentano, der in seiner ursprünglichen Anlage in die Zeiten
des Exarchats (Narses) fällt. Nahe daran sieht man noch zwei Grabmäler, das links-
seitige, einen Cylinderbau auf kubischer Basis darstellend, das rechtsseitige in seiner
ursprünglichen Gestalt nicht mehr erkennbar. Unter den Höhen links jenseits des
Anio mag man den Mons sacer suchen, bekannt durch die Secession der Plebs. Der
weitere Strassenlauf bietet nichts bemerkenswerthes, ob Nomentum von welchem
der alte Strassenname herrührt, das heutige Mentana, ist fraglich. Die Strasse zeigt
mehre Abzweigungen, eine westwärts gegen die Salaria, eine ostwärts nach Palombara.
Entspricht dem geschlossenen Thore südlich vom prätorianischen Lager,
(Porta Collatina) jetzt keine Strasse mehr, so bietet die nächstfolgende durch Porta
S. Lorenzo führende Hauptstrasse nächst der interessanten Doppelbasilika gl. Namens
das herrlichste Ziel der ganzen Umgebung, welches auch der Strasse (Via Tibur-
tina) den Namen gegeben hat. Der Anfang der Strasse jedoch ist arm an Antiken.
Die Strasse selbst, sich meistens rechts von der alten haltend, zeigt wohl jenseits
der Basilica gelegentlich den unscheinbaren Kern aus Gussmasse von einem sehr
zerstörten Grabmal aber sonst kaum eine antike Spur. Auch der einfache Ponte
Mammolo (unbekannter Entstehung und Benennung) ist ohne wesentliches Interesse.
550 Piß Umgebung Rom's.
Etwas abseits von der Strasse rechts, zu erreichen wenn man von der Brücke dein
Anio entlang flussaufwärts geht, findet man zwischen den Tenuten Cervara und
Gervaretto noch antike Tufbrüche von nicht geringer Bedeutung. Sie sind theils
in beträchthcher Tiefe abgebaut, theils aus labyrinthischen Schachten und ganzen
Sälen, für deren Decke man einzelne Pfeiler in grosser Regelmässigkeit stehen
Hess, bestehend. Ein künstlicher Thaleinschnitt bildet eine Bahn nach dem nahen
Anio, auf dem man das gewonnene Baumaterial nach Rom tlösste. Es sind viel-
leicht dieselben Steinbrüche, deren Strabo ^ neben den tiburtinischen erwähnt, und
dabei berichtet, dass man hier den gabinischen Stein, der auch der rothe heisse,
gebrochen habe.
Der Porta Maggiore entsprechen, wie schon bei Behandlung dieses stattlichen
Denkmales erörtert worden ist, zwei Strassen, welche innerhalb sich trennend, ihre
divergirende Richtung hauptsächlich in der Gestalt des Eurysacesdenkmals zeigen,
die Via Praenestina und Labicana. Jetzt spalten sie sich erst weiter ausser- j
halb; überdiess ist auch die alte Praenestina jetzt zu einem Nebenweg herabge-
sunken, da nun die alte Labicana durch eine Abzweigung bei Torrenuova nach links
zur Praenestina gemacht worden ist.
Verfolgen wir die alte Via Praenestina, deren Linie jedoch von dem
zwischen Vignenmauern hinführenden modernen Wege nicht mehr genau eingehalten
wird, so erreichen wir 2! Miglien vom Thor bei dem sog. Tor de' Schiavi Ruinen,
welche zu beiden Seiten der Strasse verschiedene Säle und, Gemächer erkennen
lassen, und unter dem sinnlosen Namen Roma vecchia bekannt sind. Sie gehören
wahrscheinlich zu der von Gapitolinus gepriesenen Villa, die Gordian IIL an der Via
Praenestina erbaute, welcher Annahme die vor 20 Jahren hier ausgegrabenen Musiv-
böden wie die Arbeit der Ziegelmauern nicht widersprechen. In der That gemah-
nen die zwei achteckigen Saalbauten, von welchen einer noch Spuren seiner reichen
Stuccatur enthält und der tempelartige Rundbau an die überschwengliche Beschrei-
bung des Kaisergeschichtsschreibers ^, welcher ausser vier Basiliken daselbst Thermen
erwähnt, „wie man sie ausser in Rom nirgends in der Welt findet."
Ausserhalb dieser Ruinen führt eine Strassenabzweigung zur Via Collatina.
Zahlreiche Grabmälerreste und Villenruinen sind hier herum verstreut, von welchen
als namhaftester Ueberrest ein Backsteinheroon bei der Tenuta Casarossa, etwa 1 Mgl.
von Tor de' Schiavi entfernt, seiner schönen und exact gearbeiteten Details wegen
hervorzuheben ist. Die Via Collatina selbst hält sich nun nahe an die Leitung der
Aqua Virgo, zu deren schon von Frontin am 8. Meilensteine der Via Collatina ange-
IV. p. 164. »Script. II. A. (Gapitolinus) Gord. III. 32.
Die Umgebung Rom's. 551
gebenen Queilfassung man in der angegebenen Entfernung links von der Strasse
gelangt. Das ursprüngliche Ziel der Strasse, Gollatia, 1 1 Mgl. von Rom, liegt zvs^ar
schon ausserhalb des uns gesteckten Ziels , doch darf bemerkt werden , dass man
sich in der Bestimmung dieser durch die Begebenheit mit Lucretia denkwürdigen
Stadt mit J. H. Westphal und P. Rosa, welche sie auf der Höhe der Tenuta Lung-
hezza suchen , gegen W. Gell und A. Nibby entscheiden muss, welche sie fast vier
Miglien südöstlich davon an der Stelle von Castel dell' Osa annehmen. Die Thor-
wege an dem für eine solche Annahme ganz passenden Hügel sind noch kenntlich,
von Mauern oder anderen Ruinen ist keine Spur mehr übrig. Die Via Praenestina,
die wir 3 Mgl. von Rom, der Collatina uns zuwendend verlassen, bietet bis zu dem
8 Mgl. von Rom befindlichen antiken Viaduct (Ponte di Nono) wenig. Er hat eine
Gesammtlänge von 95 Met. und wird von 7 Bogen, deien mittelster fast 15 Met.
hoch ist, gebildet. Die Tuf- und Paperinblöcke des stattlichen Baues erreichen eine
Länge bis über 3 Meter, eine Mächtigkeit, welche die vortreffliche Gonservirung
des Ganzen — selbst das antike Polygonpflaster ist noch erhalten — leicht erklärt.
Fällt indess schon dieses Denkmal eigentlich ausserhalb unseres Bereichs, so noch
mehr die drei Miglien weiterhin gelegene Stelle von Gabii, welche bei der mittel-
alterlichen Ruine Gastiglione und dem Lago di Pantano (Lacus Gabinus) durch die
antiken Entfernungsangaben wie durch die Funde von 1792 gesichert scheint. Die
weite Strecke bis an das Ziel der Strasse, dem herrlichen und antikenreichen
Palestrina (Praeneste), bietet dem Antiquar kein weiteres Interesse.
Jetzt führt nach Präneste eine andere im entsprechenden Stand gehaltene
Strasse, während die alte Pränestina den Charakter einer Hauptstrasse verloren hat,
nämlich die alte Via Labicana. Der namhafteste Antikenrest ist die unter dem
Namen Tor Pignattara bekannte Ruine, zwei Miglien vor Porta Maggiore. Sie ge-
hörte einem grossen Backsteinrundbau an, dessen Ziegelarbeit auf die constantinische
Zeit weist. In den erhaltenen Gewölberesten erkennt man noch das in der spätem
Kaiserzeit eingeführte Verfahren der Entlastung der Gewölbe durch Einsetzung von
ganzen Geschirren und von Terracottascherben, wie es sich auch in den muthmasslich
gordianischen Bauten von Tor degli Schiavi, am Circus des Maxentius, im Gewölbe
des Janus Quadrifrons und am entwickeltsten in S. Vitale zu Ravenna findet. ^ Die
Tradition, welche den Porphyrsarkophag, der im i 2. Jahrhundert durch Papst Anas-
tasius IV. oder Hadrian IV. von hier nach dem Lateran (jetzt im vatican. Museum)
gebracht worden war, der h. Helena zuschreibt, scheint durch Angaben des Liber
Pontificahs, die jedoch an einer Stelle von einer Basilica des Petrus und Marcellinus
1 R. Bergau, Su vasi fittili usati per la costrazione delle volte. Ann. d. J. d. c. a. 1867. p. 405—408.
552 "'6 Umgebung Rom's.
neben dem Mausoleum und an einer anderen von dem Coeraeterium dieser beiden
Heiligen neben der Basilica der h. Helena spricht ' , einige Begründung zu erhalten,
da in der That die genannte Basilica unmittelbar an die Ruine stösst. Andere
Nachrichten freilich lassen die h. Helena in Palästina gestorben und in Gonstantinopel
begraben sein. ^ Der weitere Strassenlauf bis zu der 1 5 Mgl. von Rom liegenden
Stelle des antiken Labicum (vielleicht Golonna) bietet ausser sehr zerstörten Gräber-
resten nichts Bemerkenswerthes.
Ausser der Via Labicana führten im Alterthum nach dem Albanergebirge und
dem Südosten noch zwei andere hochwichtige Strassen, die jetzt, wie die beiden
sie entlassenden gleichnamigen Thore, ihre Verkehrsbedeutung ganz oder gröss-
tentheils verloren haben, nämlich die Via Latina und dieViaAppia. Ihre Stelle
haben seit Langem die Strada di Frascati und die Strada Nazionale ad Albano (Via
Appia nuova) eingenommen, beide an der Porta S. Giovanni beginnend, die wir
als die moderne Stellvertreterin der vorher unwichtigen und nur eine Zweigstrasse
nach der Via Latina vermittelnden Porta Asinaria bei Beschreibung der Thore (S, 536)
kennen gelernt haben. Seit Eröffnung der Eisenbahnen nach dem Süden haben
auch diese Strassen den grössten Theil ihrer Bedeutung eingebüsst und dienen im
Wesentlichen nur mehr dem Campagnaverkehr.
Die Strada di Frascati bietet an Antiken wenig Bemerkenswerthes. Nach-
dem sie zwei Miglien von Porta S. Giovanni in der sog. Porta Furba den, Aquäduct
der Aqua Feiice (vielleicht Alexandrina) duichschnitten, erregt zur Linken ein Tu-
mulusgrab (Monte del Grano genannt) einige Aufmerksamkeit, doch ist der Name
des Alexander Severus dafür aus der Luft gegriffen. Das Denkmal lieferte 1 599 den
schönen Sarkophag mit Scenen aus der Iliade (capitol. Museum). Weiterhin erkennt
man noch zwischen der modernen Strasse und der Via Latina Wasserleitungscastelle
und endlich, etwa 5 Mgl. von der Stadt, zur Rechten die ungemein malerischen
Backsteinruinen der sog. Sette Bassi, von den einen dem in der Vita Silvestri er-
wähnten Fundus Bassi, von den anderen dem Suburbanum Hadriani zugeschrieben,
womit jedoch die sicher späteren Ruinen keinen Zusammenhang haben können.
Die Strada nazionale ad Albano hat ihre für den Antiquar interessanteste
Stelle da, wo sie die alte Via Latina durchschneidet, was genau 2 Miglien von
der Stadt geschieht. Hier tritt eine grosse Strecke des antiken Polygonpflasters zu Tage,
zu beiden Seiten aber wohlerhaltene and durch moderne Ueberbauung geschützte
Gräber mit Malereien und ausergewöhnlich feinen Sculpturen, von welchen die her-
1 Vit. S. Silvest. S. Hadr. p. 17. u. HO, Paris 1769. 2 Eusebius, Vit. Constant. III. 45 sq. Socrates,
Hist. Eccl. T. 13.
Die Umgebung Rom's. 553
voiragendsten eine besondere Publication gefunden haben. ^ Daneben wurde eine
in ihrer obern Hälfte zerstörte alte Basilica aufgedeckt, welche der altchristlichen
Archäologie nicht geringen Vorschub geleistet hat. Der weitere ziemlich geradlinige
Strassenlauf der Latina, der jedoch, wie stadteinwärts nach der jetzt verschlossenen
P. Latina, so auch gegen die Campagna seinen Verkehrscharakter längst eingebüsst,
reizt zur Verfolgung wegen der Durchschneidung oder unmittelbaren Annäherung von
imposanten Aquäducten, der Aqua Marcia, der Aqua Alexandrina (Feiice) und der
Aqua Claudia. Sonst bietet die Strasse bis an ihre Einmündung in die von der Strada
di Frascati abzweigende Strada di Grottaferrata nichts Wesentliches. Das antike Tus-
culum entzieht sich durch seine Entfernung unserer Betrachtung.
Wir gelangen nun zur Via Appia, der „Regina viarum" wie sie Statius ^
mit Recht nennt. Als die älteste römische Kunststrasse 442 d. St.. (312 v. Chr.)
von dem Censor Appius Claudius Caecus angelegt, doch erst 469 d. St. von Rom bis
Bovillae gepflastert, wurde sie in einer Erstreckung von 1 3 Miglien von der ersten
Miglie vor Rom an in gerader Linie grösstentheils auf eine vom Albanergebirge
kommende Lavazunge gebaut, und musste ihrer Richtung wie Ausführung wegen
von jeher als die bedeutendste Strasse gegen Süden, wie die Flaminia gegen Norden,
erscheinen. Ihr lebhafter Verkehr machte sie besonders zur Anlage von Grabdenk-
mälern beliebt, die sich ununterbrochen von Rom bis Albanum erstreckten und die
Nekropole des caesarischen Rom in der Hauptsache bildeten. Seit der Anlage der
Porta S. Giovanni und der Via Appia nuova wurde sie wenigstens von S. Sebastiano
aus ganz verlassen. Diess trug nicht wenig zur Erhaltung der Denkmäler bei, und
es konnte nicht fehlen, dass bei der lebhaften Wiederaufnahme antiquarischer Aus-
grabungen um die Mitte dieses Jahrhunderts die Aufmerksamkeit auch auf die herrliche
Gräberstrasse gelenkt wurde. Auf Befehl des Papstes Pius IX. kam denn auch
1850 — 1853 die ganze Strassenlinie von dem Denkmal der Caecilia Metella bis
Bovillae unter Leitung von L. Ganina und P. Rosa zur Aufdeckung ^ Zur Fahrstrasse
ist indess die Appia dadurch nicht geworden, indem diese Absicht einerseits durch
die häufig fehlenden, häufig schadhaften und unebenen Polygone des antiken Pflasters,
anderseits aber durch die Herstellung der Eisenbahn nach Albano und dem Süden
vereitelt wurde.
Der Anfang der Strasse , wie allerwärts zwischen Vignenmauern sich hin-
windend, bietet dem Besucher wenig. Von rein antiquarischem und topographischem
Interesse ist die dem Thore ganz nahe Stelle des ersten Meilensteins (von Porta Capena
1 E. Petersen, Scpolcro scoperto sulla via Latina. Ann. d. I. d. c. a. 1860 p. 348 fg. Mon. d. I. vol. VI.
tav. XLIII. XLIV. 2 silv. H. 2. v. 42. ^ l. Canina, La prima parte della via Appia dalla porta Capena
a Bovillae, Roma 1853.
F. Reber, Rom. 70
554 D'® Umgebung Rom's.
an gerechnet), wie die des clivus und templum Martis. Da wo die Strasse sich in
das Thal des Almo (Aquataccio) senkt, beginnen die abgepliinderten Reste bedeu-
tender Grabdenkmäler, zunächst mit dem links jenseits der Almobrücke liegenden
cubischen Kern, welcher ohne genügenden Grund dem Geta zugeschrieben worden
ist, dann näher an der Kirche Domine quo vadis mit dem rechts von der Strasse
liegenden Grabmal der Priscilla\ einem mausoleumartigen Bau mit Aussennischen
nach Art des Augustusgrabes. Doch ist erst, ein Columbarium etwa eine Miglie
vom Thore links, aus drei tonnengewölbten Kammern bestehend, und nach dem
inschriftlichen Funde Mausoleum der Liberten des Augustus genannt, jetzt als Unterbau
und Keller des Hauses der Vigna Vagnolini dienend, durch seine Erhaltung von
höherem Interesse. Die in der nebenanliegenden Vigne schon zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts gefundene Begräbnissstätte der Freigelassenen und Sclaven der
Livia Augusta ist jetzt beinahe vollständig zerstört. Nach mehren anderen dürftigen
Resten von Columbarien und Einzelgräbern, welche grossentheils ihre Entdeckung
wie Zerstörung dem vorigen Jahrhundert verdanken, wie nachdem man die be-
rühmtesten christlichen (Calixtus) wie jüdischen (Vigna Rondanini) Katakomben ge-
würdigt, gelangt man unmittelbar nach der rechts liegenden Basilica S. Sebastiano
an einen wohlerhaltenen und ausgedehnten Ruinencomplex, von welchem ein
ziehmlich nahe links an der Strasse hegender Rundtempel innerhalb eines Arkaden-
hofes, ein Circus und eine Villenanlage zu unterscheiden sind. Der in seinen Haupt-
theilen erhaltene Rundterhpel zeigt noch die Spuren einer vorgesetzten Porticus und
damit grosse Aehnlichkeit mit dem Pantheon, welches er jedoch an Dimensionen
bei einem äussern Rotundendurchmesser von 35 M. nicht erreicht. Auch die Gon-
struction des Innern mit vier halbkreisförmigen und vier rechtwinkligen Nischen,
von welchen letzteren eine als Eingang durchbrochen ist, gemahnt in vereinfachter
Form an jenes Vorbild, von welchem sich der Bau sonst dadurch unterscheidet, dass
er auf eine halbunterirdische Cryptensubstruction gehoben ist. Der über 1 00 Met.
in der Fronte und 120 M. in der Länge messende Umfriedungsbau stellte einst
einen kreuzgewölbten Pfeilerarkadengang dar, wie die erhaltenen pilastrirten Pfeiler
sicher erkennen lassen. Ueber die Bestimmung der Rotunde liegt nichts Sicheres vor,
die Wahrscheinlichkeit spricht für ein Heroen-Grab der letzteren Zeit, kaum von
demselben angelegt, welcher den nebenanliegenden Circus erbaut, da die Construc-
tion eine etwas ältere Epoche zu verrathen scheint. Der Circus dagegen, dem
Thaleinschnitte folgend, in schräger Stellung gegen die Strasse und das Heroon an-
gelegt, ist hinsichtlich seiner Herkunft wie Bestimmung gesichert. Was die letztere
^ Stat. Silv. V. 1. V. 221 sq. Amaduzzi, Anecdota litteraria I. p. 477.
Die Umgebung Rom's. 555
betrifft, so ist gerade diese Ruine der erhaltenste aller Circusreste der römischen
Welt und darum nicht bloss als Rennbahn unzweifelhaft, sondern hinsichtlich deren
Einrichtung mit Spina und Meten, mit Garceres und Seitenthürmen, mit Zuschauer-
räumen und kaiserlichem Pulvinar vielfach belehrend. Die richtige Bestimmung
wurde erst 1 825 , nachdem man die Ruine vorher dem Caracalla zugeschrieben,
durch den Fund einer Inschrift in derselben ermöglicht, welche dem verstorbenen
Romulus, Maxentius' Sohn gewidmet ist und im Zusammenhalt mit einer Notiz, wo-
nach Maxentius einen Circus ,,ad catacumbas" erbaute \ jeden Zweifel beseitigt "^
Minder gewiss ist die Zugehörigkeit der die Heroonumfriedung wie den Circus
berührenden Villa, welche dem Maxentius schon deshalb kaum zugeschrieben werden
kann, weil dessen Villa beim 6. Meilensteine der Via Labicana erwähnt wird (Äurel.
Victor) und weil überdiess die Construction und das Material der vorliegenden Ruine
wie bei der Rotunde auf eine etwas frühere Zeit hinweisen. Der Plan der Peristyle
und Gemächer lässt sich noch theilweise erkennen.
Der beschriebene Circus wie die anstossende Villa gränzen rückseits an
eine Höhe, welche von der ehemaligen Kirche S. Urbano den Namen und in der
letzteren ein Heroon aus der Kaiserzeit trägt, das besondere Beachtung verdient.
Es ist ein durch moderne Streben und Zwischenwände sehr verunstalteter korinthi-
scher viersäuliger Prostylos mit einer attikenartigen Ueberhöhung, deren Gesimse,
eine ziemlich späte Bauperiode verrathend, in Backstein hergestellt sind. Das Innere
zeigte einen noch zu Anfang dieses Jahrhunderts^ wohlerhaltenen, tonnengewölbten
Saal mit schönen Trophäen in Längsreliefs und Cassetten, und am Gewölbe mit
eleganter Blendengliederung an den Wänden geschmückt. Die ursprüngliche Be-
stimmung ist unbekannt, doch als Heroon-Grab unzweifelhaft. Im 9. Jahrhundert
wurdö das Gebäude dem H. Urban geweiht, jetzt dient es als bettelhafte Osteria.
Verglichen mit dem Zustande vor 20 Jahren fand es Verfasser bei seinem letzten
Besuche (1876) in so trostlosem Verfall, dass die Aufmerksamkeit massgebender
Kreise dringendst geboten erscheint.
Steigt man von hier in das Thal von Caffarella hinab, so gelangt man zur
Rechten unmittelbar an eine höchst malerische Ruine, die sich unter dem falschen
Namen der Grotte der Egeria längst einer besonderen Popularität erfreut. Es
besteht, abgesehen von einer mehr zerslöiten breiteren Vorhalle, aus einem an den
Hügelabhang gelehnten tonnengewöibten Raum mit je drei Statuennischen in den
Längsseiten und einer Hauptnische im Fond. Der frische, noch immer reichliche
» Catal. Imp. Vicnn. (Rone. Vct. Lat. Script. Chron. tom II. col. 248. 2 a. Nibby, del Circo volgar-
mentc dotto di Car.iculla, Roma 1825. Die Insclirift nach Abschrift von Kollcrniann bei Boriiliosi Opere III. 156.
3 E. Q. Visconti, dichiarazione dcl Tenipio dell Onoro c della Virtü Opp. ed. Labus Mil. 1829. Vol. II. p. 387.
70*
556 ^'^ Umgebung Rom's.
Brunnen im Hintergrunde, bei welchem noch auf ihrem ursprünglichen Platze die
verstümmelte Quellgottheit der Grotte ruht, lässt den Raum leicht als ein Nymphäum
erkennen und macht es zu einem kühlen Ruheplätzchen irgend eines Suburbanum
dieser Gegend. Das unter dem Verputz zum Vorschein kommende opus reticulatum
lässt an eine Entstehungszeit vor Hadrian denken.
Unfern davon befindet sich in Mitte des genannten Thaies ein dem beschrie-
benen von S. Urbano in Art und Bestimmung verwandtes Gebäude, das jedoch
ungleich zierlicher ist als jenes und in der unzweifelhaft besseren Herstellung auch
eine bessere Bauepoche verräth. Es ist (vielleicht mit Ausschluss der jetzt fehlendei;!
Säulen des tetrastylen Pronaos) ganz in Backstein hergestellt, der an den Wänden
und Mäanderfriesen gelb, an den korinthischen Pilastern und Gebälken roth gebrannt
erscheint. Der cryptaartige Unterbau erinnert an den Rundtempel beim Circus des
Maxentius, wie an mehre andere tempelartige Gräber der äusseren Via Appia.
Die 7 kleinen schön umrahmten Fenster über dem Mäanderfries zwischen den Pi-
lastern machen den Innenraum der gewölbten Cella hell und freundlich und wohl
zum Todtenkult, nicht aber zur Beisetzung des Leichnams geeignet. Der hübsche
Bau, bisher zu wenig beachtet, hat neuerlich eine gediegene Beschreibung mit
Restaurationsversuch erhalten ' .
Von dem obenbeschriebenen Complex mit dem Circus des Maxentius führen
wenige Schritte zu dem Rande des Lavastromes empor, welchen von nun an bis
nahe an Bovillae die Via Appia verfolgt. Ein wegen Lage und Dimensionen weithin
sichtbares Grabdenkmal, das grösste und erhaltenste der ganzen Strasse, das der
beifolgende von der Seite des Maxentiuscircus her aufgenommene Buntdruck zeigt,
bekrönt den Höhenrand. Es erhebt sich als ein mächtiger Cylinder von 28 Met. im
Dchm. auf einem fast 30 Met. in Länge und Breite messenden jetzt der einstigen Bekleidung
beraubten Würfel, und wird von einem Bucranienfriese (Stierschädel mit Festons)
und einem massig ausladenden Kranzgesimse oben abgeschlossen. Die ohne Zweifel
ursprünglich kegelförmige Bedachung ist verschwunden und dafür dem Gesimse ein
roher mittelalterhcher Zinnenbau aufgesetzt, wohl von den Caetani herrührend,
denen auch die angebaute Befestigung ihre Entstehung verdankt.
Der grösstentheils massive Bau enthält im Innern ausser fünf im Substruc-
tionswürfel angebrachten einst unzugänglichen Gewölben einen konischen Mittelraum,
in welchem der prachtvolle Marmorsarkophag der hier Bestatteten gefunden wurde.
Ueber den Namen dieser kann kein Zweifel sein, denn noch befindet sich an der
Seite der Via Appia oben am Cylinder eine Tafel mit der einfachen Inschrift:
* Henn. Stiller, aus der Campagna von Rom. Lützow Ztschr. f. b. K. 1878. S. i\3.
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TD
E
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Co
Die Umgebung Rom's. 557
CAECILIAE I Q CRETICI F I METELLAE CRASSI
d. h. der Gaecilia Metella, des Q. Metellus Creticus Tochter, Gemahlin des Grassus.
Ueber der Inschrift sind Trophäen angebracht, an welche sich der Bucranienfries
anschhesst, der seinerseits dem Denkmal wie der Umgegend den Vulgärnamen
Capo di Bove gab.
Von der Höhe des Grabmals der Caecilia Metella beginnt die ununterbrochene
Reihe von Grabmälern, welche zwischen 1850 — 1853 biosgelegt und untersucht
worden sind. Sie erscheinen jetzt zumeist schmuckentblösst, verrathen aber häufig
durch die Gestalt ihres massiven Kernes, wie durch einzelne erhaltene Verkleidungs-
fragmente, die sich noch an Ort und Stelle oder in unmittelbarer Nähe gefunden haben,
ihie ursprüngliche Gestalt. Die grosse Mehrzahl ist cubisch, so dass ein cellen-
artiger Würfel oder mehre derselben in sich verjüngenden Wiederholungen auf ein
mehrfach abgestuftes Basament gesetzt, mit Pilastern oder Halbsäulen geschmückt,
mit reichen Gesimsen umzogen und entweder giebelförmig oder pyramidal abge-
schlossen sind. Zwischen die grössern der Art setzten sich kleinere Denkmäler glei-
cher Construction. Daneben kommen auch heroonartige Grabdenkmäler vor von
der Weise der Ruinen von S. Urbano wie vom Thale Caffarella, und in Backstein
ausgeführt.
Imposanter als diese erscheinen die Tumulusgräber , welche z. Th. ihren
altitalischen Charakter mehr erhalten haben als die bekannten der Caecilia Me-
tella, der Plautier bei Tivoh und selbst des Hadrian (Engelsburg) d. h. in einer
dem Augustusmausoleum verwandten Art auf niedrigerem Cylinder die kegelförmige
Grabhügelbildung noch jetzt in der erhaltenen Erdaufschüttung erkennen lassen, wie
diess die Berichte von dem Augustusmausoleum geben. So der Tumulus unmittelbar
neben dem antiken 5. Meilenstein an der rechten Strassenseite , die zwei neben-
einanderliegenden Tumuli 250 Met. weiter an derselben Strassenseite der Villa der
Quintilier gegenüber, welche sogar noch Reste ihres Cylindergesimses zeigen, ein
gleiches 150 Met. ausserhalb des 8. Meilensteins an derselben Seite, und endhch
die zwei mächtigen Tumulusreste zwischen dem 9. und 1 0. wie zwischen dem 1 0.
und 1 1 . Meilenstein links von der Strasse, von welchen der erste in seiner quadrati-
schen Substruction eine Axe von fast 40, der zweite einen Cylinderdurchmesser von
mehr als 20 Met. erreicht.
Andere Rundgräber zeigen mehr Verwandtschaft mit der obenberührten
Gruppe der Hadrian-Metella- und Plautier-Grabmale. So das mächtige links von
der Strasse in der Nähe des G. Meilensteins befindliche unter dem Namen Casal
tondo bekannte, das auf seiner Platform Raum für ein modernes Haus mit kleinem
Olivengarten darbot und einen Cylinderdurchmesser von fast 36 Met. zeigt, nach
558 Die Umgehung Rom's.
aufgefundenem Inschiiftfragnient einem Colta angehörig; ein etwas kleineres auf
derselben Seite zwischen dem 6. und 7. Meilenstein befindhches von etwas ge-
ringerem Durchmesser (23 im Substructionswürfel. 1 9 im Cylinder) jetzt nach dem
daraufgebauten mittelalterhchen Thurm Torre Selce genannt, und endlich das einst
prächtige dem GalHenus zugeschriebene rechts von der Strasse, kurz vor dem 9. Meilen-
steine. Einige andere dann zeigen den Charakter von Rundtempeln. So zunächst der
durch drei Apsiden der Rundform genäherte einst mit Pronaos versehene Bau beim 4.
Meilensteins links, wohl ohne ausreichenden Grund von Ganina als Zeustempel erklärt,
der Rundbau kurz vor der 5. Miglie mit Resten eines Portales und der Rundbau
hnks zwischen dem 8. und 9. Meilenstein, jetzt unter dem Namen Torraccio bekannt.
Leider sind gerade die hervorragenderen Monumente namenlos, oder in
Bezug auf ihre Bezeichnung unsicher. So ist die Wahl unter jenen Persönlichkeiten
schwer, welche den Beinamen Cotta trugen; wenn Valerius Messalinus Gotta ge-
sichert wäre, so würde das Monument in die erste Kaiserzeit gehören. Auch die
Benennung des Gallienus-Mausoleum beruht lediglich auf der Notiz des Aurelius
Victor (Ep. XL.), dass dessen Grab sich an der Appia 9 Meilen von der Stadt ent-
fernt befunden habe. Weit mehr inschriftliches Material hat sich an den kleinen
und kleinsten Gräbern erhalten, doch ist diess selbstverständlich zwar von nicht ge-
ringem archäologischen aber von keinem historischen Interesse. Von den an der
Appia in classischen oder frühmittelalterlichen Notizen genannten Tempeln ist keiner
mit Sicherheit nachzuweisen, weder der oben erwähnte Jupitertempel, von welchem
in den Acta martyrum die Rede, noch das Herculesheiligthum , das Martial
mehrfach erwähnt. Denn die Ruine ausserhalb des 8. Meilensteines rechts von der
Strasse ist als Tempel überhaupt ebenso unsicher, wie die Bezeichnung des
vor demselben liegen Peristyls als Atrium des Silvanus, da der Cippus mit
SILVANO SACRVM in jedem Privatatrium auf dem Lande eine passende Stelle
hätte. Dagegen ist eine grosse im Munde des Volkes Roma vecchia genannte Villen-
anlage, welche sich zwischen dem 5. u. 6. Meilensteine links von der Strasse hin-
zieht und welche ausser ausgedehnten Peristylen ein Stadium, Bäder und weit-
läufige Wohn- und Lusträume erkennen lässt, sicher bestimmt. Denn die Bleiröhren
der sie speisenden Leitung zeigten die Aufschrift QVINTILIORVM CONDINI ET.
MAXIM! somit die Namen jener beiden Brüder welche als zu hervorragend durch
strategische Tüchtigkeit undReichthum vonCommodus getödtet worden waren K Damit
stimmen auch die Backsteinstempel überein, welche insgesammt auf die Zeit der
Antoninen verweisen. Nachdem sich Gommodus in den so gewaltsam erledigten
' Dio Cass. LXXII. 5. Script H. A. (Lampiid) Gommod. 4.
Die Umgebung Rom's. 559
Besitz gesetzt, erweiterte er die Villa, in welcher die von Dio und Herodian geschil-
derten Scenen des Volksaufstandes gegen Commodus' Liebling Cleander^ spielten,
namentlich durch das ihm unentbehrliche Stadium wie für die Bedürfnisse seines Luxus
und Hofhaltes, wozu die Zweigleitung von der Julia und Tepula gehörte, von der noch
die Reste deutlich sichtbar sind. Es begreift sich leicht, dass diese Ruinen seit einem
Jahrhundert zahlreiche Ausbeute an Statuen und kostbarem Marmorschmuck ergeben
haben ; jetzt jedoch lässt die Abplünderung wenig Funde mehr hoffen.
Die von der Appia berührten Städte fallen bereits über die uns gesteckten
Gränzen. So das durch seinen wohlerhaltenen Circus interessante Bovillae, Albanum,
bei welchem die gerade Linie der Strasse durch das Terrain des Albanergebirges
kurze Zeit unterbrochen wird um jenseits vom Genzano abermals zu beginnen.
Wenn zwischen der Porta Appia und der Porta Ostiensis jemals ein drittes
Thor (Ardeatina) gewesen ist, so ist wenigstens ausserhalb keine Spur mehr von dem
ehemaligen Strassenzug erhalten. Ein Bedürfniss für diese Strasse konnte auch nicht
bestehen, da die von der Via Ostiensis unmittelbar ausserhalb S. Paul abzweigende
Ardeatina, welche zunächst die alte Abtei delle tre Fontane berührt, einerseits, und
eine Abzweigung von der Appia andrerseits so direkt als nur möglich und bei einem
durchschnittlichen Abstand von kaum 2 Miglien nach der ardeatinischen Küste führten.
Die beiden den Tiber begleitenden Strassen, die durch Porta S. Paolo aus-
mündende Via Ostiensis, wie die von der weiter stadteinwärts gelegten modernen
Porta Portese jenseits des Flusses auslaufende Via Portuensis bieten dem Ruinen-
besucher wenig. Die erstere hat bis an ihr Ziel überhaupt nur einen bemerkens-
werthen Punkt, nämlich die pi achtvolle leider so viel wie völlig neue Basilica
S. Paul. Die letztere hat wenigstens in neuerer Zeit in der von ihr abzweigenden
Via Campana einen antiquarisch hochwichtigen Punkt, nemlich den an Inschriftfunden
so reichen Arvalenhain in der Vigna Ceccarelli fast 5 Miglien vor Porta Portese
(nach den Gordianen Katakombenstätte) erhalten. Das ganze Flussgebiet ist der
Malaria wegen jetzt fast völlig verödet, und die beiden Endpunkte der alten Strassen
Ostia wie Portus, durch ihren Abstand ausserhalb unserer Betrachtung fallend, ändern
den auf dem Wege gewonnenen Eindruck keineswegs, so reich sie auch an antiqua-
rischen Entdeckungen in den letzten Jahrzehnten gewesen sind.
An Ruinen sind auch die übrigen vom jenseitigen Stadttheile ausgehenden
Strassen überaus arm, was wohl damit zusammenhängt, dass sie nur selten mit an-
tiken Strassen zusammenfallen. Am meisten ist diess vielleicht noch mit der durch
die Porta S. Pancrazio entlassenen Via Aurelia der Fall, welche jedoch ausser den
1 Dio LXXII. 4 3. Herodian I. 42.
560 Die Umgebung Rom's.
in der Villa Doria Pamfili befindlichen Golumbarien und dem stellenweise sich nähern-
den Aquäduct der Aqua Traiana (jetzt Paolo) nichts Bemerkenswerthes aus dem
Aiterthum darbietet. Ihr Ziel war Centum Cellae (Givita vecchia). Die von Porta
Cavaleggieri ausgehende Strasse ist neu wie das Thor selbst, und überdiess nur ein
kurzer schon 3 Mgl. vor Porta S. Pancrazio in die Aurelia mündender Verbindungs-
weg. Die durch Porta Angelica ausgehende Strasse endlich liegt der Via Triumphalis
nahe, ohne mit ihr identisch zu sein. Sie übersteigt den entzückenden Monte
Mario, mündet aber selbst bald (bei der Osteria delle Capannaccie) in die von der
bereits beschriebenen Via Flaminia abzweigende Via Cassia.
Zusätze und Berichtigungen.
S. 4 unten. Eine andere Erklärung des Namens Roma führt Corssen Ztsch. f. vergl. Spracinv., X, 18. an, indem
er auf die Wurzel QV — Qew zurückgeht, wonach Rom Stromsladt sein soll.
S. 6 Z. 1. und 328 Z. 11. Jordan Top. d. St. R. i. A. I. S. 195 ist für die ursprüngliche Bedeutung des
Wortes velahrum als „Mulde".
S. 7 Z. 8. Die Vermuthung Rücheler's (Rhein, Mus. XVIIl. 447) dass der Name Caelius von caedere ab-
zuleiten sei und „Gau" bedeute, kann hier nur angeführt werden, Jordan, der die Namen der Hügel
auf die Namen von genles zurückleitet, neigt vielmehr der alten Ueberlieferung zu. Topogr. I. S. 187.
S. 8 Z. 22 und 470 unten. Am meisten Anspruch auf Annehmbarkeit hat wohl die Erklärung des Namens
Esquilinus-exquihnus, vorstädlisch, im Gegensatz zu inquilinus (cf. Detlefsen Bull. d. I. d. c. a. 1861
p. 59.) Dagegen Jordan Top. d. St, R. i, A, I. S, 184, welcher räth, den Namen einer Stadt oder
selbständigen Niederlassung Esquiliae (wie Urbiliae, Cutiliae) anzunehmen.
S. 12 Z, 21. Die Notiz von dem Mauerslück bei S. Balbina beruht auf Mitlheilung anderer Gewährsmänner;
Verfasser konnte es weder früher noch neuestens (1877) entdecken, auch wussten Hausangehörige von
S. Balbina davon nichts anzugehen.
S. 73 Auf der lithographirten Ansicht des „Forum Romanum" lies „Phokassäule" statt „Phokasäule", und
„Bogen des Septimius Severus" statt „Tempel des Septimius Severus". Im Uebrigen muss bemerkt
werden, dass die Ansicht durch die neuen Ausgrabungen sich einigermassen verändert hat.
S. 74 Z. 24 u. 25». S. 107 Z. 16. S. 123 unten. Der Name Sacra via kommt im engeren Sinne wie im
Volksmunde nur dem Slrassenlheil zu, welcher zwischen dem Tilusbogen und dem Forum liegt, ob aber
die Bezeichnung im weiteren Sinne auf die nordöstliche oder südwestliche Strassengränze des Forum
zu beziehen sei, erscheint zur Zeit noch ungewiss. Der Grund für die letztere, dass der Severusbogen
welcher 2,65 bis 3,50 über dem Travertingetäfel des Forums liegt und ursprünglich auch im Haupt-
durchgange eine Treppe hatte, welche an der Sacra via wohl nicht angenommen werden dürfte,
(vgl. H.Jordan, die Resultate der Ausgrabungen auf dem Forum zu Rom. Hermes VII. S. 276)
ist deswegen wohl von nicht allzugrossem Gewicht, weil die nordöstliche Begränzungsstrasse des
Forums, nach den neuesten Aufdeckungen wenigstens, ursprünglich nicht in der Linie des Severus-
bogens angenommen werden kann, sondern weiter nördlich in den Clivus mündete.
S. 75 Z. 9, 88, letzte Zeile u. S. 89 Z. 18. Nach der Ausführung bei Besprechung des capitolinischen
Tempels (S. 65*) darf wohl nicht mehr angenommen werden, dass der antike Clivus Capitolinus
dieselbe Curve beschrieb, wie jetzt die Via del Campidoglio, sondern dass vielmehr vom Clivus Capilo-
linus oberhalb der Area der Dii Consentes ein Seitenweg rechts zum jetzigen Capilolplatze abzweigte.
Dass dieser Seitenweg nur eine Treppe sein konnte, macht der Niveauunterschied zwischen dem Clivus
CapitoUhus an der fraglichen Stelle und dem wenig unter dem modernen Boden gefundenen Pflasters
an der Südwestseite des Tabulariums unzweifelhaft. Indess bleibt es sicher, dass die Lage der Treppe
und deren Abzweigungsstelle durch die Trapezgestalt der Area der Dii Consentes, welche sich in
den Winkel zwischen Clivus und Treppe legte, bestimmt wird.
F. Reber, Rom. yj
Kß9 Zusätze und Berichtigungen.
S. 78 Z. 17 — 27. Die beiden Inscliriflen befinden sich jetzt im capilolinischen Museum, desgleichen zwei
andere mehr verstümmelle Inschriflfragmente mit CONC . . . und die Inschrift einer im Tempel selbst
gefundenen Basis: Q COELIVS L F PR | | AED PL CER | PRO PR EX S
C- Q • I EX VOTO SVSCEPTO | PRO INCOLVMITATE | Tl CAESARIS
DIVI AVG F I AVGVSTI | PONTIFIC MAXIM | CONCORDIAE D D •
aVRI P XXV
S. 80 unten. Der Faustinacippus befindet sich jetzt im capilolinischen Museum.
S. 81 Z. 21 u. S. 93 Z. 12 lies ESTITVER statt ESTIVER.
S. 84 Die Bedenken H. Nissen's, welcher S. 205. 214 des „Templum" die Ruine der drei Säulen (den
Deutschen gegen die Italiener Recht gebend?) dem Saturn und die der 8 Säulen dem Vespasian
zuschreibt sind durch H. Jordan, Hermes IV. S. 259 und E. Bormann, Ephemeris epigraphica S. 119
im Sinne des Verfassers erledigt.
S. 87 Bedenken über die Hiehergehörigkeit der Inschriften erhebt Jordan, Sylloge Inscr. fori Rom. p. 269,
welche allerdings nicht unbegründet erscheinen. Doch mag die Erbauung des Vespasiantempels an
der seiner ersten Anlage nach vielleicht älteren Schola mancherlei Zweckwidrigkeit zur Folge
gehabt haben.
S. 90 Z. 6 fg. Die Ergänzung der Inschrift empfiehlt sich in folgender Weise: Deorum c ONSENTIVM
SACROSANCTA SIMVLACRA CVM OMNI LO ci totius adornaiioNE CVLTV
IN Formam antiquam reslituto vETTIVS PRAETEXTATVS VC PRAefeclus u RBI
REPOSVIT CVRANTE LONGEIO • v. c. cONSVLARI vgl. Jordan Sylloge inscr.
fori Rom. p. 269.
S. 91 Z. 3. Dass die 12 Götterbilder auf dem Kranzgesimse der beschriebenen Kammern oder vielmehr
der vorgelegten Porticus, von welcher acht Säulen in theilweiser moderner Ergänzung noch aufrecht
stehen, aufgestellt waren, möchte ich jetzt als die unter den angegebenen Vermuthungen wahrschein-
lichere bezeichnen.
S. 92 Z. 31 lies S. 25 statt S. 18.
S. 93 unten, lieber Namen und Inschrift des Achtsäulentempels. Näheres bei ßormann, Ephem. epigr.
p. 118 ff.
S. 94 Anm. 8. Die Restauration durch L. Munatius Plancus, deren auch Sueton. Aug. 29 erwähnt, wird
weiterhin durch ein jetzt verschwundenes Inschriftfragment (C. I. L; VI 1316) bestätigt, welches
beim Septimius Severusbogen gefunden worden ist.
S. 95 Z. 21. Der Name zeccha vecchia scheint im Mittelalter an S. Adriano gehaftet haben, (de Rossi, le
prime raccolte p. 44. Jordan, Sylloge inscript. fori Romani. Eph. epigr. 1876 p. 239).
S. 97 Z. 11 und S. 122 Z. 5. Ein (ergänztes) Stück des capitolinischen Planes (Jordan Forma Urbis III 19)
lässt mich vermuthen, dass trotz der Anlage einer neuen Gräcostasis doch die alle fortbestand, wie die
alten Rostren neben den julischen und selbst neben jenen der späteren Kaiserzeil. Denn jeder anderen
Annahme bereitet dieses Fragment, selbst unter Voraussetzung erheblicher Ungenauigkeiten der Copie
des verloren gegangenen Originals die unbesieglichsten Schwierigkeiten. Nur wenn wir die Schrift
gRECOSTasis in die Linie der nordöstlichen Foruragränze setzen, und das räthselhafte Gebäude
über ihr für den locus substructus mit seinen Denkmälern, Heiliglhümern etc. nehmen, wird das
Ganze bei dem erschwerenden Umstände, dass die Lage der Schrift am Forum den übrigen Planresten
gegenüber sehr gebunden erscheint, unterbringbar. Ueberdiess erlaubten auch eine anderweitige Ver-
wendung des Platzes die auf der Terrasse angebrachten Ileiliglhümer kaum. Vgl. das Nähere S. 115 fg.
S. 109 Z. 17 — 19. S. 111 Z. 21. Der annähernd kreisförmige Plan des unteren Gemaches des Carcer
macht es aus conslructiven Gründen wahrscheinlicher, dass der ursprüngliche Scheitelabschluss des
Gewölbes durch forlgesetzte Ueberkragung der horizontalen Steinlagen nach Art des Tholus von Mykene,
und nicht durch dachförmig gestellte Steinplatten wie am Brunnenhaus zu Tusculum gebildet war.
Zusätze und Berichtigungen. 563
S. 110 Z. 25. Der Beweis, den A. Pellegrini, della via Mamertina e della prima parte della via Lala dall'arco
trionfale di Domiziano a quello di Claudio. Bull. d. I. d. c. a. 1870. 107 fg. für die Urspröngliclikeit
des Namens des Carcer sammt der via mamertina zu führen versucht, unterscheidet wohl Quellen und Be-
daction der Vitae Ponlificum zu wenig. Dagegen ist der Verfasser jetzt geneigt, den Namen lieher als „Ge-
fäpgniss des Mamertinus" zu fassen, als dahei an eine altitalische Sprachform für Mars oder Marcius zu
denken. (Vgl. Jordan Top. II. 481. Cancellieri Carcere p. 52). Ehenso ist unbedenklich mit Jordan p. 348
anzunehmen, dass die Bezeichnung Marforio für den jetzt im Hofe des capitolinischen Museums befind-
lichen Flussgoll, im 15. Jahrii. marfodi, in keinem Zusammenhange mit dem Mamertinus des Gefäng-
nisses wie der Strasse stehe, sondern auf das benachbarte, und schon 448 in der Polemius Silvius'schen
Bearbeitung der Anhänge des Begionsverzeichnisses so genannte Marlis forum (Augustusforum) hinweise.
S. 115 Z. 4. In den letzten Jahren ist auch die südöstliche Schmalseite vollständig aufgedeckt worden,
was indess, da dort nur die daselbst vermutheten Ueberreste gefunden worden sind, in unsere An-
nahmen bezüglich der nordöstlichen Langseite keine Aenderung gebracht hat,
S. 117 Anm. 4. Ueber die niulhmassliche Gestalt und Ausdehnung der Basilica Porcia vgl, meine Abhand-
lung: Die Urform der römischen Basilika. Mitlheilungen der k. k. Centralcommission für Bau-
denkmale. 1869. Bei Bestreitung einzelner dort aufgestellter Behauptungen hätte P. Lehfeldt (Ber-
liner Zeitschrift für Bauwesen 1878 p. 563) nicht blos einige meiner Gründe berücksichtigen sollen.
S. 120 Z. 11. Ist im Texte die von Mommseu vertretene Identificirung der Basilica argentaria mit der
Porcia als unzulässig bezeichnet worden, so ist dafür die von Jordan (Topographie IL 216 vgl, Hermes
IV. 247 fg.) dargelegte Identität mit der Basilica vascularia, welche die Notilia in den Anhängen statt
der in den Regionsgränzen aufgeführten argentaria nennt, wahrscheinlich.
S. 122 Z. 2. Die Aufdeckung der Reste des Cäsartempels hat die ausgesprochenen Vermuthungen bestätigt;
über die Frage jedocii, ob die Rostra und der Tempel Cäsars ursprünglich innerhalb oder ausserhalb
des Forum angelegt vurden, findet sich das Nähere bei Besprechung des Cäsarlempels selbst.
S. 125 Die Aufzählung der Notitia ist von Jordan II. 99 dahin erklärt worden, dass wie die 3 Rostra, so
auch die Fora summarisch bzw. chronologisch gegeben seien. Doch bleibt diess nicht ohne Bedenken.
Es wäre sogar möglich dass der Regionär, für dessen Grenzbestimmung die Zusammenfassung der
drei an verschiedenen Punkten belegenen Rostra gar keinen Werth hätte, vielmehr an die der Zeit
nach drittentstandenen Rostra beim Severusbogen denkt, und dass im Wortlaut des Textes ein Miss-
verständniss der Quelle verborgen sei, denn die folgenden Namen Genius populi Romani und der
von dem Redactor der Notitia hier eingeschaltete Equus Constantini weisen auf den Anfang an der
Nordecke. Der chronologischen Aufzählung der Kaiserfora aber, wie sie Jordan will, dürfte noch
immer die im Te.\te ausgesprochene Erklärung gegenüberzustellen sein. Im Uebrigen schaltet die
Redaction der Notitia nach dem Concordientempel den im Curiosum fehlenden Umbilicus Romae
zwischen dem Concordien- und dem Saturntempel ein.
S. 127 Z. 8. Jordan erklärt (Hermes VIII. 276. 292 und Forma U. R. Reg. XIV. p, 30) allerdings die
Becker'sche Erklärung der Giceronischen Stelle (ad AtL IV. 16. 14) als die allein richtige. Ob er
aber die Stelle „ut forum laxaremus et usque ad atrium Libertatis explicaremus" mit Recht auf die
Anlage des Forum Julium bezieht, mag bezweifelt werden. Er sagt, nicht zu wissen, wie eine
Rasilika zur Erweiterung eines Forums beitragen könne (Hermes VII. 292) und doch ist eine Basilika
ihrem Zwecke wie ihrer Anlage nach nichts anderes als eine bedeckte Erweiterung der Forums (vgl.
meine Abhandlung über die Urform der römischen Basilika. (Mitth. d. k. k, Centralkom. L Bau-
denkm. 1869.)
S. 151 Z. 19. Eine eingehende Kritik der über die topographische Deutung des Monumentes vorliegenden
Untersuchungen nebst Verzcicbiiiss der darüber vorliegenden Literatur hat Jordan (Bursian, Jahres-
bericht über die Fortschritte der classischen Allerthumswissenschaft I. S. 725) gegeben. Er neigt
71*
Kg4 Zusätze und Berichtigungen.
sich im Allgemeinen Rosa's Anschauung zu, wonach an der Westschranke die nordöslhche, an der
Oslschranke die südwestliche Länge des Forums dargestellt gewesen wäre.
S. 153 Z. 14 lies d. St. für v. Chr.
S. 154 Z. 13 lies Der für Die.
S. 156 Anm. 3 lies III statt XIII.
S. 159 Z. 12 lies Bonella statt Bonelli.
S. 168 Z. 15 lies Paul V. statt Pius V.
S. 169 Z. 25 lies Constantin statt Julia.
S. 170 Z. 2 ist „dem" zu streichen.
S. 180 Z. 8. lies Anloninsäule für Antoniussäule.
S. 187 unten. Was den triumphbogenartigen Eingangsbogen zum Traianforuni bei S. Maria in Campo Carleo
betrifl'l, so boten die neueren Nachgrabungen anlässlich der Demolirung der genannten Kirche 1863
weitere Bestätigung. Die Nachgrabungen, welciie der Architekt Tommaso Bonelli bei der Fundirung
des an der Stelle neugebauten Hauses vornahm, lieferten ausser den Fundamenten des Bogens zahl-
reiche Architekturfragmente schönster Arbeit, Fragmente einer Dacierstatue und Reliefbruchslücke. Das
Material des Triumphbogens des Constantin dürfte jedoch wahrscheinlicher einem anderen Traian-
bogen entnommen sein, vielleicht jenem bei Porta S. Sebastiano. Cf. A. Pellegritii, Arco di Traiano.
Bull. d. I. d. c. a. 1863. p. 78—80.
S. 190 Z. 2. lieber die, Orientirung und Situation des capitolinischen Planes wird im Vorwort gesprochen
werden. — Z. 8. Die weitläufige Untersuchung, welche Jordan (Forma U. R. Reg. XIV. p. 28 — 32)
über das „Libertatis" des capitolinischen Planfragments anstellt, ergiebt als wahrscheinlich dass das
von Asinio Pollio neuhergestellte (Suet. Aug. 29) und mit einer Bibliothek versehene (Plin. H. N.
VIII. 115) atrium Libertatis, welches schon früher als unmöglich unmittelbar am forum Romanum
befindlich nachgewiesen worden ist, etwa da lag, wo sich nachmals die Basilica Ulpia erhob. Anzu-
nehmen, dass es von dieser ganz verdrängt worden sei, erlaubt eine in.schri fluche Erwähnung aus
der letzten Kaiserzeit (C. I. L. VI. 470) nicht, ob es aber nach der Erbauung der Basilica (etwa
als Theil derselben) unter dem ursprünglichen Namen fortgedauert habe, und mit dem auf dem
Plane zu lesenden Namen bezeichnet worden sei, ist ungewiss. Im letztern Falle würde die Capelle
im Mittel der Exedra ein Sacellura der Liberias annehmen lassen. Vgl. die in S. Martina u. S.
Adriano gefumlenen Inschriften. (Jordan Sylloge inscr. fori Rom. 20 u. 21.)
S. 190 unten. An der mutiimasslichen Stelle des Traiantempels (Palazzo Valentini vormals Imperiali zwischen
dem Traianforum und Piazza SS. Apostoli) haben sich auch neiiestens wieder Reste eines grossen
Tempels gefunden, namentlich ausser Gebälkstücken ein colossales korinthisches Capital, welches zu
jenen Schaftfragmenten von Granit passt, die sowohl früher als auch jetzt wieder gefunden wurden.
(Vgl. R. Lanciani, Scavi di Roma. Bull. d. I. d. c. a. 1869. p. 237).
S. 194 Z. 29 lies Porta statt Gorla.
S. 202 Z. 27. Das Gebälk zeigt indess trotz der regelrechten Ausführung der Triglyphen die Spuren der
römischen Umgestaltung des dorischen Styls, beziehungsweise römische Stylvermischung, wie die
Einschiebung des Zahnscbnitles zwischen Triglyphenfries und Kranzgesimse. Die Verwitterung des
letzteren lässt leider nicht sicher entscheiden, ob die Unterfläche die gewöhnliche Art der Mutulen-
bildung des dorischen Styls und namentlich das schräg abwärts geneigte Profil gehabt habe.
S. 204 Z. 6. Dass der Zuschauerraum in der im Texte angedeuteten Weise an die Bühne angelegt war
nemlich so dass die Curve sich da anschloss wo sich die Inschrift „Theatrum Marcelli" befindet, und
nicht an der gegenüberliegenden Seite, ist mit Beiziehung der B. Peruzzi'schen von Seb. Serlio
1562 publicirten Aufnahmen von Jordan Forma U. R. Reg. XIV. p. 24 gegen A. Trendelenburg
erwiesen.
S. 210 Z. 3. Die Restauration der Kirche S. Nicola in Carcere wurde mittlerweile zu Ende geführt.
Zusätze und Berichtigungen. 565
S. 210 Z. 23. Neuere Nachgrabungen haben auch hier den Sachverhalt etwas verändert. Die Säulen der
Propyläen der Porlicus der Oclavia liegen seil den Untersuchungen des Architekten Conligliozzi (1861)
nicht melir unter dem modernen Boden, sondern sind gänzlich blosgelegt und ummauert. Es zeigte
sicli dabei, dass sie auf elegante Picdestale gesetzt, und dass überdiess die Propyläen um zwei Stufen
über die vorliegende Area (Piazza di Pescaria) erliöht waren. Dieselbe Unlersucliung hat ergeben,
dass von den Säulen der P(»rlicus, die sich zur Reciilen und Linken an die Propyläen anschloss noch
melire unter dem Pllaster und in den Häusern der Via della Catena di Pescaria erhallen seien, und
dass ihrer jederseits und in jeder Reiiie 14 gewesen sein müssen (mithin doppelt so viele als auf
dem capitolinischen Planfragment verzeichnet sind), ferner dass die beiderseits an die Propyläen
anschliessenden Portiken, welche die eine Seite des das Tempelareal umgehenden Oblongums bildeten,
an den beiden Enden janusbogenartige Porlalbaulen auf vier starken Pfeilern halten, welche an ihren
Aussenseilen durch vorgestellte Granilsäulen geschmückt waren. Dadurch aber vergrösserle sich die
Fronleseile und mithin der Umfang der ganzen Porlicus noch mehr, wie denn auch der in der Via
della Calena No. 4 in den Ue])erreslen aufgefundene östliche Eingangsbau das Marcelluslheater beinahe
berührte. Von der dem Marcelluslheater zunächst liegenden Ecke aber wendete sich die Porlicus
im rechten Winkel nordwärts gegen den Convent der Chorherren della Madre di Dio, der an die
Kirche S. Maria in porlico auf Piazza di Campilelli angebaut ist und bildete bei Palazzo Capizucchi-
die nordöstliche Ecke. Die Linie der folgenden Seile, wahrscheinlich ähnlich wie die in der
beschriebenen Weise erliallene parallele Fronleseile mit einem Propyläenbau geschmückt, lief durch
Palazzo Altieri und Cavalletti, (von dem letztern an der Ecke gegen Via de' Delfini fand man noch
die Stufen) bis Palazzo Righelti bei Piazza di S. Calerina de Funari, wo sie die nordwestliche Ecke
bildete. Von hier aus endlich erreichte sie, die Kirche S. Ambrogio durchschneidend, den westlichen
Eingangsbau der Fronteporlicus. Die Nachforschungen an dem muthmasslichen Propyläenbau der
Nordseite lassen indess noch zu wünschen übrig. Ebenso könnten möglicherweise die Reste der
Cella des Junotempels, welche man unter dem Hofe bei einem Stall No. 8 der Via di S. Angelo
in Pescaria gefunden, weiter verfolgt werden, wie auch unter der Via della Tribuna di Campilelli,
welche ungefähr dem Zwischenraum zwischen den zwei Tempeln entspricht, den Aussenseiten der
beiden Cellen nachgeforscht werden könnte, woran sich dann auch eine gründlichere Untersuchung
der rückseitigen Anbauten (Curia, Sciiola und Bibliotheken) anreihen würde. Die Publicalion des
bisher Entdeckten durch blossen Bericht ohne genaue Planbeilage kann natürlich nicht befriedigen.
A. Pellegrini, Scavi del porlico di Ütlavia. BuU. d. I. d. c. a. 1861. p. 241 — 245 A. P. I tempii
di Giove e di Giunone nei porlici di Melello e di Oltavia. Annali 1868 p. 108 — 132. Verfasser
kann sogar nicht verhehlen, dass es ihm doch im hohen Grade bedenklich erscheint, der Porlicus
Oclaviae in Folge des Ausgrabungsbefundes nahezu den doppellen Umfang zuzuschreiben, wie ihn das
capiloliniscbe Planfragmenl giebl. Denn dass die Säulenzahl sich genau verdoppelt, abgesehen von
der weiteren Verlängerung der Fronte durch die beiden Porlalbaulen auf vier Pfeilern an beiden
Enden könnte allenfalls noch mit der Flüchtigkeit der Darstellung entschuldigt werden. Ebenso
das Fehlen dieser Pfeilercingänge, da ja auch die Propyläen stall einer antenarligen Anlage mit vier
Säulen zwischen zwei Pfeilern auf dem Plane sich hexaslyl zeigen. Anders aber ist es mit den
Verhältnissen, die doch nirgends am capitolinischen Plane in der Weise von den Ihalsäcblichen
Verhältnissen abweichen, wie es hier geschehen sein soll. Die Fronte des Junolempels verhält sich
zur Fronte der Porlicus am capitolinischen Plan annähernd wie 1:4, thalsächlich wie 1 : 7. Die
Fronte der Propyläen dort wie 1 : 3,7 Ihatsächlich wie 1 : 6,5; besonders aber beunruhigt der
Abstand des Junolempels von der Langseile der Porlicus, der in Wahrheit fünfmal so breit sein
soll als auf dem capitolinischen Plane! Es wird daher gestaltet sein, vorläufig noch nicht als völlig
ausgemacht zu betrachten, ob der neuerlich aufgefundene janusbogenartige Anfang der Fronteporlicus
wirklich die eine Ecke des Rechlecks der Porlicus der Oclavia bildete, oder ob die Fronteporlicus
gßß Zusätze vind Berichtigungen.
nicht vielmelir an einer oder an beiden Seilen über das Rechleck hinaus, vielleicht bis zu einer
benachbarten Porlicus verlängert war oder etwa nach Sept. Severus verlängert worden ist.
S. 219 unten. Verfasser gibt zu, dass an dem Fragment des capilolinischen Fragmentes die Spuren von
Buchstaben nach porlic VS OCTAVIAE ET vielmehr zu FIL als zu PHI zu ergänzen seien.
Ob auch wirklich die Porlicus üclaviac und die Porlicus Pliilijtpi identisch (H. Jordan, Monatsberichte
der Berliner Akademie 1867 S. 538) isl unsicher.
S. 222 Z. 14. Das schönste Beispiel einer Crypla haben die palatinischen Ausgrabungen (doraus Tiberiana)
geliefert, deren Besclircibung folgen wird.
S. 223 unten. Die sechste Säule, von Canina aufgefunden, ist jetzt nicht mehr nachweisbar; die fünf übrigen
aber befinden sieb in dem Hause No. 9 der Via degli Specchi und in dem anslossenden der Via
di S. Salvadore No. 10.
S. 23» Z. 12 fg. Eine vortreffliche Ergänzung des vom Anonymus überlieferten Inschriflfragmentes giebt
Tb. Mommsen Epigr. Anal. 14 (Berichte der k. sächsischen riesellschaft der Wissenschaften 1850 S. 307.)
D D N N ARCADIVS ET HONORIVS • invicii et PERPETVI • AVGG
THEATRVM POMPEI coUapso EXTERIORE • AMBITV MAGNA ETIAM
ex parte INTERIORE (VIRTVTE) ruenle CONVVLSVM ruderihus SVBDVCTIS
• ET • EXCITATIS • iNVICEm fabricis novis resliluerunl.
S. 239 Z. 26. Den früheren Funden haben sich neue Nachforschungen an die Seile gestellt, welche nament-
lich ergaben, dass die jetzige Piazza Navona wirklich genau dem Stadium entspricht. (Vgl. R. A.
Lanciani. Scavi di Roma. Bull. d. I. d. c, a. 1869 p. 229. Da jedoch der ganze Platz mit mo-
dernen Gebäuden umsäumt ist, konnte selbstverständlich an eine Ausdehnung der Nachforschungen
in das Innere der Zuschauerräume nicht gedacht werden, noch weniger aber an ein ständiges Bios-
legen der entdeckten Ueberreste.
S. 269 Z. 2. Das vormalige französische Commandanlschaflsgebäude ist jetzt wieder Hauptpostamt.
S. 276 unlen. Nachgrabungen vor Palazzo Rinuccini, ora principe di Canino, sciieinen ergeben zu haben,
dass die Pfeilerporticus sich südwärts bis Palazzo di Venezia gezogen haben. (A. Pellegrini, della
via Mamerlina e della prima parte della via Lata. Bull. d.i. d. c. a. 1870. p. 116.) Dass sie sich
aber in der Zeil des Septimius Severus auf die einzige Linie von Süd nach Nord beschränkt habe,
kann Verfasser Angesichts der allgemeinen Verhältnisse des capilolinischen Planes nicht mehr annehmen.
Denn nach seiner Ansicht erscheint es unzulässig, sich mit Jordan durch die auch im Texte S. 279
gegebene Zusammenstellung der Fragmente der Sepia Julia zur Verkehrlslellung der Inschriften am
Forum Magnum und des „Liberlalis" am Forum Traianum zwingen zu lassen. Umgekehrt scheinen
gerade die Inschriften des Forum, die nimmermehr verkehrt stehend angenommen werden dürfen,
uns zu zwingen, die inschriflfragmente der Sepia an d.is grosse Fragment (ungefähr) rechtwinklig in
der Richtung vom Corso gegen S. Maria Sopra Minerva anzusetzen. Denn wenn alle Inschriften des
Planes auf die Situation desselben, wonach Nordwest unlen und Südost oben isl, hinweisen, muss die
einzige sich fügen, und nicht umgekehrt der beliebten Zusammensetzung der Fragmente der Sepia Julia
alle anderen. Die Pfeilerresle im Souterrain von S. Maria in Via Lala, die nur mehr vereinzelt auftreten
und dem Verfasser bei wiederholter Besichtigung (1876) keinen völlig befriedigenden Aufschluss
gaben, stehen übrigens auch der Annahme nicht entgegen, dass hier die Längsaxe nicht mehr in der
Linie des Corso, sondern in rechtwinkliger Beugung vom Corso gegen S. Maria Sopra Minerva ge-
richtet war; doch kann die Beugung der Pfeilerporticus auch noch etwas weiter nördlich, etwa an
der Südecke des Pal. Boncompagni angenommen werden.
S. 278 Z. 5. Die beregten Reliefs, jetzt in Villa Borghese, finden sich abgebildet in den Monum. d. I. d.
c. a. Vol. X. tav. XXI und erläutert von A. Philippi „Sopra alcuni bassirilievi che appartenevano
ad un arco trionfale di Claudio". (Ann. d. 1. d. c. a. (1875j p. 42 — 49.) Weitere Archilektur-
resle wurden 1869 bei Grunilarbeilen, anlässlich der Neuherstellung des Sparkassengebäudes an der
Zusätze und Berichtigungen. ^ß>^
Westseile der Piazza Sciarra, mithin an der seit Flaminio Vacca bekannten Stelle anfgefunden. (R.
A. Lanciani, Recenti Scoperte. Rull. d. I. d. c. a. 1869. p. 224. 225). Die Ergänzung der In-
sclirift hat durch Reiziehung einiger bisher nicht berücksichtigter aber von Nicolaus Florentius abge-
schriebener Fragmente eine kleine Rerichtigung erhalten , nicht in den beiden ersten Zeilen, wo die
Endbuchstaben der Zeilen SARI und CO mit der gegebenen Ergänzung stimmen, doch in der
dritten wo potesTAT • XI und in der vierten wo IMp XXIIII (?) patri paTRIAl zu ergänzen
ist. An der 5. Zeile ändern die gefundenen Buchstaben RO und qVOD nichts; während in der
sechsten nach BRITanniai die Zahl XI zu setzen ist und das angefügte D statt perduelles wohl
Devictos empfiehlt (Mommsen). Andere an derselben Stelle gefundene Widmungsinschriften, an Ger-
manicus, Antonia, Agrippina, und Nero, d. b. des Claudius Rruder, Mutter, GemahHn und Sohn
gerichtet und grösstentheils im capilol. Museum, beweisen dass der Rogen nicht blos dem Claudius,
sondern auch dessen Familie errichtet worden sei, was wohl die Anbringung der Standbilder der
Genannten um das des Kaisers auf der Höhe des Denkmals voraussetzen lässt. Vgl. Rormann de
aedificiorura Urbis titulis. Ephemeris epigrapbica 1872. p. 121.
S. 278 Z. 15. Der Triumphbogen, von dessen Ausgrabung aus Anlass der Restauration der Kirche S. Maria
in Via Lata durch Jnnocens VIII. A. Fulvius, Antiquitates Urbis Lib. IV. p. 60 und Marliani Antiq.
Rom. topogr. Lib. VI. 1534. p. 248 sprechen, ist mit vieler Wahrscheinlichkeit mit dem Triumph-
bogen des Diocletian und Maximian zu idenlifiziren. Fulvius nemlich nennt den Styl der plastischen
Reste „haud dubie posteriorum imperatorum", und Marliani berichtet von Inschriflfragmenten mit
„VOTIS X ET XX", während Notitia und Curiosum den Arcus „novus" unmittelbar nach
der Cob. I. vigilum, nach de Rossi (Ann. d. I. d. c. a. 1858. p. 267) unzweifelhaft in der Nähe
dieser Stelle, nennen. Der „neue" Rogen weist in dem zu Anfang der Regierung des Constantin
verfassten Regionär zunächst auf die lelztvergangene Zeit, wonach es wohl nahe liegt, an das Denkmal
des 301 gefeierten Triumphes der beiden genannten Kaiser zu denken, welches (Prosp. Aquit. Cbron.
VI) ausdrücklich als in Rom, freilich ohne nähere Localangabe, errichtet erwähnt wird (vgl. A. Pelle-
grini, della Via Mamertina e della prima parte della via Lata. Bull. d. I. d. c. a. 1870. p. 118).
S. 279 Z. 9. Das AE in SAEPTA der Inschrift des capitolinischen Planfragments zeigt allerdings durch
die Flüchtigkeit der Ausführung, dass es erst später aus dem einfachen E geformt worden sei.
Jordan Forma U. R. Reg. XIV. p. 59 ist wohl mit Recht der Ansicht, dass erst bei Aufstellung der
Fragmente im Treppenbause des capitolinischen Museums diese Umwandelung geschehen sei, um das
Fragment mit Rellori's Publication übereinstimmend zu machen.
S. 285 unten. S. 286 Z. 24. Dass die sieben Reliefs, welche man gewöhnlich einem Denkmale zuschreibt,
doch wahrscheinlicher zweien angehören, (vielleicht z. Tb. dem Marc Aurelbogen auf dem Capitol, von
dem die Einsiedler Inschriftensammlung die Inschrift giebt) gewinnt durch die Erörterung Jordan's II.
415 fg. an Wahrscheinlichkeit, ja durch neuerliche Untersuchung und Messung durch den Verfasser
Gewissheit. Denn die beiden Reliefs, welche nach Abbruch des Rogens am Corso aufs Capitol
kamen, jetzt auf der Höhe der Treppe angebracht, zeigen nicht bloss besseren Styl, sondern sind
breiter und niedriger als die vier auf dem mittleren Treppenansatz des Conservatorenpalastes
befindlichen.
S. 289 Z. 6. Es scheint dass keiner der auf Augustus folgenden Kaiser seine Beisetzungsstelle hier fand, die
Bestattung Nerva's aber in dem Augustusgrabnial ist nicht bloss durch eine klassische Nachricht
bezeugt (Epit. de Caess. 12. 12), sondern es scheint sogar in der Zeit der Abfassung der Mirabilien
(12. Jahrhundert) die Grabinschrift noch vorhanden gewesen zu sein. Vgl. Jordan II. p. 436.
S. 294 Z. 4. Die behauptete Vollendungspriorität der fabricischen Brücke vor der ärailischen ist als ein
chronologisches Versehen (vgl. S. 316) zu streichen.
S. 296 Die Identificirung des für die Bestimmung der Grabstätte des heil. Petrus (Lipsius Chronologie der
KßQ Zusätze und Berichtigungen.
römischen Püpste, Kiel 1869) so wichtigen Apollotempels im Valicanum mit dem Mithrasheiligthum
daselbst ist unsicher.
S. 299 zu Anm. 3. Wie wenig auf die Beschreibung des lladriansgrabmales von Petrus Mallius, Hist. Bas.
S. Pelri c 8. No. 130 als seinerseits die Mirabliicn paraphrasircnd zu halten ist, hat H. .Jordan II.
428. 430 fg. gezeigt. Dass jedoch an den vier Ecken des Subslructionswürfels Reiterstaluen gestanden,
erscheint mir künstlerisch zu correct, als dass ich hierfür irgend eine begründete Tradition, welche
den Mirabilien vorlag, ausschliessen möchte.
S. 301 Z. 1. Es ist Innocenz XII (f 1143); der Sarg ging bei einem Brande zu Grunde. Gregorovius
IV. 424.
S. 301 Z. 27. Neben der Tradition von einer Colossalstatue Hadrians, welche die flachkegelförmige Be-
deckung des Hadriansgrahes abgeschlossen haben soll, dürfte doch auch die zweite neuerdings wieder-
aufgefrischte nicht ohne Wahrscheinlichkeit sein, dass diese Bekrönung in einem Colossalpinienapfel
bestand, wie er in der That antiken Rundbauten eigen gewesen zu sein scheint (vielleicht die letzte
Form jener hemisphärisch oder parabolisch endenden Stelen , welche den Gipfel der asiatisch-helle-
nischen wie der etrurischen Grabtliolen schmückten), wenn auch Flaminio Vacca's Notiz (Meraorie 61
Fea Mise. 1 p. 80) nicht unbedingten Glauben verdienen sollte, dass jene Bekrönung des Hadrians-
grahes sich in der Colossalpinie des Vatican erhalten habe.
S. 302 Z. 10 lies „n. Chr." statt „v. Chr."
S. 304 Z. 3 lies „nemlich" statt „namentlich."
S- 307 Selbstverständlich bat die französische Besetzung der Engelsburg längst aufgehört.
S. 309 Die gegen die Mirabilien ausgesprochenen Bedenken sind ungegründet, und die Brückenaufzählung
derselben hält vielmehr, wie auch S. 324 angedeutet wird, eine genaue topographische Reihenfolge ein.
S. 312 Z. 3. „Julia" als mittelalterliche Bezeichnung für den vaticanischen Obelisken ist wohl lediglich Cor-
ruption von „agulia", der damaligen Vulgärbezeicbnung der Obelisken überhaupt.
S. 313 Z. 13. Endlich ist noch unter den bis ins spätere Mittelalter erhaltenen Resten das „terbentinum
Neronis" zu nennen , wahrscheinlich ein hochragendes Grabmal mit kreisförmiger Basis in mehreren
cylindrischen Etagen sich aufbauend , und nach den Erwähnungen wohl ebenso wie das benachbarte
Pyramidalgrab in der Nähe der Engelsburg (vgl. Mirabilia U. R. .Jordan II. S. 430).
S. 316 Die Möglichkeit dass die sublicische Brücke das Marsfeld mit der Tiberinsel verband, wie Mommsen
(Berichte der sächsischen Gesellschaft 1850 S. 322 fg.) und Jordan, (Topograjihie II. 199 fg.) be-
haupten, ist mir noch immer nicht völlig einleuchtend. Jordan giebt nun freilich in seinem mittler-
weile erschienenen I. Band S. 405 die Schwierigkeit der Erklärung zu, wie Livius II. 10 und
Dionys von Halicarnass V. 24, ferner Plutarch Popl. 16 (cf. Polyb. VI. 55) welche die sublicische
Brücke kennen mussten, den halbmythischen Vorgang mit Iloratius Codes so erzählen konnten , dass
von zwei Brücken vom linken Ufer zur Insel, und von der Insel zum jenseitigen Ufer, wie von der
Insel keine Rede ist. Denn dass die letztere erst zu Anfang der republicanischen Aera entstanden,
konnten sie kaum ernstlich glauben, oder hätten diess wenigstens hier, um dem Leser in ihrer Zeit
verständlich zu werden, wohl ausdrücklich erwähnt. Wichtiger aber als diess scheint mir der Um-
stand, dass dann die Brücke nicht unmittelbar in die Stadt geführt hätte, so dass des Horatius That
nicht den mindesten Werth gehabt hätte. Denn wer hätte die Etrusker gehindert, oberhalb der
Stadt an einer beliebigen Stelle über den Fluss zu setzen! Es handelte sich aber, wenn die ganze
Geschichte von Codes nicht absolut sinnlos sein soll, darum, an der Stelle über den Fluss zu ge-
langen, wo die Stadt ohne Mauerschutz war. Gegen diesen Umstand kann die Bemerkung des
Polybius (1. c), dass die Brücke ngö trjs nolecog (vor der Stadt) war, nicht bestimmen, sie oberhalb
der Stadt anzunehmen. Wir sind daher an die Strecke zwischen Ponte rotto und der untersten
Brücke (Pons Theodosii und Valentiniani?) gewiesen. Vgl. übrigens auch Urlichs, Sitzungsber. d.
Münchener Ak. 1870. 459 fg.
Zusätze und Berichtigungen. k^q
S. 317 Fig. 32. Leider ist Fi^rnr 32 von einem Kahn aus und bei trübem Wetter skizzirt und dann, mit
der Abbildung bei Canina (Gli Edifizj di Roma anlica) übergangen, sehr missralhen. Namentlich war
der starkbescliädigte Aeskulapkopf, als welcher das bis auf einige Locken verslümmelte Fragment
durch den schlangenumwundenen Stab nebenan unzweifelhaft zu erkennen, damals ganz unerkennbar.
Eine vorzügliche Zeichnung ist der Abhandlung von H. Jordan, Sugli avanzi dell' antica decorazione
deir isola tiberina, Ann. d. L d. c. a. Vol. XXXIX. 1867. p. 389 tav. d'agg. K., 1 beigegeben.
Auch ist die angeführte Annahme, dass der erhaltene Rest und somit die schiffartige Ummauerung
der Insel „möglicherweise" zu den älteren der Stadt gehöre und sogar mit der Erbauung des
Aeskulaptempels gleichzeitig sein könnte, dahin zu berichtigen, dass die grössere Wahrscheinlichkeit
der sumtuosen Herstellung erst für die Zeit nach der Erbauung der fabricischen Rrücke (692
d. St.) spricht.
S. 323 unten. Die Bestimmung der Entstehungszeit der ämilischen Brücke ist mittlerweile sehr durch den
Umstand erschwert worden, dass die ämilische Brücke schon vor 723 — ich setze die unzweifel-
hafte Richtigkeit der Mommsen'schen Zeitbestimmung des Kalenders von Allifae voraus — genannt
wird, .lordan, Top. I. S. 409. Es müsste demnach nach einem anderen Aemilier als Erbauer der
Brücke gesucht werden. Im Uebrigen ändert die Entdeckung nichts an der Bestimmung der
Brücke selbst.
S. 331 Z. 20. Dass die sogenannte Porta Romanula vielmehr an der Nordspitze des Palatin angenommen
werden muss haben die neueren Aufdeckungen des Palatin gezeigt. Vgl. die Beschreibung der
Ruinen des Palatin.
S. 333 Z. 9. Auch die neueren Forschungen haben die Existenz einer Porta Triumphalis als wirkliches
Stadtthor nicht mit Sicherheit zu retten vermocht.
S. 335 Z. 10. Statt S. 18 ist auf S. 25 zu verweisen.
S. 336 Z. 12, Audi der von Pompeius erbaute Herculestempel (Plin. H. N. XXXIV. 8, 19. 57) kann hier
nicht in Betracht kommen. Denn ausser dem im Text angegebenen Grunde kommt hier noch in
Betracht, dass er nach Vilruv III. 3 aräostyl war.
S. 337 oben. Wenig Werth hat auch der Zusatz ad gradellas, worin jedoch die Volksbezeichnung der
Gegend, wie auch die ältere Nebenbezeiclmung der Marienkirche, die wenigstens in den Mirabilien
den Namen S. Maria Egiziaca noch nicht führt, zu suchen ist. Gradella aber ist dasselbe wie craticula
(Gitter) und ist vielleicht ebenso hier, durch den Anschein des Pseudoperipleros wie bei der sog.
Crypta Balbi durch die Halbsäulen der Pfeilerarkaden entstanden (vgl. .lordan IL |)t 532 — 535).
S. 337 Z. 12. Die landläufige Bezeichnung des frühmittelalterlichen Hauses mit der barbarischen Facaden-
decoralion der Kirche S. Maria Egiziaca gegenüber als Haus des Rienzi hat sich als unmöglich erwiesen.
S. 341 Z. 10. Die Bedenken Ziegler's, Topographie des alten Rom, S. 7, gegen die angenommene Bestim-
mung sind nicht von dem Gewichte der gegentheiligen Gründe.
S. 344 Z. 2 von unten. Freilich ist die Qualität der Sculpturen an den Bogenschlüsseln nicht massgebend,
wenn es sich um die Bestimmung eines constantinischen Baues handelt, denn es konnten ja auch hier
wie an dem Triumphbogen des Constantin Sculpturbestandtheile von anderen Gebäuden entlehnt worden
sein. In der That scheint aber der Umstand, dass das Gewölbe des Janus vermittelst Töpfen her-
gestellt ist (Uggeri, Opere archit. vol. I. p, 55. vol. IL tav. 13 Fig. B.), darauf hinzuweisen, dass der
Bogen später als Septimius Severus entstanden sei, da diese Technik erst in der constantinischen Zeit
sich mehr verbreitet findet (Circus des Maxentius, Grabmal der Helena oder Tor Pignalerra u. s. w.).
S. 346 In Bezug auf die ursprüngliche Form der Inschrift hat E. Bormann, Süll' arco del foro Boario, Bull,
d. I. d. c. a. 1867. p. 217 fg. wahrscheinlich gemacht, dass nicht blos die angegebenen Worte
spätere Correctur seien, sondern auch in der vierten Zeile das N. nach Aug. wie die weiteren
Worte von SENATVS an. Die ursprünglichen Worte hiefür aber dürften, während die zweite
Hälfte der dritten Zcilo von dem Namen und den Titeln Geta's eingenommen war, gewesen sein:
F. Rkber, Rom. 72
K*^Q Zusätze und Berichtigungen.
statt AVG • N vielmehr Augg. und statt SENATVS u. s. w. Fulviae Plantillae filiae C. Fulvi
Plautiani pontificis nobilissimi pr. pr. cos. II. necessarii et comitis Augg.
Die theilweise Bloslegung des zweiten durch die Vorhalle von S. Giorgio in Velabro verbauten
Pfeilers 1871 (R. A. Lanciani. Bull. d. I. d. c. a. 1871. p. 247—249) hatte in so ferne geringen
Erfolg, als die Reliefs sehr zerstört gefunden wurden.
S. 347 unten. Die weiteren Ausgrabungen des Forum 1871/2 veranlassten eine gründlichere Untersuchung
des Cloakentraktes vom Forum Romanum bis zu dem längstbekannten Theile zwischen den sog.
mulini di S. Giorgio und dem Tiber. Das Ergebniss war, dass sich der Canal, wahrscheinlich von
der Subura kommend, unter dem Südostrande der Basilica Julia und unter den Fionili (ungefähr
in der Richtung des alten Vicus Tuscus) hinzog, unter der Via dei Fienili einen stumpfen Winkel
bildete, vom Palalin weg sich gegen S. Giorgio in Velabro wendete und unter dem Janus Quadrifrons
bin die abgebildete Stelle erreichte. Unter mehren Seitenarmen sind der vom Carcer Mamertinus
her in seiner Einmündung am Forum sichtbare und der von der Gegend des Vestatempels vor der
Fronte des Castortempels mündende die bedeutendsten. An der Südostseite der Basilica Julia wurden
die Gewölbe der Clöaca geöffnet und zeigen eine dem längstbekannten Trakt ganz ähnliche Construction
bei 2,15 Met. in der Spannweite. Jetzt ist der ganze Canal mit den beiden genannten Zuleitungen
von N. u. 0. wieder in vollen Gang gesetzt und führt bedeutende Wassermassen in den Tiber.
E. Brizio Scavi del Foro Romano. Bull. d. I. d. c. a. 1872. 225 fg.
S. 351 Wenn auch unzweifelhaft S. Teodoro wenigstens im 12. Jahrhundert amtlich (Bulle Anaklet 11.
Wadding Annales Minorum III. 509) als carnarium (Beinhaus) genannt wird, wie es auch die Gestalt
der in der romanischen Epoche beliebten bis auf den heutigen Tag „Kärner" genannten Gebäude in
der That hat, so bringt uns diess doch seiner ursprünglichen Bestimmung um nichts näher.
S. 351 Z. 25. Die Osteria della Moletla enthält wohl noch die ansehnlichsten von den sonst parallelen am
Kopfende aber radianten Stützmauern, welche durch ansteigende Tonnengewölbe miteinander verbunden
in der Weise wie sie die noch erhaltenen römischen Theater und Amphitheater zeigen, die Sitzplätze
trugen. Die neue Cloakenanlage die Via de Cerchi entlang hat wenigstens bis zum Frühjahr 1877,
wo Verfasser dieses die Ausgrabungen kurze Zeit zu beobachten Gelegenheit hatte, trotz der bedeu-
tenden Tiefe der Canalsohle keine namhaften Ergebnisse geliefert. Von der äusseren Umfassung glaubt
man indess einen in kräftigen durch Bogen verbundenen Pfeilern bestehenden Ueberrest neben der
antiken Strasse gefunden zu haben, und zwar unter der Kirche S. Anastasia, in welcher 1856
Nachforschungen angestellt worden sind. R. Bergau, Scavi sotto la Chiesa di S. Anastasia. Bull. d.
I. d. c. a. 1863. p. 113—116.
S, 358 Z. 17. Jordan vermuthet hinsichtlich des Wortes Mugonia im Gegensatze gegen die im Texte
angegebene varronische Deutung, dass es im Zusammenhange mit muceo stehe, wie colonus zu colo,
und (wie mucida) verschimmelt, alt bedeute. Topogr. d. St. R. i. A. Band I. S. 175. Jordan
erklärt dann die beiden anderen Thore als fiktiv, giebt aber Treppenaufgänge an der Stelle
derselben zu.
S. 392 Z. 28. Ferd. Dutert gab in der Revue archeologique 1873 tab. II u. III Längendurchschnilt und
Hauplfacade des domilianischen Palastes in reslaurirter Ansicht, welche jedoch schon ihrer geringen
Dimensionen wegen die interessante Angelegenheil nicht ein für allemal erledigen.
S. 398 Z. 1 1 lies Nebeneinander statt Uebereinander.
S. 400 Z. 28. Durch die neuesten Ausgrabungen sind südlich von der Sacra via zwischen Titusbogen und
Meta Sudans die Reste einer Reihe von Wohngebäuden zu Tage gekommen, welche, die genannte Strasse
begränzend, zwischen dieser und der Substruction des Palatin in der ganzen Länge des gegenüber-
liegenden Venus- und Romatempels sich hinzogen.
S. 404 Z. 17. Die neuesten Ausgrabungen hinter S. Cosma und Damiano haben allerdings die Vermuthung,
dass der capilolinische Plan für ein Pavimeiit geschaffen worden sei, keineswegs bekräftigt. Da jedoch
Zusätze und Berichtigungen. ^<^ ^
kein Zweifel besieht, dass der capitoHnische Plan als die Erneuerunjf eines früher schon vorhandenen
Planes zu betrachten sei, bleibt auch die Möglichkeit nicht völlig ausgeschlossen, dass dieser eine ähn-
liche Bestimmung gehabt habe.
S. 407 Z. 9. Die Annahme, dass Reste des Colosses nach dem Lateransplatze gelangt seien (jetzt im Hof des
Conservatorenpalastes), wie diess die jüngeren Mirabilien behaupten, ist wohl grundlos, mag aber hier
immerhin als Legende angeführt werden.
S. 420 oben. Die Nähe des Colosses des Nero wird doch wohl die nächste Anregung zur Entstehung des
Namens Colosseum gegeben haben, der um so leichter in Gebrauch kam und um. so dauernder sich
erhielt als die Dimensionen des Gebäudes ihm wirklichen Sinn gaben.
S. 421 Z. 22. Der Kreuzweg, das Cruzifix und die Kanzel sind anlässlich der Wiederaufdeckung der Sou-
terrains neuestens beseitigt worden.
S. 422 Z. 13. Behufs Entfernung der in den wieder zur vollen Hälfte durch P.Rosa aufgedeckten Souterrains
stagnirenden Wasser sind im Jahre 1877 ernstliche Anstalten getroflen worden, in nichts geringerem
bestehend, als in einem besonderen sehr tief gelegten und unmittelbar zum Tiber führenden Canal.
S. 430 Z. 7. Immerhin ist in Bezug auf die Entstehungszeit des Constantinbogens die Annahme de Rossi's
(Bull, di arch. crist. 1863, p. 58 fg.) wahrschemlich, dass der Bogen nach der Schlacht bei der mil-
vischen Brücke 312 begonnen und anlässlich der Feier der decennalia (315) dedicirt worden sei,
dass man aber bei den Decennalien die vicennalia gelobt und diesem Gelöbnisse auf dem Triumphbogen
monumentalen Ausdruck gegeben habe, wie es auch an dem sicher 315 dedicirten Constantinsbogen
zu Sitifis geschehen ist.
S. 430 Z. 15. Das im Texte ausgesprochene Bedenken gegen eine Veränderung der Inschrift in Bezug auf
die merkwürdigen W^orte „instinctu divinitatis" hat ihre Bestätigung durch G. B. de Rossi, Bulletlino
di arch. cristiana 1. no. 8, p. 57 — 60 gefunden. Die Inschrift ist überhaupt nicht auf Platten, sondern
auf die colossalen Werkstücke selbst gesetzt, die Oberfläche derselben ist nicht überarbeitet, und über-
haupt auf keiner Seite des Rogens auch nur die Spur einer nachträglichen Veränderung, geschweige
denn einer neuen (von der Restauration des Miollis) an der beregten Stelle zu entdecken. Es wird
sonach selbst die Reminiscenz eines Rorghese (G. Henzen, l'iscrizione dell' arco di Costantino. BuU.
d. I. d. c. a. 1864, p. 157) als grundlos erklärt werden müssen.
S. 432 Z. 26. Statt SS. Balbina und Prisca lies SS. Balbina und Saba.
S. 450 Z. 30. Die antoninischen Thermen wurden an die Stelle der von Frontin de aq. U. B. 21 hier ge-
nannten Horti Asiniani gesetzt, aus welchen auch der in jenen Thermen gefundene farnesiscbe Stier,
von Plinius dem Besitzthum des Asinius Pollio zugeschrieben, stammle. Beste des Palastes jener horti
woUte man in neuerlich innerhalb des Thermenumfassungsbaues gefundenen Ruinen gefunden haben.
(A. Pellegrini Orti di Asinio PoUione, RuU. d.i. d. c. a. 1867, p. 109—119. R. Lanciani, Scavi di Roma
BuH. 1869. p. 236.)
S. 462 Z. 18. In der der Vigna Codini gegenüberliegenden Vigna Casali ist neuerlich ein interessanter Gräber-
fund gemacht worden, der ungewöhnlich reich an Sarkophagen und anderem Inhalt war. Das Grabmal
bestand aus drei Gemächern, von welchen das erstere inschriftlich als Sacrarium bezeichnet den T. Aelius
Nicephorus als den Besitzer nennt. Ein Theil des Grabes reicht noch in das Grundstück Volpi hinüber.
(E. Drizio, Scavi e scoperte nella vigna Casali presso la porta di S. Sebastiano. Bull. d. I. d. c. a. 1873,
p. 11 fg., 34 fg.
S. 469 unten. Bei S. Gregorio rechts neben den zu dem ehemaligen Klostercomplex gehörigen, durch ihre be-
rühmten Malereien bekannten Kapellen S. Barbara, S. Andrea u. S. Silvia fand sich neuerlich noch ein
ansehnliches in einer Höhe von 14 Lagen erhaltenes Mauerstück, welches nach seiner Reschaflenheit dem
servischen Mauerring entspricht. (P. Rosa, Avanzo delle mura Serviane presso S. Gregorio. B. d. I.
d. c. a. 1869. p. 68, 69, 131.) Doch erregt die Lage einige Bedenken, weil durch dieselbe ein wesent-
licher Theil des Caelius von der servischen Ummauerung ausgeschlossen wäre.
72*
«1^9 Zusätze und Berichtigungen. '
S. 471 Z. 9. Die neuesten Aurdeckiingen (1876 u. 1877) haben dargetluui, dass der GaHienusljogeii genau
der servisclien Mauerlinie, und somit unzweifelhaft der Porta Esquihna enlspriclit.
S. 475 Plan lies „Nach de Romanis" statt „nach Canina".
S. 483 Anm. 2. Neuere Nivellirungen wollen die Wasserhöhe des angchl. Nymphäum des Alexander Sevcrus
als beträchtlich höher, wie die aqua Alexandrina befunden haben, und man kehrt daher zu der ursprüng-
lichen Annahme zurück, welche den Brunnen mit der Aqua Julia in Zusammenhang brachte, wobei
jedoch der Anio vetus ebenfalls in Betracht gezogen wird. Vgl. Jordan. Top. I. 478.
S. 488 Es scheint allerdings der Name Sessorium mehr auf die Kirche S. Croce in Gerusalcmme selbst (womit
sie schon die Mirabilien indentificiren), als auf die nebenanliegende Ruine zu passen. (Vgl. Hübsch Alt-
christliche Kirche 1862, S. 70.) Was aber dann unter der in miltclaltcrliclien Erwälinungen „pala-
tium" genannten Ruine zu verstehen sei, bleibt wenigstens vor der Hand unerfindlich.
S. 491 Die grossartigen Nivellirungsarbeiten zwischen S. Vito und S. Croce in Gerusalemme und S. Giovanni
Latcrano haben ausser den aufgeführten Resten noch eine grosse Anzahl von anderen zu Tage ge-
fördert, welche jedoch kaum entdeckt der Anlage des neuen Stadtviertels sofort wieder zum Opfer
fallen mussten, indem an vielen Stellen an eine dauernde ßloslegung um so weniger gedacht werden
konnte, als das moderne Niveau zum Theil unter, zum Tlieil beträchtlich über dem antiken Boden
gebildet wurde. Auch wurde bei diesem Anlass die Aufeinanderfolge von mehren römischen Baucpoehen
entdeckt, wie diese bei dem beschriebenen sog. Auditorium des Mäcenas in noch erhaltener Weise
so zu Tage liegt, dass man ersiebt, wie durch jenen Saalbau der Agger des Scrvius durchschnitten
und überbaut wurde. Ausserhalb des Walles in der Gegend der neu tracirten Via di Napoleone HI
haben die Ausgrabungen dargethan, dass sich hier die mäcenatischen Gärten über den alten esqui-
linischen Fjcichenacker, die Nekropole der niedrigeren Klassen erstreckten, wo die Leichen der Armen
entweder verbrannt, oder in gemeinschaftliche Gruben geworfen wurden. (Porphyr, ad Hör. Sat. I. 8
V. 10, Fest. s. v. puticuli.) Die mit grauen) Tuf (capellaccio) ziemlich unregelmässig ausgemauerten Gruben
(puticuli) wurden 1871 in Reihen wirklich gefunden, noch mit Gebemen und Asche gefüllt, und ohne
Zweifel von Maecenas verschüttet, durch dessen Anlage das unerfreuliche Todlenfeld, wo aucii die Stelle
der Hinrichtungen war, weiter ostwärts geschoben wurde. Unter den Puticuli, deren Boden fast
7 Met. unter dem modernen Boden gefunden ward, entdeckte man noch ältere Gräber, dazu un-
mittelbar nebenan ein noch intaktes, 3,80: 1,93 Met. messendes mit zwei Grabbänken beiderseits, welches
sich durch Anlage wie durch den Geschirrinhalt als etrusko-römisch und als ähnlich wie einige andere
(1875) vor dem Gallicnusbogen entdeckte erwies, welche Lanciani, decreto edilizio int. il sepolcreto
Esquilino Bull. mun. 1845, p. 190 bekannt gemacht hat.
Die Gärten des Maecenas gaben den in sanitärer Beziehung höchst dankenswerthen Anstoss zur
Verschütlung der alten esquilinischen Nekropole in weiterer Ausdehnung. So wissen wir durch Frontiti
(1. 20) von Horli pallantiani, bei welchen die Bogen der Gesammtleitung des Anio novus aufhörten,
um dessen Wasser in die Einzelröhren abzugeben; und diesen unmittelbar nahe mussten die Horti epa-
phrodiliani gewesen sein, bei welchen derselbe Gewährsmann an einer anderen Stelle (H. 60) dasselbe
Tbeilungscastell (jetzt bei den sog. drei Bogen der Eisenbahn an der Ecke der Vigna Bclardi) nennt. Unfern
davon müssen auch die Horti Torquatiani angenommen werden, welche derselbe wiederholt (H. 65)
bei der Spes vetus bezeichnet. Alle diese Gärten scheinen sämmllich, wie früher die des Maecenas, in
die kaiserlichen aufgegangen zu sein und begegnen später unter dem Namen Horti Licinii im Besitz
des Gallienus. Selbständig blieben vielleicht andere Villen, die Horti Calyclani et Tauriani, von welchen
der Gränzcippus beim Abbruch des an die Kirche S. Eusehio anslossenden Gartens gefunden wurde,
wie die zwischen der Piazza Guglieimo Pepe und der Via Umberto und Via Amadeo liegenden Baulich-
keiten des Vettius Praetextatus , deren Inschriften und andere Fundobjecte theils aus dem 2., theils
aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. stammen.
Von anderen Funden dieses Gebietes sind etwa der 1873 zwischen der Via Farini und Via
Zusätze und Berichtigungen. 573
Napoleone III gelungene der Bäder des Consuls Naeraliiis Cerealis (Consul 358 n. Chr.), welcher ausser
mehren Gemächern einen mit Cipollin pavimenlirten Saal , mehre schöne Sculpluren und zwei be-
zügliche Inschrillen ergab und der eines an die Aussenwand des agger anstossentlen Macellum (Marktes)
an der Südseite des projeclirlen Piazza Manfredo Fanli, die bedeutendsten. — Ferner die in«derselben
Zeit entdeckten und an dem Viale Principessa Margerita nahe am Agger angegebenen Reste eines Collegial-
hauses mit der Basis einer silbernen Faustinenstatue , wie aus der daran angebrachten Inschrift eines
Freigelassenen Felix hervorgeht, der sich die Titel a veste gladiat., d. h. Gladialorenkleiderbewahrer (wohl
des Commodus) und allector collegii, d. h. Vereinscassirer, beilegt. (P. E. Visconti Bull. raun. 1874,
11 — 16.) Der Entstehungszeit nach unbestimmt sind die Reste des Hauses eines Senators L. üctavius
Felix C, V. (Glarissimus vir), in dem genannten Viale an der Mündung der Via Manin gefunden, wie
die zwischen Via Strozzi, Amadeo und Torino entdeckten Häuser des Memmius Vitrasius Orfitus und
und des L. Numicius Pica Gaesianus. Auch dem Namen nach unbekannt aber sind mehre andere,
an den Mündungen der Via Gioberti und der Via Rattazzi in den Viale Margerila, wie zwischen Via
Cavour, Princ. Umberto, Manin und Amadeo entdeckte Privatgebäude. Hierher gehört auch das ein Jahr-
zehent früher gefundene Privatgebäude an der Innenseile des Agger und am Fusse des nun gleichfalls
geebneten Monte di Giuslizia. (E. Pinder, Sala da bagno scoperta nella Villa Massimo. Ann. d. I.
d. c. a. 1863, p. 256 — 262, tav. J. K.) Alles wurde wieder verschüttet, an den tieferzulegenden
Stellen sogar zerstört, doch hat das neue capitoUnische Museum im Gonservatorenpalast aus den beweg-
lichen Fundobjecten nicht unbedeutende Bereicherungen erfahren. (R. Lanciani, delle scoperte principali
avvenuti nella prima zona del nuovo quartiere esquilino , con lettera del S. cav. Henzen. Bull mun.
1874, p. 33—88, tav. V, VI.)
S. 500 oben. Zu den decorativen Sculpturen der conslantinischen Thermen gehörten auch zwei Flussgötter,
welche sich bis zum 16. Jahrhundert an oder in dem heutigen Giardino Golonna befanden, wahrscheinlich
dieselben, welche sich seit mehr als 300 Jahren vor der Treppe des Senalorenpalastes zu beiden Seiten
der Roma auf dem Capitole befinden.
S. 514 Auch jetzt scheint mir die gelehrte Vermuthung Jordan's (Topographie II, p. 177) die Widersprüche
der Zahlenangabe hinsichtlich des aurelianischen Mauerringes nicht zu heben, und die Rückführung auf
eine Vermischung verschiedener Messungslinien zu künstlich. Wenn die Erklärung der 50 Meilen, bei
Vopiscus als 50,000 Fuss stall der 50,000 Do|)pelschrille nicht zulässig sein sollte, so ist eben die
Ziffer des Vopiscus einfach eine übertreibende Ungeheuerlichkeit. Wo aber in den Quellen XL, XLII
oder XXII, ist wohl wahrscheinlich ursprünglich XI, XIII oder XII zu lesen, welche Zahlen unter der
Hand des diese Ansätze zu klein findenden Abschreibers oder aus Versehen leicht und durch eine kleine
Linienänderung in die grösseren sich verwandeln konnten. Sind aber die Zahlen X oder XI für die
diesseitige Mauerlinie entsprechend, so passen die letzleren auf die ganze Mauer mit Einschluss des
Iransliberinischen Gebietes.
S. 519 Die Gestalt der Porta Nomenlana hat sich seit 1871 sehr verändert, da in Folge der Beschiessung
der Mauer vom 20. Se[>tember die ßaufälligkeit dieses Thores so bedenklich wurde, dass man die
beiden Thürme und mit ihnen auch einen Theil des eigentlichen Thorbaues abtragen und den letzteren
wesentlich erneuern mussle. üafür wurden an der Stelle der Thürme die Reste von drei Grabmälern
entdeckt, von welchen das unter dem westlichen Thürme befindliche Rundgrab bis auf ein Drittel der
auf eine rechtwinklige Travertinsubstruclion gesetzten Sockelverkleidung zerstört ist, während die zwei
unter dem östlichen Thürme gefundenen sich mehr erhalten haben. j)as eine, von rechtwinkliger Form,
an der 4,40 Met. messenden Längswand mit vier, an der 3,70 Met. breiten Rückwand mit drei in ihrer
überhälfle zerstörten uncannelirten Pilaslern geschmückt, verrälh in Material und Arbeit die Zeit des
Beginnes unserer Zeilrechnung; das nebenan befindliche dagegen erwies sich durch eine weitläufige
Inschrift (jetzt im neuen capitolinischen Museum des Conservalorenpalastes) als das Grab des Knaben
Q. Sulpicius Maximus, der im Jahre 94 n. Chr. in dem von Domilian eingeführten musischen Agon capi-
g'y^ Zusätze und Berichtigungen.
tolinus (Suel. Dom. 4. Ccnsoiiiius d. d. naU \S) elirenvull bcslanden halle, ((J. Hoiizcii, Scpolori aiiliclii
rinvenuli alla porla Salaria. Bull, d, I. d. ca. 1871. p. 98 — 115. — L. Ciofi, luscriptiones Lalinae et
graecae cum carmine graeco extemporali Q. Sulpicii Maxinii. Roma 1871. — V. Vcspignani e C. L. Vis-
conti, II sepolcro di Q. Sulpicio Massimo R. 1872.
S. 519 Z. 13. Seit der oben erwähnten Beschiessung ist dieser Mauerzug fast völlig orneuerl worden.
Nebenbei sei bemerkt, dass zum Andenken an jene Aktion die öfter erwähnte Via Pia den Namen Via
di venti Setlembre erhalten hat.
S. 519 unten. Der südliehe Thurm der Porla Nomentana war auf das Grabmal des Q. Halerius (vielleicht
des Redners) erbaut, von welchem Monumente noch Verkleidungsresle und ein Inschriftfragmenl (C. I. L,
VI. 1. 1426) gefunden wurden.
S. 520 Die Vigna del Maccao ist jetzt in einen grossen offenen Exerzierplatz umgewandelt und mit einer
Caserne versehen worden, auch sind die dazuführenden Strassen wie das ganze vorliegende um die
Piazza dell' Indipendenza liegende Quartier gänzlich verändert worden. Der Anbau des neuen Stadl-
theils hat hier verhältnissmässig rasche Fortschritte gemacht.
S. 522 Anm. 4. Die Caserne ist jetzt längst vollendet, und selbstversländlich von königlich ilafienischen
Truppen besetzt. *
S. 523 Z. 17. Die Vermuthung, dass die Porta clausa der servischen Porta Viminalis entsprach, hat sich durch
die neuesten Ausgrabungen und die Aufflndung der in gerader Linie darauf hinführenden Via Viminalis
bestätigt. (R. Lanciani, delle scoperte principali nei colli Quirinale e Viminale. Bull. mun. 1873, p. 230.)
Nur dürfte dem geschlossenen Thor nicht der lediglich dem servischen Thore zukommende Hügelnamen
Viminalis, sondern nach Analogie der anderen aurelianischen Thore wahrscheinlicher der Slrasscnnamen
Porla CoUatina zukommen.
S. 527 Z. 23. Neuerlich (1874) wurden die drei Leitungen an einem Punkte gefunden, wo sie kreuzten,
um dann definitiv nach verschiedenen Richtungen geführt zu werden. Es ist diess nordwestlich von
der Mündung der Via Milazzo in die Via di Porta S. Lorenzo. Die Wasser der Marcia sind jetzt wieder
in die Stadt geleitel und bilden eine schöne Fontäne auf Piazza delle Tenne.
S. 528 Z. 9. Seil der Anlage des Bahnhofes im Innern der Stadt ist die Stadtmauer nördlich von Porta maggiore
durchbrochen.
S. 536 Porla Melronis. Von den mannigfachen Schreibweisen dieses rälhselhaflen Namens ist Melrovia die häufigste.
S. 543 Die Entstehung des Monte Icstaccio ist in den letzten Jahren zwar Gegenstand gelehrter Conlroversen
(A. Reifl'erscheid, 11 monte Teslaccio. Bull. d. 1. d. c. a. 1865, p. 235), aber noch immer nicht einer
gründlichen und nur durch umfängliche Nachgrabungen zu ermöglichenden Untersuchung geworden.
Wenn nämlich bis jetzt nur Scherben und kein eigentlicher Bauschult gefunden wurde, so beweist diess
nur, dass die Oberfläche des Berges lediglich aus Scherbenablagerung gebildet sei. Naturgemäss werden
aber auch die Scherben, welche man jetzt noch an der Oberfläche aufliest, voraussichtlich ausschliesslich
der letzten Zeit angehören. (Vgl. P. Bruzza Varj oggelti anlichi rinvenuli nell' Emporio Romano. Bull.
1872, p. 140.) Die vorliegenden Berichte über die Anbohrung des Kernes aber sind zu all und ober-
flächlich, als dass darauf zu bauen wäre, so dass vorläufig kein zwingender Grund besteht, von der
im Texte ausgesprochenen, und wenigstens mittelbar auf eine klassische Notiz (Tac. ann. XV. 43)
fussende Vermuthung abzugehen.
S. 345 Z. 5. Es ist allerdings befremdlich, dass die Porta Septimiana bis zur Zeil der Mirabilien herab weder
in den älteren Thorverzeichnissen, noch sonst vorkommt. Demungeachlel erscheint es mir aus Verkehrs-
gründen undenkbar, dass sie erst im Mittelalter hergestellt worden sei, da sonst die Bewohner des durch
die aurelianische Mauer eingeschlossenen Iranstiberischen Gebietes mit der benachbarten Strecke zwischen
dem Janiculus und Vaticanus und mildem letzteren selbst keine direkte Verbindung gehabt haben würden.
S. 345 Z. 9. Die Unmöglickeit des direkten Anschlusses der Mauer an Ponte Sisto wird von Jordan Top.
d. St. R. I. S. 374 gerade aus der angezogenen Stelle bei Procop. I. 19 weiterhin erhärtet.
Druck von Hundertstund & Pries iu Leipzig.
VERZEICHNISS DEE TAFELN.
1. Reslaurirte Ansicht des Forum Ronianum in der Kaiserzeit (Titelbild)
2. Der capilolinische Plan nach S. XVI
3. Pelasgisches Thor hei Segni „ •, 16
4. Der Tempel zu Cori „ „ 22
5. Angeblicher Tempel der Fortuna Virilis „ „ 24
6. Die beiden Tempel von Tivoli ,, „ 28
7. Aus den Ruinen des Palastes des Caligula „ ,■ 62
8. Das Forum Romanum. (Ansicht der Ruinen) » » 72
9. Der Tempel des Vespasianus „ „ 80
10. Der Tempel des Salurnus „ „ 92
11. Der Triumphbogen des Septimius Severus „ „ 104
12. Der Tempel des Anloninus und der Faustina » „ 128
13. Das Forum Romanum. (Plan von 1877) „ „ 136
14. Der Tempel des Mars Ultor „ „ 152
15. Das Forum des Augustus und des Nerva (Plan) „ „ 160
16. Vom Forum Transitorium >, „ 168
17. Das Forum des Traianus (Plan) „ „ 176
18. Die Traiaijsäule „ „ 194
19. Das Theater des Marcellus und die Porticus der Octavia (Plan) » ,, 202
20. Die drei Tempel v. S. Nicola in Carcere „ „ 208
21. Das Pantheon „ „ 244
22. Angeblicher Tempel des Neptun (Dogana) >, » 256
23. Die Säule des M. Aurelius ,, „ 272
24. Drücke und Grabmal Hadrians » ., 296
25. Der Tempel des Hercules >. » 336
26. Der lanus Quadrifrons » » 342
27. Die Ehrenpforte des Septimius Severus „ „ 347
28. Der Altar an der Westhalde des Palalin , „ 376
29. Mittelsaal des sog. Hauses der Livia am Palatin „ „ 384
30. Der Palatin. (Plan der Nordwesthälfte) , „ 392
31. Die Rasilica des Constantin „ „ 392*
32. Der Titusbogen „ „ 396
33. Der Tempel der Venus und Roma „ „ 400
34. Das flavische Amphitheater » )> 408
35. Der Triumphbogen des Constantin „ „ 424
36. Eingang zum Grabmal der Soipionen
37. Der Drususbogen
38. Der Bogen des Dolabella und Silanus .....
39. Der Bogen des Gallienus
40. Angeblicher Tempel der Minerva Medica ....
41. Slrassenübergang der Aqua Marcia (Porta S. Lorenzo)
42. Slrassenübergang der Aqua Claudia (Porta Maggiore)
43. Die Pyramide des Cestius
44. Grabmal der Caecilia Metella
45. Plan der Stadt Rom
nach S. 456
460
464
480
484
524
528
540
556
572
0
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R Die Ruinen Roms
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