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Full text of "Die Ruinen Roms"

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University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/dieruinenromsOOrebe 


(S) 


^6 


DIE  RUINEN  ROMS. 


DIE 


RUINEN  ROMS 


VON 


D«  FRANZ  REBEE. 


ZWEITE   VERBESSERTE   AUSGABE. 


MIT  37  LITHOGRAPHIRTEN  ABBILDUNGEN  IN  TONDRUCK,  7  PLÄNEN,  EINEM  STADTPLAN 

UND  72  HOLZSCHNITTEN. 


GEM-UNTERMHAUS 

FR.   EUGEN    KÖHLER. 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Vorwort  zur  zweiten  Ausgabe. 


Das  vorliegende  Buch  wurde  zwischen  dem  zweiten  und  dritten 
römischen  Aufenthalt  des  Verfassers  1857  und  1861  hergestellt.  Ver- 
anlasst durch  die  Schwierigkeiten,  welche  die  damals  hervorragendsten 
deutschen  Hilfsmittel,  die  Bunsen-Ürlichs-Platner'sche  Beschreibung  der 
Stadt  Rom  wie  die  Becker'sche  Topographie  Roms,  beim  Studium  der 
Ruinen  immer  noch  verursachten,  schien  es  auch  bei  seinem  Erscheinen 
1862/63  als  den  Bedürfnissen  des  Ruinenbesuchers  entsi)rechend  einiger 
Popularität  sich  erfreuen  zu  dürfen.  Allein  es  fügte  sich,  dass  gerade 
in  dem  Zeitpunkte  der  Publication  in  das  seit  der  ersten  französischen 
Besetzung  Roms  unter  Napoleon  I.  ziemlich  träge  Ausgrabungswesen  ein 
ungeahntes  Leben  kam,  welches,  von  herrlichen  Erfolgen  begleitet,  rasch 
wichtige  Abschnitte  und  somit  das  ganze  Buch  veraltet  machte.  Die 
ungewöhnlich  aufwandvolle  Ausstattung  desselben  liess  diesen  Umstand 
doppelt  beklagen  und  musste  billig  den  Verfasser  aufdringenden  Wunsch 
der  Verlagshandlung  bestimmen,  zu  einer  entsprechenden  theil weisen 
Umarbeitung  die  Hand  zu  bieten.  Er  kann  jedoch  nicht  leugnen,  sich 
ungern  zu  der  mühevollen  und  als  solche  nicht  allzu  erfreulichen  Stück- 
arbeit entschlossen  zu  haben;  ja  er  würde  auch  nach  der  Inangriffnahme, 
nachdem  seinem  während  der  Arbeit  sich  steigernden  Verlangen  aus 
materiellen  Gründen  eine  vollständige  Neuausarbeitung  versagt  werden 
musste,  noch  zurückgetreten  sehi,  wenn  nicht  zwei  neue  Romfahrten 
1876  und  1877  die  alte  Lust  an  der  vor  zwanzig  Jahren  begonnenen 
Arbeit  wieder  angefacht  hätten. 


VI  Vorwort  zur  zweiten  Ausgabe. 

In  der  That  fand  sich  das  Material  riesig  verändert.  Nicht  blos 
an  verschiedenen  Punkten  der  Stadt,  sondern  gerade  in  den  wichtigsten 
grösseren  Complexen  hatten  umfassende  Aufdeckungen  stattgefunden. 
Das  Forum  Romanum,  1861  kaum  zu  einem  Dritttheil  oH'en,  war  bis 
1877  mit  alleiniger  Ausnahme  der  Nordostgränze  völlig  blosgelegt  worden. 
Seit  anderthalb  Jahrzehnten  war  auch  vom  palatinischen  Hügel  die 
grössere  Hälfte,  erst  auf  Veranlassung  und  auf  Kosten  Napoleon  III., 
welcher  zu  dem  Zwecke  die  farnesischen  Gärten  käuflich  an  sich  ge- 
bracht hatte,  dann  unter  den  Auspizien  der  italienischen  Regierung  selbst, 
vom  Schutte  befreit  worden.  Endlich  hatte  die  Verlegung  des  Bahn- 
hofes nacli  dem  Innern  der  Stadt  bei  den  Thermen  des  Diocletian  den 
Anstoss  zu  Untersuchungen  im  Gebiete  der  nördlichen  Hügel  gegeben, 
welchem  mit  der  Verlegung  des  Regierungssitzes  für  das  geeinigte 
Königreich  Italien  nach  Rom  die  vielleicht  zu  weit  greifende  Anlage 
neuer  Stadttheile  am  quirinalischen ,  viminalischen  und  esquilinischen 
Gesammtplateau  bis  zu  den  aurelianischen  Stadtgränzen  folgte. 

Es  wurden  aber  nicht  blos  die  zu  antiquarischen  Zwecken  vor- 
genommenen Ausgrabungen,  abgesehen  von  einer  in  technischer  Hin- 
sicht tadellosen  Leitung  (zumeist  von  P.  Rosa),  schrittweise  von  gründ- 
licher topographischer  Forschung  begleitet,  statt  wie  früher  vorwiegend 
auf  die  beweglichen  Fundobjecte  hin  in  Betracht  gezogen  zu  werden, 
sondern  man  benutzte  auch  unter  Einsetzung  einer  städtischen  archäo- 
logischen Commission  die  mit  dem  Bahnhofbau  und  der  Stadterweiterung 
verbundenen  umfänglichen  Erdarbeiten  mit  Gewissenhaftigkeit  und  Ein- 
sicht zu  topographischen  Untersuchungen,  welche  der  Kenntniss  von 
diesen  Hügeln  ein  neues  Gepräge  geben  inussten.  Traten  aber  auch  in  die- 
sem Gebiete  die  bisherigen  Hauptorgane  der  archäologischen  Forschungen 
in  Rom,  die  Publicationen  des  deutschen  archäologischen  Instituts,  mit 
Ausnahme  des  epigraphischen  Theiles  hinter  dem  von  R.  Lanciani,  C. 
L.  Visconti,  Conte  V.  Vespigniani  u.  a.  musterhaft  besorgten  Organ 
der  Municipal-Comission  etwas  zurück,  so  konnte  es  doch  nicht  fehlen, 
dass  auch  die  deutsche  Forschung  den  örtlichen  Untersuchungen  der 
italienischen  Fachmänner  mit  lebhaftester  Antheilnahme  folgte,  und  es 
fehlte  namentlich  nicht  an  einer  hervorragenden  deutschen  Kraft,  welche, 


Vorwort  zur  zweiten  Ausgabe.  VII 

.sich  der  Sache  ganz  widmend,  die  wissenschafthchen  Consequenzen  mit 
jener  Schärfe  zog,  welche  die  deutschen  Philologen  seit  Langem  aus- 
gezeichnet hat.  Ich  meine  H.  Jordan,  welcher  ausser  zahlreichen  Einzel- 
schriften besonders  in  zwei  grösseren  Arbeiten  der  Kenntniss  des  alten 
Rom  wie  weiland  Becker  einen  epochemachenden  Vorschub  leistet, 
nemlich  mit  der  ersten  kritischen  und  erschöpfenden  Herausgabe  des 
capitolinischen  Planes  und  mit  einem  neuen  Compendium  der  Topo- 
graphie des  alten  Rom. 

Es  war  dem  Verfasser  dieses  Buches  Gegenstand  ernster  Erwägung, 
ob  Angesichts  solcher  Arbeiten  und  besonders  während  des  Erscheinens 
der  letztgenannten  ein  Ein  greifen  in  das  damit  bestvertretene  Gebiet  nicht 
ganz  überflüssig  und  sogar  höchst  gewagt  sei.  Allein  erstlich  war, 
des  ümstandes  nicht  weiter  zu  gedenken,  dass  die  eigene  Arbeit  zum 
grössten  Theile  bereits  vorhanden  gewesen,  derselben  jeder  Concurrenz- 
versuch  schon  des  Inhalts  wegen  gänzlich  fremd.  Denn  nicht  eine 
Topographie  Roms  sollte  das  vorliegende  Werk  sein,  sondern  eine 
Beschreibung  der  Ruinen,  mit  welcher  den  Anforderungen  des  Kunst- 
luid  besonders  Architekturfreundes  ebenso  Rechnung  getragen  werden 
sollte,  wie  demjenigen,  der  den  stummen  und  auf  den  ersten  Anblick 
unverständlichen  Trümmern  gegenüber  das  Verständniss  ihres  localen 
wie  geschichtlichen  Zusammenhanges  gewinnen  wollte.  Das  antike 
Rom  in  den  verschiedenen  Epochen  zu  reconstruiren  und  alle  daran  sich 
knü})fenden  antiquarischen  Fragen  eingehend  zu  erledigen,  musste  dem- 
nach dem  Verfasser  ferner  liegen  und  konnte  nur  Anspruch  auf  summa- 
rische Darstellung  in  der  Baugeschichte  wie  in  den  Capiteleinleitungen 
erheben.  Was  daher  für  die  Topographie  nur  theilweises  Material, 
wurde  für  die  vorliegende  i\.rbeit,  wie  diess  auch  der  Titel  be- 
sagt, Zweck. 

Dazu  kam  noch  als  zweites  Moment  der  Umstand,  dass  vor- 
liegendes Buch  nicht  lediglich  für  Philologen,  wie  diess  bei  Jordans 
vortrefflicher  Arbeit  sicher  der  Fall  ist,  geschrieben  sein  sollte.  Ver- 
fasser hat  sich  jeden  Gebildeten  als  Leser  gedacht,  vorab  freilich  den 
Vollreifen,  nicht  den  Schüler,  wie  C.  Ziegler  in  seinem  für  diesen  Zweck 
ganz   tüchtigen  Buche:  Illustrationen  zur  Topographie   des  alten  Rom. 


VIII  Vorwort  zur  zweiten  Ausgabe. 

Stuttg.  1873.  Doch  aiicli  demjenigen,  welcher  philologisch  zu  prüfen 
in  der  Lage  oder  geneigt  ist,  wurde  Gelegenheit  hiezu  dadurch  geboten, 
dass  jeder  Behauptung,  soweit  sie  nicht  persönliche  Schlussfolgerung,  das 
entsprechende  (Jitat  beigegeben  ist,  wie  diess  auch  mit  der  vorliegenden 
neuen  Literatur  geschah.  Er  wird  vielleicht  dabei  finden,  dass  der  Ver- 
fasser keineswegs  in  bequemem  Anlehnen  lediglich  irgend  einer  Vorarbeit 
gefolgt  ist,  und  dass,  wenn  auch  der  philologisch  -  antif[uarische  Theil 
nicht  der  Hauptzweck  des  Buches,  doch  dieser  weder  oberÜächlich  noch 
unkritisch  behandelt  ist,  wie  denn  auch  in  dem  schmalen  ßaum  der 
Citate  mehre  Lebensjahre  des  Verfassers  begraben  liegen. 

Selbstverständlich  wurde  aber  der  vorliegenden  Ausgabe  niclit 
blos  das  durch  Ausgrabungen  wie  literarisch  neu  Hinzugekoinmene  ein- 
gefügt, sondern  die  Gelegenheit  der  ümarbeit  zu  Berichtigungen  und 
Verbesserungen  manigfacher  Art  benutzt.  Wenn  nicht  immer  (wie 
meistens)  die  mittlerweile  aufgetauchten  abweichenden  Annahmen  adop- 
tirt  worden  sind,  so  möge  man  dies  der  eigenen  langjährigen  Beschäf- 
tigung des  Verfassers  mit  dem  Gegenstande  zu  Gute  halten,  dem 
Vorurtheile  und  Verstocktheit  kaum  zum  Vorwurf  gemacht  werden 
können.  Leider  freilich  konnten  nicht  alle  Aenderungen  und  Zusätze 
im  Texte  selbst  angebracht  werden,  sondern  mussten  die  minder  wich- 
tigen Dinge  wie  die  resultatlosen  Controversen  auf  die  Schluss- 
anmerkungen verschoben  werden,  da  der  Verfasser,  wie  oben  erwähnt 
wurde,  etwas  eingeengt  war.  Auch  brachte  die  Art  der  Ergänzung 
eine  Fülle  von  Fesseln  mit  sich,  die  nicht  alle  ohne  einige  Ungleich- 
heit zu  bewältigen  waren.  Denn  völlig  neu  konnten  nur  die  Parthien 
von  S.  1—72,  99—102,  129—152,  161—168,  205—208,  225—236, 
249—252,  321—328,  353—392,  433—448,  481—496,  545—574  her- 
gestellt werden. 

Sprechen  die  textlichen  Neuerungen  wohl  für  sich  selbst,  so  ist 
hier  der  Ort,  den  neu  hinzugekommenen  graphischen  Theil  einigermassen 
zu  beleuchten.  Es  ist  dabei  weniger  von  den  neuen  Holzschnitten  zu 
reden ,  von  welchen  z.  B.  die  Ansicht  eines  Stückes  des  servischen 
Agger  (Fig.  58^)  von  dem  Verfasser  gezeichnet,  der  Plan  des  sog. 
Hauses  der  Livia  (Fig.  36),  wegen  einiger  Fehler  des  bisher  publicirten 


Vorwort  zur  zweiten  Ausgabe.  IX 

neu  von  demselben  aufgenommen,  der  Plan  und  Durchschnitt  des  an- 
geblichen Auditorium  des  Mäcenas  (Fig.  58^),  der  Monographie  von 
V.  Vespignani  u.  C.  L.  Visconti  entlehnt,  keiner  weiteren  Erläuterung 
als  der  im  Texte  gegebenen  bedarf,  während  bei  dem  Plan  der  Reste 
des  capitolinischen  Tempels  (Fig.  1)  vielleicht  entschuldigt  werden  wird, 
dass  den  Überbleibseln  der  Substruction,  wie  sie  Jordan  durch  L.  Schupmann 
aufnehmen  liess,  möglicherweise  verfrüht  ein  ungefährer  Tempelplan  auf- 
gezwängt ist,  weil  diess  für  jene  Leser,  die  Laien  im  Fache  sind,  unent- 
behrlich erschien.  Was  die  neuen  lithographischen  Tafeln  abgesehen 
von  der  selbstverständlichen  Abänderung  des  Stadtplanes  auf  den  Be- 
stand von  1877  betrifft,  so  kann  es  fürs  erste  nur  als  dankenswerth  er- 
scheinen, dass  Herr  Direktor  Gnauth  in  Nürnberg  verstattete,  die  von 
ihm  in  der  Florentiner  Sammlung  entdeckten  und  durchgezeichneten 
cinquecentistischen  Aufnahmen  der  drei  Tempel  von  S.  Nicola  in  Car- 
cere  (von  Bald.  Peruzzi?)  und  zwar  nach  seiner  eigenen  ebenso  fach- 
kundigen als  sorgfältigen  üebertragung  in  eine  saubere  moderne  Zeich- 
nung in  das  Werk  aufnehmen  zu  dürfen.  Die  schöne  Pittoreske  aus 
dem  angeblichen  Hause  der  Livia  auf  dem  Palatin,  kostspielig  durch 
Erwerbung  der  Original aquar eile  wie  durch  polychrome  Ausführung 
ist  der  speci eilen  Opferwilligkeit  des  Herrn  Verlegers  zu  verdanken. 
Bei  Herstellung  des  Palatinplanes  hat  sich  der  Verfasser  auf  die  Dar- 
stellung des  wichtigeren  Ausgrabungsgebietes  beschränken  zu  müssen 
geglaubt  um  bei  der  unüberschreitbaren  Grösse  des  Blattes  nicht  so 
viel  an  Dimensionen  zu  verlieren,  dass  die  Details  nicht  mehr  erkenn- 
bar oder  wenigstens  unklar  geworden  wären.  Es  ist  demselben  der 
auf  Rosa's  Aufnahmen  zurückgehende  Plan,  welchen  Visconti  und  Lan- 
ciani  ihrem  Palatinführer  beigegeben  haben,  zu  Grunde  gelegt,  doch  ist 
diesem  an  Ort  und  Stelle  manche  Correctur  zu  Theil  geworden,  und 
der  Hauscomplex  an  der  Westecke  neu  hinzugefügt.  Der  neue  Plan 
des  Forum  Romanum  ist  von  dem  Verfasser  mit  Unterstützung  des 
Ingenieurs  0.  Koch  in  Rom  neu  aufgenommen  worden,  was  ich  aller- 
dings nachträglich  bedauern  musste,  da  gleichzeitig  Ferd.  Dutert's  Plan 
(Le  Forum  Romain  Paris  1876)  erschien,  welcher  die  zeitraubende  und 
beschwerliche  Arbeit  überflüssig  machte.     Gleichwohl  blieb  ich  bei  dem 

F.  Heber,  Rom.  ]) 


X  Vorwort  zur  zweiten  Ausgabe. 

eigenen  Elaborate,  welches  wenigstens  an  manchen  Stellen  klarer  er- 
scheint, als  die  Dutert'sche  Aufnahme.  Auf  Grund  meines  Planes  ist 
dann  von  dem  bekannten  Architekturmaler  G.  Bauernfeind  in  München 
die  restaurirte  Ansicht  des  Forum  Roinanum  in  der  Kaiserzeit  herge- 
stellt worden,  wobei  übrigens  zu  bemerken  ist,  dass  die  Ehrensäule  im 
Vordergrunde  rechts  eine  Zugabe  des  Künstlers  ist. 

Endlich  ist  dem  Vorworte  selbst  eine  synoptische  Tafel  mit  den 
sicher  bestimmbaren  Resten  des  capitolinischen  Planes  beigegeben, 
welche  noch  einer  besonderen  Erörterung  bedarf.  Die  Zugrundelegung 
von  Jordan's  Forma  Urbis  Romae  ist  so  selbstverständlich,  wie  es  nur 
bei  einer  derartig  epochemachenden  Arbeit  sein  kann.  Doch  sah  sich 
Verfasser  zu  einigen  nicht  unwesentlichen  Abweichungen  von  der  sy- 
noptischen Tafel  Jordan's  gezwungen.  Leider  ist  kein  bestimmbares 
Stück  mehr  an  Ort  und  Stelle  gefunden  worden,  und  nach  den  Dar- 
stellungen der  letzten  Ausgrabungen  hinter  SS.  Cosma  und  Damiano  *) 
ist  wohl  auch  keine  Hoffnung  dazu  vorhanden.  Es  ist  demnach  die  Frage 
offen,  in  welcher  Orientirung  der  Plan  an  jener  Wand  befestigt  war, 
und  in  Beantwortung  dieser  Frage  muss  ich  von  Jordan,  wie  von 
Trendelenburg  **)  abweichen.  Ist  nemlich  der  Plan  für  die  Wand,  d.  h. 
für  verticale  Aufnahme  und  nicht  etwa  ursprünghch  für  ein  Paviment 
gemacht,  so  scheint  unzweifelhaft,  dass  für  die  Entscheidung  hinsichtlich 
der  ursprünglichen  Orientirung  die  Schrift  massgebend  sein  müsse. 
Und  zwar  in  dem  Grade,  dass  nicht  blos  nirgends  die  Schrift  für  den 
Beschauer  verkehrt  stehe,  sondern  auch  sonst  dem  Standpunkt  desselben 
entspreche.  So  zeigt  die  wiederholt  vorkommende  Stellung  der  Buch- 
staben senkrecht  untereinander  wie  bei  „Via  nova"  oder  „Circus  maxi- 
mus"  unzweifelhaft  an,  dass  die  annähernd  senkrechte  Lage  der  Zeile 
an  schmalen  Raumstreifen  den  Zeichner  veranlasste,  von  der  sonstigen 
Schreibweise  abzugehen,    während    auch  sonst  Abweichungen  von  der 


*)  E.  L.  Tocco,  Scavi  di  SS.  Cosma  e  Damiano.  Mon.  d.  I.  vol.  VIII  tv.  XL VIII  a.  Ann.  d. 
I.  d.  c.  a.  1867.  p.  408  sg.  mit  Anhang  von  W.  Henzen.  —  Gr.  B.  de  ßossi,  Le  tre  antichi  edi- 
fizi  componenti  la  cMesa  die  SS.  Cosma  e  Damiano.  Bull.  d.  arch.  crist.  Sett.  Ott.  1867.  —  Ur- 
lichs,  Sitzungsbericht  der  Münch.   Akademie,    Phil.  hist.  Cl.  1870.  S.   473. 

**)  Die  Orientirung  des  capitolinischen  Stadtplanes.  Arch.  Zeit.  1873  S.  14  fg. 


Vorwort  zur  zweiten  Ausgabe.  XI 

naturgemässen  Stelle  für  eine  Inschrift  wie  beim  Aquädiict  am  Cälius, 
bei  „Theatrum  Pompei"  u.  s.  w.  auf  das  Bestreben  hinweisen,  die 
Schrift  dem  Beschauer  möglichst  lesbar  hinzustellen.  Da  überdiess 
manche  Schriften  in  annähernd  entgegengesetzten  Linien  antipodisch 
gegeneinander  stehen,  wie  „Libertatis"  und  „Basilica  Julia"  einerseits 
und  „Theatrum  Marcelli'^  anderseits,  so  erscheint  es  beinahe  unerlässlich, 
die  Orientirung  so  zu  denken,  dass  die  Senkrechte  (also  jene  Linie, 
an  deren  Enden  wir  in  moderner  Kartographie  Nord  und  Süd  an- 
nehmen) der  Richtung  jener  sich  entgegenstehenden  Inschriften  ent- 
sprechend gelegt  werde. 

Diese  aber  würde  sich  so  stellen,  dass  sie  Südost  oben  und 
Nordwest  unten  zeigte.  Bei  dieser  Orientirung  allein  erscheint  keine 
Inschrift  verkehrt  und  es  stimmt  auch  sonst  die  Lage  aller  übrigen  In- 
schriften nach  den  oben  angegebenen  Gesichtspunkten  bis  auf  eine 
nemlich  die  der  Septa  Julia  nach  der  gewöhnlichen  Application  der 
bezüglichen  Fragmente.  Was  diese  betrifft,  so  steht  wegen  der  Gestalt 
der  Pfeilerdarstellung  fest,  dass  sie  nicht  etwa  durch  einfache  Umkehr- 
ung der  im  Texte  (S.  279)  oder  bei  Jordan  gegebenen  Zusammenstellung 
entsprechend  gemacht  werden  könne.  Dagegen  steht  es  keineswegs 
fest,  dass  die  kleineren  Fragmente  in  die  Linie  des  grösseren  erhaltenen 
Stückes  gehören,  da  es  nicht  blos  möglich  sondern  selbst  wahrscheinlich  ist, 
dass  die  Arkaden  der  Septa  mehrseitig  waren.  Es  muss  freilich  dahin 
gestellt  bleiben,  ob  eine  solche  Einbiegung  am  Nord-  oder  Südende 
oder  beiderseits  vorhanden  war,  ob  sie  rechtwinklig  war  oder  nicht, 
und  ob  die  Schriftfragmente  an  die  nördliche  oder  südliche  Querlinie 
zu  setzen  seien;  gewiss  aber  scheint  mir,  dass  wir  uns  durch  die  nicht 
gesicherte  Placirung  der  Septainschrift  nicht  zwingen  lassen  dürfen,  ab- 
solute Unmöglichkeiten  wie  die  Verkehrtstellung  der  Foruminschriften 
und  des  „Libertatis"  anzunehmen,  sondern  dass  vielmehr  die  Lage 
dieser  unzweifelhaft  richtig  locirten  Inschriften  uns  zwingen  müsse, 
bei  den  Septa  auf  einen  Ausweg  zu  denken. 

Mit  dem  vorliegenden  Vorschlage  soll  jedoch  keineswegs  be- 
hauptet werden,  dass  diese  Orientirung  eine  generelle  oder  rituelle  Be- 
deutung gehabt  haben  musste.     Auch  kann  nur  vermuthet  werden,  dass 


XII  Vorwort  zur  zweiten  Ausgabe. 

etwa  die  Axenlinie  des  Forum  Romanum,  die  Formation  des  Capitoli- 
nus,  Palatinus  mid  Aventinus  die  Richtung  der  drei  Zungen  des  Esquilinus, 
Viminalis  und  Quirinalis  u.  s.  w.,  welche  der  Axenlinie  von  SO.  nach 
NW.  in  ihren  Linien  annähernd  parallel  oder  rechtwinklig  entsprechen, 
auf  die  Wahl  dieser  Orientirung  gerade  für  den  Stadtplan  eingewirkt 
habe;  behaupten  will  jedoch  der  Verfasser  nichts  weiter  als  das  Factum. 

München  im  December  1878. 

Franz  Reber- 


INHALTSVERZEICHNISS. 


Seite 

Einleitung. 

Baugeschichte  des  allen  Rom 1 

Die  ßuinen  der  Stadt. 

I.  Der  Capitolinus. 

1.  Der  capitolinische  Tempel  und  die  Burg 65 

2.  Das  Tabularium 69* 

II.  Das  Forum.  Boraauum. 

3.  Der  Tempel  der  Concordia 75 

4.  Die  Aedicula  der  Fauslina 80 

5.  Der  Tempel  des  Vespasian 81 

6.  Die  sogenannte  Schola  Xantha 86 

7.  Die  Area  der  Dii  Consentes 88 

8.  Der  Tempel  des  Saturnus 91 

9.  Die  Graecostasis  (lulia) 96 

10.  Die  Rostra  der  spätem  Kaiserzeit 98 

11.  Der  Umhilicus  Romae  und  das  Miiiarium  aureum 99 

12.  Der  Triumphbogen  des  L.  Septimius  Severus 102 

13.  Das  (mamertinische)  Gefängniss 107 

14.  Die  nordöstliche  Langseite  des  Forum  (die  Basilica  Porcia,  der  Curiacomplex,  die  Basilica  Aemilia)  114 

15.  Der  Tempel  des  Antoninus  und  der  Faustina 129 

16.  Tempel  und  Rostra  Cäsar's,  der  Veslacomplex  und  andere  Reste 132 

17.  Der  Tempel  des  Castor  und  Pollux 136 

18.  Die  Substructionsmauern  hinter  dem  Castorterapel 142 

19.  Die  Basilica  lulia 142 

20.  Die  Ehrensäule  des  Phokas 147 

21.  Die  übrigen  Reste  des  Platzes  selbst 149 

m.  Die  Eaiserfora. 

22.  Das  Forum  lulium 155 

23.  Das  Forum  des  Augustus.  Der  Tempel  des  Mars  Ultor 158 

24.  Das  Forum  des  Nerva.    Die  Porticus  der  Minerva  (Lc  Colonnacce) 163 

25.  Das  Forum  Pacis 168 

26.  Das  Forum  des  Traianus 171 


XIV  Inhaltsverzeichniss. 

IV.  Das  Marsfeld.  Seite 

27.  Das  Grabmal  des  Bil.ulus .199 

28.  Reste  von  Wohngebäuden 201 

29.  Das  Theater  des  Marcellus 202 

30.  Die  Ueberreste   der  drei   Tempel   in  S.   Nicola  in   Carcere.     (Angeblich    die   Tempel   der  Pietas, 

Spes  und  luno  Sospila.) 205 

31.  Die  Porticus  der  Octavia.    Der  Tempel  der  luno 210 

32.  Die  Crypta  des  Baibus .220 

33.  Der  angebliche  Tempel  des  Mars 223 

34.  Der  angebliche  Tempel  des  Hercules  Custos 226 

35.  Das  Theater  des  Pompeius 228 

36.  Das  domitianische  (alexandrinische)  Stadium  (Piazza  Navona) 239 

37.  Der  Obelisk  auf  Piazza  Navona 241 

38.  Das  Pantheon 241 

39.  Die  Thermen  des  Agrippa 253 

40.  Der  Obelisk  auf  Piazza  della  Minerva 255 

41.  Der  Obelisk  auf  Piazza  della  Rotonda 257 

42.  Angeblicher  Tempel  des  Neptun 257 

43.  Reste  einer  unbekannten  Porticus 262 

44.  Der  Obelisk  auf  Monte  Citorio 262 

45.  Die  Ehrensäule  des  Antoninus  Pius 265 

46.  Die  Säule  des  Marcus  Aurelius 269 

47.  Die  Septa  lulia 276 

48.  Das  Strassendenkmal  der  Aqua  Virgo 281 

49.  Die  Reste  vom  Triumphbogen  des  Marc  Aurel 285 

50.  Das  Mausoleum  des  Augustus 287 

V.  Das  transtiberinisclie  Gebiet  und  die  Brücken  (Vaticanus,  laniculus.  Tiberinsel). 

51.  Die  älische  Brücke  (Ponte  S.  Angelo) 297 

52.  Das  Grabmal  des  Hadrianus 299 

53.  Die  Triumphalbrücke 308 

54.  Die  vaticanische  Brücke 308 

55.  Der  Obelisk  auf  Piazza  di  S.  Pietro 309 

56.  Die  aurelische  Brücke  (Ponte  Sisto) 312 

57.  Die  fabricische  Brücke  (Ponte  Quattro  Cajti) 314 

58.  Die  Tiberinsel  (Isola  di  S.  Bartolommeo) 317 

59.  Die  Brücke  des  Cestius  (Ponte  di  S.  Bartolommeo) 319 

59a.  Station  der  siebenten  Cohors  vigilum 321 

60.  Die  ämilische  Brücke  (Ponte  rotto,  ferrato) •  323 

61.  Die  muthmasslichen  Beste  der  Brücke  des  Theodosius  und  Valenlinianus  (angeblich  Sublicius)     .  326 

VI.  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palatinus  und  Aventinus. 
(Forum  Boarium,  Velabrum,  Vicus  Tuscus,  das  Thal  des  Circus  Maximus). 

62.  Der  angebliche  Tempel  der  Fortuna  Virilis  (S.  Maria  Egiziaca) 334 

63.  Der  mulhmassliche  Tempel  des  Hercules.  (Angeblicher  Tempel  der  Vesta.) 337 

64.  Der  Tempel  der  Ceres,  des  Liber  und  der  Libera  (S.  Maria  in  Cosmedin) 339 

65.  Der  lanus  Quadrifrons 343 

66.  Die  Ehrenpforte  des  L.  Septiuiius  Severus 345 


Inhal  tsverzeichniss.  XV 

Seite 

67.  Die  Cloaca  Maxima 347 

68.  Der  mutlimasslich  antike  Rundbau  von  S.  Teodoro 350 

69.  Der  Circus  Maximus 351 

VII.  Der  Palatinus. 

70.  Die  Ruinen  an  den  Abhängen  der  Nordweslhälfte  des  Palalin 373 

71.  Die  Ruinen  des  nordwesUichen  Plateau's 379 

72.  Die  Ruinen  der  südUchen  Höhe  des  Palatin 386* 

Vni.  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

74.  Der  Romuluslempel.    (SS.  Cosma  e  Damiano) 390* 

75.  Die  Basihea  des  Constanlin .  392* 

76.  Der  Triumphbogen  des  Titus 397 

77.  Der  Tempel  der  Venus  und  Roma 400 

78.  Das  Piedestal  des  neronischen  Kolosses 405 

79.  Das  flavische  Amphitheater  (Colosseum) 407 

80.  Die  Meta  Sudans 422 

81.  Der  Triumphbogen  des  Constanlin 423 

IX.  Der  Aventin  und  der  Cälius. 

82.  Das  Emporium 440 

83.  Reste  der  servischen  Mauer  an  der  Westseite  des  Aventinus 442 

84.  Die  servische  Mauer  in  der  Vigna  Torlonia 443 

85.  Die  Reste  der  Höhe  von  S.  Saba  und  S.  Balbina 444 

86.  Die  Thermen  des  Caraealla 445 

87.  Die  Columharien  der  Vigna  Codini i     ...  451 

88.  Das  Grabmal  der  Scipionen 455 

89.  Der  muthmassliche  Bogen  des  Drusus 461 

90.  Der  lateranische  Obelisk 462 

91.  Der  neronisehe  Zweigaquäduet 464 

92.  Der  Bogen  des  Dolabella  und  Silanus 464 

93.  Das  muthmassliche  Macellum.    (S.  Stefano  Rolondo) 465 

94.  Der  Obelisk  in  der  ehemaligen  Villa  Mattei 466 

95.  Die  Arcaden  bei  SS.  Giovanni  e  Paolo 467 

96.  Der  angebliche  Tempel  des  Claudius  .  ' 468 

X.  Die  Esquilien. 

97.  Die  Thermen  des  Titus 473 

98.  Ueberreste  der  neronischen  Aurea  Domus 475 

99.  Der  Bogen  des  Gallienus 481 

100.  Das  muthmassliche  Nymphäum  des  Alexander  Severus 483 

101.  Der  angebliche  Tempel  der  Minerva  Medica 485 

102.  Das  Sessorium  und  einige  Columharien 486 

103.  Das  angebliche  Auditorium  des  Mäcenas 488 

104.  Der  Agger  (Wall)  des  Servius  Tullius 491 

XI.  Die  CoUes.   Viminalis,  Quirinalis  und  CoUis  Hortorum  (Pincius). 

105.  Die  Thermen  des  Constantin 496 

106.  Die  Dioskuren  und  der  Obelisk  von  Monte  Cavallo 500 


XVI  Inhaltsverzeicbniss. 

Seite 

107.  Die  Thermen  des  Diocletian "  . 502 

108.  Die  salustischen  Gärten 506 

109.  Reste  der  servischen  Mauer  am  Quirinalis 509 

HO.  Der  Obelisk  vor  S.  Trinitä  de  Monti .     .     ^    .     .     .  510 

111.  Der  Obelisk  im  Giardino  del  Pincio 510 

112.  Der  Obelisk  auf  Piazza  del  Popolo 511 

Xn.  Die  aurelianische  Mauer. 

113.  Die  Porta  Flaminia  (Porta  del  Popolo) 516 

114.  Die  Porta  Pinciana 517 

115.  Die  Porta  Salaria 518 

116.  Die  Porta  Nomentana 519 

117.  Das  prätorianische  Lager 520 

118.  Die  Porta  clausa  und  die  Porta  Tiburtina  (di  S.  Lorenzo) 522 

119.  Strassen  bogen  der  Aqua  Marcia,  Tepula  und  Julia 524 

120.  Die   Porta   Praenestina   (Labicana)   oder   der  Strassenübergang  der  Aqua  Claudia   und  Anio  Nova 

(Porta  Maggiore) 528 

121.  Grabmal  des  Eurysaces  und  Ueberreste  anderer  Grabmäler 532 

122.  Das  Amphitheatrum  Castrense 533 

123.  Die  Porta  Asinaria 535 

124.  Die  Porta  Metronis 536 

125.  Die  Porta  Latina 537 

126.  Die  Porta  Appia  (Porta  S.  Sebastiano) 538 

127.  Die  Porta  Ardeatina  und  die  Porta  Ostiensis  (di  S.  Paolo) .  539 

128.  Die  Pyramide  des  Cestius  und  die  sich  anschliessende  Mauerlinie.  Monte  Teslaccio 540 

129.  Die  Porta  Aurelia  (Pancraziana) 543 

130.  Die  Porta  Septimiana 544 

XIII.     Die  Umgebung  Roms. 

Zusätze  und  Berichtigungen 561 


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Thermae  Antoiuittaiue 


Vetlacj  v.T.O.Weigel  in.  Leip  zig 


M.  lJü\.AiistY.W.Lo«iJletjr.Berlm 


Der  capitolinische  Plan 


Ballgeschichte  des  alten  Rom. 

Längst  ehe  die  Bewohner  des  Albaner-  und  Sabinergebirges  mit  den  Herren 
der  Campagna  di  Roma  in  jene  Kämpfe  geriethen,  welche  die  Bedeutung  Roms  be- 
gründeten,  ja  lange  bevor  überhaupt  eine  Stadt  in  dem  weiten  Umkreise  Latiums  sich 
erhob,  hatten  Berg  und  Thal  selbst  in  wildem  Naturkampfe  gegeneinander  gelegen. 
Im  Norden  und  Süden  rauchten  mächtige  Vulcane  und  ergossen  breite  Lavaströme  von 
beiden  Seiten  her  dem  Flusse  zu,  der  seine  trüben  Fluthen  durch  die  zwischenliegende 
sumpfige  Ebene  dahinwälzte.  War  aber  ein  grosser  Theil  der  Apenninenhalbinsel  da- 
mals in  Aufregung,  indem  zu  Füssen  jener  Essen  des  Vulcanus  durch  die  Stösse  ge- 
waltiger Eruptionen  der  Boden  erschüttert  nnd  umgestaltet,  bald  zerklüftet  und  gesenkt, 
bald  emporgedrängt  und  gehoben  wurde,  so  musste  in  den  feuchten  Niederungen  des 
Tiber,  wo  die  Flammenbäche  der  Vulcane  prasselnd  sich  kühlten,  der  Kampf  der  Ele- 
mente den  manigfachsten  Ausdruck  gefunden  haben.  Freilich,  kein  Augenzeuge  hat 
davon  berichtet,  ja  selbst  die  Tradition  scheint  in  frühester  historischer  Zeit  nichts  mehr 
davon  gewusst  zu  haben,  aber  wir  haben  die  ebenso  unzweideutigen  als  unverwüst- 
lichen Denkmäler  dieses  wohl  Jahrhunderte  währenden  Kampfes  noch  vor  uns,  und 
wie  wir  noch  mehre  Krater  verschiedener  Epochen  erkennen  und  deren  Lavaströme 
zu  verfolgen  vermögen,  so  finden  wir  mitten  unter  den  gleichförmigen  Lavawellen  auch 
frühere  vulkanische  Schöpfungen,  kahle,  meist  schroffe  Hügel  aus  einem  älteren  vulca- 
nischen  Gestein,  dem  Tuf,  welcher,  je  nach  seiner  Epoche  und  Zusammensetzung  von 
verschiedener  Farbe    und  Consistenz    fast  allenthalben   in  der  Campagna  zu  Tage  tritt. 

Wie  viele  Jahrhunderte  oder  Jahrtausende  vor  der  ersten  historischen  Kunde  es 
geschehen,  dass  der  nördliche  Krater  in  sich  zusammenbrach,  um  sich  für  immer  mit 
den  Wassern  des  sabalinischen  See's,  des  heutigen  Lago  di  Bracciano  zu  füllen,  oder 
dass  in  der  Mitte  des  gewaltigen  Kraters  des  südlichen  Vulcans  ein  neuer  vulcanischer 
Berg,  der  Mons  Albanus,  sich  erhob  und  die  kleinen  Feuerschlünde  zu   seinen  Füssen 

F.  Rebek,  Rom.  1 


2  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

durch  die  Wasser  der  Seen  von  Albano  und  Nemi  löschte,  wer  vermöchte  das  zu  be- 
rechnen!   Freilich  vs^ar  auch  in  historischer  Zeit    noch    nicht  jede  Regung  dieser  Vul- 
cane  erstorben.     Doch  dachte  Niemand  daran,  das  plötzliche  Steigen  des  Albanersee's 
während  der  Belagerung  von  Veji  mit  einem  neuen  Erwachen  des  vulcanischen  Bodens, 
dem  dadurch  bewirkten  Erguss  eines   bisher  verschlossenen   Zuflusses   oder   der  Ver- 
schliessung  eines  vorher  bestehenden  Abflusses  in  Verbindung  zu  bringen.     Es  begreift 
sich  daher  um  so    leichter,   dass  während   der  Tuf  des  Landes  ursprünglich   das   fast 
einzige  Baumittel   war,   während    man  auf  dem  Rücken    des   langen  Lavastromes,   der 
sich  vom  Albanergebirge  bis  zum  Grabmale   der  Cäcilia  Metella   ausser  einer  geringen 
Abweichung  gradlinig  hinzieht,  die  Via  Appia  anlegte,  und  überdiess  alle  Strassen  der 
Stadt  und  Umgegend  mit   den  Basaltpolygonen  pflasterte,   die  man  an  den  Lavawcllen 
selbst  brach.   Niemand  die  Natur  dieses  Gesteins  ahnte.     Uebrigens  war  der  vulcanische 
Grund,  wie  noch  jetzt,   fast  durchaus  mit  einer  Schichte  von  Humus  bedeckt,  zum  Theil 
in  solcher  Tiefe,   dass  die  üppigste  Vegetation  gedeiht,  zum  Theil  aber  so  dünn,  dass 
sie   den   Getreidebau    entweder   gar   nicht  verträgt   oder  wenigstens  unergiebig  macht 
und  nur  Weidewirthschaft  zulässt,   welch  letzterer  man  jetzt  in  der  Campagna  di  Roma 
leider  fast  anschliessend  huldigt. 

Die  gleichheitliche  Mischung  von  Acker-  und  Weidewirthschaft ,  welche  sich 
schon  mit  dem  ersten  Auftauchen  geschichtlicher  Nachrichten  findet,  war  sonach  nicht 
ohne  grosse  Ertragsgenügsamkeit  und  Anstrengung  durchführbar.  Allein  nur  der  Verein 
von  beiden  landwirthschaftlichen  Richtungen  machte  die  dichte  Bevölkerung  in  der  Tiberebene 
möglich,  welche  wir  von  der  frühesten  Zeit  an  erwähnt  finden,  und  welche  das  Maass 
der  gegenwärtigen  weit  überschritten  haben  musste.  Welches  Volk  es  nun  war,  das 
sich  zuerst  in  dieser  Gegend  niederliess,  wird  trotz  der  zahlreichen  vorgeschichtlichen 
N^otizen,  die  namentlich  Dionysios  von  Halicarnassos  überliefert  hat,  eine  unbeantwort- 
bare  Frage  bleiben.  Es  handelt  sich  auch  hier  nicht  um  die  Namen  jener  Urvölker, 
aus  deren  Verdrängung,  Verschmelzung  oder  Sonderung  die  Völkergruppen  hervorgin- 
gen, welche  wir  in  historischer  Zeit  finden.  So  viel  ist  gewiss :  lange  vor  dem  histo- 
rischen Rom  erhoben  sich  auf  allen  geeigneten  Höhen  Städte  oder  vielmehr  Flecken, 
insgesammt  befestigt  wegen  des  friedlosen  Zustandes,  der  durch  die  Berührung  ver- 
schiedener Nationalitäten  in  der  Mitte  Italiens  wenn  nicht  hervorgerufen  so  doch  unter- 
halten und  genährt  worden  war.  Von  solchen  schon  im  Anfang  der  historischen 
Zeit  verschwundenen  Städten  finden  sich  jetzt  noch  deutliche  Spuren,  wie  z.  B.  von 
Collatia,  dessen  Bestimmung  auf  einem  Hügel  in  der  zwischen  Rom  und  Tibur  am 
linken  Anioufer  jetzt  als  unumstösslich  gelten  kann,  und  von  Apiolä  (dessen  Namen 
jedoch  noch  gewichtige  Einwürfe  zulässt)  zur  Rechten  von  der  Via  Appia  zwischen 
dem  8.  und  9.  Meilensteine. 


Uralte  städtische  Ansiedliingen  in  der  Campagna.  3 

In  einer  Zeit  aber,  in  welcher  man  der  Anlage  einer  Stadt  in  der  Niederung 
ganz  und  gar  abgeneigt  war,  und  immer  zwar  massige  aber  möglichst  steil  abfallende 
Höhen  für  Niederlassungen  erkor  mussten  vor  allen  die  quellenreichen  Hügel  am  Tiber, 
welche  nachmals  Rom  einnahm,  für  Ansiedler  lockend  erscheinen,  sowohl  durch  ihre 
eigene  Beschaffenheit,  welche  die  Defensive  sicherte,  als  durch  den  unmittelbar  nahen 
Fluss,  welcher  ausser  dem  nicht  unwesentlichen  Schutze  sowohl  den  Angriff  auf  an- 
dere als  auch  den   friedlichen  Verkehr  erleichterte. 

Im  römischen  Volke  selbst  lebten  Traditionen  von  dem  Bestehen  uralter  vor- 
romulischer  Gemeinden  auf  einzelnen  der  sieben  Hügel.  Da  man  jedoch  hierin  nichts 
Sicheres  wusste,  so  half  der  Mythus  aus,  der  rein  etymologischer  Natur  war,  gemacht 
aus  sonst  unerklärlich  scheinenden  Lokalnamen.  So  soll  lanus  auf  dem  Hügel  jenseits 
des  Tiber  die  Burg  laniculum,  für  welche  überdies  ein  alter  griechischer  Nebenname, 
Anlipolis,  sich  findet,^  Saturnus  auf  dem  nachmals  Capitolinus  genannten  Hügel  Salnr- 
nia  gegründet  haben.  ^  So  mussten  es  auch  Arkader  gewesen  sein,  welche  später  un- 
ter Evander  auf  dem  Palatinus  sich  niederliesscn,  um  den  alten  Namen  dieses  wohl 
wahrscheinlicher  von  palcs  (Weideplatz)  benannten  Berges,  Palanteum,  mit  der  gleich- 
namigen arkadischen  Stadt  in  Verbindung  zu  bringen.  ^  Im  Allgemeinen  wird  auch  sonst 
von  vorromulischen  Ansiedelungen  auf  den  Hügeln  der  ewigen  Stadt  häufig  gespro- 
chen, *  und  namentlich  in  dem  Feste  SeptimonUum  scheint  eine  Erinnerung  an  einen 
vorromulischen  Gemeindeverein  zu  liegen,^  bei  welchem  Verein  jedoch  auf  den  Wort- 
laut nicht  zu  viel  Gewicht  zu  legen  ist,  denn  unter  den  sieben  Stätten  war  wenigstens 
die  Subura  nach  der  späteren  Bedeutung  des  Namens  sicher  kein  Hügel.  Wenn  sich 
allerdings  gegen  solche  Notizen,  abgesehen  von  der  mythischen  Form  der  Ueberliefe- 
rung,  einwenden  lässt,  dass  sie  aus  dem  Bestreben,  das  Bestehen  Roms  in  eine  mög- 
lichst hohe  Zeit  hinaufzuschrauben,  sowie  aus  der  Absicht,  mit  Hellas  Anknüpfungs- 
punkte herzustellen,  hervorgingen,  so  erlaubt  es  doch  die  Natur  der  Sache,  anzuneh- 
men, dass  man  einen  so  günstigen  Platz  nicht  bis  in  die  angebliche  Zeit  des  Romu- 
lus  unbesetzt  gelassen  habe,  während  nachweislich  ringsum  auf  weniger  vortheilhaften 
Höhen  Städte  —  wenn  man  sie  so  nennen  kann  —  gegrivndet  wurden. 

Die  Aeneassage  kann  man  füglich  auf  gleiche  Linie  stellen,  wie  die  von  Evan- 
der. Hier  erscheint  jedoch  neben  dem  Bestreben,  die  Anfänge  Roms  zu  hellenisiren, 
noch  die  Sucht  nach  Genealogien,  welche  überhaupt  zu  Ende  der  römischen  Republik 


1  Plin.  H.  N.  III.  5,  9,  68.  2  virgil.  Aen.  VIII.  v.  357  sq.     Serv.  ad  Virg.  Aen,  v.  319.         3  Liv. 

I.  5.     Dionys.  I.  31.     Virg.  Aen.  VIII.   v.  52  sq.     Serv.  ad  I.  c.  *  Varro  L.  L.  V.  8,  17.    Dionys.  I.  72. 

73.  Plin.  H.  N.  1.  c.  Dio  Cass.  fgm.  Vales.  3.  Serv.  ad  Virg.  Eclog.  1.  v.  20.  Aen.  VII.  v.  678.  (Salust.) 
Fest.  B.  V.  Roinam  s.  v.  Saturnia.  »  Varro  L.  L.  V  7.  13.  Ms.  Florent.  (Nieb.)  (in  den  meisten  Hdschr.  cor- 
rumpirt.  cf.  Spengel  V.  5,  12  et  7,  13.)    Fest.  s.  v.  Sacrani. 

1* 


4  ßaugeschichte  des  alten  Rom. 

der  Stammbaumsucht  des  vorigen  Jahrhunderts  in  nichts  nachgestanden  zu  sein  scheint. 
Und  dass  man,  nachdem  schon  vorher  die  Aeneas  -  und  Romulussagen  in  der  römischen 
Urgeschichte  die  populärsten  geworden  waren,  namentlich  in  der  ersten  Kaiserzeit  mit 
Vorliebe  die  ( hne  Zweifel  fingirte  Königstafel  der  Aeneiden  entwickelte,  erklärt  sich 
leicht  aus  dem  Umstände,  dass  Cäsar  selbst  sein  Geschlecht  durch  Aeneas  mit  Aphro- 
dite in  Verbindung  zu  setzen  beliebte. 

Als  selbständig  organisirler  Staat  erscheint  die  Ansiedelung  in  der  Ueberliefe- 
rung  ert  mit  Romulus,  einem  angeblichen  Descendenten  aus  dem  Geschlecht  der  Ae- 
neiden. Doch  auch  von  diesem  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  man  unter  seinem  Na- 
men nur  den  verkörperten  Zeitpunkt  der  Entstehung  eines  Staates  im  eigentlichen  Sinne 
zu  verstehen  habe,  ein  Gedanke,  der  jedoch  keineswegs  der  neueren  Zeit  angehört, 
indem  schon  im  Alterthume  die  Ableitung  seines  Namens  von  Roma  erwähnt  wird.  ^  Da- 
mit muss  die  althergebrachte  und  unzähligemal  recitirte  Gründungs-  nnd  Stadtbenen- 
nungsgeschichte fallen.  Romulus  ist  übrigens  nicht  die  einzige  der  von  dem  Stadtna- 
men abgeleiteten  Personificationen:  es  finden  sich  mehrfache  Erwähnungen  eines  Romus, 
der  in  unmittelbare  Verbindung  mit  Aeneas,  somit  chronologisch  höher  hinaufgesetzt 
wird,  von  welchem  angeblich  die  Stadt  ihren  Namen  erhalten  haben  soll.  ^  Mehre  an- 
dere bezeichnen  die  Hierin  Rome  oder  eine  Göttertochtcr  und  Seherin  gleichen  Namens 
als  Namengeberin.  ^  Wenn  wir  nun  den  Romus  und  die  Rome  ebenso  wie  den  Romu- 
lus nur  als  Personificationen  des  Stadtnamens  betrachten,  so  bleibt  die  Erklärung  des 
letzteren  wieder  unerledigt.  Die  bisherigen  Versuche  haben  auch  die  Frage  keineswegs 
zum  Abschluss  gebracht.  Ganz  unwarscheinlich  ist  es,  im  Anschluss  an  eine  alte 
Notiz  ^  dabei  an  „pW|U/y"  (Kraft)  zu  denken,  sowohl"  wegen  der  Ferne  griechischen  Ein- 
flusses, als  auch  wegen  der  Ungewöhnlichkeit  allegorischer  Renennungen  von  Städten 
in  Italien.  Mommsen  vermuthet,  dass  sich  der  Name  aus  „rama"  —  Zweigstaat  — 
gebildet  habe:  am  wahrscheinlichsten  bleibt  es,  mit  anderen  Autoritäten  den  Namen 
von  rumis  oder  ruma  (die  säugende  Rrust  oder  eine  andere  Anschwellung)  abzuleiten, 
was  jedoch  nicht,  wie  dies  im  Alterthume  geschah,  ^  auf  die  Säugung  des  Romulus 
und  Remus  durch  die  Wölfin  zu  beziehen  sein  dürfte,  welcher  Mythus  eher  umgekehrt 
aus  dem  Namen  entstanden  ist,  sondern  vielmehr  auf  die  brustähnliche  Gestalt  der  bei- 
den urrömischen  Hügel,  sowohl  des  Capitolinus  mit  seinen  Doppelkuppen  als  auch  des 
ähnlich  getheilten  Palatinus  an  und  für  sjch,  wie  nicht  minder  dieser  beiden  Hügel  zu- 
sammen. Die  Vereinigung  von  Palatinus  und  Capitolinus  zu  einer  Stadt  schreibt  auch 
die  Ueberlieferung  dem  Romulus  zu. 


1  Serv.  ad  Virg.  Eclog.  I.  20.  2  Kephalon  Gerg.    ap  Dionys.  I.  72.     Apollod.  ap.  Fest.  s.  v.  Eomam. 

3  Dionys.  1.  c.  Marinus  ap.  Serv.  in  Virg.  Ecl.  I.  v.  20.     Galatas  ap.  Fest.  1.  c.       *  Fest.  (Paul.)  s.  v.  Komulus. 
« Fest.  1.  c. 


Gründungssagen.     Ursprüngliches  Stailtgebiet.     Latiner,   Sabiner,  Etrusker.  5 

Ursprünglich  aber  war  seine  jedenfalls  latinische  Stadt  auf  den  Palatinus  be- 
schränkt, einen  Hügel  von  nur  2000  Meter  im  Umfange.  Auf  dem  gegenüberliegenden 
Capitolinus  scheint  damals  eine  sabinische  Niederlassung  festen  Fuss  gefasst  zu  ha- 
ben. Die  Unmöglichkeit  ihrer  Vertreibung  führte  zuletzt  zu  dem  Auskunftsmittel  fried- 
licher Verschmelzung,  und  als  damit  die  nationale  Einheit  einmal  aufgegeben  war, 
konnte  sich  leicht  ein  Freistaat  entwickeln,  der  durch  sein  geheiligtes  Asyl  auf  dem 
capitolinischen  Hügel  auch  Flüchtlingen  anderer  Völkerschaften  einen  Zufluchtsort  dar- 
bot. Mochten  aber  von  dem  Asylrecht  auch  fernere  Stämme  gelegentlich  Gebrauch  machen, 
die  Hauptbestandtheile  der  Bevölkerung  der  sich  rasch  vergrössernden  Stadt  lieferten 
die  drei   Nationen,  welche  sich  am  Tiber  berührten,  die  Latiner,  Sabiner  und  Etrusker. 

Wie  der  Kern  der  römischen  Ansiedelung  aus  Latinern  bestand,  so  auch  ent- 
schieden der  meiste  Zuwachs.  Das  nächstbedeutende  Element  waren  die  Sabiner.  An 
dritter  Stelle  stehen  die  Etrusker,  welche,  obwohl  in  staatlicher  Beziehung  fast  ohne 
sichtbaren  Einfluss,  doch  in  Hinsicht  auf  Cult  und  Kunst  und  deshalb  für  unsere  Be- 
trachtung von  höchster  Bedeutung  waren.  Was  die  etruskische  Kunst  betrifft,  so  ist 
zwar  in  neuester  Zeit  sowohl  ihr  Werth  überhaupt,  als  auch  ihre  Geltung  in  Bom  über 
die  früiiere  Schätzung  herabgesetzt  worden,  allein  um  zu  belegen,  dass  der  Kunstbe- 
trieb in  Bom  in  den  ersten  Jahrhunderten  der  Stadt  in  den  Händen  der  Etrusker  war, 
dafür  würden  schon  die  einzigen  Worte  Varro's  ausreichen :  ^^ante  hanc  [CererisJ  aedem 
Tuscanica  omnia  in  aedibus  fuisse"^  Denn  der  Cerestempel,  welcher  17  Jahre  nach 
der  Vertreibung  der  Könige  geweiht  wurde,  ^  war  der  erste,  der  von  griechischen  Bild- 
hauern und  Malern  ausgeschmückt  wurde.  Merkwürdig  ist  jedoch,  dass  der  Tempel 
selbst  von  Vitrnv  als  (tuscischer?)  Aräostylos  d.  h.  als  weitsäuliger  bezeichnet  wird,  ^ 
woraus  abzunehmen  ist,  dass  man  in  der  Architektur  an  der  tuscischen  Anlage  noch 
festhielt,  welcher  unter  anderen  nachweislich  auch  der  kurz  vorher  vollendete  bedeu- 
tendste Tempel  Boms,   der  des  capitolinischen  Jupiter,  angehörte.  ^ 

Ueber  die  Gestalt  der  Stadt  in  der  romulischen  Zeit  (zweite  Hälfte  des  8.  Jahrh. 
v.  Chr.)  sind  uns  nur  dürftige  Züge  überliefert.  Die  palatinische  Stadt,  die  Roma  qua- 
draia^'^  war  für  sich  mit  einer  Mauer  umgeben,  welche  durch  drei  oder  vier  Thore 
unterbrochen  war,  **  an  den  zugänglicheren  Stellen  gewiss  auch  der  Capitolinus.  Von 
der  palatinischen  3Iauer  glaubt  man  sogar  Ueberreste  in  fünf  einzelnen  Mauerstücken 
ursprünglicher  Fügung  an  verschiedenen  Stellen  des  Palatin  gefunden  zu  haben,  von 
welchen  im  Laufe  der  Besciireibung  ausführlicher  die  Bede  sein  wird.  Der  Thalein- 
schnitt zwischen  den  beiden  Hügeln  bestand  aus  einem  Sumpfe,  noch  früher  aus  einem 
See,  und  es  finden-  sich  noch  sagenhafte  Anklänge  an  eine  Zeit,  in  welcher  man  das 

1  Plin.  H.  N,  XXXV.  12,  45,  154.      2  Dionys.  VI.  94.      ^  Vitniv.  III.  3,  27.       <  Liv.  I.  56.     Vitruv.  1.  c. 
*  Varro  ap.  Solin.  I.  17.      ^  pijn.  H.  N.  III   5,  9,  66.     Das  Nähere  bei  der  BeschreibuDg  des  Palatin  selbst. 


Q  Baugeschichte  des  allen  Rom. 

Velabrum  auf  Kähnen  überfuhr.^  An  der  Stelle,  an  welcher  sich  die  Thalsohle  gegen 
Norden  hin  etwas  hob,  in  der  Gegend  des  späteren  Forum  scheint  jedoch  der  Boden 
schon  seit  Roms  Anfängen  trocken  und  zugänglich  gewesen  zu  sein.  Hier  war  der  ge- 
meinsame Marktplatz  eingerichtet  und  ein  Theil  desselben  für  das  Comitium  abgegränzt, 
der  Platz,  auf  welchem  ursprünglich  die  Häupter  der  beiden  Stämme,  der  Latiner  und 
Sabiner  (Romulus  und  T.  Tatius)  zur  gemeinschaftlichen  Berathung  zusammengetreten 
sein  sollen  CcomireJ.'^ 

Das  Innere  der  Doppelstadt  aber  musste  ein  sehr  ärmliches  Aussehen  gehabt 
haben.  Der  angebliche  Palast  des  Romulus,  der  bis  in  späte  Zeit  als  Nationalheilig- 
thum  unterhalten  wurde,  war  eine  strohbedeckte  Hütte,  ^  und  wenn  wir  auch  mit  Recht 
bezweifeln,  dass  Romulus  wirklich  der  Besitzer  war,  so  erlaubt  uns  doch  die  Antiquität 
einen  Schluss  auf-  die  Beschaffenheit  der  Wohngebäude  des  ursprünglichen  Rom  im 
Allgemeinen.  Solider,  wenn  auch  einfach  und  verhältnissmässig  schmucklos  dürften 
jedoch  die  ersten  Tempel  gewesen  sein,  von  welchen  der  neuerlich  auch  wieder  lokal 
nachgewiesene,  angeblich  von  Romulus  erbaute  Tempel  des  Jupiter  Stator  der  bedeu- 
tendste gewesen  sein  mag;  auf  Ringmauern  und  Tempel  scheint  sich  jedoch  der  Stein- 
bau beschränkt  zu  haben. 

Der  Palatin,  welcher  ein  ziemlich  geräumiges  und  nur  durch  eine  leichte  Ein- 
senkung  getheiltes  Plateau  darbot,  war  offenbar  für  eine  städtische  Ansiedelung  weit 
geeigneter,  als  der  gegenüberliegende  Capitolin,  welcher  schon  durch  seine  Gestalt 
mehr  zur  Burg  als  zur  eigentlichen  Stadt  sich  qualificirte.  Denn  ohne  bequemen  Raum 
für  eine  Niederlassung  darzubieten,  erhebt  sich  dieser  in  zwei  Spitzen,  die  durch  eine 
ziemlich  tiefe  Einsattelung  getrennt  sind.  Die  letztere  ist  nur  so  gross,  dass  sie  jetzt 
den  drei  Gebäuden,  welche  das  moderne  Campidoglio  ausmachen,  dem  Senatorpalast, 
dem  capitolinischen  Museum  und  dem  Conservatorenpalast  Raum  giebt,  während  die 
südliche  Höhe  vom  Palazzo  Caffarelli  und  den  wenigen  Häusern  der  via  di  Monte  Ca- 
prino,  und  die  nördliche  von  Kirche  und  Kloster  S.  Maria  in  Araceli  fast  vollends  be- 
deckt sind.  Die  südliche  Höhe,  fiel  an  den  drei  freien  Seiten  in  grossentheils  nackten 
Tufwänden  schroff  ab,  was  sich  jetzt  natürlich  durch  den  hinabrollenden  Schutt  an  ei- 
nigen Stellen  verändert  hat.  Die  nördliche  Höhe  aber  (die  Höhe  von  Araceli),  welche 
die  andere  etwas  überragt,  hing  ursprünglich  durch  eine  sanfte  Abdachung,  die  jedoch 
Trajan  bei  der  Anlage  seines  Forum  abgraben  Hess,  mit  dem  Quirinalis  zusammen. 
Von  dem  letztgenannten  mit  dem  zu  engen  Capitolin  in  Verbindung   stehenden  Hügel 


1  Varro  L.  L.  V.  7,  14.  TibuU.  IL  el.  5.  v.  33  sq.  Propert.  IV.  el.  9.  v.  5  sq.  .  ^  Plutarch.  Eomul.  19. 
3  Dionys.  I.  79.  cf.  Plut.  Eom.  20.  Vitruv.  II.  1,  5,  der  freilich  irrig  den  Capitolinus  als  die  Stätte  der  Eo- 
mulushütte  angiebt.  Sie  wird  noch  in  nachconstantinischer  Zeit  als  existirend  erwähnt.  Notitia  und  Curio- 
sum  ü.  E    Eeg.  X, 


Besetzung  der  sieben  Hügel.  7 

nahmen  auch  die  Sabiner  einen  Theil  in  Besitz,  ^  sei  es  nun,  dass  die  Besetzung  des 
Capitolinus  voranging,  oder  die  der  beiden  Hügel  gleichzeitig  war,  oder  dass,  wie  Nie- 
buhr^  wahrscheinlich  macht,  die  Sabiner  vom  Quirinalis  als  vorher  gewonnenem  Punkte 
aus  sich  des  Capitolinus  bemächtigten,  wonach  die  launisch- sabinische  Doppelstadt 
schon  in  der  sogenannten  romulischen  Zeit  über  drei  Hügel  sich  erstreckt  hätte.  Auch 
soll  schon  Romulus  theilweise  den  Caelius,  der  von  dem  Eichönwalde,  mit  dem  er  be- 
deckt war,  Querquetulanus  hiess,  ^  besetzt  haben,  indem  er  ihn  seinen  angeblichen 
Verbündeten,  einer  Schaar  Etrusker  unter  Caeles  Vibenna  oder  Caelius  Vibennus  ein- 
räumte. ^  Andere  Nachrichten  setzen  (wohl  mit  Unrecht)  diess  Ereigniss  in  eine  spätere 
Zeit,  nemlich  in  die  des  Tarquinius  Priscus;  in  welchem  Falle  die  Besetzung  des  Cae- 
lius durch  die  Bewohner  des  durch  Tullus  Hostilius,  den  dritten  König  Roms,  zerstör- 
ten Alba  Longa  ^  vorausgegangen  und  ohne  Bestand  gewesen  wäre  So  viel  ist  we- 
nigstens sicher,  dass  der  Caelius  in  romulischer  Zeit  noch  ohne  städtische  Mauerab- 
gränzung  war.  Noch  weniger  aber  kann  der  Aventinus  in  den  Kreis  der  romulischen 
Stadt  gezogen  werden,  wenn  auch  erwähnt  wird,  dass  Romulus  ihn  schon  vor  dem 
sabinischen  Kriege  befestigt  habe.  "^  Denn  abgesehen  davon,  dass  diese  frühe  Zeit  der 
Befestigung  in  einigen  Zweifel  gezogen  werden  kann,  halte  dieselbe  ausgespro- 
chenermaassen  nur  den  Zweck,  für  die  Zeit  einer  feindlichen  Invasion  den  Landleuten 
und  den  Heerden  vorübergehenden  Schutz  zu  gewähren.  Eine  wirkliche  Ansiedelung 
auf  dem  Aventin  wird  dem  vierten  Könige,  Ancus  Marcius,  zugeschrieben.  ' 

Des  Romulus  Nachfolger  Numa  Pompilius  befestigte  den  qnirinalischen  Hügel, 
der,  vom  Capitolinus  an  zuerst  in  nördlicher  Riclitung,  dann  östlich  sich  hinziehend,  an 
den  ausgedehnteren  Höhenrücken  sich  anschliesst,  von  welchem  noch  zwei  andere  Hügel 
Roms,  der  V'iminalis  und  der  Esquilinus,  die  Ausläufer  sind.  Tullus  Hostilius,  der  dritte 
König  Roms  und  Zerstörer  von  Alba  Longa,  führte  das  unterworfene  Volk  von  dort 
nach  Rom  und  gab  ihm,  Avie  schon  erwähnt,  den  Caelius  als  Niederlassung.  Dieser 
Hügel  ist  durch  ein  schmales  Thal,  dessen  Richtung  durch  die  Via  di  S.  Gregorio  be- 
zeichnet wird,  von  dem  östlichen  Abhänge  des  Palatin  getrennt  und  erstreckt  sich  in 
einem  Umfange  von  5000  Meter  ostwärts  mehrfach  eingebuchtet  bis  an  die  Aurelians- 
mauer.  Im  Widerspruche  mit  der  Angabe  des  Dionysius  wird  indess  anderwärts  '^  die 
Ummauerung  dieses  Hügels  erst  dem  Nachfolger  des  genannten  Königs,  dem  Ancus  Mar- 
cius zugeschrieben.  Dieser  soll  auch^  nachdem  er  Tellenae  und  Politorium  und  andere 
Städte  eingenommen  hatte,  mit  den  Unterworfenen  den  fünften  Hügel  Roms  bevölkert 
haben,    nemlich  den  Aventin,  ^  welcher  von  dem   südwestlichen   Abhang  des  Palatinus 

iDionys.  II.  50.  2  Nicbuhr,  Eöm.  Gesch.  I.  S.  321  fg.  cf.  Strabo  V.  3.  7.  3  Tacit.  Annal.  IV.  65. 
<  Varro  L.  L.  V.  8,  14.  Dionys.  II.  36.  Paul.  Diac  s.  v.  Caelius  luons.  «  Dionys.  III.  1.  Liv.  I.  30. 
6  Dionys.  II.  37.      7  Dionys.  III.  43.  Liv.  I.  33.       »  Strabo  V.  3,  7.      »  Dionys.  III.  43.      Liv.  I.  38. 


8  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

durch  das  Thal  des  Circus  geschieden  ist  und  im  Osten  vom  Tiber  bespült  wird.  Die 
Nachricht  von  dieser  Bevölkerung  des  Hügels  ist  sehr  bedenklich;  vs'enn  sie  jedoch 
richtig  ist,  so  hatte  jedenfalls  diese  Ansiedelung  keine  Bedeutung:  denn  im  J.  298  d. 
St.,  456  V.  Chr.,  kurz  vor  der  Decemviralherrsohaft,  war  der  Hügel  noch  grösstentheils 
ager  publictis,  als  die  lex  Icilia  de  Aventino  publicando  ihn  der  Plebs  zur  Niederlas- 
sung überliess,^  Merkwürdig  ist  überdiess,  dass  der  Aventin,  selbst  nachdem  er  durch 
die  gemeinsame  Stadtmauer  in  den  Stadtbezirk  gezogen  worden  war,  vom  Pomoerium 
ausgeschlossen  blieb,  in  welches  ihn  erst  Kaiser  Claudius  aufnahm,  was  keinen  andern 
Sinn  haben  kann,  als  dass  man  den  Hügel  nicht  als  einen  integrirenden,  gleichberech- 
tigten Stadttheil,   sondern   vielmehr  als  eine  Art  von  vorstädtischem  Gau  betrachtete.^ 

Während  bisher  diese  fünf  Hügel,  wie  es  scheint  jeder  für  sich,  selbständig  be- 
festigt waren,  unternahm  es  des  Ancus  Nachfolger  Tarquinius  Priscus,  die  gesammten 
unter  der  Autorität  der  palatinischen  Römer  verbündeten  Gemeinden  durch  eine  ge- 
meinsame Mauer  zur  einigen  Stadt  zu  erheben.  ^  Dem  Tarquinius  Priscus  wird  jedoch 
nur  ein  geringer  Antheil  an  der  Ausführung  dieses  Unternehmens  zugeschrieben,  da 
dieses  schon  im  Beginne  durch  einen  Sabinerkrieg  unterbrochen  worden  sein  soll. 
Erst  des  älteren  Tarquinius  Nachfolger  Servius  Tullius,  der  auch  den  Rest  des  quiri- 
nalischen  Hügels,  den  Viminalis  und  den  Esquilinüs,  der  Stadt  einverleibte,  brachte 
das  Werk  zu  Stande.'*  Wie  die  alten  Namen  des  Caelius  und  Aventinus,  nemlich  Quer- 
quetulanus  und  Murcus,  ^  von  dem  sie  bedeckenden  Gehölz,  Eichen  und  Myrthen,  her- 
rühren, was  allerdings  bei  dem  letzteren  nicht  unbestritten  ist,  so  deuten  wohl  auch 
die  Namen  der  beiden  letztaufgenommenen  Hügel  auf  Wälder  von  Wintereichen  [esculnsj 
und  Weiden  (vimen,  salix  vimhialisj.  ^  Der  Quirinalis  aber  soll  früher  den  Namen 
Agonus,  gehabt  haben, '  über  dessen  Bedeutung  es  an  Nachweisen  fehlt.  Die  Befe- 
stigung dieser  drei  letzten  Hügel,  welche  nordöstlich  miteinander  in  Verbindung  stehen, 
verstärkte  an  der  Ostseite  noch  der  letzte  der  sieben  Könige,  Tarquinius  Superbus,  ^ 
da  wo  Plinius  den  stattlichen  Wall  vorzüglich  bewundert. '^ 

Wenn  schon  Dionys  sagt,  ^"^  dass  man  bereits  zu  seinerzeit  die  Linie  der  ser- 
vischen  Befestigung  nicht  mehr  genau  verfolgen,  sondern,  da  sie  unter  den  Gebäuden 
des  sich  immer  mehr  erweiternden  Rom  verschwunden  und  als  unbrauchbare  Antiquität 
grossentheils  abgetragen  war,  nur  annähernd  vermuthen  könne,  so  kann  natürlich 
in  unseren  Tagen  ihr  Lauf  im  Einzelnen  noch  weniger  genau  angegeben  werden. 
Die  Schwierigkeit  ist  aber   insbesondere  bei  den  Thoren  gewachsen,   da  in    den  mo- 


1  Dionys.  X.  31.  32.  Liv.  III.  31.  32.  2  Qell.  XIII.  14  .  3  Dionys.  III.  67.  Liv.  I.  36.  38.  Aurel.  Vict. 
de  vir.  111.  6.  *  Strabo  1.  c.  Liv.  I.  44.  5  Paul.  Diac.  s.  v.  Murciae.  e  Vano  L.  L.  V.  8.  §  16.  Juvenal. 
Sat.  IIT,  V.  71.  Fest.  s.  v.  Viminalis.  '  Pest.  s.  v.  Quirinalis.  Paul.  Diac.  s.  v.  Agoniuni.  ^  Dio^yg  jy  54^ 
»Plin.  H.  N.  III.  5,  9,  67.       jo  Dionys.  IV.  13. 


Gang  der  servischen  Mauer.  9 

dernen  Rom  auch  die  Strasseiilinien  vielfach  gewechselt  haben.  Doch  lässt  sich 
der  Zug  der  servischen  Mauer  aus  dem  Zusammenhalt  der  classischen  Notizen  vs^enig- 
stens  theilweise  noch  mit  Bestimmtheit  nachweisen,  ^  wie  denn  auch  die  neuesten  Aus- 
grabungen noch  manchen  Rest  als  Anhalt  und  Beleg  zu  Tage   gefördert  haben. 

Nur  ein  verhältnissmässig  schmaler  Theil  des  servischen  Stadtbezirks,  die  Thal- 
ebene zwischen  dem  tarpeischen  Fels  und  dem  Aventin  stiess  an  den  Tiber,  und  hier 
fehlte  die  Mauer,  als  durch  den  Schutz  des  Flusses  entbehrlich,  gänzlich.  Am  Nordendc 
dieser  Flussgränze  begann  die  Mauer  zwischen  Ponte  rotto  und  der  Via  della  Con- 
solazione  d.  h.  zwischen  zwei  antiken  Marktplätzen,  dem  Forum  boarium,  welches  im 
Innern,  und  dem  Forum  olitorium,  welches  ausserhalb  lag.^  Nahe  am  Ufer  befand  sich 
ein  Thor  die  Porta  Flumentana.^  Wenn  es  dann  überhaupt  eine  Porta  triumphalis  ge- 
geben hat,  die  jedoch  keine  Verkehrsbedeutung  gehabt  haben  und  nur  bei  Triumphal- 
festlichkeiten geöffnet  worden  sein  konnte,  so  lag  diese  nicht  weit  davon.*  Sehr  wich- 
tig für  den  Verkehr  war  dagegen  die  häufig  erwähnte,  am  südwestlichen  Fasse  des 
Capitols  liegende  Porta  Carmentalis,  von  welcher  aus  der  Vicus  jugarius  nach  dem  Fo- 
rum Romanum  führte.  Nun  stieg  die  Mauer  bei  der  Mündung  der  Via  di  Monte  Ca- 
prino  zur  halben  Höhe  des  Capitoliums  hinan  und  umzog  diesen  Hügel  an  der  Nord- 
westseite bis  zum  Grabmal  des  Bibulus.  Thor  und  Aufgang  hatte  der  Berg  an  dieser 
Seite  wohl  über  ein  halbes  Jahrtausend  nicht,  bis  der  servische  Mauerring  als  ohne 
strategischen  Werth  auflässig  geworden  war,  und  die  immer  dichtere  Besetzung  des 
Marsfeldes  in  der  Kaiserzeit  wenigstens  einen  Treppensteig  auch  an  der  Nordseite  un- 
entbehrlich machte.^ 

Südlich  vom  Bibulusgrabe,  welches  nach  altem  römischen  Gesetze  ausserhalb 
des  Stadiringes  sein  musste,  zweigte  die  Mauer  wieder  vom  Capitol  ab,  und  bildete, 
wie  die  Ausgrabungen  des  Jahres  1862  anlässlich  der  Tieferlegung  der  Via  di  Marforio 
ergeben  haben,  zwischen  81  C  und  81  E  dieser  Strasse  wieder  ein  Thor,  die  Porta 
Ralumena.*^  Nun  überschritt  sie  die  ursprünglich  sanft  abdachende  und  erst  durch  Traian 
beträchtlich  tiefer  gelegte  Einsenkung  zwischen  Capitol  und  Quirinal  etwa  in  der  Linie 
der  nachmaligen  Basilica  Ulpia  und  stieg  dann  wieder  am  östlichen  Rande  des  Quiri- 
nalis  empor  zu  jener  Stelle,  wo  jetzt  die  neue  Via  del  Quirinale  in  die  hier  bei  Villa 
Rospigliosi  durchgebrochene  Via  Nazionale  einmündet,    bei  deren  Zusammenstoss   in- 


1  Nibby,  Le  mura  di  Eoma.  Koma  1820.  Piale,  delle  porte  settentrionali  &c.  del  recinto  di  Servio. 
Roma  1833.  1834.  Platner,  Bunsen,  Gerhard  u.  A.,  Beschreibung  der  Stadt  Eora.  Stuttgart  1830.  L.  Canina, 
ludicazione  topografica  di  Roma  antica.  Roma  1841.  (3.  Ed.).  Becker,  de  Romae  veteris  muris  atque  portis. 
Lips.  1842.  R.  A.  Lanciani,  Sülle  mura  e  porte  di  Servio.  (Ann.  d.  I.  d.  C.  a.  1871  Vol.  XLIII.  p.  40—85.  Mon. 
d.  J.  vol.  IX.  tav.  XXVII.)  2  Liv.  XXV.  7.  Ovid  Fast.  VI.  471.  3  Cic.  ad  Att.  VII.  3.  Liv.  XXXV.  9.  21. 
Paul.  Diac.  p.  89  ed.  Müller.  *  Cic.  in  Pis.  23.  Flav.  Jos.  Bell.  lud.  VII.  5.  4.  »  H.  Jordan,  suUa  posizione 
der  arce  capitolina.  (Ann.  d.  I.d.  c.  a.  1867  p.  385—389.)  epiut.  Popl.  13.  Plin.  H.  N.  VIII.  42  Solin.  193.  3. 
F.  Reber,  Rom.  2 


iO  Baugeschichte  des  allen  Rom. 

folge  bedeutender  Tieferlegung  (1876)  Mauer-  und  muthmasslioh  sogar  Thorreste  (Porta 
Fontinalis)^  zu  Tage  kamen.  Weitere  Mauerreste  finden  sich  dann  unter  den  angeb- 
lichen Substructionen  des  Soltempels  in  Giardino  Colonna  links  für  den  die  Via  del 
Quirinale  hinansteigenden,  während  noch  ein  anderes  bedeutendes  Stück  im  oberen 
Theil  des  neuen  Aufganges  zum  Quirinal  zwischen  der  sog.  Panatteria  und  den  Stalle  di 
Bernini,  1866  entdeckt  wurde,  beide  den  Mauerzug  unzweifelhaft  bis  zum  nächsten 
Thore  bestimmend.  Dieses  aber  entsprach,  wie  die  Auffindung  eines  Grabmals  bei  S. 
Feiice  (1866)  sowohl  hinsichtlich  der  Strassenrichtung  wie  als  Gränzpunkt,  da  das  Thor 
innerhalb  gelegen  sein  musste,  lehrte,  der  Via  Dataria  und  hatte  den  Namen  Porta  San- 
qualis.^  Von  da  ab  zog  sich  die  Mauer  ohne  Zweifel  am  Abhang  des  Quirinal  unge- 
fähr der  Mauer  der  jetzt  königlichen  Quirinalsgärten  entsprechend  hin,  und  überschritt 
bei  Palazzo  Barberini,  in  dessen  Garten  zu  Bartoli's  Zeit  die  sichersten  Spuren  davon 
gefunden  wurden,^  die  Via  di  quattro  Fontane.  Die  Einbuchtung  der  Hügelformation 
an  dieser  Strasse,  welche  ein  bequemeres  Ansteigen  und  anderseits  auch  die  Verthei- 
digung  des  Zuganges  beförderte,  und  Bartoli's  Notiz,  welche  einer  Einziehung  der  Mau- 
erlinie hier  erwähnt,  lassen  vermuthen,  dass  hier,  etwa  der  südlichen  Ecke  des  Palazzo 
Barberini  entsprechend  die  Porta  Salutaris  ^  lag.  Weitere  Mauerreste  werden  dann 
an  der  mächtigen  Substruction  der  ehemaligen  Villa  Barberini,  jetzt  Spithöver  sichtbar, 
und  zwar  an  fünf  Punkten,  so  dass  kein  Zweifel  ist,  dass  die  Mauerlinie  und  die 
Linie  der  aus  verschiedenen  Zeiten  stammenden  Substruction  identisch  sei,  wenn  auch 
jene  Mauerreste  von  den  übrigen  der  servischen  Mauer  sich  dadurch  unterscheiden, 
dass  deren  Quadern  etwas  unter  dem  sonst  gewöhnlichen  Höhenmaasse  stehen  und 
nicht  so  regelmässig  der  sog.  etrurischen  Lagenordnung  folgen.  Das  bedeutendste  auf 
dem  Spithöver'schen  Grunde  in  der  Nähe  der  Abzweigung  der  Via  Salaria  von  der  Via 
Venti  Settembre  gefundene  Mauerstück,  neun  Lagen  hoch,  zeigt  überdiess,  nachdem  der 
nördlichste  Punkt  erreicht  ist,  die  Wendung  nach  Osten. 

In  dem  genannten  Strassenwinkel  aber  hört  das  Terrain  auf  die  Befestigung  zu 
unterstützen,  indem  nun  die  Hochebene  beginnt,  als  deren  südwestliche  Ausläufer  die 
Hügel  Quirinalis,  Viminalis  und  Esquilinus  (Cispius  und  Oppius)  zu  betrachten  sind. 
Es  musste  daher  von  hier  ab  das  Befestigungswerk  verstärkt  werden,  was  durch  den 
„agger^'  des  Servius  TuUius  geschah.^  Vor  Kurzem  noch  war  der  Anfang  dieses  Wal- 
les in  der  Ecke  zwischen  Via  Venti  Settembre  und  der  jetzt  beseitigten  Via  del  Maccao 
im  ehemaligen  Karthäuserkloster  sichtbar,  jetzt  ist  mit  der  Erbauung  des  Finanzmini- 
steriums auch  jene  Anfangsstelle  als  der  letzte  Best  geebnet,  wie  überhaupt  die  gründ- 

7  Liv.  XXXV.  10.  2  Paul.  Diaconus  ed.  Müller  345.  3  ßartoli  Memoria  ed.  Fea  Mise.  I.  230.  *  Paul. 
Diac.  ed.  Müller  327.  » Dionys.  IX.  68.  Strabo  V.  3.  cf.  Bergau  &  Pinder,  gli  avanzi  dell'  aggere  e  del 
niuro  di  Servio  Tullio  scoperti  nella  Villa  Negroni.  (Ann.  d.  J.  1862  p.  126—137). 


Gang  der  servischen  Mauer.  \i 

liehe  Neuanlage  dieses  Stadttheiles  mindestens  ebensoviel  zur  Zerstörung  als  zur  Ent- 
deckung beigetragen  hat.  Jedenfalls  aber  boten  die  Erdarbeiten  bei  Anlage  des  Bahn- 
hofes die  vorher  noch  nicht  gegebene  Gelegenheit,  den  Durchschnitt  dieses  Befestigungs- 
werkes auf's  Genaueste  kennen  zu  lernen.  Der  Agger  hatte,  wie  das  auch  die 
classischen  Nachrichten  geben,  aussen  einen  Graben  vor  sich,  der  mindestens  30  Met. 
breit  und  mit  Dionys  von  Halicarnass  von  der  Höhe  der  Mauer  an  gemessen,  über  9 
Meter,  vom  Niveau  der  nächsten  Umgebung  an  aber  wenig  mehr  als  3  Met.  tief,  die 
sonst  vor  den  Hügeln  liegenden  Thäler  ersetzen  sollte.  Die  Spuren  davon  haben  sich 
gefunden,  es  liess  sich  nemlich  die  nachmalige  Schuttausfüllung  deutlich  von  dem 
jungfräulichen  ursprünglichen  Boden  unterscheiden,  wodurch  sich  auch  die  obigen  Maass- 
angaben des  Dionys  von  Halicarnass  bestätigten.  An  der  Aussenseite  des  wasserlosen 
Grabens  lief  eine  Strasse  entlang,  von  welcher  sich  1867  und  1871  Reste,  nachmals 
beseitigt,  gefunden  haben.  An  der  Innenseite  des  Grabens  erhob  sich  der  Wall,  eine 
Erdaufschütlung  aus  dem  vom  Graben  gewonnenen  Material,  welche  nach  aussen,  gegen 
den  Graben  hin,  von  einer   starken  Substructionsmauer  gestützt  war. 

Anfang,  Mitte  und  Ende  des  Agger  aber  war  durch  Thore  bezeichnet.  Die 
Porta  Collina  befand  sich  nach  Strabo^  wie  nach  den  neueren  Gräber-  und  anderen  Ent- 
deckungen von  Porta  Salaria  und  Pia  zweifellos  an  der  jetzigen  Via  di  Venti  Settem- 
bre,  etwa  an  der  Stelle  der  Nordecke  des  neuen  Finanz-Ministeriums.  Die  Porta  Vi- 
minalis  lag  nach  demselben  Gewährsmann  in  der  Mitte  des  Walls,  ob  indess  dieses 
im  buchstäblichen  Sinne  verstanden  werden  kann,  ist  zweifelhaft,  da  mehr  nördlich  da- 
von in  der  Nähe  der  Nordecke  des  Bahnhofes  Reste  eines  alten  Vicus  (Portae  Vimi- 
nalis?)  sowohl  innerhalb  als  ausserhalb  der  Walllinie  gefunden  wurden,^  wogegen  frei- 
lich die  an  der  Stelle  des  ehemaligen  Monte  di  Giustizia  präcisirte  Auffindung  der 
Leitungen  der  Aqua  Marcia  Tepula  und  Julia,  welche  nach  Frontin  bei  der  Porta  Vi- 
minalis  in  die  Stadt  traten,  im  Sinne  Strabo's  zu  sprechen  scheint.  Am  Ende  des 
Agger  aber  befand  sich  die  Porta  Esquilina,  über  deren  Lage  an  der  Stelle  des  im 
3.  Jhrh.  n.  Chr.  gebauten  Gallienusbogens  nach  den  letzten  Entdeckungen  der  Mauer- 
reste bei  S.  Vito  kein  Zweifel  mehr  bestehen  kann,  zudem  da  jetzt,  so  lange  der 
ganze  Raum  von  S.  Vito  bis  zum  Bahnhofe  zum  Zweck  der  neuen  Stadtanlage  geebnet 
und  offen  ist,  die  Linie  des  Agger  an  den  erhaltenen  Resten  der  Aussenmauer  leicht 
zu  verfolgen  ist.  Es  wird  demnach  die  durch  P.  Esquilina  in  die  Stadt  führende  Strasse 
ungefähr  der  Via  di  S.  Sisto  und  der  Via  di  S,  Lucia  in  Selce  entsprochen  haben. 

Von  der  Porta  Esquilnia  weg  lief  die  servische  Mauer,  nun  wieder  einfach  und 


1  Strabo  V.  3.    2  r.  Lanciani,  delle  scoperte  principali  awenute  nei  colli  Quirinale  e  VimJnale.    Bulle- 
tino della  coramissione  archeologica  municipale  di  Roma.    Sett.  —  Ottobre  1873. 

2* 


\2  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

wegen  der  Beschaffenheit  der  Terrains  ohne  Grabenverstärkung  am  östlichen  Rande  je- 
nes Theiles  des  Esquilinus  hin,  der  im  Alterthume  Oppius  hicss,  d.  h.  die  heutige 
Via  in  Merulana  durchschneidend;  im  weiteren  Verlauf  innerhalb  (westlich)  von  der- 
selben dem  Liguorianerkloster  gegenüber  kamen  auch  noch  Reste  in  der  Via  Seite 
Säle  zu  Tage.  Die  folgende  Mauerlinie  aber  ist  für  eine  Strecke  schwer  bestimmbar. 
Ziemlich  sicher  erscheint,  dass  sie  an  der  Ecke  des  Esquilinus  (Oppius)  angelangt, 
ehe  die  heutige  Via  Merulana  die  jetzige  Via  Labicana  durchschneidet,  in  dem  Thal- 
einschnitt zwischen  Esquilinus  und  Colins  sich  etwas  einwärts  zog,  und  in  dieser  Ein- 
ziehung unmittelbar  am  Fusse  des  ersteren  Hügels,  somit  ungefähr  der  heutigen  Via 
Labicana  entsprechend  die  Porta  Querquetulana  bildete.^  Die  weitere  Mauerlinie,  an  der 
Substruction  von  Quattro  Coronati  südlich  an  der  gleichnamigen  Strasse  wieder  Reste 
darbietend,  wurde  am  Colins  etwa  zwischen  S.  S.  Quattro  Coronati  und  S.  Stefano  ro- 
tondo  an  einem  nicht  sicher  zu  bestimmenden  Punkte  von  der  Porta  Coelimontana 
durchbrochen,  welche  wir  uns  der  aurelianischen  Asinaria  entsprechend  denken  müssen. 
Die  Südseite  des  Coelius  zeigte  noch  Mauerreste  in  halber  Höhe  des  Abhanges  bis 
gegen  S.  Gregorio  hin,  in  dessen  Klostergebiet  von  den  Mönchen  ein  beträchtliches 
Stück  an  den  zum  Kloster  gehörigen  Kapellen  biosgelegt  worden  ist.^  Südlich  von 
diesem  Kloster  aber  muss  die  Porta  Capena  angenommen  werden. 

Von  hier  ab  sprang  die  Mauer  im  rechten  Winkel  südwärts  und  zog  sich  am 
östlichen  Hügelrande  von  S.  Balbina  und  S.  Saba  (Pseudoaventin)  entlang,  ihre  Lage 
und  Richtung  noch  jetzt  durch  ein  beträchtliches  Mauerstück  von  11  Lagen  der  bekann- 
ten Tufquadern  rechts  von  der  Via  di  S.  ßalbina  unmittelbar  vor  der  Platform  der 
Kirche  beweisend.  Weitere  Mauerreste  fanden  sich  an  der  Westseite  des  Klosterge- 
bäudes von  S.  Saba,  wie  in  der  Mauer  zwischen  dem  Klostergarten  und  der  Vigna 
Codini,  von  welchen  sich  jedoch  nur  die  ersteren  erhalten  haben.  Ein  ferneres  Stück 
hat  sich  in  der  Vigna  zwischen  S.  Saba  und  der  Vigna  di  Porta  S.  Paolo  gefunden, 
kurz  bevor  die  Mauer  die  Einsenkung  zwischen  dem  Pseudoaventin  und  dem  eigent- 
lichen Avenlin  überschreitet.  Am  Südabhang  der  letzteren  aber  findet  sich  das  be- 
deutendste aller  erhaltenen  Stücke  des  ganzen  Umfanges,  der  imposante  erst  1869  bis 
an  die  Basis  biosgelegte  Mauerrest  der  Vigna  vormals  Maccarani  jetzt  Torlonia,  unfern 
von  der  Einmündung  der  Via  S.  Prisca  in  die  Via  di  S.  Paolo.  An  der  höchsterhal- 
tenen Stelle  des  35  Meter  langen  Fragments  zählt  man  noch  25  Lagen  von  Tufböcken, 
in  einer  Gesammthöhe  von  15  Meter;  ein  anderes  Stück  von  11  Lagen  ist  nur  30 
Meter  von  diesem  entfernt.  Da  wo  jetzt  die  Bastion  Paul  IH.  bog  die  Mauerlinie  um 
die  Südecke  des  Aventin,   zog  sich    dann,  wie  die  Mauerreste  oberhalb  dem  sog.  La- 

iFest.  ed.  Müller  261.    Ain.  H.  N.  X.  15.    Varro  L.  L,  V.  8.        2  p.  Rosa,  Avanzo  delle  mura  Serviane 
presse  S.  Gregorio.    (Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1869  p.  68.  69.  131.) 


Gang  der  servischen  Mauer. 


13 


zarusbo^en  und  im  anstossenden  Klostergarten  von  S.  Sabina  zeigen,  noch  eine  Strecke 
am  Nordwestabhang  des  Aventin  hin,  und  sprang  endlich  im  rechten  Winkel  zum 
Flusse  ab. 

Schwieriger  als  die  Verfolgung  des  Mauerzugs  ist  die  Bestimmung  der  Thore 
in  der  aventinischen  Mauerlinie,  da  durch  die  aurelianische  Befestigung  und  den  mehr- 
fachen Umbau  derselben  zwischen  Porta  S.  Sebastiano  und  S.  Paolo  die  ursprünglichen 
Strassenlinien  wesentlich  geändert  worden  sind.  Wahrscheinlich  befand  sich  die  Porta 
Naevia^  zwischen  S.  Balbina  und  der  Westecke  der  Umfassungsbauten  der  Caracalla- 
thermen,  der  Via  Ardeatina  entsprechend,  welche  möglicherweise  an  der  Stelle  der 
Bastion  des  San  Gallo  ihre  Mündung  durch  die  aurelianische  Befestigung  hatte.  Die 
Lage  der  Porta  Raudusculana,  wie  jene  in  der  XII.  Region  (Piscina)  befindlich,  entsprach 
dann  muthmasslich  der  Südspitze  des  Pseudo-Aventin,  bei  S.  Saba,  die  der  Porta  La- 
vernalis,  welche  Varro  neben  den  beiden  vorgenannten  aufführt,  und  die  in  der  aure- 
lianischen  Mauer  als  Porta  Ostiensis  (S.  Paolo)  vorgeschoben  erscheint,  der  Mündung 
der  Via  di  S.  Prisca  in  die  Via  di  Porta  S.  Paolo  im  Thaleinschnitt  zwischen  Aventin 
und  dem  Hügel  von  S.  Saba  und  S.  Balbina.  —  Ob  es  dann  überhaupt  eine  Porta 
Minucia  gegeben  ist  zweifelhaft,  weniger  die  von  Becker  bestrittene  Existenz  der  Porta 
Navalis,  welche  an  einem  nicht  näher  bestimmbaren  Punkte  wahrscheinlich  östlich  von 
der  Bastion  Paul  III.  angenommen  werden  muss.  Kurz  ehe  die  Mauer  am  Flusse  en- 
digte, vermittelte  die  Porta  Trigemina  den  äusseren  und  inneren  Quai,  muthmasslich 
bei  Arco  della  Salara. 

Die  Construction  des 
Mauerbaues  ist  aus  den  vor- 
liegenden Resten  ziemlich 
klar:  es  war  durchaus  Quader- 
bau. Das  frühe  Erscheinen  des- 
selben ist  jedoch  keineswegs 
ein  Beweis  eines  besonderen 
technischen  Fortschrittes  wie 
einer  verhältnissmässigjünge- 
ren  Entstehungszeit  verglichen 
mit  den  zahlreichen  cyklopi- 
schen  Mauerresten  des  itali- 
schen Gebirgslandes  beson- 
ders im  Sabinergebiete.  Denn 


Pig,  a.    Stück  der  pelasgischen  Mauer  von  Signia  (F.  ß.) 


1  Bas.  Cap.  Eeg.  XII. 


14 


Baugeschichle  des  alten  Rom. 


die  sogenannten  cyclopischen  oder  pelasgischen  Mauern  von  Tibur,  Praeheste,  Signia, 
Norba  u,  s.  w.  sind  zumeist  jünger  als  die  servische,  gesciiweige  denn  die  romulisclie 
Ummauening  Roms.  Es  lässt  sich  auch  in  der  cyclopischen  Art  so  gut  wie  in  den 
in  Quaderbau  ausgeführten  Mauern  eine  Entwicklung  entdecken,  die  beiderseits  in 
Reduction  der  Dimensionen  der  einzelnen  Blöcke  wie  in  wachsender  Genauigkeit  der 
Fügung  und  des  Systems  der  letzteren  beruht;  denn  auch  bei  cyclopischen  Mauern  zeigt 
das  exacte  Zusammenpassen  deutlich  eine  jüngere  Entstehung  an,  besonders  kennbar 
in  jenen  Fällen  wo  ein  oberer  Mauertheil  in  der  einen  oder  anderen  Beziehung,  von 
den  unteren  (älteren)  Schichten  sich  unterscheidet  (vgl.  Fig.  a.) 

Die  beiden  Slructurweisen  gingen  lange  Zeit  nebeneinander  her,  jedoch  so,  dass 
die  cyclopische  sich  auf  gewisse  Gebirgsstriche  beschränkte.  Der  Grund  der  Verschie- 
denheit aber  liegt  in  dem  jeweilig  zu  Gebote  stehenden  Material,  dem  Landstein.    Der 

cyclopische  Mauerbau  findet  sich  nemlich  nie  bei 
Tufslein,  sondern  nur  im  Kalkstein.  Der  Kalkstein 
brichtj  polygonal,  der  Tuf  seiner  Lagerung  ent- 
sprechend in  Parallelen.  Man  kann  in  der  römi- 
schen Campagna  und  im  Albanergebirge  Tufschroffen 
sehen,  welche  durch  ihre  horizontalen  Risse  glauben 
machen,  dass  man  eine  Mauer  erblicke.  Wenn  nun 
die  Natur  selbst  schon  die  Hälfte  der  Arbeit  gethan, 
so  war  es  wohl  nicht  möglich  zu  einem  dieser 
Materialvorarbeit  ganz  unangemessenen  und  da- 
durch weit  schwierigeren  Verfahren  zu  greifen,  da 
überdiess  der  Vorzug  horizontaler  Lagen  im  Mauer- 
bau selbst  bei  verhältnissmässig  niedrigem  Cultur- 
stande  Niemandem  entgehen  konnte.  So  wenig  aber 
demnach  das  Vorkommen  der  einen  oder  anderen 
Structurart  ein  höheres  Alter  des  einen  Restes  vor 
dem  anderen  bedingt,  eben  so  wenig  ist  in  der 
einen  der  beiden  Arten  etwas  Nationales  zu  ent- 
decken. AlsmaniK)ch(vorAbeken's  epochemachen- 
Fig.b.  Mauerrest  von  Lanuviuni.  (P.  E.)      ^^^   g^^^^^^i^   der  allgemeinen  Ausicht  war,  dass 

nicht  bloss  die  älteste  römische  Kunst,  sondern  auch  .  alle  urrömische  Technik  von 
Etrurien  herübergenommen  sei,  wies  man  dem  altrömischen  Mauerban  dieselbe 
Herkunft  zu,  da  in  der  That  in  Etrurien  sich   häufig    eine   ganz    ähnliche  Structur  fin- 


1  W.  Abeken,  Mittelitalien  vor  den  Zeiten  römischer  Herrschaft  nach  seinen  Denkmalen,  Stuttgart  1843. 


Construction  des  servischen  Mauer-  und  Thorbaues.  15 

det;  allein  dieselben  Mauern  finden  sich  auch  ausser  Rom  im  übrigen  Latium,  und  zu- 
meist an  den  nachweislich  ältesten  Stätten,  so  z.  B.  in  Civita  Lavinia,  (Lanuvium  vgl.  Fig.  b.) 
in  dem  angeblichen  Apiolae,  zu  Gabii  und  im  Albanergebirge,  kurz  allenthalben  wo 
man  in  Tuf  baute.  Und  ebenso  wenig  könnte  man  diese  Structur  eine  latinische  nen- 
nen, denn  in  einem  grossen  Theile  von  Latium  finden  sich  bedeutende  Reste  der  pe- 
lasgischen  Art,  nemlich  überall,   wo  Kalksteingebirge  das  Material  lieferten. 

Der  Quaderbau  der  romulischen  Ummauerung  des  Patatin  ist  noch  ziemlich  un- 
regelmässig. Die  Höhe  der  Lagen,  wie  die  Länge  der  Blöcke  ist  noch  sehr  ungleich, 
und  die  Bearbeitung  der  Blöcke  erstreckt  sich  nicht  mehr  auf  die  Innenseite,  wo  die 
Quadern  unregelmässig  auf  einander  stossen.  Die  Länge  der  Bausteine  steigt  bis  zu 
1  Meter,  die  Höhe  bis  zu  0,80.  Bindemittel  ist  keines  angewandt.  Doch  wechseln 
die  Lagen ,  wenn  auch  nicht  consequent  nach  dem  Läufer-  und  Bindersystem  ab ,  in 
der  sogenannten  etrurischen  Art,  wonach  die  eine  Lage  die  Langseiten,  die  folgende 
die  Kopfseiten  der  Blöcke  nach  aussen  kehrt.  Das  Tufmaterial  scheint  am  Palatin 
selbst  gebrochen  zu  sein.  Die  servische  Mauer  zeigt  dieses  System  vollkommen  regel- 
recht durchgeführt;  die  Länge  der  Blöcke  ist  zwar  nicht  völlig  gleich,  fast  durchgängig 
gleich  aber  die  Höhe  derselben,  wie  denn  die  Quadern  immer  quadratische  Kopfflächen 
zeigen.  Das  durchschnittliche  Maass  der  Lagenhöhe  ist  0,59  Met.,  die  Abweichungen 
davon  sind  sehr  gering.  Die  Mauerstärke  scheint  zwischen  1,30  und  2  Met.  zu  schwan- 
ken. Auch  hier  fehlt  jedes  Bindemittel:  nicht  völlig  regelmässige  Einschnitte  aber, 
die  sich  an  den  Steinen  meist  aussen  finden,  dienten  wohl  wahrscheinlicher  zum  Ein- 
setzen der  Hacken  beim  Versetzen  der  Blöcke  als  vielmehr  zu  irgendwelcher  Verklam- 
merung. Das  Material  ist  der  an  den  Hügeln  gebrochene  Tuf  und  nur  am  Agger  tritt 
eine  thcilweise  Anwendung  des  Peperin,  des  grauen  Tuf,  mithin  importirtes  Material 
vom  Fusse  des  Albanergebirgs  auf.  Die  Herstellung  des  Agger  wird  indess  bei  des- 
sen Ueberresten  noch  besondere  Besprechung  finden. 

Ueber  den  Thorbau  haben  wir  nur  Vermuthungen.  Der  Plan  scheint  derselbe 
gewesen  zu  sein,  wie  in  Etrurien,  nemlich  in  Kammerform,  so  dass  man  durch  das 
äussere  in  der  Mauerlinie  liegende  Thor  zunächst  in  einen  ungefähr  quadratischen 
Raum  gelangte,  aus  welchem  dann  erst  ein  zweiter  Thorweg  in  die  Stadt  führte: 
dass  diess  schon  an  der  romulischen  Stadt  der  Fall  war,  mag  dahin  gestellt  bleiben, 
obwohl  der  Lanustempel  als  eine  Reminiscenz  des  Thorbaues  zu  betrachten  ist.  Die 
Absicht  dieser  Anlage  war  ein  doppelter  Schutz,  indem  hierbei  die  Einnahme  des 
äusseren  Thores  noch  nicht  in  den  Besitz  der  Stadt  setzte.  Wie  der  Thorweg 
selbst  construirt  war,  ist  ebenfalls  ungewiss,  an  der  romulischen  Stadt  entweder  mit 
Heranziehung  von  starken  Balkenlagen  als  Thürsturz  odec  durch  gleichfalls  hori- 
zontale Abdeckung  mit  Monolithen,  wie  diess  erhaltene  Thore  cyklopischer  Mauerringe 


16 


Baugescliichte  des  allen  Rom. 


zeigen.  (Vgl.  die  beifolgenden  Abbildungen  sines  solchen  Thores  von  Segni  oder 
das  kleine  Pförtchen  der  Mauer  von  Norba,  Fig.  c).  die  Durchgänge  der  servischen 
Mauer  waren  wahrscheinlich  bereits  rundbogig  abgeschlossenj  wie  dies  mehre  etrurische 
Thorreste  aufweisen.  Auch  scheinen  wenigstens  an  manchen  Thoren  je  zwei  Durch- 
gänge nebeneinander  befindlich  gewesen  zu  sein,  ob  aber  lediglich  durch  einen  in  der 
Mitte  aufgestellten  Thürposten  gedoppelt,  oder  geradezu  in  zwei  Thorbogen  herge- 
stellt, ist  nicht  zu  entscheiden. 

Von  der  inneren  Gestalt  Roms  in  der  Zeit  des  Servius  ist  wenig  zu  sagen. 
Mauern  und  Thore  lassen  jedoch  darauf  schliessen,  dass  man  wenigstens  des  regel- 
mässigen Mauerbaues  kun- 
dig war,  und  die  Erwähnung 
von  Tempeln,  Staatsgebäuden 
und  ausgedehnteren  Königs- 
wohnungen, dass  man  ihn 
auch  verwandte.  Wenn  je- 
doch jedenfalls  bei  dem 
grossen  von  Servius  Tullius 
erbauten^  latinischen  Bun- 
destempel der  Diana  auf  dem 
Aventin,  der  wahrscheinlich 
bis  zu  Augustus'  Zeit  in  der- 
selben Gestalt  verblieb,  auch 
architektonischer  Schmuck, 
namentlich  von  Säulen,  nicht 
gefehlt  haben  kann,  wenn 
ferner  die  von  Romulus  an 
häufig  errichteten  kleineren  Heiligthümer  wohl  zumeist  als  von  drei  oder  vier  Wänden 
gebildete  und  nicht  ganz  schmucklose  Gellen  zu  denken  sind,  so  scheint  es  doch  nicht 
statthaft,  die  Wohngebäude,  die  Königshäuser  vielleicht  ausgenommen,  in  ähnlich  soli- 
der, oder  gar  in  säulengeschmückter  Gestalt  sich  vorzustellen.  Nachdem  man  in  dem 
letzten  Menschenalter  erst  Holz  und  Gesträuch  auf  den  Hügeln  ausgerodet,  konnte  von 
schönen  Strassen  und  Wohngebäuden  keine  Rede  sein,  und  es  ist  nichts  wahrschein- 
licher und  natürlicher,  als  dass  man  sich  derselben  Bäume,  die  man  bei  der  Besitznahme 
der  Hügel  daselbst  fällte,  für  Wand  und  Dach  der  Wohnungen  bediente. 

Wie  aus  den  Erzählungen  der  einzelnen  Niederlassungen  hervorgeht,  waren  es 


Mauerstück  von  Norba 


1  Dionys.  IV.  25.  26.    Liv.  I.  45. 


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09 


Beschaffenheit  der  ältesten  Mauern.  17 

zunächst  die  Hügel,  welche  bisher  besetzt  wurden:  was  von  den  Gebäuden  auf  den 
Höhen  selbst  nicht  Platz  fand,  lehnte  sich  an  die  Abhänge.  Von  einer  bleibenden 
Ansiedelung  in  den  Niederungen  giebt  es  ausser  der  unklaren  Kunde  von  der  Subura 
als  eines  Bestandtheiles  des  Septimontium  und  der  nicht  unbedenklichen  Notiz  von 
der  Anlage  des  Vicus  Tuscus  keine  Berichte.  Während  nemlich  die  Bevölkerung  des 
letzleren  von  den  einen  mit  Porsenna  in  Verbindung  gebracht  und  somit  in  die  erste 
Zeit  der  Republik  gesetzt  wird,^  berichten  andere,  dass  nach  Caeles  Vibenna's  Tode 
die  auf  dem  Cälius  angesiedelten  Tusker  in  Folge  ihrer  besorgnisserregenden  Haltung 
in  die  Niederung  zwischen  P^Jatin  und  Capitolin  herabgezogen  wurden,  worüber  in 
chronologischer  Beziehung  wieder  eine  doppelte  Tradition  vorliegt,  je  nachdem  Vibenna 
in  die  Zeit  des  Romulus^  oder  in  die  des  Tarquinius  Priscus^  gesetzt  wird.  Um  nun 
die  Niederungen  für  die  Ansiedelung  nutzbar  zu  machen,  hatte  man  es  wohl  schon 
vor  dem  grossartigen  Unternehmen  des  Cloakenbaues  versucht,  das  Sumpfwasser  da- 
selbst durch  Gräben  abzuleiten,  und  erst,  als  diese  sich  unzureichend  erwiesen,  zu  der 
staunenswerthen  Arbeit  gegriffen,  als  deren  Urheber  von  den  Alten  einstimmig  Tarqui- 
nius Priscus  genannt  wird.^  Wie  weit  diese  Arbeiten  unter  ihm  gediehen,  lässt  sich 
nicht  bestimmen.  Aus  der  Natur  der  Sache  geht  jedoch  hervor,  dass  der  Anlage  der 
unterirdischen  Kanäle  ein  umfassender  Uferbau  vorangehen  musste.  Mit  mehr  Bestimmt- 
heit wird  von  dem  zweiten  Tarquinius  angegeben,  dass  er  die  einzelnen  Kanäle  in 
der  Nähe  des  Forum  in  einen  grossen  zusammenleitete,  und  diesen  einen,  die  Cloaca 
tnaxiffia,  nach  dem  Tiber  führte.''  Von  dieser  grossen  Cloake  wird  im  Laufe  der  Be- 
schreibung noch  gesprochen  werden. 

Die  Cloaken  (von  cluare  oder  cluere,  reinigen)  hatten  die  Bestimmung,  sowohl 
die  stagnirenden  Wasser  zum  Abfluss  zu  bringen,  als  auch  die  vielen  Quellen,  die  von 
den  Hügeln  flössen,  zu  sammeln  und  in  den  Tiber  zu  führen.  Die  auf  dem  Rücken 
der  Hügel  hervorbrechenden  Quellen  wurden  durch  rohe,  unregelmässig  in  den  weichen 
Tuf  der  Berge  selbst  gewühlte  Kanäle  zu  den  Cloaken  geleitet.  Derartige  Abzüge 
fanden  sich  am  Capitolinus  [Fmissae  CapiloUnaeJ  und  in  neuerer  Zeit  an  der  Süd- 
westspitze des  Palatinus  und  auf  der  Westseite  des  Aventin.  Jetzt  sind  die  meisten 
der  Quellen,  die  zu  dieser  Arbeit  veranlassten,  versiegt,  verschüttet  oder  unter  der 
Aufhöhung  des  modernen  Bodens  verborgen.  Man  hat  vor  einigen  Jahren*^  und  zwar 
mit  Anklangt  die  Ansicht  ausgesprochen,    dass  diese  Kanäle,  in  fiühesler  Zeit  gegra- 


1  Dionys.  V.  36.  Liv.  II.  14.  Paul.  Diac.  s.  v.  Tuscus  vicus.  2  Varro  L.  L.  V.  8,  14.  Dionys.  II.  36 
Paul.  Diac.  s.  v.  Coelius  mons.  Tacit.  Ann.  IV.  65.  ^  Dionys.  III.  68.  Liv.  I.  38.  Plin.  H.  N.  XXXVI 
15,  24,  106.  Cassiodor.  Chron.  ^  DJonys.  IV.  44.  Liv.  I.  56.  ^  E.  Braun,  SuUe  sostruzioni  antichissime  del 
Quirinale  e  del  Palatino,  Annali  dell'  Inst,  di  Corrisp.  archeol.  1852.  p.  327  sq.  7  Th.  Mommsen,  Rom.  Gesch. 
I.  Bd.  S.  217  der  2  Aufl. 

F.  Rkreh,  Rom.  3 


18  •  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

ben,  dazu  gedient  hädcn,  einen  künstlichen  Luftwechsel  zu  erzeugen;  allein  es  scheint 
eine  so  raffinirle  Gesundheitsmassregel  mit  dem  Leben  der  Altrömer  nicht  im  Ein- 
klang zu  stehen.  Auch  werden  diese  Bergdurchstiche  ausdrücklich  als  zu  dem  Bau 
der  Cloaken  gehörig  erwähnt.^ 

Gegen  die  Ein-  und  Rückwirkungen  des  Stromes  schützten  die  Kanäle  nicht. 
Zwar  machten  es  die  Uferbauten  möglich,  dass  die  Mündungen  der  Cloaken,  wie  dies 
noch  bei  der  Cloaca  Maxima  ersichtlich  ist ,  verhällnissmässig  hoch  angelegt  werden 
konnten,  doch  war  nicht  zu  vermeiden,  dass  der  Strom  bei  hohem  Wasserstande  in 
die  Kanäle  eindrang  und  das  herabfliessende  Wasser  aufstaute.  Auch  wird  öfter  er- 
wähnt, dass  der  Strom,  über  seine  Ufer  tretend,  das  ganze  Marsfeld  und  auch  die 
südlicheren  Niederungen  überschwemmte.  In  diesem  Falle  boten  die  Cloaken  den 
Vortheil,  dass  nach  Verminderung  der  Fluth  das  Wasser  durch  sie  rasch  wieder  in  den 
Strom  zurücktrat. 

Allmälig  verzweigten  sich  die  Cloaken  bei  der  gesteigerten  Aufmerksamkeit,  die 
man  ihnen  widmete,  in  der  künstlichsten  Weise  über  die  ganze  Stadt,  und  ihr  bedeu- 
tender Umfang  lässt  sich  wohl  aus  der  Summe  von  1000  Talenten  (an  IV2  Mill.  Thaler) 
entnehmen,  welche  einmal  nur  für  Ausbesserung  und  Reinigung  derselben  von  den 
Censoren  bestimmt  wurden.^  Leider  ging  die  Kenntniss  des  Cloakensystems  in  Rom 
im  Mittelalter  verloren,  und  ohne  unaufhörliche  Beaufsichtigung  musste  durch  Verstop- 
fung und  Einsturz  einzelner  Kanäle  das  ganze  Netz  verfallen.  Jetzt  sind  von  den  an- 
tiken nur  noch  zwei  Hauptleitungen  im  Gange,  die  Cloaca  Maxima  und  die  Cloake  des 
Marsfeldes,  welche  wahrscheinlich  Aprippa  vom  Pantheon  an  zum  Tiber  führte.^  Von 
unterbrochenen  Kanälen  verschiedener  Epochen  hat  man  bei  den  Ausgrabungen  am 
Forum  und  in  dessen  Umgebung  zahlreiche  Reste  gefunden. 

Ausser  den  Mauerresten  des  Servius  und  der  Cloaca  Maxima  ist  nur  noch  ein 
nachweisliches  Denkmal  aus  der  Zeit  der  römischen  Königsherrschaft  näher  erkennbar 
auf  uns  gekommen,  nemlich  der  (Mamertinische)  Kerker,  von  Ancus  Marcius  erbaut 
und  von  Tullus  Hostilius  erweitert  und  vollendet.  Von  den  beiden  übereinanderlie- 
genden Kammern  zeigt  die  untere,  soweit  sie  von  der  ersten  Anlage  erhalten  ist,  keine 
Kenntniss  von  Steinschnitt  und  Gewölbestructur.  Die  genauere  Beschreibung  dieses 
Gefängnisses  wird  geeigneten  Ortes  erfolgen;  hier  dürfte  es  genügen,  auf  die  höchst 
merkwürdige  Erscheinung  hinzuweisen,  dass  an  der  Cloaca  Maxima  sich  schon  Steinschnitt 
und  Bogen  in  vollkommener  Weise  findet,  während  die  untere  Kammer  des  sog.  Mamerti- 
nischen  Gefängnisses  in  der  ursprünglichen  Anlage  noch  keine  derartige  Technik  ver- 
räth.    Wie  nemlich  aus  dem    unteren  von   der   ersten   Anlage   erhaltenen  Theil  dieses 


iPlin.    H.  N.  XXXVl.  15,  24,  104.  2  Dionys.  III.  68.        3  cf.  Plin    H.  N.  1.  c.    Dio  Cass.  VLIV.  43. 


Cloaken,  Carcer,  Gewölbeslructur, 


19 


Rundbaues  (Tholus)  zu  schliessen  ist,  war  der  Gewölbeschluss  wahrscheinlich  in  der- 
selben Weise  hergestellt,  wie  sie  der  ganz  erhaltene  Tholus  von  Mykene  zeigt,  nem- 
lich  durch  allmälige  in  parabolischer  Form  bewirkte  Verengerung  der  horizontal  geleg- 
ten Steinringe,  mithin  ohne  eigentliche  Gewölbebildung  vermittelst  keilförmig  geschnit- 
tener Bausteine,  wobei  es  dann  auch  der  Kreis- 
form des  Planes  entsprechend  selbst  jenes  gleich- 
falls hochalterthümlichen  aber  nur  einer  recht- 
winkligen Anlage  entprechenden  Abschlus- 
ses nicht  bedurfte,  wie  er  sich  im  Brunnenhaus 
von  Tusculum  (vgl.  Fig.  d)  findet,  wo  die  Decken- 
blöcke, auf  die  Kante  der  Längswände  gesetzt, 
sich  giebelförmig  gegeneinander  lehnen.  Bei 
ganz  geringen  Spannweiten  wurde  zwar  auch 
weiterhin  mit  horizontalen  Steinbalken  abgedeckt, 
besonders  in  unterirdischen  wie  hochgeführten 
Wasserleitungen.  Doch  findet  sich  auch  in  sol- 
chen Fällen  häufig  eine  Spur  von  Bogenschnitt: 
So  an  der  Mündung  des  Emissärs  am  Albaner- 

/     ,     T7-         \     j  AI  I  1  d.  das  Brunnenhaus  von  Tusculum.    (F.  R.) 

See,  (vgl.   Flg.  e)   dessen  Anlage   kurz  vor   der 

Einnahme  von  Veii  eine  unbestrittene  Sache  ist,  wo  trotz  der  geringen  Breite  dieses 
Kanalganges  (1  Meter),  bei  welcher  ein  horizontaler  Steinsturz  keineswegs  auffallend, 
doch  derselbe  an  seinen  Enden  nach  Art  eines  Bogenschlüssels  abgeschrägt  ist. 

Von  Architektur  im  eigentlichen  Sinne  kann  bei  diesen  Resten  noch  keine  Rede 
sein.  Als  Kunst  trat  die  Bauthätigkeit  erst  bei  einigen  hervorragenden  Tempeln  in  der 
letzten  Königszeit  auf,  wahrscheinlich,  wie  schon  erwähnt,  bei  dem  von  Servius  er- 
bauten Dianentempel  auf  dem  Avenlin,  nachweislich  aber  bei  dem  Jupitertempel  auf 
dem  Capitolin.  Schon  vor  Servius  hatte  der  ältere  Tarquinius  die  südliche  Spitze  des 
capitolinischen  Hügels  zur  Erbauung  des  grossen  Jupitcrtempels  geebnet,^  der  in  der- 
selben Weise,  wie  der  Dianentempel  den  Latinern,  so  den  Römern  ein  Nalionalheilig- 
thum  sein  sollte.  Servius  Tullius  scheint  trotz  einer  dafür  sprechenden  Notiz^  diesen 
Bau  nicht  betrieben  zu  haben,  und  erst  dessen  Nachfolger  Tarqinius  Superbus  führte 
das  Werk  aus.^  Beim  Graben  des  Grundes  soll  man  ein  frisch  erhaltenes  menschliches 
Haupt  gefunden  haben,  das  dem  Berge  (früher  Saturnius  nach  einer  mythischen  An- 
siedlung  des   Saturnus,    und  Tarpeius  nach   einer   ebenfalls   mythischen   Jungfrau   gc- 


1  Dionys.  III.  70.     Liv.  I.  .38. 
Tacit  1.  1.     Plutarch.  Poplic.  14. 


2  Tacit.  Hist     TU    72. 


'Dionys.  VI.  59  —  61.     Liv.    I,    55.  56. 


20 


Baugeschichte  des  alten  Rom. 


nannt)  erst  den  Namen  CapUoUnus  gegeben  habe.^  Wir  besitzen  in  den  angeführten 
Stellen  ausführliche  Schilderungen  dieses  nicht  blos  in  tuscischem  Style ,  sondern 
selbst  von  beigezogenen  tuscischen  Technikern  erbauten  Tempels :  es  möge  aber  hier 
genügen,  dass  er,  wie  überhaupt   die  Tempel  tuscischen  Styls,^   fast  so  breit  als  lang 

und  in  seinen  architektonischen  Einzelheiten  von  Tem- 
peln dorischen  Styls  hauptsächlich  durch  beinahe  ver- 
doppelte Säulenweiten  und  durch  Holzgebälke  un- 
terschieden war.  Aus  der  unverhältnissmässigen  Breite 
der  Stirnseite  und  der  dadurch  bewirkten  Mächtigkeit 
des  Giebels  ist  leicht  abzunehmen,  dass  der  Eindruck 
des  tuscischen  Tempels  nicht  der  wohlthuende  und 
befriedigende  gewesen  sein  könne,  wie  ihn  der 
griechische  Tempel  darbot,  sondern  dass  er,  wie  dies 
auch  von  einem  römischen  Architekten  bezeugt  wird,  ^ 
platt  und  gedrückt  aussehen  musste  —  als  ein  Ge- 
bilde, das  immerhin  aus  griechischen  Elementen,  aber 
unmöglich  in  dem  Gefühle  für  ebenmässige  Verhält- 
nisse, wie  es  die  Griechen  besassen,  .sich  entwickeln 
konnte.  Ursprünglich  freilich  war  der  tuscische  oder 
richtiger  altitalische  Tempelslyl  in  seinen  Details  dem 
altgriechischen  ziemlich  gleichartig,  denn  da  zu  bei- 
den Seiten  des  adriatischen  Meeres  wenigstens  in 
den  ältesten  Zeiten  Holzarchitektur  in  sofern  ange- 
nommen werden  muss,  als  die  Holzdecke  auch  die  Herstellung  des  Gebälks,  was  wir 
ursprünglich  als  die  äussere  Erscheinung  und  erst  später  als  das  Symbol  von  Decke 
und  Dach  betrachten  müssen,  in  Holz  veranlasste,  so  wird  wohl  auch  in  Griechenland 
um  die  Zeit  des  Beginns  der  Olympiadenrechnung  der  Säulenbau  noch  nicht  jenes  schwere 
Gepräge  und  ebenso  noch  nicht  jene  Engstellung  gezeigt  haben,  wie  sie  erst  als  Conse- 
quenz  der  Herstellung  des  Gebälks  in  Stein  sich  darstellen.  Dagegen  scheint  schon 
von  vornherein  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  dem  nahezu  quadratischen  ita- 
lischen Tempelplan  und  dem  entschieden  oblongen  hellenischen  bestanden  zu  haben. 
Auf  der  Apenninenhalbinsel,  soweit  sie  nicht  hellenisch  colonisirt  wurde,  hatte  nemlich 
das  templum  im  weiteren  Sinne,  d.  h.  der  geweihte  Raum  eine  architektonisch  ausge- 
bildetere und  auch  der  Form  nach  durch  den  Ritus  bestimmter  normirte  Bedeutung  als 
sie   dem   hellenisciien  Temenos   gewöhnlich  zukam,   indem  in  Italien  die  I^mschliesSung 


e.  Emissär  des  Albanersee's. 


1  Vano  L.  L.  V.  7,  13.     Dionys.  1.  c,    Plin.  H.  N.  XXVIII  2,  4.       2  Vitruv.  IV.  7.        3  Vitruv.  III.  2. 


Der  älteste  Tempelbau.  21 

des  ganzen  Tempelhofes  durch  ein  Maiierquadrat  als  ursprünglich  angenommen  werden 
muss.  Ferner  lehnte  sich  das  eigentliche  Tempelhaus  (C'^desJ  mit  der  Rückseite  an 
diese  Umschliessung,  während  der  hellenische  Naos  von  vorneherein  frei  in  die  Mitte 
des  Tempelbezirkes  gestellt  zu  werden  pflegte.  Dann  war  das  italische  Tempelhaus, 
dem  geweihten  und  abgeschlossenen  Areal  entsprechend  ebenfalls  in  annähernd  qua- 
dratischer Form,  nemlich  mit  einer  Stirnseite  von  fünf  Sechstheilen  der  Länge  ange- 
legt, während  am  hellenischen  Tempel  wenigstens  in  seiner  vollendeten  Form  das  Ver- 
hältniss  der  Breite  zur  Länge  wie  J  :  2  sich  gestaltete.  Endlich  hatte  sich  der  Säu- 
lenschmuck am  altitalischen  Tempel  nicht  wie  am  hellenischen  zum  Peripteros,  (zur 
ringsumsäuligen  Anlage)  sondern  nur  zum  Prostylus  (zur  Vorhallenbildung)  entwickelt, 
indem  die  Anlage  in  eine  vordere  und  rückseitige  Hälfte  getheilt  und  die  letztere  für 
eine  Cella  oder  für  mehrere  (gewöhnlich  drei)  Gellen  verwendet,  die  erstere  aber  als 
freie  Säulenvorhalle  gestaltet  wurde. 

Diese  tuscischen  oder  altifalischen  Planeigenthümlichkeiten  besassen  aber  un- 
zweifelhaft die  grösseren  Tempel  der  Königszeit,  welche  über  die  einfachste  Cellen- 
bildung  hinausgingen,  denn  die  Notiz,  dass  dem  Servius  Tullius  bei  der  Gründung 
des  Dianentempels  auf  dem  Aventin  das  panionische  Artemisheiligthum  zu  Ephesus  vor- 
schwebte,^ dürfte  wohl  nicht  im  baukünstlerischen  Sinne  verstanden  werden  können. 
Einer  solchen  Auffassung  würde  die  weit  gewichtigere  schon  erwähnte  Nachricht  Varro's  '^ 
im  Wege  stehen,  in  welcher  dieser  zuverlässige  Gewährsmann  constatirt,  dass  erst  in 
der  Zeit  der  Republik  und  zwar  unmittelbar  vor  der  Decemviralherrschaft  zum  erslen- 
male  griechische  Künstler  in  Rom  arbeiteten,  beauftragt,  den  überdiess  noch  im  tusci- 
schen Style,  nemlich  aräostyl  erbauten^  Cerestempel  auszuzieren.  Dass  jedoch,  nach- 
dem einmal  griechische  Künstler  beigezogen  waren,  auch  von  rein  griechischer  Baukunst 
nicht  mehr  lange  Umgang  genommen  werden  konnte,  ist  selbstverständlich,  wenn  auch  der 
von  Camillus  gegründete  Concordientempel  auf  dem  Forum  die  tuscische  Planbildung  selbst 
noch  in  seinem  Umbau  aus  der  Kaiserzeit  unzweifelhaft  verräth.  Mochte  aber  auch  die 
etruriche  oder  altitalische  Kunst  noch  Jahrhunderte  lang  nicht  ganz  ausser  Gebrauch  gekom- 
men sein,  so  wurde  sie  doch,  sobald  einmal  die  Römer  mit  den  campanischen  Griechen  in 
nähere  Berührung  getreten  waren,  von  der  griechischen  bei  weitem  überflügelt. 

Es  erscheint  nun  auf  den  ersten  Blick  auffallend,  dass  der  in  der  Architektur  des 
hellenisirten  Unteritaliens,  wo  die  Römer  zuerst  die  Griechen  genauer  kennen  lernten, 
meistangewandte  Baustyl,  nemlich  der  dorische,  bei  den  Römern  keinen  entschiedenen  Ein- 
gang fand.  Man  möchte  doch  glauben,  dass  die  dorische  Kunst  den  ernsten  und  kräftigen 
Römern   ebenso   zusagend    als   der  ionische  Styl   sein  musste,   wie    eine  entschiedene 


iDiouys.  IV.  25,  2G.    Liv.  I.  45.         2  Plin.  11.  N.  XXXV.  12,  45,  154.  3  Vitiuv.  1.  c. 


22  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

Aehnlichkeit  des  Charakters  den  Römer  mehr  zu  dem  kampfliebenden  und  strengen 
Dorer  als  zu  dem  weichlicheren  und  civilisirteren  loner  hinziehen  musste.  Es  lässt 
sich  jedoch  diese  auffallende  Erscheinung  wohl  dadurch  erklären,  dass  der  tuscische 
oder  altitalische  Styl  schon  zu  viele  Aehnlichkeit  mit  dem  dorischen  hatte,  als  dass 
der  eine  neben  den  andern  gesetzt  werden  konnte,  während  andrerseits  die  Anhäng- 
lichkeit an  den  traditionellen.  Landesstyl  gross  genug  war,  um  ein  völliges  Ersetzen 
desselben  durch  einen  imporlirten  Styl  unmöglich  zu  machen.  Man  fand  sich  daher 
nur  mit  einer  theilweisen  Ausgleichung  im  decorativcn  Sinne  ab,  welche  indess  den 
ursprünglichen  Sinn  beider  Construclionsweisen  vermischend  aufhob,  und  an  die  Stelle 
des  früheren  Styles  die  mit  der  Construction  in  keinem  weiteren  Zusammenhange 
stehende  „Ordnung"  setzte.  Es  ist  diess  jene  toscanisch-dorische  Ordnung,  welche 
dann  nicht  bios  in  der  römischen  Architektur  in  Geltung  blieb,  sondern  durch  diese 
auch  in  die  Renaissance  überging,  und  auch  hier  den  rein  dorischen  Styl  zu  keiner  An- 
wendung kommen  liess.  Die  Säule  wurde  im  Vergleich  mit  der  tuscischen  am  wenig- 
sten, übrigens  zum  Theil  durch  ionische  Einflüsse,  alterirt.  Es  blieb  die  wulstarligc 
Basis,  es  blieb  das  schlanke  Höhenverhältniss  bis  zu  8  unteren  Durchmessern,  es  blieb 
in  der  Regel  oder  wenigstens  im  untern  Theil  die  glatte  Schaftbildung,  wozu  wohl  durch 
ionische  Einwirkung  die  An-  und  Ablaufbildung  kam.  Fs  blieb  ferner  statt  der  Kerbe  am 
unleren  Ende  des  Säulenhalses,  welche  im  dorischen  Style  die  Fuge  zwischen  dem  Schaft- 
cylinder  und  dem  Capitälstücke  so  schön  charakterisirt,  der  rundstabförmige  Ring,  wäh- 
rend die  Capitälsplalte  in  der  Regel  mit  einem  Wellleisten  (Kyma)  geschmückt  wurde, 
welcher  der  ionischen  Architektur  entlehnt  ward.  Die  Verhältnisse  der  einzelnen  Theile 
unter  einander  und  zum  Ganzen  aber  wurden  in  ein  Schema  gezwängt,  welches  an  die 
Stelle  der  feinsinnigen  und  jedem  einzelnen  Bau  angepassten  freien  Verhältnisse  der 
griechischen  Vorbilder  trat,  und  damit  dem  Künstler  die  Arbeit  zu  Gunsten  des  Werk- 
meisters abnahm.  Die  Säulen  wurden  übrigens  nach  griechischem  Vorbilde  enger  ge- 
stellt, da  man  nun  das  Holzgebälke  aufgab,  und  dessen  Theile  wie  in  Griechenland  in 
Stein  herstellte.  Nicht  selten  setzte  man  nun  geradezu  ionisches  Gebälke  auf  die  tos- 
kanisch-dorischen  Säulen,  besonders  in  jenen  Fällen,  wo  man  sich  in  Halbsäulenbil- 
dung  bewegte,  (wie  an  Pfeilerarkaden)  während  anderseits  auch  der  dorische  Trigly- 
phenfries  mit  dem  ionischen  Zahnschnitt  verbunden  ward  (Sarkophag  des  Scipio  Bar- 
batus).  Wo  man  jedoch  dem  dorischen  Vorbilde  auch  in  der  Gebälkbildung  treu 
blieb,  liess  man  das  griechische  Verhältniss  der  einzelnen  Glieder  untereinander  völlig 
ausser  Acht.  Die  Weise  der  alten  tuscischen  Baumeister,  welche  das  durch  mehrere 
übereinandergelegte  Existylbalken  ziemlich  hoch  gewordene  Gebälke  wahrscheinlich  ohne 
weitere  constructive  Symbolik  lediglich  durch  angeheftete  Schaustücke,  Bukranien,  Festons 
u.  s.  w.  decorirt  hatten,  liess  man  zwar  fallen^  dafür  aber  rückte  man  den  Triglyphen- 


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Die  loscanisch-dorische  Ordnung.     Gestallung  des  Tempelplans.  23 

fries  so  weit  herab,  dass  der  Architrav  (das  Exislyl)  zu  einem  schmalen  Streifen  ver- 
schrumpfte, welcher  nicht  mehr  selbständig  hergestellt  werden  konnte,  sondern  mit  dem 
Triglyphenglied  aus  einem  Stücke  gearbeitet  werden  musste.  Vom  letzteren  erhalten  die 
Triglyphen  eine  sehr  kleinliche  flache  Bildung  mit  oben  rechtwinklig  abgeschnittenen 
Schlitzen  und  werden  so  vertheilt,  dass  je  zwei,  in  der  Mitte  der  Fronte  sogar  je  drei 
über  jedes  Intercolumnium  entfallen,  während  sich  gelegentlich  je  eine  halbe  Metope  an 
den  Ecken  findet,  w^odurch  auch  der  dorische  Fries  zum  reinen  Ornament  herabgesun- 
ken erscheint.  Endlich  verliert  das  vorne  schräg  übergeneigte  Geison  des  dorischen 
Styles  zumeist  jene  Neigung,  wie  auch  den  Dielenköpfen  die  Tropfen  in  der  Regel 
nicht  mehr  aufgesetzt  werden,  so  dass  diese  nur  mehr  als  horizontale  Consolplatten  er- 
scheinen, aus  welchen  auch  nach  einer  Notiz  bei  Vilruv^  durch  Unterlegung  einer 
Doppelspirale  die  Kragsteine  der  korinthischen  Ordnung  geworden  sind.  Die  Normen 
für  diese  Gestaltung  der  toscanisch- dorischen  Ordnung  giebt  Vitruv,^  das  erhaltenste 
Beispiel  unter  den  Ruinen  aber  bietet  der  schöne  Tempel  von  Cori,  von  welchem  bei- 
stehende Abildung  eine  Ansicht  vermittelt. 

Einen  wichtigen  Einfluss  aber  äusserte  das  Bekanntwerden  mit  griechischen 
Tempelbauten  auf  die  Plangestaltung  des  römischen  Tempelbaues.  Die  bisherige  konnte 
die  etrurische  genannt  werden,  welche  nun  ebensowenig  streng  beibehalten  w^urde, 
als  man  sich  zum  gänzlichen  Aufgeben  derselben  entschloss.  Es  konnte  aber  den  Rö- 
mern nicht  entgehen,  in  welch  entschiedenem  Vortheile  in  Hinsicht  auf  äussere  Er- 
scheinung der  griechische  Tempel  dadurch  war,  dass  die  Stirnseite  von  verhäKnissmässig 
geringerer  Breite  und  somit  von  ansehnlicherem  Höhenverhältnisse  war,  wie  denn 
auch  dadurch  das  Giebeldreieck  nicht  zu  der  lastenden  Gestalt  erwachsen  musste, 
welche  am  etrurischen  Tempel  durch  die  Breite  seiner  Basis  unvermeidlich  war.  Da- 
zu kam  die  von  der  Einführung  des  Steingebälkes  unzertrennliche  Engerstellung  der 
Säulen,  welche  gleichfalls  entweder  zur  Verdoppelung  derselben  oder  zur  Reduction  der 
Gesammtbreite  führen  musste.  Verliess  man  nun  auch  die  Anordnung  des  Tempel- 
schema's  nicht,  so  ging  man  doch  von  dem  Gesammtverhältnisse  in  so  weit  ab,  als 
man  den  annähernd  quadratischen  Grundriss  jetzt  in  die  Länge  streckte  und  dadurch  dem 
griechischen  Tempelplane  näherte.  Weniger  wich  man  von  jener  Eintheilung  ab,  welche 
die  rückseitige  Hälfte  ganz  als  Cellenraum,  den  vorderen  Theil  ganz  als  Vorhalle  be- 
handelte, doch  vergrösserte  man  den  Cellenraum  ein  wenig  auf  Kosten  der  Säulenhalle, 
welche  letztere  übrigens  immer  noch  geräumiger  blieb,  als  diess  der  griechische  Tempel 
kannte,  während  der  erstere  dadurch  eine    geräumigere  Saalgestalt   erhielt.      Man   ge- 


1  Diess  der  Sinn  der  bisher  nicht  gewürdigten  Stelle  IV,  1,  2.         2  Vitruv  IV.  3  beschreibt  die  dorische 
Ordnung  unter  dem  Einfluss  der  toscanisch  dorischen  Art.  Vgl.  Fig.  15  meiner  üebersetzung. 


24  Baijgeschichte  des  allen  Rom. 

langte  mithin  von  der  etrurischen  Anlage  zu  einer  prostylen,  welche  aus  einem  Com- 
promiss  zwischen  dem  einheimisch  altitalischen  (etrurischen)  Plane  und  den  hellenischen 
Einflüssen  hervorgegangen  und  als  die  Grundform  des  römischen  Tempelbaues  festzu- 
halten ist. 

Die  peripterale  Gestalt  (ringsumsäulige  Tempelanlage)  aber  scheinen  die  Römer 
bis  kurz  vor  der  Kaiserzeit  zurückgewiesen  zu  haben.  Für  sie,  das  eminent  praktische 
Volk,  konnte,  ganz  abgesehen  von  der  Neigung,  an  dem  Traditionellen  und  Einheimi- 
schen festzuhalten,  die  Auffassung  der  Hellenen  nicht  gerechtfertigt  erscheinen,  welche 
in  ihrem  Tempelbau  entschieden  einer  monumentalen  Tendenz  huldigten,  neben  welcher 
die  räumliche  Benutzbarkeit  sehr  in  den  Hintergrund  trat.  In  der  That  entspricht  der 
Innenraum  eines  hellenischen  Peripteros  nicht  einmal  der  Hälfte  des  bedachten  Rau- 
mes. Auch  hat  er  mit  dem  zwiefachen  Nachtheil  einer  coridorartigen  Gestrecktheit 
und  einer  sehr  mangelhaften  Beleuchtung  zu  kämpfen,  wenn  man  nicht  in  letzterer  Hin- 
sicht mit  einer  hypäthralen  Dachbildung  einen  Nothbehelf  schuf,  durch  welchen  die 
Bedachung  gerade  da  durchbrochen  wurde,  wo  sie  der  Natur  der  Sache  nach  noth- 
wendiger  gewesen  wäre,  als  an  den  äusseren  Säulenhallen.  Obwohl  nun  den  Römern, 
welchen  das  raumbildende  Element  der  Architektur  näher  lag  als  das  ideal-monumen- 
tale, dergleichen  nicht  zusagen  konnte,  vermochten  sie  doch  der  allseitigen  Schönheit 
des  hellenischen  Peripteros  nicht  völligen  Widerstand  zu  leisten,  und  wurden  dadurch 
zu  dem  weiteren  Compromiss  gedrängt,  als  welcher  sich  der  Prostylos  pseudoperipteros 
darstellt,  jene  Tempelform,  welche  von  dem  einfachen  Prostylos  dadurch  abweicht,  dass 
sich  die  Säulenstellung  der  Vorhalle  in  Halbsäulenform  an  den  Cellenwänden  herum 
fortsetzt.  Es  wurde  dadurch  äusserlich  das  Ansehen  eines  Peripteros  erreicht,  und  doch 
die  grössere  Räumlichkeit  der  Cella  nicht  preisgegeben,  welche  nun  auch  nöthigenfalls 
durch  Fenster  zu  erleuchten  war,  wie  es  die  Griechen  ausser  dem  Erechtheion  selten 
versucht  zu  haben  scheinen.  Die  völlige  Aufnahme  des  Peripteros  dürfte  in  der  re- 
publikanischen Zeit  Ausnahme  gewesen  sein,  und  selbst  später  blieb  die  prostyle  An- 
lage Regel,  wie  diess  mehrere  Kaisertempel  auf  dem  Forum  Romanum,  der  Vespasian- 
und  Fauslinatempel,  wahrscheinlich  auch  der  Caesartempel  zeigen.  Doch  auch  in  diesen 
Fällen  verliess  man  den  ziemlich  hohen  senkrechten  Unterbau  nicht,  welcher  dem  rö- 
mischen Tempelbau  im  Gegensatz  zu  dem  terrassirten  Unterbau  der  Griechen  ebenso 
charakteristisch  blieb,  wie  die  mächtige  Freitreppe  an  der  ganzen  Fronteseite. 

Während  indess  das  Vorhandensein  eines  dem  dorischen  verv^^andten  einheimischen 
Styles  der  Aufnahme  des  in  Unteritalien  so  reich  entwickelten  dorischen  Styles  hinder- 
lich war,  stand  nichts  im  Wege,  dem  Import  des  ionischen  weitergehende  Concessionen 
zu  machen.  Nur  musste  auch  dieser  Styl  sich  die  Umwandlung  in  eine  blosse  Ord- 
nung und  jene   handwerksmässige   Schematisirung   gefallen  lassen,   wie  sie  auch  aus 


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Die  ionische  Ordnung.     Entstehung  der  korinthischen  Ordnung.  25 

der  Mischung  des  toscanischen  und  dorischen  Styles  sich  ergeben  sollte.  Die  ionische 
Basis  ging  zu  Gunsten  der  attischen  ganz  verloren.  Auch  die  Canelluren  Hess  man 
häufig  und  bei  kleineren  Dimensionen  um  so  lieber  weg,  als  sie  an  dem  etwas  grob- 
körnigen Material  der  republikanischen  Zeit  nicht  leicht  auszuführen  waren^  wenn  man 
nicht  stark  mit  Verputz  nachhelfen  wollte.  Das  Capital  vereinfachte  sich  gleichfalls, 
besonders  aber  schuf  man  sich  sofort  für  die  Spirale,  welche  von  den  Griechen  aus 
freier  Hand  gezogen  w^orden  zu  sein  scheint,  eine  feststehende  Formel.  Dem  schema- 
bedürftigen Römer  aber  musste  namentlich  das  Capital  der  Ecksäulen  Schwierigkeiten 
bereiten,  da  dieses  nicht  nach  der  Lehre  der  übrigen  Capitäle  herzustellen,  sondern 
wegen  der  Nothwendigkeit,  die  Spiralen  an  zwei  anliegenden  Seiten  zu  zeigen,  zu  einer 
complicirten  Verzerrung  gedrängt  war.  Diese  Schwierigkeit  scheint,  wenn  auch  erst 
ziemlich  spät,  zu  dem  weiteren  Schritt  geführt  zu  haben,  die  Polsterbildungen  der  zwei 
Nebenseiten  ganz  wegfallen  zu  lassen,  und  die  Spiralenfronte  an  allen  vier  Seiten  zu 
wiederholen  (Saturntempel),  wodurch  wieder  ein  Schema  für  alle  Capitäle  eines  Ge- 
bäudes tauglich  wurde,  wie  in  der  toscanischen  und  korinthischen  Ordnung,  deren  Ca- 
pi(äl-Ranken  vielleicht  auch  Mitursache  jener  Aenderung  gewesen  sind.  —  Das  Gebälk 
vereinfachte  sich  namentlich  durch  Reduction  der  Blattleisten  und  Astragale,  welche 
letzteren  in  den  rauheren  Materialien  der  republikanischen  Epocjie  geradezu  unausführ- 
bar waren.  Die  Verhältnisse  der  drei  Glieder  aber  wurden  gleichfalls  in  einen  höchst, 
einfachen  Canon  gezwängt.^  (Vgl.  beifolgende  Abbildung  des  Tempels  angeblich  der 
Fortuna  Virilis). 

So  lange  man  die  Tempel  aus  Tuf  und  Travertin  baute,  konnte  sich  auch  der 
bauliche  Schmuck  nicht  leicht  über  die  Mittel  der  toscanisch- dorischen  und  der  ioni- 
schen Ordnung  erheben.  Als  aber  gegen  Ende  der  republikanischen  Epoche  und  be- 
sonders seit  der  Unterwerfung  Griechenlands  überseeischer  Marmor  an  die  Stelle  des 
landeigenen  Materials  Mittelitaliens  trat,  was  der  Benutzung  der  lunesischen  (Carrara) 
Marmorbrüche  vorausgegangen  zu  sein  scheint,  verdrängte  eine  erst  in  der  hellenischen 
Verfallszeit  ausgedehnter  angewendete  Säulen-  oder  richtiger  Capitälform  des  ionischen 
Styls,  nemlich  die  korinthische,  die  zwei  andern  Ordnungen  in  der  Weise,  dass  von 
der  Zeit  an  selten  mehr  ein  namhafter  Tempel  in  anderer  Ordnung  als  in  der  korin- 
thischen erbaut  ward.  Bekanntlich  kennt  die  hellenische  Architekturgeschichte  bis  zu 
der  Diadochenzeit  die  aus  einem  Phantasie-Capitäl  hervorgegangene  korinthische  Ord- 
nung noch  nicht,  w^enn  auch  kein  Grund  zu  zweifeln  vorliegt,  dass  wirklich  Kallimachus 
der  Erfinder  jenes  Capitäls  war,  mochte  nun  dieser  den  Anlass  aus  der  von  Vitruv  er- 
zählten  Begebenheit^  oder   aus  einer  anderen   seiner  tektonischen  Schöpfungen   (z.  B. 


1  Vitruv.  III,  5.         2  Vitruv  IV,  1,  9,  10. 
F.  Reder,  Rom. 


26  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

der  ehernen  Lampe  im  Erechtheion)  oder  vielleicht  sogar  aus  dem  Vorbilde  der  ägyp- 
tischen Kelchcapitäle  geschöpft  haben.  In  der  That  erscheint  die  korinthische  Säule 
selbst  da,  wo  sie  nicht  mehr  blos  vereinzelt  unter  ionischen  Säulen,  sondern  ausschlie- 
ssend  vorkommt,  wie  an  dem  Monumente  des  Lysikrates  und  an  dem  Thurm  der  Winde 
noch  unentwickelt  oder  in  Halbsäulenform,  welche  ihrerseits  wieder  an  gewisse  Erscheinungen 
am  Pilastercapitäl  erinnert,  und  ohne  kanonisches  Gepräge.  Namentlich  zeigt  sie  noch  kei- 
nen Einfluss  auf  das  rein  ionische  Gebälk,  dessen  Umbildung  erst  von  einer  korinthischen 
Ordnung  zu  sprechen  erlaubt.  Ob  nun  diese  Umbildung  noch  das  Werk  des  Helle- 
nismus und  eine  Schöpfung  der  prachtliebenden  Epoche  der  Erben  Alexanders  des 
Grossen,  oder  ob  sie  wirklich  römisches  Product  ist,  muss  dahingestellt  bleiben.  Viel- 
leicht ist  hier  ein  Zusammenwirken  zu  constatiren.  Denn  wenn  wirklich  ein  römischer 
Architekt  (Cossutius)  im  Auftrage  eines  syrischen  Königs  jenen  olympischen  Jnpiter- 
tempel  in  Athen  erbaute,  dessen  korinthische  Säulen  Sulla  nach  Rom  schleppte  um  mit 
diesen  den  während  seiner  Abwesenheit  abgebrannten  capitolinischen  Jupitertempel  wieder 
aufzubauen,  so  Hesse  sich  an  eine  combinirte  Urheberschaft  denken.  Das  korinthische 
Gebälke  aber  zeigt  in  Architrav  und  Fries  die  ionische  Bildung  beibehalten,  und  nur  das 
Kranzgesims  gewann  eine  Neuerung  in  den  schönen  Kragsteinen.  Diese  sind  dem 
Wesen  nach  verwandt  den  Triglyphen  der  dorischen  und  dem  Zahnschnilte  der  ionischen 
Architektur,  indem  sie  ihrer  horizontalen  Lage  nach  als  Symbol  der  horizontalen  Deck- 
balken sich  darstellen.  An  eine  solche  Symbolisirung  konnte  jedoch  in  jener  Zeit  nicht 
mehr  gedacht  werden,  und  sie  scheinen  vielmehr  aus  der  Vergrösserung  und  sculpturalen 
Ausbildung  des  Zahnschnittes  oder  richtiger  aus  einer  Verbindung  desselben  mit  den  in 
der  toscanisch-dorischen  Architektur  horizontal  gewordenen  Mutuli  erwachsen  zu  sein. 
Dass  man  aber  das  Vorbild  der  Parotides  an  der  hellenischen  Thürgewandung  hiezu, 
freilich  in  horizontaler  statt  senkrechter  Lage  wählte,  war  ein  höchst  glücklicher  Griff, 
um  so  mehr,  als  sich  dadurch  der  Blätter-  und  Rankenschmuck  des  korinthischen  Ca- 
pitäls  auch  auf  das  Gebälk  überleiten  liess,  und  hier  abgesehen  von  den  reichen  Blatt- 
leisten der  Gliederungen  und  von  den  Blattranken  im  Friese,  in  der  klar  profiliiten 
Kragsteinreihe  kräftig  und  üppig  ausklang. 

Wie  aber  die  Prachtliebe  der  Römer  von  früher  Zeit  an  zur  Mischung  der  Mo- 
tive der  einzelnen  Style  geneigt  war,  und  so  z.  B.  gewöhnlich  den  ionischen  Zahn- 
schnitt neben  der  korinthischen  Kragsteinbildung  bestehen  liess,  so  gelangte  sie  auch 
dahin  die  Verschmelzung  der  ionischen  Formen  mit  der  korinthischen  Neuerung  dadurch 
zu  bekrönen,  dass  sie  selbst  das  korinthische  Capital  trotz  der  organischen  Verschie- 
denheit mit  dem  ionischen  in  Verbindung  brachte.  Es  entstand  dadurch  das  sog.  rö- 
mische oder  Compositcapitäl,  welches  auf  der  unteren  Hälfte  des  korinthischen,  d.  h. 
auf  dessen  zwei  Blattreihen   das   ionische   Capital   aufgepflanzt   zeigt.     Freilich  konnte 


Die  korinthische  Ordnung.     Das  Compositcapitäl.  27 

diess  nur  mit  jener  Bildung  des  letzteren  geschehen,  welche  in  der  oben  bereits  bespro- 
chenen Weise  auf  allen  vier  Seiten  die  Spiralenbildiing  darbietet,  wodurch  sich  auch  die 
der  Rankenbildung  des  korinthischen  Capitäls  ähnlichen  vorspringenden  Ecken  ergeben. 
Doch  scheint  auch  diese  Verquickung,  welche  wir  an  den  Säulen  des  Cerestempels  (S.Maria 
in  Cosmedin)  und  an  den  Triumphbögen  des  Titus  wie  des  Septimius  Severus  finden  wer- 
den, nicht  vor  der  römischen  Kaiserzeit  gewagt  worden  zu  sein ,  wie  überhaupt  die 
besprochenen  Formenentwickelungen  zum  grossen  Theile  einer  vorgerückteren  Periode 
angehören,  als  wir  sie  in  unserer  Baugeschichte  bisher  erreicht  haben. 

Nebenher  muss  noch  einer  bei  den  Römern  besonders  beliebten  Tempelart  ge- 
dacht werden,  welcher  auch  Vitruv^  eine  eingehende  Besprechung  widmet,  nemlich  des 
Rundtempels.  Dabei  trat  die  kreisförmige  Cella,  wenn  sie  umsäult  war,  über  die 
mit  Pultbedachung  ringsum  sich  anschliessende  Säulenhalle  empor,  und  wurde  mit 
einem  flachen  Zclldach  selbständig  abgedeckt.  Wenn  sich  auch  diese  Tempclform 
aus  Cultgründen  für  das  Vestaheiligthum  besonders  eignen  mochte,  so  war  sie  doch 
keineswegs  auf  diesen  Zweck  beschränkt,  wie  denn  gerade  der  erhaltene  Rundtempel 
Roms  wahrscheinlich  dem  Hercules  geweiht  war,  während  die  Bestimmung  der  Perle 
unter  den  Ruinen  in  Tivoli  (vgl.  die  beifolgende  Abbildung)  ganz   ungewiss  ist. 

Die  Grösse  der  römischen  Baukunst  beruht  jedoch  keineswegs  im  Säulenbau, 
welcher  weder  selbständiges  Eigenthum  der  Römer  war,  noch  i.)  der  stylvollen  Reinheit 
und  Sinnigkeit  der  Griechen  geübt  wurde.  Während  nemlich  in  Hellas  die  organische 
Bedeutung  der  Stylarten  und  des  Säulenbaues  immer  in  Kraft  blieb ,  sanken  diese  grie- 
chischen Schöpfungen  in  Rom  zu  nebensächlicher  Decoration  herab.  Die  Hauptsache  war 
von  vornherein  und  blieb  die  Conslruction.  Nur  durch  sie  konnte  die  römische  Architektur 
jene  Unverwüstlichkeit  und  jene  Dimensionen  erreichen,  welche  der  griechischen  unerreich- 
bar waren.  Man  konnte  die  Dimensionen  der  griechischen  Säule  nur  bis  zu  einer  gewissen 
Gränze  steigern,  denn  wenn  es  auch  möglich  war,  riesige  Säulentrommeln  aufeinander  zu 
thürmen,  so  erwuchs  aus  der  erforderlichen  Länge  der  Architravblöcke  ein  unübersleig- 
lichesHinderniss,  falls  man  nick!,  wie  am  Jupitertempel  zuGirgenti  die  Bedeutung  und  Wir- 
kung der  Säulenstellung  durch  Zwischenwände  wieder  gänzlich  aufheben  wollte.  Auch  das 
Uebercinanderstellen  mehrer  Säulenreihen,  um  eine  bedeutende  Höhe  und  mehre  Stockwerke 
zu  erzielen,  wie  das  gelegentlich  und  zu  vorübergehenden  Zwecken  bei  den  Scenen  römi- 
scher Theater,  wovon  gehörigen  Ortes  gesprochen  werden  soll,  oder  für  bleibende  Monu- 
mente (Septizonium)  in  mehren  Etagen  versucht  ward,  konnte  den  auf  Nutzen  und  Solidität 
vor  Allem  bedachten  Römern  nicht  vollends  entsprechen.  Man  zog  es  daher  vor,  diesen 
architektonischen  Schmuck  an  höher  cmporgeführlcn  Werken  niciit  selbständig  auszuführen. 


1  Vitruv.  IV.  8. 

4* 


28  Baugeschichte  des  allen  Rom. 

sondern  nur  an  den  Mauern  selbst  anzudeuten,  indem  man  zu  jenem  Halbsäulen-  und 
Pilastersysteme  griff,  das  den  Griechen  zwar  nicht  unbekannt,  aber  doch  von  ihnen  nicht 
weit  entwickelt  war.  Es  wurde  dadurch  der  Mauerbau,  der  von  den  Griechen  in  un- 
tergeordneter architektonischer  Einfachheit  und  Schmucklosigkeit  belassen  worden,  zu 
einem  völlig  neuen  Leben  erweckt,  welches  verschiedene  Umstände  beförderten,  in 
erster  Linie  aber  die  Art  des  zu  Gebote  stehenden  Materials. 

Da  nemlich  die  nächste  Umgebung  von  Rom  an  Bruchsteinen  nur  schlechtes 
Älaterial,  vulkanische  Tufarten,  den  weichen  röthlichbraunen  von  Rom  selbst  und  vom 
Anio  und  den  grauen  besseren  (Peperino)  von  gewissen  Brüchen  in  der  Campagna 
und  im  Albanergebirge  darbot,  und  die  Herbeischaflung  schöneren  Materials,  des  weiss- 
liehen  Kalksteines  von  Tibur  (Travertino),  auch  nachdem  sie  durch  Unterweifung  der 
Tiburtiner  ermöglicht  oder  erleichtert  worden  war,  doch  kostspielig  sein  musste,  so 
konnte  der  Bau  aus  Bruchsteinen  nicht  zur  allgemeinen  Anwendung  kommen.  Dieser 
Mangel  führte  zu  der  grossen  Vollendung  des  Ziegelbaues,  worin  die  Römer  bald  alle 
übrigen  Völker  übertrafen.  Was  die  Ziegel  selbst  betrifft,  so  waren  sie  für  den  Pri- 
vatbau zumeist  nur  an  der  Sonne  getrocknet.  Diese  konnten  natürlicii  nicht  Jahrtau- 
sende überdauern:  die  gebrannten  Ziegel  jedoch,  welche  in  zahlreichen  Backsteinruinen 
von  verschiedenen  Epochen  der  römischen  Herrschaft  erhalten  sind,  zeigen  eine  ganz 
vorzügliche  Schönheit,  Feinheit  der  Masse  und  Exactheit  der  Form  und  haben  auch  seit 
fast  zwei  Jahrtausenden  an  Festigkeit  wenig  oder  nichts  verloren.  Die  gewöhnlichen  Halb- 
ziegel sind  etwas  grösser  als  die  jetzt  üblichen,  dafür  bedeutend  flacher,  in  der  besten  Zeit 
nur  3  Centimeter  hoch.  Doch  bei  Mauern  von  einiger  Dicke  war  dieser  Backsteinbau 
nur  die  äussere  Bekleidung:  der  Kern  bestand  aus  einer  durch  Mörtel  verbundenen 
Gussmasse  kleiner  Steinstücke  verschiedener  Art  [fartnra^  Gusswerk).  In  Abständen 
von  je  einem  Meter  aber  erscheint  an  solchen  Mauern  eine  Lage  oder  mehre  von  dop- 
pelt so  grossen  Ziegelplatten  fast  quadratischer  Form,  welche  durch  die  ganze  Mauer- 
dicke gehen  und  so  das  Gusswerk  unterbrechend  zu  grösserer  Festigkeit  beitragen. 
Diese  Ziegelplatten  sind  dem  Archäologen  überaus  wichtig  durch  den  an  denselben  an- 
gebrachten Fabrikstempel,  der  meist  das  Consulatsjahr,  in  welchem  sie  verfertigt  sind, 
angiebt,  und  zu  den  wichtigsten  Hilfsmitteln  für  die  Bestimmung  der  Erbauungszeit  des 
betreffenden  Gebäudes  gehört. 

An  der  Stelle  dieser  Backsteinmauer  oder  vielmehr  Bekleidung  findet  sich  noch 
eine  andere  ganz  besondere  Art  von  Technik,  die  jedoch  von  geringerer  Bedeutung  ist, 
nemlich  das  Netzwerk  [opus  reücnlatumj  mit  einer  weniger  vollKommenen  (früheren?) 
Unterart  derselben,  dem  opus  anliquum  oder  inceräim.  Beide  sind  aus  keilförmigen 
Stücken  von  Bruchstein  gebildet,  und  zwar  so,  dass  diese  die  spitze  Seite  nach  innen 
kehren   und  nach  aussen  die  quadratische  Stirnfläche  zeigen,  deren  eine  Diagonale  senk- 


o. 

E 


Material,  Technik,  Wölbung.  29 

recht  zu  stehen  kommt.  Waren  diese  Stücke,  die  mit  Mörtel  verbunden  wurden,  regel- 
mässig aneinander  gereiht,  so  dass  die  Fugen  in  geraden  Linien  sich  kreuzten,  so 
wurde  die  Mauer  wiegen  ihres  netzförmigen  Ansehens  opus  reticulatum,  wenn  unregel- 
mässig opus  anüqmim  genannt.  Hinsichtlich  ihrer  relativen  Dauerhaftigkeit  giebt  schon 
Vitruv^  dem  letzteren  Verfahren  den  Vorzug,  w^as  sich  auch  leiciit  dadurch  erklärt,  dass 
die  ununterbrochen  geradlinigen  und  schrägen  Fugen  sich  leichter  lösten,  als  unregel- 
mässige bei  gleich  guter  Fügung.  Die  grössere  Scliönheit  des  regelmässigen  Netz- 
werkes aber  war  deshalb  von  geringer  Bedeutung,  weil  derlei  Wände  in  der  Regel 
nicht  ohne  Verputz  blieben.  Nichts  desto  weniger  war  die  erstere  Art  entschieden 
mehr  im  Gebiauche,  und  man  sieht  davon  noch  zahlreiche  Reste  an  den  Ruinen  von 
Gräbern  und  Villen  um  und  in  Rom.  Solche  Wände  aber  sind  in  gewissen  regelmäs- 
sigen Abständen  von  einigen  Lagen  ziegeiförmiger  Steinplatten  und  später  wirklicher 
Ziegel  durchzogen  und  in  gleicher  Weise  an  allen  Ecken  eingefasst. 

Ist  aber  die  vollendete  Technik  des  römischen  Mauerbaues  als  die  Grundlage 
für  die  erstaunliche  Enlwickelung  des  römischen  Massenbaues  zu  bezeichnen,  so  gilt 
dies  ganz  besonders  von  der  wandbelelebenden  Kunst  des  Wölbens,  deren  Erfindung 
ohne  Bedenken  die  folgenreichste  in  der  Baukunst  genannt  werden  kann.  Dass  Demokrit 
den  Steinschnitt  und  die  Wölbung  erfunden  habe,  dürfte,  übrigens  schon  von  Seneca  ^ 
in  Abrede  gestellt,  Angesichts  der  Gewölbe  der  Cloaca  Maxima  und  anderer  in  Etrurien, 
in  Pästum  und  anderwärts  vorkommender  w^ahrscheinlich  älterer  Steinbogen  kaum  auf- 
recht zu  halfen  sein.  Audi  ist  es  wegen  einiger  anderweitiger  Beispiele  noch  nicht 
so  ganz  sicher,  den  Bogenschnitt  eine  etruskische  Erfindung  zu  nennen,  und  so  müssen 
wir  uns  wie  fast  bei  allen  Anfängen  zu  der  Erklärung  entschliessen,  dass  wir  eben 
die  Herkunft  dieser  wichtigen  Kunst  nicht  kennen.  Der  Bogen-  und  Gewölbebau  aber 
gelangte  in  Rom,  muthmasslich  nach  dem  Vorgang  von  Antiochia  und  Alexandria  zu 
der  ausgedehntesten  Anwendung,  wesentlich  gefördert  durch  den  Backsleinbau.  Dieser 
erleichterte  die  Ausbildung  der  verschiedenen  Formen  vom  einfachen  Bogen  und  Ton- 
nengewölbe bis  zum  complicirteren  Kreuz-  und  Kuppelgewölbe  mit  ihren  besonderen 
Abstufungen,  und  deren  Benutzung  auch  für  grössere  Räume.  Von  den  verschiedenen 
Arten  finden  sich  zahlreiche  Beispiele  unter  den  Ruinen  Roms.  Kleinere  Tonnenge- 
wölbe wurden  und  zwar  vermuthlich  schon  in  sehr  früher  Zeit  einfach  gegossen,  wo- 
bei man  sich  allerdings  auf  die  Haltbarkeit  des  Bindemittels  verlassen  musste,  wozu 
man  übrigens  durch  die  fast  beispiellose  Vortrefflichkeit  desselben  in  dem  grössten 
Theile  von  Mittelitalien,  namentlich  um  Rom,  wohl  berechtigt  war.  Um  solche  Gewölbe 
aus  Gusswerk  noch  leichter  und  darum  gefahrloser  herzustellen,  mengte  man  die  Guss- 


1  Vitruv.  II.  8.         2  Senec.  Ep.  90. 


30  Baugeschiclite  des  alten  Rom. 

masse  gerne  mit  Bimssteinstücken  und  Thonscherben,  während  man  bei  grösseren  und 
besonders  Kuppelgewölben  in  später  Zeit  zu  gleichem  Zwecke  ineinandergesteckte 
Topfe  von  gewisser  Form  einsetzte,  deren  Gewicht  im  Verhältnisse  zum  Volumen  ihrer 
Hohlheit  wegen  natürlich  das  geringste  war,  während  ihre  Verbindung  unter  sich  die 
Haltbarkeit  erhöhte.^ 

Kehren  wir  aber  nach  diesen  allgemeinen  Betrachtungen  über  römische  Archi- 
tektur und  Technik  nun  zur  unterbrochenen  Baugeschichte  der  Stadt  selbst  zurück,  so 
sehen  wir,  dass,  wenn  auch  die  Technik  seit  den  Königsbauten  sich  in  der  bespro- 
chenen Weise  fortentwickelte,  doch  das,  was  über  die  römische  Fortbildung  griechi- 
scher Architektur  gesagt  worden  ist,  auf  das  erste  Jahrhundert  der  Republik  nur  wenig 
Anwendung  findet.  Die  Römer  fuhren  fort,  den  Göttern  zahlreiche  aber  eben  darum 
minder  bedeutende  Heiligthümer  zu  erbauen,  und  begnügten  sich  selbst,  die  wenigen 
Monate,  die  sie  nicht  im  Felde  standen,  in  unansehnlichen  Wohnungen  zu  verleben. 
Oetfentliche  Gebäude,  an  welchen  sich  hauptsächlich  die  römische  Architektur,  ebenso 
wie  die  griechische  an  den  Tempeln^  entwickeln  musste,  gab  es  nur  wenige.  Der 
Circus^  welcher  schon  mit  dem  Beginne  der  Stadt  erscheint,  bestand  nur  aus  einer 
geebneten  Rennbahn  und  aus  rohen  Holzgerüsten,  welche  überdiess,  wie  es  scheint, 
zum  grössten  Theile  lediglich  für  die  Zeit  der  Spiele  aufgeschlagen  wurden,  so  dass 
er  in  seiner  damaligen  Gestalt  nur  sehr  unoigentlich  ein  Gebäude  genannt  werden  kann. 
Die  Curien  entsprachen  nach  Gestalt  und  Charakter  schlichten  Tempeln.  Das  Forum, 
um  welches  sich  die  spätere  römische  Pracht  in  einer  Anzahl  ölfenlicher  Bauwerke 
lagerte;  war  damals  ein  einfacher  Marktplatz  mit  Verkaufsbuden.  Selbst  der  hervor- 
ragendste Theil  desselben,  das  Comitium,  war  ungepflastert,  ebenso  die  Strassen;  über 
den  Fluss  führte  nur  eine  hölzerne  Brücke.  Doch  scheint  die  Stadt  nicht  ohne  einen 
bestimmten  Plan  angelegt  gewesen  zu  sein,  da  besonders  die  Cloaken  den  Strassen 
entsprachen,  wodurch  eine  regelmässige  und  ziemlich  geradlinige  Verzweigung  derselben, 
namentlich  in  der  Richtung  nach  dem  Flusse  hin,  bedingt  war. 

Fast  alles  Vorhandene  verwüstete  die  Einnahme  Roms  durch  die  Gallier  i.  J.  d.  St. 
364  (390  V.  Chr.).  Die  Zerstörung  selbst  ist  eben  nicht  zu  sehr  zu  beklagen,  da  in 
allen  Gebäuden  noch  grosse  Aermlichkeit  geherrscht  hatte,  welclie  den  Schaden  doch 
nur  massig  machte,  und  da  auch  noch  kein  bedeutendes  Kunstdenkmal  vorhan- 
den w^ar,  das  darunter  hätte  leiden  können.  Weit  mehr  Naohtheil  als  die  Zerstörung 
brachte  für  die  ganze  Folgezeit  der  übereilte  Wiederaufbau  der  Stadt.  Man  kümmerte 
sich  nicht   darum,    die    urprüngliche  Anlage  zu  beobachten;    Jeder  baute,  wo  er  eben 


1  R.  Bergau.     Su'  vasi  fittili  usati  per  la  costruzione  delle  volte.    Ann.  d.  J.  d.  c   a.  1867  Vol.  XXXIX. 
p.  405  —  408  tav.  d'agg.  L.  2—7.  I.  d. 


Zerstörung  und  Wiederaufbau  der  Stadt.     Erste  Wasserleitung.     Strassen.  3| 

leeren  Raum  fand.  Die  Linien  der  Cloakcn  wurden  mit  Wohnhäusern  überbaut,  und 
die  Einzelnen  lenkten  die  Richtung  der  Strassen  oder  vielmehr  Gassen  nach  ihrem  Be- 
lieben oder  wie  es  ihnen  die  üebereiiung  gerade  eingab;  denn  gegen  die  Verpflich- 
tung, innerhalb  eines  Jahres  sein  Gebäude  zu  vollenden,  konnte  Jeder  unentgeltlich 
seinen  Bedarf  an  Material  aus  Staatsbesitz  nehmen  wo  er  wollte.^  So  erstand  die  Stadt 
schnell  wieder,  doch  ohne  überlegten  Plan,  als  ein  Gewirre  von  Gebäuden:  und  diess 
hatte  die  Folge,  dass  die  damals  schon  bewohnten  Stadttheile  nie  mehr  zu  einer 
schönen  und  für  den  Verkehr  zweckmässigen  Anlage  gelangten.  In  baulicher  Hinsicht 
erhoben  sich  die  Privatgebäude,  wie  vorher,  in  ungebrannten  Ziegeln  auf  einem  nie- 
drigen Unterbau  von  Bruchsteinen.^  Im  Gegensatze  zu  dem  Berichte  des  Livius  (a.  a. 
0.)  wird  anderwärts^  sogar  erwähnt,  dass  die  Bedachung  der  Wohngebäude  bis  zur 
Zeit  des  Krieges  mit  Pyrrhus  (474  d.  St.,  280  v.  Chr.),  seit  welcher  Zeit  die  Ziegel- 
platten in  Aufnahme  kamen,  aus  Holz  bestand. 

Nach  der  gallischen  Verwüstung  der  Stadt  finden  sich  fast  hundert  Jahre  lang 
keine  Berichte  über  die  Ausführung  hervorragender  öffentlicher  Bauten.  Der  Sinn  der 
Römer  war  auf  die  Sicherung  der  staatlichen  Existenz  und  des  Uebergewichtes  nach 
aussen  wie  auf  die  Erhaltung  und  Erringung  von  Rechten  unter  den  Ständen  im  Innern 
gerichtet,  das  Staats-  und  Privatvermögen  gering,  und  das  Gefühl  für  die  Schönheit  der 
Kunst  noch  nicht  geweckt.  Erst  als  der  Zusammenstoss  mit  dem  hellenisirten  Südita- 
lien, dann  mit  Hellas  und  Kleinasien  den  Römern  die  verfeinerte  gesellschaftliche  Cul- 
tur  gezeigt,  Prachtliebe  und  Genusssucht  angeregt  hatte,  begann  man  auch  zu  Rom, 
ausgerüstet  mit  den  Schätzen  mehrcr  unterworfener  Völkerschaften,  sich  nicht  mehr  auf 
das  Nöthigste  zu  beschränken,  sondern  auch  für  die  Verbesserung  und  Verschönerung 
der  öffentlichen  Anstalten,  für  Bequemlichkeit  und  Vergnügen  zu  sorgen.  Gleichzeitig 
mit  der  ersten  Wasserleitung,  der  Aqua  Appia,  die  in  einem  unterirdischen  Kanäle 
nach  der  Stadt  geführt  wurde,  um  diese  theilweise  mit  besserem  Trinkwasser  zu  ver- 
sorgen, als  es  bisher  der  Tiber  und  die  wandelbaren  Hügelquellen  geboten  hatten, 
baute  der  Censor  Appius  Claudius,  mit  dem  Beinamen  „der  Blinde",  im  Jnhre  442  d. 
St.  (312  V.  Chr.),  vierzehn  Jahre  nach  dem  Ausbruche  des  Samniterkrieges,  die  erste 
Heerstrasse,  und  zwar  von  Rom  nach  Capua.  Sie  bestand  aus  einem  Damm,  der  nicht 
gepflastert,  sondern  mit  Schotter  beworfen  war:*  so  wenigstens  erhellt,  wenn  auch  die  citirte 
Notiz  Diodors  dagegen  zu  sprechen  scheint,  aus  dem  genauer  unterrichteten  Livius,  nach 
welchem  erst  die  Aedilen  Cn.  und  Q.  Ogulnius  (456  d.  St.  298  v.  Chr.)  den  Fussweg 
neben   dieser  Strasse  vom  Capenischen  Thore  bis  zum  Tempel  des  Mars,  d.  h.  an  der 


'Liv.  V.  55.  2(Varro)    Sueton.     Aug.   29.  3  pun.  H.  N.  XVI.  10,  15.  *Liv.  TX.  29.    Diodor 

XX.  36.    Frontin.  de  aquaed.  1. 


32  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

Strecke  etwa  von  S.  Gregorio  bis  wenig  ausserhalb  der  heutigen  Porta  di  S.  Seba- 
sliano,  mit  quadratisch  behauenen  Steinen  belegen  Hessen/  während  erst  im  J.  469 
d.  St.  (295  V.  Chr.)  aus  eingezogenen  Strafgeldern  die  Strasse  selbst  vom  Marstempel 
bis  Bovillae  (dessen  Ruinen  noch  bei  Albano  zu  sehen  sind)  mit  den  fortan  hiefür 
üblichen  Basaltpolygonen  [silexj  gepflastert  wurde.^  Von  dieser  Zeit  an  galt  die 
Anlegung  von  Strassen  für  eine  Angelegenheit  von  höchster  Wichtigkeit  und  ward 
in  der  Folge  mit  ungeheurem  Aufwände  betrieben.  Man  wählte  meist  gerade  Linien, 
wie  denn  z.  B.  die  Via  Appia  von  der  Höhe  des  Grabmals  der  Caecilia  Metella  bis 
Albano  in  einer  nur  einmal  fast  unmerklich  unterbrochenen  Geraden  sich  hinzieht,  und 
um  Krümmungen  und  Senkungen  zu  vermeiden,  wurden  häufig  ganze  Thäler  überbrückt 
und  Berge  durchschnitten. 

Die  beiden  Werke  des  Appius  waren  jedoch  nur  vereinzelte  Vorläufer  gross- 
artiger Bauunternehmungen,  denn  es  verging  wieder  fast  ein  Jahrhundert,  bis  endlich 
ein  in  dieser  Beziehung  fast  unerhörter  Aufschwung  begann,  welcher  nach  den  ver- 
schiedensten Richtungen  öffentlicher  Bedürfnisse  durchgriff.  An  der  Spitze  steht  der 
Bau  des  Circus  auf  dem  Marsfelde,  den  der  Censor  C.  Flaminius  ausführte,^  derselbe 
Censor,  der  auch  die  Flaminia  anlegte.  Im  J.  562  d.  St.  (192  v.  Chr.)  erhoben  sich 
Säulengänge  vor  der  Porta  Trigemina  und  vor  der  Porta  Fontinalis,  von  denen  der  erste 
am  Fusse  des  Aventin,  der  letztere  am  Fusse  des  Quirinalis  gegen  das  Marsfeld  sich 
hinzog.''  In  derselben  Zeit  fing  man  auch  an,  die  Strassen  der  Stadt  mit  Basaltpolygonen 
zu  pflastern,^  der  Landungsplatz  am  Tiber  vor  der  Porta  Trigemina  wurde  mit  behau- 
enen Steinen  belegt  und  mit  Stufen  und  Pfählen  zur  Befestigung  der  Fahrzeuge  ver- 
sehen,^ das  Cloakennetz  erfuhr  ausser  einer  gründlichen  Reinigung  eine  beträchtliche 
Erweiterung. "^  Und  nachdem  fast  ein  halbes  Jahrtausend  eine  hölzerne  Brücke  dem  Ver- 
kehrsbedürfnisse hatte  genügen  müssen,  begann  endlich  im  J.  575  d.  St.  (179  v.  Chr.) 
der  Censor  M.  Flaccus  Nobilior  den  Bau  der  ersten  steinernen  Brücke,  und  warf  hiezu 
gewaltige  Pfeiler  in  den  Strom,  über  die  jedoch  erst  in  37  Jahren  die  Bogen  gesprengt 
wurden.^  Gleichzeitig  erbaute  Flaccus  Nobilior  unterhalb  der  Brücke  einen  Hafen  für 
Flussfahrzeuge. 

In  derselben  Epoche  wurde  auch  durch  M.  Porcius  Cato  nach  griechischem 
Vorbilde  und  unter  dem  Namen  der  athenischen  Gerichtshalle  des  Archon  Basileus  die 
erste  Basilica  (Gerichtssaal)  erbaut,^  welcher  bis  in  die  späteste  Kaiserzeit  mehre  nach- 
folgten. Die  Gestaltung  und  Entwickelung  der  Basilica  ist  dadurch  ausserordentlich  be- 
deutsam, dass  ihre  Planform  die  Grundlage  des  christlichen  Kirchenbaues   darbot.     Hat 


1  Liv.  X.  23.         2  id.  X.  47.         3  Liv.  Epit.  XX.        *  id.  XXXV.  10.         »  id.  XXXVIH,  28.    XLI.  27. 
« id,  XLI.  27.        7  id.  XXXIX.  44.        8  Liv.  XL,  51.        »id.  XXXIX.  44.  AureL  Vict.  de  vir.  ill.  47. 


Circus  Flaminius.     Portiken.     Die  erste  steinerne  Brücke.     Die  Basilica  Porcia.  33 

es  sich  nemlich  auch  als  falsch  herausgestetlt,  dass  die  öffentlichen  Gerichtshallen  als 
unmittelbares  Vorbild  dienten,  da  vielmehr  die  Privatbasilika  als  die  Wiege  des  christ- 
lichen Cultus  besonders  in  der  römischen  Gemeinde  zu  betrachten  ist/  so  ist  doch  der 
Zusammenhang  zwischen  der  forensen  und  Hausbasilika  nicht  zu  bestreiten  und  das 
gegenseitige  Verhältniss  vom  Verfasser  dieses  klar  zu  legen  versucht  vs^orden.^  Der- 
selbe hat  auch  in  der  angezogenen  Abhandlung  die  Urform  der  römischen  Basilika 
durch  den  Nachweis  der  Gestalt  der  Basilica  Porcia  mit  den  zu  Gebote  stellenden 
Mitteln  zu  entwickeln  gestrebt,  und  dabei  Folgendes  als  zweifellos  befunden:  Die  ge- 
nannte Basilika  hatte  eine  Schmalseite  als  Fronte  und  besass  an  dieser  eine  Säulen- 
vorhalle, welche  selbst  ohne  Bedachung  war  und  vielmehr  eine  Estrade  trug.  Das  In- 
nere war  mit  Säulengängen  rings  umgeben,  also  nicht  in  Schiffe  getheilt,  was  die 
Säulenstellungen  auf  die  Längsrichtung  beschränkt  haben  würde.  Die  ringsum  laufenden 
Säulengänge  waren  in  zwei  Stockwerke  gedoppelt,  während  der  Mittelraum  ohne  Stock- 
werktheilung  bis  zur  gemeinsamen  Decke  emporstieg.  Gemeinsam  aber  war  Holzdecke 
und  Dach  für  Mittel-  und  Nebenräume  und  nicht  der  Mittelraum  überhöht  und  mit  Fen- 
stern versehen,  deren  er,  da  die  Langseiten  zur  Fensterbildung  in  zwei  Etagenreihen 
nach  Art  der  Pfeilerarkaden  der  Theater  und  Amphitheater  oder  auch  in  einer  einfacheren 
Weise  Gelegenheit  genug  boten,  nicht  bedurfte  während  erst  in  der  Privatbasilika  der  Ein- 
schluss  des  Saalbaues  zur  Ueberhöhung  des  Mittelraumes  behufs  Anlage  der  Hochfen- 
ster, damit  abcrauch  zur  Reduction  der  Ringsumsäuligkeit  des  Innern  auf  die  parallelen 
Säulenstellungen  zwang.  Die  der  Eingangsschmalseite  gegenüberliegende  andere  Schmal- 
seite enthielt  jene  kreisförmige  Ausweitung,  welche  je  nach  horizontaler  oder  halbkup- 
pelförmiger  Bedeckung  Exedra  oder  Apsis  genannt  wurde,  und  in  welcher  sich  das 
Tribunal  des  Richters  befand.  Von  der  Porcia  nun  wissen  wir  bestimmt,  dass  die  Säu- 
lenstellung des  Umganges  unterbrechungslos  an  der  Apsis  vorbeilief,  wodurch  die  Apsis 
eine  gewisse  Absonderung  von  dem  Innenraum  erfuhr.  Die  Beweise  für  die  angege- 
benen Behauptungen  sind  in  der  angeführten  Abhandlung  beigebracht. 

Der  hiermit  gegebene  Urtypus  scheint  bis  zum  Anfang  der  Kaiserzeit  beibehalten 
worden  zu  sein,  namentlich  war  er  noch  herrschend  als  der  Palastbau  der  römischen 
Nobilität  gegen  Ende  der  Republik  den  basilicalen  Saalbau  mit  den  oben  angedeuteten 
Modificationen  unter  seine  manigfachen  Saalanlagen  aufnahm. =^  Die  öffentlichen  Basili- 
ken aber  änderten  ihre  Gestalt  seit  dem  Beginne  der  Kaiserzeit  wesentlich.  Um  nur 
von  den  bekannten  römischen  zu  sprechen  zeigt  die  Basilica  Julia  auf  dem  Forum  Ro- 


1  J.  A.Messmer,  Ueber  den  Ursprung  der  christlichen  Basilika.  (Zeitschrift  für  christl.  Arch.  u.  Kunst. 
Leipzig  1859).  2  p  Reber,  Die  Urform  der  römischen  Basilika.  Mittheilungen  der  k.  k.  Centralcommission 
für  Baudenkmale.  Wien  1869.   p.  35  fg.        » Vitruv,  VI.  3,  9. 

F.  RF.nEn,  Rom.  5 


34  Baiigeschiclite  des  alten  Rom. 

manum  eine  Langseite  als  Fronte,  keine  Apsis,  und  die  Umgänge  auf  Pfeilcraikadcn 
gelegt,  somit  gar  keine  Säulen.  Die  Basilica  Ulpia  am  Traianforum  war  ebenfalls  so 
situirt,  dass  die  Langseilen  beiderseits  die  Fronten  bildeten,  während  die  Schmalseiten 
in  die  halbkreisförmigen  Exedren  ausliefen.  Die  Granitsäulen  des  Innern  aber  stehen 
fragmentirt  noch  zum  Theil  an  ihrer  Stelle.  Die  Basilica  des  Maxentius  oder. des  Con- 
stantin  endlich  war  reiner  GewOlbebau  auf  mächtigen  Pfeilern,  dreischilTig  sowohl  der 
Länge  als  der  Breite  nach,  wie  auch  sie  zwei  Fronten,  jedoch  eine  an  der  Lang-  und 
eine  an  der  Breitseite  besass,  welchen  an  den  gegenüberliegenden  Seiten  auch  zwei 
Apsiden  entsprachen.  Diese  aus  den  Ruinen  noch  ersichtlichen  Umbildungen  des  ur- 
sprünglichen Planes  im  Zusammenhalt  mit  den  sonst  durch  Ueberreste  wie  durch  Vi- 
truv's  Beschreibung^  bekannt  gewordenen  öffentlichen  Basiliken  der  Kaiserzeil  zeigen, 
dass  man  sich  in  keiner  Weise  mehr  an  traditionelle  Vorbilder  band,  sondern  sich  lediglich 
darauf  beschränkte,  Saalbauten  herzustellen,  welche  dem  jeweiligen  öffentliciien  Zwecke 
wie  dem  zu  Gebote  stehenden  Areal  entsprachen.  Halten  die  forensen  Basiliken  der 
Republik  als  Vorbilder  der  Hausbasiliken  noch  einen  mittelbaren  Zusammenhang  mit 
der  christlichen,  so  hörte  dieser  seit  der  Kaiserzeit  völlig  auf,  in  welcher  sich  die 
Hausbasilika  völlig  zum  Typus  der  christlichen  entwickelte,  während  die  forense  ihre 
eigenen  manigfaltigen  Wege  ging.  An  der  Hausbasilika  aber  verwandelte  sich  die  Rings- 
umsäuligkeit  in  das  Dreischiffsystem,  wodurch  die  Ueberhöhung  des  Mittelschiffes  bei 
doppelgeschossiger  Säulenstellung  erst  möglich  wurde,  wie  sie  auch  erst  nöthig  ward 
durch  den  Umstand,  dass  der  basilikale  Saalbau,  die  Fensteranlage  in  den  Seitenschiffen 
ausschliessend,  mit  den  übrigen  Saalräumen  der  römischen  Domus  in  Verbindung  trat. 

Fahren  wir  in  unserer  Baugeschichte  fort.  Alle  die  aufgezählten  Bauwerke  vom 
flaminischen  Circus  an  bis  zur  Basilica  Porcia,  welche  grösstenlheils  als  ganz  neue  Er- 
scheinungen auftraten,  erstanden  innerhalb  weniger  Decennien.  Doch  bei  allen  bis- 
herigen Werken  hatte  man  vorzugsweise  Zweck  und  Solidität  ins  Auge  gefasst  ohne 
eine  nennenswerthe  Prachtentfaltung  anzustreben.  Diese  Hess  auch  das  schlichte  Ma- 
terial, dessen  man  sich  bediente,  (Landstein  und  Ziegel)  nicht  zu.  Man  verwendete  an 
den  zahlreichen  Tempeln  noch  keinen  Marmor,  und  die  Gölterbilder  sowohl  in  den  Gellen 
als  auf  den  Giebeln  der  Heiligthümer  waren  grösstenlheils  von  Thon.  Man  sah  weder 
vergoldete  Dächer  noch  Bildsäulen,  wie  sie  nachher  so  iiäufig  wurden,  und  ausser  den 
Waffen  der  Legionen  wenig  ehernes  Geräthe.  Die  Grüfte  der  edelsten  Geschlechter 
waren  einfach  in  Tuffelsen  gehöhlt  und  die  Inschriften  in  Travertin  gegraben  (Scipio- 
nengrab).  Auch  Ehrendenkmäler^  waren  noch  im  5.  Jahrhundert  eine  seltene  Auszeich- 
nung, wie  diess  von  den  Reilerstaluen  des  Mänius  und  Camillus  ausdrücklich  erwähnt 


»  Vitruv.  V.  1.  4— 10.         2D,  Detlefsen,  de  arte  Roraanorum  antiquissima.    Glückstadt  1867.    1868. 


Erste  Ehrendenkniäler.     Gebäude  für  Spiele.  35 

wird.^  Die  dem  C.  3Iänius  nach  Besiegung  der  Latiner  416  d.  St.  (3:^8  v.  Chr.)  er- 
richtete Ehrensäiile  ist  sehr  zweifelhaft,^  und  als  eines  der  ältesten  sicheren  Denkmä- 
ler der  Art  erscheint  die  mit  Schiffsschnäbeln  der  bei  Mylae  494  d.  St.  (260  v.  Chr.) 
überwundenen  carthagischen  Flotte  gezierte  Säule  des  C.  Duilius,  die  auf  der  Redner- 
biihne  aufgestellt  ward^  und  die  „Rostra"  mitcharakterisirte.  Doch  jetzt  war  die  Zeit 
des  monumentalen  Aufschwunges  gekommen,  von  den  unterworfenen  Völkern  strömte 
reiche  Beute  in  den  Staatsschatz  und  die  Feldherren  fingen  an,  sich  nicht  mehr  damit 
zu  begnügen,  im  Triumphe  einzuziehen  und  das  capitolinische  Opfer  darzubringen:  es 
entstanden  nun  dauernde  Zeugen  ihrer  Triumphe.  Von  L.  Stertinius  wird  erwähnt,  dass 
er  im  J.  558  d.  St.  (196  v.  Chr.)  zum  erstenmale  aus  der  Beute  Ehrenbogen  errich- 
tete und  darüber  vergoldete  Statuen  aufstellte.'' 

Die  Veränderung  der  Volkssitte  der  Römer  im  siebenten  Jahrhundert  und  ihre 
rasch  vorsclireitende  Ausartung  von  altehrwürdiger  Einfachheit  zum  ausschweifendsten 
Luxus  lässt  sich  an  der  Geschichte  der  römischen  Spiele  am  deutlichslen  ersehen.  Die 
bauliche  Form,  welche  Tarquinius  Priscus  dem  für  die  Wagenrennen  bestimmten  Circus 
gegeben,^  scheint,  wie  pben  angedeutet  worden  ist,  ziemlich  unansehnlich  gewesen  zu  sein. 
Auf  den  hölzernen  Gerüsten  wurden  nur  für  die  Zeit  der  Spiele  selbst  die  Schaubüh- 
nen aufgeschlagen,  und  auch  die  Carceres  (Schranken)  waren  von  Holz.  Letztere  wur- 
den erst  i.  J.  424  d.  St.  (330  v.  Chr.)  ständig  eingerichtet,  d.  h.  in  Stein  ausgeführt.  ^ 
Die  Fechtspiele,  die  erste  Art  von  Spielen,  die  nach  dem  Circusrennen  in  Rom  Eingang 
fanden,  ebenso  wie  die  Wettfahrten  des  Circus  ursprünglich  im  Gefolge  einer  religiö- 
sen Ceremonie,  wurden  anfangs  sogar  ganz  ohne  bestimmten  Schauplatz  auf  verschie- 
denen Plätzen  nur  von  Privaten  bei  Gelegenheit  einer  Leichenfeier  Qmmera  gladialoriaj 
veranstaltet.  Die  ersterwähnten  Gladiatorenspiele  dieser  Art  waren  um  das  J.  490  d. 
St.  (264  V.  Chr.)  auf  dem  Forum  Boarium  abgehalten  worden;'  im  folgenden  Jahrhun- 
dert scheinen  sie  gewöhnlich  auf  dem  grossen  Forum  gegeben  worden  zu  sein.  Eine 
weitere  Darlegung  der  geschichtlichen  Entwicklung  dieser  Spiele  wird  bei  der  Beschrei- 
bung des  flavischen  Amphitheaters  erfolgen. 

Auf  dem  Theater  lastete  in  den  ersten  Jahrhunderten  seines  Bestehens  die  Ver- 
achtung des  Volkes:  auch  konnten  die  Tänze  und  mimischen  Possen  der  etrurischen 
Gaukler  fkistrionesj  ^  welche  während  einer  anhaltend  verheerenden  Seuche  zur  Er- 
heiterung des  Volkes  i.  J.  390  d.  St.  (364  v.  Chr )  zum  erstenmale  in  Rom  auftraten,  ^ 
nichts  anderes  verdienen.  Die  römische  Jugend,  diese  Tänze  nachahmend,  mischte 
komische  Verse  hinein  in  dialogischer  Form.     Diess  führte  zu  dem  dramatischen  Dialog 


1  Liv.  VIII.  13.        2PIin.  XXXIV.  5,  11,  20.         3  id    1.  c.        *  Liv.  XXXIII.  27.         »  Dionys     III.   69. 
Liv.  VIII.  20.        TValer.  Maxim.  II.  4.  7.    Liv.  Epit.  XVI.        » Liv.  VII.  2.    Valer.  Max.  II.  1,  3. 


36  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

nach  Art  der  oscischen  Atellanen/  welche  nicht  den  verufenen  Charakter  hatten,  wie 
das  Spiel  der  Histrionen.  Anderseits  halte  Livius  Andronicus  i.  J.  514  d.  St.  (240  v. 
Chr.)  zum  erstenmale  versucht,  ein  zusammenhängendes  Gedicht  als  Monolog,  von  einer 
Flöte  begleitet,  zugleich  mit  mimischer  Darstellung  abzusingen,  oder  durch  einen  Knaben, 
vortragen  zu  lassen,  während  er  ihn  mit  dem  entsprechenden  Geberdenspiele  begleitete.  ^ 

Alles  diess  konnte  auf  öffentlichen  Plätzen  geschehen,  ohne  dass  eine  Bühne 
nöthig  w^ar:  auch  waren  diese  Spiele  noch  keine  Dramen.  Letztere  scheinen  die  Römer 
erst  auf  ihren  Zügen  gegen  Macedonien  und  gegen  Antiochus  kennen  gelernt  zu  haben, 
denn  sie  begegnen  uns  im  J.  563  d.  St.  (191  v.Chr.)  zum  erstenmale  in  Rom.^  Wäh- 
rend vorher  das  Volk  den  Atellanen  gemischt  beizuwohnen  pflegte,  wurden  nun  für 
die  Senatoren  —  nicht  ohne  das  Missfallen  des  Volkes  zu  erregen  —  die  Plätze  be- 
sonders abgegränzt.^  Bühne  uud  Zuschauerraum  waren  indess  schlecht  gezimmert  und 
schmucklos.  Von  grösserer  Bedeutung  war  erst  das  Theater,  das  der  Censor  M.  Aemilius 
Lepidus  erbaute,^  doch  war  auch  diess,  wie  alle  folgenden  im  nächsten  Jahrhundert, 
von  Holz,  und  nur  für  die  Dauer  weniger  Tage  berechnet.  Im  J.  599  d.  St.  (155  v.  Chr.) 
unternahm  der  Censor  C.  Cassius  die  Neuerung,  nach  Art  der  griechischen  Theater 
bei  seinem  Neubau  Sitzplätze  zu  errichten :  doch  auf  die  Einsprache  des  Consuls  P.  Corn. 
Scipio  Nasica  musste  sein  Theater  kurz  vor  der  Vollendung  wieder  abgetragen  werden 
und  es  wurde  durch  ein  besonderes  Gesetz  eingeschärft,  dass  Niemand  innerhalb  der 
Bannmeile  um  die  Stadt  ein  Theater  mit  Sitzplätzen  erbauen  oder  sitzend  den  Spielen 
anw^ohnen  sollte.^ 

Diess  Gesetz,  das  sich  überhaupt  gegen  hellenische  Sitte  und  Verweichlichung 
aussprach,  scheint  das  Theater  für  einige  Zeit  zurückgedrängt  zu  haben,  konnte  aber 
bei  dem  mit  Macht  erwachenden  Luxus  der  Römer  nicht  von  Dauer  sein.  Von  der  Mitte 
des  7.  Jahrhunderts  wird  erzählt,  dass  die  scenische  Ausschmückung,  welche  der  Dichter 
Pacuvius,  soviel  wir  wissen,  zum  erstenmale  angewandt,'  bereits  grosse  Forschritte 
gemacht  habe.  Die  Decoration,  welche  der  Aedil  Claudius  Pulcher  ausführen  Hess,  soll 
so  vollkommen  gemalt  gewesen  sein,  dass  angeblich  selbst  die  Raben  von  der  Natur- 
wahrheit der  scenischen  Darstellung  sich  täuschen  Hessen  und  den  vermeintlichen  Dach- 
ziegeln zuflogen.^  Und  nachdem  sich  die  Decorationsmalerei  zu  so  grosser  Vollkom- 
menheit aufgeschwungen  hatte,  erfolgte  die  Einführung  des  Sceneriewechsels  vermittelst 
drehbarer  Prismen  durch  den  Aedil  Lucullus.." 

Bald  darauf,  i.  J.  676  d.  St.  (78  v.  Chr.),  gab  Catulus  bei  den  zur  Feier  der  Ein - 


1  Liv.  1.  c.  Valer.  Max.  1.  c.  2  cic.  Brut.  18.  Tuscul.  Quest.  I.  1.  3  Valer.  Ant.  bei  Liv.  XXXVI. 
36.  *  Val.  Max.  II.  4,  2.  5  Liv.  XL.  51.  6  Liv.  Epit.  XLVIIL  Valer.  Max.  II.  4,  1.  cf.  Vell.  Paterc. 
I.  15.  Appian.  Bell.  Civ.  I.  28.  •  Plin.  H.  N.  XXXV.  4,  7,  19.  » id.  1.  c.  9  Valer.  Max.  II.  4,  6.  cf. 
Vitiuv.  V.  7.    Serv.  ad  Virg.  Georg.  UI.  24 


Entwicklung  des  römischen  Theaterbaues.  37 

weihung  des  capitolinischen  Tempels  veranlassten  Spielen  das  erste  Beispiel  einer 
überaus  verschwenderischen  Pracht,  bekleidete  die  Bühne  mit  Elfenbein  und  zog  ein 
Zeltdach  [velariumj  als  Schutz  gegen  die  Sonnenstrahlen  über  den  Zuschauerraum,  zum 
erstenmale  das  weichliche  Vorbild  der  Griechen  Campaniens  nachahmend.^  Des  Catulus 
Pracht  ward  noch  vor  dem  Ende  desselben  Jahrhunderts  weit  überboten:  P.  Lentulus 
Spinther  spannte  ein  Purpurzelt  über  das  Theater, ^  und  nachdem  schon  C.  Antonius 
die  Thealergeräthe  mit  Silber  bezogen  hatte,  liess  Petreius  die  ganze  Bühne  mit  Gold- 
blech beschlagen.^  Allen  bisherigen  Aufwand  übertraf  noch  das  hölzerne  Theater,  das 
der  Aedil  M.  Scaurus  i.  J.  696  d.  St.  (58  v.  Chr.)  erbaute.  Die  Grösse  des  Zuschauer- 
raumes (80,000  Sitze)  ward  seither  von  keinem  scenischen  Theater  mehr  übertroffen 
und  die  Ausschmückung  war  um  so  unglaublicher,  als  der  ganze  Bau  nur  für  den 
Gebrauch  in  wenigen  Tagen  diente.  Die  Bühne  allein  war  mit  360  kostbaren  Marmor- 
säulen und  mit  3000  (?)  ehernen  Statuen  geschmückt.'' 

Kurz  darauf  erhoben  sich  die  Grundmassen  des  ersten  steinernen,  ständigen 
Theaters  zu  Bom.  Der  allgewaltige  Pompeius  konnte  es  wagen,  mit  dieser  Neuerung 
dem  lauten  Missfallen  der  altrömischen  Parthei  entgegenzutreten,  und  hatte  kaum  mehr, 
wie  berichtet  wird,  nöthig,  durch  einen  Vorwand  sein  Werk  vor  der  censorischen  Ein- 
sprache und  vor  dem  Schicksale  zu  schützen,  w^elches  vordem  das  Theater  des  C.  Cas- 
sius,  der  die  Neuerung  der  Silzplälze  einzuführen  suchte,  getroffen  hatte.  Wenn  er 
nemlich  die  marmornen  Stufen  des  Zuschauerraumes  zur  Treppe  eines  Tempels  machte, 
den  er  auf  der  Höhe  der  Cavea  erbaute,  so  geschah  es  wohl  mehr,  um  dadurch  dem 
ganzen  Theater  eine  Weihe  als  ihm  Entschuldigung  und  Unverletzlichkeit  zu  geben.^ 

Das  steinerne  Theater  des  Pompeius  war  i.  J.  699  d.  St.  (55  v.  Chr.)  einge- 
weiht worden.  Nichtsdestoweniger  erhob  sich  noch  ein  hölzerner  Theaterbau,  in  wel- 
chem C.  Curio,  als  Tribun  im  J.  704  d.  St.  (50  v.  Chr.)  von  lulius  Cäsar  mit  Geld- 
milteln  unterstützt,  den  Bau  des  Scaurus,  den  er  durch  Pracht  und  Grösse  nicht  über- 
treffen konnte ,  durch  ein  ausschweifend  kühnes  Unternehmen  zu  überbieten  suchte. 
Er  errichtete  nemlich  ganz  nahe  aneinander  zwei  sehr  grosse  Theater,  jedes  in  seinem 
Zuschauerräume  dadurch  drehbar,  dass  dieser  im  Schwerpunkte  auf  einen  Zapfen  ge- 
stellt war,  d.  h.  in  einem  Kolben  ging,  auf  welchem  die  ganze  Last  ruhte.  Zuerst 
waren  sie  nun  beide  so  gestellt,  dass  sich  die  halbkreisförmigen  Caveen  den  Bücken 
zuwandten,  und  so  konnten  zu  gleicher  Zeit  auf  beiden  Bühnen  Schauspiele  gegeben 
werden,  ohne  dass  sie  einander  störten.  Nachdem  nun  diese  Spiele  zu  Ende  waren, 
wurden  plötzlich  und  ohne  dass  die  Gäste  ihre  Plätze  verliessen,  die  beiden  Zuschauer- 


1  Plin.  H.  N.  XIX    1,  6,  23.      Valer.  Max.  II,  4,  6.        2  pün.  1.  c.         3  Pliii.  H.  N.  XXXIII.  3.  16,  53. 
Val.  Max.  1.  c.  ^  pün.  H.  N.  XXXVI.  2,  5.    15,  24.  114.  115.      XXXIV.    7,    17,    36.  s  Aul.  Gell.  X.  1. 

Sueton.  Claud.  21.    cf.  Plut.  Pomp.  68. 


38  Ballgeschichte  des  alten  Rom. 

räume  herumgedreht,  so  dass  die  Hörner  gegeneinander  standen,  und  in  dem  dadurch 
entstehenden  freien  Räume  zwischen  den  Halbkreisen  der  Theater  traten  die  Gladia- 
toren auf.  Ein  abenteuerlicher  Gedanke,  durch  Plinius  emphatische  Betrachtung,  wie 
so  auf  zwei  Zapfen  das  Leben  des  römischen  Volkes  schwebte,  bis  zum  Lächerlichen 
geschraubt!^  Das  Unternehmen  musste,  wie  es  beabsichtigt  war,  und  wie  es  auch  nichts 
anderes  verdiente,  vereinzelt  bleiben,  in  einer  Beziehung  jedoch  war  es  nicht  ohne 
Folgen;  denn  hier  zeigte  sich  zum  erstenmale  die  Zweckmässigkeit  eines  kreisförmigen 
oder  elliptischen  Zuschauerraumes  für  die  Fechterspiele. 

Indess  hatte  sich  an  das  steinerne  Theater  des  Pompeius  ein  Complex  von 
Prachtanlagen,  Gärten,  Säulenhallen  und  Staatsgebäuden  angeschlossen  ,  wie  er  vorher 
in  Rom  noch  nicht  gesehen  worden  war.  Es  war  noch  kein  Jahrhundert  verflossen, 
seit  der  Marmorbau  in  Rom  Eingang  gefunden  hatte,  was  durch  Metellus  im  Anfang 
des  7.  Jahrhundert  geschehen  sein  soll.  Dieser  hatte  durch  einen  Tempel,  sowie 
vielleicht  auch  durch  jene  die  Tempel  des  lupiter  und  der  Inno  umgebende  Porticus, 
die  nach  der  Restauration  unter  Augustus  Porticus  der  Octavia  genannt  wurde  und 
von  der  nach  einer  zweiten  Restauration  des  Septimius  Severus  noch  ansehnliche 
Reste  erhallen  sind,  das  erste  Beispiel  griechischer  Marmorpracht  gegeben,  welche 
durch  zahlreiche  griechisch- macedonische  Bildsäulen,  Meisterwerke  der  hellenischen 
Künstler  aus  der  Zeit  Alexanders  des  Grossen,  noch  erhöht  ward.^  Doch  von  seiner 
bis  zu  Pompeius  Zeit  wurde  in  derselben  Pracht  nur  mehr  der  Wiederaufbau  des 
capitolinischen  lupitertempels,  welcher  i.  J.  671  d.  St.  (83  v.  Chr.)  abgebrannt  war, 
ausgeführt,  wozu  Sulla  die  Säulen  vom  olympischen  lupitertempcl  zu  Athen  ver- 
wendete,^ ohne  jedoch  dadurch  diesen  Tempel  wegen  der  ursprünglich  tuscischen 
Anlage,  deren  Grundriss  zu  verändern  nicht  erlaubt  schien^  zu  griechischer  Schön- 
heit erheben- zu  können. "*  Lutatius  Catulus,  der  den  Tempel  i.  J.  d.  St.  676  (78  v.Chr.) 
vollendete,  liesss  die  ehernen  Dachziegel  vergolden,  was  damals  zum  erstenmale 
geschah,^   bald  aber  nicht  mehr  selten  war. 

Die  grossartige  Theateranlage  des  Pompeius  steht  an  der  Spitze  einer  Reihe 
von  Prachtbauten,  die  von  jetzt  an  in  ununterbrochener  Folge  Jahrhunderte  lang,  stets 
wo  möglich  einander  überbietend,  erstanden. 

Die  ebenso  zahlreichen  als  allseitigen  Bauunternehmungen  des  C.  lulius  Cäsar 
zu  beschreiben  würde  zu  weil  führen  :  hier  kann  nur  das  Hervorragendste  davon  auf- 
gezählt werden.  Auf  dem  grossen  Forum  allein  verdankten  die  Basilica  Aemilia,*^  die 
ßasilica  lulia,''  der  Tempel  der  Felicitas  und  die  neue  Curia  (lulia)^  ihm  ihr  Entstehen, 


»Plin.  H.N.  XXXVI.  15,  24,  117-119.  ^  Vgiiei.  Paterc.  I.  11.  Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4.  3  Plin. 
H.  N.  XXXIII.  6,  5,  45.  Tacit.  Hist  III.  72.  "  Tacit.  Hist.  ].  c.  Vitruv,  111.  2.  s  Plin.  H.  N.  XXXIII.  3,  18 
ß  Plutarch.  Caes.  29.    Appian.  B.  C.  II.  26.       "'  Monum.  Ancyr.  cf.  Sueton.  Octavian.  20.    ^  Dio  Cass.  XLIV.  5. 


Die  Bauten  des  Pompeius  und  C.  I.  Caesar.  39 

welche  Gebäude  jetzt  mit  Ausnahme  der  Basilica  lulia  noch  unter  ihrem  Schutte  be- 
graben liegen.  Unmittelbar  daneben  aber  erhob  sich  ein  ganz  neues  prachtvolles  Forum, 
das  erste  der  innerhalb  eines  Jahrhunderts  in  sich  steigender  Pracht  entstehenden  fünf 
Kaiserfora.  In  der  Mitte  dieses  Forum  lulium  erbaute  Caesar  der  Venus  Genitrix,  mit 
welcher  bekanntlich  Caesar  seinen  Stammbaum  eröffnete,  einen  prachtvollen  Tempel, 
zu  welchem  das  Forum  selbst  gleichsam  den  Vorhof  bildete,  so  wie  er  diess  in  der 
Schlacht  bei  Pharsalus  gelobt  haltet  Besondere  Aufmerksamkeit  widmete  überdiess 
Cäsar  den  Gebäuden  für  öftentliche  Spiele.  Der  Zuschauerraum  des  Circus  Maximus 
ward  erst  unter  ihm  in  seinem  unteren  Theile  von  Stein  aufgebaut,^  die  beiden  ober- 
sten Stockwerke  blieben  noch  von  Holz.  Er  war  es  auch,  welcher  das  Theater  zu  bauen 
begann,  von  dem  wir  noch  so  ansehnliche  Reste  an  der  Piazza  Montanara  besitzen,  wel- 
ches Theater  von  M.  Marcellus,  einem  Neffen  des  Augustus  und  Sohne  der  würdigen 
Octavia,  deren  Porticus  sich  ganz  nahe  befand,  den  Namen  erhielt.^  Eifersucht  gegen 
Pompeius  scheint  die  Veranlassung  zu  diesem  Baue  gegeben  zu  haben,  doch  erreichte 
dieser  weder  den  Umfang. noch  die  Pracht  des  Pompeius-Theaters.  Ausserdem  über- 
raschte Cäsar  das  römische  Volk  durch  ganz  neue  Bauwerke.  Nachdem  er  schon  für 
die  von  ihm  eingeführten  griechischen  Wettkämpfe  das  erste  Stadium  errichtet,'*  erbaute 
er  nach  dem  Motiv  des  oben  besprochenen  Doppel-Theaters  des  Curio  das  erste  Am- 
phitheater, das  jedoch  ebenso  wie  das  Stadium  nur  für  einzelne  Spiele  innerhalb  kur- 
zer Zeit  berechnet  war  und  desshalb  in  Holz  aufgeführt  wurde.  ^  In  demselben  Jahre 
(708  d.  St.,  46  V.  Chr.)  vollendete  er  die  ganz  aus  Stein  gebaute  Naumachie,  ein  gro- 
sses vom  Flusse  aus  zu  füllendes  Becken  nahe  am  Tiber,  in  welchem  unler  ganz  bei- 
spiellosem Zu  dränge  des  römischen  Volkes  Seegefechte  aufgeführt  wurden.*'  Als  jedoch 
Cäsar  in  der  Curia  des  Pompeius,  seines  überwundenen  Nebenbuhlers,  unter  den  Dol- 
chen der  republikanischen  Mörder  fiel,  war  noch  der  grösste  Theil  seiner  Bauwerke 
unvollendet,  der  zahlreichen  Projecte  nicht  zu  gedenken,  deren  Ausführung  durch  den 
plötzlichen  Tod  des  Dictators  ganz  verhindert  worden  war,  und  es  ward  daher  seinem 
Adoptivsöhne  Ocfavianus,  dem  nachmaligen  Augustus,  die  dankbare  Erbschaft  zu  Theil, 
die  vielen  und  grossen  Schöpfungen  auszubauen  und  zu  weihen. 

Von  den  Bauwerken,  mit  welchen  Angustus  grossentheils  durch  seine  Freunde 
die  Weltstadt  schmückte,  haben  wir  ausser  den  Berichten  des  Suetonius  und  Dio  Cassius 
ein  authentisches  Verzeichniss  in  dem  sogenannten  Monumelitum  Ancyranum,  einer 
Marmorabschrift  jener  Bronzetafeln,  welche  Augustus  am  Eingange  seines  Mausoleums 
hatte  anbringen  lassen.^ 


'Appian.  B.  C.  II.  102.     Dio  Cass.  XLIII.  22.  2  pün.  H.  N.   XXXVI.  15,  24,  102.     Dionys.  III.  69. 

Sueton.  Caes.  39.        3  Dio  Cass.  LIII.  30.      *  Suetoii  1.  c.  »  Dio  Cass.  XLlIl.  22.       6  Dio  Cass.  XLIII.  23. 

Sueton.    Caes.  39.  44.  ^  gueton.  Octavian,  101. 


40  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

Als  fast  200  Jahre  vor  dem  Ende  der  Republik  C.  Flaminius  auf  dem  Mars- 
felde seinen  Circus  errichtete,  war  dieser  mitten  im  offenen  Felde,  ausserhalb  der  Stadt. 
Am  Ende  der  Republik  sah  man  schon  mehre  Gebäude  in  demselben,  unter  denen  das 
Theater  des  Pompeius  mit  den  anstossenden  umfangreichen  Anlagen  besonders  hervor- 
ragte. Jetzt,  nachdem  sich  die  alte  Stadt  der  sieben  Hügel  mit  Wohngebäuden  überfüllt 
hatte  und  die  servische  Linie  nach  den  übrigen  Seiten  hin  längst  überschritten  war,  bot 
das  Marsfeld  den  passendsten  Platz  für  Prachtbauten  jeder  Art.  Unter  Augustus  scheint 
es  auch  schon  so  ziemlich  den  Charakter  eines  Stadttheiles  bekommen  zu  haben,  wie 
aus  der  Regioneneintheilung  dieses  Kaisers,  aus  den  dort  angelegten  Cloaken  und  der 
Richtung  der  Aqua  Virgo  hervorgeht,  so  dass  nur  mehr  der  nördlichste  Theil,  jetzt  un- 
gefähr von  S.  Carlo  bis  zur  Porta  del  popolo,  ein  unbebauter  Raum  blieb. 

Was  nun  die  Bauwerke  der  augusteischen  Zeit  im  Einzelnen  betrifft,  so  er- 
freuten wieder  zwei  neue  Erscheinungen  das  römische  Volk :  unter  den  Anspielen  des 
Imperators  vollendete  Statilius  Taurus  das  erste  steinerne,  mithin  ständige  Amphitheater,  ^ 
und  Agrippa,  der  Freund  und  Schwiegersohn  des  Augustus,  die  ersten  öffentlichen  Lu- 
xusbäder (Thermen).^  Von  der  verschwenderischen  Pracht,  mit  welcher  Agrippa  das 
letztere  Werk  zu  Stande  brachte,  giebt  uns  das  berühmte  Pantheon  einen  Begriff,  wel- 
ches mit  diesen  Thermen  in  Verbindung  stand  und  sich  noch  fast  vollkommen  erhalten 
hat.  Die  Rotunde  ist,  wenn  auch  ihr  ursprünglich  nicht  als  freistehend  beabsichtigtes 
Aeusseres  wie  ihre  Verbindung  mit  dem  rechteckigen  Pronaos  dem  griechischen  Ge- 
schmacks nicht  entsprechen  dürfte,  wenigstens  im  Inneren  ein  Beispiel  von  vollendeten 
Verhältnissen,  von  Reichthum  ohne  Ueberladung  und  von  der  damaligen  Höhe  der  Bau- 
technik. Die  von  Agrippa  angelegten  Cloaken,^  deren  Hauptarm  unter  dem  Pantheon 
weg  zum  Tiber  führt,  sind  noch  im  Gange ,  ebenso  die  Wasserleitung  desselbe  n,  die 
Aqua  Virgo  (jetzt  Trevi),^  welche  ihr  vortreffliches  Wasser  in  die  erwähnten  Bäder  lieferte. 

Vor  dem  Bau  der  Thermen  des  Agrippa  beschränkten  sich  die  Bäder  auf  die 
Baderäume  in  den  Privathäusern,  und  diese  werden  selbst  bei  Vornehmen  als  eng  und 
finster  geschildert.^  Das  Volk  badete  im  Tiber  oder  in  Miethbädern,  und  wahrscheinlich  seit 
Appius  seine  erste  Wasserleitung  nach  Rom  führte,  in  einem  zum  Theil  künstlichen  Teiche 
(Piscina  publica),  der  zwischen  der  Porta  Ostiensis  (Porta  di  S.  Paola)  und  der  Porta 
Naevia  der  servischen  Ummauerung  sich  befand.''  Die  Thermen  sind  eigentlich  römische 
Prachtbauten,  waren  jedoch  mit  den  griechischen  Gymnasien  verwandt,  bei  welchen  indess 
die  Bäderanlage   hinter  den   üebungsräumen   zurückgeblieben  war.     Die  Beschreibung 


iSueton.  Aug.  29     Dio  Dass.  LI.  23.         2  Dio  Cass.  LIII.  27.  3  Plin.  H.  N.  XXXVI.    15,  24,  105. 

*Dio  Cass.  LIV.  11.   Frontin.  I.  9.        s  geaeca,  Ep.  LXXXVI.       6  vgl.  H.  Jordan,  Topographie  der  Stadt  Eom 
im  Alterthnm.   Berlin  1871.    II.  Band  S.  106.  . 


Die  Bauten  des  Augustus.  41 

der  inneren  Einrichtung  derselben  wird  bei  dem  erhaltensten  unter  den  römischen  Bau- 
werken dieser  Art,  nemlich  bei  den  Antoninischen  Thermen  erfolgen. 

In  der  Nähe  des  Pantheon  erstanden  während  der  Regierung  des  Augustus  noch 
andere  Prachtbauten,  von  denen  einige  allerdings  schon  von  Cäsar  begonnen  worden 
waren:  die  Septa  lulia,  ein  grosser  Raum  für  die  Tribuscomitien/  über  deren  ümfas- 
sungsbau  uns  die  capitolinischen  Planfragmente  unterrichten.  Unmittelbar  daran  stiess 
wahrscheinlich  das  Diribitorium,  ein  Werk  das  Agrippa,  ein  grosser,  bewundernswerth 
weit  gesprengter  (100'  Durchmesser)  Saal,  der  eben  wegen  seiner  gewalligen  Decke 
nach  dem  Brande  unter  Titus  nicht  mehr  hergestellt  werden  konnte.^  Das  Diribitorium 
scheint  für  die  Comitialabstimmung  eingerichtet  gewesen  zu  sein.  Ebenfalls  dem  Agrippa 
wird  die  Porticus  des  Neptun  zugeschrieben,^  von  welcher  die  Säulen  in  der  Fapade 
der  Dogana  dl  terra  Ueberreste  sein  sollen,  deren  Gebälke  jedoch  eine  viel  spätere 
Kunstepoche  erkennen  lässt.  Weiter  nördlich  am  Flusse  liess  sich  Augustus  sein  herr- 
liches Grabmal  erbauen,  dessen  einstige  Gestalt  und  gegenwärtige  Reste  noch  beson- 
ders beschrieben  werden. 

Diess  waren  die  hervorragendsten  von  den  Gebäuden,  mit  welchen  sich  während 
der  langen  Regierung  des  Augustus  das  Marsfeld  zu  füllen  begann.  Die  bedeutendste 
Anlage  dieses  Kaisers  aber  war  ein  neues  Forum,  welches  sich  neben  dem  Forum  lu- 
lium  in  nicht  geringerer  Pracht  und  wahrscheinlich  noch  grösserer  Ausdehnung  erhob, 
angeblich  weil  der  Platz  für  die  Rechtsgeschäfte  bei  zunehmender  Bevölkerung  in  den 
beiden  schon  vorhandenen  Fora  zu  enge  wurde."*  Von  dem  daselbst  geweihten  Tempel 
des  Mars  Ultor,  wie  von  den  Umfassungsmauern  haben  sich  noch  ansehnliche  Reste 
erhalten  ,  die  besonders  besprochen  werden  sollen.  Die  Seitenhallen  des  Forum  waren 
mit  Bildsäulen  geschmückt,  und  zwar,  was  bisher  bei  dem  grossen  Vorrathe  griechi- 
scher Beute  noch  selten  vorkam,  mit  durchaus  neuen,  nemlich  den  Standbildern  der 
verdientesten  Römer.^ 

Von  den  beiden  durch  Augustus  gebauten  Haupttempeln,  dem  des  Apollo  auf  dem 
Palatin^  und  dem  des  Quirinus  auf  dem  Quirinalis,^  sind  keine  oder  nur  sehr  ungewisse 
Reste  vorhanden.  Der  erstere  war  überaus  reich,  sowohl  an  dem  kostbarsten  Material, 
als  an  Kunstwerken  der  berühmtesten  Meister  Griechenlands,  und  stand  mit  einer  grie- 
chischen und  lateinischen  Bibliothek  in  Verbindung.  Ausser  diesen  grösseren  erbaute 
Augustus  noch  mehre  Tempel  von   geringerem  Umfange  neu  auf,    darunter  namentlich 


1  Dio  Cass.  LIII.  23.    Cic.  ad  Attic.  IV.  16,  14.         a  Dio  Cass.  LV.  8.    Plin.  H.  N.  XVI.  40,  76,  201. 
3Dio  Cass.  LIII.  27.  *Sueton.  Aug.  29.  31.  56.    Plin.  XXXVI.  15,  24,  102.    Monum.  Ancyran.  »  Sue- 

ton.  Aug.  31  6  Dio  Cass.  LIII.  1.    Sueton.  Aug.  29.         '  Dio  Cass.  LIV.  19. 

F.  Keber,  Roqi.  6 


42  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

den  Tempel   des  Jupiter  Tonans   auf  dem  Capitolinus;^  die  Zahl   der  von  ihm  restau- 
rirten  Tempel  jedoch  belief  sich  auf  achtundachtzig.^ 

Auch  dem  Strassen-  und  Wasserbau  widmete  Augustus  seine  Aufmerksamkeit. 
Die  Ufer  des  Tiber  wurden  regulirt^  und  Hafenbauten  unternommen.  Die  Stadt  wurde 
mit  drei  neuen  Wasserleitungen,  der  Aqua  lulia,  Virgo  und  Alsietina,  versehen,  und 
die  drei  schon  vorhandenen,  die  Appia,  Anio  (vetus)  und  Marcia,  wurden  wieder  her- 
gestellt.'* Die  Alsietina,  die  vom  alsietischen  See  (Lago  di  Martignano)  nordwestlich 
von  Rom  Ursprung  und  Namen  hatte,  war  die  erste  am  rechten  Tiberufer,  doch  lieferte 
sie  kein  Trinkwasser,  sondern  versorgte  nur  die  Gärten  und  insbesondere  die  Naumachie, 
welche  Augustus  am  rechten  Tiberufer  anlegte,^  da  jene  des  Cäsar  von  diesem  selbst 
wieder  abgetragen  und  ausgefüllt  worden  war.*^ 

Als  ebenfalls  neuen  Schmuck  der  Stadt  brachte  Augustus  aus  Aegypten  zwei 
grosse  Obelisken,  von  welchen  er  den  einen  auf  der  Spina  des  Circus  Maximus,  den 
andern  auf  dem  Marsfelde  als  die  riesige  Nadel  einer  Sonnenuhr  aufstellte.''  Beide  sind 
noch  vorhanden,  stehen  jedoch  nicht  mehr  auf  ihrem  ursprünglichen  Platze,  jener  auf 
Piazza  del  popolo,  dieser  auf  Monte  Citorio,  der  letztere  allerdings  nicht  sehr  ferne 
von  seinem  Fundorte.    Von  beiden  wird  gehörigen  Ortes  gesprochen  werden. 

Aus  dieser  gedrängten  Aufzählung  der  hervorragendsten  Bauwerke  des  Augustus 
geht  hervor,  wie  durch  die  Unternehmungen  dieses  Kaisers  und  seiner  nacheifernden 
Freunde  die  Gestalt  Roms  sich  wesentlich  und  vortheilhaft  veränderte.  Die  Wohnge- 
bäude blieben  auch  hinter  den  öffentlichen  nicht  mehr  zurück,  denn  kurz  vor  dem  Ende 
der  Republik  hatte  auch  der  Privatbau  angefangen,  durch  Pracht  und  Ausdehnung  die 
Gränze  alterthümlicher  Einfachheit  weit  zu  überschreiten.  Schon  Clodius  hatte  sein 
Haus  um  mehr  als  20,000  Pfund  Silbers  erstanden.^  Manche  Wohnhäuser  waren  ganz 
von  Marmor;  wozu  der  römische  Ritter  Mamurra  in  Cäsars  Zeit,  der  zuerst  nur  solches 
Material  für  die  Säulen  seines  Hauses  nahm,^  das  Beispiel  gab.  Da  die  Privatbaulust 
der  römischen  Nobilität  unter  Augustus  noch  nicht  durch  die  engherzige  Eifersucht  des 
Herrschers  und  auch  nicht  mehr  durch  die  Furcht  vor  gewaltsamem  Besitzverlust,  wie 
diese  während  der  Bürgerkriege  nur  allzugerechtfertigtigt  war,  eingeschränkt  wurde,  so 
vermehrten  sich  die  prächtigen  Privatbauten  der  Grossen ,  die  zu  Ende  der  republika- 
nischen Zeit  noch  verhältnissmässig  wenig  waren,  ansehnlich.  Nach  dem  Vorgange  der 
Caecilia  Metella  wie  des  Augustus,  nahm  auch  der  Prunk  der  Grabmäler  bei  den  Pri- 
vaten überhand.  Es  kam  in  dieser  Beziehung  so  weit,  dass  eine  Grabstätte  wie  die 
der  Scipionen  selbst  von  ganz  unberühmten  Persönlichkeiten  verschmäht  worden   wäre. 


1  Dio  Cass.  LIV.  4.  Sueton.  1.  c.  2  Monum.  Ancyr.  ^  Sueton.  Aug.  30.  ■•  Frontin  I.  9.  »  Sue- 
ton.  Aug.  43.  Tacit.  Annal.  XII.  56,  Monum.  Ancyr.  6  Sueton.  Caes.  44.  ^  püu.  h.'N.  XXXVI.  9,  14, 
71.  10,  15,  72.    Strabo  XVII.  1,  27.  « Plin.  H.  N.  XXXVI.  15,  24,  103.         9  Plin.  H.  N.  XXXVI.  6,  7,  48. 


Luxus  in  Privatgebäuden  und  an  Gräbern.  43 

Und  wie  der  Eindruck  des  Fremdländischen  nie  verfehlt,  seine  Wirkung  auf  die  Nach- 
ahmungslust der  Prachtliebe  zu  äussern,  so  traten  insbesondere  die  Grabmäler  in  den 
verschiedensten,  oft  abenteuerlichsten  Formen  auf.  So  ist  z.  B.  eine  schöne  Nachah- 
mung der  ägyptischen  Königsgräber,  der  Pyramiden,  in  dem  Grabmale  des  L.  Cestius, 
eines  historisch  ganz  unbekannten  Mannes  ohne  besondere  Würden,  aus  dieser  Zeit 
noch  erhalten.  Die  hervorragendsten  'Grabmäler  v^'aren  sonst  meist  cylinderförmige, 
zeltdachförmig  abschliessende  Massen,  auf  quadratischen  Unterbau  gestellt,  wie  die 
Mausoleen  des  Augustus  und  Hadrian,  das  prächtige  Grabmal  der  Cäcilia  Metella  und 
mehre  andere  namentlich  an  der  Via  Appia,  an  der  Via  Tiburtina  u.  s.  w.,  die  jedoch 
dem  Sturme  der  Zeiten  weniger  getrotzt  haben.  Die  Grundform  ist  alt  und  von  den 
Etruskern  entlehnt:  ein  sehr  altes  Beispiel  derArt  findet  sich  z.  B.  zu  Corneto,  dem  an- 
tiken Tarquinii,  den  Römern  eigenthümlich  ist  aber  die  Höherführung  des  Cylinders, 
wogegen  der  kegelförmige  Tumulus  zum  niedrigen  Zeltdach  verschrumpfte. 

Stellt  man  die  Pracht  und  Regsamkeit  des  Privatbaues  in  dieser  Zeit  zusammen 
mit  dem,  was  Augustus  und  seine  Freunde  durch  Herstellung  so  vieler  alten,  durch  den 
Ausbau  so  vieler  begonnenen  und  durch  die  Unternehmung  so  vieler  und  herrlicher 
neuen  Bauwerke  geleistet,  so  erscheint  es  keineswegs  als  übertriebener  Bombast,  wenn 
er  am  Ende  seines  Lebens  sagt:  „er  habe  die  Stadt  aus  ungebrannten  Ziegeln  erbaut 
vorgefunden,  und  lasse  sie  in  Marmor  zurück."^  Er  hatte  die  sieben  Jahrhunderte  vor 
ihm  insgescmmt  überboten,  und  seine  Werke  wurden  von  keinem  seiner  Nachfolger 
mehr  übertroffen.  Wenn  unter  diesen  auch  einzelne  grossartige  Bauten  ausgeführt 
wurden,  so  standen  sie  gewiss  denen  des  Augustus  an  Zahl,  Allseitigkeit  und  allge- 
meinem Nutzen  nach.  Die  Kunst  stand  überdiess  auf  dem  höchsten  Gipfel  der  Vol- 
lendung, den  sie  in  Rom  erreichte,  und  die  Bauwerke  späterer  Kaiser  konnten  die  des  Au- 
gustus nur  durch  gesteigerten  Luxus  im  Material  und  durch  grössere  Dimensionen 
überragen. 

Des  Augustus  Nachfolger  Tiberius,  der  während  der  Regierung  seines  Stief-, 
Adoptiv-  und  Schwiegervaters  die  Herstellung  mehrer  Tempel  in  dessen  Auftrag  mit 
Sorgfalt  und  Eifer  ausgeführt  hatte,  erwarb  sich  als  Kaiser  durch  Bauten  keine  beson- 
deren Verdienste.  Den  Tempel,  welchen  er  dem  Augustus  zu  erbauen  begann,  vollen- 
dete erst  Claudius.^  Bedeutender  war  wohl  der  Palast,  den  er  sich,  wie  schon  Augu- 
stus gethan  hatte,  auf  dem  Palatin,  dem  Capitolium  gegenüber,  erbaute.^  Das  prälori- 
anische  Lager  aber,  von  dem  noch  drei  in  die  aurelianische  Mauer  gezogene  Seiten 
der  Umfassung  grösstentheils  erhalten  sind,  kann  als  einfacher  Mauerbau  mit  seinen 
schmucklosen    Soldatenzellen    den   Prachtgebäuden  Roms   nicht    beigezählt    werden.* 

•  Sueton.  Aug.  29.    Dio  Cass.  LVI.  30.         2  Sueton.  Tiber.  47.    Dio  Cass.  LIX.  7.         »  Tacit.  Hist.  I. 
27.    Plut.  Galb.  24.    Sueton.  Vitell.  15.         *  Tacit.  Annal.  IV.  2.    Sueton.  Tiber.  67. 


44  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

Caligula's  ebenso  grossartjge  als  wahnsinnige  Bauunterrnehmungen  fanden  zum 
geringeren  Theile  zu  Rom  ihren  Schauplatz.  Von  den  römischen  steht  die  an  den  tiberiani- 
schen  Palast  anschliessende  Erweiterung  des  palatinischen  Kaiserhauses  bis  zur  Nordspitze 
des  Hügels  mit  Einschluss  des  Tempels  der  Dioskuren,  seiner  vermeintlichen  Brüder, 
obenan.^  Den  Palatinus  aber  verband  er  mit  dem  Capitolium  durch  eine  ungeheure 
Brücke,  um  mit  lupiter,  dessen  Freundschaft  er  zu  pflegen  vorgab,  in  stetem  Verkehr 
stehen  zu  können^  Diese  Brücke  ward  nach  seinem  Tode  wieder  zerstört,  wie  auch 
die  Verbindung  des  Palastes  mit  dem  Castortempel  wieder  aufgehoben  wurde.  Ein  Werk 
jedoch,  das  er  für  sein  unausgeführtes  naumachisches  Amphitheater  begonnen  hatte, 
eine  gewaltige  Wasserleitung,  kam  durch  seinen  Nachfolger  zur  Vollendung.^  Claudius 
nemlich,  welcher  dem  Aquaeduct  den  Namen  gab,  verband  ihn  mit  einem  zweiten,  der 
Leitung  des  Anio  novus,  der  Reihe  nach  der  zehnten  und  der  höchsten  von  allen. 
Wir  werden  bei  Betrachtung  des  jetzt  als  Porta  Maggiore  dienenden  Strassenübergangs- 
bogens  der  Aqua  Claudia  Gelegenheit  haben,  den  kollosalen  Bau  zu  würdigen.  Nach 
diesem  Werke  vollführte  auch  Claudius  ausser  einigen  Erweiterungen  des  palatinischen 
Kaiserhauses  nichts  mehr  von  Bedeutung  in  der  Stadt  selbst.  Von  den  baulichen  Un- 
ternehmungen des  Claudius  ausserhalb  Rom  aber  gehört  die  Anlage  des  neuen  Hafens 
bei  Ostia,  sowie  die  Ableitung  des  Fucinersees  (Lago  di  Celano)  durch  einen  Emissar 
nicht  bloss  zu  den  grossartigsten,  sondern  auch  zu  den  gemeinnützigsten  Werken  der 
römischen  Kaiserzeit. 

Nero  erbaute  neue  Bäder  mit  einem  damit  verbundenen  Gymnasium  westlich 
neben  den  Thermen  des  Agrippa.^  Doch  alle  vorige  Pracht  übertraf  die  ausgedehnte 
Anlage  seines  Palastes.  Dass  er  die  Stadt  selbst  mit  der  Absicht  niedergebrannt  habe, 
um  Platz  für  sein  riesiges  Kaiserhaus  zu  gewinnen,  ist  eine  spätere  Erfindung:  denn 
er  besass  bereits  vorher  das  ganze  Gebiet,  das  später  sein  goldenes  Haus  umfasste. 
Als  er  dem  Claudius  in  der  Regierung  nachfolgte,  bedeckten  die  Gebäude  der  Cäsaren 
schon  einen  grossen  Theil  des  Palatin  soweit  er  nicht  von  Cultgebäuden  in  Anspruch 
genommen  war.  Er  selbst  dehnte  die  Palastanlagen  noch  über  die  Velia,  jenen  Aus- 
läufer des  Palatin,  auf  welchem  jetzt  der  Titusbogen  und  die  Ruine  der  Venus  und 
Roma  stehen,  über  die  Thaltiefe  zwischen  Velia,  Esquilin  und  Cälius,  welche  nachmals 
grösstentheils  das  flavische  Amphitheater  einnahm,  über  den  Esquilinus  und  den  nord- 
westlichen Theil  des  Cälius  aus,  wo  er,  in  Dimensionen  und  an  Pracht  unübertroffen, 
ein  imposantes  Atrium,  einen  Teich,  verschiedenarlige  Wohnhäuser  und  weitläufige,  in 
raffinirtester  Ueppigkeit  ausdestattete  Lustgärten  anlegte.    Von  dem  verschwenderischen 


1  Dio  Cass.  LIX.  28.    Sueton.  Calig.  22.  2  gueton.  1.  c.  s  Frontin.  I.    13.      ■«  Sueton.  Nero   12. 

Tacit.  Ann.  XIV.   47.    Martial.  Epigr.  VII.  34. 


Die  Bauten  Caligula's  uod  Nero's.    Das  goldene  Haus.  45 

Luxus  dieser  Anlage  geben  die  dürftigen  Reste  von  Wandmalereien,  welche  sich  unter 
den  Thermen  des  Titus  erhalten  haben,  nur  einen  unvollkommenen  Begriff,  einen  ent- 
sprechenderen die  ziemlich  ausführlichen  classischen  Berichte.  Künstliche  Haine,  Seen 
und  Wasserwerke,  jene  mit  dem  seltensten  Wild  und  diese  mit  auserlesenen  Fischen  gefüllt, 
wechselten  mit  Säulenhallen,  Tempeln  und  Gemächern,  die  mit  den  edelsten  Metallen 
und  Marmorarten  ausgeziert  waren.  Tausende  von  Bildsäulen,  die  Frucht  der  letzten 
Plünderung  Griechenlands,  bevölkerten  die  weiten  Räume,  während  im  Atrium  des  Erbauers 
riesiger  Koloss,  dessen  Schicksale  geeigneten  Ortes  in  Betrachtung  gezogen  werden, 
sich  erhob.  Auch  war  Alles  aufgeboten,  was  die  Mechanik  dieser  Zeit  im  Dienste 
des  Luxus  zu  leisten  vermochte.  So  bewohnte  Ein  Mensch,  wie  er  meinte  einmal  in 
der  Lage,  „einigermassen  menschlich  zu  wohnen,"^  halb  Rom.  Dass  jedoch  die  Be- 
schränkung nicht  sehr  fühlbar  war,  dafür  hatte  die  claudische  Dynastie,  die  mit  Nero 
erlosch,  ausreichend  gesorgt,  denn  die  edelsten  und  reichsten  Geschlechter  waren  aus- 
gerottet, und  die  öffentliche  Unsittlichkeit,  genährt  durch  das  schaudervolle  Beispiel  des 
Palastes,  arbeitete  der  blutigen  Entvölkerung  durch  die  Cäsaren  in  die  Hände.  Diese 
bereits  bis  in  die  Zeit  der  Bürgerkriege  zurückreichenden  Uebelstände  waren  der  Grund, 
wesshalb  die  Weltstadt  Rom  weder  an  Umfang,  noch  an  Bevölkerung  die  Grösse  des 
heutigen  London  erreichte,  obwohl  Rom  weit  mehr  als  jetzt  London  im  Mittelpunkte 
der  bekannten  Welt  lag  und  dieselbe  beherrschte.  In  der  That  dürfte  dem  Volksdistichon, 
welches  die  Bevölkerung  einlud,  nach  Veii  auszuwandern,  da  das  goldene  Haus  in 
Rom  keinen  Platz  zu  wohnen  mehr  übrig  lasse,^  um  so  weniger  ein  zu  grosses  Ge- 
wicht beizulegen  sein,  als  seit  der  Ueberschreitung  der  servischen  Mauer  der  Erweite- 
rung der  Stadt  kein  Hemmniss  im  Wege  stand.  Was  übrigens  die  Wiederherstellung 
der  zum  grossen  Theile  verbrannten  Stadt  betrifft,  so  gebührt  dem  vielleicht  zu  viel 
geschmähten  Kaiser  wenigstens  das  Lob,  der  Verbesserung  der  seit  dem  gallischen 
Brande  höchst  unregelmässigen,  unbequemen  und  unschönen  Anlage  seine  Aufmerksam- 
keit gewidmet  und  wahrhaft  treffliche  darauf  bezügliche  Verordnungen  mit  freigebiger 
Unterstützung  der  Bauunternehmer  gepaart  zu  haben.  Der  Schutt  wurde  auf  Kosten 
des  Kaisers  hinweggeräumt  und  zum  Theil  auf  Schiffen  nach  Ostia  geführt,  um  die 
dortigen  Sümpfe  auszutrocknen.  Die  nun  geraden  und  breiten  Strassen  wurden  mit 
Säulenhallen  umsäumt,  für  welche  Nero  ebenfalls  die  Kosten  übernahm.  Dann  setzte  er 
noch  Prämien  aus  für  rasche  und  entsprechende  Vollendung  der  Gebäude,  bei  welchen 
auf  Solidität  und  Schutz  durch  Brandmauern  neben  der  Schönheit  Rücksicht  zu  nehmen 
war.^    So  entstand  das  neronische  Rom  regelmässiger  und  schöner,  als  es  vorher  ge- 


'Tacit.  Ann    XV.  38—42.     Sueton.    Nero  31.     Plin.   H.  N.    XXXIV.  7,  18,  45.  2  Sueton.  Nero.  39. 

^  Tacit.  Ann.  XV.  43.    Sueton.  Nero  16. 


46  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

wesen;  dass  aber  jene  bei  Tacitus  ausgesprochene  Ansicht,  die  engen,  krummen  und 
von  hohen  Häusern  beschatteten  Gassen  seien  gesünder  gewesen,  als  die  nachmaligen 
breiten  und  geraden,  welche  unter  beständigem  Sonnenbrande  und  unter  dem  vollen 
Einflüsse  gewisser  schädlicher  Winde  litten,  nicht  völlig  grundlos  ist,  hat  die  Erfahrung 
vielfach  bestätigt. 

Von  der  kurzen  Regierung  des  Galba,  Otho  und  Vitellius  wird  kein  besonderes 
Baudenkmal  erwähnt.  Obwohl  Otho  den  Bau  des  neronischen  Palastes  fortsetzte, ^schien 
er  doch  dem  unwürdigen  Vitellius  nicht  gut  genug,  welcher  fand,  dass  Nero  schlecht 
gewohnt  und  gemeines  Hausgeräth  gehabt  habe.^  Noch  ehe  indess  Rom  seit  dem  ne- 
ronischen Brande  wieder  ganz  vom  Schutte  erstanden  war,  sank  bei  dem  Aufstande 
der  Parthei  des  Vespasian  gegen  die  Vitellianer  das  Capitolium  zum  zweitenmale  in 
Asche.^  Des  Vitellius  Nachfolger  Vespasian,  der  Gründer  des  flavischen  Herrscherhau- 
ses, begann  seine  treffliche  Regierung  mit  dem  Wiederaufbau  des  capitolinischen  Tem- 
pels.^ Dagegen  zerstörte  er,  den  kaiserlichen  Palast  wieder  auf  den  Palatin  beschrän- 
kend, einen  Theil  der  neronischen  Anlagen,  das  Uebrige  gab  er  dem  Volke  als  öffent- 
liches Eigenthum.  Auf  dem  zerstörten  Theile,  am  westlichen  Abhänge  der  Velia,  er- 
baute er  den  berühmten  Tempel  der  Pax  und  umgab  ihn  in  der  Weise,  wie  Cäsar  seinen 
Tempel  der  Venus  Genetrix,  mit  einem  Vorhofe  (später  Forum  Pacis  oder  Vespasiani). 
Im  Tempel  selbst  aber  wurden  nebst  vielen  anderen  Schätzen  besonders  die  bei  der 
Einnahme  von  Jerusalem  ebeuteten  goldenen  Tempelgeräthe  aufgestellt.^  Der  von  Ves- 
pasian endlich  ausgeführte  Tempel  des  vergötterten  Claudius  scheint  ebenfalls  durch 
seinen  Umfang  und  durch  seine  herrliche  Lage  am  Cälius  von  hoher  Bedeutung  ge- 
wesen zu  sein.^  Dann  begann  er  den  Bau  des  grössten  der  uns  erhaltenen  römischen 
Denkmäler,  des  flavischen  Amphitheaters,  und  wählte  dazu  den  Platz  des  neronischen 
Teiches  [stagna  NeronisJ.  Der  Bau  gehört  durch  seine  Grösse,  Festigkeit  und  archi- 
tektonische Schönheit  zu  dem  Vollendetsten  der  römischen  Kunst.  Wie  bei  den  Ge- 
bäuden für  die  Spiele  überhaupt  war  die  Aussenseite  von  Landstein  (Travertiv)  und 
nur  die  Sitze  und  innere  Ausschmückung  waren  von  Marmor  Der  Bau  ward  jedoch 
erst,  obwohl  auch  da  noch  unvollendet,  von  Titus,  dem  Sohne  und  Nachfolger  des 
Gründers^  eingeweiht.'  Gleichzeitig  eröff'nete  dieser  seine  weitläufigen  Thermen,  die  er 
am  Abhänge  des  Esquilinus  über  den  Ruinen  von  Nero's  goldenem  Hause  erbaut 
hatte.^  Doch  seine  kurze  Regierungszeit  erlaubte  weder,  den  Schaden,  welchen   wie- 


iSueton.  Otho.  7.  2  Dio  Cass.LXV.  4.  3  Tacit.  Hist.  III.  71.  72.       Sueton.  Vitell.15.     Dio  Cass. 

LXV.  17.  4  Tacit.  Hist.  IV.  53.  Sueton.  Vesp.  8.  Dio  Cass.  LXVI.  10.  s  Dio  Cass.  LXVI.  15.  Sueton. 
Vesp.  9.  loseph.  Bell.  lud.  VII.  5,  7.  Herodian,  I.  14.  Plin.  H.  N.  XXXIV.  8,  19,  84.  XXXVI.  15,  24,  102. 
6  Sueton.  Vesp.  9.         1  Sueton.  Tit.    Dio  Cass.  LXVI.  25.  » 11.  cc. 


Die  Bauwerke  der  Flavier.  47 

derholte  Brände  auf  dem  Marsfelde  angerichtet  hatten,  gut  zu  machen,  noch  den  zum 
drittenmale  abgebrannten  Tempel  des  capitolinischen  lupiter  wieder  aufzubauen. 

Des  Titus  Bruder  und  Nachfolger  Domitian  aber  schritt  sofort,  nachdem  er  aus 
Dankbarkeit  für  seine  Lebensrettung  dem  lupiter  Gustos  einen  Tempel  errichtet  hatte,  ^ 
zur  Wiederherstellung  des  lupitertempels  auf  dem  Capitol.  Die  Säulen  von  pentelischem 
Marmor  kamen  abermals  wie  bei  dem  sullanischen  Wiederaufbau  von  Griechenland,  der 
etwas  unförmliche  tuscische  Grundplan  blieb  derselbe.  Von  der  Pracht  der  Anlage 
mag  der  Umstand  einigen  Begriff  geben,  dass  die  Vergoldungen  allein  die  Summe  von 
12,000  Talenten  erforderten.^  Auch  die  beschädigten  Gebäude  des  Marsfeldes  stellte  er 
wieder  her.  Dann  errichtete  der  baulustige  Kaiser  ein  Stadium,  ein  Odeum  für  mu- 
sikalische Wettkämpfe  und  eine  Naumachie.^  Interessanter  für  uns  sind  zwei  andere 
Werke  aus  Domitians  Regierungszeit,  die  uns  noch  theilweise  erhalten  sind,  nemlich 
der  Tempel  des  Vespasian''  am  capitolinischen  Clivus,  und  der  Triumphbogen  des  Titus, 
beide  übrigens  vom  Senate  errichtet  und  durch  ihre  Dimensionen  weniger  hervorragend 
als  durch  ihre  künstlerische  und  innere  Bedeutung.  Domitian  selbst  errichtete  an  ver- 
schiedenen Plätzen  der  Stadt  noch  viele  andere  Bogen  (lanus)  und  Denkmäler,^ und  in 
der  Mitte  des  grossen  Forum  sein  kolossales  Reiterbild.®  Sein  neues  Forum,  das  er 
zwischen  dem  Forum  lulium  und  Augustum  einerseits  und  dem  des  Vespasian  oder  der 
Pax  anderseits  anlegte,  schmückte  er  mit  dem  Tempel  der  Minerva,  seiner  Lieblings- 
göttin, woher  es  auch  den  Namen  Forum  Palladium  erhielt.'  Von  der  Umfangsporticus 
dieses  Forum  ist  noch  ein  überaus  schöner  Ueberrest  vorhanden,  welcher  besonders 
beschrieben  werden  wird.  Die  meiste  Pracht  aber  verschwendete  Domitian  an  den  Neu- 
bau des  Caesarenpalastes  auf  dem  Palatin,  welcher  zu  dem  Tadel  Anlass  gab,  dass 
er  mit  einer  förmlichen  Sucht,  Prachtbauten  auszuführen,  behaftet  sei,  und  als  zweiter 
Midas  Alles  von  Gold  und  Marmor  haben  wolle.^  Der  domitianische  Bau  aber  ist  fortan 
die  eigentliche  Kaiserresidenz  geblieben  wie  bei  Betrachtung  seiner  Ueberreste  noch 
näher  erörtert  werden  soll. 

Von  Domitians  greisem  Nachfolger,  dem  edlen  Nerva  wissen  wir  nur,  dass  er 
das  von  Domitian  erbaute  Forum  vollendete  und  unter  seinem  Namen  einweihte.^ 

Die  Bauwerke  seines  Erben  Traian  sind  dieses  grossen  Kaisers  durchaus  würdig. 
Der  bedeutendste  Bau  desselben  aber  war  das  eben  so  geräumige  als  prachtvolle 
Forum  Traianum,  welches  alle  bisherigen  Anlagen  der  Art  in  jeder  Beziehung  über- 
traf.    An  der  Spitze  erhob  sich,  freilich   erst  zu  Ende  der  Regierung  und  des  Lebens 


1  Tacit.  Hist.  III.  74.    Sueton.  Domit.  5.  '  Plutarch,  Poplic.  15.    Saeton.  Domit.  5.  3  Sueton. 

1.  c.  4Euseb.  Chron.  ß  Sueton.  Domit.  13.    Plin.  Panegyr.  54.  «  Stat.  Silv.  I.  1.    Martial.  Epigr. 

I.  71.  •  Sueton.  Domit.  5.    Aurel.  Vict.  Caes.  12.  8  pi^t.  Poplic.  15.    Sueton.  Domit.  14.    Stat.  Silv. 

IV.  2.  9  Sueton.  Domit.  5.    Aurel.  Vict.  1.  c. 


48  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

Traians,  eine  imposante  Ehrensäule  in  Marmor  mit  spiralenförmig  sich  daran  hinauf- 
schlingenden Reliefs,  auf  welcher  das  Kolossalbild  des  Kaisers  stand  und  unter  welcher 
nach  Traians  Tode  auch  dessen  Asche  beigesetzt  ward.  Die  Säule  ist  noch  fast  un- 
versehrt vorhanden,  dient  aber  jetzt  dem  h.  Petrus  als  Piedestal.  Von  der  grossen  Ba- 
silica,  wolche  zwischen  der  Säule  und  dem  Forum  im  eigentlichen  Sinne  lag,  haben 
sich  bei  den  Aufgrabungen  am  Anfange  dieses  Jahrhunderts  ebenfalls  noch  ansehn- 
liche Reste  vorgefunden,  welche  gehörigen  Ortes  eingehender  behandelt  werden  sollen. 
Weniger  sicher  sind  die  Reste  oder  vielmehr  Spuren,  welche  man  den  beiden  Biblio- 
theken, der  griechischen  und  lateinischen,  zugewiesen  hat.  Die  Umfriedungs-Portiken 
des  Forum  selbst  sind  mit  Ausnahme  der  halbcirkeligen  Ausweitung  der  Nordostseite 
verschwunden. 

Obwohl  dieses  Forum  stets  und  mit  Recht  als  eines  der  grössten  und  prächtigsten 
Werke  der  römischen  Kaiser  betrachtet  ward ,  und  Traian  auch  ausserdem  Bauwerke 
verschiedener  Art,  die  Thermen  neben  denen  des  Titus,^  ein  Odeum  und  Gymnasium, 
Tempel  und  Hallen^ errichtete,  sagt  doch  ein  gleichzeitiger  Schriftsteiler,  dass  Traian 
sparsamer  im  Erbauen  als  im  Erhalten  war.*  In  der  That  waren  seine  Herstellungen 
so  zahlreich  und  seine  Inschriften  an  den  öffentlichen  Gebäuden  so  häufig,  dass  ihm 
Constantin  den  Spottnamen  „das  Wandkraut"  gab,  weil  sein  Name  gleichsam  an  allen 
Wänden  wucherte.^  Besondere  Erwähnung  verdient  noch  seine  Erweiterung  und  Ver- 
schönerung des  Circus:^  wahrscheinlich  ward  erst  unter  ihm  der  ungeheure  Bau,  der 
jetzt  über  300,000  Zuschauer  fasste,  ganz  in  Stein  aufgeführt.  Die  Werke  Traians  aus- 
serhalb Rom  stehen  den  aufgezählten  hauptstädtischen  in  nichts  nach. 

Die  kundige  Baulust  seines  Nachfolgers  Hadrian  beschloss  die  Blüthezeit  der 
römischen  Kunst  auf  eine  glänzende  Weise.  Er  selbst  hatte  sich  auf  seinen  ausge- 
dehnten Reisen  zum  tüchtigen  Architekten  gebildet,  die  Werke  der  verschiedenen  Völ- 
ker, besonders  der  Griechen,  im  Originale  studirt,  und  hing  mit  Liebe  und  eifersüchtigem 
Stolze  an  seiner  Kunst.  Sein  erster  Bau  war  der  Tempel  Traians  auf  oder  vielmehr 
an  dessen  Forum,  auf  welches  Werk  allein  er  seinen  Namen  schrieb,^  was  um  seines 
Vorgängers  willen  erwähnt  zu  werden  verdient.  Dann  erbaute  er  nach  seinem  ei- 
genen Plane  den  merkwürdigen  Doppeltempel  der  Venus  und  Roma  an  der  Velia  und 
Sacra  Via,* von  dem  wir  noch  die  schmuckentblössten  Reste  sehen.  Ausser  einigen 
kleineren  Werken,  worunter  besonders  das  Athenäum,'^  ein  zu  rethorischen  und  poeti- 
schen Uebungen  und  Vorträgen  errichtetes  Gebäude,  gehört,  schuf  er  noch  das  riesige 


1  Pausan.  V.  12.    Aurel.  Vict.  Epit.  in  Traianum.  13.  2  Dia  Cass.  LXIX  4.  3  PUn.  Panegyr.  51. 

*  Plin.  1.  c.  5  Aurel.  Vict.  Epit.  in  Constant.  6  Dio    Cass.    LXVIII.  7     Plin.  Pauegyr.  1.  c.    Pausan. 

l.  c.  Tgcipt.  Hist.  Aug.  (Spartian.)  Hadrian.  19.  »Dio  Cass.  LXIX.  4.  9  Aurel.  Vict.  Caess.  14. 

Script.  Hist.  Aug.  (Capitolin.)  Gordian.  3. 


Die  Bauten  des  Traian  und  Hadrian.  49 

Kaisergrabmal  auf  dem  rechten  Tiberufer,  dem  von  Augustus  erbauten,  das  keinen  Raum 
mehr  bot,  gegenüber,  und  dieses  an  Grösse  und  Pracht  weit  übertreffend.  Gleichzeitig 
erbaute  er  eine  Brücke  über  den  Tiber,  welche  nach  seinem  Vornamen  Pons  Aelius  ge- 
nannt ward  und  in  gerader  Linie  zu  dem  Grabmale  führte.^  Beide  Bauwerke  sind  noch 
vorhanden:  jenes  gleichwohl  sehr  verstümmelt,  ist  in  die  Engelsburg  umgewandelt  und  bildet 
jetzt,  von  Mauern  und  Wällen  umgeben,  die  Citadelle  der  Stadt;  und  dieses,  bis  auf 
die  Geländer  fast  unversehrt  erhalten,  dient  jetzt  unter  dem  Namen  Engelsbrücke  als 
Hauptverbindung  der  beiden  Ufer,  eine  Bedeutung,  welche  die  Brücke  ursprünglich  nicht 
hatte,  da  die  Stadt  sich  nicht  so  weit  nördlich  erstreckte,  und  auch  das  vaticanische 
Gebiet  nur  zu  Gartenanlagen  benutzt  war. 

Die  Hauptstadt  allein  war  jedoch  dem  baulustigen  Kaiser  ein  zu  enges  Feld : 
auch  war  er  von  Geburt  und  Neigung  zu  wenig  Römer,  um  für  den  Glanz  der  Stadt 
besonders  warm  zu  empfinden,  und  so  kam  es,  dass  die  Werke,  welche  er  ausserhalb 
Rom  ausführte,  zahlreicher  und  sogar  zum  Theil  umfangreicher  waren.  Einer  besonderen 
Bevorzugung  erfreuten  sich  in  dieser  Beziehung  Tibur  und  Athen,  doch  auch  im  übri- 
gen Griechenland,  in  Kleinasien,  Syrien,  Palästina,  Aegypten  und  Gallien  erhoben  sich 
zahlreiche  Schöpfungen  des  kunstkundigen  Herrschers. 

Mit  Hadrian  endigt  die  Blüthezeit  der  römischen  Kunst.  Doch  kann  man  nur  im 
Zusammenhalt  mit  den  nachfolgenden  Leistungen  die  Schöpfungen  der  Flavier  und  Aelier 
noch  der  höchsten  römischen  Kunstepoche  beizählen,  denn  der  Unterschied  zwischen 
den  Werken  augusteischer  und  hadrianischer  Zeit  ist  nicht  zu  verkennen.  An  den 
Capitälen  und  dem  Gebälk  des  Marstempel  herrscht  bei  aller  Sorgfalt  in  der  Ausfüh- 
rung eine  geschmackvolle  Beschränkung,  jener  solide  Reichthum,  der  die  Absicht  des 
Prunkens  ganz  und  gar  nicht  an  der  Stirne  trägt,  massige  Ausladung  und  massige 
Stärke  der  Ornamentik.  Schon  unter  Tiberius  wird  z.  B.  an  den  Resten  vom  Concor- 
dientempel  Ueberladung  fühlbar,  mit  welcher  jedoch  die  feine  Behandlung,  die 
massigen  Grössenverhältnisse  der  Ornamentik  und  gleichförmige  Durchführung  wieder 
versöhnen.  Einen  weiteren  Schritt  nimmt  man  bereits  in  dieser  Beziehung  an  der  Um- 
friedung des  von  Domitian  erbauten  Forum  Transitorium  wahr,  wo  bei  noch  stärkerer 
ornamentaler  Fülle  bereits  einige  Derbheit  zu  Tage  tritt.  Unverkennbar  sind  auch  die 
künstlerischen  Untersciiiede  zwischen  dem  Marcellustheater  und  dem  flavischen  Amphi- 
theater. Wie  hier  die  Kolossalität  der  Kunst  Abbruch  that,  so  drängte  anderseits  die 
Sucht  nach  kostbarem  Materiale,  wie  sie  besonders  dem  Domitian  zur  Last  gelegt  wird, 
die  Rücksicht  auf  künstlerische  Behandlung  zurück.  Traians  nüchterner,  allem  eitlen 
Schein  abholder  Charakter  lenkte  wohl  wieder  in  bessere  Bahnen  ein,   und  namentlich 


1  Dio  Cass.  LXIX.  23.    Script.  Bist.  Aug.  (Spartian)  1.  c. 
F.  Reber,  Rom. 


50  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

die  Reste  seines  herrlichen  Forum  zeigen  wieder  eine  erfreuliche  Richtung-,  wenn  auch 
die  kolossale  Ehrensäule  daselbst  in  vieler  Beziehung  zu  tadeln  ist.  Da  trat  Hadrian  auf, 
der  Kaiser-Architekt,  der  mit  Eifer  und  Erfolg  auf  die  Originale  zurückging,  und  die 
erschöpfte  Kunst  auf  einer  Seite  durch  Reinigung,  auf  der  andern  durch  neue  Quellen  zu 
erfrischen  suchte.  Es  ist  jedoch  schwer  zu  sagen,  ob  Hadrian  durch  die  Wiederbelebung 
hellenischer  Kunst  und  zugleich  durch  die  Einführung  orientalischer  Werke  der  Fort- 
entwickelung der  römischen  Kunst  nicht  mehr  geschadet  als  genutzt  hat. 

Was  die  Sculptur  betrifft,  so  zeigt  sich,  insoweit  sie  in  Relief  und  Ornamental- 
statuen hier  in  Betracht  kommt,  dieselbe  leise  Abnahme  von  den  Reliefs  am  Titusbogen 
zu  den  traianischen  am  Triumphbogen  des,  Constantin  und  den  ebenfalls  daselbst  be- 
findlichen dacischen  Gewandfiguren,  i  Dasselbe  tritt  natürlich  noch  klarer  in  den  Samm- 
lungen entgegen,  wo  insbesondere  an  den  Porträt-Statuen  und  Büsten  der  Kaiser  der 
Kunstverfall  deutlich  zu  verfolgen  ist.  Die  Wiederbelebung  der  hellenischen  Tradition 
erklärt  aber  leicht  den  abermaligen  kurzen  Aufschwung,  der  sich  an  den  plastischen 
Schöpfungen  der  Periode  Hadrians  bemerklich  macht. 

Von  Malerei  kömmt  hier  ebenfalls  nur  die  Ziermalerei,  die  ganz  im  Dienste  der 
Architektur  steht,  in  Betracht.  Sie  ist  dieselbe,  welche  wir  die  pompeianische  Wand- 
malerei zu  nennen  pflegen,  weil  das  ausgegrabene  Pompei  uns  hauptsächlich  über  diesen 
Kunstzweig  belehrt  hat.  Der  Gegenstand  ist  zumeist  eine  leichte,  phantastische  Archi- 
tektur, zum  Theil  perspectivisch  dargestellt  mit  stabförmigen  Säulchen  und  absonderlichen 
Giebeln  und  Aedicülen.  Die  so  umrahmten  Felder  sind  mit  schwebenden  Gestalten, 
gewöhnlich  bacchantischen  Tänzerpaaren,  mit  abenteuerlichen  Thieren,  auch  mit  schwe- 
benden Geräthen  weniger  ausgefüllt  als  unterbrochen,  in  kleinen  Rahmen  erscheinen 
selbst  Landschaften,  ländliche  Jagd-  oder  Bühnen-Scenen.  Die  Architektur  aber  ist 
reich  mit  Kränzen  geschmückt,  auch  finden  sich  häufig  förmliche  Draperien  gemalt. 
Die  Grundfarbe  ist  überdiess  selten  monoton,  die  Aedicülen  und  besonderen  Rahmen 
begränzen  in  der  Regel  andersfarbige  Flächen.  Die  Tonnen-  oder  Kreuzgewölbe  aber 
zeigen  entweder  Felderung  in  manigfachen  Formen  oder  lediglich  gemaltes  Laub- 
werk, das  in  der  Regel  von  Vögeln  belebt  ist.  Manchmal  kommen  den  Darstellungen 
Stuckreliefs  zu  Hülfe,  was  jedoch  selten  ist.  Der  Charakter  des  Ganzen  ist  luftig  und 
heiter,  wie  denn  auch  die  Darstellungen  häufig  an  Tanz-,  Liebes-  und  Tafelfreuden 
erinnern.  — 

Die  pompeianischen  Wandgemälde  gehören  zumeist  in  die  claudische  Periode. 
Auch  in  Rom  gibt  es  noch  manche  Ueberreste  von  Wandmalereien  der  ersten  Kaiserzeit, 


•  Ueber  die  kunsthistorische  Bedeutung  der  römischen  Historienreliefs  vgl.  A.  Philippi,  Die  römischen  Tri- 
umphalreliefe und  ihre  Stellung  in  der  Kunstgeschichte.    Abhandl.  d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  Bd.  VI.  S.  245-306. 


Kunstentwickelung  von  Augustus  bis  Hadrian.  51 

wie  in  den  Zimmern  des  sog.  liberianischen  Hauses,  und  in  den  Corridoren  und  Ge- 
mächern, welche  die  Substruction  der  Titusthermen  bilden  und  wohl  zu  den  neronischen 
Palastanlagen  gehören.  Die  Malereien  der  letzteren  sind,  abgesehen  von  der  ihnen  ei- 
genen schönen  Composition,  dem  eleganten  Vortrage  und  ihrer  delicaten  Ausführung 
(Vorzüge,  die  sich  jedoch  bei  dem  traurigen  Zustande  von  Zerstörung  nur  an  wenigen 
Stellen  genau  erkennen  lassen),  besonders  merkwürdig  durch  die  culturgeschichtliche 
Bedeutung,  welche  sie  als  Vorbilder  der  Loggienmalerei  bei  den  Schülern  Raphaels, 
namentlich  durch  Giovanni  da  üdine,  gewannen,  einer  Richtung,  die  in  der  ornamen- 
talen Malerei  bis  auf  unsere  Zeit  herrschend  geblieben  ist. 

Von  der  Technik  dieser  Epoche  muss  besonders  die  Vollendung  des  Ziegelbaues 
hervorgehoben  werden.  Die  ungemein  exacte  Fügung,  der  tadellos  horizontale  Lauf  der 
Lagen,  die  flachen,  sorgfältig  gearbeiteten  und  gebrannten  Ziegel,  die  dünnen  gleich- 
massigen  Schichten  des  Bindemittels,  alles  diess  zeichnet  die  römischen  Ziegelmauern 
dieser  Zeit  vor  allen  Zeiten  und  allen  Nationen  in  der  rühmlichsten  Weise  aus.  Nicht 
minder  vortrefflich  sind  die  Bruchsteinmauern  gefugt,  selbst  wenn  sie  mit  Marmor  be- 
kleidet waren,  häufig  ohne  alle  Verkittung,  während  manchmal,  wie  an  der  Umfriedung 
des  Forum  Augustum,  die  Quadern  mit  hölzernen  Klammern  verbunden  sind.  — 


Nach  Hadrian  gingen  Kunst  und  Technik  einem  raschen  Verfall  entgegen.  Das 
Glück  des  römischen  Reiches  unter  der  milden,  friedlichen  Regierung  des  Antoninus  Plus 
ersetzte  die  geringeren  Verdienste  dieses  Kaisers  um  die  Kunst  und  zunächst  Baukunst 
im  reichlichsten  Maasse.  Doch  versäumte  er  nicht,  seinem  Vorgänger  und  Adoptivvater 
Hadrian  einen  Tempel  zu  erbauen.^  Der  Senat  errichtete  auch  seiner  Gemahlin  Faustina 
einen  Tempel,  der  wohl  derselbe  ist,  den  wir  noch  grösstentheils  besitzen,  und  aus  des- 
sen Inschrift  zu  entnehmen  ist,  dass  er  nach  des  Kaisers  Tode  auch  ihm  geweiht  wurde.^ 
(Vgl.  die  besondere  Beschreibung.) 

Seine  Söhne  und  Nachfolger  errichteten  ihm  eine  Ehrensäule  von  Granit.  Sie 
ward  wieder  aufgefunden :  als  sie  aber  bei  dem  W^iederaufstellungs-Versuche  unter  Papst 
Pius  VI.  stürzte  und  zertrümmerte,  kam  das  Piedestal  in  den  Giardino  della  Pigna  des 
Vaticans.  Eine  Seite  zeigt  noch  die  Inschrift  mit  den  Namen  der  Errichter  M.  Aurelius 
und  L.  Verus.  Die  Reliefs  an  den  anderen  Seiten  verrathen  schon  einige  Geschmacklo- 
sigkeit in  der  Composition,  eine  unmotivirles  Uebereinander,  wie  besonders  bei  dem  Rei- 
terrelief, und  ein  eigenthümliche  Schwunglosigkeit,  wenn  nicht  Steifheit  an  dem  schwe- 
benden Genius    des  Apotheose-Reliefs.     Der  Triumphbogen  des  Verus   in   der  1.  Re- 


Script.  H.  A.  (Spartian.)  Hadr.  27.  (Capitolia.)  Antonin.P.  8.        2  Script.  H.  A.  (Capitolin.)  Anton.  P  6. 

7» 


52  Baugeschichte  des  allen  Rom. 

gioniist  verschwunden,  von  dem  des  M.  Aurelius  aber,  der  im  17.  Jahrhundert,  weil 
er  den  Corso  zu  sehr  beengte,  abgebrochen  ward,  sind  die  Reliefs  noch  erhalten  und 
im  Treppenhause  des  Conservatorenpalastes  aufbewahrt.  Vergleicht  man  die  Reliefs 
des  Titusbogens  oder  die  traianischen  an  der  Traianssäule  und  am  Constantinsbogen  mit 
diesen  antoninischen  Leistungen  der  Kunst,  so  kann  die  fortgeschrittene  Erstarrung, 
wie  der  Verlust  des  feineren  Formensinnes  an  den  letzteren  nicht  verkannt  werden. 
Unferne  von  diesem  Triumphbogen  errichtete  der  Senat  dem  edlen  Kaiser  eine  Ehren- 
säule nach  dem  Vorbilde  der  traianischen^  und  nach  seinem  Tode  einen  Tempel.^  Die 
erstere  ist  noch  vorhanden  und  trägt  jetzt  die  Statue  des  heiligen  Paulus.  Eine  ge- 
naue Vergleichung  der  beiden  Säulen  nach  ihren  Reliefs  kann  ebenfalls  nicht  verfehlen, 
die  Kunstabnahme  seit  Traian  vollkommen  klar  zu  machen.  — 

Diese  Denkmäler  gehören  in  die  Regierungszeit  des  unwürdigen  Commodus,  der 
jedoch  ausser  den  Thermen  an  der  Porta  Capena,*  von  denen  keine  Reste  vorhanden 
sind,  sonst  kein  bedeutendes  Bauwerk  hinterliess.  Die  kurze  Herrschaft  des  Pertinax, 
Didius  lulianus,  Pescennius  Niger  und  Clodius  Albinus  blieb,  so  viel  wir  wissen,  ganz 
ohne  Baudenkmal.  Grössere  Regsamkeit  zeigte  sich  wieder  unter  der  kräftigen  Regie- 
rung des  L.  Septimius  Severus :  seinen  Lieblingsgöttern,  Bacchus,  und  Herkules,  wurden 
grosse  Tempel  errichtet,'^  von  welchen  wir  jedoch  keine  Reste  haben.  Dann  gab  er 
durch  den  Bau  des  sogenannten  Septizoniums,  eines  räthselhaften  Gebäudes,  das  wahr- 
scheinlich seinen  Säulenstockwerken  den  Namen  verdankt,  dem  Palatin  gegen  die 
Via  Appia  hin  eine  Art  von  Prachtfapade,^  zu  welcher  die  interessante,  aus  drei  Säu- 
lenstockwerken bestehende  Ruine  gehörte,  die  im  16.  Jahrhundert  unter  Sixtus  V.  an- 
geblich wegen  Baufälligkeit,  wohl  mehr  behufs  Materialgewinnung  abgebrochen  wurde. 
Die  fast  allgemeine  Identificirung  dieses  Fagadenbaues  mit  dem  antoninischen  Grab- 
mal ist  jedoch  ein  Irrthum,  da  einerseits  das  antoninische  Grabmal  nur  als  in  der  Art  des 
Septizoniums  erbaut  bezeichnet  wird,  und  andrerseits  das  Septizonium  an  den  Palatin 
sich  anlehnte,  während  das  Grabmal  an  der  Via  Appia  vor  der  Porta  Capena  lag. ' 
Allerdings  scheint  es  ebenfalls  Septimius  Severus  gewesen  zu  sein,  der  das  antoninische 
Grab  durch  Erweiterung  und  Verschönerung  zur  dritten  Kaisergruft  machte,  da  das  Ha- 
driansgrab  keinen  Raum  mehr  bot.  Zwei  andere  Denkmäler  aber,  welche  zu  Ehren 
dieses  Kaisers  und  seiner  Söhne  M.  Aurelius  Antoninus  (Caracalla)  und  Geta  errichtet 
worden  waren,  hat  die  Zeit  verschont:  den  grossen  Triumphbogen  am  Nordwestrande 
des  Forum,  und  die  kleine  Ehrenpforte  am  Forum  ßoarium.     An  beiden  ist  wieder  ein 


^  Curiosum  Urbis  Komae  Eegionum  XIV.  2  ^.urel.  Vict.  Caess.  16.    Epit.  in  M.  Aurel.  ^  Aurel. 

Vict.  11.  cc.  Script.  Hist.  Aug.  (Capitolin.)  M.  Aurel.  18.  ''Script.  H.  A.  (Lainprid.)  Coramod.  17.  Herodian. 

I.  12.  Curiosum  Urbis  Eomae  (Keg.  I.)         »Dio  Cass.  LXXVI.  16.         «  Script.  H.  A.  (Spartian.)  Sept.  Sever.  19. 
'(Spartian.)  Geta.  7. 


Rascher  Kunstverfall  nach  Hadrian.  53 

bedeutender  Schritt  des  Kunstverfalls  wahrnehmbar,  der  sogar  schon  ausser  Verhältniss 
stehtzu  der  Kürze  der  Zeit  seit  den  Antoninen.  Die  architektonische  Anordnung  ist  geschmack- 
los und  ohne  Verständniss,  die  Ornamentik  überladen  und  überdiess  roh  und  oberfläch- 
lich gearbeitet.  Die  Reliefsculptur  ist  der  Architektur  entsprechend :  in  Bezug  auf  An- 
ordnung ein  flaches  Uebereinander  in  parallelen  Streifen  ohne  einheitliche  Composition, 
an  die  Zeilen  einer  Chronik  gemahnend,  bietet  sie  auch  in  den  heftig  bewegten  Ge- 
stalten weder  Leben  noch  Ausdruck,  in  der  Technik  nur  mehr  Handwerksmässigkeit, 
wie  diess  besonders  an  der  harten  Drapirung  mit  den  gleichförmigen  tiefgeschnittenen 
Rinnenfalten  sich  aufdrängt. 

Weit  weniger  als  die  Kunst  hatte  die  ßautechnik  bisher  gelitten.  Ein  Beispiel 
hievon  geben  uns  die  Ruinen  der  Tiiermen,  welche  des  Septimius  Severus  Sohn,  An- 
toninus  Caracalla,  erbaute.*  Die  Unverwüstlichkeit  der  Mauern  dieser  unter  allen  Back- 
steinbauten erhaltensten  Ruine  haben  die  Jahrhunderte  zur  Genüge  erprobt.  Die  Zie- 
gel sind  zwar  schon  etwas  derber  und  die  Mörtellagen  dicker,  doch  herrscht  noch  die 
grösste  Regelmässigkeit.  Von  den  ungeheuren  Wölbungen  haben  freilich  nur  wenige 
dem  Sturme  der  Zeiten  getrotzt,  sie  konnten  es  aber  auch  nicht  mehr,  als  man  die 
Bedachung  vernachlässigte  und  die  Säulen  wegnahm,  welche  ihnen  zur  theilweisen 
Stütze  dienten.  Doch  die  Weite  der  Sprengung  zeigt  grosse  Erfahrung  und  Sicherheit 
im  Gewölbebau,  wie  denn  schon  den  Architekten  des  nächsten  Jahrhunderts  eine  dieser 
Wölbungen,  nemlich  jene  über  der  cella  solearis,  als  schlechterdings  unnachahmlich  er- 
schien.2  Höchst  beachtenswerth  sind  auch  die  zahlreichen  Reste  von  Musivböden,  die 
jedoch  nur,  soweit  sie  sich  auf  einfache  Ornamentik  beschränken,  lobenswerth  sind. 
Das  Nähere  findet  sich  bei  der  besonderen  Beschreibung.  Ausser  diesem  Prachtbau 
errichtete  Caracalla  noch  eine  Säulenhalle  zu  Ehren  seines  Vaters^  und  mehre  Tem- 
pel der  Isis  und  des  Serapis.^  Nach  Caracalla's  Ermordung  setzte  sein  angeblicher 
Sohn  Antoninus  Elagabal  den  Thermenbau  fort,^  und  errichtete  zwei  Tempel  des  syri- 
schen Sonnengottes.'*  Seine  Erbauung  einer  Curia,  welche  für  die  Berathungen  der 
Frauen  über  Modesachen  und  ähnliche  Angelegenheiten  bestimmt  worden  war,  und  in 
welcher  er  den  Vorsitz  führte,  ist  ein  vielerwähntes  Curiosum."  Nicht  minder  schimpf- 
licher Natur  war  die  Anlage  öff'entlicher  Bäder  auf  dem  Palatin.^ 

Der  würdige  Alexander  Severus  schmückte  das  Forum  des  Traianus  und  das 
des  Nerva  mit  zahlreichen  Statuen,  jenes  mit  den  Bildnissen  grosser  Männer,  die  er 
allenthalben  gesammelt  hatte,''  dieses  mit  den  Kolossalbildern  der  vergötterten  Kaiser.*" 


1  Script.  H.  A.  (Spartian.)  Antouin.  Carac.  9.  Aurel.  Vict.  Caess.  21.  Eutrop.  VIII.  20.         2  (Spartian.)  1.  c. 
3  id.  1.  c.  *id.  1.  c.  Aurel.  Vict.  Caess.  21.         *  Script.  H.A.  (Lamprid.)  Autonin.  Heliogab,  17.        «id. 

1.  3.  17.  Herodian.  V.  5,  6.  ^  (Lamprid.)  Antonin.  Heliogab.  4.  » id.  8.  25.  » (Lamprid.)  Alex. 

Sever.  26.  i"  id.  28. 


54  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

Bekannt  ist,  dass  unter  den  Bildsäulen  der  weisesten  und  tugendhaftesten  Männer,  die 
er  in  seinem  Lararium  aufstellte,  auch  die  von  Abraham  und  Christus  sich  befanden,^ 
und  dass  er  sogar  damit  umging,  dem  Lefzeren  einen  Tempel  zu  erbauen.^  Für  das 
Wohl  des  Volkes  in  jeder  Beziehung  aussergewöhnlich  besorgt,  führte  er  eine  neue 
Wasserleitung  in  die  Stadt  und  vergrösserte  die  neronischen  Thermen.^  Auch  an  an- 
deren Plätzen  der  Stadt  Hess  er  öffentliche  Bäder  errichten  ;4  auf  dem  Marsfelde  erbaute 
er  eine  prächtige  Basilica ,  tausend  Fuss  lang,  und  ganz  von  Säulen  getragen.^  Von 
allen  seinen  Werken  jedoch,  unter  denen  noch  bedeutende  Palastbauten  besonders  zu 
erwähnen  sind,'' haben  wir  ausser  einigen  Pfeilern  seiner  Wasserleitung  und  vielleicht 
einer  damit  in  Verbindung  stehenden  Brunnenruine  keine  kenntlichen  Reste. 

Die  fünf  Kaiser  der  nächsten  drei  Jahre  hinterliessen  kein  Baudenkmal.  Der 
junge  Gordianus  III.  scheint  alle  Kräfte  an  der  Pracht  seiner  Villa  an  der  pränestinischen 
Strasse  erschöpft  zu  haben,  denn  seine  grosse  Säulenhalle  am  Marsfelde  kam  nicht  zur 
Vollendung.''  Auch  von  Philippus,  des  Gordianus  Verräther  und  Nachfolger,  wird  kein 
Bauwerk  erwähnt,  doch  scheint  er  viel  für  die  Verschönerung  des  grossen  Circus  ge- 
than  zu  haben,  als  er  zur  Feier  des  tausendjährigen  Bestehens  der  Stadt  die  Jubilar- 
spiele mit  ungeheurem  Aufwände  und  nie  gesehener  Pracht  veranstaltete. ^ 

Decius  erbaute  in  der  aventinischen  Region  öffentliche  Thermen,  die  jedoch  nur 
von  geringer  Bedeutung  gewesen  zu  sein  scheinen.^  Aus  der  kurzen  Zeit  der  Regie- 
rung des  C.  Trebonianus,  Gallus  Aemilianus  und  P.  Licinius  Valerianus  (der  Letztere  starb 
in  persischer  Gefangenschaft)  haben  wir  kein  Denkmal.  Grössere  Bauwerke  begann  des 
Letzteren  unwürdiger  Sohn  Gallienus,  welche  jedoch  wegen  ihrer  unmässigen  Verhält- 
nisse und  ihrer  Zwecklosigkeit  nach  seinem  Tode  nicht  bloss  unvollendet  blieben,  sondern 
sogar  wieder  vernichtet  wurden.  Dahin  gehört  der  begonnene  Koloss  dieses  Kaisers, 
doppelt  so  gross  als  der  neronische,  der  überdiess  mit  einem  ehernen  Viergespann  in 
Verbindung  gebracht  und  mit  entsprechender  architektonischer  Zuthat  auf  dem  Esqui- 
linus  aufgestellt  werden  sollte;  ferner  der  fünffache  Säulengang  vom  Marsfelde  bis  zur 
milvischen  Brücke^" und  Anderes.  Gleichsam  wie  um  all  dieser  maasslosen  Pracht  Hohn 
zu  sprechen,  hat  das  Schicksal  nur  ein  sehr  unbedeutendes  Denkmal  dieses  Kaisers  ver- 
schont, einen  schmucklosen,  ganz  aus  Landstein  gebauten  Ehrenbogen  auf  dem  Esquilinus. 

Aus  ganz  anderen  und  gerechteren  Motiven  konnten  dem  trefflichen  Nachfolger 
des  Gallienus,  dem  M.  Aurelius  Claudius,  welcher  den  Ehrennamen  „Gothicus"  durch  die 
Vernichtungsschlacht  bei  Naissus  verdient  hatte,  goldene  und  silberne  Bildsäulen  errichtet 
werden,  ein  Luxus,  der  übrigens  erst  in  der  letzten  Zeit  in  Aufnahme  gekommen  war, 


1  Script.  H.  A.  (Lamprid)  Alex.  Sever.  29.  ^  i^.  43.  3  id.  25.  *  id.  39.  s  id.  26.  e  i.  c.  ^  Script. 
H.  A.  (Capitol.)  Gordiani  III.  32.  »  Euseb.  Chron.  '  Eutrop.  IX.  4.  Aurel.  Vict,  Caess.  29,  wo  balnea  statt 
valla.    Curiosum  ürb.  Romae  Reg.  XIII.  Cassiodor.  Chron.  lo  Script.  H.  A.  (Trebell.  Poll.)  Gallieni  II.  18. 


Von  Alexander  Severus  bis  Aurelianus.  55 

nachdem  es  bereits  nicht  mehr  genügte,  die  Statuen  und  Büsten  aus  den  kostbarsten 
verschiedenfarbigen  Marmorarten  und  anderen  Materialien,  wie  z.  B.  Elfenbein  und  Bern- 
stein, zusammenzusetzen.^     Gebäude  von  ihm  werden  jedoch  nicht  erwähnt. 

Mit  Claudius  Nachfolger,  Aurelianus,  begann  für  die  Stadt  Rom  eine  neue 
Epoche.  Seit  den  letzten  Jahrhunderten  der  Republik  befand  sich  Rom  in  der  Lage, 
von  auswärtigen  Feinden  keinen  Angriff  befürchten  zu  müssen.  Die  Stadt  hatte  sich  so 
ausgedehnt,  dass  ein  grosser  Theil  derselben  ausserhalb  der  servischen  Befestigungs- 
linie lag,  welche  ihrerseits  als  ganz  bedeutungslos  grossentheils  verfallen  war.2  Rom 
war  dadurch  eine  offene  Stadt  geworden,  konnte  sich  auch  bisher  dabei  beruhigen  und 
sich  mindestens  ebenso  sicher  fühlen,  als  vormals  Sparta.  Jetzt  aber  hatten  sich  die 
Verhältnisse  wesentlich  geändert,  und  bereits  zeigten  sich  im  Norden  die  Wolken,  welche 
einst  sich  über  Italien  entladen  sollten.  Obwohl  aurelianus  die  barbarischen  Nachbar- 
völker auf  allen  Seiten  mit  Kraft  und  Glück  zurückgedrängt  halle,  misstraute  er  dennoch 
der  zukünftigen  Allgewalt  und  Unnahbarkeit  Roms.  Auch  drängte  sich  die  Möglichkeit 
auf,  gegen  innere  Feinde  und  militärische  Thronprätendenten  eines  befestigten  Herrscher- 
sitzes zu  bedürfen.  Er  Hess  die  Stadt  mit  einer  neuen  Mauer,  und  zwar  aus  Backstein, 
von  weit  grösserem  Umfange  umgeben,^  welche  in  der  Hauptsache  noch  jetzt  als  Stadt 
mauer  dient;  ein  Riesenwerk,  das  jedoch  erst  unter  Probus  vollendet  ward.  Es  ist 
natürlich  schwer,  an  diesem  Werke,  das  seit  seiner  Erbauung  bis  auf  die  neueste  Zeit 
den  verschiedensten  Herstellungsarbeiten  unterworfen  war,  den  Antheil  Aurelians  mit 
Sicherheit  zu  erkennen,  dass  aber  die  bewunderte  Technik  im  Ziegelbau,  wie  sie 
frühere  Jahrhunderte  charakterisirt,  damals  im  Rückgang  war,  ist  demjenigen  unver- 
kennbar, der  nach  den  ältesten  Bestandtheilen  der  Mauer  forscht;  auch  lässt  die  Hinein- 
ziehung verschiedener  schon  vorhandener  Substructionsmauern  und  die  Benutzung  älterer 
Werke  und  namentlich  Denkmäler  auf  eine  nicht  recht  motivirte  Eile  schliessen,  und 
verräth  Mangel  an  Mitteln,  an  Geschmack  und  an  Achtung  vor  den  Werken  und  sogar 
Gräbern  der  Vorfahren.  Eine  eingehendere  Beschreibung  dieser  Stadtmauer  wird  im 
Verlaufe  folgen. 

Ausser  diesem  Befestigungsbau  unternahm  Aurelian  in  der  kurzen  Zeit  seiner 
Regierung  noch  andere  grosse  Bauwerke.  Er  Hess  das  Tiberbett  an  seichten  Stellen 
vertiefen  und  die  Quai's  von  der  Stadt  bis  zum  Meere  fortführen,  von  welchem  kolos- 
salen Werke  jetzt  nur  mehr  wenige  Reste  sichtbar  sind."  Auf  dem  rechten  Tiberufer 
legte  er  Winterthermen  an/  und  in  den  sallustischen  Gärten  eine  Rennbahn,  die  er  mit 
einer  Säulenhalle  umgab. ^  Dem  grossen  Prachttempel  aber,  welchen  er  in  der  siebenten 


1  Sript.  H.  A.   (Trebell.  Poll.)  Claud.  3.         2  Dionys.  IV.  13.         »  Script.  H.  A.  (PI.  Vopisc.)  Aurelian. 
21.  39.  Aurel.  Vict.  Epit.  in  Aurelian.    Eutrop.  IX.  15.    ■•  (Vopisc.)  Aurelian.  47.  »id.  45.        «id.  49. 


56  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

Region,  auf  dem  Quirinalis  dem  orientalischen  Sonnengotte  errichtete/  werden  wohl 
mit  Unrecht  die  riesigen  Gebälkstücke  im  Giardino  und  die  Substructionsmauern  im  Pa- 
lazzo  Colonna  und  hinter  demselben  zugeschrieben. 

Während  der  nächstfolgende  Kaiser,  Tacilus,  ausser  neuen  Thermen,  die  er  an 
der  Stelle  seines  prachtvollen,  von  ihm  selbst  niedergerissenen  Hauses  errichtete,  und 
einem  Tempel,  der  für  die  Standbilder  der  guten  Kaiser  bestimmt  war,^  nichts  von  Be- 
deutung ausführte,  leistete  sein  trefflicher  Nachfolger,  Probus,  für  die  Hauptstadt  gar 
nichts,  wirkte  aber  um  so  erspriesslicher  in  den  Donau-  und  Rheinprevinzen  als  Feld- 
herr und  als  Regent,  indem  er  nicht  bloss  die  Gränzen  erweiterte,  sondern  sie  auch 
durch  Gründung  befestigter  Plätze  schütze.^ 

Aus  den  drei  Jahren  der  Regierung  des  Carus,  Numerianus  und  Carinus  ist  kein 
Baudenkmal  bekannt.  Den  letzten  Aufschwung  nahm  die  römische  Baukunst  unter  Dio- 
cletian  und  seinem  Mitkaiser  Maximian.  Durch  das  neue  System  der  zwischen  Impera- 
toren und  Cäsaren  getheilten  Regierung  entstanden  vier  Residenzen,  Rom,  Mailand,  Ni- 
comedia und  Carthago,  von  welchen  drei  mit  kaiserlichen  Palästen  und  öffentlichen  Ge- 
bäuden zu  schmücken  waren.  In  Rom,  das  solcher  Gebäude  nicht  mehr  bedurfte,  er- 
hob sich  dafür  der  Riesenbau  der  diocletianischen  Thermen,^  von  denen  ein  grosser 
Theil  noch  in  den  Hauptmauern,  einige  Säle  jedoch  mit  dem  hauptsächlichsten  Schmucke 
ganz  erhalten  sind.  Dahin  gehört  der  grosse  Mittelsaal,  der  jetzt  die  Kirche  S.  Maria 
degli  Angeli  bildet,  mit  einem  anstossenden  kleinen  Rundsaale,  der  gegenwärtig  der 
genannten  Kirche  als  Vorhalle  dient,  und  eine  andere  Rotunde  von  einer  Ecke  des  Um- 
fassungsbaues, jetzt  S.  Bernardo.  Ausser  diesen  Thermen  erstand  noch  eine  Säulen- 
halle in  der  Nähe  des  Pompeiustheaters,^  welche  nach  dem  Beinamen  des  Diocletian 
Porlicus  lovia  hiess.  Bekanntlich  versetzte  der  baulustige  Kaiser  in  den  letzten  Jahren 
seines  Lebens  seinen  Aufenthalt,  der  Herrschaft  müde,  weg  von  dem  politischen  Getriebe 
der  Hauptstädte  und  erbaute  sich  als  Ruhesitz  zu  Salona  in  Dalmatien  eine  umfangreiche, 
prächtige  Villa,6  von  der  sich  noch  namhafte  Reste  zu  Spalatro,  einer  ganz  innerhalb 
des  Umkreises    des   kaiserlichen  Landgutes   befindlichen   Stadt,   erhalten  haben.  — 

Die  beiden  mitregierenden  Cäsaren  und  Nachfolger,  Galerius  und  Constantius 
Chlorus,  führten  ausser  der  Vollendung  der  von  ihren  Vorfahren  begonnenen  Werke  keine 
anderen  aus.  Um  so  mehr  leistete  der  bei  der  Cäsarenwahl  übergangene,  und  nun  als 
Usurpator  auftretende  Sohn  des  Maximianus,  Maxentius,  von  dessen  Bauten  besonders 
eine  Basilica,  die  noch  als  gewaltige  Ruine  dem  Nordwestabhange  des  Palatinus  gegen- 
über emporragt,  und  ein  Circus  ausserhalb  der  Stadt  an  der  Via  Appia,  der  ebenfalls 


1  (Vopisc.)Aurelian.  25.39.  Eutrop.IX.  15.Aurel.Vict.Caess.35  Curiosum  U.R.Reg.VII.  2  (Vopisc.)  Tacitus 
Iinp.  9.  3  (Vopisc.)  Prob.  13.  «  Script.  Hist.  Aug.  (Trebell.  Poll.)  XXX.  Tyr.  21.  Curiosum  Urbis  Eoraae.  Reg.  VI. 
5  Gruter.  Inscr.  p.  CXI.  6.         «  Eutrop.  IX.  27.  28. 


Von  Aurelian  bis  Constanlin.  57 

unter  allen  Ruinen  dieser  Art  die  erhaltenste  ist,  Erwähnung  verdienen.  Wie  jedoch 
die  letztere  den  Namen  des  Romulus,  des  Maxentius  Sohn,  erhalten  und  getragen  zu 
haben  scheint/  so  wurde  die  Basilica  durch  den  Senat  unter  dem  Namen  des  Constantin 
eingeweiht, 2  der,  alle  Mitregenten  besiegend,  das  ganze  römische  Reich  wieder  unter 
seinem  Scepter  vereinigte.  Betrachtet  man  diese  beiden  Werke  von  ihrer  technischen 
Seite,  so  findet  sich  die  Unregelmässigkeit  der  Backsteinlage  namentlich  in  den  Bogen 
und  Gewölben,  welche  schon  an  den  Ruinen  der  diocletianischen  Thermen  auffällt,  noch 
gesteigert.  Es  ist  daher  wohl  nur  der  Vortrefflichkeit  des  Bindemittels  zuzuschreiben, 
dass  trotz  der  Ungenauigkeit  und  Nachlässigkeit  in  der  Ausführung,  die  riesigen  Tonnen- 
gewölbe dieser  Basilica  zum  grossen  Theile  Stand  zu  halten  vermocht  haben.  An  den 
Mauern  des  erwähnten  Circus  erscheint  überdiess  die  ebenfalls  erst  in  der  letzten  Zeit 
in  Aufnahme  gekommene  Eigenthümlichkeit,  dass  die  Ziegellagen  mit  Bruchsteinlagen 
regelmässig  abwechseln,  ein  Verfahren,  das  "nun  bald  in  allgemeine  und  lang  andauernde 
Anwendung  kam.  Die  Bruchsteine  sind  klein  und  kaum  doppelt  so  hoch  wie  die  Ziegel, 
die  geringere  Regelmässigkeit  derselben  aber  forderte  noch  stärkere  Mörtelschichteu 
als  sie  selbst  im  schlechten  Ziegelbau  des  letzten  Jahrhunderts  in  Anwendung  gekommen 
waren,  was  indess  die  ungewöhnliche  Cohärenz  des  Tufsandmörtels  ohne  Gefahr  gestattete. 
Wie  tief  aber,  von  der  Technik  ganz  abgesehen,  in  dieser  Zeit  die  Kunst  ge- 
sunken war,  kann  man  aus  dem  wohlerhaltenen  Triumphbogen  schliessen,  den  der 
Senat  dem  Constantin  in  der  Nähe  des  flavischen  Amphitheaters  errichtete.  Zu  schwach 
für  entsprechende  Neuschöpfung  entschloss  man  sich  hier,  schon  vorhandene  Denkmäler 
zur  Ausschmückung  des  neuen  zu  berauben  und  die  eigene  Unfähigkeit  durch  Entleh- 
nung von  Kunstwerken  einer  früheren  Zeit  zu  verdecken.  Die  wenigen  Sculpturen  an 
diesem  Denkmal,  welche  der  constantinischen  Zeit  angehören,  sind  in  dem  Grade  roh 
und  geschmacklos,  dass  man  sich  über  einen  so  totalen  Verlust  aller  künstlerischen 
Traditionen  seit  einem  Jahrhunderte  nicht  genug  verwundern  kann.  Die  Formen  sind 
plump  und  incorrect,  die  Gewänder  striemenförmig  gefurcht  statt  gefaltet,  die  Figuren 
ohne  Leben  und  Bewegung,  die  Köpfe  hässlich  und  ohne  allen  Ausdruck,  kurz  es 
verräth  sich  bereits  jene  Kunst,  welche  sich  in  den  ältesten  Mosaiken  und  Gemälden 
christlicher  Kirchen  typisch  gestaltete.  Man  that  indess  damit,  was  eben  die  Zeit  zu 
leisten  vermochte :  die  Schamlosigkeit  aber,  mit  der  man  ganz  fremdartige  Darstellungen 
aus  dem  Leben  eines  früheren  Kaisers  an  dem  Ehrendenkmal  eines  Constantin  anzu- 
bringen wagte,  und  diesen  auf  so  plumpe  Weise  gewissermassen  betrog,  verräth  nicht 
bloss  die  Kunstarmuth  dieser  Zeit,  sondern  auch  den  gänzlichen  Verfall  des  einstigen 
Hochsinnes  der  Römer.    Ohne  Zweifel  ist  auch  nicht  bloss  der  grösste  Theil  derBau- 

1  Orelli  Inscr.  1069,    Nibby  Dissert.  del  Circo  di  Romulo.    Roma   1825.  « Aurel.   Vict,    Caess.    40. 

Curiosum  U.  K.  Reg.  IV. 

F.  Reber,  Ruin.  8 


58  Baugescliichle  des  alten  Rom. 

stücke  von  einem  Traiansdenkmal  genommen,  und  nur,  wie  diess  an  dem  Ornamentalen 
unverkennbar,  ergänzend  zusammengearbeitet,  sondern  es  ist  auch  die  architektonische 
Composition,  welche  entschieden  schöner  als  z.  B.  die  des  Septimius-Severus-Bogens, 
als  die  des  abgetragenen  Traianbogens  zu  betrachten. 

Obwohl  Constantin  Bom  nur  vorübergehend  besuchte  und  die  Kräfte  und  Ein- 
künfte des  Beiches  auf  den  Bau  seiner  neuen  Haupt-  und  Besidenzstadt  Byzantion 
(Constantinopolis)  verwandte,  so  unterliess  er  doch  nicht  auch  Bom,  das  ihn,  als  er 
es  zum  erstenmale  betrat,  mit  der  grössten  Bewunderung  erfüllt  hatte,  mit  neuen 
Bauwerken  zu  schmücken.  Er  legte  neue  Thermen  auf  dem  quirinalischen  Hügel  an,  ^ 
von  denen  man  im  17.  Jahrhundert  an  der  Stelle  des  jetzigen  Palastes  Bospigliosi 
noch  bedeutende  Beste  sah;  auch  verschönerte  er  den  grossen  Circus  in  verschiedener 
Weise,  wo  indess  nicht  er,^  wie  behauptet  wurde,  sondern  erst  sein  Sohn  Constantius 
den  grössten  der  in  Bom  befindlichen  Obelisken  (jetzt  vor  S.  Giovanni  in  Laterano) 
neben  dem  des  Augustus  aufstellen  liess. 

Mit  der  von  Constantin  vorgenommenen  Verlegung  des  Begierungssitzes  nach 
der  neuen  Hauptstadt  Byzantion  endigt  die  Geschichte  Boms  als  des  weltbeherrschenden 
Mittelpunktes.  Die  ewige  Stadt  tritt  uns  jetzt  zunächst  in  der  wechselvollen  Stellung 
einer  gefallenen  Grösse,  bald  sogar  als  die  Beute  barbarischer  Horden  entgegen.  Doch 
schon  in  die  nächsten  Jahrhunderte,  wie  gewöhnlich  geschieht,  den  völligen  Buin 
der  Stadt  zu  setzen,  ist  gewiss  irrig.  Wenn  auch  die  Tempel  bald  nach  Constantin 
geschlossen  wurden,  so  scheint  man  sich  doch  noch  lange  Zeit  nicht  daran  vergritfen 
zu  haben.  Diess  erhellt  aus  dem  Beispiele,  dass  der  Papst  Honorius  I.  im  Anfange 
des  7.  Jahrhunderts  die  Erlaubniss  des  byzantinischen  Kaisers  Heraclius  einholen  musste, 
um  die  Bronzeziegel  vom  Tempel  der  Venus  und  Boma  zur  Eindeckung  der  Basilika 
des  h.  Petrus  abnehmen  zu  dürfen.  Auch  die  Einnahme  und  Plünderung  der  Stadt 
unter  Alarich  im  J.  410  hatte  nicht  die  Zerstörung  der  Gebäude,  sondern  nur  den 
Baub  alles  edlen  Mefalles  zur  Folge.  Ebenso  wird  uns  bei  der  Einnahme  von  Bom 
durch  den  Vandalenfürsten  Genserich  im  J.  455  nur  die  Plünderung  der  Stadt  berichtet: 
der  Baub  bestand  in  dem  grössten  Theile  der  vorhandenen  ehernen  Bildsäulen  und  in 
den  vergoldeten  Bronzeziegeln  des  capitolinischen  Tempels.  Diess  musste  allerdings 
den  Verfall  des  grossen  und  prachtvoll  geschmückten  Heiligthumes  zur  Folge  haben :  doch 
sonst  lesen  wir  bei  diesen  beiden  über  Gebühr  verrufenen  Eroberungen  nichts  von 
Zerstörung  der  Baudenkmale  Boms.  Einen  ganz  anderen  und  gewisseren  Aufschluss 
über  das  Verschwinden  römischer  Bauwerke  gibt  uns  ein  Gesetz  vom  Jahre  398,^  von 


iGrut.  Insc  p.  CLXXXVII.  1.  Curiosum  ü.  R.  Reg.  VI.  2  Aurel.  Vict.  Caess.  40.  Vgl.  die  Inschrift. 
3  Cod.  last.  VIII.  Tit.  12.  XIII.  Cod.  Theod.  XV.  1,  37.  Gibbon,  History  of  the  decline  and  fall  of  tlie 
Roman  Empire,  cbapt.  36. 


Die  constantinische  Epoche.     Plünderung  durch  Barbaren  und  Einheimische.  59 

dem  sich  im  folgenden  Jahrhundert  wiederholte  Einschärfungen  finden,  welches  die  Ge- 
nehmigung zum  Abbruch  ausser  Gebrauch  gekommener  öffentlicher  Bauwerke,  die  bisher 
von  feilen  ünterbeamten  auf  geringfügige  Vorwände  und  Bedürfnissangaben  hin  allzu 
bereitwillig  ertheilt  worden  war,  unter  Androhung  der  strengsten  Strafen  nur  auf  den 
Senat  und  den  Fürsten  selbst  beschränkt.  Daraus  geht  wohl  nicht  unklar  hervor,  dass 
das  Volk  selbst,  welches  die  eigene  frühere  Grösse  vergessen  hatte  und  die  herrlichen 
Zeugen  derselben  missachtele ,  dasselbe  Volk,  welches  im  vorigen  Jahrhunderte  ein 
Siegesdenkmal  seines  grössten  Kaisers,  Traian,  abgetragen  hatte,  um  mit  den  Stücken 
dieses  Werkes  armselig  genug  einem  neuen  Herrn  zu  huldigen,  die  Zerstörung  des 
kaiserlichen  Rom  wesentlicher  als  die  Barbaren  gefördert  habe.  Die  Kunst  war  nicht 
mehr  im  Stande,  Neues  zu  erzeugen:  man  nahm  daher  Säulen  und  Marmorwerke  von 
den  Gebäuden  einer  besseren  Zeit,  die  durch  Mangel  an  Ausbesserung  schadhaft  ge- 
worden waren,  nicht  bloss  zur  Erbauung  der  christlichen  Cultstätten,  der  Basiliken, 
sondern  setzte  sie  oll  auch  zu  Privatgebäüden  geschmacklos  und  ohne  Verständniss  auf 
einander.  Selbst  das  Wandmaterial  ward  durch  Abtragung  der  mit  dem  Aufhören  des 
öffentlichen  Lebens  entbehrlich  gewordenen  öffentlichen  Gebäuden  gewonnen.  Anfangs 
strebte  man  natürlich  nach  dem  Marmor,  der  zugleich  den  Kalk  zum  Bindemittel  lieferte, 
als  aber  einmal  die  Wände  ihres  Sclimiickes  entblösst  dastanden,  benutzte  man  auch 
das  geringere  Material  zum  gewöhnlichen  Häuserbau. 

Obwohl  die  erwähnten  Gesetze  schon  grosse  Forlschritte  in  diesen  zerstörenden 
Maassnahmen  erblicken  lassen,  so  scheint  doch  dieser  Raub  an  der  römischen  Baupracht 
zwei  Jahrhunderte  lang  noch  nicht  sehr  fühlbar  gewesen  zu  sein.  Die  Verwüstung, 
welche  Ricimer  im  J.  472  nach  seiner  Eroberung  der  Stadt  anrichtete,  erstreckte  sich 
bloss  auf  zwei  Regionen,  der  Haupttheil  der  Stadt  war  verschont  geblieben.  Das 
Traianforum  hatte  noch  kurz  vorher  sogar  Verschönerungen  erhalten,  so  am  Anfange 
des  5.  Jahrhunderts  das  Standbild  des  Dichters  Claudianus,^  und  im  Jahre  435  die 
Statue  des  gelehrten  Feldherrn  Merobaudes.  Ebenso  sicher  ist  es,  dass  selbst  noch  am 
Anfange  des  7.  Jahrhundert  das  römische  Forum,  wenn  auch  schon  mancher  Zierden,  na- 
mentlich der  Bildsäulen  beraubt,  doch  in  seinen  baulichen  Theilen  noch  ziemlich  un- 
versehrt war  und  insbesondere  noch  nicht  begonnen  hatte,  sich  in  dem  Schutte  der 
eigenen  Prachtgebäude  selbst  zu  begraben.  Diess  erhellt  aus  der  Ehrensäule,  die  Smarag- 
dus,  Exarch  von  Ravenna,  dem  Kaiser  Phokas  in  der  Mitte  des  Forum  errichtete. 
Sie  ist  das  letzte  der  römischen  erhaltenen  Denkmäler  und  zugleich  ein  Beispiel  des 
damaligen  Kunslzustandes :  jeder  Stein  erweist  sich  als  von  einem  früheren  Denkmale 
entnommen. 


1  Claudian.  praefat.  bell.  Get.  v.  7.    Giut.  Inscript.  CCCXCI.  5. 


60  Baugeschichte  des  alten  Rom. 

Auch  unter  den  noch  übrigen  gewaltsamen  Katastrophen  bei  der  zweimaligen 
Einnahme  der  Stadt  durch  den  oströmischen  Feldherrn  Belisar  scheint  die  Stadt  nicht 
sehr  gelitten  zu  haben.  Sie  hatten  allerdings  den  Ruin  der  Kunstwerke,  mit  denen 
das  Grabmal  Hadrians  geschmückt  war,  zur  Folge,  da  die  Gothen  dieses  besetzt  halten 
und  die  Statuen  auf  die  Angreifer  herabschleuderten.'  Nicht  allzulange  aber,  nachdem 
Rom  unter  die  Herrschaft  des  byzantinischen  Exarchats  zu  Ravenna  eingereiht  ward  und 
die  Stadt  mit  dem  Range  einer  Provinzialhauptstadt  alle  Würde  verloren  hatte,  begann 
der  gänzliche  Verfall  des  alten  Rom.  Die  Exarchen  hinderten  ihn  nicht,  und  die  ost- 
römischen Kaiser  sahen  den  Fall  von  Roms  Herrlichkeit  sogar  mit  Wohlgefallen  und 
führten  selbst  alle  Bronze,  die  von  den  Barbaren  noch  übrig  gelassen  worden  war,  an 
Statuen  und  Dachziegeln  in  ihre  Münzstätten.^  Sobald  einmal  der  Einsturz  der  in 
jedem  Betracht  vernachlässigten  und  besonders  dach-  wie  säulenberaubten  Kolossal- 
bauten grössere  Dimensionen  annahm,  war  man  nicht  blos  nicht  mehr  im  Stande  diesem 
Uebel  zu  steuern,  sondern  selbst  nicht  mehr,  den  massenhaften  Schutt  zu  beseitigen. 
Erdbeben  warfen  eine  Menge  der  hervorragendsten  Gebäude  zu  Boden:  man  be- 
gann innerhalb  der  Mauern  an  den  Ruinen,  wie  aus  Steinbrüchen,  das  Material 
herauszuarbeiten,  und  besonders  an  den  Tempeln  zerrte  zelotischer  Fanatismus.  Seit 
dem  Ende  des  6.  Jahrhundert  zitterte  überdiess  Rom  vor  den  Langobarden;  und  das 
Gefühl  der  äusseren  wie  der  inneren  Unsicherheit  veranlasste  zahlreiche  Auswande- 
rungen, so  dass  bei  zunehmender  Verödung  der  Stadt  die  aurelianischen  Mauern  viel 
zu  weit  wurden.  Durch  Brand  zerstörte  oder  überhaupt  verfallene  Gebäude  stellte 
daher  Niemand  wieder  her,  man  verliess  vielmehr  den  Schutt,  der  immer  schwerer  zu 
bewältigen  wurde,  und  wählte  einen  tauglicheren  der  vielen  verlassenen  Plätze.  So 
wandte  sich  Rom  weg  von  der  einst  so  dicht  bevölkerten  herrlichen  Stätte  und  schaarte 
sich  auf  dem  Marsfelde  enger  zusammen.  Die  ruinösen  Prachtbauten  daselbst  wurden 
zumeist  abgetragen,  theilweise  auch  für  Wohnplätze  benutzt;  aus  den  luftigen  Hallen 
wurden  enge,  dunkle  Gassen,  aus  Theatern,  Tempeln  und  grösseren  Grabdenkmälern 
befestigte  Häuser,  düstere  Mauermassen  ohne  Rücksicht  auf  architektonische  Schönheit 
oder  Wohnlichkeit;  Selbsthilfe  und  Sicherstellung  der  eigenen  Person  und  Habe  war 
das  erste  Princip  in  dieser  nach  aussen  und  innen  überaus  traurigen  Epoche.  Die 
Mächtigeren  unter  den  Römern  trachteten  vor  Allem,  durch  Festigkeit  ihrer  Wohnungen 
ihf  Uebergewicht  über  die  Nebenbuhler  entschieden  und  dauernd  zu  machen.  Da  er- 
hoben sich  förmliche  Burgen  mit  Mauern  und  Thürmen  im  Innern  der  Stadt,  in  den 
rohen  Mauern  und  in  den  Kalköfen  verschwanden  nicht  bloss  die  ornamentalen  Be- 
standtheile  der  Marmorbauten  der  Kaiser,  sondern  mit  gleicher  Rücksichtslosigkeit  auch 


iProGop.  bell.  Goth.  1.22.        2  Anastasius  Biblioth.  de  vit.  pontif.  (Vitalian.)  Eom.  1718.  tom.  I.  p.  132. 


Gänzlicher  Verfall.  61 

die  edelsten  Erzeugnisse  griechischer  und  römischer  Sculptur  sofern  sie  nicht  schon 
früher  zertrümmert  worden  waren,  oder  im  Schult  eingestürzter  oder  zerstörter  Gebäude 
begraben  lagen,  um  ein  Jahrtausend  zu  ruhen,  bis  eiue  bessere  Zeit,  dem  rettenden 
Schutte  dankbar,  sie  wieder  an's  Licht  schaffte.  Was  von  den  Gebäuden  erhalten  blieb, 
weil  es  in  irgend  einer  Weise  dienlich  war,  wurde  auf  verschiedene  Art  oft  bis 
zur  Unkenntlichkeit  verunstaltet.  Auf  und  in  den  Grabdenkmälern,  in  den  TempelccUen 
und  zwischen  den  Säulen  erhoben  sich  Häuser  und  Hütten,  nnd  selbst  die  Tiiumph- 
bogen,  welche  durch  die  massive  Festigkeit  ihrer  Pfeiler  wie  durch  die  Uuzugänglich- 
keit  der  stets  in  einiger  Höhe  vom  Boden  angebrachten,  zu  den  Innentreppen  und  zur 
Attica  führenden  Thüren  die  gesuchten  Vortheile  darboten,  wurden  dazu  benutzt,  schlecht 
gebaute  Wehrlhürme  zu  tragen.  Ausser  dem  ungehinderten  Raub  des  Materials  an- 
tiker Gebäude  zu  ihren  Burgen  und  anderen  Bauten,  welcher  sich  gewissermassen  tra- 
ditionell bis  zum  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  fortsetzte,  und  ausser  dem  von  selbst 
fortschreitenden  Verfall,  mit  welchem  die  Zeit  das  Zerstörungswerk  unterstützte,  ver- 
fehlten aber  auch  die  immerwährenden  Fehden  der  Grossen  unter  einander  nicht,  wesent- 
lich zn  der  Verwüstung  beizutragen,  welche  die  Herrlichkeit  des  alten  Rom  mit  so 
verhältnissmässig  wenigen  Ausnahmen  hinweggetilgt  hat.  Die  im  12  Jahrhundert  er- 
fassten  Mirabilien  beweisen,  dass  in  jener  Zeit  nicht  blos  der  grösste  Theil  von  Allem 
verschwunden  war,  sondern  dass  auch  an  dem  noch  Erhaltenen  nur  mehr  eine  sehr 
verworrene  Tradition  haftete,  welche  von  der  Kenntniss  der  eigenen  Geschichte  und 
ihrer  Denkmäler  das  traurigste  Bild  giebt.  Eine  eingehendere  Darstellung  dieser  Ver- 
hältnisse ist  durch  die  weltbekannte  Schöpfung  der  kundigsten  Feder  überflüssig  geworden,  i 
Die  jetzige  Gestalt  des  alten  Rom  und  seiner  Denkmäler  im  Einzelnen  zu  be- 
schreiben und  in  Bezug  auf  Kunst  und  Geschichte  zu  erklären,  ist  die  Aufgabe  dieses 
Buches.  Es  ist  uns  freilich  nur  mehr  ein  geringer  Theil  des  einstigen  Bestandes,  selbst 
im  Vergleich  zu  dem  was  noch  erhalten  unter  dem  eigenen  Schutt  begraben  liegt, 
geboten,  aber  wir  haben  wenigstens  den  Trost,  dass  späteren  Generationen  durch  Be- 
seitigung des  Schuttes  von  manchen  Stellen  eher  mehr  als  weniger  sich  bieten  wird. 
Man  denke  sich  jedoch  unter  diesem  Schult  kein  Trümmermeer,  wie  es  vor  tausend 
Jahren  gewesen  sein  mag.  Auf  den  eingestürzten  Gewölben  entstand  eine  anfangs 
kümmerliche,  dann  durch  sich  selbst  üppigere  Vegetation,  welche  um  sich  griff,  je  mehr 
Jahrhunderte  mit  ihrem  Sonnenstrahl  und  Regen  hinübergingen;  die  Klüfte  füllten  sich 
aus,  der  Humus  wuchs,  und  endlich  pflanzte  der  Nachkomme  des  grossen  Volkes  über 
den  Ruinen  seine  Reben  und  Gemüse.  Da  wo  das  alte  Rom  bewohnt  blieb,  ebnete 
man  einfach  den  Schutt,   welchen  hinwegzuschaifen  man  um   so   weniger  bemüht  war, 


Gregoroviui-,  Geschichte  der  Stadt  Rom  im  Mittelalter. 


62  Baiigeschichte  des  iilten  Rom. 

als  kein  Tyrann  zu  der  ungeheuren  Arbeit  trieb,  und  kein  Grund  war,  neue  Hügel 
daraus  aufzuthürmen.  Wir  können  desshalb  nur  den  bei  weitem  geringsten  Tiieil  von 
Allem,  was  sich  vom  alten  Rom  erhalten  haben  mag,  kennen.  An  einigen  Stätten 
wohl  und  zwar  an  den  bedeutendsten,  worunter  das  Forum  Romanum  und  das  Forum 
Traianum  wie  die  Nordwcslhälfte  des  Plalalin  hervorragen,  hat  man  bereits  einen 
grossen  Theil  des  namentlich  über  dem  ersteren  berghohen  Schuttes  hinweggeräumt 
und  zum  grossen  Gewinne  der  römischen  Alterthumskunde  den  antiken  Boden  bloss- 
gelegt,  allein  da  die  Interessen  der  Lebenden  in  erster  Linie  berücksichtigt  werden 
müssen,  werden  systematische  Ausgrabungen  besonders  da,  wo  die  moderne  Stadt 
sich  ausgebreitet,  nicht  bloss  beschwerlich,  sondern  nahezu  unmöglich  sein.  Die  mei- 
sten Entdeckungen  sind  hier  noch  immer  mehr  oder  weniger  ein  Spiel  des  Zufalls, 
oder  das  Ergebniss  von  Arbeiten,  die  aus  ganz  anderen  Veranlassungen  unternommen 
worden  sind.  Mehr  Möglichkeit  bietet  der  südöstliche  Theil  der  alten  Stadt,  das  ganze 
Gebiet  des  Cälus  und  Aventinus  dar,  welches  den  Charakter  einer  Stadt  ganz  ver- 
loren hat  und  sich  wenig  von  der  nächsten  Umgebung  Roms  unterscheidet.  Die  Hügel 
sind  mit  Gärten  und  Weinbergen  bedeckt  und  zwischen  den  wenigen  hervorragenden 
Ruinen  erheben  sich  einige  Villen,  einsame  Kirchen  und  Klöster  und  armselige  Land- 
häuser. Auch  der  Palatin  war  bis  auf  die  letzten  Jahrzehnte  fast  gänzlich  ununtersucht, 
und  selbst  heute  noch  ist  mehr  als  ein  Dritttheil  des  Hügels,  das  noch  im  Besitze 
von  zwei  Klöstern,  so  viel  wie  unbekannt.  Die  weite  Hochebene  des  Esquilinus  aber, 
in  den  letzten  Jahren  behufs  Anlage  eines  neuen  Stadttheiles  planirt,  rechtfertigte  die 
in  das  Unterehmen  gesetzten  antiquarischen  Hoffnungen  nicht  allzusehr,  und  lässt  auch 
nach  Herstellung  der  projectirten  Neubauten  noch  weniger  erwarten.  Dagegen  wird 
aber  nicht  mehr  versäumt,  von  jedem  gelegentlichen  Funde  sorgfältig  Act  zu  nehmen, 
wie  auch  die  Regierung  nach  Thunlichkeit  bestrebt  ist,  durch  specielle  Ausgrabungen 
zu  archäologischen  Zwecken  das  vorliegende  wissenschaftliche  Material  zu  vermehren. 
Und  in  der  That  ist,  seit  die  Franzosen  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  begonnen 
haben  die  wichtigsten  Stellen  des  alten  Rom  bloszulegen,  bis  heute  in  dieser  Bezieh- 
ung Ungeheures  geleistet  worden. 


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Beschreibung  der  Ruinen. 


I.  Der  Capitolinus. 


1.  Der  capitolinische  Tempel  und  die  Burg. 

War  es  schon  früher  durch  die  Bedeutung  des  Platzes  geboten,  die  Beschrei- 
bung des  alten  Rom  mit  dem  capitolinischen  Hügel  zu  beginnen,  so  hat  derselbe, 
seit  die  Reste  des  römischen  Nationalheiligthums  gefunden,  und  damit  die  Zweifel 
über  dessen  Lage  endgültig  beseitigt  worden  sind,  ein  doppeltes  Recht,  an  die  Spitze 
gestellt  zu  werden.  Freilich  sind  die  baulichen  Reste  des  Hügels,  wenn  man  von 
der  dem  Forum  zugewandten  Seite  absieht,  unansehnlich  und  entziehen  sich  unter 
dem  Eindrucke  der  stattlichen  Gebäude  des  1 6.  Jahrhundert  in  der  Einsattelung  des 
Hügels,  wie  der  mittelalterlichen  von  Araceli  vielleicht  ganz  dem  Auge  des  Besu- 
chers, aber  sie  bleiben  darum  nicht  minder  ehrwürdig  und  beachtenswerth  in  An- 
sehung ihres  Alters  wie  ihrer  topographischen  Wichtigkeit. 

Zunächst  kann  Niemandem  entgehen,  dass  der  Capitolinus  durch  eine  starke 
Einsenkung  in  zwei  Kuppen  geschieden  ist,  von  welchen  die  eine  südwestlich  die 
andere  nordöstlich  gewendet  ist,  die  erstere  jetzt  Monte  Caprino,  die  letztere  nach 
der  Kirche  von  Araceli  genannt.  Ebenso  unzweifelhaft  erscheint,  dass  diese  Theilung 
ursprünglich  sei,  wie  denn  auch  schon  im  Alterthum  die  zwei  Höhen  verschiedene 
Bestimmung  und  Bezeichnung,  Capitolium  und  Arx,  erhalten  haben.*  Doch  waren 
sie  gemeinschafthch  ummauert,  wenigstens  von  der  Zeit  an,  in  welcher  die  sieben 
Hügel  durch  die  servische  Mauer  zu  einer  Stadt  verbunden  wurden;  indess  be- 
schränkte sich  diese  Mauer  naturgemäss  auf  die  Nordwestseite  des  Hügels,  und  zog 
sich  zumeist  in  mittlerer  Höhe  des  Abhanges  hin,  an  beiden  Seiten  etwas  steigend. 

Die  erhaltensten  Stücke  des  CapitoHnus  findet  man,  wenn  man  die  Salita 
delle  tre  pile,  die  neue  Fahrstrasse  rechts  neben  dem  grossen  Stufen  weg,  halbwegs 


iLiv.  VI.  20.     Strabo  V.  3.  Gell.  5.  12.  vgl.  Becker  Hdb.  d.  r.  A.  S.  386. 
F.  Reber,  Rom. 


QQ  Der  Capitolinus. 

emporsteigt.  Siebestehen  aus  5  und  7  in  den  gewachsenen  Fels  gebetteten  Lagen, 
abwechselnd  nach  Läufer  und  Binder  gelegt  und  in  den  einzelnen  Quadern  die  be- 
kannte Höhe  von  0,58 — 0,59  Meter  zeigend.  Die  moderne  Ausgrabung  (5.  Nov.  1872)  ' 
vermochte  diese  Reste  nur  in  geringer  Breitenausdehnung  (1 ,0  und  2.15  Met.)  bloszu- 
legen,  doch  zeigen  sie  die  Richtung  von  der  Einfahrt  des  Palazzo  Caffarelli  zum 
Abhänge  über  der  Via  Giulio  Romano,  vormals  Via  della  Pedacchia,  bestimmt  an.  Dass 
sich  die  Mauer  unterbrechungslos  an  der  ganzen  Länge  der  Nordwestseite  des  Hügels 
hingezogen  habe  und  bis  in  die  Kaiserzeit  von  keinem  Aufgange  durchbrochen  ge- 
wesen sei,  ist  schon  in  der  Baugeschichte  dargethan  worden.  Durch  die  Tempelsub- 
structionsbauten  nachträglich  verändert  sind  die  Mauerreste  an  der  Nordwestecke  des 
Vorplatzes  von  Palazzo  Caftarelli  über  Vicolo  della  rupe  Tarpeia.  Die  übrigen  Reste 
sind  ihrer  Lage  nach  mit  Unrecht  der  servischen  Befestigung  zugeschrieben  worden. 
Von  den  beiden  Kuppen  des  Doppelhügels  trug  die  eine  das  capitolinische 
Heiligthum,  das  andere  die  Burg.  Dass  ersteres  auf  Monte  caprino,  letzere  auf 
der  Höhe  von  AraceH  zu  suchen  sei  war  seit  langem  die  übeiwiegende  und  be- 
sonders von  den  deutschen  Topographen  vertretene  Ansicht.  Vor  Allem  musste  es 
unmöglich  erscheinen,  dass  die  grosse  Anzahl  von  Tempeln  wie  Kapellen,  welche 
sich  um  das  umfangreiche  Nationalheiligthum  des  capitolinischen  lupiter  gruppirten, 
auf  dem  verhältnissmässig  sehr  kleinen  Plateau  von  Araceh  Raum  gehmden  hätte, 
zumal  da  die  area  Capitolina  wenigstens  noch  so  geräumig  bleiben  musste,  dass 
daselbst  Volksversammlungen  abgehalten  werden  konnten.^  Ausserdem  fehlte  es  auch 
nicht  an  Staatsgebäuden,  wie  die  Curia  Calabra,  wo  die  Pontifices  ihre  calendari- 
schen  Geschäfte  zu  besorgen  pflegten,^  mit  den  Rostra,  wo  Cicero,  wie  er  selbst  sagt,  '* 
einen  seiner  grössten  Triumphe  feierte.  Dass  sich  auch  ein  Senaculum  an  der  area  Capi- 
tolina befunden  habe,  wie  behauptet  wird,  ^findet  nur  eine  scheinbare  Bestätigung  in  einer 
verderbten  Stelle  des  Livius,  einem  auch  sonst  höchst  mangelhaften  Abschnitte,*^  welche 
Stelle  überdiess,  selbst  wenn  man  sie  als  unverderbt  gelten  lassen  wollte,  nicht  das  sagt, 
was  davon  abgeleitet  worden  ist.  Von  den  zahlreichen  Heiligthümern  um  den  ca- 
pitolinischen Tempel  aber  sind  das  Heiligthum  des  lupiter  Feretrius^,  ein  kleiner,  an- 
geblich von  Romulus  selbst  als  erster  der  Stadt  erbauter  Tempel,  der  von  Numa  er- 
baute Tempel  der  Fides, ^  die  Tempel  der  Mens  und  der  Venus  Erycina,  welche 
während  des  hannibalischen  Krieges  erbaut  wurden,»  vollkommen  sicher.     Auch  wird 


1  R.  Lanciani,  Scoperte  alla  salita  detta  delle  tre  pile,     Bull  d.  c.  a.  m.  1873.  p.  138.  2  Liv.  XXV. 

3.  XXXIV.  53.     Plut.  Aemil.  Pauli.   30.  31.     Appian.  Bell.  Civ.  I.   15.   &c.  » Varro  L.  L.  VI.  4,  59.     Ma- 

crob.  Sat.  I.  15.  4  010.  ad  M.  Brut.  I.  3.         »Becker,  H.  d.  r.  A.  I.  S.  402.         6  Liv.  XU.  27.         "  Liv. 

I.  10.  33.  IV.  20.     Dionys.  II.  34.     Mon.  Ancyr.  &c.  »  Cic.   off.    III.   29.     nat.   deor.   II.   23.   Fast.   Amit. 

Kai.  Oct.  &c.  9  Liv.  XXIII.  31.     Kai.  Maff.  et  Venus.  VI.  Id.  lun.  &c. 


Der  capitolinische  Tempel  und  die  Burg.  67 

ein  Tempel  der  Ops,  unbekannter  Herkunft,  im  Jahre  566  d.  St.  zum  erstenmale 
erwähnt,  1  und  zwei  Tempel  des  lupiter,  welche  im  J.  560  gleichzeitig  eingeweiht 
wurden.^  Dazu  kamen  in  der  Kaiserzeit  noch  zwei  bedeutende  Tempel:  erstlich 
durch  Augustus  der  mit  Darstellungen  aus  der  Gigantomachie  geschmückte^  Tempel, 
welchen  dieser,  als  ein  Blitzstrahl  vor  seiner  Sanfte  niederschlug  und  den  voraus- 
gehenden Fackelträger  todt  zu  Boden  streckte,  dem  lupiter  Tonans  gelobt  hatte, 
wobei  sich  der  Donnerer  gefallen  lassen  musste,  zum  Thürhüter  des  capitolinischen 
lupiter  erklärt  zu  werden;^  dann  der  grosse  Tempel,  den  Domitian  zum  Danke  für 
seine  Rettung  in  dem  Kampfe  mit  den  Vitellianern ,  bei  deren  Anstürmen  auf  das 
Capitol  er  von  einem  Tempelaufseher  versteckt  worden  war,  dem  lupiter  Gustos 
erbaute."*  Weniger  namhaft  dürfte  dagegen  der  Tempel  der  Wohlthätigkeit  {eveQymia), 
einer  Göttin,  deren  Name  vorhin  nicht  gehört  worden  war,  gewesen  sein,  den  M. 
Aurelius  auf  dem  Capitoi  errichtete,**  zugleich  der  letzte  dieses  Hügels,  von  dem 
wir  Kunde  haben. 

Ausser  diesen  zehn  Heiligthümern  werden  noch  mehre  erwähnt,  deren  Hier- 
hergehörigkeit  jedoch  nicht  sicher  festgestellt  werden  kann,  abgesehen  von  den 
Statuen,  Weihgeschenken  und  Denkmälern  in  den  Tempeln  oder  um  dieselben  herum. 
Fügt  man  dazu  den  sehr  umfangreichen  capitolinischen  lupitertempel  selbst,  von  dessen 
fast  quadratischem  Plane  die  Maasse  (die  Seite  zu  200')  überliefert  sind,^  und  den 
noch  freigebliebenen  Theil  der  Area  vor  demselben,  so  wird  es  wohl  klar,  dass 
die  Höhe  von  Araceli  alles  diess  nicht  zu  fassen  im  Stande  gewesen  wäre,  während 
die  Höhe  von  Caffarelli  hierzu  weit  geeigneter  erscheint. 

Kann  indess  diese  Erwägung  noch  zu  keiner  vollgültigen  Entscheidung  ver- 
anlassen, so  fehlt  es  nicht  an  Notizen,  welche  uns  hierin  unterstützen.  Es  wird 
ausdrücklich  erwähnt,  dass  der  capitolinische  Tempel  auf  jener  Höhe  des  Berges 
gebaut  wurde,  welche  den  Namen  Mons  Tarpeius  trug,^  ein  Name  der  allerdings 
mit  Aufnahme  der  Bezeichnung  Capitolium  abhanden  kam,  oder  vielmehr  sich  auf 
eine  gewisse  steile  Stelle  des  Berges  beschränkte ,  nemlich  auf  das  als  Richtstätte  ' 
häufig  erwähnte  Saxum  Tarpeium.  Die  Lage  dieses  Saxum  ist  zwar  nichts  weni- 
ger als  sicher,^  allein  gewissermassen  traditionell  erhielt  sich  der  Name  an  der 
Localität  im  weiteren  Sinne  bis  auf  den  heutigen  Tag.  Der  Nordwestabhang,  Tor  de' 
Specchj  gegenüber,  heisst  bis  jetzt  Rupe  Tarpea,  und  das  an  denselben  führende 
Gässchen  Vicolo  di  Rupe  Tarpea,  während  auch  auf  der  anderen  Seite  die  Strasse, 

iLiv.  XXXIX.  22.  Fast.  Capran.  Kai.  Sept.  2  Liv.  XXXV.  41.  3  ß.  Stark,  Gigantomachie  auf 

antiken  Reliefs  und  der  Tempel  des  lupiter  Tonans  in  Rom.     Heidelberg  1869.  *  Sueton.  Aug.  29.     Dio 

Cass.  LIV.  4.  5  Tacit.  Hist.  III.  74.     Sueton.  Domit.  5.  e  Dio  Cass.  LXXI.  34.  ^  Dionys.  IV.  61. 

»Dionys.  III.  70.     Liv.  I.  55.     Varro  L.  L.  V.  7,  13.  »  Dionys.  VII.  35.  VIII.  78. 

9* 


68  Der  Capitolinus. 

welche  von  der  Via  del  Campidoglio  und  von  Piazza  della  Consolazione  auf  die 
Höhe  hinter  Palazzo  Gaffarelh  führt,  den  Namen  Via  di  Rupe  Tarpeo  trägt.  Trotz- 
dem zwingt  uns  die  Notiz,  *  dass  die  Hinrichtung  des  Cassius ,  der  wegen  anschei- 
nenden Strebens  nach  der  Tyrannis  vom  tarpeischen  Felsen  gestürzt  wurde,  vor 
den  Augen  des  am  Forum  versammelten  Volkes  vor  sich  ging,  die  Richtstätte  nicht 
nordwestlich,^  sondern  vielmehr  an  dem  Abhänge,  der  dem  Palatin  gegenüberliegt, 
anzunehmen/ 

Es  bleibt  indess  schon  mit  diesen  Beweismitteln  wahrscheinlich,  dass  der 
Mons  Tarpeius  derselbe  ist,  den  wir  Monte  Caprino  oder  die  Höhe  von  Caffarelli 
nennen,  wodurch  die  obenerwähnte  Nachricht,  der  capitolinische  Tempel  sei  in 
Monte  Tarpeio  erbaut  worden  (vgl.  Anm.^S.  67),  von  topographischem  Werthe  wird. 
Andere  Notizen  führen  aber  zu  demselben  Schlüsse.  Als  der  Sabiner  Appius  Her- 
donius  im  J.  294  d.  St.  Rom  überrumpelte,  bestieg  er  mit  den  Seinen  nach  der 
Ueberheferung^  zuerst  bei  dem  carmentalischen  Thore  das  kaum  ein  Stadium  vom 
Flusse,  auf  dem  er  herabgekommen  war,  entfernte  Capitohum,  und  nachdem  er 
sich  desselben  bemächtigt,  »drang  er  von  da  auf  die  Burg,  die  mit  dem  Capitolium 
zusammenhängt.«  Erinnert  man  sich  hierbei  an  die  constante  Unterscheidung  von 
Capitolium  und  Arx  (vgl.  S.  65  Anm.^),  so  werden  auch  die  Notizen  von  dem 
»ex  Capitolio«  in  den  Vicus  lugarius  herabgestürzten  Felsblock, ^  wie  von  den  Ca- 
pitoliumsubstructionen  super  Aequimelium''  durch  die  Lage  des  Vicus  lugarius  wie  des 
Aequimelium  am  Südostfusse  der  Höhe  von  Monte  Caprino  auch  für  den  capitoli- 
nischen  Tempel  entscheidend.  Es  bedarf  daher  wohl  kaum  der  Ausführung,  wie 
schwierig  die  Erklärung  dieser  Stellen  für  diejenigen  ist,  welche  das  (Capitolium 
auf  die  Höhe  von  Araceli,  die  Arx  auf  Monte  Caprino  versetzen.  —  Nicht  minder 
überzeugend  ist  der  Bericht^  von  jener  Brücke,  welche  der  wahnsinnige  Caligula, 
um  mit  dem  capitolinischen  lupiter  in  stetem  Verkehr  stehen  zu  können,  vom  Pa- 
latin über  den  Tempel  des  Augustus  nach  dem  Capitole  bauen  liess.  Denn  wenn 
der  capitolinische  Tempel  auf  der  Höhe  von  Araceli  gelegen  wäre,  hätte  die  Brücke 
das  römische  Forum  schräg  durchneiden  müssen,  was  selbst  ein  Caligula  schwerhch 
hätte  wagen  können,  und  was  gewiss  nicht  unerwähnt  gebheben  wäre,  da  doch 
Sueton  die  Richtung  der  Brücke  durch  den  Augustustempel  und  die  Basilica  lulia, 
die  sie  überschritt  oder  wenigstens  berührte,  bezeichnet.  Lag  dagegen  der  capi- 
tolinische Tempel  dem  Palatin  unmittelbar  gegenüber,  so  läs&t  sich  die  Brücke  höchst 


1  Dionys.  VIII.  78.  2  Becker,  Handb.  d.  r.  A.  1.  S.  411  ff.  3  Dureau  de  la  Malle,  Memoire  sur 

la  Position  de  la  röche  Tarpeienne.    Memoires  de  l'Academie  1819.     Bimsen,  Beschreibung  der  Stadt  Rom.  III. 
B.  Abth.  1.  p.  28.  4  Dionys.    X.  14.    cf.    Liv.    UI.    13.  »  Liv.  XXXV.  21.  6  Liv.  XXXVIII.  28. 

"  Sueton.  Calig.  22. 


Der  capitolinischc  Tempel  und  die  Burg. 


69 


angemessen  erklaren.  —  Neustens  haben  sich  die  Beweisgründe  noch  vermehrt 
durch  die  Bestätigung  der  Lage  der  Burg  auf  der  Höhe  von  Araceli,  wovon  unten 
die  Rede  sein  soll. 

Der  wichtigste  Beweis  fiir  die  Lage  des  capitolinischen  Tempels  auf  der 
Höhe  von  Monte  Caprino  ist  aber  die  neuestens  gelungene  Auffindung  des  Unterbaues 
jenes  Tempels  selbst.^  Die  ersten  Auldeckungen  zwar,  welche  1865  unter  Leitung 
des  Wiener  Architekten  Hauser  ge- 
macht wurden,  schienen  durch  die 
Richtung  wie  Dimensionen  des  Mauer- 
werks eher  zu  verwirren,  allein  die 
folgenden  (1875)  und  besonders  die 
letzten,  (1876),  welche  in  diesem 
Umfange  erreicht  zu  haben  Jordan's 
Verdienst  ist,  lassen  keinem  Zweifel 
mehr  Raum.  Der  Tempelkörper  lag 
nach  dem  von  Jordan  aufgenommenen 
Ausgrabungsbericht  des  Aichitekten 
L.  Schupmann  in  der  Hauptsache 
unter  Palazzo  und  Giardino  Catlarelli, 
und  zwar  so,  dass  die  südöstliche 
Ecke  der  Fronte  da  (a)  wo  die 
Pinakothek  des  Conservatojenpa- 
lastes  an  die  Nebengebäude  der 
kais.  deutschen  Gesandtschaft  (Pal. 
Catlarelli)  stösst,  die  Via  di  Monte 
Caprino  berührt,  und  die  Substruc- 
tion  der  östlichen  Längswand  (b) 
die  sog.  Aula  temporanea  (Rundge- 
bäude) der  capitoHnischen  Museen 
streift.    Der  damit  bestimmten  rech-  Fig.  i*.    Der  capitoiinische  Tempel. 

ten   Frontecke    entspricht   als    linke 

oder  südwestliche  (c)  jenes  schon  1865  gefundene  und  beschriebene  Stück,  das 
wieder   unter   dem   modernen   Boden   des   Giardino  Cafl'arelli  liegt,   womit  sich  die 


*  P.  Rosa,  Scavi  Capitolini  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1865.  p.  383—386.  Mon.  d.  I.  d.  c.  a.  VIII.  XXIII.  2  (Hauser). 
R.  Lanciani,  II  tempio  dl  Giove  Ottimo  Massimo.  Bull.  d.  c.  a.  mun.  III.  OU.— Dec.  -1875.  p.  165  —  189.  IV.  Genn. 
—  Marzo  1876.  p.  31—34.  H.  Jordan,  Osservazioni  sul  tempio  di  Giove  Capitolino.  Ann.  d.i.  d.  ca.  1876  p. 
145—172.  Mon.  d.  I.  d.  c.  a.  vol.  X  tav.  XXX.  a.  Auf  die  in  genannter  Tafel  gejiebcnen  Pläne  und  Durch- 
schnitte muss  hauptsächlich  verwiesen  werden.    Denselben  sind  L.  Schupmann's  Aufnahmen  zu  Grunde  gelegt. 


70  '  l^Pf  Capitolinus. 

Frontebieite  zu  51  Met.  bestimmt.  Der  Nordwestecke  wird  das  sehr  verstümmelte 
Mauerstück  (d)  zugeschrieben,  welches  von  Piazza  della  Rupe  Tarpea  und  von  dem 
Platze  vor  Pal.  CafFarelli  aus  sichtbar  ist.  Denmach  würde  die  Länge  der  Substruc- 
tion  sich  auf  74  Met.  berechnen.  Die  Nordostecke  ist  spurlos  verschwunden,  doch 
zeigten  sich  unter  dem  modernen  Boden  in  dem  Platze  zwischen  Palazzo  Caifarelli 
und  den  alten  Stallungen  noch  Mauerreste,  (e  f)  welche  der  Rückseite,  wenn  auch 
nicht  des  Tempels,  so  doch  eines  Annexes  angehört  haben  musste.  Ausserdem 
fanden  sich  in  Giardino  Caffarelli  die  Reste  von  Parallelmauern  in  der  Längsaxen- 
richtung  des  Tempels,  von  welchen  die  nächste  an  der  Ostseite,  (g)  muthmasslich 
in  der  ganzen  Stylobathöhe  erhalten,  sich  noch  deutlich  als  solche  darstellt.  Sie 
scheinen  Corridore  zwischen  sich  gelassen  zu  haben,  von  welchen  wenigstens  der 
zwischen  den  zwei  erhaltensten  Parallelmauern  an  der  Nordostseite  belegene  zweifel- 
los ist,  indem  sich  sogar»  dessen  Travertinpaviment  in  dem  kammerartigen  südlichen 
Abschluss  (h)  erhalten  hat.  Es  liegt  nahe,  hierbei  an  die  Tempel-Schatzkammern  zu 
denken,  welche  wohl  vom  Tempelinnern  durch  Treppen  zugänglich  waren,  und  jene 
Goldvorräthe  enthielten,  die  von  Camillus  bis  Pompeius  Zeit  als  im  »solium«  des 
capitolinischen  Tempels  aufbewahrt  erwähnt  werden. ^ 

Sichtbar  bleiben  konnte  von  diesen  .Mauerresten  begreiflicherweise  wenig. 
Der  Platz  vor  dem  Palazzo  wie  der  Garten  nmssten  wieder  eingeebnet,  der  Trakt 
an  Via  di  Monte  Caprino  wieder  mit  den  neuen  Stallungen,  bei  deren  Anlage  die 
meisten  Entdeckungen  gemacht  worden  waren,  verbaut  werden.  Die  ansehnlichsten 
noch  sichtbaren  Reste  sind  aber  die  Nordwestecke  (d),  die  innere  Parallelmauer 
neben  der  Südostecke  und  ein  Stück  von  dieser  Ecke  selbst  in  den  Remisen  öst- 
lich von  Giardino  Caffarelli  (g)  und  endlich  ein  Stück  von  der  Fronte  in  der  Einfahrt 
zu  den  neuen  Stallungen  neben  dem  Brunnen  (i).  Die  Reste  der  westlichen  Mauer- 
linie (k)  in  einem  Souterrain  unter  dem  Vorplätze  vor  dem  Palazzo  sind  schwer 
zugänglich,  die  Reste  der  östlichen  Längsmauern  im  kleinen  Hofe  hinter  der  neuen 
Museumrotunde  des  Conservatorenpalastes  (b)  kaum  mehr  deutlich.  Dafür  ist  dort 
das  Stück  eines  Säulenschaftes  eingemauert,  welches  bei  einer  Canellurenbreite  von 
0,19  (nach  eigener  Messung)  auf  einen  Säulendurchmesser  von  mindestens  1 ,8o — 
2,00  Met.  schliessen  lässt,  je  nachdem  man  das  Fragment  einem  oberen  oder  un- 
terem SchaftTheil  zuschreibt.  Diese  Dimensionen  erlauben  kaum  an  einen  anderen 
Tempel  als  an  den  capitolinischen  zu  denken,  da  kein  anderer  des  Hügels  sich  zu 
Verhältnissen  des  Venus-  und  Romatempels,  des  Mars  Ultortempelsoder  des  angeblichen 
Soltempels  erhoben  haben  kann,  deren  Säulen  einen  unteren  Schaftduichmesser  von 


iPlin.  H.  N.  XXXm.  U. 


Der  capitolinische  Tempel  und  die  Burg.  7  t 

1,80 — 1,90  Met.  aufzuweisen  haben.  Ueberdiess  verräth.  das  Fragment  pentelischen 
Marmor,  ein  sonst  unter  den  römischen  Ruinen  seltenes  Material,  von  welchem  wir 
aber  zufällig  wissen,  dass  es  von  Domitian  beim  letzten  Neubau  des  capitolinischen 
Tempels  für  die  Säulen  verwendet  worden  sei.  ^ 

Das  Material  der  Mauern  ist  der  sog.  Cappellacio,  der  aschfarbige  und  mürbe 
Tuf  des  Hügels  selbst^  in  Blöcken  von  durchschnittlich  0,32  Höhe,  O.eo  Breite  und 
0,70  Länge,  die  ohne  Bindemittel,  und  weil  zum  Massenbau  des  Stereobats  ver- 
wendet ohne  die  an  den  Stadtmauern  auftretende  Regelmässigkeit  des  Läufer-  und 
Bindersystems  auf  einander  gelegt  sind.  An  dei-  höchsterhaltenen  Stelle  der 
Ostecke  des  Giardino  Catfarelli,  wo  sich  die  Mauer  noch  4,70  Met.  über  das  Pavi- 
ment  der  oberen  Remise  der  neuen  Stallungen  erhebt,  fand  sich  noch  eine 
Schicht  Gusswerk.  Diese  Stelle  aber  hindert  uns  da  wo  jetzt  die  neuen  Stallungen 
und  der  Giardino  Cafiarelli  die  hohe^  Treppe  des  Tempels  anzunehmen,  welche 
gleichwohl  an  der  Südseite,''  oder  vielmehr  an  der  Stelle  der  jetzigen  Via  di  Monte 
caprino  gesucht  werden  muss.  Der  Giardino  entspricht  daher  wohl  in  der  Haupt- 
sache der  Säulenvorhalle,  welche  hexastyl  (sechssäulig)  und  in  der  Tiefe  dreireihig 
war.  Auf  diese  Anlage  weisen  auch  die  Reste  der  4  Parallelmauern  zwischen  den 
zwei  äussern  Längsmauern  hin,  welche  in  constructiv  geeigneter  Weise  für  eine  Fronte 
von  6  Säulen  und  zwar  in  dreifacher  Wiederholung  sprechen,  wobei  die  Abstände 
derselben,  beziehungsweise  die  Maasse  von  einem  Mauermittel  zum  anderen  auch 
die  aräostyle  (weitsäulige)  Anlage  nach  tuscischem  Plane^  belegen.  An  der  Stelle 
des  Palazzo  Gaffarelli  selbst  scheinen  sich  dann  die  drei  Gellen  befunden  zu  haben, 
von  welchen  sich  die  der  Minerva  rechts^  die  der  Inno  links  vom  Mitteltempel  lu- 
piters  befand.  Wahrscheinlich  aber  nahmen  die  Gellen  nicht  die  ganze  Breite  des 
Unterbaues,  51  Met.  in  Anspruch,  sondern  Hessen  beiderseits  noch  Raum  für  je  eine 
Säulenreihe,  die  von  jeder  Frontecke  in  der  Längsrichtung  bis  an  die  beiderseits 
vorspringende  Schlusswand  der  Gellen  lief,  so  dass  an  den  Gellen  die  mittlere  dem 
muthmasslich  etwas  weiteren  mittleren  Intercolumnium,  die  beiden  Nebencellen  aber 
den  beiderseits  benachbarten  Intercolumniem  entsprachen. 

Begann  aber  da ,  wo  die  Mauerreste  an  der  Südseite  (bei  den  neuen  Stal- 
lungen und  dem  Giardino  (Gaffarelli)  in  unzweifelhafter  Weise  einen  Abschluss  zei- 
gen, schon  die  Tempelvorhalle,  und  nicht  erst  die  Treppe,  so  können  die  Gellen 
nicht  so  weit  nordwärts  sich  erstreckt  haben  als  es  die  aufgefundenen  Mauern  an- 
zudeuten scheinen.  Denn  weder  Dionys  Angaben  von  200'=61,g  Met.  an  jeder 
Seite  sammt  dem  Zusätze,  dass  die  Schmalseiten  (Fronte)  um   15'  kürzer  waren  als 


>  Plutarch.  Poplic.  15.  2  cf.  Ponzi.  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1865  p.  385.         ^  Liv.  VIII.  6.  <  Dionys. 

IV.  61.  5Liv.  I.  53.     Vitruv  III.  3,  5.  6  Liv.  VII.  3. 


72  Der  Capilolinus. 

die  Langseiten,  noch  die  durch  Vitruv  angegebenen  tuscischen  Tempelplanverhält- 
nisse von  5:6  lassen  eine  so  grosse  Differenz  wie  sie  die  Mauerreste  in  der  Fronte 
(51  Met.)  und  in  der  Längsrichtung  (74  Met.)  ergeben  haben  zu,  und  es  würde  Nie- 
mand im  Stande  sein,  nach  diesem  Maasse  die  Gellen  zu  reconstruiren.  Was  die 
von  Dionys  gegebenen  Maasse  betrifl't,  so  berechnet  sich  überdiess  die  um  15'  ge- 
ringere Fronteseite  auf  57  Meter,  so  dass  wir  zu  dem  Maasse  des  Befundes  noch 
6  Meter  zugeben  und  den  Unterschied  etwa  dadurch  erklären  müssen,  dass  von 
Dionys  die  äusere  Verkleidung  und  vielleicht  eine  oder  mehre  Terrassenstufen  des 
Stereobats  hinzugenommen  waren.  Umso  mehr  befremdet  es,  dass  der  Längen- 
befund die  Dionysische  Maassangabe  so  bedeutend  (I2V2  Met.)  überschreitet.  Ich 
nehme  daher  keinen  Anstand  ein  von  Dionys  nicht  mitgerechnetes  Areal  hinter  dem 
Tempel  anzunehmen,  welches  einem  Theile  des  Platzes  unmittelbar  vor  Palazzo 
CafFarelli  entsprochen  haben  muss,  so  dass  die  Fagade  des  Palazzo  ungefähr  auf  die 
Linie  der  Rückwand  der  drei  Tempelcellen  fällt.  Denn  nur  so  wird  ausser  der 
Notiz  eines  Militärdiploms, ^  welche  von  einem  Aufstellungsplatze  »hinter  dem  capi- 
tolinischen  Tempel«,  spricht  namentlich  die  von  Jordan  nicht  ganz  befriedigend  ge- 
würdigte Stelle  von  dem  dreimaligen  Umlauf  um  den  Tempel^  verständlich ,  da  der 
schroff  abfallende  Fels  ein  weiteres  Hinausrücken  eines  offenen  Platzes  an  der  Nord- 
westecke unmöglich  macht. 

Einige  andere  Mauerspuren  deuten  auf  die  Umfassung  des  Tempelareals. 
So  die  zwei  Reste ,  von  welchen  einer  1 872  auf  der  Höhe  der  Caprinotreppe  in- 
nerhalb der  Porticus  des  Vignola  am  Eingange  zum  Ufficio  municipale  di  sanitä  ge- 
funden und  wieder  verschüttet  ward,  während  der  andre  in  der  Westseite  der  Sa- 
lita  di  Monte  Caprino,  in  der  Mauer  des  vormaligen  Giardino  Montanari  in  etlichen 
Tufquadern  noch  jetzt  kennbar  ist.  Da  beide  Reste  genau  in  einer  Linie  liegen,  und 
diese  überdiess  der  Tempelaxe  parallel  ist,  so  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  wir  in 
diesen  Spuren  die  Reste  der  Umfriedung  des  Temenos,  der  »area  Capitolina,«  zu 
erkennen  haben.  Da  der  Abstand  vom  Tempel  c.  40  Meter  beträgt,  so  darf  an  der 
Westseite  wohl  ein  ähnlicher  Abschluss  in  gleicher  Entfernung  vorausgesetzt  werden. 
Weiter  lässt  sich  östhch  die  Abgränzung  des  jähen  Hügelabfalls  wegen  nicht  hinaus- 
lücken.  Construirt  man  aber  das  Quadrat  dieses  Areals  nach  der  gesicherten  Linie, 
so  springt  in  die  Augen,  dass  namentlich  die  Herstellung  der  Ecken  bedeutende 
Substructionsbauten  voraussetzte,  die  denn  auch  als  selbst  noch  in  der  Kaiserzeit 
sehenswerth,^  und  als  »unsinnig«*  bezeichnet  werden.  Die  Südseite  war  wahrschein- 
hch  wenigstens  zum  Theil  offen  und  nahm  den  Clivus  Gapitolinus  auf,  von  welchem 


^C.  I.  L.  III.  2.  p.  846.  2piin.  H.  N.  VIII.  161.  ^  Liv.  VI.  6.  <  Plin.  H.  N.  XXXVI.  104. 


Der  capitollnische  Tempel  und  Hie  Burg.  65* 

Jordan  mit  Recht  annimmt,  dass  er  vom  Saturntempel  an  in  wenig  gebogener  Linie 
direkt  und  ohne  Schleifenbildung  zur  Höhe  emporstieg.  Der  Anblick  des  Ganzen 
aber  mochte  ebenso  imposant  als  von  malerischem  Reize  gewesen  sein,  wenn  man 
annimmt,  dass  die  Substructionen  keineswegs  die  Felsengruppe  ganz  verhüllten,  wie 
aus  der  Erwähnung  des  Saxum  Tarpeium  hervorgeht. 

Unter  der  Area  capitolina  befanden  sich  die  vielbesprochenen  Favissae,  jene 
Schachte,  in  welchen  nach  Varro  alte  Götterbilder  Weihgeschenke  u.  s.  w.  reponirt  zu 
werden  pflegten.  Dass  jedoch  diese  nicht  identisch  sind  mit  jenen  Grotten,  welche 
von  der  Via  di  Tor  de'  specchi,  und  von  der  Consolazione  oder  von  einem  Brun- 
nenschachte im  alten  Institutsgarten  aus  zugänglich  sind  und  zwischen  15  und  20 
Meter  unter  dem  antiken  Plateau  und  z.  Th.  selbst  ausserhalb  der  Area  Capitolina 
liegen,  hat  Jordan  durch  Beiziehung  der  Notiz '  gezeigt,  wonach  Catulus  die  area  nicht 
tiefer  legen  konnte,  weil  ihn  die  Favissae  daran  verhinderten.  Dieselbe  Stelle  be- 
weist auch,  dass  die  Corridore  im  Pronaos  des  Tempels  selbst  mit  den  Favissae 
nicht  indentificirt  werden  dürfen. 

Die  Geschichte  des  Heiligthums  ist  bekannt.  Von  Tarquinius  Priscus  be- 
schlossen und  begonnen"  ward  es  von  Tarquinius  Superbus  ausgeführt,^  doch  erst 
nach  dessen  Vertreibung  von  M.  Horatius  Pulvillus  dem  Consul  Suöectus  d  J.  245 
d,  St.  (209  V.  Chr,)  geweiht.^  Die  Erscheinung  des  ersten  Baues  muss  trotz  der 
von  vorneherein  ansehnlichen  Dimensionen  von  einer  an  Aermlichkeit  streifenden 
Einfachheit,  wenn  auch  nicht  ohne  Würde  gewesen  zu  sein,  wozu  besonders  der 
hohe  Unterbau^  beigetragen  haben  mag.  Die  toscanischen  Säulen  waren  von  Pe- 
perin  und  wahrscheinlich  stuckbekleidet  und  gefärbt,  das  Gebälke  von  Holz.  Ich 
stelle  mir  abweichend  von  den  vorhandenen  Restaurationen*^  das  hohe  Gebälk  ohne 
Triglyphenschmuck  somit  ohne  scharfe  Unterscheidung  von  Epistyl  und  Fries  vor, 
und  die  oberen  Balken  etwa  mit  ursprünglich  wirklichen  später  imitirten  Bukranien 
und  Festons  geschmückt,  natürlich  unter  umfassender  Anwendung  von  wenigen 
aber  energischen  Farben.  Das  Kranzgesimse,  weitausladend  wie  es  Vitruv  für  den 
tuscischen  Styl  schildert,  bedingte  ähnliche  Schwere  auch  für  den  Giebel  dessen 
Ecken  mit  Thonfiguren  geschmückt  waren,  worunter  eine  Quadriga  am  Giebelfirst, 
Von  Thon  waren  auch  die  Götterbilder  des  Innern:  von  der  lupiterstatue  wissen 
wir,^  dass  sie  das  Werk  eines  etrurischen  Künstlers  war,  ferner  dass  deren  Ge- 
sicht mit  Mennig  bestrichen  zu  werden  pflegte,  während  der  Körper  mit  einer 
wirklichen  gestickten  Tunika  und  Toga  bedeckt  war. 


1  A.    Gell.    II.    10.  2   Liv.  I.  38.  3  id.  I.   53.  *  Plut.  Popl.    15.   C.    I.    L.  I.   486  Liv.  II.   8. 

Dionys.  V.  35.   Tac.    Hist.  III.    72.     Val.  Max.    V.  10,  Senec.  ad.  Marc.  13.  s  Dionys.  IV.  61  6  Ausser 

früheren  Versuchen  Köhne  Revue  numismatique  beige  V.    Ser.  II.  p.  51    so.,  Wieseler  Nachrichten  von  der 
k.  Gesellschaft  d.  Wissenschaften  z.  Göttingen  1872  a  13.  7  pün.  H.   N.  XXXV.  4. 

K.  Hkber,  Itüin.  9* 


66*  Der  Capitolinus. 

Ohne  dass  anderes  als  die  Area,  welche  368  und  561  d.  St.  (386  und  191 
V.  Chr.)  durch  mächtige  Substructionsbauten  erweitert  und  geschützt  wurde  ^  we- 
sentliche bauliche  Umgestaltungen  erfuhr,  erhielt  sich  der  Tempel  bis  671  d.  St. 
(83  V.  Chr.)  in  welchem  Jahre  er,  von  unbekannter  Hand  in  Brand  gesteckt,  in  Asche 
sank.  Die  von  Sulla  begonnene  Wiederherstellung,  zu  welcher  er  die  korinthischen 
Säulen  vom  olympischen  lupitertempel  in  Athen  nach  Rom  schleppte,  ward  durch 
dessen  Tod  (676  d.  St.)  unterbrochen.  Die  Fortsetzung  und  Vollendung  fiel  A.  Lu- 
tatius  Catulus  zu,  dem  es  bewilhgt  ward,  seinen  Namen  an  die  Tempelfronte  zu 
schreiben, 2  der  auch  bis  Vitellius  blieb,  da  Cäsar  wie  Augustus  die  ihnen  angebo- 
tene Ehre,  ihre  Namen  an  dessen  Stelle  zu  setzen,  ablehnten.^  Kaum  von  den  Be- 
schädigungen des  neronischen  Brandes  wiederhergestellt,  ward  das  Heiligthum  wäh- 
rend der  Vitellianischen  Wirren  wieder  em  Raub  der  Flammen,  und  von  Vespasian 
wieder  aufgebaut.  Aber  auch  dieser  824  d.  St.  70n.  Chr.  geweihte  Neubau*  bestand  nur 
wenige  Jahre,  da  ihn  schon  der  grosse  Brand  unter  Titus  wieder  hinwegraffte,  was 
den  letzten  Wiederaufbau  unter  Domitian  veranlasste, ^  von  welchem  wir  nur  wissen, 
dass  er  die  Säulen  in  pentelischem  Marmor  herstellen  Hess,  wie  oben  belegt  und 
den  Resten  gegenüber  benutzt  worden  ist.  Die  Berichte  aller  dieser  Neubauten 
lassen  aber  ersehen,  dass  der  Umfang  und  in  gewissem  Sinne  auch  der  Plan  stets 
beibehalten  wurde,  und  dass  nur  die  Höhe  geändert  ward,  wie  diess  schon  die 
Umwandlung  des  tuscischen  Styles  in  die  korinthische  Ordnung  mit  sich  brachte. 
Diess  erhöht  aber  den  Werth  der  aufgefundenen  Reste  des  Unterbaues. 

Von  dem  Verfall  wird  die  Einzelheit  berichtet,  dass  schon  Stilicho  die  Gold- 
beschläge der  Thüren  wegnehmen  hess.^  Doch  scheint  der  durch  die  Vandalen  455 
seiner  Bronzeziegelbedachung  beraubte  Tempel'  zu  den  frühest  auch  seiner  edleren 
Baumaterialien  beraubten  und  somit  zerstörten  Heiligthümern  gehört  zu  haben,  und 
die  Reste  waren  sicher  schon  im  zwölften  Jahrhundert  unbedeutend.  Unter  dem 
alten  Namen  local  bestimmt  tritt  er  in  der  mittelalterlichen  Literatur  zuletzt  um  800 
im  Einsiedler  Itinerar*^  entgegen,  welches  noch  ungleich  höheren  Werth  für  die 
römische  Topographie  besitzen  würde,  wenn  der  mönchische  Verfasser  nicht  jede 
Tempelerwähnung  auf  seinen  Wegbeschreibungen  vermieden  hätte.  Dass  er  auf 
dem  Wege  von  Porta  S.  Petri  nach  S.  Paul  diese  Abneigung  gegen  die  heidnischen 
Cultstätten  überwindet,  um  nach  der  Porticus  Octaviae  zur  Linken  das  Templum 
lovis  zu  nennen,  ist  vielleicht  ein  Beweis,  dass  die  Reste  noch  namhaft  und  noch 

^Plin.  XXXV.  15.  24.  Liv.  VI.  4.        2  Liv.  Ep.  XCVHI.  Phlegon.  ap  Phot.  III.  p.  606.  ed.  Aul.  Gell.  II.  10. 
C.  I.  L.  p.  172.  3  Dio  XLIII.  14.     Mon.  Ancyr.     Tac.   Hist.  3.  72.  Val.  Max.  VI.  19.  5.  *  DiO  LXVI.  Aur. 

Vict.  Caess.    cf.  Plut.  1.  c.     Tac.  Hist.  IV.  53.  Suet.  Vesp.  8.  5  piut.  1.  c.  Suet.  Dom.  5.  Dio.  LXVI  24. 

6  Zosim.  V,  38.  7  Procop.  de  bell.  Vand.  I.  5.  8  Cod.  Einsiedl.  nO  326,  vormals  dem  Kloster  Pfeffers 

gehörig.     Vgl.  Jordan,  Topographie  d.  St.  Rom  im  Alterthum  II.  Berl.  1871  S,  330  fg. 


Der  capitolinische  Tempel  und  die  Burg.  67# 

unter  dem  antiken  Namen  bekannt  waren;  jedenfalls  aber  liegt  es  weit  näher, 
unter  dem  Templum  lovis  das  capitolinische  Heiligthum,  als  mit  Jordanien  hipiter- 
tempel  der  Porticus  der  Octavia  zu  verstehen,  welcher  relativ  unbedeutende 
Tempel  bei  unserem  Autor  weder  eine  Ausnahme  veranlasst,  noch  gegen  die  topo- 
graphische Reihenfolge  eine  Stelle  nach  S.  Angelo  in  Pescaria  gefunden  haben 
würde.  Im  13.  Jahrh.^  erscheint  die  Ruine  als  Templum  maius  auf  monte  caprino. 
Im  15.  Jahrh.  beschränkten  sich  die  Reste  wohl  auf  einige  Mauerstücke,  sonst  wäre 
der  Tempelplan  des  sienesischen  Architekten  Fr.  di  Giorgio  Martini^  nicht  so  ganz 
aus  der  Luft  gegriffen  worden,  wenn  auch  die  Reminiscenz  sich  noch  an  Monte 
Caprino  knüpte.  Weiterhin  ist  gelegentlich  von  den  Quadermauern  die  Rede,  welche 
(vermittelst  Sprengung)  demolirt  wurden,  wie  von  Resten  gewaltiger  Capitäle  und 
Gesimsstücke,  die  am  Fusse  des  Hügels  aufgelesen  und  wie  Lanciani  mit  Recht  be- 
klagt verarbeitet  wurden,*  die,  wenn  erhalten,  vielleicht  die  Mittel  gewährt  hätten, 
den  domitianischen  Tempelbau  wieder  zu  vergegenwärtigen. 

Wenn  aber  angenommen  ist,  dass  der  capitolinische  Tempel  mit  dem  übrigen 
Heiligthümercomplex  des  Capitolium  auf  der  Höhe  von  Caflfarelh  sich  befand,  so 
musste  die  Burg  auf  der  gegenüberliegenden  Höhe  von  Araceli  gestanden  sein. 
Das  ist  auch  schon  in  der  Erzählung  von  dem  Ueberfalle  des  Appius  Herdonius 
(vgl.  Anm.4  S.  68)  klar  ausgesprochen,  und  wird  durch  weitere  Angaben  bestätigt. 
Zunächst  wäre  die  Burg  auf  Monte  caprino  nach  einer  Notiz  von  Cicero^  unmöglich. 
Denn  wenn  angegeben  wird,  dass  die  von  der  Arx^  aus  beobachtenden  Auguren  in 
dem  Hause  des  Ti.  Claud.  Centumalus  auf  dem  Caelius  ein  ihre  Aussicht  beschrän- 
kendes Hinderniss  fanden,  so  musste  doch  der  Gähus  überhaupt  vom  Beobachlungs- 
standpunkte  aus  sichtbar  sein.  Diess  ist  aber  nur  von  der  Aracelihöhe  aus  mög- 
lich.'^ Ferner  wurde  an  der  Stelle  des  Hauses  des  M.  Manlius  Capitolinus,  des- 
selben, der  das  Gapitol  bei  dem  nächtlichen  Ueberfall  der  Kelten  gerettet  hatte,  der 
aber  nachher  wegen  hochverätherischer  Umtriebe  hingerichtet  worden  war,  der 
Tempel  der  Inno  Moneta  errichtet.^  Das  Haus  des  Manlius  aber  wird  ausdrücklich 
als  auf  der  Burg  liegend  bezeichnet,^  so  dass  über  die  Lage  der  Inno  Moneta  auf 
der  Burg  kein  Zweifel  bestehen  kann.  Dazu  kommt  nun  die  Notiz^,  dass  neben 
dem  (^oncordientempel  Stufen  zur  Inno  Moneta  führten.  Es  wird  sich  später  er- 
geben, dass  der  Goncordientempel  der  erste  am  Glivus  Gapitolinus  war  zur  Rechten 
für  den,  der  durch    den   Severusbogen   zum  Gapitole   hinanschritt,    und  wenn   die 

»Top.  II.  342  und  448.  ^^  Bulle  Anaktet  II.  aufgenommen  in  die  Bulle  Innocenz  IV.  von  1262  Wad- 

ding  Annales  Minores  III.  509  Jordan  Top.  II.  S.  667.  ^  i„  ,ie,.  BiblioUiek  zu  Siena.     R.  Lanciani ,  Bull, 

d.  c.  a.  mun.  Ott.  — Dec.  1875  Ann.  III.  tab.  17.  18.  *  Flaminio  Vacca,  Meni.  64.  Montagni  \lirabili,  Mus. 
Gap.  I.  6.  n.  1.  *  Cic.  de  off.  III.  16.         *»  H.   Jordan  Sulla  posizione  dell'   arce  capitolina  Ann.  d.  I.  d. 

c.  a.   1867.  p.  385—389.  ''  Liv.   VII.  20.     l'lut.  Camill.  36.         8  Liv.  V.  47.  VII.  28.  «  Ovid.  Fast.  I.  637  sq. 


ß^*  Per  Capiloliniis. 

Treppe  bei  diesem  Tempel  war,  so  konnte  sie  sicli  nur  zur  Rechten  zwischen  der 
Concordia  und  dem  Carcer  (Mamertinus)  befunden  haben,  denn  zur  Linken  machte 
das  Tabularium  die  Höhe  unzugiingHch.  Desshalb  ist  es  schlechterdings  unmöglich, 
dass  der  Tempel  der  Inno  Moneta  sich  irgend  wo  anders  als  auf  der  Höhe  von 
Araceli  befunden  habe,  welche  folglich  auch  die  Burghöhe  war. 

Dem  geringeren  Umfang  des  Plateau's  von  Araceli  entspricht  es  vollkommen, 
dass  sich  hier  ausser  dem  Tempel  der  Inno  Moneta,  bei  welchem  noch  eine  Präg- 
stätte war,^nur  noch  ein  Tempel  erwähnt  findet,  nemlich  der,  welchen  L.  Manlius 
im  J.  536  d.  St.  der  Concordia  auf  der  Burg  erbaute.^  Die  Arx  selbst  bestand  wohl 
in  wenig  weiter,  als  in  einem  Mauerring  um  den  Felsen,  der  demnach  für  Tempel 
im  Innern  vollen  Raum  Hess.  Nach  dem  zweiten  punischen  Kriege  scheint  jedoch 
dieser  Mauerring  ebenso  wie  die  servischen  Mauern  zur  Antiquität  geworden  zu 
sein,  denn  wenn  er  noch  besonderen  Schutz  gewährt  hätte,  würde  man  die  Arx 
dem  Capitole  bei  Bürgerkriegen  vorgezogen  haben,  wovon  sich  jedoch  keine  Erwäh- 
nung findet.  Wie  aber  hier  alles  so  spurlos  verschwunden  sei,  so  dass  sich  kaum 
ein  Mauerstück  aufweisen  lässt,  w^elches  über  die  Kaiserzeit  hinaufgerückt  werden 
könnte,^  davon  gibt  uns  die  Geschichte  keinen  Aufschluss.  Die  einzige  Reminiscenz 
an  die  Burg  dürfte  vielleicht  noch  in  dem  Namen  Araceli  liegen,  den  Niebuhr,  Hirt, 
Platner  und  Becker  als  eine  Entstellung  von  in  arce  betrachten. 

Etwas  schonender,  als  mit  den  beiden  weltberühmten  Höhen  des  capitoli- 
nischen  Doppelhügels  verfuhr  das  Schicksal  mit  der  Senkung  zwischen  den  beiden 
Gipfeln.  Zwar  entdeckt  man,  wenn  man  von  der  modernen  Stadt  her  auf  der 
breiten  Capitolstreppe  zu  dieser  Einsattelung  hinaufsteigt,  zunächst  keine  baulichen 
Ueberreste  des  Alterthums,  wenn  auch  einige  übrigens  erst  in  den  letzten  Jahrhun- 
derten auf  der  Balustrade  aufgestellte  Antiken  nebst  dem  ebenfalls  erst  1383  hier- 
her versetzten  ehemals  vergoldeten  Reiterbild  des  M.  Aurelius,  welches  sich  im  1 0. 
Jahrh.  unter  dem  Namen  Caballus  Gonstantini  sicher  auf  dem  Lateransplatze  befun- 
den hat.  Die  Lokalität  hat  sich  im  Gegentheile  dadurch  charakteristisch  geändert, 
dass  jetzt  die  Haupttieppe  und  die  Auffahrt  da  hinautluhrt,  wo  die  Höhe  in  vor- 
christlicher Zeit  ganz  unzugänghch  war  und  ^schroff  abfiel,  und  dass  der  Platz  mit 
Renaissancepalästen  umgeben  ward.  Von  diesen  ist  jedoch  der  Senatorpalast  nur 
in  der  Fronte  neu,  während  er  in  seinen  etwas  unregelmässigen  Schmalseiten  und 
in  der  dem  Forum  zugewendeten  Langseite  bedeutende  bauliche  Ueberreste  aus 
der  antiken,  ja  sogar  republikanischen  Zeit  darbietet.  Wir  müssen  diesem  Gebäude 
eine  besondere  Betrachtung  widmen. 

1  Liv.  VI.  20.  2  j^iv.  XXII.  33.     Fast.  Praen.  Non.  Febr.  3  R.  Lanciani  Bull.  d.  c.  a.  mun.  Ott. 

Dec.    1875  p.  178. 


Das  Tahulariiim.  69=* 


2.  Das  Tabularium. 


Die  moderne,  gegen  Nordwest  (gegen  die  jetzige  Stadt  hin)  gewendete  Fa- 
gade  des  Senatorpalastes  verhüllt  jede  Spur  des  alten  Gemäuers.  Die  nordöstliche 
(Via  deir  Arco  di  Settimio  Severo)  zeigt  eine  Anfangs  ganz  niedrige,  beim  allmäligen 
Absteigen  des  gestuften  Weges  immer  höher  werdende  Linie  einer  wohl  zum  In- 
nern des  antiken  Gebäudes  gehörigen  massiven  Mauer  aus  gewaltigen  Quadern. 
Einen  beträchtlicheren  Theil  von  gleichartigem  Gemäuer  sieht  man  auf  der  entge- 
gengesetzten, südwesthchen  Seile  (Via  del  Gampidogho),  welche  mit  der  Fa(,'ade 
einen  stumpfen  Winkel  bildet.  Hier  erreicht  die  antike  Mauer  eine  Höhe  von  7 
Meter  bei  einer  Länge  von  mehr  als  20.  Der  hier  bepfindliche  grosse  Eingang  zu 
diesem  Theile  des  Gebäudes  ward  erst  im  Mittelalter,  und  zwar  ohne  Rücksicht  auf 
die  Fugen,  vermuthlich  an  der  Stelle  eines  kleineren  Pförtchens  in  die  Mauer  ge- 
brochen. An  diesem  Bruche  kann  man  die  Structur  der  Hauptmauern  am  besten 
untersuchen,  welche  an  den  Innenseiten  in  rothem,  an  den  Aussenseiten  in  grauem 
Tuf  (peperino)  hergestellt  sind.  Die  Länge  der  einzelnen  Blöcke  beträgt  durch- 
schnittlich 1,10,  die  Höhe  0,48,  die  Breite  0,5s  Met.  In  derselben  Weise,  wie  bei 
der  servischen  Mauer,  wechseln  auch  hier  in  grösster  Regelmässigkeit  die  Lagen 
darin  ab,  dass  die  eine  die  Langseiten,  die  nächstfolgende  aber  die  Stirnseiten 
der  oblongen  Blöcke  nach  aussen  kehrt.  Die  Fügung  ohne  Bindemittel  ist  vortrefflich. 

Den  bei  weitem  grössten  Theil  der  erhaltenen  Reste  dieses  antiken  Gebäudes 
zeigt  jedoch  die  südöstliche  (gegen  das  Forum  gewendete)  Seite,  deren  unterer  Theil 
erst  in  diesem  Jahrhundert  wieder  an's  Tageslicht  gefördert  worden  ist.  Denn  vom 
Anfange  dieses  Jahrhunderts  bis  zum  Jahr  1845  ward  durch  Hinwegräumung  des 
kolossalen  Schuttes  von  der  Nordwestseite  des  Forum  an  bis  zum  Fusse  des  Ver- 
bindungsrückens der  beiden  capitolinischen  Hügelkuppen  der  grossartige  Unterbau 
des  antiken  Gebäudes,  welches  den  Senatorpalast  trägt,  blossgelegt.  Dieser  Unter- 
bau, zugleich  als  Substruction  des  Hügels  dienend,  besteht  in  einer  gewaltigen  Mauer 
aus  dem  eben  beschriebenen  Material  in  derselben  Construction  und  misst  71  Met. 
in  der  Länge  und  fast  1 5  in  der  Höhe.  Ob  die  wenigen  fensterartigen  Löcher,  un- 
regelmässig in  dieselbe  gebrochen,  aus  dem  xMittelalter  stammen,  muss  dahingestellt 
bleiben.  Ueber  dieser  durch  keinerlei  Architektur  gezeichneten  Substruction  erhebt 
sich  eine  Arcadenreihe,  deren  Bogenöffnungen,  einen  tonnengewölbten  Verbindungs- 
weg zwischen  den  beiden  capitolinischen  Höhen  erhellend  gegen  das  Forum  sahen. 
Seit  jedoch  Papst  Nicolaus  V.  den  gewaltigen  Bau  zur  Grundlage  für  ein  befestigtes 
Gebäude   benutzte,    verschwand   der  Theil  des  Baues,   über  welchen  jetzt  die  Via 


k 


70*  Der  Capitolinus. 

dell'  Arco  di  Settimio  Severo  geht,  gänzlich ,  die  diiecten  Zugänge  zum  Hallengang 
wurden  auf  beiden  Seiten  durch  Eckbauten  versperrt,  und  die  Bogenöffnungen  gegen 
das  Forum  hin  so  vermauert  dass  von  der  ursprünglichen  Gestalt  wie  von  dem  archi- 
tektonischen Schmucke,  ausser  einem  ofFengehaltencn  Bogen,  wenig  Spuren  mehr 
übrig  blieben.  Im  Jahre  1845  ging  man  nun  allerdings  mit  dem  Plane  um,  auch 
die  übrigen  zehn  noch  vorhandenen  Bogen  wieder  zu  öffnen,  allein  es  zeigte  sich, 
dass  es  nicht  bloss  Barberei  war,  die  interessante  Ruine  durch  Vermauerung  zu 
verunzieren :  die  Bogen  erwiesen  sich  als  derart  beschädigt,  dass  ihnen  ohne  Aus- 
füllung die  Last  des  gewaltigen  darauf  gestellten  Gebäudes  nicht  zugemuthet  wer- 
den konnte.  Der  offen  gebliebene  Bogen  diente,  Ende  des  17.  Jahrhunderts  und 
wohl  noch  später  als  Eingang  zum  Salzmagazin*.  An  dieser  für  den  am  Forum 
stehenden  Beschauer  rechts  neben  dem  nordöstlichen  Eckthurm  befindlichen  Arcade 
lässt  sich  die  Gestalt  der  ganzen  Reihe  noch  erkennen.  Der  Bogen  ist  7, 50  Met. 
hoch  und  hat  eine  Spannung  von  3, 70.  Die  Pfeiler  sind  an  der  Stirnseite  2,4o  Met. 
breit  und  mit  Ausschluss  der  Halbsäule  aussen  und  des  Pilasters  innen  1,20  dick. 
Die  Halbsäulen  sind  8,30  Meter  hoch,  dorischer  Ordnung  und  cannellirt,  ihre  Capitäle 
wie  die  Kämpfer  der  Pfeiler  aus  Travertin  (Tiburtiri-Kalkstein).  lieber  diesen  beiden 
noch  sichtbaren  Halbsäulen  des  offenen  Bogens  sowie  auch  in  der  ganzen  Länge 
der  im  Uebrigen  zugemauerten  Arkadenreihe  sieht  man  noch  Spuren  dorischen  Ge- 
bälkes mit  den  Triglyphen.  Dass  über  dieser  Arkadenreihe  sich  noch  eine  zweite 
erhoben  habe,  wie  aus  einer  etwas  unklaren  Notiz  aus  dem  1 5.  Jahrhundert,^  wo 
von  gewölbten  Hallen  in  doppelter  Reihe  die  Rede  ist,  hervorzugehen  scheint,  wird 
durch  die  Auffindung  einer  Treppe  im  Innern  des  Gebäudes  noch  nicht  bewiesen ; 
doch  ist  nach  der  Analogie  der  Theater  Circi  und  Amphitheater  deren  Annahme  möglich. 
Tritt  man  durch  den  oben  erwähnten,  gewaltsam  gebrochenen  Eingang  an 
der  Via  di  Gampidolio  in  das  Innere  des  Gebäudes,  so  sieht  man  vorerst  den  Anfang 
der  Gemächerreiche  des  Innera.  Hier  wechseln  die  rothen  und  grauen  Tutl)löcke 
unregelmässig  mit  einander  ab.  Von  da  gelangt  man  in  den  erwähnten  Aikaden- 
gang,  in  welchem  man  im  J.  1 830  noch  Reste  des  Pflasters  aus  Basalt-Polygonen,  den- 
selben, womit  die  meisten  altrömischen  Strassen  gepflastert  waren,  fand,  wodurch 
sich  die  Annahme  bestätigte,  dass  der  Corridor  als  öffentlicher  Durchgang  diente. 
Die  Wände  im  Innern  haben  zum  Theil  das  Ansehen  künstlicher  Mauern  fast  ganz 
verloren,  da  das  Salz,  welches  im  1  ö.  Jahrhundert  in  dieser  vermauerten  Halle  auf- 
geschüttet war,^  die  Oberfläche  angefressen  und  ungleich  verwittert  hat.  Die  Höhe 
des   Gorridors   bis   zum    Gewölbescheitel   misst  1 0,50    Meter.     Am  Ostende   ist   der 


1  Du  Perac,  I  vestigj  dell'  antichitä  di  Roma,     Rom.  1674.  tav.  1.         ^  Poggius  Florentinus,  de  fortunae 
varietate  urbis  Romae  et  de  ruina  eiusdem  descriptio.  (Poggü  opp.  ßasileae  s.  a.  p.  133.)  ^  Poggius  1.  c. 


Das  Tabularium.  71  * 

Conidoi;  durch  eine  moderne  Mauer,  die  zu  dem  östlichen  Eckthurme  geholt, 
geschlossen.  Die  Vermuthung,  dass  das  Gebäude  auch  hier,  wie  an  der  noch  theil- 
weise  erhaltenen  Westecke  in  einen  spitzen  Winkel  auslief,  erhielt  durch  die  Nach- 
grabungen in  der  Via  di  S.  Pietro  in  Carcere,  im  Jahre  1 85  I  keine  genügende  Be- 
stätigung, doch  scheint  es,  dass  der  Corridor  noch  die  ganze  Breite  des  an  ihn  sich 
anlehnenden  Goncordientempels  entlang  sich  erstreckte.^ 

Der  beschriebene  Corridor  war  nur  die  Forumseite  eines  grossen  Gebäudes, 
welches,  wie  aus  dem  Gesagten  bereits  hervorgeht,  von  der  Form  eines  Trapezes 
war,  dessen  längere  Parallele  gegen  das  Forum  zu  lag.  Von  dem  Innern  des  Ge- 
bäudes haben  erst  die  neuesten  Ausgrabungen  genügende  Kenntniss  gegeben.  Der 
Hauptzugang  scheint  durch  den  Corridor  und  zwar  an  dessen  östlichem  Ende,  dem 
gegen  das  Forum  hin  oflFenen  Bogen  gegenüber  vermittelt  worden  zu  sein.  Hier 
fand  man  im  Jahre  1843  eine  Treppe,  welche  wiederhergestellt  wurde,  von  deren 
erstem  Absatz  die  erste  Stufe,  aus  einem  einzigen  Travertinstücke  bestehend,  und 
vom  zweiten  neun  Stufen  erhalten  waren.  Diese  Treppe,  welche  noch  die  antiken  Ge- 
wölbe aus  Gabinblöcken  zeigt,  führte  ursprünglich  in  den  vielleicht  peristylartig  gebil- 
deten Hof,  in  späterem  Umbau  an  diesem  vorbei  zu  zwei  das  Gebäude  gegen  Nordwest 
abgrenzenden  parallelen  Corridoren,  welche  durch  eine  mächtige  Pfeilerreihe,  später 
in  Backstein  wiederhergestellt  getrennt  sind.  Der  innere  Corridor  zeigte  an  seinem 
südwestlichen  Ende  den  Anfang  einer  schmalen  Treppe,  welche,  wie  man  1850 
entdeckte,  direct  auf  das  Forum  führte,  aber  frühzeitig  dadurch  ungangbar  gemacht 
wurde,  dass  der  überwölbte  Ausgang  durch  die  Rückwand  des  zwichen  Clivus  Capito- 
linus  und  unserem  Gebäude  eingebauten  Vespasiantempels  verbaut  und  bleibend  ge- 
schlossen wurde,  weshalb  sich  auch  die  unteren  Treppenstufen  in  unversehrtem  Zu- 
stande erhalten  haben.  Die  Gemächer,  welche  sich  südwestlich  an  den  Hof  an- 
schlössen, sind  modern  umgebaut,  die  Räume  an  der  nordöstlichen  Seite  dagegen  in 
ihren  kahlen  Mauern  unbenutzt  erhalten.  Das  erste  derselben  enthält  die  Treppe  zu 
einem  durch  kleine  Fenster  erleuchteten  Corridor  unter  dem  Arkadengang  der  Forum- 
seite, welchen  die  Unebenheit  des  Bodens  und  die  Vorschiebung  des  Gebäudes 
über  den  Hügelrand  veranlasst  hatte. 

üeber  die  Entstehung  und  den  Zweck  des  Gebäudes  belehrt  uns  eine  In- 
schrift, deren  Vorhandensein  bis  zum  16.  Jahrhundert  in  jenem  mittelalterHchen 
Salzmagazin  berichtet  wird,  und  welche  also  lautet:^ 

Q  .  LVTATI VS  .  Q .  F .  Q  .  N  .  CATVLVS   COS  S VBSTRVCTIONEM   ET  • 
TABVLARIVM  DE  S   S   FACIVNDVM  COERAVIT.,iDEMQVE   PROBavit 


'  L.  Canina,  SuUe  recenti  discoperte  fatte  nel  grande  edifizio  capitolino  Annal.  d.  I.  d.  E.  a.  1851.  p.  268 
—278.  2  Gruteri  Inscr.  p.  CLXX.  6.  e.  Panvinio  et  Boissardo.  cf.  Jordan  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  p.  158. 


T^*  Der  Capitoliiius. 

Im  Jahre  1845  fand  man  in  einer  der  grossen  Kammern  an  der  dem  Carcer  zu- 
gewendeten Nordostseite  eine  theilweise  gleichlautende  Inschrift,  auf  zerstreut  lie- 
genden Quadern  eingemeisselt,  welche  von  L.  Canina,  der  die  Reinigungsarbeiten  im 
Tabularium  leitete,  zusammengefügt  und  über  einem  der  Eingänge  angebracht 
wurde. ^     Sie  lautet: 

Q     LuTATI  VS    Q    F  .  Q  .  N  .  Catulus    cos  .  ex    sEN    SENT    FACl  VNDVm    co.  ravil 

EIDEMQVE   PROBavit 

Beide  Inschriften,  von  denen  die  erste  im  15.  Jahrhundert  fast  unleserlich^  war  und 
jetzt  ganz  verschwunden  ist,  erheben  zur  vollen  Gevvissheit,  dass  die  eben  beschrie- 
benen Reste  zu  dem  von  Q.  Lutatius  Catulus,  der  mit  M.  AemiUus  Lepidus  im  J.  673 
d.  St.  Consul  war,  errichteten  Aerarium  oder  Gebäude  für  die  tabulae  gehören. 

Das  Tabularium  nemlich  war  der  Aufbewahrungsort  der  tabulae,  und  zwar 
sowohl  der  Gesetztafeln  und  Staatsacten  ßabular'mm  publlcnmj ,  als  auch  von 
Privatverträgen  u.  dgl.  ßab.  privatum].  Schon  vom  Anfange  des  4.  Jahrhunderts  der 
Stadt  an  werden  verschiedene  Aufbewahrungsplätze  für  die  tabulae  erwähnt:  der 
Tempel  der  Geres,  des  Liber  und  der  Libera,^das  Atrium  der  Libertas*  und  insbe- 
sondere der  Tempel  des  Saturn^.  Solche  Tempelarchive  konnten  aber  zu  Ende  der 
Republik  nicht  mehr  ausreichen.  Lut.  JCatulus  nahm  daher  wahrscheinlich  von  dem 
Brande,  der  beim  Heranzuge  Sulla's  gegen  Rom  die  capitolinischen  Heiligthümer 
hinwegratfte,  Veranlassung,  an  der  Stelle  des  mitverbrannten  capitolinischen  Tempel- 
archivs^,    ein    neues    und   zwar  grösseres  und  allgemeines  Tabularium  zu  erbauen. 

Die  nächste  Notiz  von  dem  Tabularium  wird  aus  einer  Inschrift  gezogen, 
welche  im  9.  Jahrhundert  » In  Capitolio  «  gelesen  wurde'  und  nach  mehren  Jahr- 
hunderten wieder  »«rf  Septem  lucernas^^    (Titusbt)gen)  zum  Vorschein  kam:« 

■n.  CLDRVS.F  CAESAVG  GERM- PONT.  MAX.  TRIBPOT.V  COS- MI.  DES. 
Mi!  IMPIIPPEX  S.  C.CCALPETANVS  .STATIVS  SEX  .  METROBIVS  .  M  • 
PERPENNA   LVRCO.T.SATRlVS.DEClANVS.CVRATTABVL,PVBL.FAC.CVR 

Doch  ist  es  fraglich,  ob  die  Erwähnung  eines  Gurator  tabularum  pubhcarum  (aus 
der  Zeit  des  Claudius)  auf  bauliche  Thätigkeit  am  Tabularium  schliessen  lässt.  Bei 
dem  capitolinischen  Brande  unter  Vitellius  muss  das  Gebäude  beträchtlich  gelitten 
haben,  denn  bei  der  Wiederherstellung  des  Capitols  verwandte  Vespasian  besondere 


1  L.  Canina,   GH  Ediüzj  di  Roma  antica.     Roma  1848.     Vol.  I.  p.  302.            ^  Poggius  Florentinus  1.  c. 

3  Liv.  m.  55.        *  Liv.  XUII.  16  (18).  ^  Liv.     XXXIX.  4.     Tacit.  Ann.  III.  51.  XIII.  28.     Sueton.  Caos.  28. 

Aug.   94.             6   Polyb.   III.   26,             '  Anonym.   Einsiedl.    Arch.   f.  Phil.    u.   Paed.   V.   S.-Bd.  1837,     S.   125. 
"  Grut.  Inscript.  p.  CGXXXVII.  8. 


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Das  Forum  Romanum  73 

Sorge  darauf,  die  Abschriften  von  3000  ehernen  Tafeln,  welche  bei  dem  Brande  zu 
Grunde  gegangen  waren,  im  ganzen  Reiche  zu  sammeln,  und  so  das  Fehlende  wieder 
herstellen  zu  lassend 

In  spater  Kaiserzeit  musste  das  Reichsarchiv  zugleich  mit  den  Gesetzen  der  Re- 
publik seine  Bedeutung  verlieren.  Die  Bronzetafeln  wurden  dann  eine  Beute  der  Bar- 
baren, und  im  zwölften  Jahrhundert  war  auch  der  Name  des  Gebäudes  in  Vergessenheit 
gesunken.  Im  folgenden  Jahrhundert  wurde  auf  den  antiken  Mauern  die  Senatorwohnung 
aufgeführt,  wozu  Papst  Bonifacius  IX.  die  Befestigungen  und  den  Capitolsthurm  hinzu- 
fügte. Nicolaus  V.  vermauerte  den  Corridor  und  verwandelte  ihn  in  ein  Salzmagazin, 
welche  Bestimmung  er  behielt  bis  zum  Umbau  des  Senatorpalastes  durch  Michel  Angelo, 
bei  welcher  Gelegenheit  der  Corridor  für  den  Marstall  des  Senators  eingerichtet  ward. 
Seit  1  830  dauerten  die  öfters  unterbrochenen  Untersuchungs-  und  Reinigungsarbeiten 
üJjer  zwanzig  Jahre  lang :  die  Ergebnisse  entsprachen  jedoch  dem  Aufwände  nicht ,  be- 
sonders da  es  sich  nicht  als  räthlich  erwies,  die  Bogen  wieder  zu  öffnen.  Jetzt  dient  der 
Corridor  zur  Aufbewahrung  von  Fragmenten  antiker  Gebäude,  zunächst  der  Tempel  am 
Forum.  Dort  sind  namentlich  grosse  Gebälkstücke  der  beiden  an  die  Substruction  des 
Tabularium  stossenden  Tempel  (des  Vespasian  und  der  Concordia)  aufgestellt,  welche 
L.  Canina  mit  angeblich  siebenjähriger  Arbeit  aus  den  kleinen  im  Schutt  gefundenen 
Fragmenten  kunstvoll  zusammengefügt  hat. 


II.  Das  Forum  Romanum. 

Der  Mittelpunkt  nicht  bloss  der  Stadt  Rom,  sondern  auch  des  römischen  Lebens, 
die  berühmte  Stätte,  auf  welcher  Rom  zu  seiner  inneren  Entwickelung  gelangte  und 
später  über  die  Geschicke  von  Nationen  entschied,  war  das  grosse  oder  —  im  ausge- 
zeichneten Sinne  gesprochen  —  römische  Forum.  Nach  dem  Grade  der  Weltberühmtheit 
dieser  Localität  erscheint  es  fast  als  unglaublich ,  dass  man  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
den  Namen  und  sogar  ihre  Lage  vergessen,  und  seit  dem  Beginn  der  Forschung 
derselben  theilweise  wirklich  eine  Ausdehnung  gegeben  hat,  welche  dem  durch  die 
neuesten  Aufdeckungen  unbestreitbar  dargelegten  Thatbestande  ganz  und  gar  wider- 
spricht. Als  Gewissheit  musste  von  Anfang  an  angenommen  werden,  dass  sich  das 
Forum  in  dem  Thale  südöstlich  vom  Capitolinus  befand,    denn  eine  andere  Annahme 


'  Sueton. Vespasian.   8. 

F.  Red  Kit ,  die  Ruinen  Roms.  1  0 


74  Das  Forum  Romanum. 

lassen  die  tausend  Erwähnungen  des  Forum  in  der  classischen  Ueberlieferung  nicht  zu. 
Allein  obwohl  schon  frühzeitig  auch  die  richtige  Meinung  über  die  Ausdehnung  des 
römischen  Forum  ihre  Vertreter  fand,^  so  übten  doch  die  Häupter  der  römischen  Topo- 
graphie^ einen  ohne  Vergleich  grösseren  Einfluss  nicht  bloss  auf  ihre  Landsleute,  die 
Italiener,  sondern  auch  auf  ihre  ganze  Zeit ,  und  es  galt  bis  auf  dieses  Jahrhundert  herab 
und  selbst,  wenn  auch  nicht  unangefochten, ^  noch  in  diesem  als  bewiesen,  dass  die 
Richtung  des  Forum  von  Nord  nach  Süd  ging  und  die  beiden  Langseiten  desselben  von 
dem  Ostabhange  des  tarpeischen  Felsens  und  von  der  Westwand  des  Palatinus  begrenzt 
waren.  Diese  Ansicht  beruht  auf  einigen  missverstandenen  classischen  Stellen  *  und  auf 
dem  Bestreben,  dem  grossen  Forum  die  grösstmögliche  Ausdehnung  zu  geben.  Doch 
seit  den  letzten  Jahrzehnten  hat  die  entschiedene  Wiederaufnahme  der  ältesten  Ansicht, 
welche  nur  den  nördlichen  Theil  des  ganzen  Thaies,  einen  verhältnissmässig  schmalen 
von  Nordwest  nach  Südost  gerichteten  Abschnitt,  dem  Forum  zuschreibt,  durch  die 
namentlich  von  der  deutschen  Forschung  beigebrachten  allseitigen  Beweise  allgemeine 
Anerkennung  und  überdiess  durch  die  Ausgrabungen  an  Ort  und  Stelle  die  unwiderleg- 
lichste  Bestätigung  erhalten,  welche  letztere  der  weiteren  Beweisführung  aus  classischen 
Stellen  in  der  Hauptsache  überhebt. 

Demnach  versteht  man  unter  dem  Forum  Romanum  das  Thal,  welches  nord- 
westlich vom  Capitolinus,  d.  h.  vom  Verbindungsrücken  der  beiden  Höhen,  und  südöstlich 
von  der  Velia,  jenem  Zweige  des  Palatinus,  der  gegen  die  Esquilien  hin  ausläuft,  be- 
gränzt  wird.  Die  Gränzen  der  beiden  Langseiten  jedoch  sind  durch  die  Natur  nicht  ge- 
geben ;  wenn  man  die  das  Forum  umgebenden  Gebäude  nicht  dazu  zählt ,  waren  es  zwei 
Strassen ,  welche  von  der  Veha  herab  und  zum  Capitol  führend ,  den  freien  Platz  be- 
gränzten,  von  welchen  die  nordöstliche  die  hochwichtige  Sacra  Via,  die  südwestliche 
die  Strasse  sub  veteribus  (sc.  tabernis)  war.  Ueber  den  Lauf  der  beiden  Strassen  wird 
an  entsprechenden  Orten  eingehender  gesprochen  werden.  Die  drei  ersteren  Gränzen 
galten  von  jeher  und  allenthalben  als  sicher,  und  die  Ansichten  weichen  nur  hauptsächlich 
hinsichtlich  der  letztgenannten  durch  die  Via  sub  veteribus  gebildeten  Gränze  von  einander 
ab,  indem  man  vormals  gewöhnlich  das  Forum  südwestlich  in  das  Thal  zwischen  dem 


*  Bufalini,  Planta  della  Gitta  di  Roma.  24  Holzschnilttafeln.  1551.  B.  Marliani,  Urbis  Romae  Topographia. 
Roma  1534.  Lib.  III.  c.  1.  (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  III.  p.  10t  sq.)  G.  Fabricii  Roma.  Basil.  1350.  Lib.  II. 
c.  16.    (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  III.  p.  416.)  *  A.  Donatus  de  Urbe  Roma.   (Roma  1631.)  Lib.  II.  c.  16. 

(Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  III.  p.  612  sq.)  F.  Nardini,  Roma  vetus.  1660.  Lib.  V.  c.  2.  (Graev.  Thes.  Ant.  Rom. 
tom.  IV.  p.  1131  sq.)  G.  Piranesi,  Antichitä  Romane.  Roma  1784.  R.  Veniiti,  Accurata  e  succinta  descrizione 
topografica  delle  antichitä  di  Roma.  Roma  1803.  2'"»  Ediz.  Vol.  I.  p.  52.  C.  Fea,  Nuova  descrizione  di  Roma 
antica  e  moderna.  1820.  A.  Nibby,  del  Foro  Romano  &c.  Roma  1819.  id.  Roma  nell'  anno  1838.  Roma  1839. 
Parte  II.  antica   p.  40  sq.  ^  G.  Guattani,  Roma  descritta  ed  illustrata.    Roma  1806.       Piale,  Dissertazioni. 

Roma  1832.       Canina,  Descrizione  storica  del  foro  Romano  e  sue  adjacenze.   R.  1835.  *  Dionys.  II.  30.  66. 

Varro,  r.  r.  I.  2,  9. 


Der  Tempel  der  Concordia.  75 

Mons  Tarpeius  (Monte  Caprino)  und  Palatin  hinein  erweiterte,  wodurch  natüriich  das 
Oblongum  des  Forum  eine  andere  Richtung  erhielt.  Seit  jedoch  die  Ausgrabung  auf  die 
letztgenannte  Strasse  stiess  und  das  Paviment  der  geräumigen  Basilica  luHa,  welche, 
wenn  das  Forum  siidwestHch  sich  noch  weiter  ausdehnte ,  dasselbe  in  zwei  Hälften  ge- 
schieden hätte,  an  das  Tageslicht  kam,  ist  der  Streit  entschieden. 


3.    Der  Tempel  der  Concordia. 

Zu  beiden  Seiten  des  Tabularium  oder  des  heutigen  Palazzo  Senatorio  führen 
Wege  auf  das  Forum:  links  ein  Stufenweg,  die  Via  dell'  Arco  di  Settimio  Severo,  rechts 
die  Fahrstrasse,  die  Via  del  Campidoglio.  Letztere,  obwohl  an  1 0  Met.  über  dem  antiken 
Boden  und  auf  einer  Substruction  geführt,  vertritt  in  ihrer  Richtung  ungeßihr  die  Stelle 
des  Clivus  Capitolinus ,  w  orunter  man  das  zum  Capitolium  aufsteigende  Ende  der  Sacra 
Via  zu  verstehen  hat.  Die  verhältnissmässig  hier  rascher  vorschreitende  Anhäufung  des 
von  den  Höhen  herabrollenden  Schuttes  bewahrte  die  antike  Gestalt  des  ehrwürdigen 
Bodens  an  dieser  Stelle  unversehrter,  als  diess  sonst  sich  findet,  und  von  drei  einander 
nahe  liegenden  Tempeln  und  anderen  Bauwerken  sind  noch  die  deutlichsten  Spuren  vor- 
handen ,  die  sämmtlich ,  wie  aus  dem  beiliegenden  Plane  ersichtlich  ist ,  durch  wahrhaft 
grossartige  Ausgrabungen  seit  dem  Anfange  dieses  Jahrhunderts  blossgelegt  sind  und 
sich  zu  beiden  Seiten  des  gleichfalls  bis  zu  der  Substruction  der  modernen  Capitolsstrasse 
aufgedeckten  Clivus  Capitolinus  gruppiren. 

An  den  östlichen  Theil  der  Substruction  des  eben  beschriebenen  Tabularium  sich 
anlehnend  und  zum  Theil  noch  unter  der  Via  dell'  Arco  di  Settimio  Severo  befindet  sich 
der  Unterbau  eines  Tempels ,  welcher  nach  der  Pracht  der  daselbst  aufgefundenen 
Sculpturreste  zu  den  hervorragendsten  Roms  gehört  haben  musste.  Die  Form  dieses 
Tempels ,  welche  grösstentheils  durch  den  Augenschein ,  und  insoweit  sie  durch  die  Sub- 
struction der  genannten  Salita  bedeckt  ist,  durch  Analogie  zu  erkennen  ist,  erscheint  als 
eine  seltene  Abweichung  von  der  gewöhnlichen  Tempelform.  Der  Pronaos,  welcher 
2^  Met.  in  der  Breite,  H^  in  der  Tiefe  misst,  hat  nicht  die  Breite  der  Cella  und  ist 
daher  mehr  ein  Vorbau  derselben ,  als  zum  Tempelkörper  selbst  gehörend ,  und  die  Cella 
ist  beträchtlich  breiter  als  tief,  45  M.  breit,  24  M.  tief  (mit  Einschluss  der  Mauern).  Der 
Unterbau ,  welcher  in  seinem  Kerne  aus  Gusswerk  besteht  und  aussen  mit  Travertin  und 
Tufquadern  bekleidet  ist,  die  ihrerseits  wieder  mit  Marmorplatten  bedeckt  waren ,  wächst 
mit  der  Abnahme  des  Clivus  und  erforderte  durch  seine  Höhe  an  der  Fronte  des  Pronaos 
eine  bedeutende  Treppe,  von  welcher  noch  Reste  der  inneren  Masse  vorhanden  sind. 
Auch  von  dem  Pavimente  sowohl  des  Pronaos  als  der  Cella  haben  sich  namentlich  in  der 

40» 


76 


Das  Forum  Romanum. 


linken  Ecke  der  letzteren  Reste  der  kostbarsten  verschiedenfarbigen  Marmorarten  er- 
halten, besonders  aber  die  kolossale  Schwelle  aus  einem  Stück  von  afrikanischem  Marmor, 
in  welchem  man  die  für  den  Thürschluss  nöthigen  Vertiefungen  eingemeisselt  sieht,  unter 
welchen  ausser  zwei  kreisförmigen  Vertiefungen  die  Form  eines  Caduceus ,  des  von  zwei 
Schlangen  umwundenen  symboHschen  Stabes  aufföUt.  Canina  ist  der  Ansicht ,  der  Ca- 
duceus sei  als  solcher  vormals  mit  Metall  ausgelegt  gewesen :  die  Form  der  Vertiefung 
nöthigt  indess  nicht  zu  dieser  Annahme,  welche  auch  durch  die  sonstige  Uebung  nicht 
erklärt  wird,  und  ich  glaube  vielmehr,  dass  die  Vertiefung  für  die  Thüre  Bedeutung  hatte 
und  vielleicht  die  metallene  Kapsel  enthielt,  in  welcher  ein  Thürriegel  ging.  Die  noch 
erhaltenen  Reste  der  Cellamauer  an  der  linken  Seite  und  besonders  ein  grösseres  Stück, 
das  sich  an  die  Substruction  des  Tabularium  anlehnt,  erheben  sich  nur  zu  geringer  Höhe. 
An  der  hnken  Seite  sieht  man  auch  noch  die  Spuren  von  zwei  grossen  Basamenten, 
vermuthlich  von  Statuen.  Der  Tempel  scheint  auch  wirklich  nach  Plinius  eine  Art  von 
Pantheon  gewesen  zu  sein,  wie  wir  unten  sehen  werden.  Sonst  haben  sich  von  dem 
inneren  Schmucke  nur  mehr  wenige  Sculpturfragmente  gefunden,  die  jedoch  alle  von 
phrygischem  und  afrikanischem  Marmor  sind.  Unter  diesen  ist  besonders  merkwürdig  eine 
ungemein  reich  gearbeitete  korinthische  Säulen-Base  von  0,94  M.  Durchmesser,  dermalen 
im  capitolinischen  Museum.  Auch  von  der  äusseren  Ornamentik  haben  sich  hinlängliche  Reste 


^ ) 1 1 1 1 ! 1 1 1 1- 


zMet. 
I.    Gesimsstück  vom  Tempel  der  Coiicordia.    (P.  R.) 


gefunden,  die  Herstellung  des  Tempelaufriesses  zu  ermöglichen.  Mit  dankenswerther  lang- 
jähriger Mühe  fügte  L.  Canina  eine  grosse  Anzahl  der  gefundenen  Gebälkfragmente  zu- 
sammen und  ergänzte  sie  zu  einem  ganzen  Stück,  das,  jetzt  im  Corridor  des  Tabularium 
aufgestellt,  durch  den  reichen  und  dennoch  von  aller  Ueberiadung  freien  Styl  die  all- 


Der  Tempel  der  Concordia.  77 

gemeine  Bewunderung  erregt.  Von  besonderer  Schönheit  sind  die  weitvorspringenden 
Kragsteine,  welche  der  korinthischen  Ordnung  überhaupt  einen  vorzüglichen  Reiz 
verliehen. 

Dass  wir  in  der  beschriebenen  Ruine  den  Tempel  der  Concordia  vor  uns  haben, 
wird  durch  classische  Stellen,  durch  Nachrichten  aus  dem  Mittelalter,  durch  gefundene 
Inschriften  nachgewiesen  und  durch  eine  Münze  des  Tiberius  und  ein  Fragment  des 
antiken  (jetzt  im  Treppenhause  des  capitoUnischen  Museum  eingemauerten)  Planes  der 
Stadt  Rom^  auf  das  Unzweifelhafteste  bestätigt.  Plutarch  berichtet,  dass  man  beschloss, 
die  von  Camillus  gelobte  Concordia  an  dem  Forum  und  Angesichts  des  Comitium  zu 
erbauen.^  Anderwärts  wird  die  Concordia  dem  (Mamertinischen)  Gefängniss,  das  wir  als 
noch  vorhanden  kennen,  zunächstliegend  genannt.^  Ovidius  beschreibt  diesen  Tempel  als 
neben  der  Treppe  liegend ,  die  zur  luno  Moneta  führte,  von  welcher  schon  oben  erwähnt 
wurde,  dass  sie  auf  der  Burg  [Araceli)  ihren  Tempel  hatte.*  Festus  nennt  in  seiner 
freilich  in  Bezug  auf  die  Curia,  die  er  selbst  nicht  mehr  kannte,  verwirrten  Stelle ^ 
diese  Concordia,  welche  zu  seinerzeit  noch  stand,  am  CHvus  Capitolinus,  zwischen 
Capitolium  und  Forum,  und  Servius  bezeichnet  sie  als  neben  dem  Tempel  des  Saturn 
vor  dem  Clivus  Capitolinus  liegend.^  Statins  endlich  nennt  die  Tempel  des  Vespasian 
und  der  Concordia  nebeneinander  und  sagt  bei  der  Beschreibung  von  Domitians  Reiter- 
statue, dass  diese,  in  der  Mitte  des  Forum  stehend,  gegen  den  Palatin  hinsah  und  beiden 
Tempeln  den  Rücken  zuwandte.'  —  Durch  diese  classischen  Angaben  wird  die  Loca- 
lität  schon  in  ziemhch  unverkennbarer  Weise  bezeichnet.  Ueberdiess  kannte  man  den 
Tempel  der  Concordia  auch  noch  im  frühen  Mittelalter.  Im  neunten  Jahrhundert  mussten 
noch  die  Säulen  mit  einem  grossen  Theil  des  Gebälkes  gestanden  sein,  denn  man  las 
damals  noch  eine  verstümmelte  Restaurationsinschrift,  welche  wahrscheinlich  auf  dem 
Architrav  angebracht  war :  ^    Sie  lautete : 

S   P    Q   R 
AEDEM    CONCORDIAE.  VETVSTATE    COLLAPSAMIN    MELIOREM 
FACIEM    OPERE-ET    CVLTVSPLENDJDJORE.RESTITVERVNT 

Wie  es  nun  möglich  ist,  dass  man  mehre  Jahrhunderte  später  dieselbe  Inschrift  bei 
S.  Giovanni  in  Laterano  gesehen  habe,  wie  Nardini  berichtet,^  ist  mir  unbegreiflich,  da 
die  Inschrift  jedenfalls  auf  das  Gebälk  und  nicht  auf  eine  einzelne  transportable  Platte  ein- 
gegraben war,  die  an  einer  Tempelfronte  keinen  Platz  finden  konnte.    Noch  unbegreif- 


*  Das  Nähere  darüber  bei  der  Beschreibung  des  muthmasslichen  Tempels  der  Penaten.  *  Pliit.  Camill.  42. 
'  Dio  Cass.  LVIII.  H.  *  Ovid.  Fast.  I.  637  sq.  "  Fest.  s.  v.  Senacula,  •  Servius  in  Virgil.  Aen.  II.  H6. 
'  Stat.  Silv.  Lib.  I.  Ep.  \.  v.  31.  *  Anonym.  Einsiedl.  ed.  Haenel,  Archiv  f.  Philo!,  u.  Paedag.  Suppl.-Bd.  V. 
1837.  S.  124.  Ms.  Miscell.  Biblioth.  Riccardian. ;  cf.  Osann,  Sylloge  inscr.  ant.  Graec.  et  Lat.  Lips.  1834. 
p.  518  sq.         *  F.  Nardini,   Koma  Vctus.  Lib.  V.  c.  6.     (Graev.  Thes.  A.  R.  tom.  IV.  p.  H62.) 


V 


78 


Das  Forum  Romanum. 


lieber  aber  ist  mir,  dass  da  die  Inschrift  nocb  vollständiger  gewesen,  als  sie  im  9.  Jahr- 
hundert war.  Es  wird  ihr  nemlich  hier  noch  folgender  Theil  vorausgesetzt : 

D    N  •  CONSTANTINO    MAXIMO    PIO  •  FELICl  •  AC 

TRIVIVIPHATORI    SEIVIPER    AVGVSTO   OB  AMPLIFICATAM 

TOTO  •  ORBE    REIVIPVBLICAIVl  •  FACTIS    CONSILIISQ 

S    P  Q  R-  1 

Allein  es  ist  nur  zu  augenföllig,  dass  die  beiden  Inschriften  gar  nicht  zu  einander  gehören, 
und  was  die  Existenz  der  beiden  in  S.  Giovanni  in  Laterano  betrifflt,  so  las  Nardini  etwas 
aus  Marliani  heraus,  was  ich  daselbst  nicht  finden  kann.  Der  letztere  spricht  einfach  von 
der  Inschrift,  ohne  des  Fundortes  Erwähnung  zu  thun,  dessen  ein  anderer  Bericht  gedenkt.^ 
Der  Tempel  wird  ausser  in  der  erwähnten  Einsiedler  Inschriftensammlung  noch 
zweimal  als  (wenigstens  theilweise)  bestehend  genannt,  und  zwar  neben  dem  Capitolium,' 
und  noch  bezeichnender  unmittelbar  vor  dem  Triumphbogen  des  Septimius  Severus.* 
Weitere  inschriftliche  Nachweise  für  die  Lage  des  Concordiatempels  lieferten  die  Aus- 
grabungen am  Anfang  dieses  Jahrhunderts ,  bei  welchen  man  an  der  bezeichneten  Stelle 
Votivcippen  fand ,  die  den  Namen  der  Concordia  tragen.   So  aus  der  Zeit  des  Augustus : 

IVI  ARTORIVS  •  GEMINVS 

LEG  •  CAESAR  •  AVG  •  PRAEF  AERAR    IVIIL 

CONCORDi/E 

und  aus  der  Zeit'  des  Tiberius : 

VSITANIAE 

DESIGN 

pro   SALVTE  •  Tl   CAESARIS 

AVGSTI    OPTIIVII   AC 

IVSTISSIMI   PRINCIPIS 

CONCORDI/E 

AVRl  _P  V 

ARGENTi     P  X 

Ein  anderes  hier  gefundenes  Bruchstück  zeigt  in  grossen  Buchstaben  das  verstümmelte 
Wort:  CONCOR... 

Nach  all  diesen  Beweisgründen  für  die  Localität 
bestätigen  noch  zwei  antike  Ueberreste  die  Iden- 
tität der  Ruine  mit  dem  Tempel  der  Concordia 
durch  ihre  Uebereinstimmung  mit  der  bloss- 
gelegten  Gestalt  des  Grundplans,  nemlich  eine 
Münze  des  Tiberius,  welche  dieselbe  Eigenthüm- 


2.   Fragment  des  capitolin.  Planes.   (F.  R.) 


'  B.  Marlinani  Urbis  Romae  Topographia  Lib.  II.  c.  4  0 
(Graev.  Thes.  A.  R.  tom.  III.  p.  891).  Nardini  1.  c.  *  L.  Fauuo, 
delle  Antichitk  della  cittä  di  Roma.  Ven.  1548.  fol.  49.  ■  Ordo 
Romanus  (12.  Jahrh.)  ed.  Mabiilon.  Mus.  Ital.  Par.  1689. 
II.  p.  143.  *  Liber  de  Mirabilibus  Romae  (12.  .lahrh.  ?]  ed. 
Montfaucon  Diar.  Ital.  Par.  1702.  p   293. 


Der  Tempel  der  Concordia.  79 

lichkeit  eines  schmaleren  sechssäuligen  Pronaos  und  einer  an  beiden  Seiten  über  den- 
selben vortretenden  Cella  zeigt,  und  ein  (freilich  ergänztes)  Stück  des  capitolinischen 
Planes  mit  den  Buchstaben  DRDIA,  auf  welchem  die  Umrisse,  soweit  sie  erhalten  sind, 
ebenfalls,  wenn  auch  nicht  sehr  exact,  mit  unserer  Substruction  übereinzustimmen  scheinen. 
Somit  dürfte  die  beschriebene  Ruine  keinen  Zweifel  mehr  übrig  lassen:  die  neueren 
Topographen,  Nibby,  Bunsen,  Becker  und  Canina  sind  auch  darüber  einig. 

Der  Tempel  der  Concordia  ward  von  Camillus  während  seiner  letzten  Dictatur 
im  J.  387  d.  St.  (367  v.  Chr.)  gelobt,  als  es  ihm  gelungen  war,  die  Stände  dadurch  zu 
versöhnen ,  dass  auf  seine  Vermittelung  hin  auch  die  Neubürger  {plebs)  zur  Theilnahme 
an  der  consularischen  Würde  berechtigt  wurden :  und  als  Camillus  starb ,  noch  ehe  er 
sein  Gelübde  gelöst  hatte,  wurde  von  Staatswegen  beschlossen,  den  Tempel  Angesichts 
des  Forum  und  Comitium  zu  erbauen.^  Von  der  Ausführung  des  Baues  und  dessen  Ein- 
weihung thun  jedoch  weder  Livius  noch  Dionysios  weitere  Erwähnung.  Er  konnte  auch 
ursprünglich  nicht  von  dem  Umfange  gewesen  sein,  wie  nach  dem  Wiederaufbau  durch 
Tiberius,  oder  er  musste  wenigstens  mehr  gegen  den  Clivus  gerückt  und  von  dem 
Tabularium  isolirt  gewesen  sein,  denn  Lutatius  Catulus  hätte  sonst  unmöglich  den 
äusseren  Theil  seines  Tabularium  da,  wo  die  Rückwand  der  Cella  an  den  Pfeilern  des 
Corridors  anliegen  musste ,  mit  dem  architektonischen  Schmucke  versehen  können ,  den 
wir  noch  jetzt  besonders  an  der  offengelegten  Bogenweite,  welche  der  Tempelcella  in 
der  Lage  entspricht,  sehen.  Aus  dem  Umstände  jedoch,  dass  auch  schon  vor  dem  Neubau 
wie  bekanntlich  auf  Cicero's  Berufung  ^  der  Tempel  als  Versammlungsplatz  für  den  Senat 
diente,  geht  hervor,  dass  er  nichtsdestoweniger  nicht  zu  den  kleineren  Heiligthümern 
gezählt  werden  darf.  Hier  war  es  auch,  wo  Cicero  die  verrathenen  Catilinarier  vor  dem 
Senate  ins  Verhör  zog,  und  von  den  Stufen  dieses  Tempels  aus  theilte  der  verdiente 
Consul  dem  am  Forum  versammelten  Volke  das  Ergebniss  dieser  verhängnissvollen  Senats- 
sitzung mit  in  derselben  Rede,  welche  wir  noch,  freilich  in  späterer  Ueberarbeitung,  als  die 
dritte  catilinarische  besitzen.  Noch  zu  Lebzeiten  des  Augustus  im  J.  747  d.  St.  (7  v.Chr.) 
begannen  dessen  Stiefsöhne  Drusus  und  Tiberius  den  prachtvollen  Wiederaufbau  des 
vor  Alter  baufälligen  Tempels ,  und  auf  Augustus  Wunsch  setzte  Tiberius  selbst  nach  dem 
Tode  des  Vaters  und  des  Bruders  dennoch  des  Drusus  Namen  neben  dem  eigenen  auf 
das  Gebälke.^  Was  die  Zeit  der  Vollendung  des  Neubaues  und  dessen  Wiedereinweihung 
betrifft,  so  nennt  die  bereits  erwähnte  Münze  des  Tiberius  die  fünfte  imperatorische 
Acclamation  (ti  caesar  divi  avg  •  f  •  imp  •  v),  während  anderwärts  das  Consular- 
jahr  des  P.  Dolabella  und  C.  Silanus*  angegeben  wird  (763  d.  St.,    10  n.  Chr.).    Als 

*  Plut.  Camill.  42.         -  Cic.  in  Catil.  III.  9.      Saliust.  Conj.  Catil.  46.  49.      Plut.  Cic.  19.         *  Dio  Cass. 
LV.  8.    LVI.  23.  *  Fasl.  Praenest.  XVII  Kai.  Feb.       Foggini  Fastorum  anni  Rom.  a  Verrio  Flacco   ord.  rel. 

R.  1779.       Dio  Cass.  I.  c. 


gO  Das  Forum  Romanum. 

Veranlassung  zum  Wiederaufbau  werden  die  durch  Drusus  und  Tiberius  den  Deutschen 
abgerungenen  Vortheile  bezeichnet,^  die  im  erwähnten  Calendarium  (wenn  die  Text- 
herstellung daselbst  richtig  ist)  näher  als  ein  Triumph  über  Pannonien  bestimmt  werden. 
Nach  der  Abbildung  auf  der  erwähnten  Münze  war  der  Tempel  korinthischer  Ordnung, 
prostylos  (nur  am  Pronaos  Säulen)  und  hexastylos  (sechs  Säulen  in  der  Fronte). 
Während  der  erste  Bau  auf  dem  Giebel  Yictorien  trug,^  zeigt  der  Neubau  des  Tiberius 
auf  der  Münzabbildung  an  deren  Stelle  Krieger,  und  auf  dem  Gipfel  drei  umschlungene 
Figuren  als  Sinnbild  der  Eintracht.  Die  innere  Ausschmückung  aber  muss  überaus  reich 
gewesen  sein:  Plinius  nennt  die  in  diesem  Tempel  aufgestellten  Götterbilder,  den  Apollo 
und  die  Inno  des  Batton,  den  Aeskulap  und  die  Hygia  des  Nikeratos,  den  Mars  und 
Mercur  des  Tisikrates  ^ :  Meisterwerke ,  welchen  zwei  Gemälde ,  der  Marsyas  des  Zeuxis 
und  der  Liber  des  Nikias,  zur  Seite  standen.* 

Wie  aus  den  angezogenen  Nachrichten  erhellt,  stand  der  Tempel  wenigstens 
grossentheils  und  unter  seinem  ursprünglichen  Namen  bis  zum  1 3.  Jahrhundert,  Die  Zer- 
störung aber  muss  vor  dem  Ende  des  1 5.  Jahrhunderts  stattgefunden  haben,  da  in  diesem 
schon  die  naheliegende  Tempelruine  der  acht  Säulen  unter  dem  falschen  Namen  der 
Concordia  erscheint :  ^  und  da  sich  in  den  Eckthürmen  des  Senatorpalastes  und  in  den 
von  Nicolaus  V.  vermauerten  Bogenweiten  des  beschriebenen  Corridors  dieselben  Tuf- 
stücke  finden,  wie  sie  die  noch  erhaltenen  Reste  der  Cellamauer  zeigen,  so  hat  die 
Ansicht^  alle  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  dass  unter  Nicolaus  V.  der  Tempel  zur  Ge- 
winnung von  Baumaterial  abgetragen  wurde.  Die  hauptsächlichsten  Ausgrabungen  an 
der  Stelle  dieser  Ruine  fallen  in  die  Jahre  1817,  1830  und  1835,  in  welchem  letzt- 
genannten Jahre  die  ganze  Substruction ,  soweit  es  die  Salita  zur  Rechten,  die  gleich- 
wohl verengt  wurde,  zuliess,  blossgelegt  ward. 

4.    Die  Aedicula  der  Paustina. 

In  dem  schmalen  Gange  zur  Linken  vom  Tempel  der  Concordia,  zwischen 
diesem  und  dem  nebenliegenden  Tempel  der  drei  Säulen,  stiess  man  im  Jahre  1829 
auf  eine  ganz  kleine,  nur  2, so  Met.  breite  und  4,io  Met.  tiefe  Cella  von  Backsteinen, 
mit  den  Seiten  an  die  beiden  genannten  Tempel  und  mit  der  Rückwand  an  die  Sub- 
struction des  Tabularium  sich  anlehnend.  Die  Wände  waren,  wie  man  noch  bei  der 
Ausgrabung  sah,  mit  bemaltem  Stuck  bekleidet,  und  im  Innern  fand  man  ein  kleines 
Piedestal  mit  der  Inschrift :  divae  •  piae 

FAVSTINAE 
VIATOR    Q 
'     *      AB  AER  •  SAT 


.    .  *  Ovid.   Fast.   I.   645  —  648.  VLiv..XXVI.   23.  ''  Plin.   H.  N.   XXXIV.   8,  -19,  73.  80.  89.  *  id. 

}p:XV.  10,  36,  66.  131.         "  Poggius  Florentinus  1.  c.         «  A.  Nibby,   Roma  nell'  anno  1838.   Parte  I.  antica  p.  539. 


Tempel  des  Vespasianus. 


Der  Tempel  des  Vespfisian.  g/j 

Daraus  erhellt,  dass  hier  der  Executor  des  Aerarqulistors  der  vergötterten  Faustina 
(welcher  von  beiden ,  der  Gemahlin  des  Antoninus  Pius  oder  der  des  M.  Aurelius ,  ist 
ungewiss)  w  ohl  aus  Dankbarkeit  für  irgend  eine  erwiesene  Gnade  eine  Statue  errichtet 
und  diese  durch  eine  Art  Kapelle  eingeschlossen  habe.  Der  Zugang  dazu,  oder  vielmehr 
der, Zwischenraum  zwischen  der  Concordia  und  dem  Tempel  der  drei  Säulen,  war  mit 
TravertinplaKen  belegt,  von  denen  noch  einige  sich  an  Ort  und  Stelle  befinden. 


5.    Der  Tempel  des  Vespasian. 

Neben  dem  Unterbau  der  Concordia  und  ebenfalls  mit  der  Stirnseite  gegen 
den  Clivus  Capitolinus  gewendet  und  mit  der  Rückseite  sich  an  das  Tabularium  an- 
lehnend, erheben  sich  die  Reste  eines  regelmässigen  Tempels  von  33  Met.  Länge  und 
:22^  Met.  Breite.  Der  noch  grösstentheils  erhaltene  Unterbau  besteht  in  seinem  Kerne 
aus  Gussmasse,  die  durch  Tufquadern  eingeschlossen  und  mit  Marmor  bekleidet  war. 
Von  der  Treppe,  deren  oberste  Stufe,  um  Raum  zu  ersparen,  zwischen  die  Säulen 
hineingerückt  w  ar,  sind  nur  die  Spuren  des  oberen  Theiles  erhalten ,  nach  welchen 
Spuren  die  Stufen,  die  man  jetzt  zwischen  den  Säulen  sieht,  ergänzt  sind.  An  der 
rechten  Ecke  der  Tempelfronte  aber  erheben  sich  noch  drei  korinthische  canellirte 
Marmorsäulen,  die  Ecksäulen  mit  den  beiden  nächsten  von  der  Stirn-  und  Langseite, 
welche  mit  Basis  und  Capital  1  5,2o  Met.  Höhe  haben,  wovon  0,55  auf  die  Base  und 
1,75  auf  das  Capital  kömmt;  der  Durchmesser  derselben  beträgt  unten  1,57,  oben 
1,20  Meter.  Diese  drei  Säulen  tragen  noch  ihr  Marmorgebälke ,  auf  dessen  Fronteseite 
die  Endbuchstaben  ESTIVER 

von  der  Friesinschrill  übrig  sind,  welche  nach  dem  gewöhnlichen  monumentalen  Ge- 
brauche mit  Metall  ausgelegt  waren,  wie  die  noch  sichtbaren  Nietenlöcher  beweisen. 
Die  Friesfläche,  auf  welcher  dieser  Inschriftsrest  steht,  ist  mit  einem  Rahmen  von 
reicher  Ornamentik  umgeben.  Noch  mehr  aber  als  die  Stirnseite  zeigt  das  Gebälkstück 
der  Langseite  ganz  besonders  reichen  ornamentalen  und  plastischen  Schmuck.  Architrav 
und  Gesims  sind  in  den  üblichen  Leistenzierden  bis  zur  Ueberladung  ornamentirt,  und 
auf  dem  Fries  finden  sich  Opfergeräthe  in  Relief  dargestellt,  ein  bekränzter  Stier- 
schädel, eine  Yase,  Opfermesser,  Sprengwedel,  eine  Patera  (Schale),  ein  Beil  und 
der  Apex  (der  Hut)  eines  Flamen.  Auch  von  diesem  Tempel  hat  Canina  aus  den  aus- 
gegrabenen Fragmenten  ein  Gebälkstück  zusammengesetzt,  das  ebenfalls  im  Corridor 
des  Tabularium  zu  sehen  ist. 

Seit  den  bei  den  letzten  Ausgrabungen  angestellten  Untersuchungen  ist  sicher, 
dass  der  Tenipel  an  den  Seiten  der  Cella  keine  Säulen  und  nur  sechs  Säulen  in  der 

F.  Rrber,  die  Ruinen  Roms.  1 1 


82 


Das  Forum  Romanum. 


Fronte  mit  noch  je  einer  an  den  Seiten  hatte,  also  prostylos  hexastylos  war.  Die 
Cellawände,  wovon  an  der  rechten  Seite  noch  ein  Stück  erhalten  ist,  bestanden  aus 
gutbehauenen  und  in  der  Weise  wie  beim  Tabularium  in  alternirenden  Lagen  gefügten 
Travertinquadern   und  waren   mit  Marmor  belegt;    die  Rückwand   aber,    von  welcher 


fUet 


3.    Friesslück  vom  Vespasiaiilempel.   (F.  R.) 


ebenfalls  noch  ein  beträchtliches  Stück  übrig  ist,  lehnte  sich  an  das  Tabularium  und 
bedeckte,  wie  die  Concordia,  einen  Theil  des  Corridors.  In  der  Cella  selbst  an  die 
Rückwand  anstossend  sieht  man  noch  die  Reste  eines  grossen  Piedestals,  welches 
für  die  Kolossalstatue  der  hier  verehrten  Gottheit  bestimmt  war. 

Das  Verdienst ,  diesem  Tempel  seinen  richtigen  Namen  wiedergegeben  zu  haben, 
nachdem  er  so  lange  bei  den  Italienern  als  lupiter  Tonans  gegolten  hatte  ^  und  spater 
dem  Saturnus  zugeschrieben  ward,^  gebührt  dem  bereits  mehrerwähnten  römischen 
Architekten  L.  Canina.  Der  Anonymus  von  Einsiedeln  ^  gibt  nemlich  die  Inschriften  der 
drei  Tempel  am  Clivus,  so  weit  sie  zu  seiner  Zeit  noch  erhalten  waren,  jedoch  ohne 
Unterscheidung  aneinaYider  gereiht,  also:  »/«  Capitolio.  —  Sanalus  populusg ■  ronianus 
incendio  con\stimpiü  restituit  divo  vespasiano  aiiguslo  \  S.  P.  Q.  R.  impp.  cacss.  sevenis  el 
antoninus-  \pn  felic-aiig  resüluenml  •  S.  P.  Q.  R.  aedem  |  concordiae  vetiislate  collapsä  ■  in 
mc\liore  faciem  opere  et  cultu  splendidiore  resliltierunt.a  Von  diesen  Inschriften  wurde  der 
letzte  Theil  bereits  für  den  Tempel  der  Concordia  in  Anspruch  genommen :  schwieriger  war 
dieTheilung  der  beiden  übrigen.  Bunsen  und  Becker  nehmen  die  Worte  divo  vespasiano  aiig. 
zum  ersten  Theile  und  beziehen  sie  auf  den  Tempel  der  acht  Säulen  (dessen  Beschreibung 
sogleich  folgen  wird).  Auf  diesem  aber  finden  sich  wirklich  die  mit  dem  Anfange  der  Ein- 
siedler Inschriftensammlung  übereinstimmenden  Worte :  S.  P.  Q.  R.  incendio  consumptum 
restituit,  und  zwar  in  grossen  Buchstaben  auf  den  Fries  geschrieben,  ohne  noch  für  andere 
Worte  Raum  zu  geben  oder  auf  dem  gleichfalls  vollständig  erhaltenen  Architrav  eine  Spur 


'  bis  Nibby    I.  p.  541  sq.  *  Bunson,    Beschr.  d.  Stadt    Rom.    III.   1.  p.  53  iX.       Becker,    H.  d.  r.  A. 

Bd.  I.  p.  315  fr.         »  fol.  72b  ed.  Haenel  Arch.  f.  Philol.  &c.  Suppl.-Bd.V.  p.  -124.    Die  Zeilenabtheilung  der  Hand- 
sclirift,  natürlich  für  uns  ohne  Bedeutung,  ist  durch  seniirechte  Striche  bezeichnet. 


Der  Tempel  des  Vespasian.  83 

davon  zu  zeigen.  Da  nun  Bunsen  und  Becker  dennoch  die  Worte  divo  vespasiano  aug. 
für  diesen  Tempel  in  Anspruch  nehmen ,  bleibt  ihnen  kein  anderes  als  das  fast  lächer- 
liche Auskunftsmittel  übrig ,  der  Name  sei  auf  der  entgegengesetzten  Seite  geschrieben 
gewesen,  obwohl  doch  aus  den  Resten  unmittelbar  vor  den  acht  Säulen  zur  Evidenz 
deutlich  ist,  dass  hier  die  Treppe  und  somit  auch  die  Fronte  war,  obwohl  es  ferner 
ganz  unbegreiflich  ist,  eine  andere,  und  zwar  als  namentragend  die  Hauptfronte  an 
der  dem  Forum  abgewandten  Rückseite  anzunehmen,  abgesehen  davon,  dass  es  eine 
allzukühne  Behauptung  ist ,  die  Inschrift  sei  in  der  Weise  getrennt  gewesen ,  dass 
einige  Worte  derselben  auf  der  Vorderseite ,  die  anderen  auf  der  Hinterseite  angebracht 
waren,  während  doch  die  Länge  derselben  keineswegs  dazu  nöthigen  konnte.  Auch 
haben  die  genannten  Autoritäten  einen  wichtigen  Umstand  gerade  an  ihrer  eigenen  Be- 
weisbasis übersehen.  Der  Anonymus  kam  nemlich  offenbar  \om  Capitol  den  Clivus  herab 
und  schrieb  die  Inschriften ,  wie  sie  der  Reihenfolge  nach  kamen ,  auf.  Stand  nun  der 
Name  des  Vespasian  auf  der  dem  Forum  abgewandten  Seite  des  Tempels  der  acht  Säulen, 
so  musste  er  ihn  zuerst  sehen  und  auch  schreiben,  denn  dass  der  den  Namen  enthaltende 
Theil  der  Inschrift  der  wichtigere  sei ,  das  musste  selbst  der  beschränkte  Mönchsverstand 
unseres  Anonymus ,  dessen  Arbeit ,  wenn  sie  einsichtiger  gethan  worden  wäre,  der  rö- 
mischen Topographie  unschätzbare  Vortheile  gewährt  haben  würde,  begreifen. 

Die  Abtheilung  der  Inschrift,  so  wie  sie  Bunsen  vornahm  und  Becker  billigte,  ist 
jedoch  keineswegs  ohne  allen  Grund.  Der  erstere  allerdings  fusste  hauptsächlich  auf  einer 
nicht  diplomatisch  genauen  Copie  des  Anonymus ,  welche  eben  in  dieser  Weise  abtheilte. 
Mittlerweile  aber  fand  sich  eine  andere  Inschriftensammlung ,  welche  mit  der  des  Anonymus 
viele  Aehnlichkeit  hat  und  die  Inschriften  in  folgender  Weise  gesondert  gibt :  ^ 

S.  P.  Q.  R.  incendio  consumptum  restittdt  divo  Vespasiano  Augusto. 
S.  P.  Q.  R.  imp.  Caes.  Severus  et  Antoninus  Pii  felices  Aiigg.  restituerunt. 
S.  P.  Q.  R.  aedem  Concordiae  veiustate  collapsam  in  meliorem  fadem  opere  et  cultu 
splendidiore  restituerunt. 

Es  wird  nun  von  Becker  vorausgesetzt ,  dass  diese  Abtheilung  auf  Autopsie  beruhe,  und 
dass  die  Inschriften  wirklich  in  dieser  Weise  auf  den  drei  Tempeln  zu  lesen  waren.  Allein 
ich  finde  keine  Nöthigung  zu  dieser  Annahme :  denn  die  Abtheilung  konnte  ebenso  das 
Werk  eines  halbgebildeten  Copisten  sein,  und  betrachtet  man  die  so  gegliederten  In 
Schriften  genauer,  so  ergibt  sich  diess  sogar  als  evident.  Wir  haben  schon  gesehen, 
welcher  GewaUsamkeiten  es  bedarf,  die  Worte  divo  Vespasiano  Augusto  noch  auf  den 
Tempel  der  8  Säulen  zu  bringen:  das  was  aber  in  der  ersten  Zeile  als  zuviel  erscheint. 


•  Ms.  Riccard.   Vgl.  S.  77.  Anm.  8. 


g|.  Das   Forum  Ronianiini. 

fehlt  gerade  in  der  zweiten,  denn  S.  P.  Q.  R.  mit  Inip.  Caes.  Severits  et  Antonimis  PH 
felices  Aiigg.  resütuerunt  in  unmittelbare  Verbindung  zu  bringen,  würde  doch  Niemandem 
in  den  Sinn  kommen.  Entschliesst  man  sich  aber,  derselben  Inschriftzeile  die  letzten 
Worte  der  vorhergehenden,  die  denn  doch  am  Tempel  der  acht  Säulen  nicht  wohl  unter- 
zubringen sein  dürften,  voranzustellen,  so  hat  man  die  vollständige  Inschrift  unseres 
Tempels  der  drei  Säulen : 

DIVO  VESPASIANO   AVGVSTO    S   P   Q   R 
IMPF   CAESSSEVERVS   ET  ANTON INVSP II    FELICES  AVGGRESTITVER 

Die  erste  Inschriftzeile  bezog  sich  auf  den  Bau,  die  zweite  auf  eine  spätere  Herstellung 
des  Tempels;  das  letzte  Wort,  das  allein  von  der  ganzen  Inschrift  sich  erhalten  hat,  be- 
findet sich  auch  wirklich  so  tief  am  Fries,  dass  es  die  Annahme  einer  darüberstehenden 
Zeile  nicht  bloss  möghch  macht,  sondern  sogar  bedingt. 

Das  sich  dadurch  ergebende  vorläufige  Resultat  wird  nun  durch  andere  Umstände 
bestätigt.  Ich  schlage  das  dabei  nicht  zu  hoch  an,  dass  ein  römischer  Dichter  ^  den  Tempel 
des  Vespasian  neben  dem  der  Concordia  und  in  derselben  Richtung  und  Stellung  nennt, 
denn  in  einer  anderen  Notiz  ^  wird  die  Concordia  ausdrücklich  neben  dem  Tempel  des 
Saturn  liegend  bezeichnet.  Die  drei  Tempel  lagen,  wie  ein  Blick  auf  den  Plan  zeigt,  sehr 
nahe  neben  einander,  so  dass  sie  als  benachbart  bezeichnet  w^erden  können.  Ebenso 
könnte  man  noch  immer  den  ausdrücklichen  Worten  des  Monumentum  Ancyranum, 
jener  inschriftlichen  Aufzählung  der  Werke  des  Augustus:  ..BASILICAM  •  (IVLIAM)• 
1NTER•  AEDEM  •  CASTORIS  •  ET- AEDEM  •  SATVRNI . .  gegenüber  behaupten,  dass 
die  Basilica  lulia,  von  welcher  im  Verlaufe  besonders  gesprochen  werden  wird,  noch 
immer  zwischen  dem  Tempel  des  Castor  und  dem  des  Saturn  genannt  werden  konnte, 
wenn  auch  der  Tempel  des  Saturn  in  der  Ruine  der  drei  Säulen  am  Clivus  gesucht  wird, 
indem  nemlich  dann  der  Vespasiantempel  (angeblich  die  Ruine  der  acht  Säulen)  noch 
nicht  existirte,  allein  es  muss  doch  zugegeben  werden,  dass  dann  diese  Bestimmung 
höchst  ungenau  war  und  dass  sie  viel  bezeichnender  gewesen  wäre,  wenn  man  die 
Basilica  lulia  zwischen  dem  Castortempel  und  dem  Vicus  lugarius  oder  Clivus  Capitolinus 
genannt  hätte :  während  anderseits  die  Tempelruine  der  acht  Säulen  die  Basilica  lulia 
auf  der  Nordwestseite  ganz  in  derselben  Weise  begränzt,  wie  der  Castortempel  (die 
drei  Säulen  am  Forum)  auf  der  Südost seite ,  so  dass  die  Ausdrucksweise  des  Monu- 
mentum Ancyranum  in  diesem  Falle  als  höchst  passend  erscheint. 

Einen  vollständig  überzeugenden  Umstand  aber  brachten  die  letzten  Räumungs- 
arbeiten im  Tabularium  bei,  als  Vescovali  im  J.  1850  von  innen  aus  das  schon  erwähnte 
Thor  entdeckte,  welches  durch  die  Substruction  des  Tabularium  auf  das  Forum  führte. 


*  Stat.   Silv.  Lib.  I.   Ep.  1,   v.  31.  *  Scrvius  in  Virg.  Aen.   II.  v.  116. 


Der  Tempel  des  Vespasiaii.  85 

und  dabei  fand,  dass  der  Ausgang  durch  die  Rückwand  unseres  Tempels  vermauert  war.' 
Da  nun  der  Bau  des  Saturntcmpels  dem  des  Tabularium  vorausging,  so  kann  man 
sich  den  Ausgang  nur  als  schon  von  Anfang  an  verschlossen  denken,  wenn  der 
Tempel  der  drei  Säulen  dem  Saturnus  angehörte.  Und  den  Tempel  sich  in  der  Zeit 
der  Republik  kleiner,  d.  h.  nicht  an  die  Wand  des  Tabularium  angelehnt  zu  denken, 
ist  um  so  unzulässiger,  als  er  auch  in  seiner  jetzigen  Ausdehnung  für  das  Schatzhaus 
und  Archiv  des  Staates  zu  klein  erscheinen  dürfte,  abgesehen  davon,  dass  der  Unter- 
bau keine  Spuren  von  Souterrainkammern  darbietet,  wie  diess  bei  dem  Tempel  der 
8  Säulen  der  Fall  ist.  Wird  dagegen  die  Ruine  der  drei  Säulen  für  den  Tempel  des 
Yespasian  in  Anspruch  genommen,  so  bietet  die  Vermauerung  des  Einganges  keine 
Schwierigkeit  dar :  im  Gegentheil  ist  der  weitere  Umstand ,  dass  die  anstossende  Treppe 
im  Innern  so  neu  und  wohlerhalten  gefunden  wurde,  wie  diess  nur  bei  ganz  geringer 
Benutzung  vorauszusetzen  ist,  hier  sehr  statthaft,  da  wir  von  einer  umfassenden  Her- 
stellung des  Tabularium  nach  dem  vitellianischen  Brande  durch  Yespasian  Nachricht 
haben,  und  die  Erbauung  des  Vespasiantempels  dieser  Herstellung  in  wenigen  Jahren 
folgte.  Es  kann  sonach  kaum  in  Abrede  gestellt  werden,  dass  die  drei  Tempel  am 
Clivus,  templiim  Concordiae,  Satiirni  et  Vespasiani  &  Tiü,^  von  welchen  die  Ruinen 
vollständig  aufgedeckt  blossliegen,  in  der  beschriebenen  Weise  sich  gruppirten. 

Der  Tempel  des  Vespasian  ward  von  Domitian ,  seinem  Sohne  und  zweiten 
Nachfolger,  im  Consulatsjahre  des  Asprenas  und  Clemens  erbaut.^  Später  wurde  der 
Tempel  auch  dem  Titus  geweiht,  d.  h.  es  wurde  seine  Bildsäule  neben  der  seines 
Vaters  im  Tempel  aufgestellt,  und  wenn  auch  die  Inschrift  auf  dem  Fries,  wie  wir 
diess  beim  Tempel  der  Faustina  sehen  werden,  desshalb  nicht  geändert  wurde,  so 
erhielt  doch  der  Tempel  nachmals  den  Namen  Vespasiani  et  Tili.''  Die  zweite  Inschrift- 
zeile, von  welcher  sich  das  letzte  Wort  erhalten  hat,  meldet  eine  Restauration  durch 
L.  Septimius  Severus  und  dessen  Sohn  Antoninus  Caracalla.  Dass  Geta,  der  unglück- 
liche Bruder  des  Caracalla,  nicht  in  der  Inschrift  genannt  ist,  der  doch  gleichzeitig 
zum  Augustus  und  Mitkaiser  erhoben  worden  war,  lässt  sich  in  Erwägung  der  ängst- 
lichen Sorgfalt ,  mit  welcher  Severus  seine  beiden  Söhne  stets  in  ganz  gleicher  Weise 
auszuzeichnen  pflegte,  nur  so  erklären,  dass  die  Restaurationsarbeiten  erst  nach  Se- 
verus Tode  zu  Ende  kamen,  nachdem  auch  Geta  durch  den  Brudermörder  aus  dem 
Wege  geräumt  war,  oder  dass  der  Name  des  Ermordeten,  ebenso  wie  diess  sich  an 
den  anderen  Baudenkmälern  des  Septimius  Severus  findet,  nachmals  herausgekratzt 
und   durch    neuaufgeschriebene  Worte   ergänzt  wurde.    Als   solche  Ergänzungswörtei* 


*  L.  Canina,  Sulle  rccenti  discoperte  fatfe  nel  graiidc  odilizio  capilolino.    Annal.  d.  I.  d.  C.  a.  Vol.  XXIII. 
a*.  1 831 .  p.  268  —  278.        ^  Curiosum  Urbis  Komae  Reg. VIII.        *  Cassiod.  Ghron.  Doniit.  IX.       *  Curios.  U.  R.  1.  c. 


gf)  Das  Forum  Romanum. 

können  auch  die  beiden  npii  felicvs «  nach  dem  Namen  des  Antoninus  mit  grosser  Wahr- 
scheinhchkeit  betrachtet  werden.  Die  durch  die  Inschrift  berichtete  Herstellung  scheint 
jedoch ,  da  von  dem  Erhaltenen  weder  die  Arbeit  der  Capitäle ,  noch  des  Gebälkes  der 
Kunstepoche  des  Severus,  wohl  aber  der  des  Domitian  entspricht,  nicht  sehr  umfassend 
gewesen  zu  sein. 

Im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  ragte,  wie  wir  aus  den  Abbildungen  seit  Du  Perac 
(1674)  bis  Venuti  (1802.  2''*  Ediz.)  ersehen,  kaum  mehr  ein  Dritttheil  der  drei  erhaltenen 
Säulen  aus  dem  Schutte  hervor.  Zur  HerausschafFung  des  Baumaterials  der  Cellamauern 
hatte  die  Piünderungssucht  des  letzten  Mittelalters  einen  förmlichen  Schacht  in  deu 
Schuttberg  getrieben  und  selbst  die  Substruction  so  angegriffen,  dass,  als  man  im  Jahre 
1813  die  Ruine  blosszulegen  begann,  Gebälke  und  Säulen  abgetragen  werden  miissten, 
um  durch  Ergänzung  des  Unterbaues  dem  Einstürze  vorzubeugen.  Die  schönen  drei 
Säulen  wurden  dann  wieder  wie  vorher  aufgerichtet  und  mit  ihrem  Gebälke  gekrönt. 
Die  Blosslegung  des  Unterbaues  wurde  erst  im  Jahre  1 830  vollendet. 


6.   Die  sogenannte  Schola  Xantha. 

Zur  Linken  am  Fusse  der  Substruction  des  Vespasiantempels  —  ich  fasse 
natürhch  die  Bezeichnungen  rechts  und  links  immer  so,  wie  sie  sich  für  den  der 
Fronte  zugewendeten  Beschauer  ergeben  —  zieht  sich  ein  schmaler  mit  Travertin- 
platten  belegter  Gang  hin,  der  durch  einige  Stufen  mit  dem  Clivus  Capitolinus  in  Ver- 
bindung steht.  Dieser  Weg  führte  zu  einer  Reihe  von  kleinen  Kammern ,  die  ihn  zur 
Linken  begränzten.  Diese  haben  von  dem  Gange  her  ihre  besonderen  Zugänge,  die 
fast  ebenso  hoch  und  breit  als  die  Kammern  selbst  sind  und  von  welchen  sich  die 
marmornen  Schwellen  grösstentheils  erhalten  haben,  standen  aber  ursprünglich  unter- 
einander nicht  in  Verbindung ,  denn  die  Durchgänge  im  Innern  wurden  offenbar  erst 
später  gebrochen.  Die  ganz  aus  Ziegeln  gebauten  und  mit  Tonnengewölbe  bedeckten 
Kammern  sind  nur  2,77  Met.  breit,   3,35  tief  und  2,9o  hoch. 

Zu  diesen  Kammern  gehörten  wohl  die  drei ,  welche  in  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jahrhunderts  noch  mit  einem  grossen  Theile  ihres  Marmorschmuckes  gefunden  und 
dann  geplündert  worden  sind.^  Wie  man  aus  dem  Doppelberichte  entnehmen  kann, 
war  die  der  Langseite  des  Vespasiantempels  zugewendete  Stirnseite  dieser  Kammern 
mit  Marmor  bekleidet,   welche  Bekleidung   in   dorischer  Ordnung   pilastrirt  war.    Auf 


*  Bartholomaei  Marliani  Urbis  Romae  Topographia.  Roma  1534  &  1544.  Lib.  II.  c.  10.     (Graev.  Thes.  Anl. 
Rom.  Toni.  III.  p.  90  &  91.)       Lucio  Fauno,  delle  antichitä  della  cittä  di  Roma.  Venezia  1548.  fol.  49.  b. 


Der  Tempel  des  Yespasian.  S7 

dem  Architrav  aber  befanden  sich  zwei  Inschriften,  von  welchen  die  erste  mehr  nach 
innen  im  Gange  angebracht  war,  die  zweite  aber  mehr  nach  aussen  dem  CHvus  Capi- 
tolinus  näher,  wenn  wir  unsere  etwas  unklaren  Berichte  recht  verstehen.    Die  innere 

Inschritl  lautete : 

C  AVILIVS   LICINIVS   TROISIVS 

CVRATOR 

SCHOLAM   DE   SVO   FECIT 

BEBRYXAVG  L  DRVSIANVS   A  FABIVS   XANTHVSCVRSCRIBIS.LIBRARIiS. 

ET  PRAECON I BVS   AED   CVR   SCHOLAM 

AB    INCHOATO   REFECERVNT  MARMORIBVS  ORNAVERVNT  VICTORIAM 

AVGVSTAM    ET  SEDES   AENEAS   ET  CETERA  ORNAMENTA 

DE .  SVA .  PECVN 1 A  •  FECERVNT 

Auf  dem  äusseren  Theile  des  Architravs  las  man : 

BEBRYXAVGLDRVSIANVSA  FABIVS  XANTHVS  CVR  IMAGINESARGENTEAS 

DEORVM   SEPTEM    POST  DEDICATIONEM   SCHOLAE 

ET.  MVTVLOS   CVM   TABELLA  •  AENEA  •  DE   SVA   PECVN  I A   DEDERVNT 

Aus  diesen  Inschriften,  welche  jedoch  bald  nach  dem  Funde  weggenommen  und 
später  bei  dem  Triumphbogen  des  Titus  [in  summa  sacra  via)  wiedergefunden  wurden,^ 
um  dann  ganz  zu  verschwinden,  geht  hervor,  dass  diese  Kammern  von  dem  Curator 
A.  Licinius  Troisiiis,  einer  nicht  weiter  bekannten  Persönhchkeit,  auf  eigene  Kosten  erbaut 
und  von  Bebryx,  einem  Freigelassenen  des  Drusus,  und  A.  Fabius  Xanthus,  zwei  nicht 
minder  obscuren  Männern,  hergestellt  und  mit  sieben  silbernen  Götterbildern,  mit  Marmor- 
ornamentik und  ehernem  Geräthe  geschmückt  worden  seien,  und  den  Notaren,  Secretären 
und  Herolden  der  curulischen  Aedilen  als  Amtsstuben  gedient  haben.  Die  zweite  In- 
schrift aber  bietet  hinsichtlich  der  Erklärung  einige  Schwierigkeiten  dar,  und  die  mutuli 
cum.  tabella  aenea  werden  wohl  räthselhaft  bleiben.  Am  wahrscheinlichsten  dürfte  es  sein, 
an  eine  Bronzetafel  mit  einer  vielleicht  statutarischen  Inschrift  zu  denken,  bei  deren  Auf- 
stellung vielleicht  die  mutuli,  eine  Carnieszierde  der  dorischen  Ordnung,  als  Träger  oder 
sonst  in  irgend  einer  Weise  eine  Rolle  spielten.  Denn  dass  man  so  untergeordneter 
äusserer  Architekturstücke  als  solcher  besondere  Erwähnung  gethan  haben  sollte,  ist 
um  so  weniger  zu  glauben,  als  schon  die  Zusammenstellung  der  mutuli  mit  der  tabella 
aenea  auf  etwas  Anderes  hinzuweisen  scheint. 

Gleichzeitig  mit  dieser  Inschrift  wurde  auch  das  Piedestal  einer  Bildsäule  des 
Stilicho  gefunden,  die  jedoch  mit  der  Schola  iii  keinem  Zusammenhang  gestanden  zu 
sein  scheint.  Die  von  den  beiden  citirten  Berichterstattern  überlieferte  Inschrift  lautet  : 


'  Fulv.  Orsini   (Graev.  Thcs.  Ant.  Rom.   Tom.  III.   p.  90.   Not.  1). 


88  Das  Forum  Romanum. 

FLAVIO    STILICHONl    INLVSTRISSIIVIO   VIRO 

mAGISTRO    EQVITVM    PEDITVIYIQVE 

COmiTI    DOIVIESTICORVIVI    TRIBVNO    PRAETORIANO 

ET  AB    INEVNTE  •  AETATE    PER    GRADVS    CLARIS 

SimAE    miLITlAE  •  AD    COLVIVIEN    GLORIAE 

SEMPITERNAE    ET  REGIAE  •  ADFINITATIS    EVECTO 

PROGENERO  ■  DIVI    THEODOSI    COMITI    DIVI 

THEODOSI  •  AVGVSTI    IN  •  OIVINIBVS    BELLIS 

ATQVE  •  VICTORIIS    ET   AB  EO    IN    ADFINITATEM 

REGIAIVl    COOPTATO  ■  ITEIVIQVE    SOCERO  •  D    N 

HONORI  •  AVGVSTI    APHRICA    CONSILIIS    EIVS 

EX    PROVISIONE    LIBERATA    EX    S  •  C 

Welchen  Namen  diese  Schola  ursprünglich  gehabt,  wissen  wir  nicht,  denn  ausser 
einer  nur  beiläufigen  Andeutung,^  aus  welcher  auch  abzunehmen  sein  dürfte,  dass  dort 
die  Bürgerverzeichnisse  angefertigt  wurden,  haben  wir  keine  classische  Erwähnung. 
Der  Name  Schola  Xaniha ,  der  bereits  lange  genug  im  Umlauf  war,  seit  der  Verfasser  des 
gefälschten  Regionenverzeichnisses,  das  den  Namen  des  Rufus  trägt,  ihn  in  die  achte 
Region  eintrug ,  hat  keine  andere  Begründung  als  eine  höchst  unverständige  in  der  an- 
geführten Doppelinschrift.  Wenn  übrigens  die  Schola  wirklich  den  Namen  eines  Erbauers 
trug,  so  kann  diess  kein  anderer  sein,  als  der  des  Gründers  C.  Aviliiis  Licinius  Troisius, 
und  die  Bezeichnung  Schola  Licinia  muss  daher  auf  jeden  Fall  geeigneter  erscheinen,  als 
die  Bezeichnung  Schola  Xantha ,  nach  dem  Namen  eines  der  beiden  Restitutoren ,  den 
die  Inschrift  überdiess  an  zweiter  Stelle  nennt. 

Als  man  bei  der  Aufdeckung  des  Clivus  im  J.  1832  auf  diese  Kammern  stiess, 
fand  man  drei  derselben ,  ohne  Zweifel  die  schon  vor  3  Jahrhunderten  gefundenen ,  ver- 
schlossen und  mit  Unrath  angefüllt.  Bei  der  Ausräumung  stiess  man  am  Grunde  auf  die 
Reste  menschlicher  Leichname,  woraus  abzunehmen  ist,  dass  diese  Kammern  nach  der 
damaligen  Entdeckung  wahrscheinlich  bei  einer  der  in  damaligen  Zeiten  so  häufigen  Epi- 
demien zu  Gräbern  verwendet  worden  waren.  In  neuester  Zeit  wurden  diese  Kammern 
mit  grosser  Sorgfalt  wieder  hergestellt,  gleichzeitig  mit  der  weit  bedeutenderen  über 
ihnen  liegenden  Terrasse,  welche  sogleich  beschrieben  werden  soll. 


7.    Die  Area  der  Dii  Consentes. 

Die  eben  behandelten  Kammern  tragen  theilweise  einen  grösseren  lerrassirten 
Unterbau,  welcher  sich  vom  Vespasiantempel  bis  zur  Substruction  der  modernen  Auf- 
fahrt (Via  del  CampidogHo)  erstreckt,  und  die  Carve,  welche  hier  der  Clivus  Capitolinus 
nach  der  natürlichen  Beschaffenheit  des  capitolinischen  Abhangs  machen  musste,  aus- 

'  Cic.   Phil.   II.  7. 


Die  Area  der  Dii  Consentes.  89 

zufüUeü  bestimmt  war.  Die  demnach  an  zwei  Seiten  erhöhte  Fläche  oder  Area,  deren 
Marmorpflaster  noch  grösstentheils  erhalten  ist ,  hat  die  Form  eines  Trapezes  mit  einem 
sehr  stumpfen  Winkel  an  der  Westspitze  und  misst  an  der  südöstlichen  Seite ,  den  von 
der  Substruction  der  modernen  Strasse  jetzt  wieder  überdeckten  unbedeutenden  Theil 
mitgerechnet,  30,  an  der  Nordostseite  25  Meter.  Die  beiden  anderen,  den  stumpfen 
Winkel  einschliessenden  Seiten  werden  von  einer  Reihe  Kammern  begränzt,  vor  denen 
unter  demselben  Winkel  eine  Porticus  sich  hinzog.  In  den  Jahren  1832  und  1835 
wurden  die  drei  Kammern,  welche  sich  an  die  Substruction  des  Tabularium  anlehnen, 
und  vier  von  den  an  der  anderen  Seite  des  stumpfen  Winkels  liegenden  blossgelegt. 
Die  letzteren  vier  mit  dem  noch  sichtbaren  Ansatz  einer  fünften  sind  unter  der  modernen 
Strasse,  welche  hier,  um  die  Ruine  nicht  zu  sehr  zu  beeinträchtigen,  einen  grossen 
Bogen  erhalten  hat.  Sie  sind  4, 20  Met.  hoch,  3, 70  tief  und  von  nicht  ganz  gleicher  Breite, 
die  Eingänge  sind  wie  an  den  beschriebenen  Kammern  der  sog.  Schola  Xantha  fast 
ebenso  breit  wie  die  Gemächer,  doch  nur  2, so  Met.  hoch,  und  ebenfalls  mit  einem  wag- 
rechten Sturz  überdeckt.  Das  Mauerwerk  ist  aus  Backsteinen,  nur  die  Rückwand  der 
unter  der  Strassensubstruction  befindlichen  Kammern  ist  aus  Tufquadern  aufgeführt  und 
gehörte  wahrscheinlich  zum  Damm  des  hier  schon  beträchtlich  aufsteigenden  Clivus 
Capitolinus.  Der  Ziegelbau  scheint  aus  dem  zweiten  bis  dritten  Jahrhundert  nach 
Christus  zu  sein ,  die  Wände  waren ,  wie  man  aus  verschiedenen  Anzeichen  sieht ,  mit 
Marmor  belegt. 

Von  der  diesen  Kammern  entsprechenden  Porticus  wurden  bei  der  Ausgrabung 
im  Jahre  1835  zehn  attische  Säulenbasen  noch  auf  ihrem  Platze  gefunden;  dabei  noch 
ansehnliche  Stücke  monolither  Cipollinschäfte  und  Bruchstücke  des  Marmorgebälkes  mit 
einer  sehr  schätzbaren,  wenn  auch  leider  fragmentirten  Inschrift  auf  zwei  grossen 
Architravstücken.^  Alles  diess  blieb  23  Jahre  lang  liegen,  bis  man  im  Jahre  1858  sich 
entschloss,  die  gefundenen  Fragmente  zur  Restauration  zu  verwenden.  So  wurden 
neun  Säulen  der  Porticus  wieder  hergestellt ,  und  aus  den  Fragmenten  auch  wieder  mit 
einem  Theile  des  Gebälkes  gekrönt.  Vieles  musste  selbstverständlich  neu  hinzugefügt 
werden,  um  die  Fragmente  zu  ergänzen.  So  sind  namentlich  die  Schäfte  der  fünf  Säulen, 
welche  vor  den  Kammern  stehen,  die  sich  an  das  Tabularium  anlehnen,  neu,  aus 
Travertin,  und  schon  desshalb  von  den  antiken  leicht  zu  unterscheiden,  überdiess  auch 
nicht  canellirt.  Die  Canellirung  der  antiken  Schäfte  hat  das  Besondere,  dass  sie  nicht 
in  Hohlkehlen ,  sondern  umgekehrt  in  Rundleisten  ausgeführt  ist,  welche  indess  durch 
kantige  Rinnen   sich  schön  abheben.    Noch  eigenthümlicher  sind  die  Capitäle,  welche 


•  0.  Kellennann,  Scavi  del  Foro  Romano.  Iscrizione  del  Portico  Capitolino  e  della  Basilica  Giulia.  Bulletino 
ilell'  Inst,  di  Corr.  arch.  III.  b.  Marzo.   1835.   p.  33  —  38. 

F.  Rhiier.  die  Ruiuen  Roms.  ^2 


90  Das  Forum  Romanum. 

wohl  nach  moderner  Ausdrucksweise  korinthische  Phantasiecapitäle  genannt  zu  werden 
verdienen.  Sie  sind,  wie  aus  beifolgender  Abbildung  zu  ersehen  ist,  mit  Trophäen  ge- 
schmückt, welche  sich  durch  die  phrygische  Mütze  als  orientalische  erkennen  lassen, 
die  indess  keine  andere  als  ornamentale  Bedeutung  gehabt  zu  haben  scheinen. 
Im  Architrav  liest  man  folgende  Inschrift: 

deum  cONSENTIVM   SACROSANCTA  SIMVLACRA  CVM  OMNI   LO NE  CVLTV  INI 

vETTIVS       «       PRAETEXTATVS     «        V       «       C       «       PRA RBI 

CVRANTE        LONGEIO  CONSVL 


Aus  dieser  Inschrift  geht  hervor,  dass  Vettius 
Prätextatus,  der  im  Jahre  367  n.  Chr.  Prae- 
fectus  Urbi  war,  hier  die  Statuen  der  zwölf 
Götter,  welche  schon  von  Alters  her  auf  dem 
Forum  ihren  Platz  hatten,^  wiederhergestellt 
habe,  womit  auch  die  Arbeit  der  Porticus 
übereinstimmt.  Dieser  Vettius  Prätextatus, 
welcher  von  den  Chronisten  wegen  seines 
Christenhasses  öfter  erwähnt  wird  und  der 
eine  grosse  Anzahl  priesterlicher  Würden  in 
seiner  Person  vereinigte, ^  verwendete,  wie 
uns  ausdrücklich  berichtet  wird,  viele  Sorg- 
falt auf  die  Erhaltung  altrömischer  Heilig- 
thümer.^  Von  einem  Tempel  im  eigentlichen 
Sinne,  dessen  bei  Varro  Erwähnung  ge- 
schieht,^ kann  jedoch  hier  nach  Gestalt  der 
Localität  keine  Rede  sein.  Die  DU  Consentes 
(rathgebenden)  waren  die  zwölf  Haupt- 
gottheiten Roms,  sechs  männliche  und  sechs 
weibliche:  lupiter,  Apollo,  Mars,  Neptun, 
Vulcan,  Mercur,  Inno,  Minerva,  Venus,  Ceres, 
Diana   und  Vesta.     Wie   nun    diese   zwölf 


^CaiUmtt. 


SSnIendurchschnilt  und  Capit'äl  von  der  Area  Deum  Consentum. 
(F.  R.) 


Götterbilder  aufgestellt  waren ,  ist  nicht  klar.  Es  ist  möglich ,  dass  der  Kammern ,  von 
denen  jetzt  acht  nachweisbar  sind ,  zwölf  waren,  und  dass  jeder  derselben  ein  Götterbild 
entsprochen  habe ,  doch  ist  es  sehr  unwahrscheinlich ,  dass  diese  in  den  Kammern  selbst 


'  Varro,  r.  r.  I.  1,  4.         *  Piedestal  in  der  Villa  Mattei.   (Gruteri  Inscript.  ant.  tot.  orb.  Rom.  1602  &  1603. 
Append.  p.  MCII,   2).         *  Ammianus  Marc.  XXVII.  9.         *  Varro  L.  L.  VIII.  38,  121.  p.  444  Speng. 


Der  Tempel  des  Salurnus.  91 

aufgestellt  waren ,  welche  ohne  Zweifel ,  wie  die  oben  beschriebenen  diesen  ganz  gleich- 
artigen Gemächer  der  sog.  Schola  Xantha ,  zu  Amtslocalen  gedient  haben ;  die  Götter- 
bilder mussten  daher  auf  der  Porticus  oder  in  derselben  zwischen  den  Säulenweiten 
gestanden  sein.  Was  ich  aber  als  das  Wahrscheinlichste  vermuthe,  ist,  dass  die  Porticus 
sich  auch  noch  an  der  Seite ,  welche  der  Langseite  des  Vespasian  gegenüberliegt ,  und 
zwar  in  doppelter  Säulenreihe  über  der  sog.  Schola  Xantha  sich  hinzog,  wofür  allerdings 
wegen  der  Zerstörung  der  Area  an  dieser  Seite  keine  Spuren  als  Beweise  geltend  gemacht 
werden  können.  Die  Area  musste  an  dieser  Seite  jedenfalls  eine  Abgränzung  haben,  die 
um  so  nothwendiger  war,  als  sie  sowohl  zum  Schutze  für  die  oben  Wandelnden  als  zur 
Zierde  gereichte,  da  sonst  die  daruntergelegene  Schola,  kahl,  unschön  und  gedrückt, 
den  sonst  so  prächtigen  Anbhck  der  Gebäude  am  Glivus  sehr  beeinträchtigt  hätte. 
Ich  vermuthe  ferner,  dass  von  den  12  Götterbildern  sieben  gerade  an  dieser  Seite 
in  oder  auf  dieser  Porticus  aufgestellt  waren,  während  die  übrigen  fünf  den  fünf  mit 
dem  Tabularium  parallel  laufenden  Säulen  entsprachen.  Und  diese  sieben  Götterbilder 
sind  es  vielleicht,  welche  die  Restitutoren  der  sog.  Schola  Xantha  nach  Vollendung  der- 
selben aufstellten,  wie  aus  der  im  vorigen  Abschnitte  angeführten  zweiten  Inschrift  zu 
entnehmen  ist,  und  da  diese  von  Silber  waren,  mochte  eine  Erneuerung  derselben,  wie 
sie  Vettius  Prätextatus  vornahm ,  um  so  rascher  nöthig  werden ,  bei  welcher  jedoch  nach 
der  Inschrift  der  letzteren  das  Material  bescheidener  war. 

Noch  verdient  erwähnt  zu  werden,  dass  die  Inschrift  des  Vettius  in  sprachHcher 
Beziehung  in  Widerspruch  steht  mit  der  ausdrücklichen  Bemerkung  Varro's  (1.  c), 
dass,  abweichend  von  dem  sonstigen  Sprachgebrauche,  die  Form  Deum  Consentum 
üblich  sei,  während  man  hier  Consentiitm  liest.  Varronische  Grammatik  war  eben  um 
diese  Zeit ,  in  welcher  Kunst  und  Literatur  in  gleicher  Weise  in  Verfall  gerathen  war, 
nicht  mehr  massgebend. 

8.    Der  Tempel  des  Saturnus. 

Nachdem  nun  die  Gebäude,  welche  einerseits  von  dem  Unterbau  des  Tabularium, 
anderseits  von  dem  Glivus  Capitolinus  begränzt  werden,  beschrieben  worden  sind,  ist 
zunächst  der  zwischen  dem  letzteren  und  dem  Forum  im  engeren  Sinne  liegende  Raum 
zu  erörtern ,  der  ebenfalls  wie  die  jenseits  des  Glivus  liegenden  Ueberreste  durch  die 
umfassendsten  Ausgrabungen  seit  dem  Anfange  dieses  Jahrhunderts  grösstentheils  bloss - 
gelegt  worden  ist. 

Der  Glivus  trennt  die  beschriebene  Area  der  zwölf  Götter  von  dem  Tempel  der 
acht  Säulen,  der  schon  bei  der  Bestimmung  des  Vespasiantempels  in  die  Erörterung  ge- 
zogen werden  musste.  Der  Unterbau  dieses  Tempels,  dessen  Höhe  an  der  Fronte  5,  und 

12* 


92  Das  Forum  Romanum. 

dessen  Breite  22,50  Meter  beträgt,  welcher  Breite  eine  Länge  von  ungefähr  40  Met.  ent- 
spricht, ist  nicht  mehr  ganz  erhalten :  er  wird  theils  von  der  Yia  del  Campidoglio  überdeckt, 
theils  wurde  er  in  den  vorigen  Jahrhunderten  von  den  Hüttenbewohnern  des  Forum, 
welche  die  in  demselben  angebrachten  Gewölbe  für  ihre  Keller  benutzten ,  zerstört.  Die 
Kernmasse  bestand  aus  Gusswerk ;  die  Aussenseiten  waren  mit  Travertinquadern  beklei- 
det, welche  an  der  dem  Triumphbogen  des  Septimius  Severus  zugewendeten  Fronte  noch 
erhalten  sind.  Hier  waren  sie  auch  am  längsten  durch  den  Treppenbau  geschützt,  der 
jedoch  jetzt  bis  auf  einige  Reste  der  inneren  Gussmasse,  durch  welche  ein  jetzt  verstüm- 
melt biossliegender  Cloakenarm  führte,  zerstört  ist.  Ein  Fragment  des  capitolinischen  Planes 
(leider  nicht  Original,  sondern  zu  den  nach  einer  alten  Zeichnung  ergänzten  Stücken  gehörig), 
das  den  Namen  und  die  Gestalt  der  beschriebenen  Concordia  zeigt  imd  bei  der  Beschrei- 
bung dieser  sich  abgebildet  findet,  lässt  noch  einen  Theil  dieses  Tempels  und  besonders 
die  Treppe  sehen,  welche  durch  zwei  grosse  Piedestale  auf  einen  schmalen  Raum  einge- 
schränkt erscheint.  Dieser  schmalen  Treppe  des  Planes  entspricht  auch  die  Stirnseite  un- 
seres Unterbaues,  an  deren  Mitte  eben  da,  wo  sich  die  innere  Masse  der  schmalen  Treppe 
an  den  Unterbau  anschliessen  musste,  die  Travertinbekleidung  fehlt  und  der  leere  Raum 
mit  losen  Steinen  ausgefüllt  ist.  Unmittelbar  am  Rande  der  Travertinbekleidung  des  Un- 
terbaues erheben  sich  acht  Säulen  ionischer  Ordnung,  nemhch  die  sechs  Säulen  der  Fronte 
und  die  nächste  von  jeder  Langseite.  Die  Schäfte  der  Frontesäulen  sind  von  grauem,  die 
der  beiden  anderen  von  röthhchem  Granit,  dessen  glänzende  Politur  sich  noch  grössten- 
theils  erhalten  hat.  Die  Höhe  dieser  Schäfte  beträgt  11,  ihr  Durchmesser  unten  1,43  oben 
1,20  Meter.  Die  äusserste  Säule  zur  Linken  zeigt  oben  den  gleichen  Durchmesser,  wie 
unten :  die  Folge  einer  Herstellung  des  Tempels  in  der  Zeit  des  tiefsten  Kunstverfalls,  bei 
welcher  man  sich  nicht  einmal  mehr  darum  bekümmerte  die  Säulentrommeln  in  richtiger 
Reihenfolge  aufeinanderzusetzen,  wodurch  es  denn  kam,  dass  jetzt  ein  Stück  vom  unte- 
ren, natürlich  stärkeren  Ende  der  Säule  auf  das  obere  aufgestülpt  ist.  Aus  demselben 
Grunde  sind  auch  die  Marmorbasen  unter  sich  ungleich,  von  dreierlei  Art,  die  einen  at- 
tisch, die  anderen  korinthisch  mit  und  ohne  Plinth,  indem  sie  nicht  einmal  in  wagrechter 
Linie  stehen,  0,55  bis  0,6?  Met.  hoch.  Die  Marmorcapitäle,  0,9o  Met.  hoch,  haben  Eckvo- 
luten, jene  spätere  Form  des  ionischen  Styls,  welche  aus  der  abnormen  Bildung  der  Eck- 
säulen hervorgegangen  zu  sein  scheint,  wie  in  der  Einleitung  (S.  18)  entwickelt  worden 
ist,  und  weit  abweichend  von  der  normalen  Gestalt  einen  dreifachen  Echinus,  dessen 
unterer  Wulst  ein  Akanthusschema,  der  mittlere  eine  plumpe  Flechtornamentik,  und  der 
obere  erst  die  üblichen  Schlangeneier  zeigt.  Das  Ganze  ist  geschmacklos  und  überladen, 
wenn  auch  noch  immer  nicht  aus  der  ganz  späten  Zeit,  aus  welcher  die  letzte  Re- 
stauration stammte ,  in  welcher  man  auch  zu  einer  solchen  Leistung  nicht  die  Fähigkeit 
gehabt  hätte.    Auf  den  Säulen  ruht  noch  ihr  entsprechendes  Gebälke  und  ein  Theil  der 


gi^'^^i^^i^g^ 


CO 


Der  Tempel  des  Saturn  us.  93 

Giebelwand.  Auf  dem  von  aussen  einfachen  Gebäike,  an  welchem  Architrav  und  Fries  in 
einer  Fläche  gearbeitet  sind,  was  auch  den  tiefen  Kunstverfall  beurkundet,  stehen  die  schon 
beim  Vespasiantempel  nach  der  Abschrift  des  Einsiedeiner  Anonymus  angeführten  Worte : 

SENATVS   POPVLVSQ   ROMANVS 
INCENDIOCONSVMPTVM   RESTITVIT 

Die  innere  Seite  des  Frieses  ist  mit  Blätterornamentik  reich  aber  etwas  derb  ver- 
ziert, einzelne  Stücke  davon,  die  einer  späteren  Restauration  angehören,  sind  von 
sehr  roher  Arbeit.  Auch  der  Marmorcarnies  mit  seinen  für  den  ionischen  Styl 
eigentlich  ungehörigen  Kragsteinen  und  den  zwischen  ihnen  angebrachten,  in  zwei 
Mustern  abwechselnden  Rosetten  ist  noch  ziemlich  wohl  erhalten. 

Dass  die  acht  Säulen  dem  Tempel  des  Saturnus  angehörten ,  folgt  aus  dem 
Beweise,  der  oben  die  drei  Säulen  mit  dem  Inschriftrest  ESTIVER  dem  Tempel  des 
Vespasian  zuschrieb.  Denn  der  Saturntempel  wird  —  um  das  Hiehergehörige ,  was 
grossentheils  schon  negativ  angezogen  werden  musste,  mit  neuen  Beweismitteln  hier 
positiv  wieder  zusammenzufassen  —  am  Clivus  Capitolinus^  und  noch  bezeichnender 
vor  demselben,^  überdiess  am  oberen  Ende  des  Forum  {in  capite  fori)  über  dem 
Milliarium  aureum^  und  sowohl  neben  dem  Tempel  der  Concordia*  als  neben  dem 
des  Vespasianus  ^  genannt.  An  beide  Tempel  gränzt  unsere  Ruine  der  acht  Säulen, 
an  den  ersteren  mit  der  Langseite,  an  den  letzteren  mit  der  Fronte,  und  entspricht 
auch  genau  den  übrigen  angeführten  Angaben  der  Alten  in  Bezug  auf  die  Lage  des 
Saturnus.  Eine  sehr  präcise  Bestätigung  liefert  dann  die  schon  besprochene  Stelle 
des  Monumentum  Ancyranum,^  welche  den  Saturntempel  als  eine  Begränzung  der 
Basilica  lulia  bezeichnet.  Die  nun  grösstentheils  blossgelegte  Basilica  lulia  zeigt,  dass 
ihr  nordwestliches  Ende  nur  durch  eine  schmale  Strasse  von  der  Ruine  der  acht 
Säulen  getrennt  war;  und  wenn  alles  diess  noch  nicht  ausreichen  sollte  vollends  zu 
überzeugen,  so  muss  endlich  das  Doppelfragment  des  capitolinischen  Planes,  von  wel- 
chem wir  bei  der  Beschreibung  der  Basilica  luha  eine  Abbildung  geben  werden,  alle 
Bedenken  heben.  Denn  dass  die  Buchstaben  VRNI  ,  welche  offenbar  in  dem  Zwischen- 
räume zwischen  der  Basilica  lulia  und  unserm  Tempel  zu  lesen  sind,  nicht  anders  als  in 
aeiles  SaiVRNI  zu  ergänzen  sind,  kann  kaum  bezweifelt  werden,  und  diese  Bezeichnung 
konnte  dann  zu  nichts  anderem  gehören,  als  zu  diesem  Tempel,  von  dessen  Grund- 
risse sich  noch  einige  Linien  auf  dem  Planfragmente  finden. 


'  Dionys.  I.  34.  "  Serv.  ad  Virg.  Aen.   II.   v.  <16.  •'  Tacit.   Hist.   I.  27.       Siiiefoii.   (lalh.   S.       i'liu. 

H.  N.  III.  5,  9.         *  Serv.  1.  c.         *  Curios.  Urb.  Roniae  Reg.  VIII.         *  vgl.  S.  84. 


94  Das  Forum  Romanum. 

lieber  die  Gründung  des  Tempels,  beziehungsweise  Heiligthums  des  Saturnus 
besitzen  wir  vielerlei  Nachrichten.  In  grauer  Vorzeit  sollen  des  Herkules  Gefährten, 
die  sich  auf  dem  Capitolinus  (damals  Saturninus  genannt)*  ansiedelten  und  die  Stadt 
Saturnia  erbauten,  diesem  Gotte  ein  Heiligthum  gegründet  haben.^  Dann  wird  von 
Tullus  Hostilius  erzählt,  dass  er  nach  seinen  Siegen  über  die  Albaner  und  Sabiner 
seinem  Gelübde  gemäss  den  Tempel  des  Saturnus  geweiht  und  die  Saturnahen  in  Rom 
eingeführt  habe.^  Im  Widerspruche  damit  wird  jedoch  anderwärts  *  erwähnt,  dass  ihn 
erst  L.  Tarquinius  erbaut  und  der  Dictator  T.  Larcius  geweiht  und  gleichzeitig  den 
Saturnalien  in  Rom  den  Ursprung  gegeben  habe.  Andere  versetzen  nicht  bloss  die  Ein- 
weihung, sondern  auch  den  Bau  des  Tempels  in  die  Zeit  der  Republik  unter  L.  Furius.^ 
Mehr  historische  Angaben  berichten,  dass  er  unter  der  Prätur  des  A.  Sempronius  und 
M.  Minucius,  mithin  im  J.  257  d.  St. ,  durch  Postumius  Cominius  eingeweiht  worden  sei, 
und  dass  erst  damals  die  Saturnalien  gestiftet  wurden.^  Diess  stimmt  mit  Varro  (Ma- 
crobius  a.  a.  0.)  nahe  zusammen,  da  des  T.  Larcius  Dictatur  in  das  Jahr  253  d.  St. 
(501  v.  Chr.)  föllt. 

Die  ursprüngliche  Beschaffenheit  des  Tempels  ist  unsicher,  gewiss  ist  nur,  dass 
er  schon  als  solcher  am  Anfange  der  Republik  stand  und  die  gewöhnliche  Form,  d.  h. 
eine  geschlossene  Cella  besass,  als  ihn  Pophcola  zur  Schatzkammer  des  Staates  machte.'^ 
Das  unansehnliche  Gebäude  scheint  T.  Larcius  oder  Postumius  Cominius  prächtiger  auf- 
gebaut zu  haben.  Von  den  verschiedenen  Herstellungen  und  Neubauten  aber,  wie  sie 
bei  den  wachsenden  Anforderungen  an  ornamentale  Architektur  und  Luxus  in  Ma- 
terialien, besonders  in  Rücksicht  auf  einen  so  hervorragenden  Platz,  wie  ihn  dieser 
Tempel  einnahm,  im  Laufe  der  Jahrhunderte,  ja  fast  eines  Jahrtausends,  nöthig  wurden, 
haben  wir  keine  andere  historische  Kunde,  als  die,  welche  wir  in  der  Grabschrift  des 
L.  Munatius^  lesen,  und  selbst  von  dieser,  welche  besagt,  dass  der  hier  Bestattete 
aus  der  Beute  von  Reate  den  Tempel  des  Saturnus  gebaut  habe,  ist  es  sehr  zweifel- 
haft, ob  diess  in  der  hyperbolischen  Sprache  der  Grabinschriften  wirklich  einen  Neu- 
bau und  nicht  bloss  eine  Herstellung  bedeute.  Der  ursprüngliche  Altar  aber,  den  die 
Tradition  noch  vor  die  Gründung  Roms  zurückversetzte,  soll  noch  in  der  Zeit  des 
Augustus^  bestanden  haben. 

Dieser  Tempel  verdankte  seine  Bedeutung  neben  seinem  mythischen  Alter 
hauptsächlich  seiner  Bestimmung  als  Aerarium  pubhcum,  als  Schatzhaus  des  Staates. 
•Der  Umstand,  dass  der  Name  Aerarium  auch  für  das  Local  gebraucht  wird,  in  welchem 
die    Senats-  und  Volksbeschlüsse,    Staats-  und  Privatverträge   niedergelegt  wurden,**^ 

'  Varro,  L.  L.  V.  7,  13.  p.  48.  Sp.  —  Dionys.  I.  34.  '^  Solin.  1. 12.  Dionys.  1.  c.  ^  Macrob.  Sat.  1.  8. 
*  Varro  de  sacr.  aed.  Lib.  VI.  bei  Macrob.  1.  c.  *  A.  Gell,  bei  Macrob.  1.  c.  ^  Dionys.  VI.  1.  Liv.  II.  21. 
^  Plut.  Poplic.   12.  "  Vom  Grabmal  bei  Tivoli,   jetzt   sog.  Torre  di  Orlando.  *  Dionys.    1.  c.  '"  Liv. 

XXXIX.  4.       Tacit.  Ann.  III.  31.       Suet.    Caes.  28.    Aug.  94. 


Der  Tempel  des  Saturnus.  95 

sowie  die  ausdrückliche  Erwähnung  der  Aufbewahrung  von  Privatacten  im  Tempel 
des  Saturnus^  beweisen,  dass  dieser  Tempel  in  der  Zeit  vor  der  Erbauung  des  Ta- 
bularium  mit  den  übrigen  bei  der  Beschreibung  der  letzteren  angeführten  Localen 
theilweise  auch  als  Archiv  gedient  habe.  Dass  auch  umgekehrt  das  Tabularium  spater 
zur  Schatzkammer  ward ,  ist  jedoch  nicht  nachzuweisen.  Die  Unterscheidung  zwischen 
Aerarium  schlechthin  und  Aerarium  sanctius,^  welch  letzteres  Bunsen^  auf  die  von 
ihm  angenommene  Schatzkammer  im  Tabularium  bezog,  scheint  nicht  so  fast  von 
räumlicher  als  vielmehr  von  sachlicher  Bedeutung,  übrigens  konnte  der  heilige  Schatz 
in  dem  innersten  oder  tiefsten  der  Gewölbe,  von  welchen  man  noch  die  Reste  in 
dem  halbzerstörten  Unterbau  der  acht  Säulen  sieht,  auch  räumlich  gesondert  auf- 
bewahrt werden,  ohne  ein  besonderes  Gebäude  zu  erfordern. 

Das  Ornamentale  der  Architektur  dieser  malerischen  Ruine  gehört  nach  der 
Arbeit  ohne  Zweifel  einem  Neubau  des  Tempels  in  später  Kaiserzeit,  vielleicht  zu 
Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  n.  Chr.  an,  wie  aber  aus  der  schon  besprochenen 
sorglosen  Zusammensetzung  ungehöriger  Ornamentstücke  ersichtlich  ist,  war  dieser 
Tempel  einer  der  zuletzt  hergestellten  der  Stadt  Rom.  Diess  hängt  damit  zusammen, 
dass  seine  Bestimmung  als  Schatzhaus  seine  Bedeutung  als  Tempel  überdauerte,  wo^ 
durch  auch  eine  Herstellung  in  ganz  christlicher  Zeit  zulässig  wurde:  man  unterliess 
auch  bei  der  letzten  Herstellung,  den  Namen  des  Saturnus  wieder  auf  demselben 
anzubringen.  Eine  Andeutung  über  den  weiteren  Zweck  ^  des  Gebäudes  gibt  sein 
mittelalterlicher  Name  Cecha  [Zecca,  Münze),*  den  es  bis  zum  1 5.  Jahrhundert  er- 
halten zu  haben  scheint,  in  welchem  es  zum  erstenmale  unter  dem  falschen,  jedoch 
nichtsdestoweniger  lange  vulgären  Namen  der  Concordia  auftritt.^  Im  Anfange  des 
1 5.  Jahrhunderts  sah  ihn  Poggio  noch  fast  unversehrt,  bei  seiner  zweiten  Romreise  je- 
doch fand  er  ihn  des  Marmors  beraubt,  der  in  die  Kalköfen  wanderte,  und  die  Cella- 
wände  abgetragen.  Während  der  französischen  Herrschaft  in  Rom  zu  Anfang  dieses 
Jahrhunderts  mussten  die  Hütten  und  Bäume  weichen ,  die  sich  auf  der  Area  des  Tem- 
pels und  zwischen  den  Säulen  breit  gemacht  hatten  und  der  Ruine  auf  den  Abbil- 
dungen derselben  bis  Venuti  ^  herab  ein  so  pittoreskes  Aussehen  gegeben  hatten.  Um 
1820  war  der  ganze  Unterbau,  soweit  es  wegen  der  modernen  Strasse  möglich  war, 
blossgelegt. 

Von  dem  sog.  Grabmal  des  Orestes,  das  sich  vor  dem  Saturntempel  befunden 
haben  soll,'^   sind  keine  erkenntlichen  Spuren  mehr  übrig. 


*  Serv.  ad  Virg.  Georg.  II.  v.  50a.  *  Liv.  XXVII.  10.  '  Beschreibung  der  Stadt  Rom.  Stutt.  <838. 
III.  Abth.  2.  S.  12fg.  *  Anonymus  Chigiensis  cf.  Fea,  Varietä  di  notizie.  p.  100.  *  Poggii  Florentini  ora- 
tori.s  et  philosophi  opera.  Basil.  s.  a.  Dissert.  de  fortunae  varietate  urbis  Romae  et  de  ruina  eiusdem  dcscriptio 
p.  135.         *  R.  Venuti,  descrizione  topografica  delle  antichitä  di  Roma.  <803.         '  Serv.  ad  Virg.  Aen.  II.  v.  4 16. 


96  Das  Forum  Romanum. 


9.   Die  Gräcostasis  (lulia). 


Wendet  man  sich  vom  Saturntempel  gegen  den  grossen  Triumphbogen  des 
Septiraius  Severus,  der  über  dem  Anfange  des  Clivus  Capitolinus  steht,  so  sieht  man 
fast  unmittelbar  an  der  Substruction  der  modernen  capitolinischen  Fahrstrasse,  von 
dem  Tempel  der  Concordia  durch  den  Clivus  Capitolinus  getrennt,  eine  leichtge- 
krümmte Terrasse,  gegen  das  Forum  gewendet,  über  welches  sie  sich  um  etwa  drei 
Meter  erhebt.  Der  Marmorrand  mit  leichten  Lisenen  ist  noch  zum  Theil  erhalten, 
imd  zeigt  abwechselnde  Marmorarten.  Oben  sieht  man  noch  stellenweise  die  Löcher, 
in  welche  ohne  Zweifel  ein  Bronzegeländer  eingelassen  war.  Die  Curve  war  bei  den 
grossen  Ausgrabungen  am  Clivus  zwar  vollständig  blossgelegt  worden,  ist  aber 
jetzt  grossentheils  wieder  von  dem  Strassendamm  der  Via  del  Campidoglio  bedeckt. 
Die  ganze  Curve  musste  ungefähr  eine  Sehnenlänge  von  30  Meter  haben. 

Ueber  die  Bestimmung  dieser  Terrasse,  die  erst  seit  drei  Jahrzehnten  bekannt 
geworden,  sind  verschiedene  Meinungen  aufgestellt  worden.  Die  bedeutendste  neuere 
Autorität,  Canina,  hielt  sie  auf  Ciacconio's  Bericht  über  die  Auffindung  der  Columna 
rostrata  des  Duilius  *  hin  und  mit  Beiziehung  eines  ReHefs  vom  Constantinbogen,  von 
welchem  im  nächsten  Abschnitte  eine  Abbildung  gegeben  werden  wird,  für  die 
Rostra  im  eigenthchen  Sinne,  die  später  nach  der  Errichtung  der  lulischen  Redner- 
bühne als  die  »alten«  Rostra  unterschieden  werden  mussten. ^  Doch  entbehrt  diese 
Annahme  einerseits  aller  Begründung,  anderseits  steht  sie  nicht  bloss  mit  jeder  belie- 
bigen Anordnung  der  Gebäude  des  Comitium  im  Widerspruche,  sondern  insbesondere 
mit  dem  doppelt  bezeugten  Umstände,  ^  dass  der  Redner,  je  nachdem  er  sich  wen- 
dete, mit  den  am  Comitium  und  den  am  Forum  Versammelten  sprechen  konnte,  was 
die  Lage  der  Rostra  in  der  Mitte  zwischen  beiden  als  unzweifelhaft  voraussetzt.  Auch 
hat  die  Terrasse  überhaupt  nicht  die  Form  einer  Rednerbühne  und  wäre  für  den 
Zweck  zu  geräumig;  was  aber  die  Hauptsache  ist,  sie  gränzt  gar  nicht  unmittelbar 
an  das  Forum,  sondern  war  an  dieser  Seite  durch  eine  bisher  noch  nicht  gehörig 
gewürdigte  massive  Construction  verbaut,  welcher  Umstand  allein  ausreicht,  um  die 
ganze  Hypothese  von  der  Rednerbühne  über  den  Haufen  zu  werfen.  Bunsen,  eben- 
falls dem  Glauben  an  diese  imaginären  Rostra  huldigend,  hielt  sie  jedoch  nicht  für 
die  alten ,  sondern  nannte  sie ,  fussend  auf  die  Angabe  der  Notitia  Reg.  VHL  Forum 
romanum  magmm.  continet  roslras  (!)  ///*  und  auf  ein   Relief  des    Constantinbogens, 


P.Ciacconii  in  Columnae  rostratae  inscriptionem  explicatio.    (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  Tom.  IV.  p.  1807  sq.) 
L.  Canina,  Sul  porto  neroniano  di  Anzio  e  sui  rostri  del  forum  Romanum.   (Atti  della  Pontifizia  Accademia  Rom. 
di  Archeol.  Tom.  VIll.  1838.   p.  4  07— 116.)  *  Plutarch.    C.  Graccli.  3.     Cic.  de  amicit.  25.  *  Curios.  Urb. 

Roniae.  Roii.  VIII. 


Die  Gräcostasis  ([ulia).  97 

(las  ich  S.  99  in  Abbildung  beifüge,  Rostra  Flavia,  mit  einem  Namen,  der  nichts  ist  als 
reine  Erfindung.^  Mommsen  hält  die  terrassenförmige  Substruction  im  Einklang  mit 
seinem  System  des  alten  Comitium  für  die  Gräcostasis  der  Republik.  ^  Mit  der  Nicht- 
annahme seiner  Ansicht  über  die  Curia  Hostilia ,  von  deren  Lage  und  Schicksalen  unten 
gesprochen  werden  wird,  muss  auch  dieses  verworfen  werden.  Am  wahrscheinlichsten 
erklärt  sich  die  Substruction  allerdings  als  Gräcostasis,  allein  nicht  als  die  der  Republik, 
welche  mit  der  Curia  Hostilia  und  mit  den  Rostren,  deren  Stelle  erwähn termassen  zwi- 
schen Forum  und  Comitium  war,  in  Verbindung  stand,  ^  sondern  als  diejenige,  welche  in 
Folge  der  Veränderung  des  Curia-Complexes  durch  Cäsar,  der  (wie  unten  gezeigt  wer- 
den wird)  an  der  Stelle  der  Curia  Hostilia  den  Tempel  der  Fehcitas,  und  näher  an  dem 
capitolinischen  Clivus  die  neue  Curia  (luha)  erbaute,  in  derselben  Richtung  verlegt  wor- 
den sein  musste.  Damit  stimmt  auf  das  vollkommenste  die  Aufzählung  des  einzigen  ächten 
Regionars*  überein,  welches  unter  den  Gebäuden  am  Clivus  nach  dem  Miliarium  aureum 
und  demVicus  lugarius  und  vor  derBasilicalulia  das  Gräcostadium,  wie  bei  ihm  (S.Jahr- 
hundert n.  Chr.)  dieses  römisch-hellenische  Zwitterwort  lautet,  nennt,  worunter  jedenfalls 
nicht  mehr  die  mit  der  ehemaligen  Curia  Hostilia  verbundene  Gesandtschaftsterrasse,  son- 
dern nur  die  Gräcostasis  gemeint  sein  kann,  welche  in  der  Kaiserzeit  bestand.  Indem 
man  nun  bisher  nicht  auf  den  Gedanken  gerieth,  in  der  beschriebenen  Terrasse  den 
nlocus  substruclus<i^  dieser  zweiten  Gräcostasis  zu  erkennen,  hat  man  dieselbe,  durch  die 
auch  sonst  wohlgeordnete  Reihenfolge  des  Regionars  veranlasst,  zwischen  die  Basilica 
lulia  und  den  Saturntempel  gesetzt ;  eine  Annahme,  die  durch  die  Aufdeckung  der  ge- 
nannten Basilica  und  durch  die  Wahrnehmung,  dass  zwischen  derselben  und  dem  Saturn- 
tempel nur  eine  Strasse ,  der  Vicus  lugarius ,  Platz  hatte ,  zur  Unmöglichkeit  geworden 
ist.  Wenn  ich  es  aber  reine  Erfindung  nannte,  dass  Bunsen  seine  vermeintlichen  Rostra 
als  Rostra  Flavia  benannte,  so  kann  nicht  dasselbe  davon  gesagt  werden,  wenn  ich  diese 
Gräcostasis  der  Kaiserzeit  als  Gräcostasis  lulia  bezeichne,  denn  Cäsar  hat  das  ganze 
Comitium  in  der  Weise  umgestaltet .  dass  eine  Versetzung  namentlich  der  Annexen  der 
Curia,  die  selbst  einen  anderen  Platz  erhielt,  unerlässlich  war.  Da  wir  nun  die  Gräco- 
stasis auch  wirklich  versetzt  finden,  so  ist  doch  nichts  wahrscheinlicher,  als  dass  diess 
bei  Gelegenheit  des  Baues  des  Felicitastempels  geschah  und  neben  den  bekannten  Namen 
der  Curia  lulia  und  der  Rostra  lulia  kann  die  Bezeichnung  Gräcostasis  lulia  wohl  nicht 
aus  der  Luft  gegriffen  erscheinen.  Wenn  aber  auch  das  nur  als  Vermuthung  hingestellt 
werden  kann,  dass  diese  Terrasse  von  Cäsar  oder  Augustus  errichtet  worden  sei,  so 


*  Cli.  Bimsen,    Les  forma  de  Rome.     Lettre  adress^e  a  Mr.   Ic  Cliev.  Caiiina.      Annali  d.  I.  d.  C.  A.  1836. 
Vol.  VIII.    p.  207 — 275,      B.  n.  5.  '  Th.  Mommsen,    de  Comitio  Romano  cnriis  lanique  templo.  Annalid.  I. 

d.  C.  A.  L.  1844.  Vol.  XVI.  p.  288—318.  c.  3.       *  Plin.  H.  N.  VII.  60,  212.   Varro,  L.  L.  V.  32,  43.      *  Curios.  l'rb. 
Rom.  Reg.  VIII.         *  Varro  1.  c. 

F.  llETiF.R,  Die  Ruinen  Roms.  13 


98  Das  Forum  Romanum. 

muss  doch  die  Behauptung  der  Identität  derselben  mit  dem  vom  Regionär  erwähnten 
Gräcostadium  der  Kaiserzeit  als  vollgültig  geltend  gemacht  werden;  da  dieses  jedoch 
schon  unter  den  Kaisern  Carinus  und  Numerianus  (283  n.  Chr.)  mit  andern  Gebäuden 
des  Forum  durch  Brand  ^  gelitten  haben  soll ,  muss  dessen  Errichtung  schon  in  eine 
frühere  Zeit  gesetzt  werden. 

10.  Die  Rostra  der  späteren  Kaiserzeit. 

Es  ist  schon  in  dem  vorigen  Abschnitte  einer  Substructionsmauer  Erwähnung 
gethan  worden,  welche  die  Annahme  unmöglich  machte,  dass  die  eben  beschriebene 
Terrasse  eine  Rednerbühne  gewesen  sei.  Diese  Substructionsmauer  besteht  aus  grossen 
Peperinblöcken  und  zieht  sich  in  derselben  Länge  wie  die  beschriebene  Gräcostasis 
etwa  5  Meter  breit  und  nur  in  geringer  Höhe  erhalten  unmittelbar  vor  derselben  in 
gerader  Linie  hin.  Diese  Substruction  ist  jedoch  jetzt  von  dem  aufgemauerten  Damm 
der  modernen  Fahrstrasse  grösstentheils  bedeckt,  war  aber  vor  drei  Jahrzehnten  fast 
völlig  blossgelegt  und  untersucht  worden. 

Die  Bestimmung  dieser  Substruction,  um  so  schwerer  zu  erforschen,  als  sie 
selbst  von  ihrer  Bekleidung  und  äusseren  Gestalt  keine  Reste  mehr  zeigt,  ist  bisher 
noch  nicht  auszumitteln  gewesen,  und  man  hat  sich  daher  damit  begnügt,  sie  als  ein 
fortlaufendes  Basament  für  mehre  Ehrensäulen  und  Standbilder  zu  erklären.  Ob  man 
nun  wirklich  mehre  Bildsäulen  auf  eine  Basamentbank  stellte,  wie  etwa  auf  der 
modernen  Balustrade  am  Capitolsplatz ,  muss  dahin  gestellt  bleiben,  ist  jedoch  sehr 
zu  bezweifeln,  wenigstens  ist  mir  kein  anderes  Beispiel  der  Art  aus  dem  Alterthume 
bekannt.  Wenn  also  diese  Erklärung  aller  Begründung  entbehrt,  finden  sich  dagegen 
für  eine  andere  Gründe  genug,  um  sie  als  definitive  Behauptung  hinzustellen.  Der 
Regionär  zählt  nemlich  in  der  achten  Region  (forum  Romanum)  drei  Rostra  auf,  von 
welchen  uns  jedoch  aus  anderen  Erwähnungen  nur  zwei,  nemlich  die  alten  Rostra 
und  die  luhschen  bekannt  sind:  die  ersteren  an  der  Sacra  Via,  in  der  Mitte  der 
nordöstlichen  Langseite,  die  letzteren  am  Südostende  des  Forum  gelegen.  Die  drit- 
ten Rostra  mussten  aus  späterer  Zeit  stammen,  in  welcher  unsere  Quellen  nicht  mehr 
so  reichlich  fliessen,  und  wenn  wir  uns  nach  der  Stelle  umsehen,  wo  sie  gestanden 
haben  können,  so  haben  wir  nur  die  Wahl  zwischen  den  zwei  Stellen  vor  der  Ba- 
silica  lulia  und  hier  am  oberen  Ende  des  Forum,  da  die  beiden  anderen  Seiten 
bereits  ihre  Rostra  hatten.  Vor  der  Basilica  lulia  aber  wären  die  Rostra  in  geringer 
Entfernung  gegenübergestanden,    und  so  muss  die  Stelle,    wo  sich  die  beschriebene 


•  Catal.  inip.  Vienn.   (Roncalli,  Vetüstiora  Lat.  Script.  Chronica.  Pat.  4  787.  Tom.  IL  p.  247.) 


Die  Rostra  der  spätem  Kaiserzeit. 


99 


Substruction  findet,  wohl  als  die  geeignetste  erscheinen.  Dass  aber  hier  sich  wirk- 
lich Rostra  befanden,  wird  durch  ein  für  unsern  Zweck  werthvolles  Fries-Relief  des 
Constantinbogens,  das  sich  an  der  dem  Tempel  der  Venus  und  Roma  gegenüber- 
liegenden Seite  befindet,  auf  das  Unzweifelhafteste  bestätigt.  ^ 


5.  Relief  vom  Constantinbogen.    (F.  R.) 

Es  ist  hier  Gonstantin  dargestellt,  wie  er  auf  einer  breiten  Rednerbühne, 
von  seinem  Hofe  umgeben  eine  Ansprache  an  das  ringsum  versammelte  Volk  hält : 
die  Rostren  sind  von  zwei  sitzenden  Kaiserbildern  flankirt,  und  im  Hintergrunde 
sind  fünf  Bildsäulen  sichtbar.  Der  dreithorige  Triumphbogen  zur  Rechten  ist,  obwohl 
die  Attica  fehlt,  doch  unverkennbar  der  des  Septimius  Severus,  und  der  einthorige 
auf  der  anderen  Seite  entspricht  dem  des  Tiberius,  von  dessen  Lage  unten  mehr  ge- 
sprochen werden  wird;  die  leider  etwas  ungenau  gezeichneten  Arcaden  nebenan 
aber  deuten  auf  die  Basilica  Julia,  wie  später  gezeigt  werden  soll. 

Diese  Rostra  waren  es  wohl,  auf  welchen  Aurelian  die  goldene  Bildsäule 
des  Genius  Populi  Romani  aufstellte,  wenn  wir  anders  das  Nebeneinander  des  Hei- 
ligthums  dieses  Genius  und  der  Concordia-  hierher  beziehen  dürfen.  Die  Entstehungs- 
zeit dieser  Rostra  selbst  aber  ist  bei  dem  Mangel  an  Nachrichten  um  so  weniger 
genauer  zu  bestimmen,  als  die  Ueberreste  nur  in  Bruchsteinen  bestehen,  welche 
selbstverständlich  nicht  die  Anhaltspunkte  darbieten,  wie  der  Ziegelbau,  oder  orna- 
mentale Architektur.  Das  oben  abgebildete  Relief  lässt  uns  indess  wenigstens  die 
Gestalt  des  Suggestum  in  so  weit  erkennen,  als  es  mit  einem  Bronzegitter  (?)  versehen 
war,  welches  in  hermenförmige  Pfosten  von  der  Art  der  erhaltenen  an  Ponte 
Quattro  Capi  (vgl.  S.  316)  eingelassen  gewesen  zu  sein  scheint.  / 

Der  Umbilicus  Romae  und  das  Miliarium  aureum. 


Am   nordöstlichen  Ende  der  gekrümmten  Terrasse,   die   wir   als  Gräcostasis 
lulia  bezeichnet  haben,  ist  noch  ein  grosses  Backsteinbasament  von  der  Form  eines 


»  Ein  Abguss  befindet  sich  im  Atrium  des  vorm.  Giardino  Farnese  am  Fusse   des  Palatin. 

Cass.  XLVII.  2,  L.  8. 

13* 


2  Dio 


\QQ  Das  Forum  Romaniim. 

abgestumpften  Kegels  mit  einem  Durchmesser  unten  von  4,6o,  oben  von  3  Meter 
erhalten,  von  welchem  eine  Ansicht  bei  der  Abbildung  des  Triumphbogens  des  Sep- 
timius  Severus  gegeben  ist.  Die  Mehrzahl  der  römischen  Topographen  hält  diess 
für  die  Base  des  Miliarium  aureum,  welches  von  den  Alten  am  oberen  Ende  des 
Forum  ^  und  unter  dem  Tempel  des  Saturnus^  befindlich  genannt  wird,  und  welches 
auch  der  Regionär^  am  Glivus  und  zwar  nach  Aufzählung  der  Tempel  desselben 
und  des  Capitolium  unmittelbar  vor  dem  Vicus  lugarius  und  dem  Gräcostadium 
nennt.  Diess  scheint  nun  ebenso  wie  die  angeführten  classischen  Angaben  auf  die 
Lage  dieses  Basaments  zu  passen,  da  es  am  Rande  des  Gräcostasis  selbst  steht, 
und  auf  der  anderen  Seite  der  Vicus  lugarius  gerade  über  der  Terrasse  vom  Clivus 
abzweigt,  um  sich  zwischen  dem  Saturntempel  und  der  Basilica  lulia  gegen  das 
Velabrum  zu  wenden.  Doch  Canina,^  Preller^  und  neuestens  Jordan''  haben  es  weit 
wahrscheinlicher  gemacht,  dass  die  Ruine  mit  dem  von  der  Notitia  (nicht  im  Curi- 
osum)  zwischen  dem  Concordien-  und  dem  Saturntempel  genannten  UmbiHcus 
Romae  zu  identificiren  sei,  welcher  im  9.  Jahrhundert  als  neben  der  Kirche  SS. 
Sergio  e  Baccho  befindhch  erwähnt  wird.^  Für  eine  Nachbildung  des  delphischen 
Omphalos  erscheint  auch  das  Basament  nicht  ungeeignet  sowohl  in  der  Form  —  es 
besteht  nemlich  aus  drei  Cylinderringen,  von  denen  der  innerste  und  höchste  bedeu- 
tend kleiner  wird  — ,  noch  durch  die  Beschaffenheit  des  Materials  (Backstein),  welches 
zum  Tragen  einer  grösseren  Last  wie  einer  Ehrensäule  minder  geeignet  erscheint, 
Am  Fusse  fand  man  noch  Reste  der  Marmorverkleidung  des  Sockels,  der  obere 
Cyhnder  wenigstens  war  wohl  in  vergoldeter  Bronze  verkleidet.** 

Auch  an  dem  entgegengesetzten  Ende  der  Curve  der  beschriebenen  Graeco- 
stasis  haben  sich  Reste  eines  ebenfalls  kreisförmigen  Basamentes  gefunden,  zu 
welchem  das  marmorne  segmentförmige  Verkleidungsstück  mit  schöner  Schmiege 
gehört,  das  sich  jetzt  (nicht  mehr  an  der  ursprünglichen  Stelle)  im  Durchgangsbogen 
der  modernen  Substruction  der  Via  del  Gampidoglio  befindet.  Es  liegt  sehr  nahe 
darin  den  Rest  des  Miliarium  aureum  zu  vermuthen,  welches  in  den  Regionsver- 
zeichnissen wie  oben  erwähnt  zwischen  den  drei  Tempeln  am  Clivus  mit  dem  Ca- 
pitol  einerseits  und  dem  Vicus  jugarius  anderseits  genannt  wird.  Auch  scheint  es 
ganz  passend  diesen  Index  der  römischen  Strassenlängen  gleichsam  als  Pendant 
des  UmbiHcus,  des  Nabels  und  des  Mittelpunktes  der  römischen  Welt,  und  überdiess 
am  Anfangspunkt  der  Sacra  Via  am  Fuss  des  Clivus  Capitolinus  anzunehmen.    Das 


iPlin.  H.  N.  m.  5,  9,  66.         2 Tacit.  Hist.  I.  27.  Sueton.  Oth.  6.         3  Notitia  und  Curios.  Urb.  Rom. 
■Reg.  Vm.  *  Foro  Romano  p.  152.  ^  Regionen  d.  St.  R.  U5.  «  Topographie  d.  St.  R.  II  S.454. 

7  Anonym.  Einsiedl.  (Hänel  Arch.  f.  Phiiol.  u.  Pädag.  Suppl.  Bd.  V.  S.  133.  n.  10.       »  C.  Bunsen,  II  foro  romano 
secondo  gli  scavi  fino  al  21.  aprile  1835.  Bulletino   d.   I.   d.   c.   a.  IV  &  V.  Aprile  e  Maggio  1835,  p,  65—96. 


Der  Umbilicus  Romae  und  das  Mlliarium  aureum.  iOI 

Miliarium  aureum  war  eine  niedrige  Säule  in  Form  eines  Meilensteines,  d.  h.  eines 
Cylinders  etwa  von  der  Höhe  des  dreifachen  Durchmessers,  und  wurde  von  Au- 
gustus  in  dem  Jahre  errichtet,  in  welchem  er  die  Würde  eines  Gurator  Viarum  zu 
seinen  anderen  fügte,  726  d.  St.  R.^  Es  sollte  den  Knotenpunkt  des  römischen 
Reiches  bilden,  an  welchem  alle  Heerstrassen  Italiens  zusammenliefen.-  Doch  die 
gewöhnliche  Folgerung,  dass  man  von  hier  aus  die  Meilen  zu  zählen  begonnen,  ist 
irrig,  und  wurde  auch  schon  vor  Jahrhunderten  widerlegt.  ^  Diese  Folgerung  wider- 
spricht nemlich  geradezu  der  Nachricht,  dass  die  Meilensteine  von  vielen  römischen 
Heerstrassen  schon  vorher  durch  C.  Gracchus  gesetzt  worden  waren,  auf  welchen  ihr 
Abstand  von  der  Stadt  und  nicht  von  dem  Forum  verzeichnet  war,*  und  überdiess, 
wenn  man  diesem  ersten  Einwurf  durch  die  Behauptung  entgehen  wollte,  dass  die 
Meilensteine  auch  versetzt  werden  konnten,  der  Umstand,  dass  man  an  verschiedenen 
Strassen  noch  Meilensteine  und  an  der  Via  Appia  namentlich  den  ersten  gefunden 
hat.  Dieser  beweist  nemlich  durch  seine  Entfernung  (er  wurde  in  der  Vigna  Naro 
noch  auf  seinem  Platze  gefunden  und  steht  jetzt  auf  dem  Terrassengeländer  der  Piazza 
del  Campidoglio  zur  Rechten),  dass  man  die  Via  Appia  von  der  alten  Porta  Capena, 
welche  bei  S.  Gregorio  anzunehmen  ist,  und  nicht  vom  Forum  an  zu  messen  be- 
gonnen habe.  Auf  dem  Miliarium  aureum  aber  waren  wahrscheinlich  die  Entfer- 
nungen der  Hauptstadt  von  allen  Endpunkten  der  italischen  Strassen  angegeben. 
Wie  verhältnissmässig  wenige  Bronzegegenstände  dem  Raube  der  Gothen  und 
Vandalen  entgingen,  so  scheint  auch  die  vergoldete  Bronzebekleidung  dieser  beiden 
Denkmäler  an  den  Ecken  der  Gräcostasis  diese  Epoche  nicht  überdauert  zu  haben. 
Doch  kannte  man  wenigstens  noch  im  9.  Jahrhundert  den  Umbilicus  Romae,  dessen 
Identität  mit  dem  Miliarium  des  Augustus,  wie  Verfasser  dieses  selbst  sie  früher 
vertreten,  wohl  kaum  mehr  aufrecht  zu  halten  ist.  Seit  der  Abtragung  von  SS. 
Sergio  e  Baccho,  welche  Kirche  sich  am  Severusbogen  und  wahrscheinlich 
zwischen  diesem  und  der  Phocassäule  befand,  scheint  der  Umbilicus  in  Folge  der 
Ebnung  des  Schuttes  verschwunden  zu  sein.  Im  Jahre  1803  ward  bei  Gelegenheit 
der  Ausgrabung  und  Ummauerung  des  Severusbogens  das  Basament  mit  mehren 
Fragmenten  wieder  entdeckt ,  aber  wieder  verschüttet :  erst  nach  dreissig  Jahren 
wurde  es  neuerdings  aufgegraben,  aber  schon  in  einem  minder  erhaltenen  Zustande 
gefunden,  als  es  Fea  beschrieben  hat.  Ob  der  Backsteinbau  schon  der  augusteischen 
Zeit  und  somit  der  Erbauungszeit  der  Gräcostasis  angehöre,  lässt  sich  schwer  ent- 
scheiden; jedenfalls  ist  der  Ziegelbau  aus  sehr  guter  Zeit. 


1  Dio  Cass.  LIV.  8.  ^  Plut.  Galb.  24.  ^  Lucae  Holstenii  de  miliario  aureo.  (Graev.  Thes.  Ant. 

Rom.  tom.  IV.  p.  1805.)  *  Plut.  C.  Gracch.  7. 


\  02  Das  Forum  Romanum, 

12.  Der  Triumphbogen  des  L.  Septimius  Severus. 

Nahe  an  den  drei  letztbeschriebenen  Uebenesten  dem  Goncordientempel  ge- 
genüber, etwas  tiefer  gelegen  als  dieser  und  mehr  als  3  Meter  über  dem  Niveau 
des  Forum  selbst^  erhebt  sich  ein  Triumphbogen,  welcher  nach  der  Inschrift  dem 
Kaiser  L.  Septimius  Severus  errichtet  wurde.  Er  ist  mit  Ausnahme  des  Unterbaues 
von  penteHschem  Marmor,  23  Meter  hoch,  25  breit  und  11,85  tief  mit  Einschluss 
der  Säulenbasamente,  und  hat  drei  Bogendurchgänge.  Vom  Forum  her  führten  acht 
Stufen  zu  den  Seitendurchgängen,  was  auch  ursprünglich,  wie  sich  bei  den  von 
Fea  angestellten  Untersuchungen  ergab,  für  den  Mittelbogen  der  Fall  war.  Man 
mtisste  demnach  voraussetzen,  dass  die  Triumphatoren  des  III.  Jahrhunderts  n.  Chr. 
den  Bogen  zu  Fuss  durchschnitten,  wenn  es  nicht  wahrscheinlich  wäre,  dass  die 
eigentMche  Triumphalstrasse,  die  Sacra  Via,  wenigstens  in  früherer  Zeit  auf  der 
anderen  Langseite  des  Forum  hinlief  und  durch  den  Tiberiusbogen  zum  Clivus 
Capitolinus  gelangte,  wodurch  die  Schwierigkeit  mit  der  Treppenanlage  wegfiele. 
Indess  konnte  man  es  bei  zunehmendem  Wagenverkehr  in  der  letzten  Epoche  der 
Kaiserzeit  nur  angemessen  gefunden  haben  die  störende  Stufenunterbrechung  an  der 
durch  den  Severusbogen  führenden  Strasse  zu  beseitigen,  auch  wenn  die 
Triumphalzüge  die  letztere  nicht  benutzten,  und  so  wurde  der  Weg  zum 
Mittelbogen,  die  Stufen  ausgleichend,  wie  die  übrige  Strasse  mit  Basaltpolygonen 
übei'pflastert.  Der  Unterbau  ist  von  Travertin  und  erhebt  sich  an  der  Forumseite 
um  2,65  Meter  über  der  unmittelbar  vorliegenden  travertingepflasterten  Terrasse,  wäh- 
rend er  auf  der  entgegengesetzten  Seite  von  dem  hier  gleich  hohen  Clivus  bedeckt  ist. 
Von  den  drei  hohen  Durchgängen  ist  der  mittlere  7  Meter  weit  und  an  der  Capi- 
tolseite  1 2,3o  Meter  hoch.  Die  Seitenbogen  sind  3  Meter  weit  und  7. so  hoch.  Diese 
stehen  mit  dem  Mittelbogen  durch  zwei  kleinere  Durchgänge  in  Verbindung,  welche 
die  zwei  massiven  Mauern  zwischen  dem  Mittel-  und  den  Seitenbogen  durchschnei- 
den. Die  Bogenwölbungen  (Tonnengewölbe)  sind  quadratisch  cassettirt  und  die 
Cassettenfelder  mit  abwechselnden  Rosetten  geschmückt.  Die  beiden  Langseiten 
des  Triumphbogens  werden  durch  je  4  Säulen  senkrecht  gegliedert,  welche  Säulen 
auf  eigenen  dreifachgestuften  Basamenten  und  einem  besonderen  Piedestal  stehen, 
auf  dessen  drei  Seiten  sich  Reliefdarstellungen  befinden,  die  auf  den  Triumph  des 
Kaisers  sich  beziehen  und  Barbaren,  mit  Beinkleidern,  einer  befransten  Chlamys  und 
der  phrygischen  Mütze  bekleidet  und  von  römischen  Soldaten  gefangen  geführt, 
in  ziemlich  roher  Arbeit  darstellen.  Die  Säulen  selbst  sollen  von  proconnesischem 
Marmor  sein,  die  attische  Base  misst  0,48,  der  canellirte  Schaft  7,i8,  das  composite 


'  H.  Jordan,  Ausgrabungen  auf  dem  Forum.  Hermes  VII.  (1873)  p.  273. 


Der  Triumphbogen  des  L.  Septimius  Severus.  4  03 

oder  römische  Capital  I,i2  Meter  in  der  Höhe.  Der  Durchmesser  der  Schäfte  beträgt 
unten  0,90,  oben  0,80  Met.  Den  Säulen  entsprechen  ebenso  viele  an  den  Bau  selbst 
angelehnte  Pilaster  von  denselben  Verhältnissen  und  derselben  Ordnung.  Die  arge 
Verstümmelung  hat  es  leider  nöthig  gemacht,  die  Säulen  mit  eisernen  Bändern  zu 
umschlingen  und  zu  festigen. 

Ueber  den  Seitenbogen  zwischen  je  zwei  Säulen  befinden  sich  grosse  Reliefs 
(3,95  Met.  hoch  und  4, 90  Met.  breit),  vier  an  der  Zahl,  des  Severus  Züge  gegen  die 
Parther,  Osrhoener  oder  Adiabener  und  Araber  vorstellend.  Trotz  der  bedeutenden 
Verstümmelung,  welche  die  Oberflächen,  besonders  aber  die  Köpfe,  Hände  und  Füsse 
fast  aller  Figuren  erfahren  haben ,  lassen  sich  doch  die  Umrisse  der  Darstellungen  mit 
Sicherheit  erkennen ,  und  die  vorhandenen  Abbildungen  ^  weichen  von  der  Wahrheit 
nur  sehr  wenig  ab:  mehr  jedoch  die  Erklärungen  derselben, ^  w^elche  oft  ganz  will- 
kürlich den  dürftigen  Zügen  der  Geschichte  der  erwähnten  Kriege ^  entnommen  sind. 
Die  älteren  Erklärer  scheinen  überhaupt  von  der  Auffassung  ausgegangen  zu  sein,  die 
Geschichtschreiber  hätten  immer  nichts  als  einen  Commentar  zu  den  monumentalen 
Darstellungen  derselben  Begebenheiten  geschrieben.  Im  Allgemeinen  zeigen  die  Reliefs 
Darstellungen  von  Belagerungen  orientalischer  Städte,  siegreiche  Schlachten  der  Römer, 
Flucht  und  Unterwerfung  der  Barbaren;  im  Einzelnen  aber  werden  sie,  wofür  wir 
allerdings  keine  Gewährleistung  übernehmen  wollen,  mit  der  geschichtlichen  Ueber- 
lieferung  in  folgender  Weise  in  Einklang  gebracht:  Als  Severus  die  beiden  Gegen- 
kaiser Aemilianus  und  Pescennius  Niger  im  Pontus  und  in  Syrien  unterworfen  hatte, 
zog  er  im  J.  195  n.  Chr.  nach  Nisibis  im  nördlichen  Mesopotamien ,  nahe  an  den  ar- 
menischen Gebirgen,  welche  Stadt  von  den  Parthern  eben  belagert  und  hart  bedrängt 
wurde,  entsetzte  es  und  trieb  den  parthischen  König  Vologesus  in  die  Flucht.  Dann 
zog  er  gegen  Carrhä  (westlich  von  Nisibis),  nahm  die  unvertheidigte  und  verlassene 
Stadt  in  Besitz  und  rückte  von  da  gegen  die  Osrhoener  oder  Adiabener  ins  Feld. 
(Diese  Ereignisse  werden  auf  dem  für  den  Beschauer  zur  Linken  angebrachten  Relief 
der  Forumseite  gesucht.)  Abagarus,  König  der  Osrhoener,  flüchtet  zur  Gnade  des  Se- 
verus. Dieser  belagert  die  Stadt  Hatra  unweit  des  Tigris.  (Relief  zur  Rechten  auf  der- 
selben Seite.)  Im  Jahre  199  zieht  Severus,  nachdem  er  den  aufrührerischen  Albinus 
in  Gallien  unterworfen,  abermals  in  den  Orient.  Die  Parther  verlassen  Babylon,  das 
nun  den  Römern  offen  steht.    Hatra  wird    zum  zweitenmale  belasert.    (Relief  auf  der 


*  Veteres  Arcus  Augustorum  notis  .lo.  Petri  Bellorii  illiistrata  del.  et  sciilpt.  a  S.  Bartolo  (nach  Pietro  He- 
reltino  von  Cortona  Zeichnungen)-  Roma.  MDG.VC.  L.  Rossini,  Gli  Archi  trionfali  onorarii  e  funebri  degli  an- 
tichi  Romani.  Roma  s.  a.  *  losephi  M.  Suarosi  Ep.  o.  V.  Apparatus  historicus  ad  evplicationem  arcus  L.  Severi 
Aug.  (Vet.  arc.  fol.  16  —  19.)  *  Ammian.  Marcellin.  XXV.  8.  Herodian.  III.  9.  Script.  Hist.  Aug.  (Spartian.) 
Vit.  Severi  15.  16.       Dio  Gass.  ap.  (Xipliiiin.)  LXXV.  1  —  3.  9—12. 


/|()4  Das  Forum  Romanum. 

Capitolseite ,  dem  Beschauer  zur  Rechten.)  In  den  Jahren  201  und  202  ergibt  sich 
Ktesiphon ,  Seleucia  wird  den  Parthern  abgedrungen ;  der  Partherkönig  Artabanus  flieht 
und  die  Araber,  welche  sich  ebenfalls  zu  Gunsten  der  Parther  an  dem  Kriege  be- 
theiligt hatten,  bitten  um  Gnade.  (Relief  derselben  Seite,  links.)  —  Unter  diesen  vier 
grossen  Reliefs  befinden  sich  vier  andere  von  derselben  Länge,  aber  nur  0,72  Met.  hoch. 
Sie  stellen  in  ziemlich  gleichartiger  Weise  den  Triumph  der  Roma  über  die  Besiegten 
vor.  Die  Göttin ,  an  dem  rechten  Ende  sitzend ,  empföngt  die  Huldigung  eines  Weibes 
mit  der  Tiara,  der  Personification  je  einer  der  besiegten  orientalischen  Völkerschaften. 
Hinter  ihr  wird  die  Beute,  auf  Wagen  von  Rindern  und  Pferden  gezogen,  aufgeführt. 
Die  beiden  Bogenschlüssel  des  Mittelbogens  zeigen  noch  das  verstümmelte  Hochrelief 
des  Mars  Victor,  die  Figuren  an  den  Bogenschlüsseln  der  Seitenbogen  sind  jedoch  nicht 
mehr  erkennbar :  die  alten  Zeichnungen  zeigen  den  Herkules  und  Bacchus,  die  Schutz- 
gottheiten des  Hauses  des  Severus.  In  den  Bogenwinkeln  des  Hauptbogens  sind 
schwebende  Victorien  mit  phrygischen  Mützen  auf  den  Trophäen  in  Basrehef  abgebildet, 
darunter  die  geflügelten  Genien  der  vier  Jahreszeiten,  der  Frühling  mit  Blumen, 
der  Sommer  mit  Sichel  und  Aehren,  der  Herbst  mit  Traube  und  Schale,  der  Winter 
verhüllt,  in  ihren  Attributen  jedoch  ziemhch  beschädigt.  In  den  Bogenwinkeln  der 
Seitenbogen  sind  Flussgottheiten  dargestellt,  unter  welchen  wir  uns  wohl  den  Eu- 
phrat,  den  Tigris  und  die  Nebenflüsse  des  ersteren,  den  Belichas  oder  einen  Zweig 
desselben,  an  welchem  Carrhä,  und  den  Mygdonius,  an  welchem  Nisibis  lag,  vor- 
stellen dürfen. 

Die  Rehefs  zeigen  den  in  der  Zeit  des  Severus  bereits  weit  vorgeschrittenen 
Verfall  der  Kunst  in  unverkennbarer  Weise.  Die  Composition  ist,  obwohl  sich  die  ein- 
zelnen Figuren  in  den  Hauptreliefs  unmässig  abheben,  flach,  das  Ganze  ohne  Aus- 
druck und  Würde  und  die  Arbeit  im  Einzelnen  nachlässig  und  eintönig.  Es  ist  ein 
Nebeneinander  sich  wiederholender  Scenen  nach  denselben  Schablonen,  ohne  Haupt- 
gruppe, und  die  Handlung  spinnt  sich  in  mehren  geradlinigen  Streifen  übereinander 
in  der  geschmacklosesten  Weise  ab :  man  woflte  recht  viel  von  der  Geschichte  des 
Krieges  geben  und  brachte  diesem  Bestreben  den  Totaleindruck  zum  Opfer.  Die  klein- 
liche Zeichnung  des  Reliefs  macht  den  ganzen  Bogen  monströs  und  unharmonisch. 
Denselben  Zustand  der  Kunst,  dieselbe  bedauerliche  Abnahme  des  guten,  von  den 
Griechen  ererbten  Geschmacks  zeigt  auch  die  weitere  Anlage  des  Bogen s  nach  oben, 
und  zunächst  das  Gebälk  durch  seine  überladene  Ornamentik  und  ungefäflige  Profilirung. 
Dieses,  welches  2,io  Met.  hoch  ist  und  sich  in  der  Höhe  der  Säulen  um  das  ganze 
Denkmal  herumzieht,  bildet  über  den  Säulen  entsprechende  Vorsprünge.  Auf  diesem 
Gebälkgürtel  ruht  dann  der  Aufbau,  den  man  Attika  nennt,  welcher  5,6o  Met.  hoch  ist 
und  im  Innern  vier  nebeneinanderliegende   Kammern  enthält.    Von  diesen  nimmt  eine 


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Der  Triumphbogen  des  L.  Septimius  Severus.  105 

die  Treppe,  die  in  dem  südwestlichen,  dem  Saturntempel  zugewandten  Pfeiler  an- 
gebracht ist  und  von  welcher  man  noch  die  kleine  Eingangsthiire  an  der  Aussenseite 
desselben  Pfeilers  in  ziemlicher  Höhe  über  dem  Boden  sieht.  Die  Attika  selbst  hat  ein 
leicht  angezeigtes  Basament  und  oben  ein  Kranzgesimse ;  über  den  vier  Ecksäulen  aber 
ist  sie  mit  einer  Art  von  Pilastern  geschmückt,  die  von  dem  vorspringenden  Gebälke 
getragen  werden  und  nach  den  noch  sichtbaren  Nietenlöchern  mit  einer  Bronzever- 
zierung, nach  der  Anordnung  der  Löcher  wahrscheinlich  römische  Feldzeichen,  ver- 
sehen waren;  sonst  hatte  die  Attika,  was  dem  Eindrucke  des  Denkmals  sehr  nach- 
theilig ist  und  die  Mittelsäulen,  nach  ihrer  Bestimmung  des  Tragens,  zwecklos  macht, 
keine  senkrechte  Gliederung.  Denn  die  Gebälkvorsprünge  der  vier  mittleren  Säulen 
können  auch  weder  Statuen  noch  anderen  Schmuck  getragen  haben,  da  die  fort- 
laufende Inschrift,  welche  die  ganze  Attika  zwischen  den  Eckpilastern ,  auf  beiden 
Seiten  wiederholt,  einnimmt,  nicht  beeinträchtigt  und  theilweise  bedeckt  werden  durfte. 
Diese  Inschrift,  welche,  wie  aus  den  Nietenlöchern  ersichtlich  ist,  einst  mit  Metall- 
buchstaben ausgelegt  war,  lautet: 

IMP  CAES  LVCIO  SEPTIfflIO  M  FIL  SEVERO  PIO  PERTINACI  AVG  PATRI  PATRIAE  PARTHICO  ARABICO  ET 
PARTHICO  ADIABENICO  PONTIFIC  MAXIMO  •  TRIBVNIC  POTEST  Xi  IMP  XI  COS  lil  PROCOS  ET 
IMP  CAES  ffl  AVRELIO  L  FIL  ANTONINO  AVG  PIO  FELICI  TRIBVNIC  POTEST  VI  COS  PROCOS  P  P 

OPTIMIS  FORTISSIMISQVE  PRINCIPIBVS 
OB  REMPVBLICAM  RESTITVTAM  IfflPERlVMÜVE  •  POPVLI  •  ROMANI  PROPAGATVM 
INSIGNIBVS  VIRTVTIBVS  •  EORVM  DOffll  FORISÜVE  SPÜR 

Die  Höhe  des  Denkmals  war,  wie  wir  aus  einer  Münze  des  Severus  vom  J.  204  (trib. 
pot.  XII.  Severi)  ^  ersehen ,  mit  einem  ehernen  Sechsgespann  gekrönt.  Auf  dem  Wagen 
sind  zwei  Gestalten  zu  unterscheiden,  von  denen  die  eine  den  Kaiser  Septimius  Se- 
verus, die  andere  die  krönende  Victoria  darstellen  soll;  zu  beiden  Seiten  gehen  zwei 
Männer  zu  Fuss,  die  für  die  Söhne  des  Severus,  Antoninus  (Caracalla)  und  Geta  ge- 
halten werden;   an  den  Ecken  standen  vier  Reiterbilder. 

Die  Inschrift  gibt  uns  als  die  Zeit  der  Erbauung  dieses  Denkmals  das  I  I .  Jahr 
der  tribunicischen  Gewalt  des  Septimius  Severus,  und  das  6.  des  Antoninus,  welche 
Angaben,  da  die  Zahlen  des  Tribunats  mit  den  Regierungsjahren  zusammenfallen,  das 
Jahr  203  n.  Chr.  bezeichnen.  Die  Münze  des  Severus  von  seinem  zwölften  und  des  An- 
toninus von  dessen  siebentem  Tribunatsjahre  beweisen  jedoch ,  dass  der  Triumph  selbst 
erst  im  Jahre  204  gefeiert  ward.  Der  zweimal  genannte  Ehrentitel  »Par/A/cMS«  weist 
auf  die  zwei  Züge  des  Severus  gegen  die  Parther,  von  welchen  der  erste  nach  einigen 


*  Eckhel,  Doctrin.  Num.  Vet.   Vind.  1797.   Pars  IF.  Vol.  VIT.   p.  183. 
F.  Reber,   die  Ruinen  Borns.  4  4 


\QQ  Das  Forum  Romanum 

Andeutungen  der  Geschichtschreiber  allerdings  nicht  so  siegreich  gewesen  zu  sein  scheint, 
als  sie  selbst  berichten;  denn  Severus  wies  den  Titel  Parthicus  damals  zurück  und 
nahm  auch  den  Triumph  nicht  an,^  wie  er  denn  überhaupt  Römer  genug  war,  sich 
in  Kriegen  zu  gefallen,  und  Philosoph  genug,  Triumphe  (wenigstens  unverdiente, 
können  wir  hinzusetzen)  zu  verschmähen.  Obwohl  es  schon  vorher  auffallend  gefunden 
worden  war,  dass  der  Name  Geta's ,  des  Bruders  des  Antoninus  Caracalla ,  in  der  In- 
schrift nicht  genannt  sei,  weil  bekanntlich  Septimius  Severus  darin  bis  zum  Ueber- 
maasse  ängstlich  war,  seine  beiden  Söhne  mit  allen  Würden  und  Ehren  in  gleicher  Weise 
auszuzeichnen,  bemerkte  doch  erst  Nardini,'^  dass  die  auf  Geta  bezüglichen  Worte 
später  aus  der  Inschrift  getilgt  worden  seien.    Die  Stelle  nämlich,  welche   die  Worte 

P.P 
OPTIMIS  FORTISSIMISQVE  PRINCIPIBVS 

enthält ,  ist  übermeisselt  und  vertieft  und  zeigt  noch  andere  Nietenlöcher  einer  früheren 

Inschrift,  die  Hadrian  Auzot  untersuchte  und  dafür  die  Worte 

ET 
P   SEPTIMIO  GETAENOBILISSIMOCAESARI   OPT 

entzifferte.  Die  Sache  erklärt  sich  leicht.  Der  lange  Bruderzwist  zwischen  Antoninus 
und  Geta,  der  die  sonst  kraftvolle  und  glorreiche  Regierung  ihres  Vaters  verdüsterte, 
erlosch  endlich,  sobald  Severus  abgeschieden  war,  in  dem  Blute  Geta's,  und  Caracalla, 
den  nach  seinem  heuchlerischen  Vorgeben  der  AnbHck  des  Bildnisses  oder  Namens 
seines  Bruders,  den  er  ermordet  hatte,  zu  Thränen  rührte, ^  der  das  blosse  Aus- 
sprechen von  Geta's  Namen  mit  dem  Tode  bestrafte,*  tilgte  auch  hier  wie  überall 
(wovon  wir  noch  am  Velabrum  ein  zweites  Zeugniss  an  der  kleinen  Ehrenpforte  des 
Severus  besitzen)  den  verhassten  Namen.  Er  erreichte  jedoch  seine  Absicht  nicht,  die 
Erinnerung  an  die  verruchte  That  zu  vertilgen,  im  Gegentheil,  er  verewigte  sie  auf 
diese  Art  selbst  in  monumentaler  Weise  an  den  Ehrendenkmälern  seines  Vaters. 

Marliani  sagt,  der  Triumphbogen  des  Severus  sei  zu  seiner  Zeit  (16.  Jahrh.) 
noch  fast  ganz  unverletzt  gewesen.  Im  Mittelalter  hatte  jedoch  der  Bogen  schon  dazu 
dienen  müssen,  einen  Thurm  zu  tragen  und  der  Kirche  S.  Sergio  e  Bacco  eine  Stütze 
zu  geben,  von  welchen  beiden  Anbauten  er  beim  Einzüge  Karls  V.  auf  Befehl  des 
Papstes  Paul  III.  befreit  wurde.  Am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  nahm  sich  der  Car- 
dinaldecan  und  Vicekanzler  Francesco  Barberini  des  damals  vielfach  beschädigten  Denk- 
mals an  und  stellte  namentlich  die  Säulen,  welche  eingestürzt  waren,  wieder  auf. 
Um  die  zertrümmerten  Säulenschäfte  zu  ergänzen,  hätte  man  freilich  anderes  Material 


*  Script.  Hist.  Aug.  (Spartian.)  Sever.  9.         '  Nardini,  Roma  antica.  1660.   (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  IV. 
p.  1161.)         8  Spartian.  Carac.  3.    Get.  7.         *  Dio  Cass.  LXXVII.  12. 


Das   (maraerliniscbe)   Gefiingniss.  107 

finden  können,  als  Ziegel  und  Mörtel,  was  namentlich  an  der  dem  Miliarium  aureum 
zunächst  liegenden  Säule  der  Capitolseite  noch  so  sehr  verletzt.  Die  Päpste  Leo  X., 
Pius  IV.  und  Gregor  XV.  arbeiteten  zu  verschiedenen  Zeiten  an  der  Ausgrabung  des 
Denkmals,  w^elches  nach  den  Abbildungen  von  Overbecke^  und  Piranesi^  bis  zum 
Bogenansatz  der  Seitendurchgänge  verschüttet  war,  doch  der  vom  capitolinischen  Hügel 
stets  nachrollende  und  durch  keine  Mauer  zurückgestaute  Schutt  verhinderte  einen 
vollkommenen,  dauernden  Erfolg.  Eine  wiederholte  Ausgrabung  machte  Pius  VII.  da- 
durch von  Dauer,  dass  er  sie  im  Jahre  1803  mit  einer  Substructionsmauer  umgab 
(Inschrift  an  der  Forumseite  derselben).  An  der  Capitolseite  wurde  diese  Mauer  bald 
durch  che  vollständige  Aufdeckung  des  Clivus  Capitolinus  und  der  beiderseitigen  Ruinen 
desselben  entbehrlich :  vielleicht  beseitigt  in  der  Folge  der  Zeit,  wenn  nach  dem  Aus- 
toben der  politischen  Stürme  wieder  an  die  Ausführung  wissenschaftlicher  Unter- 
nehmungen gedacht  werden  kann,  die  Wiederaufnahme  des  schon  mehrmals  ge- 
scheiterten Projectes  der  Ausgrabung  des  ganzen  Forum  auch  die  noch  übrige  eine 
Hälfte  der  Mauer,  so  dass  es  möglich  wird,  durch  den  Triumphbogen  des  Severus 
vom  Capitol  herab  die  Via  Sacra  so  entlang  zu  wandeln,  wie  jetzt  durch  die  Bogen 
des  Titus  und  Gonstantin. 

13.   Das  (mamertinische)  Gefängniss. 

Wir  haben  nun  vom  Forum  Romanum  den  nordwestlichen  Theil,  den  Gomplex 
des  Ghvus  Gapitolinus  untersucht,  einen  Raum,  um  so  dankbarer  und  interessanter, 
als  hier  keine  Räthsel  mehr  vor  uns  liegen ,  deren  Lösung  unter  dem  Schutt  begraben 
ruhte.  Wir  haben  den  ganzen  Plan  bloss  vor  uns,  und  von  der  Localität  selbst  ist 
keine  weitere  Aufklärung  mehr  zu  erwarten,  wenn  es  auch  noch  immer  Fragen 
genug  gibt,  welche  über  die  zum  Theil  sehr  zerstörten  Ruinen  aufgeworfen  werden 
könnten.  Wir  müssen  jedoch  leider  von  der  Tiefe  eines  vergangenen  Jahrtausends 
herauf  zur  Oberfläche  der  gegenwärtigen  Zeit,  des  jetzigen  Rom,  um  in  der  Be- 
trachtung der  übrigen  Reste  des  Forum,  zunächst  der  nordöstlichen  Langseite  des- 
selben, fortzufahren.  Von  dieser  ganzen  Länge  sehen  wir  nur  noch  zwei  Ueberreste, 
die  den  Anfangs-  und  den  Endpunkt  dieser  Seite  bezeichnen,  am  nordwestlichen 
Ende  das  (mamertinische)  Geftingniss ,  am  südöstlichen  den  Tempel  des  Antoninus  und 
der  Faustina ;  von  der  ganzen  Reihe  von  Gebäuden  zwischen  diesen ,  gerade  von  den 
bedeutendsten  und  berühmtesten  des  ganzen  Forum,  deren  Reihenfolge  wir  unten 
nachzuweisen  versuchen  werden,    ist  keine  Spur  mehr  übrig  geblieben,    oder  wenn 


*  B.  V.  Overbecke,  Reliquiae  antiquae  Uibis  Romae.    Amstelodami  1708.         *  G.  Piranesi,  Opere  varie  di 
architettura ,  prospettiva,  grotteschi,  antichitä  raccolte  da  G.  Bouchard.    Roma.  1750. 

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iQg  Das  Forum  Romanum. 

auch ,  SO  sind  doch  die  unbekannten  Reste  von  hohem  Schutte  bedeckt  und  von  einer 
Reihe  moderner  Gebäude  belastet. 

An  der  nördlichen  Ecke  des  Forum  nun ,  nahe  an  dem  eben  beschriebenen 
Triumphbogen  des  Severus  unterhalb  der  Kirche  S.  Giuseppe  de'  Falegnami  und  der 
Kapelle  S.  Pietro  in  Carcere  und  theilweise  die  Grundmauern  dieser  beiden  Gebäude 
bildend,  befindet  sich  der  berüchtigte  Kerker  des  alten  Rom.  Jetzt  führen  zwei  Ein- 
gänge zu  demselben,  der  Haupteingang  durch  das  Vorhaus  der  Kapelle  S.  Pietro  in 
Carcere  in  der  Via  di  Marforio,  und  der  zweite  durch  das  an  die  Via  dell'  Arco  di 
Settimio  Severo  stossende  Seitenatrium  der  Kirche  S.  Giuseppe.  Tritt  man  in  das  Vor- 
haus der  erstgenannten  Kapelle,  welche  selbst  unter  der  Kirche  S.  Giuseppe  sich  be- 
findet, so  erblickt  man  in  einer  Länge  von  16  und  in  einer  Höhe  von  6,70  Met.  eine 
massive  Mauer  aus  Travertinquadern ,  die  0,6o  Met.  hoch,  aber  bis  zu  4  Met.  lang  sind. 
An  dieser  Mauer  befindet  sich  oben  auf  einem  etwas  vorspringenden  schmucklosen 
Gürtel  folgende  Inschrift  in  grossen  Buchstaben: 

C  VI Bl VS    C  F    RVFI NVS   M •  COCCEI V NERVA   EX    S   C 

Die  von  dieser  Inschrift  genannten  Erbauer  oder  Wiederhersteller  dieses  oberen  Theiles 
bekleideten  im  J.  774  d.  St.  (21  n.  Chr.)  das  Consulat.  Die  Inschrift  durchbrechend 
führt  eine  moderne  Thüre  durch  diese  Mauer  zur  Kapelle  des  h.  Petrus,  von  welcher 
jedoch  ausser  dieser  Mauer  nichts  antik  ist;  im  Vorhaus  der  Kapelle  aber  führen 
28  moderne  Stufen  zu  den  antiken  Gefängnissen  hinab.  Doch  ist  diess  von  hier  aus 
nur  bei  besonderen  festlichen  Gelegenheiten  zugänglich :  der  Besucher  steigt  sonst  ge- 
wöhnlich von  dem  Atrium  der  Kirche  S.  Giuseppe  auf  45  schmalen,  ebenfalls  mo- 
dernen Stufen  hinab  und  gelangt  durch  eine  in  die  1,65  Met.  dicke  Mauer  gebrochene 
Oeffnung  in  das  obere  der  beiden  Gefängnisse.  Diess  hat  die  Form  eines  Trapezes, 
dessen  längste  Seite  5,  die  übrigen  4,90,  4,90  und  3,6o  Met.  messen.  Die  Höhe  des 
Tonnengewölbes,  das  sogleich  vom  Boden  beginnt,  beträgt  5  Meter.  Der  antike  Zu- 
gang zu  diesem  Geföngnisse  war  im  Scheitel  der  Wölbung ,  eine  quadratische  Oeffnung. 
An  der  nördlichen  Wand  sieht  man  eine  später  vermauerte  Fensternische  von  1,7o  Met. 
Höhe  und  0,6o  Met.  Breite,  welche  der  Custode  irrthümlich  als  die  gemonische  Treppe 
erklärt.  Auf  der  Nordwestseite  steht  jetzt  ein  Altar ;  gegenüber  ist  der  breite  moderne 
Eingang,  der  dieses  jetzt  ebenfalls  den  Aposteln  Petrus  und  Paulus  als  Kapelle  ge- 
weihte Geftingniss  durch  die  schon  erwähnte  grosse  Treppe  mit  dem  Vorhause  der 
über  demselben  liegenden  Kapelle  S.  Pietro  verbindet.  An  der  Süd  Westseite  neben 
dem  schmalen  modernen  Eingange,  durch  den  die  Besucher  gewöhnlich  eintreten,  ist 
der  Anfang  einer  ebenfalls  modernen  Treppe  von  1 1  Stufen ,  welche  von  dem  be- 
schriebenen Kerker  in  den  untersten  hinabführt.    An  der  Wand  neben  dieser  Treppe, 


Das  (mamerlinische)   Gefängniss. 


09 


oben,  wird  der  angebliche  Gesichtsabdruck  des  heil.  Petrus  gezeigt.  Der  antike  Zu- 
gang zu  dem  unteren  Verliess  war  wieder  nur  eine  runde  Oeffnung  im  Boden  des 
beschriebenen  oberen,  beziehungsweise  in  der  Decke  des  unteren  Gefängnisses  mit 
einem  Durchmesser  von  0, 70  Met.  Der  untere  Kerker  ist  von  fast  halbcirkeliger  Form ; 
die  gerade  Seite,  welche  gegen  das  Forum  zu  liegt,  ist  5  Met.  lang,  die  Höhe  der 
Kammern  aber  beträgt  nur  2, 05  Met.  Der  Scheitel  des  Gewölbes  ist  abgekürzt,  so 
dass  die  Decke  (zugleich  der  Boden  des  oberen  Geföngnisses)  nur  eine  sehr  schmale 
Krümmung  zeigt.  Da  wegen  der  erwähnten  runden  Oeffnung  kein  Schlussstein  die 
technisch  sehr  unvollkommen  ausgeführte  Wölbung  vollendet  und  befestigt,  so  sind 
die  Tufblöcke   derselben   mit    Eisenklammern   verbunden,    die  Ficoroni    entdeckt    hat. 


6.   Grundiiss  des  Carcer  (Mameplinus).   (Nach  Canina.) 


*— J— ^ — ' — "—^ — '—' — ' — ^—hJOst. 

7.  DurchscIiniU  des  Carcer  (Mainerliiius.)  (Nach  Caiiina.) 


Die  Mauern  der  beiden  Kerker  sind  zwar  im  Material  ungef^ähr  gleichartig,  da  sie 
beide  aus  nicht  ganz  gleichen  und  bis  zu  1,20  Met.  langen  Tufblöcken  bestehen,  die 
durchschnittlich  4  Met.  in  der  Höhe  messen ,  sind  aber  hinsichtlich  ihrer  Structur 
wesentlich  verschieden.  Denn  während  das  Tonnengewölbe  oben  schon  den  Bogen- 
schnitt  zeigt,  jene  wichtige  Erfindung ,  auf  der  die  Richtung  und  Grösse  der  römischen 
Architektur  beruhte,  nähern  sich  im  unteren  Verliesse  die  Steinlagen  in  horizontaler 
Richtung ,  offenbar  um ,  wenn  sie  sich  genug  genähert ,  in  der  Wei^e  durch  dach- 
förmig aufgesetzte  Steinplatten  abzuschliessen ,  wie  wir  diess  an  dem  merkwürdigen 
Brunnenhause  in  Tusculum  noch  in  vollständiger  Erhaltung  sehen.  Dieses  Kerker- 
gewölbe verblieb  jedoch  nicht  in  dieser  primitiven  Gestalt,  man  nahm  den  Gewölbe- 
abschluss  ab  und  schloss  die  Kammer  mit  einer  fast  flachen,  doch  schon  den  Ge- 
wölbeschnitt zeigenden  Decke,  die  übrigens  um  so  schwieriger  zu  construiren  war, 
als  die  Wände  von  theils  geradliniger,  theils  gekrümmter  Gestalt  waren.  Nicht  ganz  in 
der  Mitte  dieser  Kammer  befindet  sich  in  dem  Boden  eine  runde  ausgemauerte  Vertiefung 


j /|  0  Das  Forum  Romanum. 

von  0,55  Meter  Durchmesser  und  nur  0,63  Tiefe,  mit  stets  nachfliessendem  frischen  Was- 
ser. Der  Custode  erklärt,  dass  dieser  Brunnen  keinen  Zufluss  habe,  wunderbarerweise 
jedoch  das  Wasser  nicht  vermindert  werden  könne.  Es  ist  dasselbe  Wunder  wie  bei  den 
vielen  Tausenden  von  Brunnen  und  Quellen,  die  vom  Grunde  herauf  ihren  Zufluss  haben, 
der  freilich  hier  wegen  der  Dunkelheit  nicht  beobachtet  werden  kann.  Der  Abflusskanal, 
der  sich  gegen  Südost  wendet,  um  in  die  Cloake  des  Forum  zu  münden ,  lässt  sich  noch 
verfolgen.  Der  Brunnen  selbst  ist  nur  3  Meter  unter  dem  antiken  Boden  und  so  war  auch 
das  untere  Gewölbe  schon  in  antiker  Zeit  unterirdisch.  Das  obere  Gewölbe  jedoch,  jetzt 
gleichfalls  unter  dem  mächtigen  Schutt  begraben,  bildete  im  Alterthum  das  erste  Stockwerk, 
die  Wand  aber,  auf  welcher  wir  beim  Eintritte  in  das  Vorhaus  der  Kapelle  Pietro  in  Car- 
cere  die  Inschrift  des  Rufinus  und  Nerva  lesen,  gehörte  schon  dem  zweiten  Stockwerke  an. 
lieber  den  Zw^eck  dieser  Gewölbe  kann  kein  Zweifel  bestehen,  denn  im  ganzen 
Mittelalter  waren  sie  als  CarcerMamertinus  bekannt,^  welcher  Name  sich  auch  dauernd  er- 
halten hat,  und  die  Localität  stimmt  auch  mit  den  classischen  Erwähnungen  aufs  vollkom- 
menste überein.  Die  Bezeichnung  Mamertinus  (Mamers,  alte  Nebenform  von  Mars)  könnte, 
obwohl  sie  in  antiken  Nachrichten  nicht  gefunden  wird ,  doch  aus  den  ältesten  Zeiten 
stammen,  würde  dann  auf  Ancus  Marcius ,  den  vierten  König  von  Rom ,  der  als  der  Er- 
bauer des  Kerkers  genannt  wird,^  hinweisen,  was  jedoch  nicht  als  so  ausgemacht  gelten 
kann,  als  gewöhnlich  geschieht.  Denn  die  bekannte  Statue  des  Marforio  befand  sich,  ehe 
Sixtus  V.  sie  in  das  capitolin.  Museum  brachte,  gerade  dem  Carcer  gegenüber,  und  da 
man  ihn  in  grobem  Missverständniss  und  Uebersehen  der  Gestalt  und  Attribute  eines 
Flussgottes  für  einen  Mars  hielt,  so  erklärt  sich  der  Name  simulacrum  Mamertini,  unter 
welchem  er  sich  frühzeitig  findet, ^  ebenso  leicht,  wie  der  später  gangbarere  Unsinn 
Marforio.  Der  dem  simulacrum  Mamertini  fast  gegenüberliegende  Carcer  konnte  nun  leicht 
auch  denselben  Zunamen  erhalten  haben.  —  Es  wird  berichtet,*  dass  Servius  Tullius, 
der  sechste  König  von  Rom,  zur  Anlage  des  Ancus  noch  ein  unterirdisches  Verliess  hin- 
zugefügt habe,  welches  nach  ihmTullianum  genannt  wurde.  Indem  man  nun  diese  Notizen 
mit  der  Localität  in  Verbindung  setzte ,  kam  man  zu  dem  bequemen  und  überdiess  fast 
von  allen  Topographen  Roms  angenommenen  Schlüsse,  die  obere  der  beiden  Geföngniss- 
kammern  sei  für  das  Werk  des  Ancus,  die  untere  für  das  des  Servius  Tullius  zu  halten. 
Allein  dieser  summarischen  Annahme  stehen  unüberwindliche  Schwierigkeiten  entgegen. 
Einerseits  ist  es  nicht  zu  bezweifeln,  dass  das  untere  feuchtkalte  Verliess  mit  dem  Brun- 


*  Ordo  Romanus  (1143)  ed.  Mabillon  Mus.  Ital.  tom.  II.  p.  143.  "  Liv.  I.  33.  ''  Mart.  Polon.  Cliron. 
Die  stelle  fehlt  mit  der  ganzen  topogr.  Abhandlung  in  den  mir  bekannten  Ausgaben  (Amstel.  1574.  Col.  Agr.  1616. 
Schilter),  findet  sich  jedoch  in  vielen  Mss.  (so  Cod.  Beuerb.  31.  Oberalt.  2H.  Ben.  273  in  München).  Der  Anony- 
mus Einsiedl.  nennt  die  Statue  noch  richtig  »Tiberis.«  (Arch.  f.  Philol.  u.  Päd.  Suppl.-Bd.  V.  p.  132.  134.)  Doch 
schon  in  den  Mirabiiien  (Montfauc.  Diar.  Ital.  p.  287)  heisst  sie  »Mars«.  *  Varro  L.  L.  V.  32,  42.  p.  150.  Speng. 
Fest.  s.  V.  Tullianum. 


Das  (mamerlinische)  Gerängniss.  |  |  \ 

nen,  daslugurtha,  als  er  hinabgelassen  wurde,  höhnend  ein  kaltes  Bad  nannte,  der  unter- 
irdische Theil  des  Gefängnisses,  wirldich  das  von  Varro  so  beschriebene,  und  von  Sallust  ^ 
ungefähr  1 2  Fuss  unter  der  Erde  befindlich  genannte  Tullianum  war,  anderseits  ist  es 
doch  nach  der  Structur  und  BeschafTenheit  beider  Kammern,  wie  schon  W.  Gell  behaup- 
tet, 2  unmöglich,  dass  das  untere  Gewölbe  späteren  Ursprungs  sei,  als  das  obere.  Es  ist 
schon  erwähnt  worden,  wie  die  Gewölbeconstruction  unten  bis  auf  die  später  angesetzte 
und  vielmehr  den  Boden  der  oberen  Kammer  bildende  Decke  noch  keine  Spur  von  Stein- 
schnitt zeigt,  dass  vielmehr  die  Wände  sich  dadurch  nähern,  dass  die  horizontalen  Stein- 
lagen nach  oben  zu  immer  weiter  vorspringen,  während  die  obere  Kammer  von  Grund 
auf  aus  einem  regelmässigen  Tonnengewölbe  besteht.  Schon  daraus  ergibt  sich  offenbar, 
dass  der  B^u  der  unteren  Kammer  dem  der  oberen  vorausging  und  in  eine  Bauperiode 
gehörte,  in  welcher  man  mit  dem  Bogenschnitt  noch  nicht  vertraut  war,  wobei  von  der 
Schwierigkeit  kaum  eine  Erwähnung  nöthig  ist,  den  Kellerraum  eines  Gebäudes  mit  den 
Mauern,  aufweichen  dasselbe  zum  Theil  ruht,  erst  zu  bauen,  nachdem  das  Gebäude  selbst 
schon  besteht.  Die  Schwierigkeit  wird  noch  vermehrt  durch  die  in  neuester  Zeit  allge- 
meine und  auch  unzweifelhafte  Annahme,  dass  diese  unterirdische  Kammer  nicht 
ursprünglich  als  Verliess  erbaut  wurde.  Die  Quelle  im  Boden  derselben  diente  sicher 
vormals  als  Brunnen  und  die  Mauern  ringsum  sind  nichts  anderes  als  die  Wände  des 
ehemaligen  Brunnenhauses,  welches  mit  dem  noch  vollständig  erhaltenen  Brunnenhause 
von  Tusculum  die  grösste  Aehnlichkeit  hat.  Als  es  zum  Geföngnisse  umgewandelt  wurde, 
dachte  man  die  spitze  Decke,  wie  wir  sie  in  Tusculum  noch  sehen,  ab,  und  schloss  das 
Verliess  mit  dem  flachen  Gewölbe,  welches  beschrieben  worden  ist.  In  dieser  Weise  und 
nur  in  dieser  erklären  sich  die  Verhältnisse  und  die  Structur  der  unteren  Kammer.  Wie 
könnte  man  sonst  die  Mauern  erklären,  wie  könnte  man  sonst  rechtfertigen,  dass  man 
für  den  Ort,  in  welchen  Verbrecher  hinabgelassen  wurden,  um  zu  verhungern  oder  durch 
ein  rascheres  Supplicium  entweder  erdrosselt,  oder  erschlagen  oder  in  anderer  Weise 
getödtet  zu  werden,  einen  Brunnen  baute?  Als  einmal  das  massive  Brunnenhaus  stand, 
und  vielleicht  den  Wünschen  der  Bevölkerung  aus  irgend  einem  Grunde  nicht  entsprach, 
da  konnte  man  es  leicht  in  einen  Kerker  verwandeln,  der  Schreckliches  genug  hatte, 
wenn  man  das  suchte,  nächtliches  Dunkel  und  feuchte  schaudererregende  Kälte. 

Wenn  man  aber  diess  ehemalige  Brunnenhaus  als  das  von  Servius  TuUius  in 
ein  Gefängniss  umgewandelte  Tullianum  erkennt,  so  kann  nimmermehr  das  darüber- 
liegende  Gewölbe  als  der  Carcer  des  Ancus  Marcius  erkannt  werden.  Denn  dieser 
Aufbau  musste  aus  den  angegebenen  Gründen  späteren  Ursprungs  sein,  als  seine 
Grundlage,  wesshalb  wir  darauf  verzichten  müssen,  den  ältesten  von  Ancus  erbauten 


*  Sallust.  Coni.  Catil.  55.         *  W.  Gell,  Topography  of  Rome,  Addenda  p.  495—496.  cf.  Sallust.   1.  c.   Liv. 
XXIV.  44.   XXIX.  22. 


]  1  2  D''>s  Forum  Romanum. 

Kerker  noch  zu  besitzen.  Wahrscheinlich  war  jedoch  auch  dieser  Aufbau  aus  ziem- 
hch  früher  Zeit,  die  sich  jedoch  nicht  naher  ermitteln  lasst,  und  nach  Art  der  Struc- 
tur  sicher  älter  als  die  Restauration  durch  Rufinus  und  Nerva,  welcher  wahrschein- 
lich nur  das  zweite  Stockwerk,  dessen  Fronte  mit  der  Inschrift  noch  theilweise  erhal- 
ten ist,  angehört.  In  der  Kaiserzeit  musste  jedenfalls  der  Kerker  umfänglicher  gewe- 
sen sein,  da  für  die  Despotie  die  gelinde  Haft  der  Lautumiä  nicht  entsprechend 
erscheinen  konnte.  In  der  Zeit  der  Repubhk  nemlich  war  der  Carcer  nicht  für  län- 
gere Haft,  sondern  nur  für  die  schweren  Verbrecher  bestimmt,  welche  nur  ihre  Hin- 
richtung hier  zu  erwarten  hatten,  die  denn  auch  in  dem  Tullianum  selbst  vollzogen 
wurde.  ^  Die  geringeren,  nicht  auf  Todesstrafe  processirten  Verbrecher,  2  auch  die 
Kriegsgefangenen 3  wurden  in  den  sogenannten  Lautumiä  in  Haft  gehalten.' Es  waren 
diess  alte,  ausgenutzte  Steinbrüche,  die  durch  ihren  Namen  und  nunmehrigen  Zweck 
an  die  berüchtigten  Latomien  von  Syracus  erinnern.  Das  gegenseitige  Verhältniss 
zwischen  Carcer  und  Lautumiä  wurde  von  Becker  (a.  a.  0.)  aus  den  Ueberlieferun- 
gen  der  Alten  überzeugend  dargethan;  minder  annehmbar  dagegen  und  durch  Momm- 
sen  *  widerlegt,  ist  es,  dass  Becker  die  Lautumiä  an  das  Südostende  des  Forum  ver- 
setzt, ^  nicht  bloss,  weil  diess  dem  Berichte  Varro's  (a.  a.  0.),  welcher  den  Carcer 
mit  den  Latomien  verbindet,  widerspricht,  sondern  auch  darum,  weil  man  nicht  daran 
denken  konnte ,  Bausteine  an  ebenen  Plätzen  aus  der  Tiefe  herauszuarbeiten ,  wäh- 
rend die  Höhen  biossliegendes  und  für  den  Anfang  ohne  Vertiefung  erreichbares 
Material  genug  darboten,  das  überdiess  compacter  und  besser  war,  als  der  Bröckel- 
tuf  an  der  von  Becker  beliebten  Stelle.  Bunsen^  ferner  glaubt  überhaupt  ein  Stadt- 
viertel am  Forum  Romanum  unter  der  volksthümlichen  Bezeichnung  in  laulumiis  ver- 
stehen zu  müssen,  welche  Ausdehnung  jedoch  als  eine  übermässige  erscheinen  muss, 
obwohl  jedenfalls  die  dem  Geföngnisse  nächste  Umgebung  den  Namen  trug,  wie 
daraus  erhellt,  dass  mehre  Privatgebäude  in  diesem  Bezirke  erwähnt  werden. '  Von 
diesen  wird  unten  noch  mehr  gesprochen  werden. 

Schon  bei  der  Verschönerung  des  Forum  in  dem  letzten  Jahrhundert  der 
Republik  durch  grosse  Neubauten  beschränkt,  wurden  die  Latomien  durch  die  Pracht- 
anlagen der  Kaiserfora  ganz  weggetiigt.  Der  Carcer  jedoch  mit  dem  Tullianum  erhielt 
sich  zum  grossen  Theile  bis  auf  den  heutigen  Tag.  Durch  die  feuchte  Kälte  und  die 
Dunkelheit  in  dem  engen  Brunnengewölbe  wird  noch  jetzt  die  Erinnerung  an  die 
schrecklichen  Scenen,  deren  Zeugen  die  engen  Mauern  waren,  an  den  lugurtha,  der 


*  cf.  Becker,  Handb.  d.  röm.  Alterth.  B.  I.  S.  262  —  266.            =  M.  Ann.  Seneca  Controv.  27.  =*  Liv. 

XXXII.  26.    XXXVII.  3.             *  De   cornitio   Romano,    curiis   laniqiie   templo   Annal.    d.    I.    d.    Corr.  a.  1844. 

p.  288  sq.  c.  9.         ^  Becker,  H.  d.  r.  A.  p.  267.  268.         «  Beschreibung  der  Stadt  Rom.  111.  Bd.  p.  28.  '  Liv. 
XXXIX.  44. 


Das  (raamertinische)  Gefängniss.  113 

hier  den  Hungertod  erlitt,  an  die  hier  hingerichteten  Mitverschwornen  Catilina's  und 
viele  andere,  lebhaft  unterstützt.  Auch  die  Apostel  Petrus  und  Paulus  sollen  hier 
ihre  letzten  Tage  zugebracht  haben.  Eine  von  Papst  Benedict  XIII.  in  dem  Vorhaus 
von  S.  Pietro  in  Carcere  über  der  Treppe  links  angebrachte  Inschrifttafel,  welche  die 
Geschichte  des  Kerkers  in  der  christlichen  Zeit  zusammenfasst,  berichtet  sowohl  dieses, 
wie  auch  die  Sage  von  dem  Quell  im  Tullianum,  welchen  die  Apostel,  nachdem  sie 
die  beiden  Gefängnisswärter  und  nachmaligen  Heihgen  Processus  und  Martinianus  und 
noch  47  andere  spätere  Märtyrer  bekehrt  hatten,  durch  ein  Wunder  hervorgerufen  haben 
sollen,  um  sie  mit  seinem  Wasser  taufen  zu  können.  Auf  Verlangen  Constantin's  weihte 
Papst  Sylvester  den  Kerker  den  heiligen  Aposteln. 

Zur  Linken  von  dem  beschriebenen  Gefiingnisse  musste  die  berüchtigte  gemonische 
Treppe  gewesen  sein,  auf  welcher  die  im  Kerker  hingerichteten  Verbrecher  hingeworfen, 
und  eine  Zeit  lang  zur  Schau  ausgestellt  wurden,  ehe  man  sie  mit  eisernen  Haken  in 
den  Tiber  schleppte.  Ein  Blick  auf  den  Plan  zeigt  auch  nur  für  einen  keineswegs  breiten 
Aufgang,  der  wegen  des  directen  Aufsteigens  wohl  nur  eine  Treppe  sein  konnte,  zwischen 
dem  Tullianum  und  dem  Tempel  der  Concordia,  Raum.  Die  Scalae  Gemoniae  mussten 
wenigstens  in  ihrem  untern  Theile  dieselben  Treppen  gewesen  sein,  welche,  wie  Ovid  ^ 
sagt,  von  dem  Tempel  der  Concordia  zu  dem  Tempel  der  Inno  Moneta  auf  die  Arx  führ- 
ten, denn  die  Localität  lässt  gar  keine  andere  Annahme  zu ;  die  Treppe  aber  musste  zu- 
nächst an  dem  Tabularium  vorbei  auf  die  Senkung  zwischen  den  beiden  Hügeln,  den  Platz 
des  Asyls,  das  sog.  Intermontium  (die  heutige  Piazza  del  Campidoglio)  führen,  denn  es 
wäre  sonst  nicht  wohl  möglich  gewesen,  dass  man  vom  capitolinischen  lupitertempel  her 
auch  auf  diesem  Wege  zum  Forum  herabging.  ^  Von  der  Treppe  liegt  nichts  mehr  zu 
Tage  und  wenn  Becker  ^  behauptet,  zu  Lucio  Fauno's  Zeiten  sei  man  bei  einer  Nachgra- 
bung auf  diesen  Aufgang  gestossen ,  so  ist  das  nur  ein  Missverständniss  des  betreffenden 
Berichtes,  *  in  welchem  ganz  unverkennbar  von  dem  Clivus  Capitolinus  selbst  gesprochen 
wird.  Ebenso  unrichtig  ist  seine  Behauptung,  dass  sie  bei  der  letzten  Ausgrabung 
des  Severusbogens  wieder  zum  Vorschein  gekommen  sei,  indem  man  den  rechten 
Flügel  des  Concordientempels  gar  nicht  blossgelegt  hat,  und  desshalb  zur  daran- 
stossenden  Treppe  nicht  gelangen  konnte,  umsoweniger,  als  das  Seitenatrium  der 
Kirche  S.  Giuseppe  de'  Falegnami  in  seinen  Grundmauern  darauf  ruht.  —  Der  moderne 
Stufenweg  (Via  di  Arco  di  Settimio  Severo)  aber,  der  die  gemonische  Treppe  unget^hr 
vertritt,  befindet  sich  etwas  weiter  zur  Linken  und  bedeckt  den  rechten  Flügel  des 
Concordientempels. 


'  Ovid.  Fast.  I.  v.  637  sq.  *  Dio  Cass.  LVIII.  5.  '  Becker,   H.  cl.  r.  A.  I.  Bd.  S.  415.  *  Lucio 

Fauno,  delle  antichitä  della  cittä  di  Roma.    Venet.  ■1548.  32  b. 

F.  Heber,  die  Buincn  Borns.  1  5 


1  1  4  Das  Forum  Romanum. 

14.    Die  nordöstliche  Langseite  des  Forum  (die  Basilica  Porcia,  der  Curia- 

complex,  die  Basilica  Aemilia). 

Wie  oben  erwähnt  worden  ist,  sind  uns  von  der  ganzen  nordöstlichen  Langseite 
des  Forum  nur  die  beiden  Endpunkte  in  Ueberresten  gegeben ,  der  merkwürdige  Raum 
zwischen  denselben  aber  ist  ohne  alle  Spuren  in  tiefem  Schutt  begraben  und  auf  diesem 
Schutte  erhebt  sich  eine  moderne  Häuserreihe  in  der  vollen  Anspruchslosigkeit  einer 
Vorstadt,  als  welche  jetzt  das  ganze  alte  Rom  südöstHch  vom  Capitolinus  wohl  betrachtet 
werden  kann.  Die  nur  wenig  über  200  Meter  betragende  Länge  enthält  jedoch  mit  Ein- 
schluss  der  beiden  genannten  Endpunkte  nicht  weniger  als  fünf  Kirchen,  S.  Giuseppe, 
S.  Pietro  in  Carcere,  SS.  Martina  e  Luca,  S.  Adriano  und  S.  Lorenzo  in  Miranda,  welche 
ich  aber  mit  Ausnahme  der  zweiten  nur  menschenleer  angetroffen ;  der  Campo  vaccino 
ist  eben  heutzutage  ein  für  das  römische  Leben  unbedeutender  Ort,  als  ungesund  im  Ver- 
rüfe und  verhältnissmässig  öde,  und  die  fortschreitenden  Ausgrabungen  tragen  auch  gerade 
nicht  dazu  bei,  das  schmutzige  Leben  dieser  Quartiere  hieher  besonders  zu  fesseln ,  was 
auch  durchaus  nicht  zu  beklagen  ist.  Es  ist  im  Gegentheile  sehr  zu  bedauern,  dass  diese 
Häuserreihe  mit  den  Kirchen  eine  Ausgrabung  und  Erforschung  der  antiken  Ueberreste 
der  Nordseite  des  Forum  nicht  leicht  thunlich  macht,  denn  gerade  auf  dieser  Seite 
befand  sich  das  denkwürdigste  Gebäude  des  ganzen  Forum,  das  Herz  des  römischen 
Reiches  in  der  republikanischen  Zeit,  nemlich  die  Curia. 

Es  hegt  nun  allerdings  nicht  im  Plane  dieses  V^erkes  eine  vollständige  Topo- 
graphie des  alten  Rom  zu  geben,  es  sollen  vielmehr  zunächst  nur  die  noch  vorhan- 
denen Reste  beschrieben  und  erklärt  werden,  allein  da  jetzt  ein  so  grosser  Theil  des 
römischen  Forum  aufgedeckt  vor  uns  liegt,  darf  davon  nicht  Umgang  genommen 
werden,  von  dem  bedeutendsten  Platze  der  alten  Welt  auch  die  noch  fehlenden 
Glieder  zu  reconstruiren,  und  den  Körper  thunlichst  zu  vervollständigen,  umsoweniger 
als  das  Eine  das  Andere  ergänzen,  erklären  und  beweisen  muss,  und  als  sonst  von 
all  den  Tempeln  und  Staatsgebäuden  des  denkwürdigen  Platzes  gerade  das  Haupt 
fehlte.  Die  Untersuchung  ist  auch  so  wichtig  und  interessant,  dass  sie  in  einem  Zeit- 
raum von  wenigen  Jahren  in  besonderen  Abhandlungen  vorgenommen^  und  dadurch 
die  Frage  der  Entscheidung  jedenfalls  genähert  wurde.  Der  Verfasser  des  vorhegenden 
Werkes,  der  sich  an  der  Untersuchung  ebenfalls  betheiligte,^  hatte  das  Vergnügen, 
in  der  durch  seine  Abhandlung  veranlassten  Schrift  Detlefsen's  seine  Hauptthese  be- 
züglich der  Lage  der  Curia  Hostilia  bestätigt  zu  finden,  und  hat  keinen  Anlass,    von 


*  Th.  Mommsen,  s.  S.  H2.  Anm.  4.  Urlichs,  Ueber  die  Lage  der  Curia  Hostilia,  Archäologische  Zeitung.  Jahr- 
gang 1846.  No.  4  3.  p.  306—308.  D.  Detlefsen,  de  comitio  Romano.  Annal.  d.  I.  d.  C.  a.  1860.  *  F.  Reber,  Die 
Lage  der  Curia  Hostilia  und  der  Curia  lulia.    München  1858. 


Die  nordöstliche  Langseite  des  Forum.  115 

seinen  dargelegten  Annahmen  etwas  Wesentliches  zurück  zu  nehmen,  kann  vielmehr, 
was  namentlich  die  Details  des  Curiacomplexes  betrifft,  deren  Erörterung  hier  zu 
umfangreich  wäre,  auf  seine  unten  angezogene  Abhandlung  verweisen. 

Es  sind  vom  römischen  Forum  jetzt  zwei  Seiten  vollständig  blossgelegt,  von 
welchen  wir  die  eine,  die  gegen  den  Capitolinus  gewendete,  bereits  in  Betrachtung 
gezogen  haben,  während  wir  uns  die  andere,  die  südwestUche  Langseite  noch  zu 
beschreiben  und  zu  erklären  vorbehalten.  An  beiden  Seiten  jedoch  ist  für  die  Annahme 
der  Curia  schlechterdings  keine  Möglichkeit  gegeben.  Wir  können  diese  demnach  nur 
mehr  an  einer  der  beiden  übrigen  Seiten,  der  südöstlichen  schmalen  und  der  nord- 
östlichen Langseite  suchen.  Allein  auch  von  diesen  kommt  die  erstere  durch  die  Notiz, 
die  auch  für  die  Seite  am  Clivus  entscheidend  wäre,  wenn  nicht  die  aufgedeckten 
Ruinen  dort  selbst  zur  Genüge  sprächen,  in  Wegfall,  dass  die  »vor  der  Curia  befind- 
lichen«^ und  »fast  mit  derselben  verbundenen«  ^  Rostra  in  der  Mitte  des  Forum  ^  und 
zwar  zwischen  den  beiden  Abtheilungen  desselben,  Comitium  und  Forum  im  engsten 
Sinne*  standen.  Denn  das  kann  nicht  auf  die  schmalen  Seiten  passen,  von  welchen 
beiden  noch  die  breitere  am  Clivus  die  Spitze,  das  obere  Ende  des  Forum  ^  genannt 
wird,  wo  weder  von  einer  Mitte  des  Forum  im  allgemeineren  Sinne,  noch  von  der 
Gränzlinie  der  beiden  Halbtheile  desselben,  Comitium  und  Forum  im  engeren  Sinne 
die  Rede  sein  kann ;  und  so  bleibt  für  die  Rednerbühne,  mithin  auch  für  die  mit  ihr 
in  Verbindung  stehende  Curia  kein  anderer  Raum  möglich,  als  die  nordöstliche  Lang- 
seite und  zwar  die  Mitte  derselben. 

Das  kann  wohl  als  ziemlich  sicher  hingestellt  werden.  Daran  aber  reihen  sich 
noch  andere  Bestimmungen,  welche  die  Localität  nicht  nur  bestätigen,  sondern  auch 
noch  genauer  bezeichnen.  Die  Curia  hatte  mehrere  zugehörige  Räumlichkeiten  neben 
sich,  von  welchen  jedenfalls  die  schon  erwähnte  Rednerbühne  unmittelbar  vor  der- 
selben hegen  musste,  wie  sich  aus  dem  Gesagten  und  schon  aus  der  Natur  der 
Sache  ergibt.  Ferner  wird  eine  unbedeckte  ^  Terrasse  {locus  siibstruclus)  mehrfach  er- 
wähnt, auf  welche  die  an  den  Senat  geschickten  Gesandten  geführt  wurden,  um  den 
Beschluss  der  Curia  hier  abzuwarten,  oder  allenfalls  den  Comitien  anzuwohnen,  welche 
Terrasse  gegen  das  Comitium  gewendet,  zur  Rechten  von  der  Curia ^  und  hart  an 
den  Rostra*  genannt  wird.  Der  Ausdruck  »zur  Rechten  der  Curia«  nun  fand  diametral 
verschiedene  Erklärung:  dass  man  jedoch  die  Sache  hier  nur  nach  der  heut  zu  Tage 
üblichen  Anschauung  auffassen  könne,  indem  Varro  sich  in  den  Standpunkt  des  gegen 

'  Varro  L.  L.  V.  32,  43  p.  155.  Speng.  *  Ascon.  in  Cic.  or.  p.  Mil.  c.  5.  g  12.  ''  l)io  Cass.  XLIU.  49. 

Appian.  Bell.  civ.  I.  94.         *  Plut.  C.  Gracch.  5.  Cic.  Lael.  25.  »  Plin.  H.  N.  III.  5,  9,66.  cf.  Tacit.  Hist.  1.27. 

Sueton.  Otho  6.      «  Plin.  H.  N.  XXXIII.  1,  6,  19.  lul.  Obsq.  91.      '  Varro,  L.  L.  V.  32,  43  p.  155.  Speng.      "  Plin. 
H.  N.  VII.  60,  60,  212. 

15* 


\\Q  Das  Forum  Romanum. 

die  Curia  gewendeten  Beschauers  dachte,  habe  ich  in  meiner  angezogenen  Abhand- 
lung^ entwickelt,  und  kann  der  Weitläufigkeit  halber  hier  nicht  darauf  eingehen.  Die 
Gräcostasis  muss  zur  Rechten  der  Curia  (nach  unserem  Begriffe),  d.  h.  südöstlich  von 
derselben  angenommen  werden,  und  wir  werden  iiberdiess  sehen ,  dass  sie  auf  der 
entgegengesetzten  Seite  schon  wegen  eines  anderen  dort  anstossenden  Gebäudes  nicht 
sein  konnte.  Auf  der  Gräcostasis  stand  eine  von  Gn.  Flavius  bei  bürgerlichen  Unruhen 
gelobte  Kapelle  {aedicula)  der  Concordia,  welche  in  Bronze  ausgeführt  oder  wenigstens 
mit  diesem  Metalle  bekleidet  war.  ^  Derselbe  Tempel  wurde  jedoch  nach  einer  ande- 
ren Nachricht  auf  der  Area  des  Vulcan  errichtet.^  Es  scheint  daher  Gräcostasis  und 
Vulcanal  identisch  gewesen  zu  sein,  oder  es  war,  was  wahrscheinlicher  ist, 
die  Gräcostasis  der  vordere  Theil  der  ganzen  Area  Vulcani,  welche  ebenfalls 
erhöht,*  unbedeckt^  und  mit  Weihgeschenken, ^  ohne  Zweifel  auch  mit  einem  Altar 
des  Vulcan  geschmückt  war ,  und  einen  uralten  Lotosbaum  trug , '  wie  denn  über- 
haupt das  Vulcanal  als  eines  der  ältesten  Heiligthümer  dem  Romulus  selbst  zuge- 
schrieben wird.  ^  Sowie  aber  der  Name  Forum  im  weiteren  Sinne  auch  das  Comitium 
miteinbegriff,  im  engeren  Sinne  jedoch  diesem  gegenübergestellt  wird,  so  dehnte  man 
auch  den  Namen  Area  Vulcani  über  die  Gräcostasis  aus  und  gebrauchte  ihn  so  selbst 
von  dem  an  das  Forum  oder  vielmehr  Comitium  stossenden  Theile.  ^  In  irgend 
einem  jedoch  nicht  ganz  klarem  Zusammenhange  damit  muss  auch  das  Senaculum 
gestanden  sein,  derjenige  Ort  an  der  Curia,  an  welchem  sich  die  Senatoren  vor  Eröff- 
nung der  Sitzung  zu  versammeln  pflegten.^*'  Die  Ortsbestimmung  dieses  Raumes  durch 
Varro,  welcher  es  oberhalb  der  Gräcostasis,  wo  sich  der  Tempel  der  Concordia  und 
die  Basilica  Opimia  befinden,  nennt, ^^  ist  desshalb  besonders  schwierig  zu  erklären, 
weil  wir  einerseits  von  der  Basilica  Opimia  sonst  nichts  Entscheidendes  wissen  (ob- 
wohl ihre  Existenz  von  Mommsen^^  Becker  gegenüber  geltend  gemacht  wurde),  und 
anderseits  der  Tempel  der  Concordia  verschiedene  Annahmen  zulässt.  Denn  dieser 
konnte  der  von  dem  Consul  Opimius  nach  dem  Tode  des  C.  Gracchus  erbaute  sein^^ 
oder  die  schon  e.rw ahnte  Kapelle  des  Gn.  Flavius.  Der  Tempel  der  Concordia  am 
Clivus  kann  natürhch  hier  nicht  in  Betracht  kommen ;  für  die  von  Gn.  Flavius  erbaute 
Kapelle  würde  zwar  die  Localität  sprechen,  doch  scheint  mir  wahrscheinlicher,  dass 
der  Opimische  Tempel  gemeint  sei,  da  er  ohne  nähere  Bezeichnung  gleich  neben 
der  opimischen  Basilica  genannt  wird.  Der  Ausdruck  »oberhalb  der  Gräcostasis«  lässt 


*  c.  6.  S.  16  fg.  *  Plin.  H.  N.  XXXm.  1,  6,  19.  ^  Liv.  IX.  46.  *  A.  Gell.  N.  A.  IV.  5.  =  Liv. 
XXXIX.  46.  XL.  19.  id.  IX.  46.  »  Dionys.  II.  54.  Plut.  Rom.  24.  ''  Plin.  H.  N.  XVI.  44,  86,  236.  »  Dionys. 
II.  80.  ■  Fest.  s.  V.  statua.  Dionys.  VI.  67.  VII.  17.  XI.  39.  *"  Val.  Max.  II.  2,  6.  "  Varro,  L.  L.  V.  32,  43, 
p.  155.  Speng.  '*  ^^  Comitio  &c.  c.  5.  '*  Appian.  Bell.  Civ.  I.  26.  Plut.  C.  Gracch.  17.  cf.  Augustin.  Civ. 
Dei.  III.  25. 


Die  nordöstliche  Langseite  des  Forum.  -1  f  7 

es  jedoch  als  annehmbar  erscheinen,  dass  auch  das  Senaculum  hinter  der  Gröcostasis 
auf  der  Area  Vulcani  seinen  Platz  hatte. 

Ohne  hinsichtlich  der  zuletzt  erwähnten  Localitäten  etwas  als  sicher  festhal- 
ten zu  wollen,  wiederhole  ich  nur,  dass  nach  dem  Bisherigen  die  Curia  ungefähr  in 
der  Mitte  der  Langseite  und  rechts  neben  ihr  die  Gräcostasis  sich  befunden  haben 
müsse.  Wie  aber  die  letztere  zur  Rechten,  so  musste  zur  Linken  ein  anderes  nicht 
zur  Curia  gehöriges  Gebäude  gestossen  sein,  nemHch  die  Basilica  Porcia.  Denn  diese 
Basilica  wird  nicht  bloss  an  der  Curia  oder  vielmehr  am  Fusse  derselben  hinge- 
streckt ^  (weil  die  Curia  einen  bedeutend  erhöhten  Unterbau  mit  hoher  Treppe  ^  hatte), 
sondern  sogar  damit  verbunden  ^  genannt.  Für  diese  Basihca  aber  erwarb  M.  Porcius 
Cato,  der  sie  im  Jahre  569  d.St.  (185  vor  Chr.)  als  die  erste  Roms  erbaute,  käuflich 
einige  Privatgrundstücke  in  der  Gegend ,  welche  den  Namen  in  lautumiis  trug.  *  Von 
dem  Zusammenhange  des  Carcer  und  der  Lautumiae  wurde  schon  oben  gesprochen, 
und  da  das  eine  dieser  Privatgrundstticke,  das  des  Mänius  zugleich  in  den  Lautumiae 
und  zugleich  am  Forum  lag,  so  ist  die  Lage  der  Basilica  Porcia  bestimmt  gegeben. 
Sie  muss  nemlich  zwischen  dem  Carcer  und  der  Curia  angenommen  werden,  etwa 
da,  wo  sich  jetzt  die  Kirche  SS.  Martina  e  Luca  befindet,  und  war  auch  höchst  wahr- 
scheinlich das  einzige  Gebäude  zwischen  den  beiden  Punkten. 

Denn  die  Curia  war  dem  nordwestlichen  Ende  des  Forum  etwas  näher,  als 
dem  südöstlichen.  Sie  lag  nemlich  am  Comitium  und  die  Rednerbühne,  welche  sich, 
wie  oben  bemerkt,  in  der  Mitte  des  ganzen  Forum  befand,  an  der  Gränze  des  Comi- 
tium und  Forum  im  engeren  Sinne.  Wie  nun  die  Gräcostasis,  so  mussten  auch  die 
hart  an  ihr  liegenden  Rostra  zur  Rechten  der  Curia  liegen,  woraus  sich  zunächst 
ergibt,  dass  das  Comitium  den  oberen,  dem  Clivus  näheren  Theil  des  Forum  umfasste, 
was  auch  Mommsen  und  Detlefsen,  der  letztere  mit  einer  etwas  gesuchten  Modifi- 
cation,  in  den  angeführten  Abhandlungen  behaupten.^  Würde  man  nun  die  Curia 
weiter  südöstlich,  in  der  Richtung  gegen  die  Velia  versetzen,  so  gäbe  man  dadurch 
dem  Comitium  entweder  eine  Ausdehnung,  welche  ausser  allem  Verhältnisse  zum 
übrigen  Forum  stünde,  oder  man  müsste  sogar,  wenn  man  sich  dem  südöstlichen 
Ende  des  Forum  mehr  als  dem  nordwestlichen  näherte,  das  Comitium  in  die  süd- 
östliche Hälfte  versetzen.  Das  letztere  ist  aber  schlechterdings  unmöglich ,  w^enn  man 
Gräcostasis  und  Rostra  zur  Rechten  der  Curia  annimmt,  indem  dann  die  Rostra  nicht  mehr 
so  auf  der  Gränze  zwischen  Comitium  und  Forum  im  engeren  Sinne  stehen  konnten,  dass 
der  Redner,  je  nachdem  er  sich  wandte,  zu  den  am  Forum  oder  Comitium  Versammelten 
sprechen  konnte.  ^ 


*  Plut.  Cat.  mai.  19.  *  Liv.  I.  48.         »  Ascon.  in  Cic.  p.  Mil.  Arg.  §  8.         *  Liv.  XXXIX.  «4.         »  Vgl. 

auch  meine  Abhandlung  c.  10.    S.  24  fg.         "  s.  S.  115  Anm.  4. 


j  1  g  Das  Forum  Romanum. 

Wenn  nun  damit  die  Reihe  der  Gebäude  vom  Carcer  bis  zur  Mitte  der  nordöst- 
lichen Langseite  in  der  Weise  bestimmt  worden  ist,  dass  die  Basilica  Porcia,  die  Curia 
und  die  Gräcostasis  aufeinander  folgten  und  dass  die  erstere  etwa  derKirche  SS.  Martina 
e  Luca,  die  Curia  aber  der  Kirche  S.  Adriano  entsprach,  so  ist  doch  die  Frage  über  die 
Lage  der  Curia  noch  keineswegs  vollständig  erledigt.  Denn  die  Curia  blieb  nicht  immer 
dieselbe :  ihre  Schicksale  und  der  mehrmalige  Wiederaufbau  derselben  verursachten  viel- 
mehr verschiedene  noch  zu  untersuchende  Aenderungen.  Die  Curia,  welche  TullusHosti- 
lius  gründete  und  welche  von  diesem  den  Namen  Hostiliatrug,  wurde  von  Sulla,  der 
den  alten  Bau  abtragen  Hess,  durch  einen  neuen  ersetzt ;  —  die  erste  Aenderung  des 
ehrwürdigen  Gebäudes,  von  der  wir  Kunde  haben.  Es  wurde  nun  neuerhch  mehrfach 
behauptet,  dass  dieser  Neubau  an  einer  ganz  anderen  Stelle  aufgeführt  worden  sei ,  und 
zwar  auf  Grund  einer  allerdings  nicht  ungewichtigen  Stelle,  ^  in  welcher  berichtet  wird, 
dass  die  Statuen  des  Pythagoras  und  Alkibiades  so  lange  in  den  Ecken  [in  cornibus)  des 
Comitium  gestanden,  bis  Sulla  »dort«  die  Curia  erbaute.  Das  möchte  allerdings  auf  den 
Gedanken  bringen,  dass  Sulla  wirklich  für  seinen  Bau  einen  anderen  Platz  gewählt  habe, 
allein  dem  stehen  mehre  andere  Gründe  entschieden  entgegen.  Die  Curia  wird  bis  Cäsar 
ausdrücklich  die  hostilische  genannt,  und  es  wird  doch  dabei  erwähnt,  dass  sie  von  Sulla 
umgebaut,  und  dann  abermals  von  dessen  Sohne  Faustus  wieder  hergestellt  wurde,  ^  was 
auf  keinen  Fall  so  hätte  hingestellt  werden  können ,  wenn  das  sullanische  Gebäude  auf 
einem  anderen  Platze  gestanden  wäre,  als  das  von  Tullus  HostiHus  gegründete,  so  wenig 
als  man  die  pompeische  oder  iulische  Curia  »Hostilia«  genannt  hat  oder  nennen  konnte. 
Ferner  findet  sich  die  Curia  des  Sulla  nicht  in  dem  Berichte  Varro's,^  in  welchem  er  die 
Curien  aufzählt,  welche  besonders  inaugurirt  wurden,  da  nur  an  einem  speciell  dafür  ge- 
weihten Orte  ein  gültiger  Senatsbeschluss  gefasst  werden  konnte.  Er  nennt  die  Curia 
Hostilia,  die  Pompeia  und  die  lulia :  doch  die  des  Sulla  nannte  er  nicht  und  brauchte  er 
nicht  zu  nennen,  da  ihre  alte  Stätte  schon  inaugurirt  war.  Desshalb  ist  sicher  das  sulla- 
nische Gebäude  zwar  als  ein  Neubau,  doch  an  derselben  Stelle  aufgeführt  zu  betrachten, 
und  die  oben  angezogene  Stelle  des  Plinius  dürfte  so  zu  erklären  sein,  das  jenes  »ibü( 
nicht  in  der  Weise  betont  gemeint  sei,  als  ob  die  Curia  Hostilia  an  einem  anderen  Platze 
gestanden  hätte,  und  dass  die  alten  Statuen  nur  beseitigt  wurden,  weil  sie  entweder  dem 
glänzenden  Neubau  nicht  mehr  entsprachen  oder  weil  Sulla  seine  neue  Curia  vergrösserte, 
welcher  letztere  Grund  auch  um  so  wahrscheinlicher  ist,  als  die  sullanische  Curia  wirk- 
lich räumlich  grösser  als  die  alte  hostilische  genannt  wird.'*  Damit  ist  auch  die  fast  un- 
überwindliche Schwierigkeit  der  Frage  beseitigt,  an  welcher  neuen  Stelle  des  Comitium 
denn  die  Curia  des  Sulla  erbaut  worden ,  und  was  aus  der  alten  geworden  sei ,    und  es 

*  Plin.  H.  N,  XXXIV.  6,  12,  26.         *  Dio  Cass.  XL.  50.   XLIV.   3.      *  A.  Gell.  XIV.  7,  7.      *  Cic.  de  finibu.s 
bonor.  et  rnalor.  V.  1 . 


Die  nordöstliche  Langseite  des  Forum.  ]  \  9 

ist  vollkommen  gerechtfertigt,  wenn  ich  mich  zur  Bestimmung  der  Lage  der  Curia  Hosti- 
lia  bei  Erörterung  der  Basilica  Porcia  unter  anderen  Angaben  auch  einer  Stelle  bediente, 
welche  bereits  die  sullanische  Curia  betrifft.  ^ 

Der  sullanische  Neubau  ward  bei  einem  bedauerlichen  Excesse  bald  wieder  ein 
Raub  der  Flammen :  der  römische  Pöbel  hatte  die  Leiche  des  durch  Milo  getödteten  P. 
Glodius,  seines  Protagonisten,  in  dieselbe  getragen,  dort  Tische,  Stühle,  Bänke  und  Schrif- 
ten übereinander  gethürmt,  und  darauf  den  Todten  verbrannt,  wodurch  denn  auch  die 
Curia  selbst  vom  Feuer  ergriffen  und  sammt  der  anstossenden  Basilica  Porcia  verzehrt 
wurde.  Nachdem  nun  des  Sulla  Sohn  Faustus  das  Gebäude  wieder  hergestellt  hatte,  er- 
freute sich  diess  nur  eines  noch  kürzeren  Daseins.  Schon  acht  Jahre  nach  dem  Brande 
bei  Clodius  Leichenfeier  wurde  der  kaum  vollendete  Neubau  auf  Cäsars  Befehl  wieder 
niedergerissen ,  unter  dem  Vorwande ,  an  dessen  Stelle ,  einem  Gelübde  gemäss ,  der 
Fehcitas  einen  Tempel  zu  erbauen,  in  Wahrheit  aber  aus  dem  Grunde,  auch  hier  den 
Cäsar  verhassten  Namen  Sulla's  tilgen  und  eine  neue  Curia  unter  seinem  eigenen  Namen 
erbauen  zu  können.  ^  Der  letztere  Plan  kam  jedoch  erst  unter  Augustus  zur  Ausführung,  ^ 
nachdem  der  Senat  längere  Zeit  ganz  vom  Forum  entfernt  gewesen  war,  und  die  Ver- 
sammlungen des  Senats  regelmässig  in  der  Curia  des  Pompeius  am  Marsfelde  statt- 
gefunden hatten,  welche  Curia  auch,  wie  allbekannt,  der  Schauplatz  der  Ermordung 
Cäsars  war. 

Hinsichtlich  der  Lage  dieser  neuen  Curia  lulia  befinden  wir  uns  in  noch  grösse- 
ren Schwierigkeiten.  Sie  war,  wie  ausdrücklich  erwähnt  wird,  ebenfalls  am  Comitium;* 
ferner  wird  berichtet,  dass  in  Folge  einer  Pest  und  anderer  Schrecknisse  im  Jahre  7 1  I 
d,  St.,  ein  Jahr  nach  der  Ermordung  Cäsars,  der  Wiederaufbau  der  hostilischen  Curia 
verordnet  wurde, ^  aus  welchen  beiden  Gründen  allerdings  zu  denken  wäre,  die 
Curia  lulia  sei  wieder  auf  demselben  Platze  errichtet  worden.  Allein  dieser  Annahme 
stehen  zwei  unwiderlegliche  Hindernisse  entgegen.  Der  Tempel  der  FeHcitas,  welchem 
Platz  zu  machen  die  von  Faustus  wieder  hergestellte  sullanische  Curia  abgebrochen 
worden  war,  wurde  wirklich  erbaut  und  von  Lepidus  vollendet  ^  und  die  neue  Curia 
lulia  musste  erst  inaugurirt  werden, "^  was  so  wenig  wie  bei  der  sullanischen  nöthig 
gewesen  wäre,  wenn  man  sie  auf  derselben  schon  inaugurirten  Stelle  erbaut  hätte. 
Irgend  eine  locale  Veränderung  musste  daher  vorgenommen  worden  sein :  da  wir 
aber  wissen,  dass  auch  das  neue  Gebäude  am  Comitium  lag,  können  wir  auch  ungefähr 
ermitteln,  welcher  Art  sie  gewesen  ist.  Denn  wir  kennen  die  Ruinen  an  der  Seite  des  Clivus 
Capitolinus  und  an  dei  südwestlichen  Langseite  des  Forum ,  beziehungsweise  Comitium, 
welche  keine  Möglichkeit   zur  Anbringung  derselben   darbieten;   die  dritte  Seite  aber. 


*  Vgl.  S.  H  7.  Anm.  3.     "  Dio  Cass.  XLIV.  5.     '  Monum.  Ancyr.  Chishull,  Ant.  .\siat.  I.ond.  1 728.  p.  1 74.    *  Plin. 
H.  N.  XXXV.  4,  10,  27.  Die  Cass.  XLVII.  49.      "  Dio  Cass.  XLIV.  5.      *  Dio  Cass.  I.  c.      ^  A.  Gell.  L  c. 


420  Das  Forum  Romanura. 

die  südöstliche,  war  gegen  das  übrige  Forum  hin  natürlich  von  Gebäuden  frei :  es  ist 
mithin  auch  die  Curia  lulia  auf  derselben  Seite,  wie  die  Hostilia  zu  suchen,  und  zwar 
unweit  davon,  da  die  Ausdehnung  des  Comitium  nicht  viel  Spielraum  gewährt.  Es  ist 
möglich,  dass  der  unberühmte  Felicitastempel  nicht  das  ganze  Areal  der  hostilischen 
oder  vielmehr  sullanischen  Curia  einnahm,  und  dass  der  Platz  noch  theilweise  von 
der  iulischen  Curia  in  Anspruch  genommen  wurde,  es  kann  aber  auch  sein,  dass  die 
Basilica  Porcia,  welche,  wie  erwähnt  worden  ist,  im  Jahre  700  d.  St.  abbrannte,  und 
von  welcher  sich  keine  Meldung  mehr  findet ,  nicht  wieder  hergestellt  wurde ,  und  dass 
ihre  Stätte  wenigstens  theilweise  für  die  Curia  lulia  benutzt  ward.  In  der  nicht  weiter 
erklärbaren  Basilica  argentaria,  welche  von  der  Notitia  zwischen  der  Traianssäule  und 
den  Tempeln  am  Clivus  genannt  wird,''  die  ehemalige  Porcia  wieder  zu  erkennen,  dürfte 
doch  zu  gewagt  sein.  Die  Curia  lulia  hatte  jedenfalls  keinen  gedrängten,  sondern  über- 
flüssigen Raum,  denn  es  wurde  ihr  ein  Chalcidicum  angebaut,^  worunter,  wenn  auch  der 
Name  nicht  genügend  erklärt  ist,^  doch  sicher  eine  als  Flügel  an  das  Hauptgebäude  ange- 
fügte Seitenhalle  zu  verstehen  sein  wird:  was  daraus  hervorgeht,  dass  Yitruv  für  den 
Fall,  dass  beim  Bau  einer  Basilica  in  der  Länge  Raum  übrig  sei ,  an  den  Enden  Chalci- 
diken  anzubringen  anräth.^ 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  durch  diesen  Neubau  auch  die  besprochenen 
Annexen  der  Curia  verändert  werden  mussten.  Es  war  auch  Cäsars  Absicht,  mit  den 
alten  aristokratischen  Formen  der  Repubhk,  die  durch  Sulla  und  dann  durch  Pompeius 
wieder  ephemer  zu  Ehren  gekommen  waren ,  überhaupt  mit  der  ganzen  Vergangenheit 
gründlich  zu  brechen,  und  desshalb  musste  ihm  daran  liegen,  das  ganze  Forum  umzuge- 
stalten und  so  viel  als  möghch  zu  iulisiren.  Die  Ausführung  dieses  Planes  blieb  allerdings 
grossentheils  hinter  seiner  Absicht  zurück ,  weil  Cäsar  fast  immerw^ährend  mit  Kriegen 
beschäftigt  und  von  der  Hauptstadt  abwesend  war,  und  seine  Fonds  wie  seine  Aufmerk- 
samkeit doch  zunächst  seinem  Lieblingswerke,  dem  neuen  Forum  lulium  nordwestlich 
vom  Forum  Romanum  zuwendete.  Die  Curia  Sulla's  wurde  eilfertig  abgebrochen ,  doch 
mit  dem  Neubau  —  offenbar  nicht  ohne  Absicht  —  gezögert.  Auch  andere  Neubauten 
am  Forum,  wie  die  Basilica  lulia,  wurden,  wie  es  scheint,  nicht  lebhaft  betrieben ,  und 
so  musste  das  römische  Forum  in  den  letzten  Jahren  Cäsars  eben  keinen  erquickhchen 
Anblick  dargeboten  haben,  wenn  man  bedenkt,  dass  den  Grundbauten  der  Basilica  lulia 
die  Brandstätte  der  Basilica  Porcia  gegenüberlag,  und  auf  der  berühmten  Stätte  der 
Curia  Hostilia  ein  obscurer  Tempel  sich  erhob.  Nichts  desto  weniger  verblieb  das  Forum 
das  Herz  des  römischen  Volkes ,  wenn  auch  der  Sitz  des  aristokratischen  Elements ,  die 
Curia,  für  einige  Zeit  auf  das  Marsfeld  verlegt  war,  und  das  römische  Leben  pulsirte  fort 


'  Curios.  Urb.  Romae.  Reg.  VIII.      *  Monum.  Ancyr.  I.e.       *  Isidor.  Hisp.  Glossar.  Hb.     *  Vitruv.  V,  1,  4. 


Die  nordöstliche  Langseite  des  Forum.  121 

in  der  Volksversammlung  auf  dem  Forum ,  angeregt  von  der  Rednerbiihne  aus ,  die  nun 
ihren  früheren  Zusammenhang  mit  der  Curia  verloren  hatte.  Allein  es  war  noch  nicht 
genug,  die  Rostra  der  Beeinflussung  durch  die  Curia  entrückt  zu  haben,  es  sollte  eben- 
falls eine  neue  Rednerbühne  erstehen,  entfernt  von  der  alten  Stätte  am  Comitium,  woran 
sich  wenigstens  noch  Reminiscenzen  aus  der  Zeit  der  Curiatcomitien  knüpften,  und  Cäsar 
wählte  dafür  das  südöstliche  Ende  des  Platzes,  die  Spitze  des  Forum  im  engeren  Sinne, ^ 
nachdem  er  schon  vorher  den  Treppenspiegel  des  ausserhalb  des  Comitium  liegenden 
Dioskurentempels  fiir  seine  Reden  vorgezogen  hatte. ^  Aus  der  oben  angezogenen  Stelle 
nun  möchte  man  allerdings  ableiten ,  dass  diess  eine  förmliche  Versetzung  der  Rostra 
war,  allein  bei  Sueton  finden  sich  die  zwei  Rostra,  die  alten  und  die  iulischen  bei  einer 
und  derselben  Gelegenheit  erwähnt,  wenn  es  anders  mit  der  neuerhchen  Correctur  des 
Textes  aus  den  Handschriften  seine  Richtigkeit  hat.^  Vorher  las  man  an  dieser  Stelle  ein 
Wörtchen  eingeschoben,  rostra  »siib«  veteribus,  welches  auch  mich  in  meiner  Abhand- 
lung* zu  einer  irrthümhchen  Behauptung  veranlassen  musste.  Von  zwei  Rednerbüh- 
nen spricht  auch  Dio  Cassius  bei  Erzählung  derselben  Begebenheit,  nemhch  der 
Leichenfeier  des  Augustus.^ 

Die  angegebene  Localität  der  iulischen  Rostra  ergibt  sich  schon  aus  ihrer  Ge- 
schichte. Es  wird  nemlich  berichtet,  dass  die  Leiche  Cäsars  auf  das  Forum  getragen  und 
bei  der  Regia  verbrannt  worden  sei ,  an  welcher  Stelle  dann  dem  Cäsar  ein  Altar  und 
später  ein  Tempel  errichtet  wurde. ^  An  einer  anderen  Stelle  aber  lesen  wir,  dass  diese 
Verbrennung  vor  den  Rostra  stattgefunden  habe. ''  Wenn  sich  nun  diese  Notiz  auf  die 
alten  Rostra  bezöge ,  welche  erwähntermassen  in  der  Mitte  des  Forum  lagen ,  so  wäre 
diess,  da  die  Regia  sich  am  südösthchen  Ende  des  Forum  befand,  ein  Widerspruch,  der 
von  Livius,  des  Augustus  Zeitgenossen,  unmöglich  angenommen  werden  könnte.  Allein 
es  ist  damit  die  iulische  Rednerbühne  gemeint,  welche  sich  in  der  That  da  befunden  haben 
musste ,  wo  später  der  Tempel  des  Cäsar  erstand ,  und  welche  Augustus  mit  dem  sie 
verdrängenden  Tempel  dadurch  in  Verbindung  setzte,  dass  er  die  Krepis,  den  Treppen- 
spiegel des  Tempels  als  Rostra  gestaltete,  und  um  den  Namen  wahr  zu  machen,  sie  auch  mit 
den  Schnäbeln  der  in  der  Schlacht  bei  Actium  erbeuteten  ägyptischen  Schifte  schmückte.^ 
Wenn  aber  die  Nähe  der  Regia  (von  welcher  unten)  schon  unzweifelhaft  auf  das  südöst- 
liche Ende  des  Forum  hinweist,  so  ergibt  sich  die  Lage  und  Stellung  des  Tempels  noch 
genauer  aus  einer  wiederholten  Erwähnung  bei  Ovidius,  welcher  den  Tempel  über  das 
Forum  gegen  das  Capitol  hinschauend  ^  und  dem  Dioskurentempel  (dessen  Lage  und 
Ueberreste  in  einem  besonderen  Abschnitte  besprochen  werden  sollen)  zunächst  nennt, '» 


'  Dio  Cass.  XLIII.  49.  *  Dio  Cass.  XXXVIII.  6.  '  Sueton.  ed.  Roth.  Praef.  p.  XLI.  August.    <00. 

*  c.  16.  S.  43  fg.         '  Dio  Cass.  XLI.  34.         "  Appian.  B.  C.  IL  184.    Dio  Cass.  XLIV.  5i.     XLVIII.  <8.         '  Liv. 
Epit.  CXVI.         »  Dio  Cass.  LI.  14.         *  Ovid.  Metam.  XV.  v.  841.         •»  id.  Trist.  IL  2,  v.  86. 

F   Rebeu  ,  die  Ruinen  Korns.  1  6 


I  2|2  Das  Forum  Romanum. 

wonach  darüber  kein  Zweifel  mehr  Raum  gewinnen  kann,  dass  Rostra  und  Tempel 
Cäsars  an  der  südöstlichen  schmalen  Seite  und  noch  innerhalb  der  das  Forum  be- 
kränzenden Strassen  sich  befanden. 

Von  der  Versetzung  der  Gräcostasis  durch  Cäsar  oder  Augustus  haben  wir 
keine  Nachrichten ,  doch  dass  auch  sie  ihre  Lage  damals  veränderte,  ist  um  so  wahr- 
scheinlicher, als  wir  sie  in  späterer  Zeit  an  einer  anderen  Stelle  finden,  nemlich  am 
Clivus  CapitoHnus.  Die  Gründe  für  diese  meine  Annahme  wurden  schon  oben  bei 
Beschreibung  der  Ueberreste  dieser  Gräcostasis  (S.  96)  entwickelt.  Was  das  Senaculum 
betrifflt,  so  wurde  schon  oben  bemerkt,  dass  es  als  Sammelplatz  für  die  Senatoren, 
wie  es  scheint  als  eine  Art  von  Seitenatrium  der  Curia,  diente,  bei  welcher  Be- 
stimmung es  selbstverständlich  von  der  Curia  nicht  getrennt  sein  konnte.  Es  ist  mir 
daher  höchst  wahrscheinlich,  dass  jetzt  das  von  Augustus  der  neuen  Curia  angebaute 
Chalcidicum  die  Stelle  derselben  vertrat.  —  Das  Vulcanal  blieb  wohl  auf  seinem  Platze, 
da  kein  Grund  vorlag,  dieses  uralte  Heiligthum  zu  versetzen,  ob  aber  damit  Ver- 
änderungen vorgenommen  wurden  und  welcher  Art  diese  waren ,  ist  nicht  bekannt. 

In  der  Hauptsache  verblieben  die  Curia  und  die  anderen  eben  besprochenen 
Localitäten  so,  wie  sie  die  iulische  Umwälzung  gestaltet  hatte,  und  desshalb  haben 
wir  auch  von  nun  an  nur  mehr  dürftige  Berichte.  So  bringen  spätere  Quellen^  die 
magere  Notiz ,  dass  Domitian  den  Senatus  (wie  die  Curia  in  der  späteren  Latinität 
hiess)  erbaut  habe,  eine  Nachricht,  welcher  doch  kaum  entnommen  werden  kann, 
dass  Domitian  wieder  eine  andere  Curia  an  einem  anderen  Platze  errichtet  habe. 
Betrachten  wir  aber  des  Domitian  Werk  als  einen  Wiederaufbau  der  Curia  lulia,  so 
findet  sich  auch  eine  naheliegende  Veranlassung  dazu  in  dem  neronischen  Brande, 
welcher  auch  die  achte  Region  theilweise  ergriffen  und  die  Curia  wenigstens  be- 
schädigt hatte.  Ein  wirklicher  Neubau  an  einer  anderen  Stelle  hätte  der  Berücksich- 
tigung der  Biographen  wohl  kaum  entgehen  können ,  während  eine  spätere  Zeit  durch 
eine  vielleicht  hyperbolische  Inschrift  leicht  irregeführt  werden  konnte. 

Eine  Neuerung  in  der  unmittelbaren  Nähe  der  iuhschen  Curia  scheint  jedoch 
mit  der  domitianischen  Herstellung  in  Verbindung  zu  stehen,  nemhch  die  Errichtung 
eines  kleinen  ehernen  lanustempels ,  der  am  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  n.  Chr. 
zum  erstenmale  erwähnt  wird.^  Denn  wenn  Procopius  im  6.  Jahrh.  n.  Chr.  diesen 
Tempel  für  das  alte  von  Numa  gegründete^  Heihgthum  zu  halten  scheint,*  so  sind  wir 
noch  nicht  berechtigt,  im  Widerspruche  mit  so  vielen  anderen  Nachrichten^  den  wahr- 
scheinlich zwischen  dem  Forum  Olitorium  und  dem  Forum  Boarium  befindlichen  alten 


*  Hieronym.  Chron.    a.  92.      Prosp.  Aquit.   —    Cassiodor.  Chron.  —    Catal.  imp.  Vienn.  *  Dio  Cass 

LXXIII.  4  3.         «  Plin.  H.  N.   XXXIV.  7,  16,   33.         *  Procop.  bell.   Goth.  I.  25.         "  Serv.  ad  Virg.  Aen.  VH. 
V.  607.    cf.  Liv.   I.  19.      Ovid.   Fast.   I.  257  sq.      Varro  L.  L.  V.  32,  43.  p.  156.  Speng. 


Die  nordöstliche  Langseite  des  Forum.  i23 

lanustempel  auf  das  Gomitiura  zu  versetzen,^  auf  welchem  er  doch  bis  zum  zweiten 
Jahrhundert  n.Chr.  niemals  erwähnt  wird,  oder  umgekehrt  in  noch  evidenterem  Wider- 
spruche mit  den  entschiedenen  Angaben  über  die  Lage  der  Curia  lulia  am  Comitium^ 
diese  vom  Comitium  weg  in  die  muthmassliche  Gegend  des  alten  lanustempels  zu  ver- 
legen, wie  diess  von  einer  nicht  minder  bedeutenden  Autorität  geschehen  ist.^  Von 
Domitian  aber  wird  ausdrücklich  berichtet,  dass  er  den  lanus  und  die  Minerva  vor- 
zugsweise verehrt  und  dieser  mehre  Tempel,  jenem  aber  viele  Bogen  errichtet  habe.* 
Wenn  nun  zur  Zeit  des  Gotheneinfalles  die  Römer  zu  dem  alten,  fast  vergessenen 
Cult  und  zu  dem  vor  der  Curia  befindlichen  lanus  zurückkehren  wollten,^  so  lässt  sich 
diess  leicht  so  erklären,  dass  der  von  Numa  gegründete  Tempel  nicht  mehr  existirte,  die 
Tradition  aber  auf  die  eherne  Aedicula  am  Forum  tibergegangen  war. 

Seit  Domitian  findet  sich  von  den  Veränderungen  der  Curia  keine  Erwähnung  mehr 
bis  zur  Zeit  des  Theodosius,  unter  welchem  das  nicht  lange  vorher  von  dem  Praefectus  Urbi 
Flavianus  erbaute  Secretarium  Senatus  durch  den  Praefectus  Urbi  Flavius  Annius  wieder 
hergestellt  wurde.  Diess  berichtet  eine  Inschrift,  welche  noch  im  vorigen  Jahrhundert  in 
der  Kirche  S.  Martina  vorhanden  war,  seitdem  aber  verschwunden  ist,  und  also  lautete:  ^ 

SALVIS- DOMIN  IS  NOSTRISHONORIOETTHEODOSIOVICTORIOSISSIMIS 
PRINCIPIBVS  SECRETARIVM-  AMPLISSIMI  SENATVS  QVOD  VIR 
INLVSTRIS  FLAVIANVS  INSTITVERAT.  ETFATALIS  IGNIS  ABSVMPSIT 
FLAVIVS  ANNIVS  EVCHARIVS  EPIFANIVS  VC  PRAEF  (VRB).VICE 
SACRA    TVD  .  REPARAVIT.  ET    AD     PRISTINAM     FACIEM     REDVXIT 

Dass  dieses  Secretarium  die  Curia  selbst  gewesen  sei,  scheint  mir  nicht  wahrscheinlich, 
ganz  willkürlich  aber  die  aus  dieser  Inschrift  gezogene  Annahme,  dass  unter  Theodosius 
wieder  eine  neue  Curia  an  einer  anderen  Stelle  erbaut  worden  sei,'^  was  übrigens  schon 
genügende  Widerlegung  gefunden  hat.^  Ich  vermuthe  in  diesem  Secretarium  etwas  dem 
ehemaligen  Senaculum  oder  dem  Chalcidicum  des  Augustus  ähnhches,  nemlich  einen  ge- 
sonderten Anbau  der  Curia.  Jedenfalls  müssen  Secretarium  Senatus  und  Curia  (Senatus) 
sowohl  in  Bezug  auf  den  Zweck  als  auf  die  Localität  in  engster  Beziehung  zu  einander 
stehend  gedacht  werden.  Dass  aber  die  Kirche  S.  Adriane,  namentlich  die  schmucklose 
Fagade  derselben  ein  Ueberrest  des  Secretarium  oder  der  letzten  Curia  sei,  ist  schon 
desshalb  nicht  wohl  möglich,  weil  diese  Fagade  der  Linie  der  Sacra  via  nicht  entspricht. 
Diejenigen  aber,  welche  in  dieser  Fagade  durchaus  nur  Antikes  zu  erkennen  glauben, 
mögen  die  Thurmruine  betrachten,  die  in  der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  auf  dem 


'Becker,  H.  d.  r.  A.  Bd.  I.  S.  254  — 259.  348  —  354.  'Vgl.  S.  H9.  Anm.  4.  '  Mommsen  I.e.  c.  13.4  5. 
*  Sueton.  Domit.  13.  *  Procop.  1.  c.  *  Griit.  Inscr.  CLXX.  5.  ^  Ch.  Bunsen,  Les  forum  de  Roine.  I.  C. 
Annal.  d.  I.  d.  C.  A.  Vlll.  p.  268.         »  Becker,  H.  d.  r.  A.  I.  S.  353  fg. 

<6* 


/]2|4  ^3''  Forum  Romanum 

Forum  stand  und  sich  in  einer  schönen  Abbildung  erhalten  hat.^  Diese  Ruine  ist  der 
Fagade  ganz  gleichartig  und  auf  keinen  Fall  antik,  musste  vielmehr  einer  Zeit  angehören, 
in  welcher  das  Forum  bereits  verfallen  war.  Jedenfalls  gibt  uns  der  Fundort  der  Inschrift 
noch  eine  erwünschte  Bestätigung  für  die  angenommene  Lage  der  Curia  luha. 

Ausser  dieser  Restaurationsinschrift  des  Secretarium  Senatus  hat  uns  das  Schicksal 
noch  ein  anderes  inschriftliches  Denkmal  von  dem  beschriebenen  Complexe  erhalten, 
nemHch  den  Sockel  der  Columna  rostrata  des  Duilius  mit  der  zwanzigzeiligen ,  gleich- 
wohl stark  verstümmelten  Inschrift.  Sie  wurde  in  der  zweiten  Hälfte  des  1 6.  Jahrhunderts 
beim  Bogen  des  Septimius  Severus  ^  oder  nach  einer  genaueren  Angabe  ^  zwischen 
S.  Adriano  und  der  Phokassäule  ausgegraben,  eine  Bezeichnung,  welche  wieder  eine 
höchst  erwünschte  Bestätigung  unserer  Localitäten  darbietet.  Denn  die  Columna  rostrata 
des  Duilius,  welche  als  Denkmal  des  ersten  Seesieges  auf  dem  Forum  errichtet  wurde,* 
stand  noch  in  später  Zeit  da,  wo  sie  sich  ursprünglich  befand,  »m  rostrisi^  seil,  veteribus.^ 
Das  merkwürdige  Denkmal,  welches  jedoch,  wenn  auch  in  der  Inschrift  die  archaistischen 
Formen  beibehalten  sind,  nach  der  Gestalt  der  Buchstaben  nicht  das  ursprüngliche,  son- 
dern eine  Wiederherstellung  aus  der  Kaiserzeit  zu  sein  scheint,  befindet  sich  jetzt  re- 
staurirt  im  Corridor  des  Erdgeschosses  des  Conservatorenpalastes.  Die  Säule  selbst  ist 
moderne  Nachbildung  nach  antiken  Münzen. 

Es  erübrigt  noch,  die  Aufzählung  der  Notitia^  mit  unseren  Ergebnissen  zu- 
sammenzuhalten. Hiebei  findet  sich  zwar  hinsichtlich  der  Gruppirung  nichts,  was  Be- 
denken veranlassen  könnte,  da  im  Gegentheile  die  Reihenfolge  des  Regionars  unseren 
Annahmen  vollkommen  entspricht ,  doch  werden  dort  drei  Rednerbühnen  erwähnt ,  wäh- 
rend wir  geschichtlich  nur  zwei  kennen ,  nemlich  die  alten  in  der  Mitte  und  die  iulischen 
am  südöstlichen  Ende  des  Forum,  und  zwischen  dem  Senatus  und  den  Kaiserforen  wird 
ein  räthselhaftes  Atrium  Minervae  eingeschoben ,  das  der  Topographie  des  Forum  schon 
grosse  Verlegenheiten  bereitet  hat.  Was  nun  die  dritten  Rostra  betrifflt,  so  wurden  diese 
in  den  Ueberresten  vor  der  Gräcostasis  der  Kaiserzeit  erkannt  und  dort  in  einem  be- 
sonderen Abschnitte  beschrieben  und  bewiesen ,  ohne  dass  jedoch  über  die  Zeit  ihrer 
Entstehung  ein  gewisser  Anhaltspunkt  beigebracht  werden  konnte.  —  Das  Atrium  Mi- 
nervae aber  gehörte  dem  Forum  Romanum  gar  nicht  an,  sondern  war  ein  Theil  des  Forum 
Transitorium ,  welches  durch  die  Strasse ,  die  ihm  den  Namen  gab ,  in  zwei  Hälften  ge- 
theilt  wurde,  so  dass  ein  Theil  der  achten,  der  andere  der  vierten  Region  angehörte. 
Bei  dieser  letzten  Region  findet  es  sich  auch  als  Forum  Transitorium  verzeichnet,  während 


*  G.  Piranesi,    Opere   varie   di    architettura ,  prospettiva,  grotteschi,  antichitä  raccolte   da  G.  Bouchard. 
Roma  1750.  *  Ciacconii  in  columnae  Rostratae  inscript.  explicatio.  p.  3.  '  Gauges  de' Gozze,  Iscrizione 

della  Base  della  Colonna  Rostrata.  R.  4635.  p.  5.       Grut.  Inscr.  p.  CDIV.  1.         *  Plin.  H.  N.  XXXIV.  5,  U,  20. 
Sil.  Ual.  VI.  V.  663  sq.      Quint.  I.  0.  I.  7.         *  Serv.  ad  Virg.  Georg.  III.  v.  29.         *  Curios.  Urb.  Rom.  Reg.  VIII. 


Die  nordöstliche  Langseile  des  Forum.  12!  5 

der  zur  achten  Region  gehörige  Recinttheil  unter  dem  angeführten  Namen  erscheint. 
Die  Erklärung  des  Namens  findet  sich  noch  an  der  schönen  Ruine  in  der  Yia  della  Croce 
bianca,  deren  Fries  ein  minervisches  Relief,  die  Attika  aber  das  Hochrelief  der  Göttin  selbst 
zeigt,  einem  Ueberreste  der  Umfriedung  des  Forum  Transitorium  oder  Palladium,  welche  dem 
Domitian  und  seiner  Hinneigung  zum  Minervencult  ihre  Entstehung  und  Gestalt  verdankt. 
Ein  Blick  auf  den  Plan  zeigt  uns  nun  klar  den  einfachen  Gang  des  Regionars  bei  seiner 
Aufzählung  der  Gebäude  der  achten  Region  (Forum  Romanum  Magnum) ,  Senatus  (Curia), 
Atrium  Minervae  (der  nordwestliche  Theil  der  Umfriedung  des  Forum  Transitorium ,  Pal- 
fladium  oder  Nervae).  Die  Strasse  bildet  die  Gränze  gegen  Südosten  und  gegen  die  vierte 
Region  (Forum  Pacis).  Desshalb  wendet  sich  der  Regionär  vom  Forum  Transitorium  aus 
nordwärts  und  verzeichnet  die  übrigen  Kaiserfora  in  ihrer  localen  Reihenfolge:  Forum 
Caesaris,  Augusti,  Nervae  Traiani.  Nachdem  er  Tempel  und  Säule  Traians  besprochen, 
wendet  er  sich  südwärts,  kömmt  an  der  Basilica  argentaria  vorbei  in  der  Richtung  der 
jetzigen  Via  di  Marforio  auf  das  Forum  und  zunächst  an  den  Clivus  Capitolinus  zurück, 
gibt  zuerst  die  höher  liegenden  Gebäude  in  ihrer  natürlichen  Reihenfolge,  Templum  Con- 
cordiae,  Vespasiani  et  Titi ,  Capitolium ,  dann  die  unmittelbar  am  Forum  liegenden  Räum- 
lichkeiten, Miliarium  aureum,  Vicus  lugarius,  Gräcostadium ,  Basilica  lulia,  Templum 
Gastorum  et  Minervae,  Vesta. . .  Es  wurde  schon  früher  erkannt,  dass  man  in  dem  Re- 
gionär nicht  so  fast  eine  Aufzählung  der  in  den  Regionen  befindlichen  Gebäude,  als  vielmehr 
die  Gränzbestimmung  der  einzelnen  Districte  vor  sich  habe,  welche  hier  an  dei'  Stelle  des 
Forum  beginnt,  wo  die  vierte  Region  endigt  (denn  die  Basilica  Paulli  und  der  Faustinatempel 
[finden  sich  in  der  vierten  Region  aufgezählt),  und  dann  regelmässig  fortschreitend  den 
ganzen  Umkreis  aufzählt,  wesshalb  auch  das  Capitohum  mit  seinen  zahlreichen  Tempeln, 
als  ohnehin  schroff"  abgegränzt ,  nur  summarisch  genannt  zu  werden  brauchte. 


Durch  die  bisherige  Untersuchung  erledigten  wir  nur  die  Frage  über  die  eine 
Hälfte  der  nordöstlichen  Langseite  des  Forum,  welche  ungefähr  dem  Räume  entspricht, 
der  jetzt  durch  die  zwei  Kirchen  SS.  Martina  e  Luca  und  S.  Adriano  in  Anspruch  ge- 
nommen wird,  und  selbst  von  diesem  Räume  musste  bei  den  mannigfachen  Aenderungen, 
welche  der  Complex  der  Curia  in  dem  Jahrtausend  des  römischen  Reiches  erfuhr,  für 
gewisse  Zeiten  Manches  unerklärt  bleiben.  Diese  eine  Hälfte  nun  wurde  wahrscheinlich 
schon  seit  frühester  Zeit,  gewiss  aber  seit  der  Anlage  der  Kaiserfora  durch  eine  Strasse 
abgeschlossen,  welche  vom  Forum  Romanum  nordwärts  durch  das  Forum  des  Nerva, 
das  desshalb  auch  Forum  Transitorium  hiess,  ftlhrte.  Der  zur  Rechten  von  dieser  Strasse 
liegende  Theil  der  nördlichen  Langseite  gehörte,  wie  oben  bemerkt  worden  ist,  nicht 
mehr  zur  achten,  sondern  zur  vierten  Region  (Templum  Pacis),  wie  wir  aus  dem 
Regionär   ersehen ,  welcher  die  hiehergehörige  Gränze  der  Region   in  folgender  Weise 


126  I^sis  Forum  Romaniim. 

aufzählt:  Via  Sacra,  Basilica  nova  et  Pauli,  Templuni  Faustinae,  Forum  Transitorium, 
Siibura.  Wie  nun  diese  Reihenfolge  aufzufassen  sei,  wird  sich  aus  anderen  Nach- 
richten ergeben. 

Seit  Tarquinius  Priscus  war  nemlich  das  Forum  mit  Hallen  und  Tabernen  um- 
geben,^ welche  im  Privatbesitze  waren  und  sowohl  mercantilen  als  gewerblichen 
Zwecken  dienten.  Namentlich  erwähnt  finden  wir  die  Tabernen  der  rieischer,^  welche 
später  den  Geldwechslern  Platz  machten,^  so  dass  wir  zuletzt  diese  im  alleinigen  Besitz 
der  Tabernen  am  Forum  finden.  Auch  waren  wenigstens  in  früher  Zeit  dort  Schulen, 
welche  bei  der  traurigen  Geschichte  der  Virginia  erwähnt  werden.*  Diese  Tabernen 
zogen  sich  an  beiden  Langseiten  des  Forum  hin,  auf  einer  Seite  die  sogenannten  »Alten« 
auf  der  anderen  die  Neuen .  und  gaben  so  beiden  Langseiten  des  Forum  die  Namen  sub 
Veterihiis  und  sub  Novis.  Es  wird  aber  berichtet,  dass  die  Reihe  der  »Neuen«  der  Sonne 
ausgesetzt  war,  während  die  »Alten«  sich  dauernden  Schattens  erfreuten,^  Diese  Angabe 
lässt  keinen  Zweifel  zu:  die  nordöstliche  Langseite,  die  gegen  Südwest  sah,  musste 
durch  die  neuen,  die  gegenüberliegende  durch  die  alten  Tabernen  begränzt  und  benannt 
worden  sein.  Es  war  daher  auch  auf  der  Nordostseite  an  den  neuen  Tabernen  ungefähr 
an  der  Stelle,  welche  wir  eben  untersuchen ,  wo  der  Vater  der  Virginia  diese  der  Freiheit 
und  Keuschheit  zum  Opfer  brachte.^  Die  Tabernen  wichen  allmälig  den  Prachtbauten  der 
Basiliken,  von  denen  jedoch  die  erstangelegten  sie  noch  schonten  und  auf  die  Fronte  am 
Forum  verzichteten,  wie  diess  von  der  Fulvia  und  Sempronia  ausdrücklich  erwähnt  wird. 
Wenn  aber  berichtet  wird,  dass  die  Fulvia,  welche  von  M.Fulvius  Nobilior  im  J.  574  d.St. 
(180  v.  Chr.)  5  Jahre  nach  der  ersten  Basilica  Roms  (der  bereits  besprochenen  Porciaj 
erbaut  wurde,  hinter  den  »neuen«  Tabernen  sich  erhob, '^  so  kann,  da  die  eine  Hälfte  der 
nordöstlichen  Langseite  schon  für  die  Basilica  Porcia  und  den  Curiacomplex  in  Anspruch 
genommen  wurde,  hier  nur  mehr  an  die  südösthche  Hälfte  dieser  Seite,  den  Theil,  von 
welchem  wir  eben  sprechen .  gedacht  werden ,  für  welche  Annahme  wir  auch  an  dem 
Regionär  die  erwünschteste  Bestätigung  finden  werden. 

Der  Wortlaut  der  Stelle  des  Livius  erlaubt  nichts  anderes,  als  die  ursprüngliche 
Basilica  Fulvia  hinter  die  Tabernen  zu  setzen ,  welche  vor  der  Fronte  noch  so  gut  fort- 
bestehen konnten,  als  auch  heutzutage  Kauflocale  die  Vorderseite  selbst  schöner  Gebäude 
in  Anspruch  nehmen.  Diese  Tabernen  erschienen  übrigens  auch  darum  als  so  unentbehr- 
lich ,  weil  sie  mit  den  vor  ihnen  laufenden  Portiken  die  sogenannten  Mäniana ,  das  heisst 
die  über  die  Portiken  ein  wenig  vorspringenden  Balcons  trugen,^  aufweichen  man  den 
Gladiatorenspielen  zusah,  die  bis  in  die  letzte  Zeit  der  Republik  auf  dem  Forum    ab- 


*  Liv.  I.  35.       Dionys.  III.  67.         *  Liv.  III.  48.       Dionys.   XI.  37.  *  Non.  Marc.   (Varro)  p.  532.  ed. 

Merc.         *  Liv.  III   44.       Dionys.  XI.  28.         *  Cic.  Acad.  II.  22.         "  Liv.  III.  48.         '  Liv.  XL.  54.         *  Vi- 
truv.  V.   i. 


Die  nordöstliche  Langseite  des  Forum.  4^7 

gehalten  wurden.  In  diesei- Weise  also,  vom  Forum  selbst  durch  die  vorstehenden  »neuen« 
Tabernen  getrennt,  bestand  die  Basilica  Fulvia,  an  deren  Ausschmückung  jedoch  auch 
M.  Aemilius  Lepidus,  des  Fulvius  Amtsgenosse,  sich  betheiligte ^  und  die  desshalb  auch 
Aemilia  hiess,  über  ein  Jahrhundert  bis  zum  Jahre  699  d.  St.  (55  v.  Chr.),  in  welchem 
L.  Aemilius  Paullus  die  alte  Basilica  restaurirte  und  zugleich  eine  neue  in  Angriff  nahm.^ 
-Diese  neue  Basihca  war  schon  der  Gegenstand  mehrer  Controversen,  und  wenn  wir  einen 
rvon  der  alten  Basilica  Fulvia  verschiedenen  Platz  ermitteln  müssten,  würden  wir  völlig 
rathlos  sein.    Becker ^  glaubt,  unter  der  neuen  Basilica  sei  die  nachmalige  Basihca  lulia 
rzu  verstehen,  da  einerseits  Aemilius  Paullus  mit  Cäsars  Gelde  baute,*  und  anderseits  die 
[Geschichte  Cäsars  von  dem  Bau  der  luHa  keine  andere  Erwähnung  bringt.  Allein  da  für 
tdiese  allerdings  geistreiche  Annahme  kein  directer  Grund  gegeben  ist ,  so  kann  ich  mich 
i  zur  Anerkennung  derselben  nicht  bestimmen,  um  so  weniger,  als  eine  Stelle  des  Plutarch,"' 
[nach  welcher  Aemilius  Paullus  Cäsars  Geld  zum  Bau  derjenigen  Basilica  verwendete,  »die 
'er  an  der  Stelle  der  Fulvia  erbaute«,   sogar  direct  widerspricht.    Die  übrigen  hervor- 
ragenden Topographen,  wie  Nibby,  Bunsen,  Canina,  setzen  desshalb  die  alte  und  neue 
Basilica  nebeneinander,  Bunsen  überdiess  in  einer  nicht  ganz  klaren  Verbindung.^  Becker 
hat  nun  dagegen  mit  Recht  geltend  gemacht,  dass  es  sich  nicht  denken  lasse,  man  habe 
einen  verbundenen  Bau  zur  Hälfte  mit  altem  Material  und  zur  anderen  Hälfte  mit  pracht- 
vollem Marmor  hergestellt,   und  dass  es  anderseits,  wenn  man  sich  die  beiden  Basiliken 
getrennt  nebeneinander  denkt,  aufMig  sei,  nirgends  sonst  die  zwei  Basiliken  erwähnt 
zu  finden,  so  oft  auch  von  Herstellung  der  ämihschen  die  Rede  ist.    Ich  halte  daher 
Folgendes  für  das  Wahrscheinlichste :  Jedenfalls  traten  der  alte  und  der  neue  Bau  mit- 
einander in  Verbindung ,  sie  könnten  sonst  beide  nicht  so  durchaus  einheitlich  erscheinen ; 
sie  standen  jedoch  nicht  neben  einander,  was  wohl  schwer  zu  erklären  wäre.  Die  erste 
Basilica  stand,  wie  erwähnt  worden  ist,   hinter  den  »neuen«  Tabernen,  zu  Ende  der 
lepublikanischen  Zeit  mussten  aber  die  Tabernen  insgesammt  den  öffentlichen  Gebäuden 
weichen;  was  ist  daher  natürhcher,  als  dass  nach  Beseitigung  der  Tabernen  an  deren 
Stelle  vor  der  Basilica  Aemilia  ein  ganz  neuer  Vorbau  angebracht  wurde,   der  vielleicht 
tief  genug  war,  dass  er  einen  selbstständigen  Saal,  also  die  neue  Basihca,  von  der  Cicero 
spricht,  bildete,  und  so  konnte  leicht  die  Fagade  und  dieser  Vorbau  des  L.  Aemihus  Paullus 
prachtvoll,  der  sich  anschliessende  ältere  Hauptbau  aber  bescheidener  hergestellt  sein, 
ohne  dass  diese  Ungleichheit  äusserlich  im  Geringsten  stören  konnte.  Was  man  aber  mit 
einer  Basihca  thun  konnte,  das  zeigt  uns  das  Beispiel  der  vitruvianischen  Basilica  in 


'  Plin.  H.  N.  XXXV.  3,  4,  13.  "  Cic.  ad  Att.  IV.   16,  4  4.  »  Becker,  H.  d.  r.  A.    Bd.  I.  S.  303  fg. 

'  Cic.  1.  c.       Plut.  Caes.  29.       Appiau.  B.  C.  II.  26.  *  Plutarch.  Caes.  29.         «  Gh.  Bunsen,  Les  Forum  de 

Rome.  Annal.  d.  I.  d.  C.  a.  4836.   tom.VIII.  p.  207— 75.  .\.  2.  —   Beschreibung;  der  Stadt  Rom.  Bd.  III.  S.  29  fg. 


/|28  ^^^  Forum  Romanum. 

Fanum,^  wo  sich  an  den  Gerichtssaal  in  einer  für  classischen  Geschmack  keineswegs 
befriedigenden  Weise  ein  Tempel  anschloss.  Dass  man  aber  Säle  in  der  Weise  anein^ 
anderstossend  erbaute,  kann  übrigens,  wenn  man  das  Nebeneinander  der  kolossalen 
Säle  in  den  Thermen  bedenkt,  noch  weniger  unmöglich  erscheinen. 

Wir  mtjssen  uns  also  zu  einer  solchen  Aushilfe  entschliessen ,  oder  darauf  ver- 
zichten, die  angezogene  Stelle  Cicero's  zu  erklären.  Aus  späteren  Nachrichten  können 
wir  keine  Aufklärung  schöpfen.  Als  die  Basilica  Aemilia  oder  Paulli,  wie  sie  nach  dem 
Doppelnamen  des  Restaurators  jetzt  hiess,  nach  zwanzig  Jahren  durch  seinen  SohnAemilius 
Lepidus  Paullus  vollendet  worden  war,^  brannte  sie  nach  weiteren  zwanzig  Jahren  wie- 
der ab,  und  gab  dem  Augustus  selbst  Gelegenheit  bei  der  Wiederherstellung  seine  Pracht- 
liebe zu  entfalten.  Sie  behielt  den  Namen  des  Paullus,^  wurde  jedoch  jetzt  ohne  Zweifel 
als  ein  Ganzes  hergestellt  und  zwar  so,  dass  Plinius  sie  unter  die  grössten  Prachtwerke 
Roms  zählt,  der  Säulen  aus  phrygischem  Marmor  besonders  erwähnend.  Hier  stand  sie 
auch  noch,  als  der  Regionär  sein  Gränzverzeichniss  herstellte,  von  welchem  ich  oben  das 
Hiehergehörige  angeführt  habe.  Vor  dem  Tempel  der  Faustina,  den  wir  sogleich  bespre- 
chen werden  und  als  sicheren  Punkt  kennen ,  sind  die  Basihca  nova  und  die  des  Paullus 
genannt.  Als  die  »neue«  nun  musste  dem  Regionär  zunächst  die  letzterbaute  constan- 
tinische  Basilica  gelten,  deren  kolossale  Ruinen  wir  noch  beschreiben  werden,  welche 
auch  genau  in  der  Reihenfolge  passt;  dass  aber  die  des  Paullus  vor  den  Tempel  der  Fau- 
stina gesetzt  wird,  kann  keinen  anderen  Grund  haben  als  den,  die  beiden  Basiliken  zu- 
sammen nennen  zu  können,  ohne  das  Wort  Basilica  wiederholen  zu  müssen.  Dass  dann 
das  Forum  Transitorium  folgte,  benimmt  uns  allen  Zweifel  über  die  von  dem  Regionär 
eingeschlagene  Richtung. 

Als  sichere  Resultate  können  daher  hingestellt  werden,  erstens  dass  die  Basilica 
Fulvia  oder  Aemilia,  d.  h.  der  ursprüngliche  Bau,  den  überdiess  Cicero  etwas  summarisch 
in  der  Mitte  des  Forum  (im  engeren  Sinne  wohl)  nennt,*  an  der  östlichen  Hälfte  der  nord- 
östlichen Langseite  hinter  den  neuen  Tabernen  ihren  Platz  hatte,  und  zweitens,  dass  auch 
die  Basilica  Paulli ,  die  an  deren  Stelle  trat ,  noch  in  der  spätesten  Zeit  an  demselben 
Platze  neben  dem  Faustinatempel  und  südlich  vom  Forum  Transitorium  stand.  Ein  Frag- 
ment des  capitolinischen  Planes  mit  den  Buchstaben 

EMILI.s 
das  wahrscheinlich  zur  Basilica  Aemilia  gehörte ,  leistet  der  Untersuchung  keinen  Vor- 
schub,  da   uns   das  Schicksal   an   dem  Fragmente   nichts    als  die  blossen  Buchstaben 
übriggelassen   hat.    Von   den  Ueberresten   dieses  Prachtbaues   aber  liegt   keine    Spur 
zu  Tage. 


*  Vitruv.  V,  1.         *  Dio  Cass.  XLIX,  42.         '  id.  LIV,  24.  *  Cic.  Acad.  II,  22.  "  Tab.  VI.  cf.  Bol- 

lori  fragmenta  vestigii  veteris  Romae.   (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  t.  IV.  p.  1935.) 


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Der  Tempel  des  Antoninus  und  der  Faustina.  i  29 

15.  Der  Tempel  des  Antoninus  und  der  Faustina. 

Am  Ostende  der  eben  besprochenen,  an  baulichen  Ueberresten  nichts  bietenden 
Langseite  des  Forum  gelangen  wir  wieder  zu  einem  bedeutenden  jedoch  schon 
ausserhalb  des  Forumgebietes  liegenden  Ueberreste,  nemlich  zu  einer  stattlichen 
Tempelruine  mit  sechs  Säulen  in  der  Fronte  und  ausser  den  Ecksäulen  zwei  Säulen 
und  einem  Antenpilaster  an  jeder  Seite  (Prostylos  hexastylos).  Seit  1876  ist  die 
Fronte  im  Zusammenhang  mit  der  Bloslegung  des  benachbarten  Platzes  vollständig  auf- 
gedeckt, doch  wurde  nur  mehr  die  innere  Masse  der  hohen  Treppe,  deren  Höhe  etwa 
20  Stufen  vermuthen  lässt,  gefunden.  Die  Treppe  war  beiderseits  von  Treppenwangen 
abgeschlossen  und  in  der  Mitte  unten  von  einem  Statuen-  oder  Altarpiedestal  unter- 
brochen. Die  attischen  Basen  sind  mit  den  Phnthen  0,42,  und  die  korinthischen  Ga- 
pitäle  1 ,75  Meter  hoch,  beides  von  weissem  Marmor.  Die  Schäfte  1 7, 05  Meter  hoch 
mit  1,45  im  unteren,  1,28  im  oberen  Durchmesser  sind  von  Cipollino,  dem  »gewellten« 
Carystius,^  jenem  in  der  Kaiserzeit  beliebten  graulichen  Marmor  aus  der  Gegend 
von  Karystos  an  der  Südseite  von  Euboea,  der  abweichend  von  der  sonstigen 
Aderzeichnung  des  Marmors  eine  den  Holzmasern  nicht  unähnliche  Wellen- 
zeichnung zeigt.  An  der  Fronte  und  grösstentheils  auch  an  den  beiden  Seiten  ist 
Architray  und  Fries  erhalten,  beides  zusammen  zwei  Meter  hoch.  Vom  Architrav, 
der  nur  aus  zwei  Abstufungen  besteht,  ist  an  der  Fronte  der  nöthige  Raum  für  die 
Inschrift  der  Faustina  geebnet,  auf  dem  an  der  ganzen  Stirnseite  schmucklosen  Fries 
aber  befindet  sich  der  Name  des  Antoninus.  Beide  Inschriften  sind  nach  der  Gesalt 
der  Buchstaben  ungleichzeitig.     Zusammen  lauten  sie  also : 

DIVO   ANTONINO   ET 
DIVAE  FAVSTINAE    EX  •  S  C 

Der  Architrav  zeigt  in  den  Suffiten  eine  schöne  aus  verschlungenen  Bändern  be- 
stehende Umsäumung  um  ein  Mäanderschema.  Der  Fries  aber  ist  an  den  Langseiten 
mit  einem  schönen  Relief  verziert,  welches  symmetrisch  schreitende  Greife,  die  durch 
phantastisch  reiche  Candelaber  und  Vasen  getrennt  sind,  darstellt.  Ohne  Zweifel 
lief  dieses  Friesrelief  ursprünglich  um  den  ganzen  Tempel,  musste  aber  an  der 
Fronte  1  der  Inschrift  weichen,  welche  den  Faustinentempel  zugleich  dem  später  ver- 
storbenen Gemahle  der  vergötterten  Kaiserin  dedicirte.  Vom  Kranzgesimse  sind  nur 
noch  einige  isolirte  Stücke  an  den  Seiten  erhalten,  welche  weder  den  Zahnschnitt 
noch  die  Kragsteine  der  korinthischen  Ordnung  zeigen,  und  deshalb  ohne  vortheil- 
hafte  Wirkung  sind.  —  An  den  beiden  Seiten  ist  noch  der  grösste  Theil  der  früher 
mit  Marmor   bekleideten   Cellamauer,   die  aus   grossen   Quadern    von   grauem    Tuf 

1  Stat.  Sylv.  I,  5,  V.  34. 
F.  Rbber,  Rom.  17 


430 


Das  Forum  Romanum. 


(Peperino)  besteht,  in  einer  Länge   von  15  Meter   an   der  südöstlichen  und  von  20 
an  der  nordwesthchen  Seite  erhalten. 


^—^- 


■^Mit. 


8.  Friesrelief  vom  Faustinatempel.  (F.  R.) 

Obwohl  die  erhaltene  Inschrift  die  Namen  des  vergötterten  Kaiserpaares  nennt, 
lässt  sich  doch  wegen  mangelnder  Beinamen  die  Bestimmung  des  Tempels  nicht 
mit  voller  Zuverlässigkeit  nachweisen.  Denn  beiden  Antoninen  und  beiden  Faustinen, 
deren  Gemahlinnen,  wurden  göttliche  Ehren  erwiesen.*  Die  Stylkennzeichen  allein 
sind  zu  subtiler  Natur,  um  zwischen  dem  altern  und  Jüngern  Antoninus  zu  entschei- 
den. Doch  spricht  die  Wahrscheinlichkeit  für  Antoninus  Pius  und  zwar  aus  folgenden 
Gründen.  Erstlich  trägt  der  Name  des  Kaisers  keine  näheren  Kennzeichen,  was 
man  bei  Aurehus,  dem  zweiten  Antoninus,  gewiss  nicht  unterlassen  hätte;  ferner 
eignete  Elagabal  den  Tempel  des  M.  Aurelius  sich  an,  wovon  man,  wenn  er  nicht 
nach  dem  Ende  dieses  Wahnsinnigen  zerstört  worden,  wenigstens  noch  inschrifthche 
Spuren  wahrnehmen  müsste ;  dann  stand  ein  Tempel  des  M.  Aurelius  (?)  Antoninus 
in  der  9.  Region  (Circus  Flaminius)  in  der  Nähe  der  M.  Aurelsäule^.  Zwei  Inschriften, 
die  eine  »unter  den  Ruinen  dieser  Gegend«  gefunden  und  auf  Antoninus  Pius  be- 
züghch,'  die  andere  1562  vor  dem  Faustinentempel  entdeckt  und  dem  Marc  Aurel 
gewidmet*  geben  keine  Entscheidung.     Sie  lauten: 


Imp  •  Caes  •  Divi  •  Hadriani  •  Fil  •  D I V 

TRAIANI.PARTHICI   N.p 

DIVI.NERVAE  PRONEP 

T  AELIO  HADRIANO 

ANTONINO  AVG  PIO 

PONT  MAX  TRIBPOTESTVTl 

IMP  IT- COS  TIT.  PP 

CORPVS 

PISTORVM 


M   AVRELIO  CAESARI 
IMP  CAESARIS   T  AELI 

HADRIANI   ANTONINI 
jVGPII   PONT   MAX   TRIB 


pOTXIlll   IMPII  COS   IIII.P  P   FIL 

DivI   HADRIANI   NEP.  DIVI 

TraiaNI  '  PARTHICI    PRONEP 

Divi  •  NERVAE  •  ABNEPOTI 

Po«l   Max .  TiiB    POT    V    COS    IT 

.         .         ONENSES 

EX  AFRICA 


1  Script.  Hist.  Aug.  (Capitolinus)  Antonin,  P.  6.  &   13.    id.  M.  Aurel.  26.        2  Curios.  Urb.  Rom.  Reg.  X. 
3  Grut.  p.  CCLV.  n.  1.  cf.  Lanciani,  Bull.  d.  J.  d.  c.  a.   1871  p.  263  s.  <  Grut.  p.  CCLIX.  n.  6. 


Der  Tempel  des  Antoninus  und  der  Faustina.  i3i 

Die  Nachricht  endhch,  das  Reiterbild  des  M.  Aurelius  Antoninus,  welches  seit  1 583 
auf  das  Capitol  gebracht  worden,  sei  vor  diesem  Tempel  gefunden  worden  ^  ist  ganz 
unbegründet,  da  vielmehr  die  Reiterstatue  vor  der  Verbringung  auf  den  Capitolsplatz 
und  zwar  nachweislich  lange  Zeit  wenn  nicht  schon  seit  der  Errichtung  selbst  bei 
S.  Giovanni  in  Laterano^  stand.  Die  Annahme  Fea's  aber,  dass  sie  ursprünglich  beim 
Bogen  des  Septimius  Severus  sich  befunden  habe  und  1 1 87  von  da  nach  dem  La- 
teran versetzt  worden  sei,^  beruht  auf  einer  Verwechselung  mit  dem  Equus  Con- 
stantini  welcher  bei  jenem  Triumphbogen  stand^. 

Wie  der  Tempel  ursprünglich  der  Faustina,  als  vor  ihrem  Gemahl  verstorben, 
erbaut  und  geweiht  ward,  so  scheint  auch  dem  Tempel  der  Name  der  Faustina 
ausschliessend  geblieben  zu  sein.^  Der  in  der  Kaiserzeit  und  auch  in  der  späteren 
Tradition  mit  nicht  unverdienter  Verehrung  genannte  Name  des  Antoninus,  der  noch 
auf  dem  Gebiilke  zu  lesen  ist,  mag  diesen  Tempel  kaum  so  wirksam  vor  der  Zer- 
störung geschützt  haben,  als  der  Umstand,  dass  man  denselben  schon  in  der  frühesten 
Zeit  in  eine  dem  h.  Laurentius  geweihte  Kirche  umwandelte.  Dass  aber  die  Kirche 
in  den  Mirabilien  (1 2.  Jahrh.)  als  ehemaliger  Minerventempel  erklärt  wird,  während 
doch  die  Dedicationsinschrift  sich  vollkommen  erhalten  hat,  ist  wohl  eher  als  der 
Willkür  des  Mirabilienschreibers  dem  Umstände  zuzuschreiben,  dass  die  alte  Basilika 
den  Pronaos  als  Säulen vorhalle  benutzte,  und  mit  deren  Pultdach,  vielleicht  auch 
mit  einer  christHchen  Inschrifttafel  die  antike  Inschrift  verdeckte.  Bei  Gelegenheit 
des  Einzugs  Kaiser  Karl  V.  nach  seinem  Zuge  gegen  Tunis  ward  die  alte  Kirche  abge- 
brochen, woian  sich  erfolgreiche  Ausgrabungen  anschlössen,  welche  ausser  einer 
grossen  Anzahl  marmorner  Stufenblöcke  auch  einige  Carniesstücke  und  Sculpturen, 
angeblich  einen  vor  einen  Wagen  gespannten  Elephanten  (vom  Giebelfelde?)  darstel- 
lend, zu  Tage  förderten.»^  Was  Palladio  (a.  a.  0.)  von  einer  Porticus,  die  einen  weiten 
Vorhof  gebildet  haben  soll,  berichtet,  hat  nur  bei  Canina'  unverdienten  Glauben 
gefunden.  Palladio  brachte,  wie  zu  vermuthen  ist,  Reste  eines  anderen  Gebäudes, 
die  er  ausgraben  sah,  möglicherweise  von  dem  schon  erwähnten  Heroon  Cäsars, 
missverständlich  mit  dem  Faustinatempel  in  Verbindung. 

Die  Tempelruine  blieb  nach  dem  erwähnten  Abbruch  der  alten  Kirche  in  der 
ersten  Hälfte  des  1 6.  Jahrhunderts  über  ein  halbes  Jahrhundert  frei  und  unbenutzt. 
Erst  i.  J.  1 602  entschloss  sich  die  Gilde  der  Apotheker,  deren  Eigenthum  die  Kirche 


»Palladio,  I  Quattro  Libri  dell'  Architettura,  Ven.  1570  L.  IV.  c.  9.  fol.  30.  2  Müllenhoff,  Haupts 

Zeitschrift  XII.  325fT.  ^  q    y^.^^  Dissertazione  suUe   rovine   di  Roma.  (Winkelmann,   Storia  delle  arti  del 

disegno,  Irad.  d.  C.  Fca.  R.  1784  T.  III.  p.  410.)  «  Notitia  U.  R.  Reg.  VIII.  Anonymus  Einsiedl.  Itinerar 

und  Inschriftensammlung.  *  Script.  H.  A.  (Treb.  PoU.)  Salonin.  1.  Curios.  li.  R.  cf.  Fea,  Fasti  p.  LXXIII  sq. 
•^Ligorius  Ms.  Vati c.  No.3374.  Vgl.  S.  135.  Anm.  2.  '  Canina,  gli  Edifizj  di  Roma  antica  Vol.  I.  p.  63,  Vol.  II. 
tav.  VIII  &  XXIII.  cf.  R.  A.  Lanciani,  Sulle  recenti  scoperte  di  Roma.  Bull.  d.  J.  1871.  p.  263. 

17* 


/I32  Das  Forum  Romanum. 

und  das  anstossende  Institut  gewesen  war,  die  ersterere  wieder  so  aufzubauen,  wie 
sie  in  die  Ruine  eingeschlossen  noch  vor  uns  steht.  Bis  zu  Anfang  dieses  Jahrh. 
waren  die  Säulen,  von  denen  ein  Drittheil  vom  Schutte  begraben  war,  unten  durch 
niedrige  Mauern  geschlossen.  Doch  bei  der  oben  erwähnten  zweiten  Ausgrabung 
im  Jahre  1813  wurde  der  ganze  Pronaos  blossgelegt  und  die  Tiefe  von  drei  Seiten 
durch  eine  Mauer  vor  dem  nachrollenden  Schutte  geschützt.  Man  lies«  jedoch  nur 
die  Plattform  des  Pronaos  offen,  obwohl  die  Ausgrabung  noch  weiter  bis  an  den 
Fuss  der  Substruction  und  an  die  vor  der  Treppe  vorbeiziehende  Strasse  fortge- 
führt worden  war,  da  der  moderne  Boden  hier  die  beträchthche  Höhe  von  mehr 
als  12  Meter  über  dem  antiken  Boden  hat,  wovor  jedoch  die  neueste  Bloslegung 
(1 876)  nicht  mehr  zurückschreckte.  Die  beifolgende  Ansicht  gibt  jedoch  die  Fronte 
noch  in  dem  Zustande  vor  der  letzten  Aufdeckung. 

16.  Tempel  und  Rostra  Cäsars,  der  Vestacomplex  und  andere  Reste. 

Von  den  Gebäuden  am  Südostende  des  Forum,  von  welchen  das  nächstan- 
gränzende,  der  Tempel  des  Cäsar  und  die  Rostra  Julia  bereits  oben  (S.  121)  als 
hier  befindlich  erwähnt  worden  sind,  haben  sich  erst  in  den  letzten  Jahren  (seit  1 872) 
die  Reste  durch  umfängliche  Ausgrabungen  gefunden.  Zunächst  zeigte  es  sich,  dass 
die  das  Forum  östlich  abgränzende  kurze  Querstrasse  nicht  erst  beim  Faustinentempel 
sondern  weit  westlicher  der  Nordecke  des  Castortempels  entsprechend  die  beiden 
Längsstrassen  des  Forum  verband,  was  jedoch  schwerlich  als  ursprünglich,  sondern 
vielmehr  als  eine  Verkürzung  des  Forum  in  Folge  der  Anlage  jenes  Tempels  zu 
betrachten  sein  dürfte.  Die  Querstrasse  wurde  überdiess  so  weit  in  das  ehemalige 
Forum  hineingeschoben,  dass  selbst  noch  eine  um  4  Stufen  über  das  Strassenniveau 
erhöhte  travertingepflasterte  Area  vor  dem  Tempel  übrig  blieb,  deren  gegenwärtige 
Erscheinung  jedoch  eine  spätere  Wiederherstellung  bzw.  Aufhöhung  zeigt. 

Erhalten  ist  leider  nur  mehr  der  massive  Substructionkern ,  welcher  sich 
durch  zwei  schmale  spaltartige  Zwischenräume  in  Folge  der  Materialplünderung  in 
drei  von  einander  isolirte  Körper  trennt.  Der  dem  Forum  nächstliegende  in  der  Rich- 
tung von  Nordwest  nach  Südost  oblonge  Theil  ist  und  war  etwas  niedriger  als  die 
beiden  folgenden  zum  Tempel  im  engeren  Sinne  gehörenden  Substructionen  und 
diente  unzweifelhaft  als  suggestum  für  den  Redner,  als  rostra  luHa,  zu  welchem 
Namen  die  Substruction  auch  formal  berechtigt  war,  seit  Augustus  nach  der  Schlacht 
bei  Actium  den  Rand  derselben  mit  erbeuteten  Schiffschnäbeln  der  Flotte  des  An- 
tonius verzierte.  ^  Zur  Rednertribüne  aber  war  die  Substruction  noch  ganz  besonders 


1  Tacit.  Bist.  m.  70. 


Die  Südostseite  des  Forum.  i  33 

durch  den  Umstand  gestaltet,  dass  sie  einen  später  geschlossenen  segmentförmigen 
Ausschnitt  hatte,  der  etwa  drei  Yiertheile  der  Fronte  einnahm  und  mit  dem  Bogen- 
scheitel  ungefähr  bis  in  die  Mitte  der  ersten  Substruction  hineingrifF.  Reste  der 
Marmorbekleidung  der  Fronte  zeigen,  dass  die  Treppe  nicht  an  der  Fronte,  sondern 
wahrscheinlich  an  den  beiden  Flügeln  der  etwa  3  Meter  in  der  Höhe  messenden 
Rostral-Terrasse  angebracht  war. 

Dej-  erhaltene  Kern  der  Tempelsubstruction  lässt  schhessen,  dass  diese  sich 
über  die  Rostraterrasse  beträchtlich  und  zwar  um  nahezu  2  Meter  erhob.  Von  den 
Architekturtheilen  hat  sich  nichts  gefunden,  woraus  hervorgeht,  dass  der  Tempel 
nicht  seinem  Verfalle  überlassen,  sondern  frühzeitig  systematisch  abgetragen  wurde. 
Wir  wissen  jedoch  aus  Vitruv,  dass  er  pyknostyl  war,^  d.  h.  eine  sehr  enge  Säu- 
lenstellung hatte,  welcher  Umstand  es  auffällig  macht,  dass  Münzen,^  welche  ihn 
übrigens  anscheinend  ionischer  Ordnung  zeigen,  den  Tempel  tetrastyl,  d.  h.  mit 
vier  Säulen  in  der  Fronte  darstellen.  Auf  alle  Fälle  war  seine  Erscheinung  hoch- 
ragend und  schlank  schon  durch  die  hohe  Substruction,  woher  auch  das  wieder- 
holt vorkommende  dichterische  Epitheton  dieser  aedes  »excelsa«   sich  erklärt.^ 

Hinsichtlich  der  Entstehungsgeschichte  dieses  Gebäudes  möge  zu  dem,  was 
bereits  S.  121  erwähnt  werden  musste,  folgendes  hinzugefügt  werden.  Die  Rostra 
lulia  waren  710  d.  St.  von  Cäsar  angelegt  worden,  wohl  weiter  östlich,  als  sie 
sich  später  ergaben,  als  i.  J.  712  die  Triumviren  an  der  Stelle  der  Verbrennung 
der  Leiche  Cäsars,  an  welcher  das  Volk  die  nur  einige  Wochen  bestehende 
Gedächtnisssäule  errichtet  hatte,^  das  tempelartige  Heroon  erbauten.^  717  musste 
es  nach  den  Münzen  vollendet  sein,  geweiht  jedoch  ward  es  erst  723.*^  Von  späteren 
Restaurationen  wissen  wir  nichts,  wenn  es  auch  nicht  an  Spuren  derselben  in  der 
Pflasterung  des  Tempelareals  fehlt.  Unverständlich  bleibt  des  Augustus  Localisirung 
des  Tempels,  wenn  es  sich  wirklich  bei  dieser  aedes  divi  luH  um  den  Tempel  am 
Forum  handeln  sollte,  zwischen  dem  Apollotempel  und  dem  LupercaU.  —  Es  scheint, 
dass  die  Situation  so  gewählt  worden  war,  dass  die  Längsaxe  des  Tempels  mit  der 
Längsaxe  des  trapezförmigen  Forum  zusammenfiel,  sonst  würde  es  unerklärlich  sein, 
wie  die  Frontelinie  des  Tempels  von  den  Parallellinien  der  vorhegenden  Pflasterung 
des  Tempelareals  und  der  Querstrasse  sowie  von  dem  sich  nach  der  Sacra  via 
richtenden  Linienschema  der  Forumpflasterung  divergirend  sein  könnte,  wie  sie  es 
in  der  That  in  der  Richtung  von  Südwest  nach    Nordost  ist.     Diess  würde   aber 


1  Vitruv.  III,  3,  2.         2  von  717—718  Cohen  Aug.  I.  I.  3.  90  fg.          3  Ovid.  Pont.  II.  2,  v.  85.  Metani. 

XV.  2.  841.     E.   Brizio,  Scavi   del  Foro   Romano   (tempio   di  Giulio  Cesare).     Bull.  1872  p.    257.     H.  Jordan, 

Ausgrabungen  auf  dem  Forum.    Hermes  VII.  S.  280   fg.             <  Sueton  Caes.  68.  »  Die  Cass.  XL VII.  18. 
•' Calend.  Antiat.            ^  Monum.  Ancyr. 


I 


v|34  l^3s  Forum  Romanum. 

beweisen,  dass  die  nordöstliche  Grenzlinie  des  Forum,  welche  man  bisher  in  einer 
vom  Mitteldmchgang  des  Severusbogens  ausgehenden  und  die  unterste  Stufe  des 
Faustinentempels  berührenden  geraden  Strasse  annahm,  nicht  blos  weiter  nordöstlich 
gesucht  werden  müsste,  sondern,  dass  sie  auch  jener  vermeintlichen  Strassenlinie 
nicht  einmal  parallel  gewesen  sein  könne. 

Auch  vor  den  letzten  Ausgrabungen  war  man  schon  einigermassen  von  dem 
Gebäudecomplex  unterrichtet,  welcher  südöstlich  vom  Cäsar-  und  dem  Castortempel 
gegen  den  Palatin  und  die  Velia  zu  sich  befand.  Dass  nemlich  das  Heiligthum  der 
Vesta  an  der  Sacra  via  lag,  ist  jedem  Leser  desHoraz^  bekannt,  doch  scheint  der 
Tempel  nicht  unmittelbar  an  die  Strasse  gestossen  zu  haben,  da  bei  den  mehrfachen 
Notizen  über  ihren  Gang  ausser  bei  Dichtern,  deren  Phantasie  nicht  aut  das  nächst- 
gelegene angewiesen  ist,^  desselben  nie  besondere  Erwähnung  geschieht.  Es  war 
vielmehr  das  Atrium  der  Vesta ,  w  elches  einen  sicheren  Punkt  an  der  Sacra  via 
bildete,  und  dass  dieses  nichts  anderes  war  als  das  Atrium  Regium  oder  die  Regia 
(Numae)  kann  nach  der  Beweisführung  Becker's^  keinem  Zweifel  mehr  unterliegen. 
Dass  aber  die  Regia  nicht  bloss  an  der  Sacra  via,  sondern  auch  am  oder  in  der 
Nähe  des  Forum  lag,  davon  brachten  wir  schon  eine  classische  Erwähnung,  als 
wir  von  den  Rostra  lulia  sprachen, 4  und  diess  wird  von  einem  Gommentator  des 
Virgil  noch  bestimmter  ausgesprochen,  der  die  Regia  des  Numa  am  Fusse  des  Pa- 
latin und  am  Ende  des  Forum  nennt.  ^  Die  Regia  aber,  die  Amtswohnung  des  Pon- 
tifex  Maximus,  stand  mit  dem  Tempel  der  Vesta  und  dem  Hause  der  Vestalen  so 
in  Verbindung,  wie  sonst  ein  Atrium  mit  dem  übrigen  antiken  Wolmgebäude,  was 
sich  auch  dadurch  leicht  erklären  lässt,  dass  dem  Pontifex  Maximus  ein  gewisses 
Aufsichtsrecht  und  die  Gerichtsbarkeit  über  die  Vestalen  oblag.  Als  Atrium  stand 
daher  die  Regia  der  Strasse  zunächst,  entlegener  wohl  der  Tempel  und  die  Wohnung 
der  Jungfrauen,  am  entlegensten  der  Hain  der  Vesta,  welcher  am  Abhänge  des 
Palatin,  über  dem  Tempel  und  an  der  Nova  via,  von  welcher  unten  noch  gespro- 
chen werden  wird,  sich  befand."  Die  Angaben  über  die  Nachbarschaft  des  Vestahei- 
ligthums  und  des  iuturnischen  Brunnens  oder  des  Gastortempels,  der  sogleich  be- 
schrieben werden  soll,  bezeichnen  die  angenommene  Lage  des  ersteren  auch  von 
der  Forumseite  näher,  ^  und  wenn  es  nach  alle  dem  über  die  Locahtät  eines  weiteren 
Beweises  bedarf,  so  kann  noch  angeführt  werden,  dass  man  hier,  bei  der  Kirche  S. 
Maria  Liberatrice  (vormals  S.  Silvestro  in  lago)  im   i  6.  Jahrhundert  noch  eine  grosse 


1  Horat.  Sat.  I.  9.  v.  1  u.  35.  2  Martial.  I.  70.  v.  5.  ^  U.  d.  r.  A.  Bd.  I.  p.  223—239.  ■•  Appian, 
B.  C.  II.  148.  Vgl.  S.  121  Anm.  6.  5  Serv.  ad  Virg.  Aen.  VIII.  v.  363.  «  Gic.  de  div.  I.  45.  Liv.  V.  32.  50  52. 
7  Dionys.  VI.  13.  Val.  Max.  I.  8,  1.     Martial.  I,  70,  2  u.  anderw. 


Die  Südostseite  des  Forum.  \  35 

Anzahl  —  an  zwölf  —  Statiienbasen  mit  Inschriften  von  Vestalen  fand,i  von 
welchen  jetzt  fünfzehn  bekannt  sind.  Man  konnte  nach  alledem  den  als  Vestaheilig- 
Ihiim  kreisförmigen  Plan  schon  längst  an  der  Nordwestecke  des  Palatin  eintragen, 
wo  er  auch  in  meinem  Forumplan  von  1861  (vgl.  I.  Ausgabe  dieses  Werkes)  zu 
finden  ist,  und  zwar  fast  genau  an  der  Stelle,  wo  die  neuesten  Ausgrabungen  wirk- 
lich die  leider  furchtbar  zerstörte  Substruction  eines  Rundgebäudes  blosgelegt  haben. 
Diese  aber  hatte  eine  beträchtlich  grössere  Peripherie,  als  sie  noch  die  Bekleidung  besass, 
welche  wie  die  Cellenwand  oder  der  Säulenkranz,  falls  wir  einen  solchen  annehmen 
dürfen,  spurlos  verschwunden  ist.  Die  gegen  den  Palatin  hin  angrenzenden  Back- 
steinwände müssen  zum  Haus  der  Vestalen  gehört  haben.  Sonst  haben  freilich  die  hier 
eben  so  dürftigen  als  unerklärbaren,  zum  Theil  mittelalterlichen  Funde  die  gehegten 
Erwartungen  zur  Zeit  noch  nicht  erfüllt,  wenn  sie  auch  einige  Bereicherung  der 
capitolinischen  Fasten  geliefert  haben,  die  möghcherweise  an  der  Regia^  vielleicht 
aber  an  den  Treppenwangen  der  Seitentreppen  des  Castortempels'^  angebracht  waren, 
und  von  welchen  i.  J.  1546  in  der  Nähe  der  drei  Säulen  die  dritte  Golumne  als  erstes 
Stück  gefunden  worden  war.  4  Die  seitdem  durch  wiederholte  Funde  vermehrten  Frag- 
mente, die  jetzt  den  Conservatorenpalast  auf  dem  Capitol  schmücken,  lassen  glauben, 
dass  jenes  Consular-  und  Triumph-Verzeichniss  von  der  Gründung  der  Stadt  bis  zum 
J.  742  d.  St.  reichte  und  noch  einen  Anhang  hatte,  welcher  bis  zum  Tode  des 
Augustus  geführt  war,  und  von  Domitian  hinzugefügt  zu  sein  scheint.  Der  halbkreis- 
förmige Basamentrest  zwischen  dem  Vesta-  und  dem  Castortempel  hat  den  Namen 
»PutealLibonis«  erhalten,  was  indess  erst  mit  Sicherheit  gesagt  werden  könnte,  wenn 
sich  über  die  Porticus  bilia,  in  welcher  sich  das  Puteal  befunden  haben  soll,  Auf- 
klärung gewinnen  lässt.  Mit  mehi-  Wahrscheinlichkeit  sind  die  in  der  Nähe  hervor- 
brechenden und  an  der  Fronte  des  Castortempels  entlang  in  die  Cloaca  Maxima 
geleiteten  Wasser  mit  der  luturnischen  Quelle  in  Verbindung  gebracht  worden. 

Bei  oder  vielmehr  vor  der  Regia  muss  ein  alter  Bogen  gestanden  haben,  der 
die  ganze  Kaiserzeit  überdauerte,  nemlich  der  i.  J.  645  d.  St  (109  v.  Chr.)  von  Q. 
Fabius  Allobrogicus  erbaute  Fornix  Fabianus.  Dass  dieser  Bogen  am  Ende  des  Forum 
und  gegen  die  Velia  hin  sich  befand,  erhellt  aus  den  Erwähnungen  bei  Cicero.*  Die 
I.ocalität  wird  übrigens  durch  drei  Scholiasten  noch  genauer  bezeichnet.  Der  eine  nennt 


>  Andr.  Fulvius,  Antiquitates  Urbis.  R.  1327.  Lib.  III.  fol.  XL.  Lucio  Fauno,  delle  antichitä  della  cittä 
«U  Roma.  Ven.  1548.  fol.  44  sq.  ^  Piale  delle  teime  Traiane  1827.  p.  20.  Henzen  und  Detlefsen,  Archäolog. 
Anzeiger.  XVIII.  n.  149.  150.  3  Lanciani,  Sülle  recenti  scopeite  di  Roma.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1871.  p.  266. 
*  P.  Ligorius.  Antiquität.  L.  XVII.  Ms.  Collect.  Ottobon.  Vat.  n.  3374  p.  200  sq.  ed.  C.  Fea,  Frammenti  di  fasti 
consolaii  e  trionfali.  Roma  1820  p.  XII  sq.  Ligorio,  Planta  del  Giano  quadrifonte  delli  Fasti  romani  detto  Summo 
lano  et  scoperto  il  di  XV.  di  Agosto  del  a.  MD  XL  VI  et  finito  di  spiantare  infra  giurni  XXX.  Ms.  Turin. 
vgl.  .lordan,  Sxliogo  inscr.  fori  Romani  p.  263  sq.  ^  pro  Plane.  7.  de  orat.  II.  66. 


4  36  ^äs  Forum  Romanum. 

ihn  neben  der  Regia  an  der  Sacra  Via/  der  andere  neben  der  Vesta,  und  der  dritte 
am  genauesten  da,  wo  man  nachdem  man  am  Gastortempel  vorübergegangen,  die 
Sacra  Via  betrat.^  Auch  die  bisher^  wegen  einer  Gorruptel  des  Textes  missverstan- 
dene Stelle  des  Trebellius  Pollio,'*  bezeichnet  nach  der  Mommsen' sehen  Emendation,  ■' 
welche  unbedingt  der  vom  Verfasser  in  der  1 .  Ausgabe  dieses  Werkes  vorgeschla- 
genen vorzuziehen  ist,  den  Bogen  zwischen  dem  Faustinen-  und  dem  Vestatempel. 
Er  war  im  Mittelalter,  wie  der  Titusbogen  und  die  meisten  deiartigen  Denkmäler, 
wahrscheinlich  durch  einen  Befestigungsthurm  (des  Cencio  Frangipani)  belastet  und 
gesperrt,  welcher  1536  bei  dem  Einzüge  des  Kaisers  Carl  V.  demoHrt  wurde. "^  Ob 
dabei  auch  der  antike  Bogen  ganz  verschwunden,  wird  vielleicht  die  Fortsetzung 
der  Aufdeckung  zeigen,  wahrscheinlich  aber  wurde  er  nach  den  Ausgrabungen  von 
1546 — 1547  demolirt,  wobei  unter  anderen  die  von  den  Massimi  weggeschleppte 
Inschrift  des  Q.  Fabius  Allobrogicus^  entdeckt  worden  zu  sein  scheint. 


17.  Der  Tempel  des  Castor  und  PoUux. 

Wenn  wir  uns  nun  wieder  gegen  das  Forum  zurückwenden,  um  die  noch 
übrige  südwestliche  Langseite  zu  betrachten,  so  haben  wir  die  Freude,  fast  in  der 
ganzen  Länge  dieser  Seite  wieder  auf  antikem  und  überdiess  topographisch  bestimm- 
barem Boden  wandeln  zu  können.  Ueberblickt  man  zunächst  den  grossen  hier  aus- 
gegrabenen Raum,  der  einem  Thale  nicht  unähnlich  in  der  Tiefe  liegt,  und  betrachtllt 
man  die  überraschende  Höhe,  in  welcher  sich  der  Schutt  hier  aufgehäuft  hatte,  so 
kann  man  sich  der  Frage  nicht  entschlagen,  wie  ein  Jahrtausend  eine  so  ungeheure 
Niveau-Veränderung  hervorzubringen  vermochte!  Der  erste  Schlag  welcher  die  Herr- 
lichkeiten des  Forum  traf  war  der  Sieg  des  Ghristenthums  über  das  Heidenthum, 
der,  wenn  nicht  die  Zerstörurg,  so  doch  den  ungehemmten  oder  selbst  beförderten 
Verfall  der  heidnischen  Gultstätten  zur  Folge  haben  musste.  Doch  war  dessen  Wir- 
kung nur  sehr  allmählich  und  weniger  empfindlich,  als  die  Verwüstung  durch  To- 
tilas  (546),  welche  besonders  diese  Gegend  betraf.  Das  Niveau  der  im  6.  Jahrh. 
erbauten  Kirche  SS.  Gosma  e  Damiano  muss  schon  ursprünglich  beträchtlich  höher 
gewesen  sein,  als  der  antike  Boden,  der  hinter  der  Basilica  gleich  dem  Niveau  des 
Forums  gefundeii  wurde«.     Doch  war    der  Platz  selbst,   als  (wahrscheinlich   im    9. 


1  Pseudo-Ascon.  ad  Act.  I.  in  Verr.  7.  p.  433.  Or.       2  schol.  Gronov.  ad  1.  c.  p,  593  u.  399  Or.       3  h. 
d.  r.  A.  Bd.  I.  S.  240  fg.  <  Script.  Hist.  Aug.  (Trebell.  Poll.)  Gallien.  1.  »Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1858 

p.  <79.        6  de  Rossi  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1859.  p.  308.  ^  Qrut.  627.  2.  de  Rossi  Ann.  d.  1.  d.  c.  a.  1859. 

p.  315.     Lanciani  Bull.    d.    I.    d.    c.    a.  1871    p.  262  fg.     Jordan  Sylloge  Inscr.  fori  Romani   p.  263  sq.  290. 
8  Tocco,  Scavi  di  Gosma  e  Damiano.  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1867.  p.  405  sq. 


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\uih\o'^hIb  3 


Df>r  Tempel  des  Castor  und  Polliix.  ,j37 

Jahiii.)  jener  Unbekannte,  dessen  Hand  wir  das  werthvolle  Schriftchen,  das  wir  als 
den  Anonymus  von  Einsiedeln  zu  bezeichnen  pflegen,  verdanken,  Rom  durchwan- 
delte und  die  Inschriften  der  Ruinen  sammelte,  noch  unverschüttet,  wie  daraus 
hervorgeht,  dass  dieser  noch  die  Basen-Inschrift  des  Equus  Constantini  lesen  konnte. 
Auch  fanden  sich  mittelalterliche  Ruinen  von  Kirchen  u.  s.  w.  auf  dem  antiken  Niveau, 
^\ie  namentlich  auch  Kalköfen  an  drei  Stellen  vor  dem  Faustinen-,  neben  dem  Ca- 
stortempel  und  im  Innern  der  Basilica  lulia.  Die  Aufdeckung  hat  auch  gezeigt,  dass 
die  Gebiuide  vor  der  Verschüttung  bereits  gründlich  ausgebeutet  waren.  Die  ruinöse 
Herrlichkeit  hatte  aber  an  einem  Tage  ihr  völliges  Ende,  als  Robert  Guiscard  i.  J. 
1081  in  Rom  einzog  und  die  Stadt  vom  Lateran  bis  zum  Capitol  verheerte.  Das  Forum 
wurde  nun  fast  völlig  verlassen,  und  der  Platz  zwischen  den  elenden  Hütten,  die,  sich 
an  die  Säulen  lehnend,  unter  den  Ruinen  erstanden,  gestaltete  sich  theils  zu  Garten, 
theils,  vielleicht  etwas  später,  zum  Viehplatze  (Campo  Vaccino).  Dass  aber  auf  dem 
letzteren,  an  dessen  Säuberung  Niemand  dachte,  der  Unrath  von  Jahr  zu  Jahr  wuchs 
und  mit  dem  Schutt  der  aller  edleren  Materialien  beraubten  und  bis  auf  den  Substruc- 
tionskern  verfallenden  Gebäude  einen  neuen  erhöhten  Boden  schuf,  ist  ebenso  begreiflich 
wie  es  wahrscheinlich  ist,"  dass  man  zwischen  dem  14.  u.  15.  Jahrh.  den  Ort  benutzt 
habe,  den  Bauschutt  der  bewohnteren  Stadttheile  hier  abzulagern.  Dass  jedoch  von 
dem  letzten  Umstände  allein  oder  auch  nur  vorwiegend^  der  bedeutende  Unterschied 
zwischen  dem  antiken  und  modernen  Niveau  herrühre,  scheint  unrichtig,  denn  man 
raüsste  ja  sonst  überall  in  Rom,  wo  die  Ruinen  aus  tiefem  Schutt  hervorragen,  an 
eine  ähnliche  Schuttstelle  denken,  während  es  z.  B.  gar  nicht  denkbar  ist,  dass  man 
den  Schutt  auf  den  Palatin  geführt  habe,  wo  doch  der  Höhenunterschied  des  antiken 
und  modernen  Bodens  stellenweise  fast  ebenso  bedeutend  ist.  — 

Die  erste  Ruine,  die  wir  in  dem  ausgegrabenen  Räume  an  der  Südwestseite 
des  Forum  und  an  dessen  Südostende  vor  uns  haben,  ist  unverkennbar  die  eines 
grösseren  Tempels.  Die  Ausgrabungen  (zuletzt  1 872)  haben  den  grössten  Theil  ihrer 
oblongen  Substruction  blossgelegt,  die  eine  Höhe  von  7V2,  und  eine  Breite  von  30 
Meter  zeigt,  welcher  Breite  eine  Länge  von  über  50  Meter  entsprechen  dürfte; 
doch  ist  noch  die  Rückseite  des  Tempels  unter  dem  Schutte  begraben.  Diese  Sub- 
struction besteht  wie  gewölmlich  in  ihrem  Kerne  aus  Gussmasse  und  war  äusserlich 
mit  Tuf-  und  Travertinquadern,  von  welchen  jedoch  wenig  mehr  erhalten  ist,  und 
zuletzt  mit  Marmorplatten  bekleidet,  wie  man  noch  aus  den  Spuren  an  der  südöst- 
lichen Langseite  ersieht,  welche  überdiess  zeigen,  dass  die  Substruction  mit  pilaster- 
förmigen  Vorsprüngen  geschmückt  war.     Sonst  hat  der  bis  jetzt  blossgelegte  Theil 

'  Beschreibung  der  Stadt  Rom,  Bd.  I,  2.  S.  -135.       211.  Jordan,  Ausgrabungen  auf  dem  Forum.  Hermes 
VII.  S.  266  fg. 

F.  Reder,  Rom.  •  jg 


j38  ^^^  Forum  Romanum. 

der  Substruction  an  der  Aussenseite  so  gelitten,  dass  kaum  mehr  die  Form  erkenn- 
bar ist.  An  der  Seite  gegen  das  Forum  hin  ,  welche  offenbar  die  Stirnseite  war, 
sieht  man  noch  die  Reste  der  Treppenmasse,  welche  erkennen  lassen,  dass,  was  das 
capitolinische  Planfragment  (Fig.  9)  nicht  zeigt ,  die  auf  wenigstens  1 8  Stufen  zu 
schätzende  Haupttreppe  von  zwei  rechts  und  links  an  den  Langseiten  emporführen- 
den Seitentreppen  begleitet  war.  Die  drei  untersten  Stufen  treten  über  die  Linie 
der  benachbarten  Basilica  lulia  vor,  auf  der  untersten  befand  sich  ein  abschliessen- 
des Gitter,  wie  die  noch  sichtbaren  Löcher  zeigen. 

Ungefähr  in  der  Mitte  der  südöstlichen  Langseite  erheben  sich  noch  drei 
Marmorsäulen,  von  welchen  die  korinthische  Base  mit  Platte  0,75,  der  canellirte 
Schaft  1 2,40,  und  das  korinthische  Capital  1  ,C3  Meter  in  der  Höhe  messen.  Der  Durch- 
messer des  Schaftes  lieträgt  unten  1 ,45  und  oben  1 ,30  Meter.  Das  Capital  ist  von  vor- 
züglich reicher  Schönheit  und  selbst  der  Abakus  mit  minutiösem  Laubgewinde  ge- 
schmückt. Dem  Reichthum  des  Capitäls  entspricht  das  erhaltene  Gebälkstück,  welches 
die  drei  Säulen  tragen.  Es  hat  zusammen  eine  Höhe  von  8,75  Met.,  der  Architrav 
1,03,  der  Fries  i,o2  und  das  Kranzgesimse  1,70.  Der  Mittelstreifen  des  Architravs 
ist  prachtvoll  ornamentirt,  der  Fries  glatt,  fein  decorirt  das  Kranzgesimse,  an  welchem 
schöne  Kragsteine  mit  reichgeschmückten  Lacunarien  wechseln,  und  dessen  Sima 
noch  die  Löwenköpfe  als  Wasserspeier  zeigt.  Die  solide  Pracht,  welche  sich  nicht 
bloss  an  den  meisten  in  die  Augen  springenden  Theilen  ausbreitet,  sondern  sich 
auch  in  den  tiefsten  Winkeln  findet,  die  feine  Arbeit,  von  dem  Schablonenhaften 
ebensoweit  entfernt,  wie  von  prätentiöser  Darstellung,  wie  wir  sie  z.  B.  am  Fries 
des  Faustinentempels  sehen,  bekundet  eine  gute  Epoche  der  römischen  Baukunst  und 
berechtigt  dazu,  in  dieser  Ruine  eines  der  vollendetsten  Stücke  römischen  Pracht- 
baues zu  erkennen,  wenn  auch  nicht,  wie  ein  gelehrter  Franzose  will,^  eines  der 
vollkommensten  Gebäude,  welche  die  Architektur  je  hervorgebracht  hat.  Von  der 
Cella  liaben  sich  neuerlich  Reste  des  in  weiss  und  schwarz  ausgeführten  Mosaikpa- 
viments  gefunden,  interessant  durch  den  Umstand,  dass  sie  das  Pflaster  der  Cella 
unter  dem  Niveau  des  Peristyls  liegend  zeigen.  Lanciani  glaubt2,  dass  dieser  Mosaik- 
boden bei  der  vergrössernden  Neuherstellung  des  Tempels,  welcher  man  die  drei 
erhaltenen  Säulen  verdankt,  durch  ein  weiteres  Marmorpaviment  bis  zum  Niveau 
des  Peristyls  erhöht  worden  sei.  Rosa  und  Jordan  sind  dagegen  der  Ansicht,  dass 
die  nachträghche  dem  vormaligen  Prostylos  oder  Pseudoperipteros  umgelegte  Säu- 
lenumfassung der  Wirkung  wegen  höher  gestellt  worden  sei,  ohne  das  ursprüng- 
liche Cellaniveau  zu  alteriren.  ^  Das  Letztere  scheint  wahrscheinlicher,  zweifellos  aber 


1  J.  C.  Fulchiron,  Voyage  dans  l'Italie  meridionale.     Paris   1843.     tom.  IV.  p.  612.  2  Sulle  recenti 

scoperte  di  Roma  e  contorni.  Bull,  d.  I.  d.  c.  a.  1871.  p.  269.         3  H,  Jordan,  a.  a.  0.  S.  284. 


Der  Tempel  des  Castor  und  Pollux.  -139 

ist  wohl,  (Jass  diese  Vergrösserung  und  Erhöhung  des  Tempels  auch  die  unteren 
Stufen  der  Treppe  in  die  ursprüngliche  Strassenrichtung  hineingeschoben  habe. 

Diesem  Gebäude  wurden  bereits  die  verschiedensten  Namen  gegeben:  Grä- 
costasis,  Curia,  Tempel  der  Minerva,  der  Dioskuren  und  andere.  Seit  der  vollstän- 
digen Aufdeckung  der  Südwestseite  des  Forum  kann  jedoch  über  Namen  und  Be- 
stimmung desselben  kein  Zweifel  mehr  bestehen.  Die  Substruction  ist  nur  durch 
den  Raum  einer  Strasse  von  der  jetzt  in  ihrer  ganzen  Länge  blossgelegten  Basilica 
getrennt,  welche  als  Basilica  lulia  zu  erkennen  alle  Topographen  einig  sind.  Durch 
diese  Begränzung  wird  eine  Stelle  der  wichtigen  ancyranischen  Inschrift  entschei- 
dend für  die  Bestimmung  dieses  Tempels,  nemlich: 

FORVM   IVLIVM   ET  BASILICAM   QVAE  FVIT  INTER  AEDEM  CASTORIS 

ET  AEDEM   SATVRNI 

Die  eine  der  beiden  hier  angeführten  Begränzungen,  den  Tempel  des  Saturn,  haben 
wir  bereits  in  der  oben  beschriebenen  Ruine  der  acht  Säulen  erkannt,  und  so  be- 
stimmt sich  die  gegenüberliegende  als  Tempel  des  Castor.  Auch  andere  Umstände 
bestätigen  diese  Localisirung  des  letztern.  Er  lag  nemlich  unmittelbar  am  Lacus 
luturnus,  welcher  anderwärts  neben  dem  Vestaheiligthum  genannt  wird,^  wesshalb 
er  auch  selbst  als  neben  der  Vesta  liegend  bezeichnet  werden  konnte.^  Genaue 
Richtigkeit  konnte  jedoch  diese  Angabe  nur  bis  zu  der  Zeit  haben,  in  welcher  Do- 
mitian  den  Tempel  der  Minerva  erbaute,^  wenn  dieser  wirklich  ein  selbständiger 
Tempel  war,  denn  in  diesem  Falle  musste  er  zwischen  dem  Castortempel  und  der 
Vesta  hegen,  wie  aus  der  Reihenfolge  beim  Regionär,^  der  die  Südwestseite  des 
Forum  durch  die  Aufzählung:  Basilica  fulia,  Temphini  Casiorum  et  MineriHie,  Vesta 
bezeichnet,  und  aus  der  schon  angeführten  Gränzbestimmung  der  ancyranischen  In- 
schrift hervorgeht.  Doch  erscheint  es  auch  möglich,  die  beiden  Tempel,  welche  der 
Regionär  analog  der  Bezeichnung  »Vespasiani  et  Titi«  durch  ein  »et«  in  Verbindung 
setzt,  in  ein  und  demselben  Gebäude  anzunehmen.  Leider  macht  die  benachbarte 
Kirche  S.  Maria  Liberatrice  ausgiebige  örtliche  Nachforschungen  behufs  der  Entschei- 
dung dieser  Frage  unmöglich.  Sicher  falsch  aber  ist,  wenn  man  den  Tempel,  dessen 
Ruine  wir  eben  behandeln,  zum  Heiligthum  der  Minerva  machen  und  dem  Castor- 
tempel daneben  und  zwar  zwischen  unserer  Ruine  und  dem  Tempel  der  Vesta 
einen  Platz  anweisen  will,  was  mit  dem  Regionär  in  offenbarem  Widerspruche  steht 
und  mit  dem  Monumentum  Ancyranum  nur  durch  die  allerdings  richtige  Bemerkung 
in  einigen  Einklang  gebracht  werden  kann,  dass  zu  Augustus  Zeit  der  domitianische  (?) 


'  Dionys.  VI,  13.  "  Martial.  I.  70.  2.  3  Catal.  imp.  Vienn.   (Roncall.   Vet.  Lat.  Script.  Chronica, 

t.  II.  p.  243.)  *  Curios.  Urb.  Korn.  Heg.  VIII. 

18* 


/)  40  Das  Forum  Romanum. 

Tempel  noch  nicht  genannt  weiden  konnte.  Dabei  ist  aber  übersehen,  dass  doch 
der  Raum  für  den  Tempel  schon  beim  Bau  der  Basilica  luHa  vorhanden  und,  als 
am  Forum  liegend,  baulich  benutzt  gewesen  sein  musste,  dass  es  ferner  doch  na- 
türlich ist,  eine  Gränzbestimmung  wirklich  als  solche  und  nicht  als  ein  poetisches 
Gemälde  zu  betrachten ;  und  endlich  dass  sich  der  Treppenspiegel  des  Castortempels 
schlecht  für  den  Volksredner  eignete,  wenn  dieser  sich  ausserhalb  des  Foium  erhob. 

Der  Tempel  des  Castor, '  wie  er  in  alter  Zeit,  oder  der  Castoren,^  wie  er 
in  spätrömischer  Zeit  stets  mit  Weglassung  des  zweiten  Dioskuren  Pollux  abkür- 
zungsweise genannt  wurde,  verdankt  seine  Entstehung  dem  Siege  der  Römer  am 
See  Regillus,  und  seine  Lage  dem  mythischen  Erscheinen  der  Dioskuren  am  Lacus 
luturnus,  wo  diese  nach  jener  Schlacht  ihre  Pferde  getränkt  und  dem  am  Forum 
versammelten  Volke  den  Sieg  verkündet  haben  sollen. '  Neben  d.  h.  wohl  nordöst- 
lich von  diesem  Brunnenteiche,  ward  der  Tempel  des  Castor  und  Pollux  gebaut 
und  im  J.  d.  St.  269  (485  v.  Chr.)  geweiht.^  Dass  er  ursprünglich  von  geringel* 
Pracht,  d.  h.  von  Landstein,  gewesen,  wird  mehrmals  angedeutet;^  auch  die  erste 
Wiederherstellung,  zu  welcher  L.  Metellus  Dalmaticus  die  dalmatische  Beute  ver- 
wendete, scheint  ihm  noch  keinen  besonderen  äusserlichen  Glanz  verliehen  zu  haben, " 
und  bestand  vielleicht  lediglich  in  der  Umwandlung  des  schlichten  Prostylos  in  einen 
Pseudoperipteros  unter  Beibehaltung  des  stuckbekleideten  Gabintufs  oder  Tiburtin- 
Kalksteins.  Doch  für  seine  räumliche  Grösse  und  Bedeutung  spricht  ausser  zahl- 
reichen Erwähnungen  hauptsächlich  der  Umstand,  dass  in  demselben  öfters  der  Senat 
versammelt  ward.'  Als  es  in  den  Bürgerkriegen  üblich  geworden  war,  dass  sich 
die  Redner  vom  Comitium  weg  und  zu  dem  auf  dem  Forum  im  engeren  Sinne  ver- 
sammelten Volke  wandten,  benutzten  sie  auch,  ehe  die  iulischen  Rostra  am  südöstlichen 
Ende  des  Forum  errichtet  waren,  die  Stufen  des  Castortempels  als  Rednerbühne.  "^ 

Nach  dem  Brande  der  Basilica  lulia,  welcher  auch  den  Tempel  beschädigt 
zu  haben  scheint,  baute  Tiberius  diesen  neu  und  weihte  ihn  unter  seinem  und  seines 
Bruders  Drusus  Namen  im  J.  d.  St.  7ö9  (6  n.  Chr.)'^  Von  diesem  Neubau  scheint 
die  Ruine  herzurühren,  welche,  wie  schon  erwähnt  wurde,  auf  die  ausserordentliche 
Pracht  desselben  schliessen  lässt.  Der  wahnsinnige  (^aligula  verband  den  Tempel 
mit  seinem  Palaste  auf  dem  Palatin  und  Hess  sich  in  demselben  zwischen  den  Dios- 
kuren, »seinen  Brüdern«  sitzend,  göttliche  Ehre  erweisen,^"  ein  Umstand,  der  eben- 
falls beweist   dass  der  Castortempel  nahe    am  Palatin  gewesen    sein  musste.     Die 


'Dio  Cass.  XXXVII.  8.    Cic.  Verr.  I.  49.        2  Curios.  Urb.  R.  1.  c.  ^Dionjs.  1.  c.    Val.  Max.  11.  cc. 

^  Liv.  II.  20.  42.     Plut.  Coriol.  3.             5  Cic.  Verr.  I.  56.  59.             6  id.  59.  (Ascon.)  pro  Suauro  46.   (Ascon.) 

l»lut.  Pomp.  2.       •    7  Cic.  Verr.  I.  49.           » Dio  Cass.  XXXVIII.  6.          9  id.  LV.  8  &  27.         Sueton.  Tib.  20. 

Ovld.  Fast.  I.  705.     Pont.  II.  2,  85.'          lODio  Cass.  LIX.  28.       Suet.  Calig.  22. 


Der  Tempel  des  Castor  und  PoUux.  ]  ^] 

Verbindung  mit  dem  Palaste  wurde  jedoch  bald  wieder  abgebrochen,  und  Claudius 
setzte  den  Tempel  wieder  in  den  ausschliessenden  Besitz  der  Dioskuren.i  Eine 
weitere  Restauration  wird  von  Domitian  erwähnt,^  wobei  vielleicht  auch  der  Tempel 
die  obenerwähnte  Doppelbestimmung  erhielt.  Die  Zerstörung  muss  schon  im  Mittel- 
alter soweit  gediehen  sein ,  als  man  sie  jetzt  findet,  denn  schon  am  Anfange  des 
XV.  saec.  hat  die  angränzende  Strasse  den  Namen  »Via  trium  columnarum«.'' 

An  den  zwei  Langseiten  der  Substiuction  fand  man  Strassenpflaster,  die 
grossen  Polygone  von  Basaltlava,  welche  die  römischen  Strassen  im  weiten  Umkreise 
charakterisiren.  Dasselbe  lag  ohne  Zweifel  ursprünghch  auch  vor  der  Tempelfronte, 
(loch  wurde  es  hier  seit  der  Ueberleitung  der  vom  Clivus  an  am  Castortempel  vor- 
beiführenden Strasse  auf  die  andere  Seite  des  Gäsartempels  geändert  und  Traver- 
tingetäfel  substituirt.  An  der  Südostseite  des  Tempels  nuisste  vormals  der  iutur- 
nische  Brunnen  gewesen  sein,  der  durch  Umbauten  des  Castortempels  und  die  be- 
nachbarten Neubauten  in  der  Kaiserzeit  entweder  ganz  beseitigt  oder  wenigstens 
sehr  beengt  worden  war.  An  dieser  Seite  des  Tempels  musste  auch  die  Nova  via, 
über  welche  wir  zahlreiche  und  nicht  unbezeichnende  Angaben  haben,  auf  das  Forum 
fühlen.  Denn  diese  wird  einerseits  neben  dem  Haine  der  Vesta  und  am  Fusse  des 
Palatin  genannt,^  während  anderseits  erwähnt  wird,  dass  sie  in  das  Forum  münde.  '" 
Die  letztere  Notiz  ist  seit  die  das  Forum  abschliessende  Querstrasse  vor  den  Cäsar- 
lempel  vorgeschoben  wurde,  nicht  mehr  buchstäblich  richtig,  dass  aber  die  vor  den 
drei  Säulen  aufgefundenen  Strassenreste  zur  Nova  via  gehören,  trotzdem  ausser 
Zweifel,  wenn  auch  die  Funde  es  nicht  ganz  sicher  gestellt  haben,  wie  sie  sich 
weiter  die  Velia  hinaufzog.  Wollte  man  aber  mit  Becker"  annehmen,  dass  sie  sich 
am  Fusse  des  Palatin  hinter  dem  Vestaheiligthume  bis  zur  Summa  Sacra  via  selb- 
ständig hinzog,  so  würde  man  gerade  gegen  die  bezeichnendsten  Angaben  Verstössen : 
denn  man  trennt  erstens  den  Hain  der  Vesta,  der  von  Cicero  hochgelegen  —  also 
am  Abhänge  des  Palatinus  —  genannt  wird,  von  dem  Heiligthume  selbst,  was  jeden- 
falls unwahrscheinlich  ist,  und  macht  auch  Ovidius'  Angabe,  dass  die  Nova  via  in 
das  Forum  münde,  unmöglich.  Angaben  aber,  welche  auf  der  Topographie  der 
romulischen  Stadt  fussen,'  weisen  der  Nova  via  eine  entschieden  andere  Lage  und 
Richtung  an,  als  wie  sie  in  der  Kaiserzeit  sich  darstellt,''  woraus  hervorgeht,  dass 
sie  in  Folge  der  palatinischen  Um])auten  verlegt  worden  sei.  Haben  wir  aber  die 
Nova  via  in  der  Strasse  südöstlich  vom  Castortempel  zu  erkennen,  so  kann?es  keinem 


'  Dio  Cass.  LX.  6.         2  Catal.    iiiii).    Vionii.  ^  r,  ^,  Lanciani  Sulle  rccenti  scoperto  di  Roma  e  con- 

toiui.    Bull.  d.  I.   iSTi   p.  260.        <  cic.  do  div.  I.   45.     Liv.  V.  32.        5  Ovid.  Fast.  VI.  v.  389  sq.        «Becker, 
H.  d.  r.  A.  Bd.  I.  S.  243  fg.  vgl.  S,   H2.  7  Soliu.  I.  24.         8  vgl.  P.  Rosa.  Scavi  dcl  Palatino.    Ann.  d.  I. 

d.  c.  a.  XXXVI.  1865.  p.  346—367. 


J[  42  D^s  Forum  Romanum. 

Zweifel  unterliegen,  dass  die  wiederaiifgedeckte  breite,  an  der  nordwestlichen  Lang- 
seite dieses  Tempels  ins  Forum  mündende  Strasse  dem  ofterwahnten  Vicus  Tuscus 
entspreche. 

18.  Die  Substructionsmauern  hinter  dem  Castortempel. 

Hinter  dem  eben  beschriebenen  Tempel  sind  noch  drei  gewaltige  Backstein- 
mauern von  beträchtUcher  Höhe  und  ganz  ausserordentlicher  Dicke,  rechtwinkelig 
aneinander  stossend  und  die  geschlossene  Seite  dem  Palatin  zukehrend,  erhalten. 
Die  nordöstliche  Mauer  misst  noch  28,  die  südöstliche  36  und  die  südwestliche  3ü 
Meter  in  der  Länge.  Die  Erklärung  des  Ueberrestes  ist  sehr  schwierig,  doch  dürfte 
man  schon  wegen  der  Substructionsgestalt  der  Mauern  ebenso  wenig  an  den  Mi- 
nerventempel  wie  an  den  des  Augustus  denken';  es  Hesse  sich  auch  schwer  sagen, 
wie  Caligula  die  Rückwand  des  Castortempels  mit  seinem  Palaste  verbinden  konnte,  '^ 
wenn  ein  nachweisslich' länger  erhaltener^  Tempel,  im  Wege  stand.  In  unmittel- 
barer Nähe  der  Ruine  aber  musste  der  Augustustempel  gestanden  haben,  denn  die 
beiden  Notizen,  dass  er  erstens  auf  (oder  an)  dem  Palatin  war,''  und  dass  die  Brücke 
des  Caligula  über  ihn  führte  (was  jedoch  kaum  wörtlich  zu  nehmen  sein  wird)"', 
gestatten  keine  andere  Annahme.  Auch  kann  die  Brücke  des  Caligula,  welche,  nach 
den  angeführten  Stellen  auch  über  die  Basilica  lulia  führte,  wohl  nur  von  der  Nord- 
spitze des  Palatin  ausgehend  gedacht  werden. 

Die  erwähnten  Substructionsmauern  dürften  vielmehr  durch  die  Nähe  des 
Castortempels  ihre  nächstliegende  Erklärung  finden.  Es  wurde  nemlich  oben  erzählt, 
dass  Caligula  diesen  Tempel  mit  seinem  Palaste  verband.  Um  diess  möglich  zu 
machen,  musste  der  letztere  über  den  Hügel  selbst  hinaus,  wie  diess  auch  an  der 
ganzen  Südwestseite  geschah,  durch  Substructionen  ausgedehnt  werden.  Es  wird  nun 
nirgend  berichtet,  dass  auch  des  Caligula  Palastbau  nach  seinem  Tode  zerstört  worden 
sei,  wie  diess  seiner  wahscheinlich  an  diesen  Vorbau  sich  anschliessenden  Capitol- 
brücke  und  anderen  tollen  Werken  widerfuhr,  und  so  können  die  Substructionen, 
welche  dazu  gehörten,  noch  auf  uns  gekommen  sein.  Mit  dieser  Epoche  stimmt 
auch  der  Ziegelbau  überein. 

19.  Die  Basilica  lulia. 

Die  bedeutendste  und  für  die  Topographie  des  römischen  Forum  wichtigste 
Ausgrabung  der  neueren  Zeit  ist  unstreitig  die  der  Basihca  lulia  zwischen  dem  Tempel 
der  Dioskuren  und  dem  des!  Saturn. 


'Mommse.n,  Bull.  d.  I.  d.    c.  a.  1845  125— 127.  ^'Vgl.lS.  UO.iAnm,  10.  3  Sueton.    Calig.   22. 

Plin.  H.  N.  XII.  19,  42.  Gurios.  U.  R.  Reg.  VIII.    *  Plin.  1.  c.    5  Sueton.  Calig.  22.  37.  Fl.  los.  Ant.  XXI.  1.11. 


Die  Substructionsmauern  hinter  dfem  Castortempel.  143 

Dieselbe  Strasse,  welche  westlich  vor  dem  Tempel  des  Cäsar  vorbei  an 
die  nordwestliche  Treppenecke  des  Castortempels  führt,  zieht  sich  auch  die  ganze 
Basilica  lulia  entlang  und  trennte  diese  von  dem  mit  Tiburtin  gepflasterten  Forum, 
das  neben  der  Strasse  einen  etwas  erhöhten  Rand  zeigt.  Sie  ist  wie  schon  erwähnt 
mit  Lavapolygonen  gepflastert,  hat  eine  Breite  von  durchschnittlich  6,50  Meter  und 
ist  im  Ganzen  wohl  erhalten.  Auf  der  dem  Forum  gegenüberliegenden  Seite  dieser 
Strasse  beginnt  schon  die  Marmortreppe  der  ausschliesslich  der  Treppen  an  der  Nord- 
ost- und  Südostseite  und  der  Tabernen  der  Rückseite  1 03  zu  46  Meter  messenden 
Basilica.  Da  die  Strasse  gegen  den  Saturntempel  etwas  ansteigt,  so  besteht  der 
erste  Trejipenabsatz  an  der  Ostecke  aus  6  Stufen,  an  der  Westecke  nur  mehr  aus 
einer  Stufe.  Nach  einer  1,15  Met.  breiten  Unterbrechung  folgen  nun  3  weitere  in 
der  ganzen  Frontelünge  sich  hinziehende  Stufen.  Von  dieser  Treppe  haben  sich 
spärliche  neuerlich  ergänzte  Ueberreste  erhalten,  welche  eben  ausreichen  um  ihre 
Gestalt  und  Stufenzahl  ermitteln  zu  lassen.  Zwei  weitere  Stufen  sind  noch  an  der 
zweiten  Pilasterreihe  zu  erkennen.  Der  Mittelraum  war  von  einer  doppelten  Por- 
ticus  umgeben,  aussen  zu  18  Pfeilern  in  der  Fronte,  zu  8  in  der  Breite.  Von  den 
dazugehörigen  in  drei  Reihen  ringsum  laufenden  72  Backsteinpfeilern  fanden  sich 
noch  die  Reste  von  24,  wovon  die  Mehrzahl  an  der  Nordwestecke;  jetzt  sind  sie 
schwer  mehr  zu  unterscheiden,  da  neuestens  sämmthche  Pfeiler  mit  Ausnahme  der 
Aussenpfeiler  der  Fronte  bis  zu  einer  gleichmässigen  Höhe  von  1  Met.  neu  aufge- 
mauert worden  sind  um  dadurch  die  sonst  bald  sich  verwischende  Pavimentspur  zu 
erhalten.  Die  Pfeiler  waren  zum  Theil  in  Backstein,  zum  Theil  in  Tiburtin,  an  der  Strasse 
dagegen  ganz  in  Tiburtin  aufgeführt,  und  die  letzteren  in  der  Art  der  Aussenseiten 
von  römischen  Theatern  und  Amphitheatern  mit  Halbsäulen  geschmückt.  Reste  davon, 
welche  das  römisch  dorische  Capital  mit  3  Rosetten  am  Säulenhals  und  die  attische 
Basis,  wie  auch  Stücke  der  Archivolten  zeigen,  wurden  gefunden  und  mit  denselben 
durch  Rosa  ein  mittlerer  Pfeiler  der  Forumfronte  wie  ein  Stück  des  pilastrirten  süd- 
östlichen Eckpfeilers  hergestellt.  Es  ist  kaum  zu  bezweifeln  dass  die  Arcadenreihe 
am  linken  Ende  des  S.  99  abgebildeten  Reliefs  hierher  zu  beziehen  ist,*  wie  auch 
wahrscheinlich  die  auf  dem  unten  zu  besprechenden  Forummonumente  vorkommende 
verwandte  Darstellung.  Ebenso  wenig  aber,  dass  dieser  Arcadenreihe  ein  zweites 
Stockwerk  aufgesetzt  war,  welches  äusserlich  wohl  ähnlich  gestaltet  aber  nach 
Analogie  der  Theater  mit  Halbsäulen  oder  Pflastern  ionischer  oder  korinthischer 
Ordnung  geschmückt  war.    Von  einem  zweiten  Stockwerke  wurden  auch  noch  die 


'1  Durcli  ein  Missverständniss  des  Zoiclinei's  h{il)on  freilich  die  Capitäle  den  Anschein  von  korinthischer 
Gestalt  erhalten.  Von  der  Aelinlichkeit  der  auf'gel'iindenen  mit  jenen  des  Reliefs  kann  man  sicli  bei  Betrach- 
tung des  Gipsabgusses  im  Vestibül  des  ehem.  Giardino  Farnese  (Aufgansi  zum  Palatin)  überzeugen. 


U4 


Das  Forum  Romanum. 


Spuren  an  der  Südwestecke  gefunden.^  Die  Pfeiler  standen  an  der  südlichen  (rück- 
liegenden) Langseite  mit  Wänden  aus  Tufquadern  so  in  Verbindung,  dass  man  jetzt 
von  der  äusseren  Porticus  zu  Kammern  gelangt,  welche  sich  an  die  Südseite  der 
Basilica  anschlössen.  Ob  und  wie  sie  mit  der  Basilica  ursprünghch  in  Communi- 
cation  standen,  ist  noch  unklar;  wahrscheinlich  ist,  dass  wenigstens  ihre  Hauptzu- 
gänge an  einer  südlich  vorbeiführenden  Strasse  lagen,  welche  den  Vicus  Tuscus  mit 
dem  Yicus  lugarius  vermittelte;  die  Entscheidung  darüber  ruht  noch  unter  dem 
Schutte,  welcher  den  äusseren  Abschluss  der  Basilika  an  der  südlichen  Langseite 
bedeckt.  Ersichtlich  aber  ist,  dass  die  Südseite  die  verhältnissmässig  besterhaltene 
ist,  was  wohl  damit  zusammenhängt,  dass  jene  Kammern  noch  bis  ins  Mittelalter 
hinein  benutzt  wurden,  während  die  übrige  Basilica  längst  als  Steinbruch  diente. 
Einige  von  den  Kammern  der  Rückseite,  die,  wie  schon  das  Material  (Tuf-  und  Traver- 
tinblöcke)  zeigt,  wahrscheinlich  älter  als  die  Basilica  waren  und  von  Tabernen  hei- 
i'ührten,  die  jedoch  nicht  an  das  Forum  sondern  auf  jene  Verbindungstrasse  zwischen 
Vicus  Tuscus  imd  Vicus  lugarius  gränzten,  enthielten  die  Treppen  zum  Obergeschosse 
von  welchen  sich  noch  Reste  gefunden  haben.  Ueber  das  gritndliche  Verschwinden 
fast  aller  Marmorverkleidung  gab  ein  Kalkofen  Aufschluss,  welcher  in  der  Mitte  der 
südwestlichen  Langseite  gefunden  ward,  und  dessen  Betrieb  in  ziemlich  hohe  Zeit 
hinaufreichen  muss,  da  er  noch  auf  dem  alten  Paviment  2;ebaut  war. 


ö'-" 


9.  Fragmente  des  capitolinischen  Planes.  (F.  R.) 


Merkwürdig  und  nur  durch  Annahme  einer  frühzeitig  schützenden ,  wenn 
auch  nur  dünnen  Erdschicht  erklärlich  ist,  dass  bei  der  systematischen  Zerstörung, 
in  welcher  man  alles  zum  Hochbau  Gehörige  gefunden,  das  Paviment  des  Gebäudes 


>  Archäolog.  Anzeiger.  IV.  n».  2.  Febr.  -1849.  IV.  n".  3.  März  i849. 


Die  BasHica  lulia,  4  45 

sich  fast  unversehrt  erhalten  hat.  Es  bestand  im  27,2o  Met.  langen  und  1 6,20  Met. 
breiten  Mitteh-aum  aus  kostbaren  (CipoUin,  Pavonazetto,  Giallo  u.  s.  w.)  Marmor- 
platten, welche  in  einfachen  rechtwinkeligen  Figuren  und  gleichartigen  Reihen  ab- 
wechseln, und  durch  ihre  Kostbarkeit  die  Bedeckung  des  Mittelschiffs  beweisen;  der 
Fussboden  des  Uebrigen  zeigt  einfachen  weissen  Marmor.  Leider  haben  sich  die 
Pavimente  seit  der  Aufdeckung  durch  Entwendung  wesentlich  verringert  und  leiden 
auch  durch  die  in  die  Ritzen  eindringende  Feuchtigkeit,  welcher  die  von  der  neuesten 
Restauration  herrührende  Gussausfüllung  der  Lücken  eben  so  wenig  zu  widerstehen 
vermag.  —  Die  symmetrischen  Pavimentfiguren  wie  die  Spuren  der  Pfeiler  lassen 
aber  den  Plan  des  Ganzen  aut's  sicherste  erkennen,  ^  wobei  wir  von  zwei  Fragmenten 
des  capitolinischen  Planes  (Fig.  9)  unterstützt  werden,  die  zwar  grösstentheils  zu 
den  ergänzten  Stücken  gehören,  deren  schon  von  Nibby'  behauptete  Zusammen- 
wie  Hiehergehörigkeit  aber  nicht  mehr  bezweifelt  werden  kann.  Die  Buchsta- 
ben sind  freilich  von  verschiedener  Grösse,  allein  diess  erklärt  sich  leicht  dadurch, 
dass  der  eine  Theil  einem  noch  geretteten  Stücke,  auf  welchem  noch  ein  A  zu  sehen 
war,  angepasst  wurde,  während  der  andere  Theil  nur  nach  einer  Zeichmmg  gear- 
beitet ist,  ohne  dass  man  damals  die  Zusammengehörigkeit  almte.  Was  könnten 
aber  die  Buchstaben  VRNI  anderes  bezeichnen,  r\s  Aedes  Saturni,  und  welclier  andere 
Tempel  könnte  demnach  der  gegenüberstehende  sein,  als  der  des  Castor?  Ferner 
wurden  die  drei  Pfeilerreihen  ebenso  in  Wirklichkeit  gefunden,  wie  sie  auf  dem 
antiken  Plane  angedeutet  sind;  und  auch  das  auffällige  Fehlen  einer  Apsis  hat  sich 
durch  die  neuesten  Ausgrabungen  bestätigt.  Tribunale  waren  in  der  Basilica,  und 
zwar  vier,  welche  ausdrücMich  erwähnt  werden,^  allein  desshalb  waren  noch  nicht 
vier  Tribünen  d.  h.  halbkreisförmige  Ausbeugungen  nöthig,  welche  sonst  allerdings 
die  Basiliken  charakterisiren ;  diese  Richtersitze  konnten  auch  in  anderer  Weise 
angebracht  sein,  ohne  sich  gerade  in  der  Form  des  Gebäudes  aussprechen  zu  müssen. 
Man  hatte  auch  schon  vor  den  Ausgrabungen  diess  Gebäude  hier  vermuthet.'* 
An  inschriftlichen  Bestätigungen,  sowie  an  anderen  Funden  war  jedoch  die  gross- 
artige Ausgrabung  keineswegs  reich.  Im  Jahre  1835  fand  man  das  Anfangsstück 
der  angebHchen  Inschrift  der  Basilica,  ein  Marmorstück  mit  den  fast  fusshohen 
Buchstaben^  SENATVS.POPVLVS  •  nachdem  schon  früher''  ein  anderes  bis  zur 
völligen  Unverständlichkeit  verstümmeltes  Bruchstück  bekannt  gemacht  worden  war. 


•  C.  Ravioli,  Ragionamento  del  foro  Romano  e  ü.  Montiroli,  Ossorvazioni  suUa  parte  meridionale  del  foro 
Romano.  Roma  1839.  (Bullet,  d.  I.  d.  c.  a.  Feb.  1849,p.  32.)  '^  Foro  Romano,  p.  94  sq.  cf.  Chr.  Müller,  das 
Forum  Romanum  und  die  Via  Sacra.  Stuttg.  u.  Tüb.  1824.  p.  87.  Plan,  s  Quint.  I.  0.  XII.  3,  6.  Mierhard, 
della  basilica  Giulia  ed  alcuni  siti  del  Foro  Romano.  R.  1823.  *  0.  Kellermann,  Iscrizione  del  portico  capit. 
e  della  bas.  Giulia.  Bulletino  d.  I.  d.  c.  a.  1835.  p.  33—38.  «  C.  Foa,  Variot-ä  di  notizie  economiche  fisiche 
anli(iuarie  kc.    R.   1840.   i».  72. 

F.  Reber,  Rom.  jg 


\  46  Das  Forum  Romanum. 

Befriedigender  war  das  Wiederaiiffinden  einer  Baseninschrift,  welche,  schon  vor 
mehren  Jahrhunderten  abgeschrieben,  jetzt  sehr  fragmentirt  wieder  zum  Vorschein 
kam.     Die  wenigen  erhaltenen  Worte  lassen  sich  nach  Gruter^  leicht  ergänzen: 

Gabinius  •  Vetlius       ||      Probianus  "  V  •  C  •  prAef .  Uib       ||        statuam  •  qiiac  •  b AS  I L I C A«  || 
luliae  .  a  .  se  novitER  •  REPARATAE     ||      ornamento  •  esSET  •  ADIECIT 

Die  Inschrift,  zu  Gruters  Zeit  vollständig,  wird  schon  damals  in  der  Gegend  der 
Phokassäule  (Panvin),  wo  sie  auch  wieder  ausgegraben  wurde,  oder  bei  den  drei 
Säulen  (Gruter)  Jiegend  genannt.  Sie  bestätigt  die  Lage  der  Basilica  und  berichtet 
eine  Restauration  derselben  im  J.  377  n.  Chr.  —  Ob  zwei  andere  neuerlich  gefun- 
dene Statuenpiedestalinschriften  aus  gleicher  Zeit,  jetzt  an  der  Längstreppe  der  Ba- 
silica luha  aufgestellt,  mit  dieser  local  zu  paaren  sind,  ist  ungewiss.  Sie  sind  völHg 
gleichlautend,  wie  folgt: 

GABINIVS  VETTiVS   ||   PROBIANVS  VC    ||    PRAEF  VRB  ||  STATVAM  FATALI 
NECESSITATE  CON     ||    LABSAM  CELEBERRI     ||     MO  VRBIS   LOGO  ADHI  |1 

BITA  DILIGENTIA  REPARAVIT 

Ein  anderes  Inschriftfragment,  im  J.  1849  gefunden,^  zeigt  in  grossen  Buchstaben 
den  fragmentirten  Namen  des  Kaisers  M.  A.  Val.  Maximianus  und  bezieht  sich 
wahrscheinlich  auf  die  Restauration  der  Basilica  nach  dem  Brande  unter  Carinus 
und  Numerianus,  wovon  sich  ausdrückliche  Erwähnung  findet.^  —  Mehre  andere 
Inschriften,  meist  unbedeutende  Cippen,  die  bei  dieser  Ausgrabung  zu  Tage  ge- 
fördert wurden  und  jetzt  um  die  Phokassäule  herumliegen,  stehen  zu  dem  Ge- 
bäude bestimmt  in  keiner  Beziehung.  Auch  nicht  das  neuerlich  an  der  Nordecke 
gefundene  rohe  Basament  mit  der  in  Characteren  des  IV.  Jahrh.  n.  Chr.  geschrie- 
benen Inschrift  OPVS  POLYCLIT-  Ebenso  dürfte  es  schwierig  sein  für  das  die 
Stufen  unterbrechende  Piedestal  an  der  Ostecke  die  Statue  oder  Gruppe  nachzu- 
weisen. Die  eingekratzten  Gladiatorenfiguren  und  Spielsgraffito's  auf  dem  Paviment 
der  Seitenschiffe,  worunter  auch  inschriftliche,  wie  BINCES  •  GAVDES  •  PERDES 
PLANGIS  gehören  wohl  der  Verfallzeit  an,  ebenso  die  rohen  Pavimentaussbesse- 
rungen,  bei  welchen  man  nicht  bloss  ungehöriges  Material  (Serpentin  u.  a.)  sondern 
selbst  Inschriftenfi'agmente  aus  Pertinax  und  Septimius  Severus  Zeit  benutzte.^ 

Von  dem  Beginn  des  Baues  der  Basilica  lulia,  wie  von  der  nöthigen  Grund- 
erwerbung dafür  haben  wir  keine  Nachrichten.  Ob  der  Neubau  die  Basilica  Sem- 
pronia,  welche  der  Censor  Ti.  Sempronius  Gracchus  im  J.  d.  St.  584  (170  v.  Chr.) 
hinter  den  alten  Tabernen,"  also  auf  der  Südwestseite  des  Forum,  wenn  auch  weiter 


1  CLXXI.  7,  2Henzen,  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1849.  p,  (132)  140.  141.  3  Catal.  imp.  Vienn.  (Roncallii  Vet. 
Lat.  Script.  Chronica,  tom.  II.  p.  247.)  <  Pellegrini  und  Lanciani,  Scavi  di  Roma.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1871. 
p.  131.  225—33.  241—247.  257—272.     *  Liv.  XLIV.  16. 


Die  Ehrensäule  des  Phokas.  i  47 

zurück  gegen  den  Vicus  Tiiscus  hin  erbaut  hatte,  verdrängt  habe,  ist  ungewiss. 
Eine  späte  Notiz ^  berichtet,  dass  die  Basihca  luha  schon  im  J.  708  d.  St.  (46  v. 
Chr.)  eingeweiht  worden  sei,  was  also,  wenn  diess  richtig  ist,  schon  vor  der  Be- 
endigung des  Baues  geschehen  sein  musste,  wie  es  auch  von  dem  Forum  lulium 
erwähnt  wird; 2  denn  dass  die  Basilica  erst  unter  Augustus  vollendet  ward,  geht 
aus  der  ancyranischen  Inschrift  sicher  hervor.  Aus  demselben  Documente  erhellt 
ferner,  dass  sie  noch  unter  Augustus  wieder  abbrannte,  aber  von  diesem  wieder 
aufgebaut  wurde  und  unter  dem  Namen  seiner  Enkel  Gaius  und  Lucius»  eingeweiht 
werden  sollte,  welche  Absicht  sich  jedoch  da  der  Name  luha  verblieb,  nicht  erfüllte. 
Worin  die  Erweiterung  bestand,  ist  unbekannt:  vielleicht  in  der  Verlängerung  des 
Baues  unter  Beseitigung  der  vorher  muthmasslich  sowohl  am  Vicus  lugarius  nord- 
westhch-,  wie  am  Vicus  Tuscus  südöstlich  sich  hinziehenden  Tabernen.  Zum  zweiten- 
male  brannte  die  Basilica,  wie  schon  erwähnt,  unter  Carinus  und  Numerianus  283 
n.  Chr.  ab  und  wurde  von  Maximianus  und  Diocletianus  und  abermals  nach  der 
oben  angeführten  Inschrift  im  J.  377  n.  Chr.  unter  Valens,  Gratian  und  Valentinian 
wiederhergestellt.  Demnach  ist  es  unmöglich  in  den  Resten  einer  alten  Kirche 
oder  Kapelle,  die  man  an  der  Nordecke  fand,  und  welche  sich  zum  Theil  noch  an 
Ort  und  Stelle ,  zum  Theil  im  Durchgangsbogen  der  Via  del  Campidoglio  befinden, 
die  von  Papst  lulius  »iuxta  forum«  377  erbaute  Basilica  zu  erkennen,^  indem  es 
vielmehr  wahrscheinlicher  ist,  sie  nach  Jordan's  Vermuthung^  mit  der  von  den  Mira- 
bilien  in  der  Nähe  des  Saturntempels  genannten  Kirche  S.  Salvator  de  statera  (S. 
Salvator  in  aerario?)  zu  verbinden.  Jedenfalls  befand  sich  auch  diese  Kirche  noch 
auf  dem  Niveau  des  Paviments  der  Basilica,  war  somit  kaum  jünger  als  VIII.  Jahrh. 
Im  J.  1835  begann  man  systematisch  mit  der  Aufdeckung  des  Gebäudes; 
die  bald  unterbrochene  Arbeit  ward  zu  Ende  des  Jahres  1 848  unter  Canina's  Leitung 
mit  grosser  Energie  wieder  aufgenommen,  so  dass  in  kurzer  Zeit  ein  grosser  Theil 
der  Basilica  blossgelegt  war.  Doch  erst  1859  und  1870 — 72  wurde  das  Unter- 
nehmen zu  dem  gegenwärtigen  bis  auf  die  Aussenseite  der  südwesthchen  Umfassung 
vollkommenen  Stande  geführt. 

20.  Die  Ehrensäule  des  Phokas. 

Nahe  an  der  Basilica  luha,  in  der  Mitte  des  Forum  oder  vielmehr  des  alten 
Comitium  erhebt  sich  auf  einer  Pyramide  von  I  %  Stufen  eine  marmorne  Ehrenäule. 
Diese  ihrer  Ausführung   nach  in  das  zweite  oder   dritte  Jahrhundert  nach  Christus 


»  Hieron.  Chron.  (Rone.  tom.  I.  p.  399.  01.  183,  3.)  '  Dio  Cass.  XLIII,  22.  Sueton.  Caes.  26. 
3  Suet  Aug.  20.  ■*  Anastas.  Bibl.  Vit.  Pont.  ed.  Salvioni  i718  p.  55.  Escavazione  deiia  Bas.  Giulia  Bull.  d.  I. 
d.  c.  a.  1871  p.  225—233.     »  Jordan,  Topographie  II.  S.  483  fg.  . 

19* 


148 


Das  Forum  Romanum. 


"•ehörend  und  offenbar  von  einem  anderen  Gebiiude  genommen,  misst  unter  Aus- 
schluss  des  S,-^  M.  hohen  Piedestals  mit  Base  und  Capital  i3,6o  Meter.  Auf  dem 
korinthischen  Capital  aber  stand  vormals  ein  vergoldetes  Bronzebild,  wie  aus  der 
am  Piedestal  erhaltenen  Dedicationsinschrift  hervorgeht: 

t  OPTIMO  CLEMENTISi.m.  •  i.üssMOQVE  |!  PRINCIPI   DOMINO   N  Fon.e .  i.upERATORI  | 
PERPETVO    A  DO  CORONATO    TRIVMPHATORI       1|       SEMPER    AVGVSTO    jl 
SMARAGDVS   EXPRAEPOS   SACRI   PALATII  |1  AC   PATRICIVS  ET   EXARCHVS 
ITALIAE    DEVOTVS   EIVS  CLEMENTIAE    PRO  INNVMERABILIBVS   PITATIS 
EIVS  II  BENEFICIIS   ET   PRO  QVIETE    |  PROCVRATA   ITAL  AC  CONSE'vTA 
LIBERTATE   jj    HANG  ST.i,..,,.  •  imuesuTIS  .  EIVS  ||  AVRI   SPLEN,w,  .  luig.nTEM   HVIC  || 
SVBLIMI  COLVMnaoac)  PERENNEM    IPSIVSGLORIAM  IMPOSIT  ACDEDICAVITll 
DIE  PRIMA  MENSIS  AVGVSTIINDICTVND   PC. PIETATIS  EIVS. ANNO  QVINTO 

^5  Nach  dieser  Inschrift^  errichtete 

Smaragdus,  der  Exarch  von  Italien, 
dieses  Denkmal  einem  Kaiser, 
dessen  Name  entweder  nach  1 200 
zufällig  zerstört  ward'-^  oder  früher 
>veggemeisselt  war,  was  sich  als 
ein  Act  der  in  der  Geschichte 
öfters  vorkommenden  Volksrache 
an  einem  verstorbenen  Tyrannen 
erklären  würde.  Der  Name  ist 
j(;doch,  abgesehen  von  der  mittel- 
alterlichen Tradition  leicht  zu  er- 
gänzen: denn  obwohl  Smaragdus 
unter  zwei  Kaisern  Exarch  war. 
so  kann  doch  durch  das  ange- 
gebene Amtsjahr  des  Errichters 
wie  Regierungsjahr  des  Kaisers 
kein  Z\Aeifel  obwalten,  dass  die 
Säule  dem  Kaiser  Phokas  errichtet 
worden  sei.  Da  nemlich  Smaragdus 
imter  den)  Kaiser  Mauritius  nui- 
fünfJahre(58a— 588),  unter  Phokas 

'  Ergänzt  von  C.  Fea,  Iscrizioni  di  Monumenti  pubblici  trovati  nelle  attiiali  escavazioni.  Roma  18J3.  p. 
87.  Die  Abweichungen  in  der  Ergänzung  des  F.  A.  Visconti,  Lettera  sopra  la  colonna  dell'  Imp.  Foca,  Roma 
1843,  sind  unwesentlich.  2  go  scheint  Const.  Corvisiere  anzunehmen  (.Tordan,  Ausgrabungen  auf  dem  Forum. 
Hermes  VII  p.  271.) 


Die  übrigen  Reste  des  Platzes  selbst.  |  49 

jedocli  weitere  sieben  Jahre  (602  —  G09)  das  Exarchat  von  Italien  bekleidete,  so 
niusste  die  auf  der  Inschrift  angegebene  elfte  Indiction  desselben  unter  Phokas  Re- 
gierung, und  zwar  als  die  fünfte  unter  Phokas  zugleich  auf  das  fünfte  Jahr  nach 
dessen  Regierungsantrittsjahr  lallen,  wie  es  auch  die  letzte  Zeile  der  Inschrift  angibt- 
Diese  beiden  Zahlen  ergeben  übereinstimmend  das  Jahr  608  als  das  Jahr  der  Er- 
richtung dieses  Denkmals,  das  übrigens  in  widrigem  Byzantinismus  einen  Fürsten 
verherrlicht,  welchen  die  Geschichte  als  einen  schändlichen  Tyrannen,  als  Trunken, 
bold,  als  den  Urheber  alles  öffentlichen  Unglücks  und  als  Feighng  brandmarkt. 

Zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  ragte  von  dem  Denkmale  nur  mehr  die  Säule 
aus  dem  Schutte  hervor  und  bildete  den  Mittelpunkt  eines  kleinen  Platzes,  der  von 
elenden  Wohnhäusern  umgeben  war.  Nachdem  zur  Zeit  der  französischen  Herr- 
schaft das  Piedestal  der  Säule  aufgedeckt  worden  war,  erhielt  die  Herzogin  von 
Devonshire  im  J.  1817  die  Erlaubniss,  das  Monument  bis  auf  den  antiken  Boden 
bloss  zu  legen.  Die  Stufen  fanden  sich  auf  der  Südwestseite  am  besten  erhalten. 
An  den  anderen  Seiten  wurden  sie  mit  verschiedenartigem  in  der  Nähe  ausge- 
grabenem Materiale  roh  ergänzt. 


21.  Die  übrigen  Reste  des  Platzes  selbst. 

Die  Ausgrabung  der  Phokassäule  hatte  schon  1819  die  Entdeckung  von  drei 
grossen  Backsteinpiedestalen  zur  Folge,  deren  Backsteinzeichen  auf  die  späte  Kaiser- 
zeit hinzuweisen  scheinen.  Urnen  folgten  im  weiteren  Verlauf  der  Aufdeckung  des 
Forum  in  den  letzten  Jahren  vier  andere  von  gleicher  Gestalt  und  Grösse  an  der 
südwestlichen  Längsseite  des  Platzes  sich  hinziehend.  Den  Abschluss  der  Mündung 
des  Vicus  Tuscus  gegenüber,  bildete  ein  Backsteinbau  aus  gleicher  Zeit  wie  die 
Basen,  dessen  jetzt  zerstörte  Fortsetzung  der  Fronte  des  Cäsartempels  gegenüber 
Spuren  des  früheren  Mittelalters  zeigt.  Als  weiteres  Basament  für  Ehrensäulen 
dürfte  der  antike  Theil  schwerlich  zu  betrachten  sein,  da  er  nicht  bloss  weiter 
nach  dem  Innern  des  Platzes  zu  liegt,  sondern  auch  noch  deutlich  einen  Gewölbe 
ansatz  und  somit  InnenrUuiue  verräth.  Der  Umstand,  dass  der  Kern  der  Piedestale 
aus  grossen  —  jetzt  llieilweise  herausgenommenen  —  Gabinblöcken  bestand,  be- 
rechtigt zu  der  Annahme,  dass  diese  Basamente  ebenfalls  Säulen  trugen.  Man 
stiess  auch  wirklich  auf  jiiehre  Bruchstücke  von  Säulenschäften  aus  rothem  Granit, 
deren  Durchmesser  den  Dimensionen  der  Piedestale  etwa  entsprechen  dürfte.  Ueber 
die  Zugehörigkeit  dieser  Denkmäler  aber  lässt  sich  nichts  ermitteln. 

Nordösthch  vom  Phokasmonument  fand  sich,  jedoch  wie  es  scheint  nicht  am 


/^  50  I^^s  Forum  Romanum. 

ursprünglichen  Platze'  1872  in  den  Grundmauern  eines  mittelalterlichen  Thurmes 
ein  noch  immer  nicht  völlig  aufgeklärtes  Denkmal  aus  zwei  mächtigen  aber  aus 
mehren  Stücken  zusammengefügten  Marmorplatten  von  3,25  Meter  Länge  und  1,65 
Meter  Höhe,  beiderseits  durchaus  mit  Reliefs  geschmückt.  Die  Platten  sind  jetzt 
parallel  und  so  aufgestellt,  dass  sie  einen  Durchgang  bilden.  Die  Innenflächen  zei- 
gen beiderseits  die  drei  Thiere  der  Suovetaurilien,  d.  h.  Stier,  Widder  und  Schwein, 
in  der  gewöhnlichen  Weise  zum  Opfer  geschmückt,  die  beiden  Aussenseiten  aber 
bieten  bemerkenswerthe  historische  Reliefs  dar.  Auf  dem  einen  der  letztern  sehen 
wir  zur  Linken  einen  Mann  in  der  Toga  und  mit  einer  Rolle  in  der  Hand  von  einer 
Rednerbühne  aus  in  einer  Ansprache  an  das  Volk  oder  in  Verkündigung  eines 
Ediktes  begriffen.  Zur  Rechten  empfängt  eine  im  Porträt  zerstörte  kaiserliche  Ge- 
stalt, auf  einer  sella  curulis  sitzend  und  von  Gefolge  umgeben  eine  weibliche  Ge- 
stalt, welche  dem  Kaiser  ein  Kind  darreicht.  Auf  dem  anderen  Relief  war  die 
jetzt  fast  gänzhch  zerstörte  Hauptfigur  auf  den  Rostren  sitzend  dargestellt.  Vor  ihr 
tragen  Männer  in  der  Tunika  grosse  Tafelnbündel  zusammen,  wozu  einer  einen 
Bund  Holz  schleppt,  während  eine  vornehmere  Persönhchkeit  eine  Fackel  (?)  in  der 
Richtung  gegen  die  aufgethürmte  Masse  streckt,  wohl  anzeigend,  dass  dieselbe  in 
Brand  gesteckt  werden  solle. 

Was  zunächst  den  Styl  betrifl't  so  verräth  das  schöne  Werk  sowohl  in  der 
Behandlung  der  architektonischen  Umrahmung,  insbesondere  des  reichen  Kranzge- 
simses, als  auch  in  der  Art  und  Weise  des  Reliefs  die  beste  Zeit  der  römischen 
Kunst.  Bei  der  realistischen  Haltung  unserer  Reliefs"  darf  jedoch  nicht  wohl  ange- 
nommen werden,  dass  sie  aus  der  ersten  Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts  und  aus 
der  Zeit  der  julisch-claudischen  Dynastie  stammen.  Selbst  der  mehr  malerischen 
Auffassung  der  Reliefs  des  Titusbogens  entsprechen  sie  weniger,  am  meisten  aber 
der  realistischen  der  zahlreichen  bekannten  traianischen.  Auch  die  vorherrschende 
Bartlosigkeit  und  das  in  die  Stirn  hereingekämmte  Haar  weisen  auf  die  traianische 
Mode  und  widersprechen  der  mit  Hadrian  beginnenden  üppigen  Haar-  und  Bart- 
pflege. Wir  werden  somit  schon  durch  den  Styl  auf  eine  Epoche  geleitet,  welcher 
auch  die  Darstellungen  historisch  entsprechen. 

Was  diese  betriff't,  so  ist  die  Annahme  allgemein,  dass  nach  dem  architek- 
tonischen Hintergrunde    die    dargestellten    Scenen    auf   dem    Forum    Romanum    zu 


*  P.  Rosa,  der  die  Ausgrabung  geleitet,  behauptet  das  Gegentheil,  gestützt  auf  die  regelmässige  Lage 
der  beiden  Stücke.  Die  ursprünglichen  Basamente  jedoch  fehlen.  Monum.  ined.  d.  I.  d.  c.  a.  Vol.  IX.  tav. 
XL VII.  XLVIII.  E.Brizio,  Due  Bassorilievi  in  niarmo  rappresentanti  seene  del  Foro  Romano,  Ann.  d.  I.  d.  c. 
a.  1872  p.  309—330  tav.  d'agg.  P.  2  philippi,  die  römischen  Triumphalreliefs.  Abhandl.  d.  philol.  bist. 
Classe  der  k.  sächs.  Gesellschaft  d.  Wissensch.  VI.  III.  Leipzig  1872. 


r 


Die  übrigen  Reste  des  Platzes  selbsl.  '  -fSI 

denken  sind.  Doch  bietet  die  topographische  Deutung  im  Einzelnen  einige  Schwie- 
rigkeiten dar.  Denn  die  beiden  charakteristischen  Merkmale,  die  mit  Schiflfsschnäbeln 
gezierten  Rostra,  und  der  zwischen  Comitium  und  Forum  befindliche^  Ficus  Rumi- 
nalis  mit  dem  sogenannten  augeblich  an  oder  vor  den  Rostren  stehende^  Marsyas 
sind  offenbar  nicht  topographisch  genau  an  ihrer  wirklichen  Stelle  angebracht.  Das 
Auftreten  des  letzteren  am  Ende  des  einen  und  am  Anfang  des  anderen  Reliefs 
weist  aber  darauf  hin,  dass  die  Reliefs  zwei  Hälften  einer  Langseite  geben  und  die 
Reihenfolge  der  Gebäude  erscheint  auch  ganz  verständhch,  wenn  man  die  süd- 
westliche Seite  ins  Auge  tasst.  Dann  macht  den  Anfang  links  ein  Bogen  mit  einem 
Durchgang  (Fornix  Fabianus  oder  lanus)  worauf  ein  korinthischer  Tempel  folgt,  der 
hexastyl  angenommen  werden  muss,  wenn  auch  der  Künstler  sich  mit  fünf  Säulen 
begnügte  (Gastortempel).  Das  nächste  Gebäude  zeigt  7  halbsäulengeschmückte 
Pfeilerarkaden  (Südosthälfte  der  Basilica  lulia)  worauf  das  eine  Relief  durch  den 
Ficus  mit  dem  Marsyas  abschliesst.  Mit  diesem  beginnt  wieder  das  andere  Relief 
worauf  6  Pfeilerarkaden  ähnlicher  Art  folgen  (Nordwesthälfte  der  Basilica  lulia). 
Der  benachbarte  ionische  Tempel  muss  mit  dem  Saturn-,  der  darauffolgende  korin- 
thische kann  mit  dem  Vespasian-  oder  möglicherweise  mit  dem  Concordientempel 
identificirt  werden,  während  der  zwischen  den  beiden  letztdargestellten  Tempeln 
eingezwängte  einthorige  Triumphbogen  als  Tiberiusbogen  zu  betrachten  ist. 

Dass  die  Darstellungen  sich  aus  der  Geschichte  Traians  erklären  hat  Henzen 
überzeugend  dargethan.^  Die  Ansprache  auf  dem  Forum  zunächst  bezieht  sich  auf  eine 
That  Traians,  welche  von  Geschichtsschreibern,  Inschriften,  Münzen  u.  s.  w.  ver- 
ewigt wurde,  und  in  der  That  in  ganz  Italien  mit  Enthusiasmus  aufgenommen  wurde, 
nemlich  die  traianische  Fondsstiftung  zur  Erziehung  armer  Kinder.  Die  weibliche 
Gestalt,  welche  das  Kind  zu  dem  sitzenden  Kaiser  bringt,  wird  als  Italia  zu  be- 
trachten sein,  wie  aus  dem  Zusammenhalt  mit  traianischen  ^Münzen  (Cohen  303 — 
305)  hervorgeht,  welche  mit  der  Umschrift  ALIMema  ITALiae  eine  ganz  ähnliche 
Gruppe  zeigen.  Das  Ereigniss  fällt  in  das  erste  Jahrzehnt  des  2.  Jahrhunderts.  Die 
Darstellung  des  zweiten  Reliefs  aber  bezieht  sich  auf  eine  andere  Wohlthat  Traians, 
welche  entweder  in  die  Zeit  kurz  vor  100*  oder  in  das  Jahr  106  n.  Chr.^  fällt, 
nemlich  auf  den  Erlass  der  Erbschaftssteuer-Rückstände,  dadurch  besiegelt,  dass 
der  Kaiser  die  Verzeichnisse  derselben  auf  dem  Forum  Romanum  verbrennen  Hess. 
Die  Darstellung  dieses  Forum  aber  beweist  wieder,  dass  man  hierbei  nicht  an  den 


1  Plin.  H.  N.  XV.  77.  2  Seneca  de  benef.  VI.  32.  Schol.  Cruq.  ad  Hör.  Sat.  I.  6,  120.  3  9  Henzen, 
Rilievi  di  marmo  scoperti  sul  foro  Romano.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1872.  p.  273—282.  *  Ausonius,  grat.  act. 
cons.  21.       5  chron.  pasch,  (p.  472  ed.  Bonn.) 


]  52!  Das  Forum  Romanum. 

ähnlichen  Wohlthätigkeitsact  Hadrians  denken  darf,  welcher  die  Rückstandsverzeich- 
nisse auf  dem  Forum  Traianum  verbrannte.^ 

Zwischen  der  Phokassäule  und  dem  Areal  des  Cäsartempels  in  der  Mitte  des 
Forums  fand  sich  der  Ueberrest  eines  oblongen  Staluenpiedestals ,  nach  seiner 
Gestalt  für  eine  Reiterstatue  geeignet,  welche  in  der  Längsrichtung  des  Forum  auf- 
gestellt war.  Dass  wir  hier  das  Reiterbild  Domitians  anzunehmen  haben,  erscheint 
nicht  genügend  belegbar.  Ein  anderes  kleineres  Piedestal  fand  sich  nördlich  davon 
am  Rande  der  Ausgrabung.  Bemerkenswerther  ist  die  Gloake,  welche  bis  zur  aus- 
gegrabenen Stelle  die  Richtung  vom  Carcer  vermuthen,  von  da  ab  aber  die  Rich- 
tung gegen  den  Vicus  Tuscus  deutlich  ersehen  lässt.  Jetzt  ist  der  verschüttet  ge- 
fundene Gloakentheil  wieder  in  Gebrauch  gesetzt,  nachdem  im  Mittelalter  eine 
andere  Leitung  fast  auf  die  Mitte  der  Basilica  lulia  zu  und  unter  dieser  weg  ange- 
legt worden  war.  An  der  Ostecke  der  Basilica  verbindet  sich  die  Leitung  mit  der 
schon  erwähnten  muthmasslich  die  juturnische  Quelle  abführenden,  und  gewinnt  von 
der  jetzt  offenen  Stelle  der  südöstlichen  Schmalseite  der  Basihca  an  etwas  grössere 
Dimensionen,  so  dass  man  hier  den  Anfang  der  Gloaca  maxima  anzunehmen  Grund  hat. 

Da,  wo  der  Glivus  und  der  zwischen  der  Basilica  lulia  und  dem  Saturn- 
tempel abzweigende  Vicus  lugarius  ^  sich  trennten,  fand  man  beim  Bau  der  Strassen- 
substruction  noch  die  Grundmauern  eines  antiken  Bogens ,  ^  den  man  mit  Recht 
für  den  Triumphbogen  hielt,  welcher  dem  Tiberius  in  Folge  der  Wiedererlangung 
der  durch  Varus  im  Teutoburger  Walde  verlorenen  Feldzeichen  im  J.  769  d.  St. 
(16  n.  Ghr.)  errichtet  wurde,  somit  eigentlich  dem  Germanicus  galt.  Er  wird  nem- 
lich  neben  dem  Saturntempel  befindlich  genannt,*  was  auch  vollkommen  der  mehr- 
fach erwähnten  Abbildung  dieser  Seite  des  Forum  vom  Constantinbogen, '"  wie  auch 
jener  der  eben  beschriebenen  traianischen  Brüstungsreliefs  entspricht. 


III.  Die  Kaiserfora. 

Die  Räumhchkeit  des  Forum  Romanum  musste  sich  längst  vor  der  Kaiser- 
zeit als  unzureichend  für  dessen  vielseitige  Zwecke  erwiesen  haben.  Allein  es  war 
durchaus  nicht  in  der  Art  der  Römer,  mit  localen  Aenderungen  und  namentlich 
mit  Versetzung  geweihter  Stätten  und  der  Säcularisation  des  hiezu  gehörigen 
Areals   es   leicht  zu  nehmen,  und  so  Hess  man  sich  die  Schranken  lange  gefallen, 


1  Spartian.  Vita  Hadriani  c.  7.  vgl.  S.  183.      »Fest.  s.  v.  ServilLus.     Liv.  XXXV.  21.  Senec.  de  prov.  3. 
3  Atti  della  Pontifizia  Accademia  Romana  di  Archeologia.    Tom.  VIII.  1838  p.  114.     *  Tacit.  Ann.  II.   41.    5  s.  99. 


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Gez.vf.Keber. 


Verlag  vT0.VV(m<j''1  iri  L.if/.ü 


Iith  Ar.?t  V.W  Loojjlot  ir,  BeiJuL. 


Tempel  des  Mars  Ultor. 


■•^: 


Die  Kaiserfora.  i  53 

SO  unbequem  sie  auch  dem  öffentlichen  Leben  sein  mussten.  Aber  auch  als  die  Un- 
bequemlichkeit unerträglich  zu  werden  schien ,  brachte  es  keiner  von  den  baulustigen 
Censoren  über  sich,  den  uns  am  zweckmässigsten  erscheinenden  Plan  zur  Annahme 
zu  empfehlen,  eine  der  beiden  Langseiten  nemlich  sammt  dem  anstossenden  Quartiere 
zu  demoliren  und  auf  diese  Weise  das  Areal  "des  Forum  zu  verdoppeln  oder  zu  ver- 
dreifachen. Man  traf  andere  Auskunftsmittel:  die  Geschäftsbuden  mit  Ausschluss  der 
Wechsleriocale  ^  wurden  allmälig  entfernt,  der  VictuaHenmarkt  wurde  vom  Forum  Ro- 
manum  auf  andere  entsprechende  Fora,  wie  Forum  Boarium,  Olitorium  und  Piscatorium 
verwiesen  und  das  Forum  Romanum  immer  mehr  den  politischen  und  Rechtsgeschäften 
ausschliessend  eingeräumt.  Für  die  letzteren  aber  erhoben  sich  besondere  Gebäude  an 
den  Seiten  des  Forum,  so  dass  auch  diese  nicht  mehr  wie  vorher  den  freien  Raum 
des  Forum  beengten,  nemlich  die  Basiliken.  Desshalb  konnte  Cicero ^  mit  Recht  die 
Anlage  solcher  Gebäude  eine  Erweiterung  des  Forum  nennen,  wenn  auch  der  Platz 
selbst  von  denselben  Dimensionen  bheb.  Die  erste  Basilica  erstand  im  J.  569  v.  Chr. 
durch  M.  Porcius  Cato,  und  als  die  Republik  unterging,  befanden  sich  bereits  fünf 
solche  Gerichtssäle  am  Forum,  die  Basilica  Porcia,  Aemilia  und  lulia  unmittelbar  am 
Forum  an  den  Stellen ,  welche  bereits  nachgewiesen  worden  sind ,  und  die  Sempronia 
und  Opimia  etwas  weiter  zurückstehend,  die  erstere  hinter  den  alten  Tabernen,^  an 
der  südwestlichen  Langseite  (vgl.  S.  126  Anm.  5),  welche  Angabe  allerdings  die  An- 
nahme zulässig  macht ,  dass  die  später  nicht  mehr  genannte  Sempronia  von  der  lulia 
verdrängt  worden  sei,  die  zweite  hinter  oder  oberhalb  der  (alten)  Gräcoslasis,*  mithin 
nahe  an  der  nordöstlichen  Langseite  (vgl.  S.  1 1 6). 

Obwohl  nun  in  dem  letzten  Jahrhundert  der  Republik  durch  diesen  Basiliken- 
bau am  Forum  Raum  geschaffen  wurde,  der  dem  freien  Platz  am  Forum  zusammen- 
genommen wenigstens  gleichkam,  so  schien  doch  zuletzt  auch  dieser  fiir  die  sich 
riesig  mehrenden  Rechtsgeschäfte  zu  beschränkt.  Die  Bürgerkriege  hatten  ja  allen 
rechtlichen  Besitz  in  Frage  gestellt,  und  nach  dem  Vertoben  derselben  war  selbst- 
verständhch  der  Strom  von  Beschwerden  und  Rückforderungen  unaufhaltsam.  Die  ersten 
Cäsaren  aber  waren  umsomehr  geneigt,  dem  Bedürfnisse  Rechnung  zu  tragen,  als 
sie  dadurch  Anlass  zu  glänzenden  Bauten  und  Denkmälern  ihrer  Herrschaft  erhielten 
und  es  zugleich  in  ihrem  Interesse  lag,  durch  neugeschaffene  Räume,  in  welchen 
sich  das  öffentliche  Leben  bewegen  sollte,  dasselbe  von  den  alten  Stätten  abzuziehen, 
an  welchen  die  Erinnerung  an  die  republikanische  Zeit  haftete  und  in  so  vielen  mo- 
numentalen Zeugen  aus  den  ruhmvollsten  Epochen  zu  der  Nachwelt  sprach. 


*  Liv.  XXVI.  H.       Non.   (Varro)  p.  532  Merc.         "  Cic.  ad  Att.  IV.  <6.         '  Liv.  XLIV.  16.         *  Varro 
L.  L.  V   32,  48.  p.  4  55.   (Speng.) 

F.  Reber,   die  Ruinen  Roms.  20 


^  54  Die  Kaiserfora. 

Beide  Motive  waren  bei  Cäsar  und  Augustus  am  stärksten,  als  sie  nordöstlich 
vom  Forum  Romanum  ihre  neuen  Fora  anlegten.  Ihre  Nachfolger  konnten  die  letzte 
Absicht  mehr  aus  dem  Auge  verheren ,  je  mehr  sich  die  Monarchie  durch  die  Zeit  be- 
festigte, und  das  Forum  des  Domitian  und  Nerva  wie  das  des  Vespasian,  wenn  man 
das  Forum  der  Pax  als  solches  betrachten  kann,  waren  vielmehr  Nachahmungen  der 
Schöpfungen  der  beiden  ersten  Cäsaren.  Charakteristisch  von  diesen  vier  Fora  ist,  dass 
ein  Tempel  den  Mittelpunkt  der  Anlage  bildete  und  entweder  frei  in  der  Mitte  stand, 
wie  beim  Forum  lulium  und  Pacis,  oder  sich  an  die  Umfriedungsmauer  anschloss, 
wie  beim  Forum  des  Augustus  und  des  Nerva.  Der  freie  Platz  war  daher  keineswegs 
geräumig  und  bildete  eigentlich  nur  einen  Tempelhof,  und  dieser  Raum  war  nicht  von 
besonderen  Gebäuden,  wie  diess  am  Forum  Romanum  der  Fall  war,  sondern  von 
einer  Umfriedungsmauer  umschlossen,  welche  nach  innen  durch  eine  Porticus  ver- 
kleidet war.  Die  Treppenspiegel  oder  selbst  die  Cella  des  Tempels  diente  als  Tribunal, 
Richtersitze  mochten  jedoch  auch  in  der  Porticus,  besonders  in  den  halbzirkeligen 
Ausbeugungen  derselben,  wie  wir  sie  noch  an  den  Ueberresten  des  Augustusforiim 
wahrnehmen,  angebracht  gewesen  sein. 

Dasjenige ,  was  Domitian ,  Nerva  und  Vespasian  nur  nachahmten ,  das  suchte 
Traian  auch  glänzend  zu  übertreffen,  jener  Kaiser,  der  auch  seine  Baulust  mit  dem 
Streben  nach  grossartiger  Pracht  zu  verbinden  wusste.  Das  von  ihm  geschaffene  Forum 
unterschied  sich  von  den  bisherigen  Kaiserfora  schon  durch  die  Art  seiner  Anlage. 
Es  sollte  nicht  mehr  bloss  das  Temenos  eines  Tempels  sein,  sondern  während  er  hin- 
sichtlich der  Umfriedung  namentlich  das  Augustusforum  einigermassen  als  Vorbild  be- 
nutzte ,  trat  er  wieder  dem  ursprimglichen  Originale  näher  und  besetzte  es  mit  öffent- 
lichen Gebäuden,  wie  diess  am  Forum  Romanum,  nicht  aber  bei  den  folgenden 
Kaiserfora  der  Fall  war.  Diese  überaus  glückhche  Verbindung  verlieh  dem  neuen  Forum 
eine  ungemeine  Pracht,  welche  durch  die  strenge  Regelmässigkeit  der  Anlage  so  ge- 
steigert wurde,  dass  man  wohl  behaupten  kann ,  kein  Platz  der  alten  wie  der  neuen 
Welt  sei  von  so  imposanter  Schönheit  gewesen. 

Trotz  all  diesem  Prachtaufwand  ging  jedoch  der  Hauptwunsch  der  Cäsaren,  das 
öffentliche  Leben  von  dem  alten  Forum  Romanum  nach  ihren  Forumanlagen  abzulenken, 
nicht  in  Erfüllung.  Man  hielt  fest  an  der  Stätte,  auf  welcher  die  Republik  gross 
gewachsen  war,  freilich  weniger  wegen  der  Reminiscenzen,  welche  sich  aus  der 
ruhmvollen  Vergangenheit  daran  knüpften,  als  in  Folge  der  eigenthümlichen  Zähigkeit, 
mit  welcher  die  Römer  an  allem  Althergebrachten,  namentlich  in  Localitäten,  hingen. 
Die  Kaiser  selbst,  die  nach  Traian  keinen  derartigen  Bau  mehr  unternahmen,  leiteten  den 
Strom  wieder  in  das  alte  Bett  zurück,  was  auch  in  ihrer  Zeit,  in  welcher  die  Monarchie 
unverwüstliche  Wurzeln  geschlagen  halte,  nichts  BedenkUches  mehr  an  sich  haben  konnte, 


Das  Forum  lulium.  j  55 

und  es  ist  sehr  bezeichnend  für  das  Ansehen,  welches  das  Forum  Romanum  in  der  Kaiser- 
zeit genoss,  dass  man  es  als  das  grosse  Forum  von  den  neuen  Kaiseranlagen  unter- 
schied, obwohl  das  Forum  des  Traian  sowohl  durch  die  Kolossalität  seiner  Baulichkeiten 
als  durch  den  Raum,  welchen  es  einnahm,  besonders  als  Hadrian  noch  den  grossen  Tempel 
seines  vergötterten  Vorgängers  sammt  einem  entsprechenden  Temenos  hinzufügte ,  das 
Areal  des  Forum  Romanum  bei  weitem  übertraf.  Man  naiyite  aber  das  Forum  Romanum 
das  grosse  in  dem  Sinne,  in  welchem  dem  Cicero  der  vergrösserte  tmd  prachtvolle 
Neubau  der  Curia  Hostiha,  welchen  Sulla  unternommen  hatte,  kleiner  erschienen  war 
als  das  alterthümliche  und  unansehnliche  hostilische  Gebäude,  obwohl  es,  wie  er  selbst 
sagt,  factisch  gerade  umgekehrt  der  Fall  war.''  Doch  wir  wollen  nun  die  Ueberreste  der 
Kaiserfora  im  Einzelnen  betrachten  und  ihre  Lage  und  Gestalt  zu  ermitteln  suchen. 

22.    Das  Forum  lulium. 

Es  ist  eine  für  den  Alterthumsfreund  keineswegs  erfreuliche  Sache,  nach  einer 
summarischen  Betrachtung  über  die  Einrichtung  und  Pracht  der  Kaiserfora  nun  darüber 
den  Bericht  zu  gäben  oder  zu  hören,  was  sich  von  dem  ersten  derselben,  der  Anlage  des 
grossen  C.  lulius  Cäsar,  erhalten  habe.  Bedeutende  Autoritäten  selbst  der  neueren  Zeit 
sind  der  Ansicht ,  dass  von  dem  ganzen  Bau  keine  Spur  mehr  übrig  sei ,  indem  die  einen 
die  ganze  Anlage  an  einen  anderen  Platz  verlegen ,  die  anderen  aber,  so  namenthch  die 
bedeutendste,  nemlich  Becker,  das  Areal  derselben  wesentlich  beschränken  und  die  frag- 
lichen Ueberreste  dem  topographischen  Gespenste  der  Basilica  argentaria  zuschreiben,^ 
von  welcher  das  Ungenügende,  was  uns  allein  zu  wissen  vergönnt  ist,  bereits  oben  (S.  1 20) 
besprochen  worden  ist.  Wenn  wir  jedoch  die  Sache,  ohne  uns  antiquarischen  Zwang 
anzuthun ,  betrachten ,  so  wird  sich  ergeben ,  dass  die  Ueberreste  noch  dem  Bereich  des 
Forum  luhum  angehören  mussten,  eine  Ansicht,  die  übrigens  den  neuesten  Forschern 
seit  Canina  gemein  ist. 

Tritt  man  nemlich  vom  Forum  Romanum  aus  zwischen  dem  Carcer  und  der 
Kirche  SS.  Martina  e  Luca  in  die  Via  di  Marforio  und  beugt  sogleich  zur  Rechten  in  die 
Via  del  Ghetarello,  so  findet  man  in  dem  schmalen  Hofraume  des  Hauses  No.  18  eine 
Mauer  in  einer  Länge  von  20  Schritten,  welche  aus  drei  Bogen  besteht,  die  durch  eine 
andere  Bogensprengung  ausgefüllt  sind,  wie  es  scheint  um  möglichst  zu  entlasten. 
Die  Mauer  besteht  aus  gewaltigen  Blöcken  von  Peperin,  doch  die  Imposten  sind  aus 
Travertin.  Die  Fügung  ist  tadellos  und  ohne  Bindemittel.  Die  Höhe  beträgt  an  einer 
Stelle    12,    die   Spannung   eines  Bogens   aber   3, 70  Meter.    In   den   schmutzigen   und 


'  Cic.  de  firi.  V.  1.         *  Handb.  d.  röm.  Alterth.   Bd.  1.  p.  366  sq.  413  sq. 

«0* 


j  56  Die  Kaiserfora. 

finsteren  Räumen  zu  beiden  Seiten  des  ebenfalls  nicht  gerade  freundlichen  Hofes  be- 
finden sich  noch  andere  weniger  bedeutende  Reste  paralleler  Mauern. 

Schon  die  Notiz,  dass  der  alte  Lotos  auf  dem  Vulcanal  (neben  der  Curia), 
welcher  mit  Rom  selbst  gleichen  Alters  gewesen  sein  soll,  seine  Wurzeln  bis  zum 
Forum  des  Cäsar  schlug,  wo  sie  wieder  zu  Tage  traten, ^  beweist,  dass  wir  das 
Forum  lulium  an  die  Gebäude  der  nordöstlichen  Langseite  angränzend  annehmen 
müssen.  Dasselbe  ist  aus  der  Angabe  des  Regionars ^  zu  entnehmen,  welcher  in 
seiner  Gränzbestimmung  der  VIII.  Region  die  Fora  in  folgender  Reihenfolge  aufführt : 
Forum  Romanum,  Atrium  Minervae  (Theil  des  Forum  Transitorium ,  vgl.  S.  124),  Forum 
Caesaris,  Augusti,  Nervae  Traiani.  Es  wird  nun  ferner  berichtet,  dass  der  Tempel, 
dessen  Temenos  das  Forum  bildete,  pyknostylos  gewesen  sei,  d.  h.  dass  die  Säulen 
nur  14^  Durchmesser  weit  von  einander  entfernt  waren.^  Diese  Angabe  gibt  uns  nun 
im  Zusammenhalt  mit  einem  interessanten  Funde  die  erwünschteste  Bestätigung  für 
die  muthmassliche  Lage  und  sogar  noch  eine  genauere  Bezeichnung  der  Stelle  selbst. 
In  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  nemlich  wurde  bei  Gelegenheit  eines  Häuserbaues 
der  Unterbau  eines  Tempels  mit  Intercolumnien  von  \^%  des  Säulendurchmessers  [la 
undecima  parte  del  diametro  delle  colonne  meno  di  un  diametro  e  mezzo)  gefunden,  und 
zwar  an  der  Stelle,  welche  unser  Gewährsmann  Palladio*  ziemlich  genau  »dem  Tempel 
des  Mars  Ultor  gegenüber  im  sogenannten  Pantano  und  hinter  dem  Marforio«  bezeichnet. 
Diese  Bezeichnung  kann  auf  keine  andere  Stelle  bezogen  werden,  als  hauptsächlich 
auf  das  Häuserviereck  hinter  SS.  Martina  e  Luca  nordwestlich  von  der  Via  Bonella. 
Palladio  vermuthet  nun  allerdings ,  der  Tempel  sei  dem  Neptun  geweiht  gewesen ,  nach 
der  Ornamentik ,  die  er  auf  einzelnen  Gebälkstücken  sah ;  allein  abgesehen  davon ,  dass 
diese  Verzierungen  noch  zu  keiner  Entscheidung  über  die  Angehörigkeit  des  Tempels 
berechtigen,  finden  wir  auch  einen  Neptuntempel,  der  doch  nach  den  von  Palladio 
angegebenen  Dimensionen  sehr  bedeutend  sein  musste,  hier  nicht  erwähnt.  Hier 
schlössen  sich  vielmehr  die  Kaiserfora  unmittelbar  an  die  Gebäude  des  Forum  Ro- 
manum an,  wie  wir  namentlich  aus  den  Resten  des  Augustus-  und  des  Nervaforum 
ersehen,  und  von  diesen  musste  das  Forum  lulium  dem  Romanum  am  nächsten  ge- 
wesen sein,  wie  diess  die  Notiz  von  dem  Lotos  beweiset.  Und  wenn  schon  die  Lage 
der  erwähnten  Tempelüberreste  zunächst  an  das  vom  iulischen  Forum  eingeschlossene 
Heiligthum  denken  lässt,  so  wird  die  Identität  derselben  dadurch  zur  vollen  Gewiss- 
heit, dass  sowohl  die  Ruine  als  auch  nach  ausdrücklicher  Erwähnung^  der  Tempel 
des  Forum  lulium  pyknostyl  waren,  eine  Säulenstellung,  welche  namentlich  bei  der 
ionischen  und  korinthischen  Ordnung  sehr  selten  in  Anwendung  kam. 


*  Plin.  H.  N.  XVI.  44,  86,  236.         «  Curios.  Urb.  Romae  Reg.  VIII.         »  Vitruv.  XIII.  2.         *  I  Quattro 
Libri  dell' Architettura.  Yen.  1370.  1.  IV.  c.  31.  p.  <28  sq.         "  Vitruv.  III.  3,  2. 


Das  Forum  luli um.  157 

Beschreibt  man  nun  um  die  Stelle,  welche  demnach  der  Tempel  des  Forum 
lulium  einnahm,  einen  massigen  Tempelhof,  so  muss  der  beschriebene  Ueberrest  in 
der  Via  del  Ghetarello  mit  der  Umfriedung  desselben  zusammenfallen.  Wenn  aber  auch 
die  Linien  dieser  Ueberreste  in  ihrer  Richtung  den  Linien  der  übrigen  Kaiserfora,  von 
welchen  wir  noch  ansehnlichere  Reste  haben,  entsprechen,  woraus  auf  die  Regel- 
mässigkeit der  Anlage  geschlossen  werden  darf,  so  ist  es  doch  unmöglich,  aus  den 
ganz  schmucklosen  Mauern  die  Architektur  der  Umfriedung  nachzuweisen. 

Als  Cäsar  den  Plan  fasste,  als  neue  Gerichtsstätte  ein  neues  Forum  anzulegen,^ 
mochte  er  wohl  noch  nicht  daran  gedacht  haben,  dieses  selbst  zum  grossen  Theile 
mit  einem  in  die  Mitte  gestellten  Tempel  auszufüllen ,  denn  als  er  einige  Jahre  darauf 
in  der  Schlacht  bei  Pharsalus  seiner  Stammgottheit,  der  Venus  Genetrix,  ein  Heilig- 
thum  gelobte  und  diess  in  seinem  neuen  noch  unvollendeten  Forum  in  einer  dem 
grossen  Siege  entsprechenden  Grösse  und  Pracht  ausführte, ^  da  musste  der  übrigblei- 
bende Raum ,  als  zu  eng  in  Rücksicht  auf  seinen  Zweck ,  hinter  der  Absicht  des  Er- 
bauers zurückbleiben.  Insofern  aber  Cäsar  nicht  geringeren  Werth  darauf  legte,  den 
Römern  in  dem  Denkmale  seines  verhängnissvollen  Sieges  ein  ebenso  grossartiges  als 
prachtvolles  Bauwerk  hinzustellen,  erreichte  er  seine  Absicht  damit  vollkommen.  Ob- 
wohl mit  dem  Baue  möghchst  geeilt  wurde,  um  die  Einweihung  mit  dem  Triumphe 
im  J.  708.  d.  St.  (46  v.  Chr.)  in  Verbindung  bringen  zu  können,  welche  Ceremonie  je- 
doch noch  vor  der  Vollendung  vorgenommen  ward,  wurde  doch  das  Ganze  von  ausser- 
ordentlicher Schönheit.  Für  das  Götterbild  fertigte  der  berühmte  Arkesilaos  das  Thon- 
niodell,  welches  selbst  bei  der  übereilten  Einweihung  im  Tempel  aufgestellt  worden 
war.3  Die  Wände  waren  mit  Meisterwerken  der  Malerei  geschmückt,  von  welchen  die 
Medea  und  der  Aiax  des  Timomachos,  welche  Cäsar  um  80  Talente  gekauft  hatte,  be- 
sonders erwähnt  werden.*  Ausserdem  werden  noch  als  besondere  Kostbarkeiten  dieses 
Tempels  der  von  Cäsar  geweihte  Panzer  aus  britannischen  Perlen,  welche  weniger 
an  sich,  denn  sie  waren  klein  und  trübe,  als  vielmehr  durch  ihre  Herkunft  Aufsehen 
machten,^  und  sechs  Gemmensammlungen,  mit  welchen  ebenfalls  Cäsar  den  Tempel 
schmückte,^  genannt.  Vor  dem  Tempel  stand  das  Reiterbild  Cäsars,  welches,  wie  wir 
auf  die  Autorität  eines  Plinius  '^  und  Suetonius  ^  dem  Statius  ^  gegenüber  glauben  müssen, 
in  einer  für  griechischen  Geschmack  eben  nicht  erwünschten  Weise  das  monströse 
Lieblingspferd  des  Dictators  zeigte,  dessen  Hufe  eine  Art  von  Zehen  und  desshalb 
Aehnlichkeit  mit  menschlichen  Füssen  gehabt  haben  sollen.  Das  Temenos  scheint  über- 
diess  mit  Wasserwerken ,  wohl  Springbrunnen ,  geschmückt  gewesen  zu  sein ,  welche 


*  Sueton.  Caes.  26.       Plin.  H.  N.  XXXVI.  i5,  24,   103.  *  Appian.  B.  c.  II.   102.  '  Plin.  H.  N. 

XXXV.   12,  45,  156.         *  id.  VII.  39,  39,  126.    cf.   XXXV.   4,   9,   26.         *  id.  IX.   35,   57,   116.  «  id.   XXXVII. 

1,  5,  11.         Md.  VIII.  42,  64,  155.         ^  Sueton.  Caes.  61.         ^  Stat.  Siiv.  I.  1.  v.  86  sq. 


z]  58  r^'ß  Kaiserfora. 

jedoch  nicht,  wie  aus  den  unklaren  Stellen  eines  hier  gewiss  ungenauen  Dichters^ 
zu  entnehmen  ist,  von  der  Leitung  der  Aqua  Appia  aus  gespeist  werden  konnten,  da 
diese  viel  tiefer  lag.  Es  ist  wohl  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Delphine  und  Drei- 
zacke zeigenden  Ornamente,  welche  Palladio  zu  der  Annahme  eines  Neptuntempels 
veranlassten ,  vielmehr  zum  architektonischen  Schmucke  dieser  Wasserwerke ,  als  des 
Tempels  gehörten. 

Von  den  Schicksalen  der  Anlage  ist  nur  bekannt,  dass  der  schon  mehrmals 
erwähnte  grosse  Brand  unter  Carinus  auch  sie  theilweise  zerstörte  und  dass  Diocietian 
sie  wieder  herstellte.^  Erwähnt  wird  sie  noch  in  der  Mitte  des  1 2.  Jahrhunderts.^ 
Die  Nachricht  aber,  dass  man  auf  dem  Wege  von  S.  Peter  nach  dem  Lateran  am  Se- 
verusbogen  angelangt  und  zwischen  dem  Concordientempel  und  dem  Tempi  um  fatale  ? 
nordösthch  abbeugend  zwischen  die  Fora  des  Cäsar  und  des  Traian  und  dann  auf  das 
Nervaforum  gekommen  sei,  gibt  wieder  eine  weitere  Bestätigung  für  die  angenommene 
Lage.  In  welchem  Grade  von  Erhaltung  sich  die  Anlage  jedoch  damals  befunden  habe, 
lässt  sich  aus  der  Notiz  nicht  entnehmen.  Weiterhin  verliert  sich  alle  Kunde,  wie  auch 
fast  jede  Spur  davon  in  den  folgenden  Jahrhunderten  vertilgt  wurde. 


23.     Das  Forum  des  Augustus.     Der  Tempel  des  Mars  Ultor. 

Beugt  man  von  der  Yia  del  Ghetarello  rechts  in  die  Via  Cremona,  so  gelangt 
man  durch  diese  in  die  lange  und  geradlinige  Via  Bonella ,  welche  an  ihrem  dem  Forum 
entgegengesetzten  Ende  durch  einen  gewaltigen  antiken  Durchgangsbogen  einen  zwar 
unregelmässigen  aber  imposanten  Abschluss  erhält.  An  diesem  Bogen  sind  wir  bereits 
bei  den  Ueberresten  eines  zweiten  Kaiserforum  angelangt.  Zur  Linken  von  dem  Bogen 
erheben  sich  die  Reste  eines  kolossalen  Tempels,  welche  in  drei  riesigen  Säulen  und 
einem  Pilaster  mit  dem  sie  verbindenden  Architrav  und  dem  entsprechenden  Theile 
der  Cellawand  bestehen.  Die  Säulen  sind  von  weissem,  wie  behauptet  wird,  car- 
rarischerp  oder  nach  dem  antiken  Namen  lunensischem  Marmor,  caneUirt  und  ko- 
rinthischer Ordnung.  Die  Base  mit  Platte  misst  0,93,  der  Schaft  1o,3o,  das  Capital 
1,93  Met.  in  der  Höhe;  der  Säulendurchmesser  beträgt  unten  1,76,  oben  1,52  Meter. 
Das  Capital  ist  ein  Muster  für  korinthischen  Styl  an  Zeichnung  und  Arbeit  und  lässt 
darüber  keinen  Zweifel  übrig,  dass  die  Ruine  aus  der  besten  Zeit  römischer  Baukunst 
stammt,    aus    der  Epoche,  in  welcher  man    sich   am  engsten   an  die  griechische  Ar- 


'  Ovid.  Art.  I.  v.  79  sq.    III.  v.  451  sq.         *  Catal.  imp.  Vienn.    (Roncalli,  Vetustiora  Lat.  Script.  Chronica. 
Tom.  il.  p.  247).         ^  Ordo  Romanus  (1143.  Mabillon  Mus.  Ital.  Par.  1689.  Tom.  II.  p.  143.) 


Das  Forum  des  Auguslus.     Der  Tempel  des  Mars  ültor.  ]  59 

chitektur  anschloss.  Der  Architrav  ist  in  schmalen,  fein  und  geschmackvoll  gearbeiteten 
Ornamentleisten  verziert,  von  besonderem  Reichthum  aber  ist  die  Verzierung  der  Marmor- 
decke der  Halle  zwischen  den  Säulen  und  der  Cellawand,  welche  Rosetten  in  qua- 
dratischen Cassettonen  zeigt.  Die  letzteren  sind  dreifach  vertieft  und  jede  Vertiefung 
ist  mit  einem  Ornamentstabe  umsäumt,  der  oblonge  Zwischenraum  zwischen  den 
Cassetonen  aber  mit  einem  Doppelmäandersaum  fast  ausgefüllt.  Auch  von  der  Cella- 
wand hat  sich  die  Marmorbekleidung  noch  erhalten. 

Die  beschriebene  Tempelruine  gehörte  zur  linken  Langseite  des  Gebäudes, 
welches,  wie  eben  diese  Ueberreste  zeigen,  keine  freie  Rückseite  hatte.  Denn  diese 
lehnte  sich  an  eine  gewaltige  Mauer,  von  welcher  uns  ebenfalls  noch  ein  beträchtlicher 
Theil  erhalten  ist.  Der  erwähnte  Bogen  aus  grossen  Tiburtinblöcken ,  welcher  jetzt 
Arco  de'  Pantani  genannt  wird  und  von  der  Via  Bonelli  in  die  Via  di  Tor  de'  Conti 
führt,  gehört  dieser  Mauer  an  und  bildete  schon  im  Alterthume  einen  Eingang  in  den 
von  der  Mauer  umschlossenen  Raum.  Die  jetzige  Gestalt  des  Rogens  lässt  uns  freihch 
kaum  mehr  ahnen ,  wie  er  mit  dem  prachtvollen  Tempel ,  dessen  Reste  wir  eben  be- 
trachtet haben,  in  architektonischer  Harmonie  stehen  konnte,  denn  etwas  Derberes 
und  Schwereres  lässt  sich  kaum  in  der  ganzen  Ruinenwelt  finden.  Allein  es  ist  zu 
bedenken ,  dass  der  Bogen  nicht  so  drückend  erschiene ,  wenn  hier  die  Verschüttung 
des  antiken  Bodens  nicht  so  bedeutend  wäre  und  fast  die  untere  Hälfte  des  Durch- 
gangs bedeckte,  ferner  dass  er  ohne  Zweifel  ursprünglich  mit  Marmor  bekleidet  war 
und  dadurch  entsprechenden  architektonischen  Schmuck  erhielt.  Wir  haben  also  nur 
den  entblössten  Kern  des  Bogens  vor  uns,  der  überdiess  dadurch  noch  unförmhcher 
gemacht  wurde,  dass  man  im  Mittelalter  Thore  an  demselben  anbrachte  und  um 
dieser  willen  oben  einen  Theil  in  eine  rechtwinkelige  Form  meisselte.  Durchschreitet 
man  nun  diesen  Bogen,  so  kann  man  die  Via  di  Tor  de'  Conti  entlang  zu  beiden 
Seiten  des  Durchgangs  die  gewaltige  Umfriedungsmauer,  an  welche  innen  der  be- 
schriebene Tempel  sich  anlehnte,  verfolgen.  Sie  besteht  aus  grossen  oblongen  Gabin- 
blöcken,  die  1,73  — 1,77  Met.  lang,  0,45  Met.  hoch,  ebenso  breit,  und  wie  beim  Ta- 
bularium  so  übereinander  gelegt  sind,  dass  regelmässig  abwechselnd  eine  Lage  die 
Lang-,  die  andere  aber  die  Stirnseite  nach  aussen  kehrt.  Die  Blöcke  sind  abgekantet, 
(1.  h.  ihre  Kanten  stumpfwinkelig  abgemeisselt,  wodurch  sich  deutlich  jeder  Stein  von 
dem  anderen  absondert  und  das  Monotone  einer  so  hohen  Mauer  auf  eine  günstige 
Art  gehoben  ist.  Zu  demselben  Zwecke  wurde  auch  die  Mauer  an  ihren  niedrigeren 
Stellen  in  zwei,  an  den  höheren  in  drei  Stockwerke  geschieden,  was  nach  aussen 
und  nach  innen  durch  einfach  vorspringende  Steinlagen  angezeigt  ist,  welche,  wie  die 
Blöcke  des  beschriebenen  Bogens ,  aus  Tiburtin  bestehen.  Die  Verbindung  der  Blöcke 
ist  ohne  Verkittung ,  aber  mit  einer  Art  hölzerner  Klammern  von  der  Form  doppelter 


I\QQ  Die  Kaiserfo  ra. 

Schwalbenschwänze  hergestellt,  welche  die  Zeit  förmlich  versteinert  hat  und  die  schon 
vor  Jahrhunderten  bemerkt.'  und  auch  vor  etlichen  Jahrzehnten  wieder  gesehen  worden 
sind.^  Die  Mauer  selbst  zeigt,  wie  aus  dem  Plane  ersichtlich  ist,  einen  unregelmässigen, 
durch  nicht  zu  beseitigende  Hindernisse  bedingten  Gang.  Nahe  daran  erhebt  sich  der 
quirinalis(5he  Hügel,  an  dessen  Fusse  sich,  wie  noch  heut  zu  Tage  die  Via  di  Tor  de'  Conti, 
eine  Strasse  hinzog.  Diese  Strasse,  welche  in  Rücksicht  auf  die  rechtwinklig  sich  schnei- 
denden Linien  der  Kaiserfora  einen  schrägen  Lauf  hatte  und  durch  die  Gestalt  des  quiri- 
nalischen  Hügels  haben  musste,  that  der  Regelmässigkeit  der  Anlage  einigen  Eintrag. 
Doch  nach  Innen  wurden  die  Unbequemlichkeiten,  welche  dieses  locaJe  Missverhältniss 
und  auch,  wie  besonders  erwähnt  wird,^  die  Hartnäckigkeit  der  Hausbesitzer  dieser 
Gegend  dem  kaiserlichen  Erbauer  in  den  Weg  legte,  durch  symmetrische  Doppelmauern 
ausgeglichen.  Da,  wo  der  Tempel  sich  anlehnte,  an  der  Nordostseite,  war  die  Mauer 
vom  antiken  Boden  an  37  Met.  hoch,  im  Uebrigen  6  Met.  niedriger.  Diese  beiden 
ursprüngHchen  Höhen  sind  noch  nahe  am  Ausgange  der  Yia  Bonella  erhalten,  sonst  ist 
die  gegenwärtige  Höhe  je  nach  dem  Grade  der  Zerstörung  wechselnd.  Der  Th eil  der 
Umfriedung,  welcher  die  gegen  das  Forum  Romanum  gewendete  Seite  des  Tempelteme- 
nos  abschloss,  ist  gänzhch  verschwunden ;  an  den  beiden  Seiten  des  Tempels  sind  noch 
ansehnhche  Reste  der  halbkreisförmigen  Ausweitungen  übrig,  am  vollständigsten  jedoch 
ist  die  nordöstliche  Seite,  an  welche  sich  der  Tempel  anlehnte,  mit  ihren  Unregelmässig- 
keiten erhalten,  und  noch  jetzt  wird  die  Via  di  Tor  de'  Conti  von  derselben  an  einer  Seite 
in  einer  Länge  von  95  Met.  begränzt.  Von  mehren  kleineren  Eingängen,  deren  Bogen- 
spuren  in  der  Mauer  noch  sichtbar  sind,  ist  jedoch  nur  mehr  der  beschriebene  schräg- 
geschnittene über  der  Via  Bonella  geöffnet. 

Diese  kolossale  Mauer  ward  mit  Recht  für  die  Umfriedungsmauer  eines  Kaiser- 
forum und  zwar,  nachdem  lange  Zeit  die  verschiedensten  Irrthümer  über  dessen  Namen 
obwalteten  und  so  der  Tempel  besonders  für  den  Palast  des  Nerva/'  dann  als  Tempel 
des  Nerva  oder  Traian,^  oder  als  eine  Basilica^  galt,  endlich  richtig  als  Umfassungsmauer 
vom  Forum  des  Augustus  und  die  Säulenruine  als  der  in  diesem  Forum  eingeschlossene 
Tempel  des  Mars  Ultor  erkannt,''  was  schon  von  Palladio,  jedoch  ohne  Erfolg,  behauptet 
wurde, ^  jetzt  aber  allgemein  angenommen  ist.    Der.  Regionär  setzt  auch  das  Forum  des 


*  Flaminio  Vacca ,    Memorie.    No.  89.     (C.  Fea,    Miscellanea  fllolog.  critica  e  antiq.    Roma  1790.    p.  XCI.) 

*  Saponieri  bei  Stef.  Piale,  del  tempio  di  Marte  Ultore  &c.   (Atti  dell'  Acad.  Romana  d'Archeologia.  Tom.  I.  p.  77.) 

*  Sueton.  Aug.  56.  *  Fr.  Albertinus,  de  Miiabilibus  nove  et  veteris  Urbis  Rome.  Rom.  ISIS.  fol.  31.  Pan- 
ciroli,  Tesori  nascosti  dell'  alma  cittä  di  Roma.  Rom.  1600.  p.  238.  L.  Fauno,  delle  antichitä  della  cittä  di 
Roma.  Ven.  1548.  Lib.  II.  c.  23.  fol.  71.  B.  Marliani,  Urb.  Romae  topographia  III.  c.  9.  (Graev.  Thes.  Anl. 
Rom.  Tom.  III.  p.  113.)  "  Donatus,  De  Urbe  Roma  II.  c.  23.  (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  Tom.  III.  p.  636.)  bis 
Nibby  Roma  n.  a".  1838.)  Tom.  II.  p.  238.)  ®  Nardini,  Roma  vetus,  lib.  III.  c.  14.  (Graev.  Thes.  Ant.  Rom. 
Tom.  IV.  p.  1049  sq.)         '  Piale.  Vergl.  Anm.  2.         ®  I  Quattro  libri  di  Architettura  IV.  p.  15. 


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Das  Koniin  dtjs  Augusliis.    Der  Tempel  ihjs  Mars  Ultor.  161 

Augustus  neben  das  des  Cäsar  in  die  achte  Region, '  und  so  lasst,  obwohl  über  die 
Oertlichkeit  dieses  Forum  in  classischen  Nachrichten  sich  nichts  findet,  doch  die 
Lage,  Gestalt  und  namentlich  der  Styl  der  Ruine  über  die  Richtigkeit  der  allgemeinen 
Annahme  keinen  Zweifel  übrig.  Wie  daher  der  »Palast  des  Nerva«  ein  Jahrhundert 
lang  in  der  römischen  Topographie  diese  Stelle  behaupten,  und  wie  selbst  der 
sonst  gelehrte  Nardini  (a.  a.  0.),  die  Tempelruine  mit  jener  verwechseln  konnte, 
welche  ein  halbes  Jahrhundert  vor  seiner  Zeit  (vor  wenigen  Jahren,  wie  er  selbst 
sagt  und  überdies  mit  Rücksicht  auf  den  Umstand,  dass  eine  Tempellangseite  für 
eine  Inschrift  kein  geeigneter  -Raum  sei,  hinzufügend,  dass  jenes  Gebäude  nichts 
anderes  als  eine  Basilica  gewesen  sein  könne),  noch  die  Dedication  des  Nerva 
getragen  habe,  ist  schwer  verstandlich.  Wir  werden  sehen,  dass  jene  Inschrift 
des  Nerva  nichts  mit  unserem  Tempel  zu  tlum  haben  konnte,  vielmehr  einem  ganz 
anderen  Tempel  und  Forum  angehörte. 

Der  Tempel  des  Mars  Ultor  verdankte  sein  Entstehen  einem  Gelübde,  welches 
Augustus  vor  der  Schlacht  bei  Philippi  machte,  als  er  den  Mord  seines  Adoptiv- 
vaters an  Biutus  und  Cassius  rächte  und  dadurch  selbst  in  die  Fusstapfen  seines 
Vaters  trat.  Es  war  der  gleiche  Fall  wie  damals,  als  Cäsar  den  Tempel  der  Venus 
Genitrix  gelobte,  und  konnte  deshalb  leicht  auf  weitere  gleiche  Gedanken  bringen. 
Der  Tempelbezirk  konnte  ebenfalls  leicht  zum  Forum  erweitert  werden  und  dieser 
Entschluss  musste  um  so  erwünschter  und  dankenswerther  erscheinen,  als  das  seit 
dem  Bau  des  Venustempels  zu  beschränkte  Forum  lulium  dem  Bedürfnisse  nicht  in 
der  ursprünglich  beabsichtigten  Weise  genügen  konnte.  Da  es  somit  für  ein  glän- 
zendes Denkmal  seiner  Herrschaft  auch  nicht  an  Zweck  fehlte,  so  beschloss  der 
Imperator,  vor  diesem  Tempel  nach  Art  des  iulischen  auch  ein  neues  Forum  anzu- 
legen, welches  aber  jenes  in  jeder  Hinsicht  überträfe.  Als  er  nun  die  für  das 
Areal  desselben  nöthigen  Privatgrundstücke  zusammenkaufte,^  hinderte  ihn  sein 
volksthümlich  wohlwollender  Sinn  oder  seine  Staatsklugheit,  auch  da,  wo  er  Wider- 
stand fand,  gegen  den  Willen  der  Hausbesitzer  zu  expropriiren,  wodurch  das  Forum 
weder  die  gewünschte  räumliche  Ausdehnung,  noch  eine  auch  äusserlich  regel- 
mässige Form  erhalten  konnte.^  Der  Tempel  ward  i.  J.  d.  St.  752  (2  v.  Chr.),  als 
Gallus  Gaminius  mit  Augustus  (Konsul  war,  geweiht,''  nachdem  bereits  vorher  das 
Forum  dem  Geschäfts\  erkehr  übergeben  worden  war,^  und  fesselte  durch  seine 
Pracht  und  Grösse  die  Augen  des  römischen  Volkes."  Dass  Augustus  über  die  lange 
Dauer  dieses  Baues  sehr  ungeduldig  war,  geht  aus  einer  witzigen  Aeusserung  des- 
selben hervor;    als  nemlich  viele  von   einem  gewissen  Severus  Cassius  Angeklagte 

'  Curios.   Urb.  Romae.    Rc}.'.  VIII.       ^  Monum.  Anc>ran.   (Chisluill,  Antiquit.  Asiat.  Lond.  1728.  p.  174.) 
3  Sueton.  Aug.  56.      *  Vellci.   Pat.  II.  100,  2.      5  Sueton.  Aug.  29.      «  Velloi.  1.  c.  Plin.  XXXVI.  15,  24,  102. 
F.  ItEnEii,  Uom.  21 


/|  52^  ,  Die  Kaiserfora. 

losgesprochen  [absoluti)  worden  waren,  soll  Augustus  ausgerufen  haben:  »Möchte  doch 
Cassius  auch  mein  Forum  anklagen ! » ^  Im  Volksmuride  scheint  frühzeitig,  wie  dies 
das  räumhche  Verhältniss  des  Tempels  zum  freien  Platze  leicht  erklärt,  die  Bezeich- 
nung forum  Marlis  für  die  ursprüngliche  substituirt  worden  zu  sein,  welche  sich 
auch  in  die  christliche  Zeit  hinein  erhielt.' 

Was  die  Ausschmückung  dieses  Forum  betrifft,  so  wissen  wir,  dass  Augustus 
in  den  Säulenhallen,  welche  zu  beiden  Seiten  innen  die  Umfriedungsmauer  ver- 
kleideten, die  Standbildei*  derjenigen  römischen  Feldherrn,  die  zur  Vergrösserung 
des  Reiches  beigetragen  hatten,  errichtete. ^  Diese  Statuen  waren  im  Triuraphalge- 
wande  dargestellt,  und  ihre  Piedestale  mit  ausführlichen  Inschriften  versehen,  deren 
als  gewissermassen  authentischer  Quelle  mehrfach  Erwähnung  geschieht.  Von  den 
sonstigen  zahlreichen  Kunstwerken  in  und  um  den  Tempel  werden  nur  einige 
Curiositäten  gelegentlich  erwähnt,  so  ein  Apollo  von  Elfenbein,^  merkwürdige  Becher 
aus  Eisen,"  zwei  Statuen  angeblich  aus  Alexanders  des  Grossen  Zeit,"  und  besonders 
zwei  Gemälde  des  Apelles,  Alexander  auf  dem  Triumphwagen  mit  dem  gefesselten 
Kriegsdämon  und  Alexander  mit  den  Dioskuren  und  der  Victoria  darstellend,  an 
welchen  Claudius  später  die  blödsinnige  Aenderung  vornahm,  dass  er  das  Gesicht 
des  Alexander  herausnehmen  und  das  des  Augustus  an  dessen  Stelle  setzen  Hess. "' 
Unter  des  Augustus  Nachfolger  Tiberius  wurden  die  Räume  an  den  beiden  Seiten 
des  Tempels,  also  da  wo  sich  das  Forum  in  die  beiden  Hemicyclen  ausweitete, 
noch  durch  zwei  Ehrenbogen  mit  den  Bildnissen  der  Cäsaren, ^  (Drusus  und  Ger- 
manicus)  geschmückt. 

In  dem  Tempel  des  Mars  Ultor  erhielten  die  kaiserlichen  Prinzen  die  Toga 
virilis  und  von  ihm  aus  zogen  die  Statthalter  in  feierlichem  Auszuge  in  die  Provinzen. 
Der  Tempel  war  auch  zu  den  Senatssitzungen  bestimmt,  in  welchen  über  die  Ver- 
theilung  von  Triumphen  oder  Triumphinsignien  verhandelt  ward,  und  hier  sollten 
auch  die  von  den  Feinden  erbeuteten  Feldzeichen  niedergelegt  werden.'*  Das  Forum 
selbst  hatte  gesonderte  Räume  für  verschiedene  Rechtsgeschäfte,  so  für  die  causae 
publicae  und  sortitiones  indicumJ^  Dass  auch  die  Kaiser  dort  Recht  sprachen,  wird 
wenigstens  von  Traian  ausdrücklich  erwähnt. ' '  Doch  musste  die  Anlage  des  Traian- 
forum  das  Ansehen  dieses  wesentlich  beeinträchtigten,  und  wir  hören  mit  Ausnahme 
einer  Restauration,  die  Hadrian  vornahm,  ^^  nichts  mehr  davon.  Obgleich  die  ge- 
waltigen Mauern  den  grossen  Bränden,  welche  gerade  diese  Gegend  in  der  Kaiser- 

*  Macrob.  Sat.  II.  4.  2  Jahn,  Berichte  der  Sachs.  Ges.  d.W.  4  851,  S.  331.  Acta  Sanetorum  iO.  Juli 
vgl.  Jordan,  Topographie  II,  S.  213.  3  sueton.  Aug.  31.  ^  pijn  h.  N.  VII.  53,  54,  183.  »id.  XXXIV.  14, 
40,  141.  6  id.  XXXIV.  8,  18,  18.  7  id.  XXXV.  4,  10,  27.  10.  36,  93  u.  94.  Vgl.  H.  Brunn,  Geschichte 
der  griech.  Künstler.  Stuttg.  1859.  Bd.  II.  p.  209  f.  8  Tacit.  Ann.  II.  64.  ^  Bio  Cass.  LV.  10.  1»  Sueton. 
Aug.  29.       11  Dio  Cass.  LXVIII.  10.       12  Script.  Hist.  Aug.  (Spartian.)  Hadr.  19. 


Das  Forum  des  Nerva.  Die  Porlicus  der  Minerva  (Le  Colonnacce).  1f)3 

zeit  zu  wiederholten  Malen  heimsuchten,  wie  auch  zum  grossen  Theile  fast  zwei 
Jahrtausenden  zu  widerstehen  vermochten,  so  konnten  sie  doch  nicht  verhindern, 
dass  schon  zu  Ende  des  fünften  oder  zu  Anfang  des  sechsten  Jahrhunderts  inner- 
halb derselben  ein  ganz  anderer  Bau  sich  erhob,  nemlich  die  Kirche  des  h.  Basilius, 
welche  Papst  Symmachus  I.  in  den  Ruinen  des  Marstempels  selbst  und  wohl  auch 
aus  dem  Material  desselben  erbaute.^  Die  diei  Säulen  —  von  den  Schicksalen  der 
übrigen  ist  nirgends  die  Rede  —  mussten  bald  dazu  dienen,  den  Glockenthurm 
des  später  angefügten  Klosters  zu  tragen.^  Kloster  und  Kirche  haben  jetzt  den 
Namen  delF  Annunziata.  Im  Jahre  1820  wurden  die  Säulen  ganz  ausgegraben, 
die  ehrwürdige  Ruine  von  ihrer  mittelalterUchen  Last  befreit  und  durch  Mauer  und 
Eisengitter  vor  weiterer  Beschädigung  geschützt. 

24.  Das  Forum  des  Nerva,  Die  Porticus  der  Minerva  (Le  Colonnacce). 

Kehrt  man  von  den  beschriebenen  drei  Säulen  des  Marstempels  die  Via  Bonella 
eine  kleine  Strecke  weit  zurück  und  wendet  sich  dann  zur  Linken  in  die  Via  Alessan- 
drina,  so  sieht  man,  indem  man  die  nächste  mit  der  Via  Bonella  parallele  Quer- 
strasse überschreitet,  in  derselben  links  zwei  halbverschüttete  korinthische  Säulen 
mit  Gebälke  und  Attika.  Diese  gehörten  zu  einer  Porticus,  deren  Säulen  nui"  um 
ein  Geringes  (1,3o  Met.)  von  ihrer  Rückwand  vorsprangen.  Diese  Rückwand,  von 
welcher  jetzt  noch  ein  Theil  in  der  Länge  von  1 1 ,5  Met.  erhalten  ist,  besteht  aus 
Peperincpiadern,  ist  jedoch  der  Bearbeitung  nach  von  der  eben  beschriebenen  Mauer 
des  Augustusforum  wesentlich  verschieden.  Denn  die  Blöcke  sind  von  ungleicher 
Breite,  mit  geringer  Sorgfalt  behauen  und  gefügt.  Zwischen  den  zwei  Säulen  sieht 
man  eine  Bogensprengung,  welche  indess  schwerlich  jemals  einen  Durchgang  ge- 
bildet, sondern  vielmehr  zur  Solidirung  der  Mauer  gedient  haben  dürfte.  Die  ca- 
nellirten  Marmorsäulen,  welche  5,sü  Met.  von  einander  entfernt  sind  und  einen 
Durchmesser  von  0,.jo  Met.  haben,  müssen  nach  diesen  Verhältnissen  sammt  Base 
und  Capital  auf  10  Met.  in  der  Höhe  angeschlagen  werden;  ^  die  Capitäle  haben  eine 
Höhe  von  1,2s  Met.  Den  Säulen  entsprechen  Pilaster,  von  denen  jedoch  nur  mehr 
die  Capitäle  erhalten  sind;  das  Gebälke  aber  liegt  nicht  von  einer  Säule  zur  andern, 
sondern  es  verbindet  in  sogenannter  Verkröpfung  jede  Säule  mit  der  Rückmauer 
und  läuft  dann  an  dieser  von  einem  Pilaster  zuiii  anderen  fort.  Der  0,77  Met.  hohe 
Architrav  ist  zwischen  jedem  der  drei  Leisten  und  besonders  oberhalb  reich  ver- 
ziert.    Der  schöne,  O,,^  Met.  hohe,  ganz  mit  Reliefs  bedeckte  Fries  ist  leider  sehr 


'  Blondi  Flavii  Forliensis,  de  Roma  Instaurata.  Ven..  1503.  Lib.  tll.  §.51.       2  \.  Donatus,  de  Uibe  Roma. 
Lil).  U.  f.  23.       (Gracv.  Tlics.  Ant.  Rom.  Tom.  m.  p.  636.)       3  Vitruv.  IH.  2. 

21» 


101  Die  Kaiserfora. 

verstümmelt.  Was  die  Darstellungen  betriftt,  so  sind  sie  kaum  mehr  zu  erkennen 
und  die  Herstellungen  dürften  daher,  je  neuer  sie  sind,  desto  unzuverlässiger  sein: 
darf  man  aber  den  alten  Zeichnungen^  Vertrauen  schenken,  so  sind  darauf  die 
häuslichen  Künste  der  Minerva  abgebildet.  Wenn  man  zur  Linken  beginnt,  sieht 
man  eine  sitzende  Figur,  ganz  verhüllt  (Schamhaftigkeit?);  ein  Jüngling  liegt,  die 
Wasserurne  haltend,  an  einer  Schilfgrotte  (Quell) ;  zwei  Jungfrauen,  die  dort  geschöpft 
zu  haben  scheinen,  tragen  ein  Gefäss,  zwei  andere  drehen  das  Garn,  kleine  Mädchen 
Schemen  an  der  Hand  der  Mutter  die  Knäuel  der  ^Minerva  darzubringen.  Andere 
Frauen  zeigen  das  Gewebe,  die  nächste  sitzt  spinnend,  in  der  Rechten  die  Spindel 
haltend,  andere,  halb  entblösst,  scheinen  zu  waschen  oder  zu  färben,  eine  Frauen- 
gestalt hält,  vor  einem  Gefässe  stehend,  die  Wage  in  der  Hand,  andere  Frauen 
tragen  Börsen,  um  zu  kaufen.  Ein  Jüngling  schöpft  Wasser  aus  einer  Quelle.  Die 
Darstellung  ist  am  Anfange  wie  am  Ende  mangelhaft,  und  zog  sich  ohne  Zweifel 
noch  weiter  vielleicht  an  der  ganzen  Umfriedung  herum  fort;  bei  der  Vielseitigkeit 
der  Minerva  konnte  es  auch  an  Stofl'  nicht  fehlen.  Den  beschriebenen  Fries  be- 
schattet ein  bis  zur  Ueberladung  reich  verziertes,  1,20  Met.  hohes  Kranzgesimse. 
Das  Gebälke  trägt  eine  4,40  xMet.  hohe  Attika,  welche  ebenso  wie  dasselbe  über 
die  Säulen  vorspringt,  und  von  einem  ebenfalls  reich  ornamentirten  Gesimse  das 
jedoch  von  kleineren  Verhältnissen  ist,  als  der  (^arnies  des  Säulengebälkes,  gekrönt 
wird.  In  der  Mitte  der  Attika  befindet  sich  ein  Hochrelief  auf  einer  2,65  Met.  hohen. 
1,50  Met.  breiten  Marmortafel,  welches  eine  Minerva  mit  Schild,  Speer  und  Helm 
darstellt. 

lieber  die  Bedeutung  dieser  höchst  malerischen  Ruine  geben  uns  alte  Ab- 
bildungen Aufschluss.  Auf  diesen  nemlich^  sehen  wir  noch  einen  stattlichen  Ueber- 
rest  jenes  Tempels,  welchem  die  beschriebene  Porticusruine  als  Temenosumfriedung 
diente,  und  zwar  in  der  Gestalt  eines  Prostylos  hexastylos,  d.  h.  eines  Tempels,  der 
nur  an  der  Vorhalle  Säulen  und  an  der  Fronte  deren  sechs  hatte.  Von  diesen 
waren  noch  im  16.  Jahrhundert  sechs  erhalten,  und  zwar  drei  in  der  Front  von 
links  her  noch  mit  dem  entsprechenden  Theile  des  Giebels,  dann  noch  die  zweite 
der  Fronte  von  rechts  her  und  die  zweite  und  dritte  von  der  rechten  Langseite. 
Auch  von  den  Cellawänden  und  den  Pilastein  derselben  am  Pronaos  war  noch 
ein  grosser  Theil  erhalten,  die  Gella  selbst  aber  befand  sich  nicht  mehr  innerhalb 
der  Umfriedung,  denn  die  Mauer  derselben  schloss  sich  hinter  dem  Pronaos  an  die 


i  Admiranda  Romanonifu  antiquitatum  ac  veteris  sculpturao  vcstigia  delineata  a  P.  Santi  Baitolu,  notis 
J.  P.  Bellorii  illustiata.  tab.  63—70.  2  h,  Kock,  Praecipua  aliquot  Rom.  ant.  ruinaruni  monum.  Antwerp.  iSäl, 
tab.  V.  X.  —  J.  A.  Dosii,  U.  R.  aedif.  ill.  reliquiae.  Romae  1569.  tab.  XIV.  XV.  —  Du  Perac,  I  vestigij  dell' 
antichita  di  Roma.  R.  1575.  tav.  6.  —  Gamuzzi,  Libri  Quattro  dell' Antichita  di  Roma.  Yen.  1565.  Lib.  I.  p.  52. 


Das  Forum  des  Nerva.    Die  Porlicus  der  Minerva  (Le  Colonnacce).  165 

Cellawand  an,  bildete  aber  bier  einen  grossen  Bogendurchgang.  Dies  forderte  die 
Symmetrie,  denn  auch  auf  der  anderen  Seite  war  die  Cellamauer  nicht  frei,  indem 
hier  die  halbkreisförmige  Ausbeugung  des  Augustusforum  sie  berühren  musste.  (Vgl. 
den  beifolgenden  Plan  des  Augustus-  und  Nervaforum.)  Auf  dem  erhaltenen  Gebälk- 
stücke der  Stirnseite,  wo  behufs  Aufnahme  der  Dedicationsinschrift  Architrav  und 
Fries  in  eine  Fläche  gemeiselt  war,  las  man  noch  die  Worte :  ^ 

IMP.  NERVA.  CAESAR.  AVGVSTVS.  GERMANICVS.  (PONT.  MAX). 
TRIB.  POTEST  III.  IMP.  II.  cosiUF.p.Aedem  Mi  (NERVAE  FECIT). 

Die  Inschrift  war  Signorili  noch  vollständiger  bekannt,  der  von  der  ersten  Zeile 
noch  die  oben  eingeklammert  gegebenen  7,  von  der  zweiten  noch  die  letzten  1  I 
Buchstaben  las;  Anfang  wie  der  Schluss  der  ganzen  Inschrift  aber  lassen  keinen 
Zweifel  übrig,  dass  wir  Nerva  als  den  Erbauer  und  Minerva  als  die  Gottheit  des 
Tempels   zu  betrachten  haben. 

Es  liegt  sonach  sehr  nahe ,  hier  das  Forum  des  Nerva  zu  suchen ,  zu 
welcher  Annahme  zahlreiche  Umstände  berechtigen.  Der  Regionär-  nennt  dieses 
Forum  an  der  Gränze  der  vierten  Region  zwischen  Basilica  Aemilia,  dem 
Tempel  der  Faustina  und  Subura.  Ein  Dichter  erwähnt  es  als  neben  dem  Forum 
Pacis,  von  welchem  sogleich  gesprochen  werden  wird,  befindlich.^  Noch  deutlicher 
wird  von  der  Lage  dieses  Forum  im  Mittelalter  (1 2.  Jahrhundert)  gesprochen.  In  der 
schon  erwähnten  Beschreibung  der  Osterprocession  von  der  Peterskirche  nach  dem 
Lateran^  wird  nemlich  hier  folgender  Weg  angegeben :  Nachdem  der  Zug  den  Carcer 
[primtam  Manier lini)  erreicht  hatte ,  bewegte  er  sich  durch  einen  Triumphbogen 
(Severusbogen  ?)  zwischen  dem  Concordien-  und  Fortuna-Tempel  Qemplum  fatale) 
auf  das  Forum,  bog  wohl  auf  der  alten  über  das  Forum  Transitorium  nach  der 
Subura  führenden  Strasse  wieder  von  diesem  ab,  zunächst  «zwischen  dem  Cäsar- 
foruni  und  dem  des  Traian?«  und  dann  »durch  den  Bogen  dei  Nervia  zwischen 
dem  Tempel  dieser  Göttin  und  dem  Tempel  des  lanus«  fortschreitend,  worauf  er 
vor  dem  Asylum?  auf  der  heiligen  Strasse  zum  Tempel  des  Romulus  u.  s.  w.  ge- 
langte. So  unverständlich  auch  Einzelnes  ist,  so  müssen  wir  doch  die  Reihenfolge 
als  richtig  annehmen,  und  nach  dieser  kann  mit  Bestimmtheit  behauptet  werden, 
dass  das  Forum  des  Nerva  östlich  von  den  übrigen  genannten  Fora  gewesen  sein 
müsse.  » Das  von  einem  Bogen  der  Nervia  und  von  dem  Tempel  derselben  Göttin 
gesprochen  wird;  müssen  wir  dieser  Zeit  zu  Gute  halten;  unbestreitbar  ist,  dass  mit 


1  Die  Ergänzung  ist  nach  Jordan,  Forma  U.  R.  Reg.  XIV.  p.  27,  28.  Canina  identificirt  mit  grosser 
Waluscheinlichkeit  ein  Fragment  des  capitolinisclien  Planes  mit  dem  Tempel,  welches  Jordan  tah.  XVII.  no. 
116  gibt.  2  Cm-ios.  l  ih.  Romac.  Reg.  IV.  3  Martial.  Epigrammat.  L.  I.  3.  v.  8.  *  Ordo  Romanns  (M43). 
Mahill.  Mus.  Ital.  II.  p.   143. 


/\  66  Die  Kaisei'fora. 

dem  Bogen  der  zum  Nervaforum  führende  und  wahrscheinlich  an  der  nordwest- 
Hchen  Langseite  befindhche  gemeint  ist,  wie  der  Tempel  der  Nervia  kein  anderer 
"war  als  der  Minerventempel  unseres  Forum,  auf  welchem  der  Name  des  Dedicators 
Nerva  und  ein  Theil  des  Namens  der  Göttin  zu  lesen  war.  Mit  der  Erwähnung  des 
lanustempels  aber  hat  es  seine  Richtigkeit,  wenn  auch  nicht  sicher  ist,  ob  der  Name 
damals  noch  an  der  vielleicht  erhaltenen  lanusruine  oder  etwa  an  dem  erhaltenen 
Umfriedungsreste  der  Golonnacce  (was  das  wahrscheinlichere)  haftete.  Denn  beide 
Tempel  werden  auch  ausdrücklich  erwähnt;  sie  wurden  gleichzeitig  mit  der  Anlage 
des  Forum  ^  durch  Domitian  begonnen,  nach  der  kurzen  Regierung  dieses  Wütherichs 
aber,  wie  auch  das  Forum  selbst,  von  seinem  Nachfolger  Nerva  vollendet  und  ge- 
weiht. 2  Während  wir  für  die  Einrichtung  der  Tempel  in  den  beiden  Foren  des  Cäsar 
und  Augustus  historische  Gründe  aufzuweisen  hatten,  ^finden  wir  für  diese  beiden 
keinen  anderen,  als  die  Notiz,  dass  Domitian  den  lanus  und  die  Minerva  vorzugs- 
weise verehrt  habe.^  Die  Reliefdarstellungen  auf  unserer  Ruine  passen  auch  wirklich 
für  die  Umfriedung  eines  Minerventempels,  nach  welchem  auch  das  ganze  Forum 
—  wenigstens  von  einem  Dichter^  —  Forum  Palladium  genannt  werden  konnte. 
Die  Tempelruine  aber,  welche  wir  oben  nach  alten  Abbildungen  beschrieben  haben, 
war  sicher  der  Ueberrest  des  Minerventempels,  denn  dei"  Tempel  des  lanus  Quadri- 
frons  musste  seine  quadratische  Form  haben  und  frei  im  Forum  selbst  stehen,  um 
von  den  vier  Seiten  zugänglich  zu  sein.  Wie  aber  schon  die  Ruine  der  Umfrie- 
dungsporticus  einen  ungemeinen,  der  domitianischen  Prachtliebe  jedoch  ganz  ange- 
messenen Reichthum  zeigt,  so  lässt  ihn  auch  der  Tempel  voraussetzen,  so  dass  es  nicht 
genug  zu  beklagen  ist,  dass  die  schöne  Ruine,  welche  Du  Perac  den  erhaltensten 
Forumüberrest  nennt,  spurlos  veschwunden  ist. 

Das  Forum  des  Nerva  hatte  noch  verschiedene  andere  Namen.  Von  der 
Bezeichnung  Palladium  wurde  schon  gesprochen.  Wichtiger  als  diese  vielleicht  nur 
dichterische  Benennung  waren  die  Namen  Forum  Transitonum""  und  Pervium,*^  welche 
ausdrücklich  alle  als  identisch  bezeichnet  werden.  Die  beiden  letzteren  aber  be- 
ruhen sicher  auf  der  Bedeutung  dieses  Forum  als  Verbindung  sowohl  des  grossen 
Forum  mit  der  Subura,  als  auch  der  Fora  des  Cäsar  und  Augustus  mit  dem  Forum 
der  Pax.  Ob  aber  der  lanustempel  über  der  Strassenkreuzung  nach  Art  des  er- 
haltenen Bogens  des  lanus  Quadrifrons  am  Forum  Boarium  gestanden  habe,  wie 
Mommsen^  will,  muss  dahingestellt  bleiben.  Alexander  Severus  schmückte  dieses 
Forum  mit  den  kolossalen  Stand-  und  Reiterbildern  seiner  vergötterten  Vorgänger.  '' 


1  Sueton.  Domit.  S.  2  Aurel.  Vict.  Caes  12.  »  Dio  Cass.  LXVII.  1.  4  Martial  1.  c.  ^  Script.  Hist. 
Aug.  (Lamprid.)  Alex.  Sever.  28.  *  Aurel  Vict.  1.  c.  ^  De  Comitio  Romano,  curiis  lanique  templo.  c.  18. 
(Annali  d.  I.  d.  C.  a.  1844.)   Vgl.  übrigens  Jordan,  Topogr.  II.  503.       «Script.  II.  A.  (Lamprid.)  Alex.  Sev.  ^8. 


Das  Forum  des  Nerva.   Die  Porlicus  der  Minerva  (Le  Colonnaccft).  ^67 

Damit  mochte  das  ungeräumrge  Forum,  welches  bei  etwa  doppelter  Länge  die  geringe 
Breite  von  44  Meter  kaum  überschritt,  so  ziemlich  ausgefüllt  sein,  umsomehr,  als 
die  Strassen  viel  davon  hinwegnahmen.  Desshalb  hatte  es  auch  für  Rechtsgeschäfte 
und  Privatzusammenkünfte  keine  Bedeutung,  ebensowenig  wie  das  Forum  der  Fax, 
welches  unmittelbar  anlag,  und  diente  vielmehr  als  Verbindung  und  Ausfüllung 
zwischen  den  Anlagen  des  Cäsar,  Augustus  und  Vespasian. 

Was  nun  die  Schicksale  dieses  Forum  Transitorium  betriff't,  so  ist  nach  der 
oben  angezogenen  Stelle  des  Ordo  Romanus  gewiss,  dass  es  im  1  i.  Jahrhundert 
noch  grösstentheils  bestand.  Von  dem  in  dieser  Zeit  noch  ausdrücklich  erwähnten 
lanustempel  ist  nicht  weiter  die  Rede,  wenn  auch  dessen  Ueberreste  noch  länger 
sicherhielten.  Dass  aber  nicht  diese*  sondern  die  Ruinen  des  Minervatempels  oder 
dei-  Bogen  reclits  neben  denselben  den  Namen  Area  di  Noe  (Arche  Noah)  trugen, 
geht  schon  aus  Signorili's  Inschriftensammlung  hervor.^  Ob  aber  die  Ueberreste, 
welche  den  Arcliitekten  Bramante  und  Pailadio  die  Anregung  zu  einer  Restauration 
des  Ganzen  gaben,  noch  über  dem  modernen  Boden  befindlich  waren,  oder  bei 
Nachgrabungen  entdeckt  wurden,  ist  schwer  zu  sagen,  wie  auch  nicht  einmal  die 
Zuverlässigkeit  des  Plans,  geschweige  denn  die  des  Aufrisses  ausser  Frage  steht. 
Nach  diesen  Restaurationen  hatte  die  Cella  aussen  Halbsäulen,  auf  jeder  Seite  vier, 
und  Pilast(u-  an  den  Ecken,  welche  toscanischer  Ordnung  waren. ^  Die  Form  würde 
für  den  lanustempel  ebenso  passen,  wie  die  angegebene  Lage  etwa  dem  südwest- 
lichen Ende  des  Nervaforum  entspräche,  wonach  es  jedenfalls  unzulässig  erscheint, 
hiebei  an  den  lanustempel  am  Forum  Romanum  zu  denken,  der  entschieden  nord- 
westlich von  S.  Adriano  war  und  —  wenigstens  in  seiner  architektonischen  Bekleidung 
—  »ganz  von  Bronze«  und  desshalb  gewiss  nicht  über  das  6.  Jahrhundert  hinaus 
erhalten  war,  (vgl.  S.  1i^2,  Anm.  4).  Mit  nicht  besserem  Rechte  schreibt  Becker 
die  räthselhafte  Restauration  einem  der  drei  lani  am  Forum  Romanum  zu,  jenen 
einfachen  Durchgangsbogen  über  der  Sacra  via,  welche  doch  unmöglich  so  umfänglich 
angenommen  werden  können,  wie  der  Quadrifrons  am  Forum  Boarium,  wenn  man 
nicht  das  ohnediess  so  beschränkte  Forum  noch  wesentlich  verringern  will,  und 
welche  Becker  unmöglich  hiefür  hätte  heranziehen  können,  wenn  er  Labacco's  Werk 
gesehen  halte. ^  Denn  Niemand  könnte  aus  dem  annährend  quadratischen  Bau,  wie 
ilm  der  Plan  gibt,  auf  einen  einfachen  Durchgangsbogen  schliessen,  wie  er  für 
jeden  der  drei  lani  des  Forum  Romanum  wohl  wird  angenommen  werden  müssen. 


1  Fabricii  Varrani  de  Urbc  Roma  coUectanea,  ed.  lo.  B.  IMus  Bononsiensis.  Bon.  13:20.  fol.  5.  —  L. 
Fauno,  Antichitä  &c.  fol.  72.  2  Ygi_  Jordan  Topographie  II.  S.  469.  ^  Lil)ro  di  Antonio  Labarco  appartonente 
a  l'Architeltura  nel  quäl  si  figurano  alcune  notabili  Antiquitä  di  Roma.  R.  1558.  fol.  17  &  18.  *  Hdb.  d.  röm. 
AU.  Bd.  I.  p.  327.  Anm.  2. 


]  6g  Die  Kaiserfoia. 

Bekannter  und  jedenfalls  länger  erhallen  war  die  Ruine  des  ebenfalls  auf 
dem  Nervaforum  befindlichen  Tempels  der  Minerva,  welche  auch  uns  durch  wie- 
derholte Abbildungen  in  den  erwähnten  Werken  anschaulich  gemacht  worden  ist. 
Allein  sie  fiel  leider  dem  Bedürfnisse  nach  Marmor  und  der  Anlage  eines  Stadt- 
viertels in  diesem  vorher  zu  Gärten  dienenden  Quartiere  zum  Opfer.  Die  malerische 
Schönheit  dei"  von  Vegetation  unuankten  Ruine  hatte  selbst  dem  Mittelalter  nicht 
entgehen  können,  welches  den  Raum  vom  Marstempel  bis  zu  der  Colonnacce 
unter  dem  Namen  »Hortus  mirabihs«  begriff.  Nachdem  nun  schon  zu  Ende  des 
1 6.  Jahrhunderts  Papst  Pius  V.  dort  die  zwei  sich  schneidenden  Hauptstrassen  dieses 
Quartiers,  von  welchen  er  die  eine  mit  dem  Forum  Ronranum  ungefähr  parallel 
laufende  nach  seiner  Vaterstadt  Via  Alessandrina,  die  andere  nach  seinem  Familien- 
namen Via  Bonella  nannte,  angelegt  hatte,  setzten  seine  Nachfolger  die  Bevölkerung 
dieses  Stadttheiles  fort,  und  am  Anfange  des  1 7.  Jahrhunderts  beseitigte  Papst  Paul  V. 
auch  die  sehr  hinderliche  Ruine  wobei  Giovanni  Fontana  die  traurige  Obliegenheit  er- 
hielt, den  Abbruch  zu  leiten  (1606).  Der  dadurch  gewonnene  Marmor  aber  wurde 
zum  Theil  beim  Bau  der  Paulscapelle  in  S.  Maria  Maggiore,  zum  Theil  für  die 
imposante  Fontäne  der  Aqua  Paolo  auf  dem  laniculus  verwendet.  Der  Thorbogen 
aber,  welcher,  ähnlich  dem  beschriebenen  Arco  de'  Pantani  am  Augustusforum,  hier 
den  nordöstlichen  Ausgang  bildete  und  sich  da  befand,  wo  jetzt  die  Via  di  Croce 
bianca  in  die  Via  di  Tor  de'  Conti  mündet,  blieb  noch  fast  hundert  Jahre  stehen, 
nach  welcher  Zeit  er  —  aus  welchem  Grunde,  ist  unbekannt  —  ebenfalls  abgetragen 
wurde.  So  ist  von  dem  zwar  kleinen  aber  prächtigen  Forum  ausser  den  beschrie- 
benen zwei  Säulen  der  Umfriedungsporticus  nichts  übrig  geblieben,  doch  reicht  der 
Ueberrest  eben  aus,  auf  den  ornamentalen  Reichthum  des  Ganzen  zu  schliessen. 


25.     Das  Forum  Pacis. 

Das  beschriebene  schmale  Forum  des  Nerva  war  zwischen  drei  andere  Kai- 
serfora* eingezwängt  und  wohl  auch  nur  bestimmt,  den  Zwischenraum  auszufüllen, 
um  die  Prachtfora  in  ununterbrochener  Kette  zu  verbinden.  Von  denjenigen  nun, 
welche  an  der  nordwestlichen  Langseite  des  Nervaforum  angränzten,  den  Fora  des 
Cäsar  und  Augustus,  wurde  bereits  gesprochen;  an  die  südöstliche  Langseite  aber 
stiess  eine  andere  Prachtanlage,  deren  Ueberreste  zwar  wenig  Anhaltspunkte  und 
mit  Ausnahme  des  merkwürdigen  Planfundes,  der  an  einer  anderen  Stelle  erörtert 
werden  soll,  wenig  Interesse  darbieten,  deren  Lage  aber  nichtsdestoweniger  unum- 
stösslich  bestimmt  werden  kann. 


eii^'C  vl.O.Wciocli:  .  ü 


Vom  Forum  Transitorium 


..''  Das  Forum  Pacis.  -169 

Verfolgt  man  die  Yia  Alessandrina  von  der  Ruine  der  Umfriedungsporticiis  des 
Nervaforum  aus  in  südöstlicher  Richtung  bis  an  die  kolossale  Ruine,  welche  wir  spater 
als  die  Basilica  des  Constantin  beschreiben  werden,  und  tritt  dann  zur  Rechten  in  den 
Hof  des  vormaligen  mit  der  Kirche  SS.  Cosma  e  Damiano  in  Verbindung  stehenden 
Franciscanerklosters ,  so  sieht  man  daselbst  noch  Ueberreste  einer  Mauer  von  Gabin- 
quadern,  ahnlich  den  beschriebenen  bei  den  Fora  des  Augustus  und  Nerva.  Der  ganze 
Ueberrest  ist  zu  dürftig  und  wegen  seiner  Dürftigkeit  zu  unsicher,  als  dass  man  viel 
Gewicht  darauf  legen  könnte,  doch  ist  es  namentlich  wegen  seiner  dem  ganzen  System 
der  Kaiserfora  entsprechenden  Richtung  w^ahrscheinlich ,  dass  er  der  Umfriedung  der- 
jenigen Kaiseranlage  angehörte,  welche  Forum  Pacis  genannt  wurde.  Denn. dass  es 
das  Forum  Pacis  war,  welches  den  Raum  zwischen  der  Basilica  des  Constantin  und 
dem  Nervaforum  einnahm ,  ist  jetzt ,  nach  einem  langen  und  wenigstens  von  einer  Seite 
ungebührlich  erbitterten  Streite  als  erwiesen  zu  betrachten.  Vor  Nibby  nemlich  galt  es 
als  ausgemacht,  dass  die  grosse  Ruine  (Basilica  des  Constantin),  trotz  ihrer  für  einen 
Tempel  unpassenden  Gestalt,  doch  dem  Tempel  der  Pax  angehörte,  und  als  der  ge- 
nannte verdienstvolle  Antiquar  der  Ruine  endlich  den  rechten  Namen  gab  ,^  drang  seine 
Ansicht  erst  nach  heftigen  Angriffen  '^  durch.  Die  langst  widerlegten  und  unhaltbaren 
Gründe  seiner  Gegner  brauchen  nicht  mehr  neuerdings  widerlegt  zu  werden,  es  ist 
diess  in  Nibby's  Schrift  und  besonders  von  Becker  ^  zur  Genüge  geschehen.  Doch 
selbst  Bunsen  sucht  noch  beide  Ansichten  dadurch  zu  vermitteln,  dass  er  zwar  die 
Ruine  als  die  Basilica  des  Constantin  anerkennt,  allein  behauptet,  dieselbe  sei  auf  der 
Brandstatte  des  Tempels  der  Pax  gebaut  worden.'^  Diese  Behauptung  verliert  durch 
den  Umstand  allen  Halt ,  dass ,  nachdem  Maxentius  die  genannte  Basilica  bereits  erbaut 
hatte,  der  Tempel  der  Pax,  wenn  auch  als  Ruine,  noch  erwähnt  wird.^ 

Die  Beweise  für  die  Identität  der  grossen  Ruine  mit  der  Basilica  lulia  werden 
gehörigen  Ortes  angezogen  werden,  dass  aber  das  Forum  Pacis  sich  an  ihrer  Stelle 
befunden  habe,  wird  schon  vorlaufig  als  unmöglich  zu  erkennen  sein.  Die  Frage  über 
die  Localitat  des  letzteren  aber  wird  durch  eine  schon  benutzte  Stelle,^  an  welcher 
ein  Dichter  das  Local  seines  Buchhändlers  hinter  den  Fora  der  Pax  und  des  Nerva 
befindlich,  also  die  beiden  Fora  nebeneinander  nennt,  und  durch  die  Notiz  des  Sueton,' 
dass  der  Tempel  der  Pax  dem  Forum  zunächst  lag,  unverkennbar  beantwortet.  Nach 
diesen  beiden  Angaben  konnte  das  Forum  der  Pax,  wie  auch  Canina^  und  Becker  (a.a.O.) 


% 


*  A.  Nibby,  del  tempio  della  Pace  e  della  basilica  di  Costantino.  Roma  18^9.  *  C.  Fea  ,  ia  basilica  di 
Costantino  sbandita  dalla  Via  Sacra.  Lettera  al  S.  A.  Nibby.  Roma  1819.  Ratti,  Sü  le  rovine  del  tempio  deila 
I'ace.  Roma  1823.  ^  II.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  I.  S.  438  ir.  *  (Bunsen)  Beschreib,  der  Stadt  Rom.  Bd.  III. 
Abth.  1.    S.  291  ir.  *  Procop.  Goth.  IV.  21.  *  Martial.  Epigrammat.    L.  I.  3.  v.  8.    Vgl.  S.  165.  Anm.  2. 

'  Sueton.  Vesp.  9.         *  Indicazione  topografica  di  Roma  antica.    4.  Ediz.    R.  1850.  p.  131  sq. 

F.  Eeder  ,  die  Ruinen  Rums.  %% 


/|70  Die  Kaiserfora. 

richtig  angenommen  haben,  an  keiner  anderen  Stelle  gesucht  werden,  als  südöstlich 
vom  Nervaforiim,  mithin  zwischen  diesem  und  dem  der  Basilica  des  Constantin.  Und 
wie  Martial's  Worte  die  erstere  Gränze  geben,  so  wird  die  letztere  durch  eine  andere 
Stelle  bezeichnet,''  welche  berichtet,  dass  die  Gewürzmagazine  (horrea  piperataria) 
da  waren,  wo  die  Basihca  des  Constantin  und  das  Forum  Pacis  sich  befanden. 

Das  Forum  Pacis  wurde  von  Vespasian  als  ein  Denkmal  des  Sieges  über  die 
Juden  nach  dem  Triumphe  angelegt,^  jedoch  wie  es  scheint  nicht  als  ein  Forum  im 
eigentlichen  Sinne,  welcher  Name  vielmehr  in  Folge  der  Aehnlichkeit  der  Anlage 
mit  den  Fora  des  Cäsar,  Augustus  und  Nerva  erst  nachher  entstanden  sein  dürfte.  ^ 
Er  umgab  nemhch  den  Tempel  der  Pax,  wie  das  häufig  geschah,  mit  einem  Temenos, 
der  vielleicht  etwas  geräumiger  als  gewöhnlich  war,  gab  jedoch  dem  umfriedeten 
Räume  so  wenig,  wie  später  Domitian  bei  der  Anlage  des  Forum  Transitorium,  den 
Zweck  der  anderen  Kaiserfora,  des  Cäsar,  Augustus  und  Traianus,  welche  haupt- 
sächlich für  die  Rechtsgeschäfte  bestimmt  waren.  Die  Einweihung  des  Tempels  fand 
nach  Dio  Cassius  (a.  a.  0.)  i.  J.  d.  St.  828  (75  n.  Chr.)  statt,  wonach  die  Anlage 
verhältnissmässig  rasch  vollendet  worden  sein  musste.  Der  Bau  wird  von  Plinius  *  ; — 
neben  dem  Augustusforum  und  der  Basilica  Pauli  —  unter  die  schönsten  Werke  ge- 
zählt, welche  die  Welt  je  gesehen,  und  Herodian^  nennt  den  Tempel  geradezu  das 
grösste  und  schönste  Werk  Roms,  und  den  reichsten  von  allen  Tempeln  überhaupt. 
Von  dem  ausserordentlichen  Reichthum  an  plastischen  Meisterwerken  gibt  die  sum- 
marische Nachricht,  dass  Vespasian  von  allen  Kunstwerken,  welche  Nero  aus  Grie- 
chenland für  seine  aurea  domus  zusammengeschleppt  hatte,  die  berühmtesten  in  diesem 
Tempel  aufgestellt  habe,  einen  allgemeinen  Begriff;^  einzelne  Stücke,  wie  ein  Gany- 
medes,  ein  Nilus,  der  Olympiasieger  Cheimon,  werden  nur  gelegenthch  erwähnt.^ 
Ebenso  einzelne  Gemälde,  der  berühmte  Heros  von  Parrhasios,  der  als  Canon  für 
vollendete  Männhchkeit  gepriesen  wird,  der  lalysos  des  Protogenes,  die  Scylla  des 
Nikomachos.^  Nicht  minder  merkwürdig  waren  die  zahlreichen  goldenen  Geräthe  und 
Gefässe  des  Tempels  von  Jerusalem,  welche  Vespasian  ebenfalls  hier  weihte,^  und 
von  welchen  wir  noch  einige  in  dem  Triumphrelief  des  Titusbogens  abgebildet  erken- 
nen. Auch  war  an  oder  in  dem  Tempel  der  Pax  eine  öffentliche  Bibliothek  ange- 
bracht o 


*  Catal.  imp.  Vienn.  (Roncalli,  Vetustiora  Lat.  Scrlptorum  Chronica.  Tom.  II.  p.  243.)  cf.  Dio  Cass. 
LXXII.  24.  »  Fl.  Joseph.  Bell.  lud.  VII.  5,  7.  Dio  Cass.  LXVI.  15.  Suet.  Vesp.  9.  =*  Martial.  1.  c.  Am- 
mian.  Marcellin.  XVI.  -10.  *   H.  N.  XXXVI.  iS,  24,  102.  *   I.  14.  ^  Plin.  H.  N.  XXXIV.  8,  19,  84. 

'  luven.  Sat.  IX.  v.  22.       Plin.  H.  N.  XXXVI.  7,  11,  58.       Pausan.  VI.  9,  3.  «  Plin.  H.  N.  XXXV.  10,  36,  74. 

102—104.  109.  »  Fl.  Joseph.  1.  c.  "   A.  Gell.  V.  21,  9.     XVI.  8,  2.       cf.    Script.  H.  Aug.    (Trebell.  Poll.) 

XXX  tyrann.  c.  31.  Victorin, 


Das  P'orum  des  Traianus.  171 

Dieses  Heiligthum  bestand  in  unveränderter  Pracht  etwas  über  ein  Jahrhun- 
dert, litt  aber  unter  Commodus  durch  einen  umfangreichen  Brand,  vor  welchem  selbst 
die  hohe  Umfriedungsmauer  nicht  ganz  zu  schützen  vermochte.  Obwohl  nun  von 
zwei  Seiten  berichtet  wird,^  das  Heiligthum  sei  damals  ganz  und  gar  ein  Raub  der 
Flammen  geworden,  so  stehen  doch  dieser  Annahme  mehrfache  Bedenken  entgegen. 
Wir  erfahren  nichts  von  einem  Wiederaufbau,  und  doch  geschieht  später  der  Biblio- 
thek daselbst  v^ieder  Erwähnung,  und  die  ganze  Forumanlage  wird  unter  den  Pracht- 
werken aufgezählt,  welche  den  Constantius  bei  seinem  Besuche  der  Hauptstadt  mit 
besonderer  Bewunderung  erfüllten, ^  während  zur  Zeit  der  Gothenkriege  der  Tempel 
als  Ruine  erscheint,  in  Folge  eines  Blitzstrahls,  der  ihn  »vor  langer  Zeit«  getroffen.^ 
Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  des  Vespasian  prachtvoller  Tempel  nach  Commodus 
wieder  von  Grund  auf  hergestellt  worden  wäre,  und  am  wenigsten  so,  dass  man 
auch  Attribute,  wie  die  erwähnte  Bibliothek  wieder  neu  beschafft  hätte.  Weit  wahr- 
scheinlicher ist,  dass  jener  Brand  die  Anlage  nur  theilweise  zerstört  habe,  und  dass 
der  berühmte  Tempel  als  Ruine  stehen  blieb,  als  welche  sie  Procopius  sah,  der  sie 
jedoch  durch  einen  legendarischen  Blitzstrahl  erklärte.  Die  Anlage,  von  Marcellinus 
Comes*  noch  als  Forum  Pacis  bezeichnet,  erscheint  dann  zuletzt  unter  dem  Namen 
Forum  Yespasiani,^  und  findet  sich  hierauf  nicht  mehr  erwähnt,  überlebte  auch  das 
Mittelalter  kaum  mehr  in  irgend  einem  kenntlichen  und  notorischen  Reste. 


26.    Das  Forum  des  Traianus. 

Kehrt  man  die  Via  Alessandrina,  welche  die  bisher  beschriebenen  Kaiserfora 
in  der  Richtung  von  Nordwest  nach  Südost  durchschneidet,  wieder  zurück,  so  ge- 
langt man  an  dem  nordwestlichen  Ende  derselben  auf  einen  ziemlich  grossen,  läng- 
lich viereckigen  Platz  (Piazza  Traiana).  Dieser  Platz  .ist  jedoch  nur  in  den  vier 
Strassen,  welche  rings  neben  den  Häusern  laufen,  für  den  Verkehr  benutzbar,  denn 
bei  weitem  der  grösste  Theil  desselben  ist  ausgegraben,  und  um  etwa  6  Met.  tiefer, 
als  der  moderne  Boden ;  die  Strassen  aber  sind  durch  Mauern  und  Bogensubstructio- 
nen  unterbaut  und  abgegränzt  und  gegen  die  Ausgrabung  hin  mit  einem  Geländer 
umgeben.  Der  blossgelegte  Raum,  der  ein  Rechteck  mit  einer  halbkreisförmigen  Aus- 
weitung an  der  nordwestlichen  Schmalseite  bildet,  hat  eine  Länge  von  1 1 0,  und  eine 
Breite  von  62  Met. 


*  Herodian.  I.  14.       Galen,  de  compos.  med.  I.  r  *  Ammian.  Marcelliii.  XVI.  10.  '  Procop.  Goth. 

IV.  21.  *   Marcellin,  Com.  Chron.    (Rone.    tom.  II.    p.  277.)  *    Symmach.  ep.  X.  78.       Catal.  imp.  Vienn. 

Hone.    tom.  II.  p.  243. 

22* 


^72  Die  Kaiseribra. 

Soviel  aus  dem  ofFenliegenden  Paviment  erkennbar  ist,  gehörte  der  südwest- 
liche Theil  der  Ausgrabung  zu  einem  freien  Platze,  von  dessen  Begränzungen  die 
südliche  spurlos  verschwunden  ist.  Wahrscheinlich  aber  erstreckte  er  sich  bis  an  die 
Umfriedungsmauer  des  Augustusforum,  mit  welchem  auch  jedenfalls  eine  Verbindung 
hergestellt  sein  musste.  Ja  es  muss  sogar  nach  der  symmetrischen  Gestalt  der  zu 
beschreibenden  grossartigen  Anlage  hier  der  Haupteingang  zu  derselben  angenommen 
werden.  Dagegen  haben  sich  die  antiken  Begränzungen  der  drei  anderen  Seiten 
dieses  Platzes  mehr  oder  weniger  erhalten,  jedoch  zwei,  die  nordöstliche  und  die 
südwestliche,  ganz  ausserhalb  des  aufgedeckten  Raumes,  wie  denn  überhaupt  fest- 
gehalten werden  muss,  dass  der  blossgelegte  Raum  nur  einem  kleinen  Theile  der 
ganzen  zusammengehörigen  Aplage  entspricht.  Am  ansehnhchsten  sind  die  Reste  der 
nordöstlichen  Begränzung  des  Platzes,  zu  welchen  man  gelangt,  wenn  man  einige 
Schritte  in  der  Via  Alessandrina  zurückgehend,  links  in  die  Via  della  Salita  del  Grillo 
beugt  und  dort  in  den  Hof  des  Hauses  No.  6  tritt.  Ein  wunderlicher  Bau  von  zwei 
Stockwerken  zeigt  sich  hier  unseren  Blicken.  Er  bildet  einen  Halbkreis,  der  in  der 
Art  wie  die  Umfriedungsmauer  des  Augustusforum,  den  freien  Platz  noch  einiger- 
massen  zu  erweitern  bestimmt  war.  Von  diesem  Halbkreise  aber  ist  nur  eine  Hälfte 
von  innen  blossgelegt,  die  andere  innere  Hälfte  ist  unter  tiefem  Schutte  vergraben, 
welcher  zu  einem  Garten  benutzt  ist.  Wir  können  natürlich  nur  den  blossgelegten 
Theil  der  Ruine  der  Betrachtung  unterziehen.  Dieser  hat  eine  Curvenlänge  von  41  Met. 
und  erhebt  sich  auf  schmalem  Travertinbasament  über  dem  Pflaster  aus  Basaltpolygonen, 
mit  welchem  die  halbcirkeligen  Ausweitungen  belegt  gewesen  zu  sein  scheinen. 

Das  erste  Stockwerk  zeigt  eine  Reihe  von  fünf  Kammern  aus  Backstein  mit 
Tonnengewölben,  nur  2  Met.  tief  und  2,97  Met.  breit.  Die  Eingänge  dazu  sind  fast 
ebenso  breit,  doch  nur  halb  so  hoch,  wie  die  Kammern  (3  Met.).  Die  Rahmen  dieser 
Eingänge  sind  von  Travertin  und  zwar  Pfosten  und  Sturz  nur  aus  drei  Stücken,  die 
einfach,  aber  sorgftiltig  gemeisselt  sind  und  nie  mit  Marmor  belegt  waren.  Bei  drei 
dieser  Kammern  fehlt  jetzt  dieser  Travertineingang.  Die  Wände  der  Kammern  sind 
mit  Stuck  bekleidet,  der  auf  weissem  oder  gelbem  Grunde  mit  rothen  Streifen  einfach 
bemalt  ist,  und  der  Fussboden  derselben  war  einfach  in  weiss  und  schwarz  mosaicirt, 
wovon  sich  noch  ansehnliche  Reste  erhalten  haben,  die  jedoch  wie  die  beifolgende 
Abbildung  erkennen  lässt,  von  keiner  hervorragenden  Arbeit  sind.  Die  mittlere  der 
fünf  Kammern  enthält  die  Treppe  (29  Stufen)  zum  oberen  Geschoss,  welches  über 
den  Kammern  einen  halbkreisförmigen  gewölbten  Corridor  mit  Bogenfenstern,  an  die- 
sem aber  eine  Reihe  von  hohen,  verschieden  tiefen  Gemächern  enthält,  welche  letz- 
teren jetzt  als  Magazine  für  Gartenfrüchte,  Wirthschaftsgeräthe  u.  dergl.  dienen.  Diese 
Gemächer  ruhen,  ohne  dass  ihnen  ein  unteres  Stockwerk  entspricht,  auf  dem  Tuf  des 


Das  Forum  des  Traianus. 


173 


Quirinalis,  welcher  bedeutend  abgeböscht  worden  war,  um  das  Areal  des  Forum  zu 
gewinnen.  Die  Fronte  dieses  zweiten  Geschosses  ist  durch  einen  einfach  gearbeiteten 
Travertincarnies ,  der  sich  noch  ziemUch  erhalten  hat,  während  die  übrige  Architektur 
des  unteren  Geschosses  verschwunden  ist ,  von  diesem  abgegränzt ;  zwischen  seinen 
Bogenfenstern  aber  sieht  man  noch  verstümmelte  Backsteinpilaster  dorischer  Ordnung 
mit  Capital  und  attischer  Base  von 
Travertin.  Das  Gebälk  darüber  ist 
ebenfalls  aus  Backstein  und  mit  Stuck 
bekleidet;  stellenweise  sieht  man 
noch  die  Zahnschnitte  und  erkennt 
den  ionischen  Styl,  eine  Yerschmel- 
zung  dorischer  und  ionischer  Ele- 
mente, die  unter  den  römischen 
Bauwerken  keine  Seltenheit  ist.  Die 
beiden  äussersten  Bogenfenster  sind 
durch  Nischen  ersetzt,  von  denen 
die  letzte  eine  rechtwinkelige,  die 
zweite  eine  segmentförmige  Gestalt 
hat  und  oben  in  eine  Muschelwöl- 
bung endigt.  Von  Giebeln  über 
diesen  und  den  übrigen  Bogenfenstern  sieht  man  jetzt  nur  mehr  undeutliche  Spuren, 
ältere  Zeichnungen  und  eine  genauere  Untersuchung  zeigen  jedoch,  dass  diese  wirk- 
lich vorhanden  waren,  und  zwar  abwechselnd  von  abgerundeter  (segmentartiger)  und 
dreieckiger  Form,  lieber  diesem  zweiten  Geschosse  sehen  wir  an  der  beschriebenen 
Fronte  im  Inneren  des  Halbkreises  noch  eine  Mauer,  die  jedoch  zum  Theil  mittel- 
alteriich  und  von  aller  Architektur  entblösst  ist. 

Diesem  System  symmetrisch  entsprechend  fand  Canina^  bei  besonderen  Unter- 
suchungen auch  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  des  freien  Platzes  in  den  Kellern  der 
Häuser  zwischen  der  Via  de'  Chiavi  d'oro  und  der  Via  di  Marforio  Spuren  derselben  halb- 
runden Tribüne,  wonach  kein  Zweifel  ist,  dass  diese  beiden  Hemicyclen  mit  ihren 
Kammern  und  Corridoren  zur  Umfriedung  des  erwähnten  freien  Baumes  gehörten,  ohne 
dass  jedoch  über  den  Zweck  der  beschriebenen  Baulichkeiten  etwas  Näheres  angegeben 
werden  könnte. 


11.    Mosaik  von  der  L'iiifricduiif^  des  Traiaiiforuni.    (F.  R.) 


SMet 


*  L.  Canina,    Sulle   rccenti   scoperfc   del    foro  Traiano  e  della   basilica  LIpia.    Ann.  d.  I.  d.  C.  a.   XXIll. 
1831.    p.  131  —135. 


'174  r^'6  Kaiserfora. 

Die  nördliche,  in  dem  ausgegrabenen  Räume  der  Piazza  di  Colonna  Traiana  selbst 
grossentheils  sichtbare  Begrönzung  des  bisher  in  drei  Seiten  besprochenen  freien  Platzes 
wird  von  vier  Stufen  gebildet,  welche  zu  dem  übrigen,  durchaus  um  etwa  1  Met. 
höheren  Theile  der  ganzen  Anlage  führen.  Diese  Stufen  laufen  jedoch  nicht  in  einer 
Linie  über  die  ganze  Breite,  sondern  sind  durch  zwei  Einschnitte  unterbrochen,  wo- 
durch drei  vorspringende  Treppenabsätze  gebildet  werden,  welche  zum  Eingange 
dienten,  während,  den  Einschnitten  entsprechend,  noch  Spuren  von  einer  Mauer 
sichtbar  sind.  Einige  Säulenbasen,  die  sich  um  die  Treppenvorsprünge  herum  fanden, 
wurden  auf  denselben  selbst  angebracht ,  welcher  Platz  auch  zwar  keineswegs  sicher, 
doch  höchst  wahrscheinlich  ist;  die  Treppenabsätze  bildeten  dann  drei  kleine  Pronaos 
zu  dem  grösseren  Gebäude,  dessen  Anfang  und  Langseite  uns  sowohl  die  Treppe 
als  die  freilich  nicht  über  den  Boden  hervorragenden  Mauerspuren  bezeichnen.  In 
einer  Entfernung  von  1 21  Met.  von  den  Stufen  der  Vorsprünge  läuft  parallel  mit  diesen 
eine  Säulenreihe  quer  über  den  blossgelegten  Platz,  5  Met.  davon  eine  zweite,  25  Met. 
entfernt  eine  dritte,  und  nach  weiteren  5  Met.  eine  vierte  Säulenreihe,  die  also  einer 
doppelten  Porticus  und  zwar,  wie  man  aus  den  Mauerspuren  an  den  Treppeneinschnitten 
und  ähnlichen  an  der  gegenüberliegenden  Langseite  ersieht,  dem  Innern  eines  Gebäudes 
angehörten.  Die  beiden  Enden  dieser  Doppelporticus  hat  man  sich  unter  den  Häuser- 
reihen der  beiden  Langseiten  der  Piazza  di  Colonna  Traiana  zu  denken:  in  dem  aus- 
gegrabenen Platze  ist  nur  Raum  für  je  1 0,  mithin  in  den  vier  Reihen  für  40  Säulen. 
Von  diesen  hat  man  bei  der  Aufdeckung  noch  die  Marmorbasen  an  ihrem  Platze  ge- 
funden und  ihnen  die  bei  derselben  Gelegenheit  aufgefundenen  grauen  Granitschäfte 
in  Bruchstücken  von  verschiedener  Höhe  aufgesetzt.  Doch  scheint  man  damit  das 
Richtige  nicht  gethan  zu  haben.  Denn  es  ist  unwahrscheinlich,  dass  im  Innern  eines 
Gebäudes,  das  nach  den  aufgefundenen  Spuren  nur  mit  den  kostbarsten  Marmorarten 
geschmückt  war,  dessen  Stufen  sogar  Giallo  zeigten,  Granitsäulen  angebracht  waren, 
die  man  wegen  ihrer  Unverwüstlichkeit  sonst  nur  für  die  äusseren  Portiken  wählte. 
Auch  haben  sich  während  der  Ausgrabungen  mehre  Bruchstücke  von  canellirten  Giallo- 
säulen  gefunden,  die  ihrer  Grösse  nach  vollkommener  zu  den  Basen  passten,  als  die 
Granitschäfte.  Denn  die  Basen  haben  an  der  Platte  einen  Durchmesser  von  1,55  Meter, 
die  Gialloschäfte  unten  einen  Durchmesser  von  1,i2  Met.,  was  mit  der  Verengerung  der 
korinthischen  Basenringe  vollkommen  übereinstimmt.  Bruchstücke  von  wahrscheinlich 
dazu  gehörigen  korinthischen  Capitälen  sind  von  weissem  Marmor,  die  Fragmente  des 
Gebälkes  zeigen  besonders  den  Fries  mit  Laubornamentik  und  Genien  reich  verziert. 
Alle  diese  Reste  sind  an  den  Seitenmauern  der  Ausgrabung  angelehnt  zu  sehen.  Von 
dem  Paviment  des  Gebäudes  sind  jetzt  nur  mehr  wenige  Platten  verschiedenfarbigen 
Marmors  übrig.    Fünf  Met.  nordwestlich  von  der  letzten  Säulenreihe   sieht  man   noch 


Das  Forum  des  Traianus.  175 

die  Spuren  einer  Mauer,  welche  die  nordwestliche  Langseite  unseres  Gebäudes  bildete, 
und  zwar  nicht  mehr  über  den  Boden  sich  erhebt,  aber  doch  aus  den  Spuren  deutlich 
erkennen  lüsst,  dass  sie  nicht  wie  die  entgegengesetzte  durch  drei  Eingange  ge- 
gliedert ward,  sondern  nur  einen  Ausgang  in  der  Mitte  offen  hess. 

Diesem  Ausgange  steht  eine  gewaltige  Säule,  eines  der  berühmtesten  von  den 
uns  erhaltenen  Denkmälern  römischer  Grösse  und  Pracht,  in  einer  Entfernung  von 
{j^  Met.  gegenüber.  Auf  einem  unter  dem  Paviment  liegenden  Grundwürfel  erhebt  sich 
das  Piedestal  der  Säule ,  das  durch  eine  Platte  mit  Leisten  von  unten  gegliedert  und 
oben  von  einem  Garnies  begränzt  wird.  Im  Ganzen  misst  dieser  Sockel  5, 04  Met.  in 
der  Höhe,  5,5o  Met.  in  der  Breite.  Drei  Seiten  dieses  Marmorpiedestals  sind  ganz  mit 
Trophäen  in  Basrelief  bedeckt  und  bieten  ein  sehr  lehrreiches  Bild  sowohl  der  Be- 
waffnung der  Römer  als  der  nordischen  Barbaren  (Dacier) :  Bogen,  Köcher,  Pfeile  und 
Lanzen,  verschiedenartige  Schilde,  Helme,  Panzer,  Panzerhemden  von  Schuppen- und 
Drahtarbeit,  Kleider,  Fahnen,  Drachen  (barbarische  Feldzeichen,  zur  Zeit  Constantins, 
wie  wir  an  dem  Gürtelrelief  des  Constantinbogens  sehen  werden,  auch  bei  der  rö- 
mischen Reiterei  eingeführt) ,  Trompeten ,  krumme  und  gerade  Schwerter,  Beile,  Streit- 
kolben U.S.W.  Auf  der  vierten,  dem  Platze  zugekehrten  Seite  des  Piedestals  führt 
eine  1  Met.  breite  und  1, 90  Met.  hohe  Thüre  zum  Inneren  der  Säule.  Dieselben  Waffen- 
reliefs füllen  die  beiden  Seiten  neben  dem  Eingange;  über  diesem  aber  ist  die  von 
ebenfalls   relief  gearbeiteten  Genien   getragene  Inschrifttafel   angebracht.    Die  Inschrift 

'^"*^^ •  SENATVS    POPVLVSQVE    ROMANVS 

IMF   CAESARI    DIVi  •  NERVAE  F  NERVAE 

TRAIANO  AVG  GERM    DACICO   PONTIF 

MAXIMOTRIB    POT  XlT   IMF  vT    P.P 

AD    DECLARANDVM   QVANTAE  ALTITVDINIS 

MONS   ET  LOCVS   TANTis  operiBVS   SIT-  EGESTVS 

Auf  diesem  Sockel  liegen  zwei  Platten,  die  untere  0,66,  die  obere  0, 90  Met.  hoch. 
Um  die  untere  laufen  vier  Eichenkränze,  deren  Enden  von  vier  an  den  Ecken  der 
oberen  Platte  (Plinthus)  angebrachten  Adlern,  die  jedoch  jetzt  sehr  verstümmelt  sind, 
getragen  werden.  Auf  diesen  Platten  ruht  die  Base  oder  vielmehr  der  Wulst  der 
dorischen  Säule,  welche  einen  Lorbeerkranz  darstellt  und  aus  einem  einzigen  Stück 
von  5,10  Met.  im  Durchmesser  und  0,8?  Met.  Höhe  besteht.  Darauf  erhebt  sich  der 
herriiche  Säulenschaft  aus  23  Marmorstücken,  26,75  Met.  hoch,  unten  3, 70,  oben  3, 30  Met. 
im  Durchmesser.  Das  Capital,  aus  einem  Stück  gehauen,  besteht  aus  einem  Eierring 
und  ist  mit  der  Platte,  welche  auf  jeder  Seite  4,33  Met.  misst,  1,26  Met.  hoch.  Der 
Schaft  der  Säule  zeigt  in  22  spiralförmigen  Windungen  ein  fortlaufendes  Relief  mit  Dar- 
stellungen aus  den  dacischen  Kriegen  des  Kaisers  Traian.    Diesen  an  der  Säule  selbst 


.\'^Q  Die  Kaiserfora. 

zu  verfolgen,  wird  nicht  leicht  möglich  sein:  besser  und  bequemer  kann  man  sie  an 
dem  in  der  Academia  di  Francia  aufbewahrten  Gypsabdrucke  oder  in  den  bedeuten- 
deren darüber  erschienenen  Kupferwerken  besehen.''  Beginnen  wir  die  Betrachtung 
unten,  so  versetzt  uns  das  Relief  an  die  Ufer  der  Donau:  Palissadenbau,  kleine  Fluss- 
kastelle, Wachen.  Vorräthe  werden  über  einen  Fluss  geschafft,  und  ein  römisches  Heer 
zieht  über  eine  Schiffbrücke :  der  Flussgott ,  in  einer  schilfbewachsenen  Grotte  sitzend, 
scheint  mit  unmuthiger  Verwunderung  darauf  hinzusehen.  Die  Soldaten  tragen  ihr  Ge- 
päck an  den  Lanzenspitzen ,  den  Helm  mit  dem  Kinnband  an  die  Achsel  gehängt,  am 
linken  Arme  einen  viereckigen  gewölbten  Schild;  Arme  und  Beine  sind  nackt,  der 
Oberkörper  ist  mit  einem  Spangenpanzer  bedeckt.  Die  Feldzeichenträger  haben  nur 
einen  Lederpanzer  und  eine  Löwenhaut  über  Haupt  und  Schultern.  Auf  einem  er- 
höht gebauten  Platze  (sitggeshtm)  befindet  sich  der  Kaiser,  im  Gespräch  mit  den  Prä- 
fecten,  auf  einem  Lagerstuhle  sitzend.  Die  ringsum  aufgeführten  Pferde  sind  einfach 
gezäumt  und  ein  befranstes  Tuch  dient  als  Sattel.  Die  nächste  Scene  zeigt  den  Kaiser 
in  langer  Tunica,  mit  dem  Mantel  das  Haupt  halb  verhüllt,  und  eine  Schale  in  der 
Hand  haltend,  mit  welcher  er  eben  bei  der  Feier  der  Suovetaurilien  die  Libation 
bringt.  Dieses  Fest  hat  seinen  Namen  von  der  Opferung  dreier  Thiere,  eines  Schweines, 
Schafes  und  Stieres  [sus,  ovis,  tattrus).  Dann  hält  der  Kaiser  eine  Anrede  an  das  Heer; 
es  werden  feste  Plätze  angelegt.  Römische  Soldaten  schleppen  einen  gefangenen  Spion 
vor  den  Kaiser.  Erster  Zusammenstoss  mit  den  Barbaren.  Diese  sind  dieselben  Ge- 
stalten, wie  wir  sie  am  Constantinbogen  im  Grossen  sehen  werden,  mit  dichten  Barten, 
eine  Art  phrygischer  Mützen  auf  dem  Haupte,  in  anliegenden,  gegürteten  Oberkleidern 
und  weiten ,  am  Knöchel  gebundenen  Beinkleidern ,  darüber  die  Chlamys  (den  Kriegs- 
mantel); Speer,  Pfeil  und  Bogen  sind  die  vorzüglichsten  Waffen ,  ein  Drache  auf  einem 
Lanzenschaft  dient  als  Standarte.  Eine  Stadt  der  Barbaren  steht  in  Flammen  und 
bärtige  Köpfe  sind  auf  den  Mauern  aufgepflanzt.  Die  Römer  setzen  über  einen  Fluss ; 
Abgeordnete  kommen  ihnen  aus  einer  Stadt  entgegen  —  vergebens :  die  Barbaren 
werden  in  einer  Schlacht  besiegt,  die  Stadt  wird  eingenommen  und  in  Brand  gesteckt; 
Weiber,  Kinder  und  Greise  erhalten  freien  Abzug.  Die  nächste  Scene  gibt  Dacier  mit 
sarmatischen  Reitern  (Ross  und  Mann  ganz  mit  Schuppenpanzern  bedeckt)  im  Angriffe 
auf  eine  römische  Stadt,  welche  Säulenhallen  und  Tempel,  ja  selbst  ein  Amphitheater 
zeigt.  Der  Kaiser  führt  den  Belagerten  Unterstützung  an  Lebensmitteln  und  Mannschaft  zu 
und  die  sarmatischen  Reiter  werden  zurückgeschlagen.  Auch  die  Dacier  werden  über- 
wunden: die  Römer  führen  die  Kriegsbeute  auf  Wagen  davon,  und  ein  Theil  der  Feinde 


'  Colonna  Traiana,  dlsegnata  ed  intagliata  da  Pietro  Santi  Bartoli ,  con  l'esposizione  latina  d'Alfonso  Giac- 
cone  compendiata  da  Gio.  Pietro  Bellori.  Roma  1670.  —  Fabretti,  de  columna  Traiani  Syntagma.  Roma  1683 
&  1690.  —    Piranesi ,  Trofeo  o  sia  magnifica  colonna  cochlide  &c.     Romas,  a. 


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Das  Forum  des  Traianus.  177 

fleht  mit  Weib  und  Kind  um  Gnade.  Römische  Ballisten  (Wurfmaschinen) ,  von  Maul- 
thieren  gezogen,  würden  zu  dem  Interessantesten  der  ganzen  Reliefdarstelkmg  gehören, 
wenn  ihre  Gestalt  zu  erklären  oder  mit  der  schwierigen  Beschreibung  derselben  bei 
Vitruv  in  Einklang  zu  bringen  wäre.^  Eine  dritte  Schlacht  scheint  von  minder  gtmstigem 
Erfolg  zu  sein;  rachsüchtige  Barbarenweiber  martern  einige  gefangene  Römer  mit 
brennenden  Fackeln.  Das  römische  Heer  geht  über  eine  Schiffbrücke:  die  Mitführung 
der  Beute  deutet  hier  vielleicht  auf  einen  Rückzug.  In  einer  im  Bau  begritfenen  Nieder- 
lassung begeht  der  Kaiser  das  Fest  der  Suovetaurilien;  die  Römer  stecken  die  feind- 
lichen Wohnungen  in  Brand,  ein  Barbarenfürst  fleht  auf  den  Knien  um  Gnade.  Eine 
Abtheilung  der  Dacier  wird  in  einen  Wald  zurückgeworfen ,  umzingelt  und  nieder- 
gemacht, andere  retten  sich,  während  sich  jetzt  die  sarmatischen  Reiter  auf  Seite  der 
Römer  zeigen,  in  eine  Stadt,  gegen  welche  die  Römer  unter  dem  Schilddach  [tesiudo) 
anrücken.  Die  Dacier,  ihre  Fürsten  mit  der  befransten  Chlamys  an  der  Spitze  und 
hinter  ihnen  Weiber  und  Kinder,  unterwerfen  sich  dem  Kaiser :  die  Jugend  wird  unter 
die  römischen  Leichtbewaffneten  eingereiht.  —  In  der  Mitte  zwischen  zwei  Trophäen 
schreibt  Victoria  den  Sieg  auf  einen  Schild;  der  erste  Feldzug  ist  zu  Ende.  —  Die  Römer 
gehen  zu  einem  zweiten  Zuge  abermals  über  einen  Strom  (Donau) ;  vor  einer  prächtigen 
Stadt  (römische  Colonie)  wird  ein  Stier  geopfert.  Ein  Theil  der  Dacier  zieht  den  Rö- 
mern friedlich  und  mit  Freundschaftsanträgen  entgegen,  andere  werfen  sich  in  ihre 
Städte,  wieder  andere  greifen  die  Gastelle  der  Römer  an:  der  Kaiser  naht  zum  Entsatz. 
Ein  Opfer.  Im  Hintergrunde  sieht  man  eine  merkwürdige  Brücke  von  fünf  Steinjochen 
mit  Bogen  von  Holz  und  doppelten  Brückenwegen,  so  dass  zwei  Heeresabtheilungen 
zu  gleicher  Zeit  übereinander  die  Brücke  passiren  konnten.  Neben  dieser  Brücke  be- 
findet sich  eine  Stadt  mit  Tempeln  und  einem  Amphitheater.  Der  Kaiser  empfUngt  die 
barbarischen  Gesandten ,  Männer  in  fast  modernen  Weiberkleidern ,  andere  in  einem 
engen  Rocke,  gegürtet,  mit  Beinkleidern  und  einer  kegelförmigen  Kopfbedeckung. 
Der  Kaiser  führt  einen  Jüngling ,  der  auffallender  Weise  in  Friedenskleidern ,  nemlich 
in  der  Toga  erscheint  (Hadrian),  zu  einem  Altare.  In  einer  Stadt  werden  die  Suove- 
taurilien gefeiert ;  Ansprache  des  Kaisers  an  das  Heer.  Unter  den  Bundesgenossen  der 
Römer  befinden  sich  Amazonen,  weibhche  Bogenschützen  mit  langen  Gewändern  und 
ledernem  Panzer.  Die  Römer  schneiden  das  Getreide  vor  einer  Stadt ,  die  sie  belagern ; 
nach  vergebHchen  Unterhandlungen  machen  die  Bedrängten,  von  Hunger  getrieben, 
einen  Ausfall ,  werden  aber  zurückgeworfen,  und  nachdem  die  Römer  ein  Schirmdach 
gebaut,    zünden  die  Belagerten   ihre  Stadt  an;   ein  Theil  der  Einwohner  nimmt  Gift, 


'Vitruv.  X.  16  —  18.     Vgl.  Köchly  &  Rüstow,  Geschichte  des  griechischen  Kriegswesens.     Aarau  185*. 
S.  380  fg. 

F.  Rebe«,  die  lluinen  Korns.  23 


178 


Die  Kaiserfora. 


die  übrigen  verlassen  die  Mauern  und  werfen  sich  den  Römern  zu  Füssen.  Die  Beute 
wird  in  Säcke  gefüllt,  die  Fürsten  bitten  um  Gnade:  darauf  setzt  das  römische  Heer 
auf  einer  Brücke  über  einen  Fluss.  An  den  Schanzen,  bei  welchen  die  Vorposten 
schlafen,  vorüber  nähern  sich  die  Dacier  einem  römischen  Castell;  die  Belagerten 
schleudern  Steine  von  den  Mauern  und  schlagen  die  Feinde  zurück.  Ein  Theil  der 
Dacier  unterwirft  sich  und  bringt  grosse  Schätze  als  Lösegeld,  die  flüchtigen  jedoch 
werden  von  der  römischen  Reiterei  verfolgt  und  niedergemacht:  man  bringt  das  Haupt 
eines  Barbarenfürsten  vom  Verfolgungskampfe  zurück.  Andere  Flüchtlinge  werden  in 
den  Gebirgen  gefangen ,  in  denen  sich  ein  Hirsch  zeigt :  die  feindlichen  Wohnungen 
werden  in  Brand  gesteckt  und  die  Männer  gezwungen,  mit  Weib  und  Kind  auszu- 
wandern und  neue  Wohnplätze  zu 
suchen.  —  Damit  endigt  das  grosse 
Spiralrelief,  das  marmorne  Ge- 
schichtsbuch von  Traians  dacischen 
Kriegen.  Die  Figuren  sind  unten 
0,50  Met.  hoch,  wachsen  aber  unter 
dem  Capital  bis  zu  0,6o  Met.  und 
beweisen  dadurch  die  Sorgfalt,  mit 
welcher  die  antike  Kunst  der  opti- 
schen Verringerung  Rechnung  ge- 
tragen. Von  unten  bis  oben  sind 
auch  die  Figuren,  als  ob  sie  ganz 
in  der  Nähe  besehen  zu  werden 
bestimmt  wären,  mit  der  gleichen 
Exactheit  und  Sauberkeit  ausgeführt,  obwohl  deren  Unterscheidung  in  einiger  Höhe 
schlechterdings  unmöglich  war,  namenthch  anfangs,  als  sich  die  Zeichnung  in  der  blen- 
denden Weisse  des  Marmors  mehr  verlor.  Mit  Bezugnahme  auf  diesen  Umstand  war 
man  daher  einige  Zeit  lang  in  Folge  vermeintlicher  Entdeckungen  römischer  Archi- 
tekten^ der  Meinung,  dass  die  Säule  ursprünglich  in  verschiedenen  Farben  (polychrom) 
bemalt  gewesen  sei.  Doch  genauere  Untersuchungen^  haben  dargethan,  dass  die  an 
manchen  Stellen  sichtbare  gelbe  Kruste  ein  von  dem  Sonnenbrand  geförbter  Staub- 
niederschlag, das  Grün  an  den  Eiern  des  Capitäls  von  dem  an  der  Bronzestatue 
herabfliessenden  Wasser  herrührend,  und  das  Roth  von  den  eisernen  Klammern,  überhaupt 
die  ganze  Polychromie  von  den  Einflüssen  des  Regens,  Staubes  und  der  Sonne  erzeugt  sei. 


12.   Capitälstück  der  Traiansäule.  (Nach  Piraiiesi.) 


*  G.  Semper,  Colori  della  Colonna  Traiana.  Bulletino  d.  I.  d.  C.  a.  Vm.  Luglio  1833.  p.  92.  83. 
*  P.  Morrey,  sui  colori  altre  volte  veduti  nelle  sculture  della  colonna  Traiana.  Bull.  d.  I.  d.  C.  a.  III.  Marzo 
<836.    p.  39  — 41. 


Das  Forum  des  Traianus. 


179 


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V-^ 


Von  der  angegebenen  Thüre  im  Piedestal  führt  eine  in  den  Marmor  gehauene 
Wendeltreppe  von  185  Stufen,  die  durch  43  länglichte  Fensterchen  erhellt  wird,  zum 
Gipfel  der  Säule.  Dort  stand  auf  einem  besonderen  Piedestal  die 
vergoldete  Bronzestatue  des  Kaisers  Traian,  welche  nach  dem 
Verhältnisse  des  Piedestals  auf  etwa  4  Met.  in  der  Höhe  anzu- 
nehmen ist.  Jetzt  steht  statt  der  ursprünglichen  Kaiserstatue  auf 
einem  modernen,  cylinderförmigen  und  mit  einer  Base  gekrönten 
Marmorpiedestal,  welches  im  Ganzen  3,4o  Met.  hoch  ist,  das  fast 
4,80  Met.  hohe  Bronzestandbild  des  h.  Petrus  am  Gipfel  der  Säule. 
Das  ganze  Denkmal  misst  sohin  vom  Paviment  bis  zum  Fusse  der 
Statue  eine  Höhe  von  38,88  Met,  —  Noch  jetzt  gelangt  man  die 
antike  Wendeltreppe  im  Innern  der  Säule  emporsteigend,  auf  die 
Höhe  der  Gapitälsplatte,  welche  von  einem  Eisengitter  umsäumt 
ist  und  wegen  der  schönen  Rundsicht  häufig  bestiegen  wird. 

Wenn  wir  uns  jetzt  mit  dem  allgemeinen  Anblick  der  im- 
posanten Säule  begnügen  müssen  und  die  Spiraldarstellungen 
wegen  der  Entfernung  im  Einzelnen  nicht  verfolgen  können,  so 
war  das  im  Alterthume  nicht  ebenso  der  Fall.  Es  wurde  schon 
erwähnt,  dass  die  nordwestliche  Langseite  des  Gebäudes,  dessen 
Säulen  vorher  besprochen  wurden,  nur  6  J-  Met.  von  der  Triumph- 
säule abstand,  und  es  ist  mit  Sicherheit  anzunehmen,  dass  die 
Bogenöffnungen,  mit  denen  ein  zweites  Stockwerk  jedenfalls 
unterbrochen  sein  musste,  oder  die  Plattform  des  Daches,  wenn 
die  Seitenschiffe  kein  zweites  Stockwerk  hatten,  die  Besichtigung 
der  Säule  in  ziemlicher  Nähe  gestatteten. 

Diess  war  jedoch  nicht  bloss  von  dieser  Seite  möglich: 
denn  an  die  der  Säule  zugewendete  Langseite  schlössen  sich 
unmittelbar  zwei  andere  Gebäude  an,  welche  ihre  Fronte  eben- 
falls der  Säule  zukehrten  und  ebenso  weit  abstanden,  so  dass 
die  Säule   dadurch    von    drei    Seiten    eng   eingeschlossen   war.   i3.  Durchschnitt  der  Traianssuie. 

(Nach  Canin.'i.) 

Von  diesen  Gebäuden  ragt  zwar  nichts  über  den  Boden  empor, 

doch  war  es  möglich,  aus  den  Mauer-  und  Pavimentspuren  noch  einen  theilweisen 
Plan  aufzunehmen.  Sie  waren  verhältnissmässig  klein  und  an  der  Stirnseite  mit 
Portiken  geschmückt.  Nach  den  Spuren  am  Marmorpaviment  rings  um  die  Säule, 
das  noch  gut  erhalten  ist,  setzten  sich  diese  Portiken  auch  noch  um  die  vierte,  die  nord- 
westliche Säule  herum  fort,  so  dass,  was  allerdings  etwas  befremdet,  die  Säule  keines- 
wegs auf  einem  freien  Platze,  wie  jetzt,  stand,  sondern  auf  einem  sehr  engen  Räume 

23  • 


rp^y 


/|  gQ  Die  Kaiserfora. 

eingeschlossen  war,  welchen  jedoch  die  obere  Hälfte  überragte.  In  ihrer  totalen  Kolos- 
salität  konnte  sie  also  im  Alterthume  gar  nicht  wirken,  da  man  sie  nirgends  ganz  sehen 
konnte,  denn  von  zu  grosser  Nähe  aus  war  sie  nicht  ganz  zu  übersehen.  Hätte  man 
jedoch  das  gewollt,  so  wäre  es  ein  Leichtes  gewesen,  sie  mitten  in  dem  grossen  freien 
Raum  südwestlich  von  dem  Quergebäude  zu  errichten ;  allein  der  geniale  Meister,  der 
diese  Anlage  leitete,  empfand  wohl,  dass  eine  so  riesige  Säule,  ganz  freistehend,  trotz 
alles  Reliefschmuckes,  einen  kahlen,  ungegUederten  und  darum  unharmonischen  Eindruck 
machen  müsse,  wie  er  auch  namenthch  Angesichts  der  Antoniussäule  auf  Piazza  Colonna 
nicht  zu  leugnen  ist.  Der  griechische  Architekt  mochte  auch  fühlen,  dass  es  nie  die  Be- 
stimmung einer  Säule  sein  kann,  nur  eine  Statue  zu  tragen,  und  dass  ihr  Wuchs  und  ihre 
Ornamentik  damit  im  Widerspruche  steht.  Säulen  können  nur  als  gebälktragend  ihren 
naturgemässen  Zweck  erfüllen,  eine  anderweitige  Verwendung  derselben  aber,  und 
namentlich  einer  einzelnen,  lässt  sie  uns  immer  als  etwas  Spoliirtes  erscheinen.  Die  Ko- 
lossalität  vermehrt  nur  die  Schwierigkeit,  statt  sie  zu  verringern,  die  Ausladung  wird 
immer  breiter  und  kräftiger,  und  lässt  eine  noch  breitere  Last  erw  arten :  statt  dieser  folgt 
em  mageres  Statuenpiedestal,  nach  oben  sich  noch  mehr  verjüngend,  und  noch  schwächer 
ein  Standbild.  Des  Missverhältnisses  wohl  kundig,  suchte  daher  der  Architekt  es  ver- 
gessen zu  machen.  Der  Schaft  wurde  zum  Relief,  die  Säule  theilweise  verdeckt.  Seine 
Absicht  war,  dass  das  »Bild  des  Kaisers  seine  ganze  Schöpfung,  die  grosse,  herrliche  An- 
lage, weit  überragte,  und  das  wurde  vollkommen  erreicht.  Es  mochten  überdiess  wenige 
sein,  welche  den  Grund,  warum  der  griechische  Architekt  die  Säule  in  einen  so  engeij 
Raum  schloss,  mitempfanden,  denn  Ehrensäulen  waren  in  Rom,  namenthch  in  der  Kaiser- 
zeit, nichts  Ungewöhnliches. 

Bei  weiteren  Nachgrabungen  in  dem  Keller  des  Hauses,  das  jetzt  der  Säule  gegen- 
übersteht, förderte  man  kolossale  Granitsäulen  zu  Tage,  welche  zu  einem  von  den  ange- 
gebenen verschiedenen  Gebäuden  gehörten,  deren  wahrscheinliche  Bestimmung  unten  im 
Zusammenhange  noch  näherer  Erörterung  unterzogen  werden  wird. 

Ausser  diesen  baulichen  Ueberresten  fand  man  nicht  minder  interessante  Statuen- 
piedestale  bei  verschiedenen  Ausgrabungen  in  dem  Umkreis  der  beschriebenen  Anlage, 
mit  Namen  von  Traian  bis  auf  die  letzte  Zeit  der  römischen  Herrschaft.  Da  sie  in  ver- 
schiedener Richtung  Interessantes  bieten,  sollen  sie  hier  zusammengestellt  werden.  So  fan- 
den sich  i.J.  1813  drei  wohlerhaltene  Piedestale,  welche  die  Standbilder  des  Kaisers  Traian 
selbst  getragen  hatten,  wie  aus  der  folgenden  auf  allen  dreien  gleichlautenden  Inschrift  * 
hervorgeht: 


*■  C.  Fea,  Notizie  degli  Scavi  neu'  Aufitealro  Flavio  e  nel  Koro  Traiano.    Roma  1813.  —  G.  Fea,  Iscrizioni  di 
Monamenti  pubblici  trovati  nelle  attuale  escavazioni.    Roma  <813.  p.  12. 


Das  Forum  des  Traianus.  181 

S      P      Q      R 

IMP   CAESARI    DiVl 

NERVAE    F   NERVAE 

TRAIANO  •  AVGVSTO 

GERIMANICO    DACICO 

PONTIF   IVIAX  TRIBVNICIA 

POTEST  XVI    IMP   VI    COS    VI    P   P 

OPTIME    DE   REPVBLICA 

IVIERITO   DOlVI  I    FORISQVE 

Das  in  dieser  Inschrift  angegebene  Jahr  der  sechzehnten  Uebernahme  der  tribu- 
nicischen  Gewalt,  und  der  sechsten  des  Consulats  entspricht  dem  Jahre  1 1 2  n.  Chr.  Es 
waren  damals  sechs  Jahre  verflossen  seit  der  vollständigen  Unterwerfung  Daciens,  ein 
Zeitraum,  in  welchem  der  genannte  Kaiser  seine  Aufmerksamkeit  besonders  der  Her- 
stellung schadhafter  Staatsgebäude,  der  Errichtung  von  neuen  und  zunächst  der  Anlage 
seines  neuen  Forum  widmete ;  Anlass  genug  für  Bildsäulen  und  für  die  Betonung  der 
inneren  Verdienste  den  strategischen  gegenüber. 

Gleichzeitig  wurde  auch  ein  Fragment  einer  schon  früher  vollkommen  abgeschrie- 
benen Inschrift^  welche  den  auch  anderwärts  ^  erwähnten  Erlass  aller  Schulden  gegen 
den  Fiscus  durch  Hadrian  verewigte,  gefunden.  Das  jetzt  nördlich  von  der  Säule  in  der 
modernen  Umfangsmauer  eingemauerte  Fragment  scheint  jedoch  nicht  identisch  mit  dem 
Gruter'schen  Originale  sein  zu  können,  da  dieses  (a.  a.  0.)  als  an  oder  auf  Ponte  di  S. 
Maria,  jetzt  Ponte  rotte  oder  di  ferro,  befindlich  erwähnt  wird;  doch  waren  beide  In- 
schriften  wahrscheinlich   beinahe   gleichlautend,    so   dass   unser  Fragment  ^    wohl    zu 

ergänzen  ist : 

s.    P.    Q.    R. 

Iiiip  •  Caes  •  Divi  •  Traiani  •  Parlhici  •  F  ■  Divi 

Nervae.  ncp  •  TRAIANO  •  Iladriano  •  Aug  • 

Ponlif  •  IVIAX  ■  TRib  •  pot.  II.  Cos.  U 

QVI  •  PRimVS    OIVINium 

Principuni.  et.  s  OLVS  ■  REMITTENDo-  sestertium 

novies  ■  milüES  •  CENTENA  •  Millia  •  n 

debilum  •  fisci  •  non  •  praesentcs  •  modo  •  sed  -et 

posteros  •  suos  •  praeslilit  •  hao  •  liberalilate 

securos. 

Es  ist  zu  vermuthen,  dass  unser  Fragment  an  Ort  und  Stelle  gefunden  wurde, 
und  dass  es  der  ursprünglichen  Inschrift  angehörte,  von  welcher  vielleicht  mehre  Copien 
gemacht  wurden,  denn  am  Traianforum  war  es  ja  auch,  wo  nach  Spartian  (a.  a.  0.)  Ha- 
drian die  Schuldlisten  öffentlich  verbrennen  Hess,  und  so  war  auch  ftir  die  Aufstellung 
der  marmornen  Schulderlass-Urkunde  dort  der  passendste  Platz. 


'  Gruteri  Incript.  p.  X.  n".  6.  "  Dio  Cass.  LXIX.  8.       Script.  Hist.  Aug.  (Spartian.)  Hadr.  7.      Euseb. 

et  Cassiodor.    Chron.  (Roncalli,  Vet.  Lat.  Script.  Chron.    Tom.  I.  p.  451.    Tom.  II.  p.  199.)         '  Gruteri  Inscript. 
X.  n".  6.       J.  Boissard,  Romae  Urb.  Topogr.  4  597.    Pars  III.  fol.  109. 


/|  ^2  Die  Kaiserfora. 

Ein  weiteres  Piedeslal,  das  sich  schon  lange  Zeit  im  Palazzo  della  Valle,  jetzt 
Capranica,  befunden  hatte,^  i.  J.  1824  aber  seinem  ursprünghchen  Platze,  dem  Forum 
Traianum,  zurückgegeben  wurde,  enthält  folgende  Inschrift : 

FL   EVGENIO  •  V  C  •  EX  •  PRAEFECTO    PRAETORIO 

CONSVLI    ORDINARIO    DESIGNATO    IVIAGISTRO 

OFFICIORVIVI   OMNIVm    COmiTI   DOmESTICO 

ORDINIS    PRIIVII   OMNIBVSQ    PALATINIS 

DIGNITATIBVS   FVNCTO    OB    EGREGIA   EIVS 

IN    REIVIPVBLICAIVI    IVIERITA    HVIC 

D    D    N    N    CONSTANTIVS  VICTOR    AC 

TRIVIVIFATOR   SEIVIPER   AVGVSTVS    ET 

IVLIANVS    NOBILISSimVS    CAESAR 
STATVAIVISVB    AVRO    INFORO    DIVI 

TRAIANI    QVAM    ANTE   SVB    DIVO 

CONSTANTE    VITAE    ET  •  FIDELISSIMAE 

DEVOTIONIS    GRATIA    MERVIT 

ADPROBANTE   AfVIPLISSIIVIO   SENATV 

SVIVIPTV  •  PVBLICO    LOCO    SVO 

RESTITVENDAIVI    CENSVERVNT 

Die  allgemeinen  Verdienste  des  hiemit  gefeierten  Fl.  Eugenius  sind  nicht  näher 
nachzuweisen.  Die  Zeit  der  Herstellung  aber  ftillt  nach  den  in  der  Inschrift  selbst  ange- 
führten Bezeichnungen  zwischen  355,  in  welchem  Jahre  lulianus  Cäsar  ward,  und  361 
n.  Chr.,  in  welchem  Constantius  starb,  ursprünglich  errichtet  jedoch  ward  das  Denkmal 
kurz  vorher  von  Constans.  Was  eine  so  baldige  Wiederherstellung  des  Denkmals  nöthig 
machte,  ist  nicht  gesagt ;  merkwürdig  ist  die  Anführung  der  Localität  desselben,  nemlich 
des  Traianforum. 

Ein  anderes  Basament,  ebenfalls  i.  J.  1813  ausgegraben,  trägt  noch  den  Namen 
und  trug  einst  die  vergoldete  Bronzestatue  des  gelehrten  Helden  Fl.  Merobaudus,^  des 
berühmten  keltischen  Generals  des  Kaisers  Gratian.    Sie  lautet: 

Fl.  MerobAVDI    VS    COM    SC 
FL.  IVIEROBAVDI  AEQVE  FORTI  ET  DOCTO  VIRO  TAM  FACERE 

LAVDANDA  QVAM  ALIORVM  FACTA  LAVDARE  PRAECIPVO 

CASTRENSI  EXPERIENTIA  CLARO  FACVNDIA  VEL  OTIOSORVM 

STVDIA  SVPERGRESSO  CVI  A  CREPVNDIIS  FAR  VIRTVTIS  ET  ELO 

QVENTIAE  CVRA  INGENIVM  ITA  FORTITVDINI  VT  DOCTRINAE 

NATVIVI  STILO  ET  GLADIO  PARITER  EXERCVIT     NEC  IN  VIVIBRA 

VEL  LATEBRIS  IVIENTIS  VIGOREIVI  SCHOLARI  TANTVIVI  OTIO 

TORPERE  PASSVS     INTER  ARMA  LITTERIS  MILITABAT 

ET  IN  ALPIBVS  ACVEBAT  ELOQVIVIVI  IDEO  ILLI  CESSIT  IN  PRAEIVIIVM 


*  Gruten.  Inscript.  p.  CCCCVI.  n".  1.  *  C.  Fea,  Iscriz.  d.  Monumenti  pubbl.  p.  8  sq.       (Vergl.  S.  180, 

.Anm.  1.) 


Das  Forum  des  Traianus.  1  83 

NON  VERBENA  VILIS  NEC  OTIOSA  HEDERA  HONOR  CAPITIS 

HELICONIVS  SED  IIVIAGO  AERE  FORMATA  QVO  RARI  EXEIVIPLI 

VIROS  SEV  IN  CASTRIS  PROBATOS  SEV  OPTIMOS  VATVIYI 

ANTIQVITAS  HONORABAT  QVOD  HVIC  QVOQVE  CVIVl 

AVGVSTISSIIVIIS  ROMA  PRINCIPIBVS 

THEODOSIO  ET  VALENTINIANO  RERVIVI  DOIMINIS 

IN  FORO  VLPIO  DETVLERVNT  REMVNERANTES  IN  VIRO 

ANTIQVAE  NOBILITATIS  NOVAE  GLORIAE  VEL  INDVSTRIAIVI 

IVIILITAREIVI  VEL  CARMEN  CVIVS  PRAECONIO  GLORIA 

TRIVMFALI  CREVIT  IMPERIO 

An  der  linken  Seite  steht  das  Datum  der  Errichtung  des  Denkmals : 


DEDICATA     III  •  KAL    AVG     CONSS     DD     NN  • 
THEODOSIO  •  XV  •  ET  •  VALENTINIANO  •  IUI 

Trotz  des  oft  widrigen  Schwulstes  gehört  doch  diese  Inschrift  zu  den  interessan- 
testen der  hier  gefundenen.  Von  der  besonders  hervorgehobenen  literarischen  und  krie- 
gerischen Doppelthätigkeit  haben  wir  auch  sonst  gewichtige  Belege.  Noch  jetzt  besitzen 
wir  vier  kleinere  Gedichte  und  Bruchstücke  eines  Panegyricus  in  III.  consulatum  Aetii 
patricii,^  und  auch  in  kriegerischer  Beziehung  wurde  er  mehrfach  erwähnt. ^  Errichtet 
wurde  diess  Denkmal  jedoch  erst  52  Jahre  nach  seinem  Tode,  welcher  schon  in  das  Jahr 
383,  in  welchem  er  zum  zweitenmale  das  Consulat  bekleidete,  föllt.^ 

Zwei  andere  Piedestalinschriften  wurden  erst  i.  J.  1849  aufgefunden:  die  eine 
davon  trägt  den  Namen  des  Fl.  Sallustius :  * 

FL.  SALLVSTIO    VC 
CONS  •  ORDINARIO 
PRAEF  •  PRAET  •  COMITI 
CONSISTORII  •  VICARIO 
VRBI  •  ROMAE  •  VICARIO 
HISPANIARVM     VICARIO 
QVINQ  •  PROVINCIARVIVI 

PLENO  •  AEQVITATIS 
AC  •  FIDEI  •  OB  •  VIRTVTIS 
MERITORVMQ     GLORIAM 
MISSIS  •  LEGAT     IVS    SAC 
HISPANIAE     DICAVERVNT 


An  der  Seite 


DEDICATA     V  •  KAL     IVN 
DIVO  •  lOVIANO    AVG  •  ET  •  VARRONIAN 
COSS 


*  ed.  B.  G.  Niebuhr.    Bonn.  4  824.  —  recogn.  J.  Becker.    Bonn.  1836.  *  Idat.  Cliron.  Ol.  CCCV.     {Ron- 

calli,  Vet.  Lat.  Script.  Chronica.    Tom.  II.  p.  30.)         ^   Tillemont,  Hist.  des  Kmp.    Venise4782.  Tom.  V.  p.  182. 
•  G.  Henzen,  Bullet,  d.  Inst.  d.  C.  a.  IX.   Sett.  4  849.  p.  4  41. 


Die  Kaiserfora. 
Weitläufiger  und  interessanter  ist  die  zweite,  welche  den  Nicomachus  Flavianus 


feiert : 


NICOMACHO     FLAVIANO     CONS     SICIL     VICAR     AFRIC     QVAEST    AVLAE 

DIVI     THEODOSI     PRAEF     PRAET     ITAL     ILLYR     ET     AFRIC     ITERVIVl 

VIRTVTIS     AVCTORITATISQ     SENATORIAE     ET     IVDICIARIAE     ERGO  * 

REDDITA     IN     HONOREIVl  •  FILII  •  NICOMACHt     FLAVIANI     CÖISIS  •  CAMP 

PRCCONS     ASIAE     PRAEF     VRBI     SAEPIVS     NVNC     PRÄEF"    PRÄET 

ITALIAE     ILLYRICI     ET     AFRICAE 

IIVIPERATORES  •  CAESS     FL     THEODOSIVS     ET     FL  •  PLACIDVS  •  VALENTINIANVSi, 

SEMPER  •  AVGG     SENATVI  •  SVO  •  SALVTEM 

CLARORVM     ADQ     INLVSTRIVM  •  IN     REP     VIRORVIVI     ADVERSVM     CASVS  •  CONDICIONIS 

HVMANAE     INTERPOLATVM  •  ALIQVATENVS     ADSERERE     HONOREM     ET     MEMORIAM 

DEFVNCTI  •  IN     LVCEM  •  publicam  •  REVOCARE     EMENDATIO     QVAEDAM     EIVS  •  SORTIS 

VIDETVR  •  QVAE  •  PRAEIVDIC'um  •  damnVMQ  •  eminenlium  •  VIRTVTVM  •  EXSISTIMATVR 

BONO      NOBISCum   PC  fausloq  •  omine  intelleKÜlS      PROFECTO  •  QVIDQVID  •  IN  •  RESTI 

TVTIONEM  •  honoris  •  ac  •  nominiS  •  INLVSTRIS  •  ET     SANCTISSIMAE     APVT  OMNES  RECOR 

DATIONIS     FLAVIANI     SENIORIS  ADIMVS     DIVt     AVI  •  NOSTRI     VENERATIONEM     ESSE 

Sl     EVM     QVEM     VIVERE     NOBIS    SERVARIQ     VOBIS     QVAE     VERBA     EIVS     APVT     VOS     FVtSSE 

PLERIQ     MEMINISTIS     OPTAVIT    SIC     IN     MONVMENTA     VIRTVTVM     SVARVM  •  TITVLOSQ      REVO 

CEMVS    VT    QVIDQVID    IN    ISTVM  •  CAECA  •  INSIMVLATIONE    CONMISSVM    EST  •  PROCVL    AB    EIVS 

PRINCIPIS    VOTO     FVISSE    IVDICETIS    CVIVS    IN    EVM    EFFVSA    BENIVOLENTIA    ET    VSQ  •  AD    AN 

NALIVM  *  QVOS    CONSECRARI     SIBI     A     QVAESTCRE     ET    PRAEFECTO    SVO    VOLVIT    PROVECTA 

EXCITAVIT     LIVOREM     INPROBORVM  •  NVNC     Sl     APVT     VOS     ABVNDE     CAVSAS     PIAETATIS 

ADSTRVXIMVS     ACCIPITE     ALIVD     QVOD  •  DE     VESTRIS     IN     ILLVM     SENSIB  •  ET     PROVINCIAR 

OMNIVM     IVDICIIS     MVNIAMVR     QVIB-  PER     ILLVM     LOCVPLETIORIS     ADHVC  •  REI  •  P 

BONA    VEL    ADSERVATA    VEL    ETIAM    AVCTA    TANTVM    ET    APVT    NOS    REVERENTIAE    CONTVLE 

RVNT  •  VT     QVOD     HCDIE     FACIMVS     IN     PECTORIB     ET     SENSIB     VESTRIS     ABSQ     INTERPELLA 

TIONE    VLLA  •  MEDIAE     OBLIVIONIS     FVISSE     NOVERIMVS    EX    QVO    QVIDEM    IPSO    NON    MINVS 

MEMORIAE     ILLIVS     QVAM     NOBIS     P.~C  •  SVPRA     OMNIA  •  PRAESTITISTIS     VT     NON     INMERITO 

PATIENTIAE     VESTRAE     GRATIAS     AGAMVS    NE     QVID  •  ERGA    RESTITVTIONEM     HONORIS    EIVS 

ADMONITI    POTIVS    QVAM    SPONTE    FECISSE   VIDEAMVR    CVM    ALIOQVI    IPSE  •  ETIAM  •  DE    INSTITV 

TIONE     ILLIVS     PROBATVS     SAEPE     NOBIS     PARENTIBVSQ     NOSTRIS  *  FLAVIANI     FILIus  ei 

HONOR    SEMIPLENVS     ETIAM     SVB     PRAEFECTVRAE     PRAETORIANAE    APICE    QVEM     PROVIDE"iia 

ET    INDVSTRjA  SVA   COTTIDIE   AVGET   DELATVS   EXSISTIMETVR   NISI    INTEGER  TANDEM    ET   ABSQ    ullo 

feLIGIOSI    MVNERIS    DEBITO    TOTIVS    DOMVS  •  EIVS     FAMILIAEQ    SIT  •  GAVDETE  •  ERGO    NOBIScum 

P  C  OPTIMO    IMPERII    NOSTRI    OPERE    VT    NOBISCVM    RECOGNOSCITIS    ET •  REDDITAM    VOBIS    Et 

PATRIAE     SENATORIS     EIVS     MEMORIAM     ET     DIGNITATEM     PROBATE     CVIVS     CONSORTio 

CLARIORES  •  FVISTIS     ET     IN     POSTERIS     EIVS     EADEM     APVT     NOS     REVERENTIA     VIGETIS  » 

APPIVS     NICOMACHVS     DEXTER  VC    EXPRAFF     VRB     AVO     OPTIMO 

STATVENDAM    CVRAVI 

Der  inschriftliche  Styl  aus  der  Zeit  des  Theodosius  und  Valentinian,  dieser  weit- 
läufige und  langathmige  Schwulst,  wie  er  an  diesem  Beispiele  besonders  sichtbar  wird, 
ist  sehr  lehrreich  durch  den  Contrast  mit  dem  knappen  und  wuchtigen  Lapidarstyl  der 


Das  Forum  des  Traianus.  1  85 

Inschiiften  einer  besseren  römischen  Zeit,  und  höchst  charakteristisch  für  die  Aenderung 
der  Sitten.  Die  Inschrift  im  Einzelnen  zu  beleuchten,  würde  zu  weit  führen :  eine  ein- 
gehende, 80  Seiten  umfassende  Erörterung  derselben  hat  der  berühmte  Rossi  gehefert.'' 

Ausser  diesen,  deren  Piedestale  sich  noch  erhalten  haben,  musste  noch  eine  be- 
deutende Anzahl  anderer  Standbilder  von  Römern  aus  später  Kaiserzeit  auf  dem  Forum 
gestanden  sein,  von  welchen  die  gelegentlich  gefundenen  Inschriften  zumeist  in  Abschrift 
erhalten  sind:  so  die  Standbilder  des  Bassäus  Rufus  und  des  M.  Pontius  Latianus  Larcius 
Sabinus  aus  der  Zeit  des  M.  Aurel,  des  Anicius  Paulinus  (Cons.  334),  des  L.  Aurelius 
Avianus  Symmachus  vom  Jahre  377,  des  Anicius  Auchenius  Bassus  (Präf.  Urb.  383), ^ 
des  Dichters  Claudianus  (um  400),  des  Fl.  Anicius  Petronius  Maximus  (Präf.  Urb.  420), 
Sidonius  Apolhnaris  (Präf.  Urb.  468)  und  andere. ^ 

Namen  und  Zweck  der  Anlage,  deren  Ueberreste  wir  eben  betrachtet  haben, 
können  nicht  zweifelhaft  sein.  Die  oben  angeführte  Inschrift  der  kolossalen  Säule,  welche 
diese  als  von  dem  Kaiser  Traian  errichtet  bezeichnet,  erwähnt  die  grossen  Erdarbeiten 
und  Abgrabungen,  welche  an  dieser  Stelle  vorgenommen  wurden,  um  die  für  die  gross- 
artige Anlage  des  Kaisers  nöthige  Ebene  zu  gewinnen,  und  gibt  die  Säule  selbst  als 
Maassstab  für  die  Höhe  des  abgetragenen  Bergrückens  an.  Dieser  musste  der  Verbin- 
dungsrücken zwischen  dem  capitolinischen  und  quirinalischen  Hügel  gewesen  sein,  und 
mag  allerdings  in  der  Nähe  der  Arx,  da  wo  jetzt  der  Berg  hinter  S.  Maria  in  Araceli 
schroff  abföllt,  eine  so  bedeutende  Höhe  gehabt  haben.  Die  Wahrheit  der  inschriftlichen 
Angabe  aber  geradezu  lächerlich  zu  finden,  wie  man  in  neuerer  Zeit  häufig  gethan  hat, 
oder  sie  nur  für  einen  Theil  des  Denkmals,  wie  namentlich  für  die  Höhe  des  Piedestals,* 
gelten  zu  lassen,  haben  wir  keinen  Grund,  um  so  weniger,  als  ein  classischer  Geschicht- 
schreiber ^  die  Angabe  der  Inschrift  in  noch  unzweideutigerer  Art  bestätigt.  Dio  Cassius 
erklärt  auch  die  Säule  als  ein  Denkmal  der  für  die  Anlage  des  Traianforum  nöthigen  Ab- 
grabungsarbeiten,  wonach  es  denn  in  Verbindung  mit  den  Angaben  auf  den  übrigen  Piede- 
stalinschriften,  besonders  des  Merobaudes  und  Nicomachus,  welche  die  Statuen  selbst 
»auf  dem  Traianforum«  errichtet  nennen  und  hier  gefunden  wurden,  vollkommen  klar  und 
sicher  ist,  dass  wir  in  den  beschriebenen  Resten  das  Forum  des  Traianus  vor  uns  haben. 

Die  näheren  Nachrichten,  die  wir  über  diese  Anlage  im  Allgemeinen  und  im  Ein- 
zelnen besitzen,  stimmen,  wie  auch  der  Styl  der  architektonischen  Ornamentik  und  der 


*  G.  B.  de  Rossi,  Iscrizione  onororla  di  Nicamaco  Flaviano  (mit  Facsiniile  und  Bemerkungen  von  B.  Bor- 
ghesi).  Annal.  d.  I.  d.  C.  a.  Bd.  XXI.  1849.  p.  183  —  263.  [Ich  schrieb  die  Wörter  abweichend  vom  Originale, 
getrennt.  #  bezeichnet  muthmassliche  Auslassungen  des  Steinmetzen.  In  der  12.  Zeile  ergänzt  Rossi  »summum- 
que   detrimentum«.]  '  Corsini,  Ser.  Praef.  ürb.    Pis.  1766.    p.  275.  '  Grut.  Inscr.  p.  CCCLXXV.   n".  1. 

CCCCLVII.  n».  3.  CCCLIII.  n».  4.  CCCLXX.  n«.  3.  Fabretti,  Inscr.  R.  1702.  CIL  n«.  225.  CCCXCI.  n".  5. 
CGGCXLIX.  n».  7.  (Vergl.  S.  192,  Anm.  4  u.  7.)  *  Beschreibung  der  Stadt  Rom  (ürlichs).  Stuttg.  u.  Tüb.  1838. 
Bd.  III.  Abth.  2.  p.  362.  »  Dio  Cass.  LXVIII.  16. 

F.  Rbbbr  ,  Die  Ruinen  Roms.  24 


\^Q  Die  Kaiserfora. 

Sculpturen  dieser  Epoche  entspricht,  mit  der  Disposition  der  Ueberreste  überein.  Die 
Beispiele  seiner  Vorgänger  hatten  dem  Traian  gezeigt,  dass  ein  Forum  nicht  so  fast  ein 
zum  öfFenthchen  Leben,  zu  Versammlungen,  Gerichten  u.  s.  w.  bestimmter  Raum,  als 
vielmehr  ein  Denkmal  der  kaiserlichen  Macht  und  Herrlichkeit  sein  sollte.  Diese  Idee 
repräsentirten  die  Fora  des  Cäsar,  Augustus,  Vespasian  und  Nerva.  Traian's  Prachtliebe 
wusste  dagegen  dieses  Bestreben  seiner  Vorgänger  mit  dem  öffentlichen  Nutzen  mehr  in 
Einklang  zu  bringen  und  suchte  seinem  Bau  auch  eine  so  grosse  Ausdehnung  zu  geben, 
dass  die  Anlage  den  Anforderungen  an  ein  Geschäftsforum  auch  wirkUch  entsprach,  und 
sowohl  durch  seine  Grösse  und  Allseitigkeit  eine  weitere  für  alle  Zukunft  überflüssig 
machte,  als  auch  durch  seine  Pracht  von  aller  Nachahmung  abschreckte.  Der  Kaiser  fand 
auch  an  dem  Architekten  Apollodoros  von  Damascus  einen  trefflichen  Meister  zur  Aus- 
fuhrung seines  grossartigen  Planes,  welcher  gewiss  einen  grossen  Theil  der  Regierungs- 
zeit des  Traian  in  Anspruch  nahm.^  Dass  jedoch  der  Anfang  an  den  Grundbauten  schon 
unterDomitian,^  und  zwar,  wie  mit  übertriebener  Genauigkeit  angegeben  wird,^  in  dessen 
zehntem  Regierungsjahre  gemacht  worden  sei,  klingt  nicht  recht  glaublich,  und  ich 
möchte  wohl  eine  Verwechselung  mit  dem  Nervaforum,  das  Domitian  nicht  bloss  begann, 
sondern  nahezu  vollendete,  fiir  die  Grundlage  dieser  Angabe  der  späteren  Chronisten 
erklären. 

Was  nun  die  Gestalt  der  Anlage  betrifft,  so  ist  eine  systematische  Beschreibung 
derselben  aus  dem  Alterthume  nicht  auf  uns  gekommen  und  wir  erlangen  von  ihren  ein- 
zelnen Bestandtheilen  nur  gelegentliche  und  keineswegs  vollkommen  genügende  Kunde, 
wenn  sie  auch  in  Verbindung  mit  dem  Thatbestand  der  Ruinen,  mit  Münzen  und  einigen 
Fragmenten  des  antiken  capitolinischen  Planes  nothdürftig  ausreicht,  die  Disposition  in 
der  Hauptsache  zu  erklären.  Nach  den  zerstreuten  Erwähnungen  aber  lassen  sich  fünf 
Hauptbestandtheile  des  Forum  unterscheiden:  Zunächst  die  Area*  oder  das  atrium  fori, 
in  welchem  in  der  Mitte  und  allein  die  Reiterstatue  des  Kaisers  stand, ^  also  offenbar  ein 
freier  Platz,  das  Forum  im  engeren  oder  eigentlichen  Sinne  des  Wortes.  Dass  ferner  die 
Basilica  des  Traian,^  welche  auf  den  Münzen  und  auf  dem  capitolinischen  Planfragmente 
nach  dem  Familiennamen  des  Kaisers  Ulpia  genannt  wird,  auf  diesem  Forum  gestanden, 
wird  zwar  nirgends  angegeben,  kann  jedoch  nicht  bezweifelt  werden.  An  demselben 
Forum  gründete  Traian  auch  eine  Doppelbibliothek,  "^  welche  mit  dem  nach  seinem  Tode 
von  Hadrian  erbauten  grossen  Tempel  des  Traian  in  Verbindung  genannt  wird.^  Ausser- 


'  Dio  Cass.  LXIX.  4.        *  Aurel.  Vict.  Caess.  <3.  —  Eiiseb.  Chron.  a».  92.  p.  Ch.    (Rone.  tom.  I.  p.  443.)  — 
Prosperi  AquitaYii  Chron.    (Rone.    tom.  I.  p.  571.)  '  Cassiodori  Chron.    (Rone.  tom.  II.  p.  ^91.)        *  A.  Gell. 

N.  A.  XIII.  24,  2.         "  Ammian.  Marcell.  XVI.  <0.         *  Seript.  H.  A.   (Lamprid.)  Commod.  1.       Eekhel,  Doetr. 
num.  vet.   Pars  II.    Vol.  VI.  p.  432.  433.  ^  Dio  Cass.  LXVIII.  4  6.       Eckhei.    Vol.  VI.   p.  464.  *  A.  Gell. 

XI.  17.  1. 


Das  Forum  des  Traianus.  ]  87 

dem  ist  noch  von  den  Portiken  des  Forum  die  RedeJ  welche  ohne  Zweifel  den  grössten 
Theil  der  Anlage  umgaben  und  die  Umfriedungsmauer  verkleideten.  Diese  Portiken 
gaben  natürlich  Anlass,  kleinere  Räume,  namentlich  Kammern,  an  sie  anzureihen  und  die 
Einfassungsmauern  dadurch  zu  unterbrechen,  wie  wir  diess  an  der  erstbeschriebenen 
halbkreisförmigen  Ausweitung  gesehen  haben.  Das  Gebälke  der  Portiken  aber,  wie  die 
Giebel  der  Gebäude  derselben  waren  mit  vergoldeten  Bildsäulen,  Reiterbildern  und  Feld- 
zeichen gekrönt.^ 

Der  Area  oder  dem  atrium  fori,  nach  der  angezogenen  Stelle  des  Ammianus  (S.  1 86, 
Anra.  5)  ein  unbesetzter,  grosser  Raum,  der  in  der  Mitte  das  kaiserliche  Reiterbild  hatte, 
entspricht  ohne  Zweifel  der  theilweise  blossgelegte,  freie  Platz,  südöstlich  von  den  vier 
Säulenreihen.  Dass  dieser  Raum  gross  und  von  stattlichen  Hallen  umgeben  war,  zeigt 
uns  nicht  bloss  Ort  und  Gestalt  der  beschriebenen,  halbzirkeligen  Ueberreste,  welche  im 
Munde  des  Volkes  den  angeblich  aus  der  falschen  Bezeichnung  Bagni  di  E.  Paolo  ent- 
standenen Namen  Magnanapoh,  der  noch  der  anliegenden  .Strasse  verblieben  ist,  erhalten 
haben,  sondern  auch  eine  bekannte  Anekdote,  welche  Ammianus  (a.a.O.)  überliefert:  Als 
nemlich  der  Kaiser  Constantius  Rom  besuchte  und  unter  den  Prachtwerken  daselbst 
besonders  das  Traiansforum  bewunderte,  soll  er  von  diesem  Alles  für  unnachahmlich 
gefunden  und  gestanden  haben,  dass  er  nur  das  in  der  Mitte  stehende  Reiterbild  nachzu- 
ahmen vermöge.  Dagegen  soll  der  Perser  Hormisda  eingewendet  haben :  Ehe  du  den 
Auftrag  gibst,  ein  solches  Pferd  zu  verfertigen,  lass  auch  einen  solchen  Stall  bauen,  wie 
diesen,  damit  auch  dein  Pferd  einen  ebenso  geräumigen  Platz  habe.  —  Dieser  freie  Raum 
war  also  der  eigentliche  Platz,  das  Forum  im  engeren  Sinne.  Zu  diesem  führte,  wahr- 
scheinlich in  der  Mitte  und  vom  Augustusforum  her,  ein  Triumphbogen,  vielleicht  derselbe, 
dem  der  Constantinbogen  den  grössten  Theil  seiner  Sculpturen  verdankt.  Mit  diesem 
Platze  scheint  auch  eine  Notiz  vom  Ende  des  16.  Jahrhunderts^  zu  stimmen,  nach  wel- 
cher man  bei  der  Traiansäule  und  zwar  in  der  Gegend,  welche  nach  einem  die  Entklei- 
dung des  Erlösers  darstellenden  Gemälde  in  der  Kirche  S.  Salvadore  oder  S.  Maria  in 
Campo  Carleo  (beide  Namen  bezeichnen  eine  und  dieselbe  Kirche)  vormals  Spolia  Christi 
genannt  wurde,  die  Spuren  eines  Triumphbogens  mit  Reliefresten  und  ähnlichen  t)acier- 
statuen,  wie  sie  die  Attika  des  Constantinbogens  schmücken,  gefunden  hatte.  Unser  Be- 
richterstatter scheint  jedoch  nur  die  Sculpturreste  geprüft  zu  haben,  wie  er  diess  auch 
behauptet,  und  nahm  es  wahrscheinlich  mit  den  bauhchen  Ueberresten  nicht  sehr  genau. 
Hinsichtlich  der  Sculpturen  aber  erhielt  die  Notiz  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  eine 
weitere  Bestätigung :    denn  im  Jahre  1813  fand  man  und  zw  ar  im  Mittelschiff  der  Ruine 


'  Sidon.  Apollin.  Panegyr.  in  Prise.  Valerian.  Praef.  v.  8.        *  A.  Gell.  XIII.  24.1.        *  Flaniinio  Vacca,  Memorie 
di  varie  anlichitä  &c.  1594.  n".  9.    (C.  Fea,  Miscellanea  filologica  critica  e  antiquaria.    Roma  1790.  p.  LVI.  sq.) 

24* 


I  gg  Die  Kaiserfora, 

mit  den  vier  Säulenreihen  abermals  verstümmelte  Ueberreste  derselben  Dacierstatuen  von 
Pavonazetto,  deren  Verhältnisse  nur  ein  vs^enig  kleiner  sind,  als  bei  den  am  Constantin- 
bogen  befindlichen J  Auch  glaubte  Fea  einen  anderen  Unterschied  hinsichtlich  der  Arbeit 
zu  erkennen,  w^elche  ihm  bei  den  letzteren  sorgfältiger  zu  sein  schien.  Dass  diese  Funde 
von  ein  und  demselben  Gebäude  und  zwar  von  einem  Triumphbogen  seien,  ist  nicht 
wahrscheinlich.  Wir  können  auch  nicht  wohl  mehre  traianische  Triumphbogen  gleicher 
Art  an  demselben  Forum  annehmen :  wenn  aber  der  eine  schon  abgetragen  wurde,  um 
die  Materialien  zum  Constantinbogen  zu  liefern,  was  leider  mehr  als  wahrscheinlich  ist, 
so  erscheint  es  schon  bedenklich,  später  gefundene  Reste  demselben  Denkmale  zuzu- 
schreiben, besonders  unräthlich  aber,  wenn  der  Fundort  die  Annahme  eines  Triumph- 
bogens nicht  zulässig  macht.  Da  übrigens  alle  Giebel  der  Gebäude  des  Forum  von  Bild- 
säulen, Trophäen  u.  dergl.  strotzten,^  und  man  sicher  auch,  wie  die  Säule  beweist,  den 
Reliefschmuck  nicht  sparte,  so  könnten  ja  Dacier  und  Reliefs  auch  von  einem  anderen 
Gebäude  derselben  Anlage  herrühren,  lieber  die  ursprüngliche  Existenz  und  Gestalt 
eines  Triumphbogens  am  Forum  Traianum  aber  werden  wir  durch  eine  Münze  unter- 
richtet, welche  mit  der  Umschrift  ^ 

S  P  Q  R  -  OPR  -  sc  -   FORVIVI  TRAIAN 

ein  solches  Denkmal  zeigt,  das  nur  einen  Durchgang,  aber  sechs  Säulen  auf  einer  Seite 
hatte.  Auf  der  sichtbaren  Seite  befinden  sich  auch  unten  vier  Aediculen,  welche  wahr- 
scheinlich Statuen  in  Nischen  enthielten,  darüber  vier  (vielleicht  fünf  —  wenn  der  Kreis 
über  dem  Durchgang  nicht  vielmehr  einen  Bogenschlüssel  darstellen  soll)  Medaillon-Reliefs, 
und  darüber,  die  Attika  gliedernd,  sieben  Felder,  von  denen  das  grössere  in  der  Mitte 
wohl  die  Inschrift,  die  anderen  aber  Reliefs  enthielten.  Die  Attika  krönt  ein  Sechsgespann 
vor  dem  Wagen  des  Triumphators  und  sechs  Krieger.  Die  Medaillons  und  die  Relieffelder 
in  der  Attika  erinnern  zwar  an  die  Sculpturen  des  Constantinbogens,  im  Uebrigen  ist 
jedoch  die  Gestalt  beider  Denkmale  doch  so  verschieden,  dass  von  einer  blossen  Ver- 
setzung, wie  sie  Flaminio  Vacca  (a,  a.  0.)  für  eine  »gewisse  Sache«  hält,  keine  Rede  sein 
kann,  wenn  auch  die  Bestandtheile  und  die  Verhältnisse  grösstentheils  vom  Traiansbogen 
entnommen  sind.  Von  den  an  den  Eingangsbogen  sich  anschliessenden  Umfriedungs- 
portiken kennen  wir  den  geraden  Theil  nicht,  und  nur  die  südöstliche  halbkreisförmige 
Ausweitung,  welche  mit  ihren  Kammern  bereits  beschrieben  worden  ist.  Ueber  den 
Zweck  dieser  Kammern  können  nur  Vermuthungen  ausgesprochen  werden,  unter  denen 
jedoch  die  auf  des  älteren  San  Gallo  Ansicht  gestützte,  nach  welcher  hierin  ein  Haupt- 


'    C.  Fea,  Notizie  degli  Scavi  neir  Anfiteatro  Flavio  e  nel  Foro  Romano.   Roma  1813.    p.  13.  '    Vergl. 

S.  187,  Anm.  1. 


I 


Das  Forum  des  Traianus. 


189 


Wachtposten  und  ein  Waffenmagazin  zu  erkennen  wäre, ^  die  unwahrscheinlichste  sein 
dürfte.  Weit  natüriicher  ist,  an  die  Geschäftslocale  von  Notaren  oder  an  anderen  der- 
artigen Gebrauch  zu  denken.  Die  oberen  Räume  mochten  vielleicht  ganz  überflüssig  sein, 
allein  die  Höhe  der  Umfriedung  war  an  dieser  Seite  desshalb  so  bedeutend ,  weil  sie  zu- 
gleich als  Substruction  des  nicht  unbedeutend  abgeböschten  Quirinalis  dienen  musste. 

Dieses  Forum  im  engeren  Sinne  wurde  aber  nordwestlich  von  einem  länglichen 
Gebäude  von  der  anderen  Hälfte  der  traianischen  Prachtanlage  geschieden.  Jenes  oben 
beschriebene,  quer  zwischen  dem  freien  Platze  und  der  Triumphsäule  liegende  Ge- 
bäude mit  den  vier  Säulenreihen,  zu  welchem  von  der  area  weg  die  besprochenen 
Stufen  führen,  kann  nur  als  die  Basilica  Ulpia  betrachtet  werden,  welcher  es  auch 
durch  Form  und  Ausdehnung  entspricht.  Zwei  Fragmente  ^  des  antiken  Planes  im  ca- 
pitolinischen  Museum,  von  denen  das  eine,  gleichwohl  theilweise  ergänzt,  die  Buch- 
staben BAS  IL  und  das  andere,  dessen  Säulenstellung  mit  dem  ersten  vollkommen 
übereinstimmt,  das  Wort  VLPIA  zeigt,  und  welche  zu  verbinden  merkwürdigerweise 
erst  Canina^  vorschlug,  stellen  die  Annahme  mit  dem  Thatbestand  in  vollsten  Einklang. 


14.    Die  Basilica  Ulpia.    (Fragmenl  des  capilolinischeti  Planes.)    (F.  R.) 
( 

Der  wichtige  Umstand,  dass  hier  die  Buchstaben  verkehrt  erscheinen,  darf  nicht  als 
etwas  Zuftilliges  erscheinen,  denn  um  den  Plan  unserer  Orientirung  anzupassen,  musste 
man  ihn   so  stellen.     Bei  Anfertigung  dieses  Planes   dachte  man   sich   nemlich   nicht, 


*  Beschreibung  der  Stadt  Rom    (Bunsen).    Bd.  III.  2.  Abth.  p.  <69  f. 
menta  vestigü  veteris  Romae.    (Graev.  Thes.  A.  R.  tom.  IV.  p.  <955  sq.) 
R.  1831.   p.  17».    (4.  Ediz.    R.  4860.  p.  260.) 


*  tab.  VI  &  XVI.       Bellorii  frag- 
Canina,  Indicaz.  topogr.  d.  R.  a. 


^90  I^*®  Kaiserfora. 

wie  diess  jetzt  allgemein  üblich  ist,  Norden  oben  und  Süden  unten,  sondern  gerade 
umgekehrt,  eine  Beobachtung ,  die  für  die  Verwendung  der  Fragmente  nicht  ohne  Be- 
deutung ist.  Dieselbe  Wahrnehmung  wird  man  auch  bei  den  Fragmenten  vom  Tempel 
der  Concordia  und  vom  Tempel  des  Saturn  und  der  Basilica  lulia  schon  gemacht  haben, 
beim  Plane  des  Pompeiustheaters  und  der  Porticus  der  Octavia  mit  ihren  Tempeln  aber 
noch  machen.  Das  grössere  der  beiden  hiehergehörigen  Fragmente  zeigt  an  seinem 
Ende,  das  etwa  der  Via  di  Magnanopoli  entspricht,  eine  halbrunde  Tribüne,  die  noch 
zur  Basilica  zu  gehören  scheint,  mit  dem  Namen  LI  BERTATIS  und  Stücke  der  Um- 
friedungsmauer zu  beiden  Seiten.  Auch  die  Erklärung  der  Bezeichnung  Libertatis  er- 
scheint nicht  unpassend,  wenn  Canina  (a.  a.  0.)  darauf  eine  Dichterstelle  bezieht,^ 
nach  welcher  die  Ceremonie  der  Freilassung  auf  dem  Traianforum  vollzogen  zu  werden 
pflegte.  Die  auf  dem  Plane  ausserhalb  der  Tribüne  sichtbaren  schrägen  und  unter  sich 
meist  parallelen  Linien  scheinen  Privatgebäude  auf  dem  Quirinalis  darzustellen.  Nörd- 
lich von  der  Basilica  sieht  man  ausserdem  noch  ein  tempelartiges  Gebäude  mit  Säulen- 
stellung im  Innern  und  einer  Porticus  gegen  die  leider  nicht  mehr  angezeigte  Säule 
hin.  Leider  ist  gerade  dieses  Stück  ergänzt  und  lässt  also  hinsichtlich  der  Richtigkeit 
namentlich  in  der  Grösse  Zweifel  übrig,  doch  bei  der  übrigen  Regelmässigkeit  der 
ganzen  Anlage  darf  das  als  sicher  angenommen  werden,  dass  diesem  Gebäude  auf 
der  entgegengesetzten  Seite  ein  gleiches  gegenüberstehen  musste,  und  dass  die  Säule 
zwischen  beiden  ziemlich  eng  liegenden  sich  in  der  Mitte  befand.  Wirklich  hat  man 
schwache  Spuren  der  Mauern  dieser  Gebäude  und  namentlich  von  ihren  der  Säule 
zugewendeten  Portiken  an  der  von  dem  antiken  Plane  angezeigten  Stelle  gefunden  und 
hält  sie  für  die  »beiden«  Bibliotheken, ^  was  allerdings  auch  das  Wahrscheinlichste  ist. 
Da  ferner  diese  Bibliotheken  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  dem  Tempel  des 
Divus  Traianus  genannt  werden,^  so  muss  der  Tempel,  welchen  Hadrian  seinem 
Vorgänger  weihte,*  in  derselben  Gegend  gesucht  werden.  Die  Existenz  desselben 
und  der  angegebene  Platz  werden  bestätigt  durch  die  Angabe  der  Notitia,^  in  welcher 
Tempel  und  Säule  nebeneinander  genannt  werden.  Was  nun  den  Platz  desselben  be- 
trifft, so  ist  es  kaum  zu  bezweifeln,  dass  er  an  der  nordwestlichen  Gränze  der  An- 
lage gesucht  werden  muss ,  da  die  Symmetrie  des  Ganzen  keine  andere  Annahme  er- 
laubt. Zu  diesem  scheinen  auch  die  Reste  von  kolossalen  Granitsäulen  zu  gehören, 
welche  man,  wie  erwähnt,  in  den  Kellerräumen  des  Hauses  zwischen  den  beiden 
Kirchen  an  der  Nordwestseite  des  Platzes,  S.  Maria  di  Loreto  und  Nome  di  Maria,  und 
der  dahinterhegenden  Gebäude  gefunden  hat.    Die  Gestalt  dieses  Tempels,  der  nach 


'  Sidon.  Apollin.  Panegyr.  in  Antem.  v.  544  sq.         *  Sidon.  Apollin.  ep.  IX.  16.  carm.  v.  27  sq.         'V 
S.  186.  Anm.  8.         •  Script.  H.  A.   (Spartian.)  Hadr.  -19.         »  Curios.  Urb.  Rom.  Reg.  VIII. 


Das  Forum  des  Traianus.  i  91 

den  gefundenen  Architekturresten  jedenfalls  von  bedeutender  Grösse  gewesen  sein 
musste,  wird  gewöhnlich  einer  Münze  entnommen,  welche  jedoch  die  Sache  mehr 
verwirrt  als  aufgehellt  hat.  Diese  Münze  zeigt  nemlich  den  Kopf  Traians  mit  der 
Angabe  seines  5.  Consulats,  also  856  d.  St.  (103  n.Chr.)  und  auf  der  Kehrseite  das 
Bild  eines  Tempels  korinthischer  Ordnung  und  oktastylos,  umgeben  von  einem  Te- 
menos,  der  durch  eine  dreiseitige  Porticus  abgeschlossen  ist.  Die  Umschrift  lautet: 
s  P  Q  R  OPTIMO  PRiNCiPi  SC.  Die  Schwierigkeiten,  welche  diese  Münze  darbietet,  ver- 
anlassten Becker,  in  die  Aechtheit  derselben  Zweifel  zu  setzen. ^  Dagegen  ist  nur  zu 
erinnern,  dass  es  noch  kein  hinlänglicher  Grund  sei,  eine  Antiquität  als  unächt  zu 
bezeichnen,  wenn  man  sie  nicht  zu  erklären  weiss,  dass  einige  Exemplare  derselben 
Münze  vorliegen  und  dass  sie  wenigstens  kein  neues  Fabrikat  sein  kann,  da  sich 
schon  bei  Piranesi,^  was  vielleicht  von  Becker  übersehen  worden  ist,  eine  Abbildung 
derselben  findet;  man  müsste  denn  noch  weiter  combiniren,  der  phantasievolle  Pira- 
nesi  habe  unter  seine  Münzabbildungen  auch  eine  Münze  eigener  Erfindung  gezeichnet 
und  man  habe  diese  als  Folie  für  eine  Fälschung  benutzt ,  sei  aber  mit  der  Kopfseite 
etwas  ungeschickt  verfahren.  Die  Münze  ist  nemlich  offenbar  eine  Erinnerung  an  die 
Einweihung  eines  Tempels,  der  einem  Kaiser  erbaut  worden,  wie  die  Umschrift  be- 
sagt. Da  jedoch  diese  Einweihung  in  das  Jahr  103  n.  Chr.  fiel,  als  Traian  sein  fünftes 
Consulat  bekleidete,  mithin  1 4  Jahre  vor  seinem  Tode,  so  ist  nicht  daran  zu  denken, 
dass  wir  hier  den  Tempel  des  Divus  Traianus  vor  uns  haben  können,  den  notorisch 
Hadrian  weihte  und  überschrieb  (S.  186,  Anm.  8),  ganz  abgesehen  davon,  dass  man 
keinem  Kaiser  vor  seinem  Tode  —  in  Italien  —  einen  Tempel  baute. ^  Wir  wissen 
aber  von  Traian,  dass  er  seinen  Adoptivvater  Nerva  durch  Tempel  ehrte,*  und  Nie- 
mand anderem  als  diesem  konnte  die  Ueberschrift  noptimo  'principia  gelten.  Ich  be- 
greife aber  nicht,  warum  dieser  Tempel  gerade  auf  das  Traianforum  gezwängt  werden 
soll,  von  w^elchem  Gedanken  Bunsen,  Becker  und  Canina,  wie  überhaupt  die  her- 
vorragendsten Topographen  seit  Piranesi  befangen  zu  sein  scheinen.  Wo  der  Tempel 
des  Divus  Nerva  gestanden,  wissen  wir  nicht,  am  Forum  Ulpium  wenigstens  konnte 
er  nicht  sein  und  wird  auch  dort  nicht  erwähnt,  während  sicher  der  von  Hadrian 
erbaute  Traiantempel  sich  daselbst  befand. 

So  viel  von  den  Einzelnheiten  dieses  Forum.  Das  Ganze  konnte  nur  im  weiteren 
Sinne  Forum  genannt  werden ,  denn  verstand  man  darunter  einen  von  Gebäuden  innen 
freien  und  nur  nach  aussen  damit  umsäumten  Platz ,  so  entsprach  nur  die  Area  südöst- 
lich von  der  Basilica  diesem  Namen.  Diese  aber  schloss  als  ein  Querbau  das  Forum  im 


'  Becker,  Handb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  I.  p.  381.  *  Piranesi,  Trofeo  o  sia  magnifica  coionna  coclide 

di  marmo  &c.    s.  a.  tav.  II.        '  Dio  Cass.  LI.  20.         *  Piin.  Panegyr.  34. 


j  92  Die  Kaiserfora. 

engeren  Sinne  ab,  und  von  der  nordwestlich  liegenden  Hälfte  der  ganzen  Anlage  war 
nur  ein  geringer  Theil  freier  Raum.  Die  Basilica  selbst  diente  zum  Durchgang,  was 
auch  keineswegs  störte,  denn  für  die  Gerichte  waren  nur  die  beiden  Enden  des  Ge- 
bäudes bestimmt,  in  deren  Hemicyclen  die  Tribunale  der  Richter  sich  befanden.  Da 
es  aber  keineswegs  die  Absicht  des  Architekten  sein  konnte,  durch  die  Basilica  die 
nordwestliche  Hälfte  dem  Anblicke  ganz  zu  entziehen,  so  dürfen  wir  sie  auch  nicht 
nach  dem  Muster  anderer  angelegt  denken,  welche  ein  bei  weitem  höheres  Mittelschiff 
haben.  Ich  glaube  desshalb  auch  nicht,  dass  nach  vitruvischer  Darstellung  die  Seiten- 
schiffe aus  zwei  Stockwerken  bestanden,  was  überhaupt  bei  dem  fünfschiffigen  Bau 
Schwierigkeiten  machen  würde.  Wahrscheinlich  hatte  der  Bau  wie  gleiche  Säulen,  was 
wir  sehen ,  so  auch  gleiche  Höhe ,  und  es  gibt  der  Arten  genug ,  nach  welchen  auch 
bei  dieser  Breite  die  Bedachung  so  gegliedert  werden  konnte,  dass  sie  keinen  un- 
schönen und  plumpen  Eindruck  machte.  Auf  keinen  Fall  aber  konnte  Apollodor  jenes 
scheunenartige,  hohe  und  plumpe  Gebäude  mitten  in  die  prachtvolle  Anlage  hinein- 
stellen, welche  wir  auf  den  meisten  Restaurationen  finden. 

Die  Vollendung  des  Forum,  namentlich  aber  der  Triumphsäule  erlebte  Traian 
nicht  mehr.  Diese  sollte  aber  wie  sein  Sieges-  so  auch  sein  Grabdenkmal  sein:  seine 
Asche  wurde  in  einer  goldenen  Urne  in  der  Grabkammer  am  Fusse  des  Piedestals 
beigesetzt.*  Hadrian  vollendete  die  ganze  Anlage  namentlich  durch  die  Erbauung  des 
Traiantempels.^  Die  weiteren  Nachrichten  sind  ungemein  spärlich;  einiger  gelegentlichen 
Erwähnungen  wurde  bereits  gedacht,  die  hervorragendste  findet  sich  bei  Ammianus 
Marcellinus  (S.  186.  Anm.  5)  bei  der  Beschreibung  des  Besuches,  den  Constantius 
der  Hauptstadt  machte.  Damals  scheint  die  Prachtanlage  noch  ziemlich  intact  gewesen 
zu  sein;  die  Ausbeutung  derselben  fiir  den  Constantinbogen  war  auch  kaum  empfindlich. 
Die  ulpischen  Büchersammlungen  hatten  allerdings  schon  einmal  nach  den  diocletiani- 
schen  Thermen  wandern  müssen,^  allein  es  scheint,  dass  sie  wieder  auf  ihren  früheren 
Platz  zurückgebracht  worden  seien.*  Die  Erwähnung  wissenschaftlicher  Zusammenkünfte 
und  poetischer  Vorträge  auf  dem  Traianforum  (wohl  zunächst  in  den  Räumen  der 
Bibliothek)^  am  Ende  des  sechsten  Jahrhunderts,  die  Vornahme  der  Manumission  in 
der  Basilica  Ulpia  kurz  vorher,^  wie  die  Errichtung  der  Statue  des  Dichters  Sidonius 
Apollinaris  in  derselben  Zeit"^  lassen  schliessen,  dass  noch  am  Anfange  des  siebenten 
Jahrhunderts  das  Forum  im  Gebrauche  und  wohl  auch  fast  in  seinem  ursprünglichen 
Glänze  erhalten  gewesen  sei.    Noch  im  achten  Jahrhundert  preist  Paulus  Diaconus  die 


'  Dio  Cass.  LXIX.  2.  Aurel.  Viet.  Epit.  Eutrop.  VIII.  f.  Cassiodor.  Chron.  (Rone.  tom.  II.  p.  200.) 
*  Vgl.  S.  <90.  Anm.  4.  *  Script.  H.  A.  (Vopisc.)  Prob.  2.  *  Sidon.  Apollin.  ep.  IX.  i6.  carm.  v.  27  sq.  Vgl. 
die  folg.  Anm.  '  Venant.  Fortunat.  Lib.  III.  23,  v.  7  sq.  *  Sidon.  Apollin.  Panegyr.  ad  Antem.  v.  544  sq. 
^  id.  ep.  IX.  46.  carm.  v.  25  sq.  Vgl.  Anm.  4. 


Das  Forum  des  Traiaiius.  ]  93 

bekannte  Pracht  desselben  bei  Erzählung  der  Geschichte  von  der  Befreiung  der  Seele 
Sdes  »besten  Kaisers«  aus  der  Hölle,  welche  dem  Papst  Gregor  dem  Grossen  auf  dem 
Platze  selbst  durch  die  Kraft  seines  Gebetes  gelungen  sein  sollJ  Man  würde  jedoch 
irren,  nach  Paulus  Diaconus  allgemeinem  Ausdrucke  sich  die  Anlage  in  seiner  Zeit  noch  in 
unberührtem  Glänze  zu  denken,  denn  schon  um  d.  J.  663  unter  Papst  Vitalianus  war  alle 
Bronze  der  Stadt  von  den  Dächern  der  öffentlichen  Gebäude  und  von  den  meisten  Piede- 
stalen  durch  Kaiser  Constans  II.  oder  Constantin  III.  nach  Syracus  geschafft  worden,  um 
von  da  nach  Constantinopel  geführt  zu  werden. ^  Doch  die  byzantinischen  Kaiser  hatten 
für  sich  vergebens  geplündert:  die  ganze  Beute  fiel  im  J.  669  bei  der  Einnahme  von 
Syracus  in  die  Hände  der  Saracenen,  welche  sie  nach  Alexandria  brachten.^  Dass  die 
vergoldeten  Bronzestatuen,  welche  »allenthalben  die  Giebel  am  ganzen  Traianforum 
schmückten«,  einen  wesentlichen  Theil  dieser  Beute  ausmachten,  ist  nicht  zu  bezweifeln, 
auch  ist  nicht  bekannt,  dass  man  nur  einen  Bronzeüberrest  aus  dem  Schutte  gewühlt 
hätte.  Da  indess  zur  Zeit  des  Paulus  Diaconus  das  Forum  noch  »in  wunderbarer  Pracht« 
bestand,  so  scheint  diese  Plünderung,  selbst  wenn  sie  sich  auf  die  Dächer  erstreckte, 
keine  unmittelbar  zerstörenden  Folgen  gehabt  zu  haben.  Doch  noch  vor  dem  Jahre  1000 
muss  es  durch  eine  unbekannte  Katastrophe,  wahrscheinlich  durch  Brand,  wie  die  Spuren 
bei  der  Ausgrabung  gezeigt  haben,  verwüstet  worden  sein,  was  auch  in  dem  Jahrhundert 
tiefster  Barbarei  für  Rom,  dem  zehnten,  als  die  Herrschaft  der  Theodora,  Marozia,  des 
Alberich  und  Johann  XII.  die  Stadt  mit  ihren  Greueln  erfüllte,  leicht  geschehen  konnte, 
ohne  dass  man  das  Ereigniss  der  Aufzeichnung  für  besonders  würdig  hielt.  Im  Jahre  1 003 
wird  schon  unter  den  Trümmern  rings  um  die  Säule  ein  mit  Bäumen  besetzter  Garten 
erwähnt*  und  am  Fusse  der  Säule  erhob  sich  eine  Kirche,  S.  Niccolo,  welche  im  J.  1032 
zum  erstenmale  erwähnt  wird.  Die  Säule  selbst  erscheint  zwar  noch  unter  dem  richtigen 
Namen  des  Traianus,  das  einst  so  prächtige  Forum  aber  hatte  den  Namen  Campus  Ka- 
loleonis  erhalten,  über  dessen  Entstehung  nichts  bekannt  ist.  Bald  darauf  aber  finden  sich 
die  Ruinen  der  Basilica  palatium  Hadriani  genannt  und  auch  die  Säule  wurde,  obwohl 
der  obere  Theil  der  Inschrift  selbst  noch  in  weit  späterer  Zeit  über  dem  Schutte  sich  be- 
fand, demseüjen  Kaiser  zugeschrieben,^  während  die  Ruinen  des  kleinen  Nervaforum 
den  Namen  forum  Traiani  ^  oder  palalium  Traiani '  erhielten !  Erst  Petrarca  legte  der 
Traiansäule  wieder  den  rechten  Namen  bei,^  was  jedoch,  da  noch  im  15.  Jahrhundert  die 
Inschrift  theilweise  blosslag,^  kaum  als  ein  Verdienst  zu  betrachten  ist.  Schon  im  12.  Jahr- 


*  PauI.Diac.  Vita  S.  Gregorii  Magni.  17.  *  Anastas.  Biblioth.  de  vit.  pontif.  Rom.  1718.  (Vit.  Vitaliani)  tom.  I. 
p.  132.  *  Id.  Vit.  Adeobati.  —  Paul.  Diac.  de  gest.  Longob.  10.  11.  13.  *  Galletti,  del  Primicero  delia  Santa 
SedeApostolica.  R.  1776.  p.  233.  *  Martin.  Polon.  Chron.  Vgl.  S.  110.  Anm.  3.  Die  Baseler  Ausgabe  von  1559,  in 
welcher  der  topogr.  Abriss  abgedruckt  sein  soll,  ist  mir  nicht  zur  Hand.  *  Ordo  Romanus  v.  1143.  (Mabillon, 
Mus.  Ital.  tom.  II.  p.  132.  142.  U3.)  ^  Pietro  Mallio  (Mabillon  II  p.  161).  *  Epp.  Farn.  Lib.  II.  6.  '  Poggii 
Florentini  de  fortunae  varietate  urbis  Romae  et  de  ruina  eiusdem  descriptio.    Opp.    Bas.  s.  a.  p.  131—137. 

F.  Reber,   die  Ruinen  Roms.  25 


y|  94  Die  Kaiserfora. 

hundert  scheinen  jedoch  ausser  der  Säule  alle  übrigen  Gebäude  des  Forum  in  Schutt  ge- 
sunken und  das  kostbare  Material  geplündert  gewesen  zu  sein :  doch  die  Säule  selbst  zu 
beschädigen,  ward  bei  Todesstrafe  verboten J  Diesem  rühmlichen  Erlass  in  einer  Zeit, 
deren  Barbarei  sonst  an  eine  Erhaltung  antiker  Ueberreste  nicht  denken  liess,  verdanken 
wir  die  Erhaltung  des  prächtigen  Denkmals.  Wie  es  aber  rings  herum  aussah,  mögen  wir 
daraus  ersehen,  dass  die  im  Ordo  Romanus  beschriebene  Procession  des  Jahres  1143 
einen  bedeutenden  Umweg  machte ,  um  die  Schwierigkeiten ,  welche  den  geraden  Weg 
durch  Traians  Prachtanlage  versperrten,  zu  umgehen.  Allmählig  jedoch  wich  die  Un- 
wegsamkeit des  Trümmermeeres  den  Anstrengungen ,  welche  man  aufbot ,  die  Gegend 
für  Gärten  nutzbar  zu  machen,  und  als  diese  den  neuen  Boden  geebnet,  wurde  der  Raum 
wieder  zur  eigentlichen  Stadt  gezogen.  An  die  Klöster  schlössen  sich  Privatgebäude  an, 
es  entstanden  Strassen ,  und  der  neue  Stadttheil ,  freilich  dorfähnlich  im  Vergleich  zur 
vorigen  Pracht,  dehnte  sich  immer  weiter  südwestlich  aus,  bald  auch,  wie  oben  be- 
schrieben worden  ist,  die  anstossendeij  Fora  des  Augustus,  Cäsar,  Nerva  und  Vespasian 
tiberwuchernd  und  gleichwohl  auch  einen  grossen  Theil  der  noch  vorhandenen  Ueberreste 
verschlingend.  Als  man  im  1 6.  Jahrhundert  für  die  schöne  Kirche  S.  Maria  di  Loreto,  ein 
Werk  des  älteren  Sangallo ,  den  Grund  grub ,  fand  man  unter  verschiedenen  Ueberresten 
namentlich  kolossale  Säulenstücke,  und  noch  in  der  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  sah  man 
neben  dieser  Kirche  zwei  verschüttete  Säulen  von  ungeheurem  Umfang,  welche  den 
riesigen  Granitschäften  entsprechen  dürften,  die  von  den  Ausgrabungen  dieses  Jahrhun- 
derts zu  Tage  gefördert  wurden  und  jetzt  in  der  Nähe  der  Triumphsäule  liegen.  Rings 
um  die  Säule  aber  bildete  sich  allmälig  ein  kleiner  Platz ,  der  dadurch  noch  verschönert 
wurde ,  dass  Sixtus  V.  die  an  die  Säule  anstossenden  Gebäude  abtragen  und  durch  Do- 
menico Fontana  das  ganze  Piedestal  biossiegen  liess.  Die  Ausgrabung  wurde  durch  eine 
Mauer  auf  den  vier  Seiten ,  von  denen  aber  jede  nur  1 5  Met.  mass ,  abgeschlossen  und 
dadurch  der  blossgelegte  antike  Boden  vor  dem  nachrollenden  Schulte  geschützt.  Statt 
des  wahrscheinlich  unter  Constans  II.  verschwundenen  Standbildes  des  Traian  aber  liess 
Sixtus  die  vergoldete  Kolossalstatue  des  Apostels  Petrus,  welche  nach  dem  Modelle  des 
Leonardo  Sorman  und  Tommaso  della  Gorta  von  Sebastiano  Torrigiani  in  Bronze  ge- 
gossen worden  war,  auf  dem  Gipfel  der  Säule  aufstellen. 

Bei  den  Neubauten  von  Häusern  und  Kirchen  wurden  hin  und  wieder  Marmor- 
und  Sculpturreste  ausgegraben,  so  das  Gebälkstück,  aus  welchem  Michael  Angelo  auf 
Befehl  des  Papstes  Paul  III.  das  Piedestal  fertigte ,  auf  welches  er  am  Capitol  das  von 
der  Piazza  Lateranense  hierher  versetzte  Reiterbild  des  Marc  Aurel  stellte ;  ^  die  Dacier, 
deren  bereits  Erwähnung  geschah,  von  welchen  zwei  jetzt  im  Museo  Borbonico  zu  Neapel 


*  Galletti,  Primicero  p.  323  sq.        *  Fl.  Vacca,  Memorie  &c.  no.  18.   (C.  Fea,  Miscell.  p.  LXII.) 


Gez  v.Filel)er 


VerLii'^  vT.Ü.Wei^el  iiileipzi^  Lith.Anstv.WLoei!lot  in  Berlin 


Traiansiule 


Das  Marsfeld.  195 

(Erdgeschoss)  und  ein  dritter  auf  einem  Treppenabsatz  des  Palazzo  Colonna  (Piazza  de' 
SS.  Apostoli)  sich  befinden,  und  ein  schönes  fragmentirtes  Relief,  wahrscheinlich  die  Ein- 
weihung der  Säule  des  Traian  oder  Hadrian  darstellend  (Vatican.  Museum)  u.  a. 

Während  der  Herrschaft  der  Franzosen  in  Rom  am  Anfang  dieses  Jahrhunderts, 
die  zu  den  überhaupt  bedeutendsten  Ausgrabungen  wenigstens  die  Anregung  gab,  wenn 
auch  bei  einigen  ihre  beschränkte  Zeit  es  nicht  gestattete,  sie  wirklich  und  vollständig 
auszuführen ,  wurde  beschlossen ,  das  ganze  Forum  so  weit  wie  möglich  blosszulegen. 
Napoleon  I.  hatte  den  Plan  begierig  aufgenommen,  und  schon  im  J.  1812  wurde  der 
Häuserstock ,  welcher  innerhalb  des  jetzigen  Platzes  lag ,  sammt  den  Kirchen  und  Con- 
venten  S,  Spirito  und  S,  Eufemia  demolirt  und  eine  Fläche  von  105  M.  Länge  und 
öO  M.  Breite  blossgelegt.  Als  im  J.  1814  Papst  Pius  VH.  aus  seiner  Verbannung  zurück- 
kehrte, Hess  er  die  Ausgrabung,  soweit  sie  bisher  gediehen  war,  mit  einer  Mauer  um- 
geben, welche  zugleich  der  modernen  Strasse  ringsum  zur  Substruction  dienen  sollte, 
und  diese  mit  einem  soliden  Geländer  begränzen ,  was  eine  in  diese  Mauer  an  der  Süd- 
ostseite eingelassene  Inschrifttafel  besagt.  Aus  dieser  Zeit  ist  auch  die  Aufstellung  der 
Granitsäulentrümmer  auf  den  Basen  der  Basilica,  wie  überhaupt  der  ganze  Bestand  auf 
diesem  Platze :  an  den  beiden  Seiten  jedoch  wurden  erst  im  J.  1 849  unter  Canina's  Leitung 
weitere  Nachforschungen  .unternommen,  von  deren  Erfolgen  schon  oben  gesprochen 
worden  ist. 


IV.    Das  Marsfeld. 

Der  nordwesthche  Theil  des  Traianforum,  namentlich  der  Tempel  des  Traian 
überschritt  bereits  die  Gränze  der  alten  Stadt,  wie  sie  Servius  Tullius  durch  seine  Mauer 
gegeben  hatte,  und  ragte  schon  in  die  Ebene  hinaus,  welche  nördhch  vom  Capito- 
linus  und  Quirinalis  und  westlich  vom  Collis  Hortorum ,  dem  heutigen  Monte  Pincio ,  bis 
an  den  Fluss  hin  sich  ausdehnt.  Ein  Blick  auf  die  Karte  überzeugt  uns,  dass  diese  Ebene 
jetzt  entschieden  den  Haupttheil  der  Stadt  bildet,  und  während  gerade  der  bevölkertste 
Theil  des  alten  Rom  nur  spärlich  mit  grossentheils  armseligen  Stadtquartieren  besetzt 
und  meist  von  einsamen  Klöstern  oder  weitläufigen  Villen,  Nutzgärten  und  Weinbergen  ein- 
genommen ist,  drängte  sich  die  moderne  Bevölkerung  hier  in  einer  Weise  zusammen,  dass 
es  schwer  wird,  sich  in  dem  Gewirre  von  krummen  und  engen  Strassen  zurechtzufinden. 
Es  lässt  sich  in  der  That  kaum  ein  grösserer  Contrast  finden,  als  er  sich  durch  den 
Vergleich  des  Marsfeldes  in  seiner  antiken  und  jetzigen  Gestalt  ergibt.  Hier  kann  jedoch 

25* 


\  9.(5  Das  Marsfeld . 

selbstverständlich  nur  die  Entwickelung  desselben  im  Alterthume  in  Betracht  kommen, 
was  aber  die  Veränderungen  im  Mittelalter  und  in  der  neueren  Zeit  betrifft,  so  müssen 
wir  uns  einerseits  mit  den  in  der  Einleitung  gegebenen  allgemeinen  Gründen,  anderseits 
aber  mit  den  auf  die  Schicksale  der  einzelnen  Ruinen  bezüglichen  Notizen  begnügen. 

In  den  ersten  Jahrhunderten  des  Bestehens  der  Stadt  war  diese  Ebene,  im  weiteren 
Sinne  Campus  Martins  genannt,  bebautes  Land  ausserhalb  der  Mauern,  und  zunächst 
wenn  nicht  Eigenthum  der  Tarquinier,^  so  doch  von  diesen  als  Domäne  behandelt.^  Zur 
Zeit,  als  die  Tarquinier  geächtet  wurden,  scheint  wenigstens  ein  grosser  Theil  zu  Ge- 
treidebau verwendet  gewesen  zu  sein :  die  Frucht  war  der  Beife  nahe,  doch  man  glaubte 
sich  gegen  die  Götter  zu  versündigen,  wenn  man  sich  derselben  bediente,  und  so  wurde 
sie  geschnitten  und  in  den  Tiber  geworfen.  Diess  kann  Thatsache  sein,  es  ist  auch  den 
religiösen  Anschauungen  der  Römer  ganz  entsprechend ;  die  Legende  aber  knüpft  Un- 
glaubliches daran,  dass  nemlich  die  Halme  im  Tiber  sich  aufgestaut  und  den  Grund  zur 
Tiberinsel  gelegt  hätten,  welche  nachmals  sich  durch  Anschwemmung  vergrössert  und 
so  consolidirt  haben  soll,  dass  sie  später  den  Aesculaptempel  und  andere  Heiligthümer 
zu  tragen  im  Stande  war.  Auf  das  Eine  dürfte  aus  dieser  Sage  geschlossen  werden,  dass 
die  Erinnerung  an  eine  grosse  Masse  Getreides,  von  welcher  ein  Theil  an  die  Tiberinsel 
geschwemmt  sein  mochte ,  von  der  Zeit  des  Beginnens  der  capitolinischen  Aera  her  noch 
im  Bewusstsein  des  Volkes  haftete.  Welcher  Theil  des  Campus  Martins  aber  den  Ager 
Tarquiniorum  bildete,  ist  nicht  bekannt;  ein  Theil  musste  wenigstens  seit  Servius  Staats- 
eigenthum  und  unbebaut  gewesen  sein  sowohl  für  die  Centuriat-Comitien  als  für  den 
Census,  und  für  einen  anderen  Theil  findet  sich  die  Angabe,  dass  nemlich  ungefUhr 
gleichzeitig  die  Vestale  Taracia  diesen ,  ihr  Eigenthum ,  dem  römischen  Volke  geschenkt 
habe,^  wonach  das  Feld  ursprünglich  jedenfalls  in  mehre  Besitzungen  getheilt  war. 

In  der  ersten  Zeit  der  Republik  scheint  zwar  die  ganze  Ebene  Staatseigenthum 
geworden  zu  sein,  allein  noch  keineswegs  ein  Stadttheil.  Die  Cultivirung  derselben 
musste  zwar  aufhören,  da  der  Campus  Martins  die  Bestimmung  eines  Waffenübungsplatzes 
erhielt  und  theilweise  für  die  Volksversammlungen  abgesteckt  wurde ,  allein  noch  drei 
Jahrhunderte  lang  blieb  der  ganze  Raum  von  allen  baulichen  Anlagen  frei,  und  nur  ein- 
zelne Altäre,  wie  die  araMartis^  und  die  ara  Ditis  Patris  et  Proserpinae^  schmückten 
den  Wiesengrund,  der  auch  von  einem  Quellbach,  der  aqua  Petronia,^  bewässert  und 
von  einer  vulcanischen  Stätte,  »dem  rauchenden  Boden«,  Tarentum  oder  Terentum  ge- 
nannt,^ unterbrochen  war.  Endlich  erhoben  sich  einzelne  unbedeutende  Tempel,  im 
Ganzen  aber  bUeb  das  eigentliche  Marsfeld  bis  ans  Ende  der  Repubhk  frei. 


'  Liv.  II.  5.  *  Dionys.  V.  4  3.  ^  Plin.  H.  N.  XXXIV.  6,  U,   i\.      Gell.  VI.  7.  *  Liv.  XL.  45. 

'  Val.  Max.  II.  4,  4.       Fest.    s.  v.    Saeculares   ludi;    cf.  Zosim.    II.  4.         *  Fest.    s.  v.    Petronia.       Paul.  Diac. 
s.  V.  Cati  fons.  ^  Val.  Max.  1.  c.       Zosim.  II.  3. 


Das  Marsfeld.  197 

Früher  schon  war  der  Theil  der  Ebene,  welcher  dem  Capitolinus  zunächst  lag 
und  nur  im  weiteren  Sinne  zum  Marsfelde  gerechnet  werden  kann,  mit  verschiedenen 
öffentlichen  Gebäuden  besetzt  worden.  Es  war  diess  der  Campus  Flaminius,  der  seinen 
Namen  wahrscheinlich  von  früherem  Privatbesitze,  auch  nachdem  die  Gegend  Staatsgut 
geworden  war,  behalten  hatte.  Hier  erhoben  sich  schon  im  J.  323  d.  St.  (431  v.  Chr.) 
der  Tempel  des  Apollo,''  wahrscheinlich  noch  viel  früher,  259  d.  St.  (495  v.  Chr.),  der 
Tempel  der  Bellona,^  und  im  J.  533  d.  St.  (221  v.  Chr.)  der  Circus  Flaminius, ^  welcher 
nachmals  der  ganzen  Region,  die  auch  den  grössten  Theil  des  Campus  Martins  im  engeren 
Sinne  umfasste,  den  Namen  gab.  Unfern  von  diesem  erstand  die  Porticus  Metelli,  welche 
zwei  wahrscheinlich  schon  vorhandene  Tempel  einschloss,  daneben  der  von  M.  Fulvius 
Nobilior  erbaute  Herculestempel ,  an  welchen  Complex  nördlich  und  südlich  die  Theater 
des  Pompeius  und  Marcellus  mit  ihren  Anlagen  sich  anreihten,  wovon  das  Nähere 
am  geeigneten  Orte  berichtet  werden  wird.  Die  Lücken  waren  durch  mehre  Tempel 
ausgefüllt,  von  welchen  besonders  die  der  Diana  und  der  luno  Regina,  der  Fortuna 
Equestris,  des  Hercules  Custos,  des  Mars,  Castor  und  Pollux  und  des  Neptun  her- 
vorzuheben sind.* 

So  war  also  der  südlichste  Theil  der  Ebene,  der  Campus  Flaminius  mit  Tempeln, 
Portiken  und  Theatern  fast  besetzt ,  als  der  eigentliche  Campus  Martius  noch  ein  freier 
Platz  war  und  nach  seiner  alten  Bestimmung  als  Tummelplatz  für  kriegerische  Uebungen 
und  als  Raum  für  die  Volksversammlung  diente.  Allein  unter  Cäsar  und  Augustus  er- 
standen auch  hier  grossartige  Prachtanlagen ;  der  mächtigen  Baulust  beider  war  die  alte 
Stadt  zu  eng  geworden,  und  die  grossen  Schwierigkeiten,  welche  —  wie  wir  beim 
Augustusforum  gesehen  —  die  Grunderwerbung  daselbst  machte,  drängten  von  selbst 
auf  Erweiterung  des  Schauplatzes.  Von  den  Werken  beider  wurde  schon  in  der  ein- 
leitenden Baugeschichte  gesprochen;  wie  kolossale  Pläne  aber  Cäsar  gehabt,  möge  aus 
der  Nachricht  hervorgehen ,  dass  er  den  Tiber  von  der  milvischen  Brücke  aus  abzuleiten 
und  um  die  vaticanischen  Hügel  herumzuführen  beabsichtigte,  um  das  Marsfeld  zur  Stadt 
fügen  und  mit  Gebäuden  bedecken  zu  können,  während  der  campus  Vaticanus  zum  neuen 
Marsfelde  umgeschaffen  werden  sollte.^  Die  verrätherischen  Dolche  in  der  Curia  des 
Pompeius  verhinderten  jedoch,  wie  so  vieles  Andere,  so  auch  die  Ausführung  dieses 
grossen  Planes ,  der  die  Gestalt  der  Stadt  so  wesentlich  verändert  haben  würde ;  aber 
auch  unerweitert  bot  das  Marsfeld  Raum  genug  für  weitläufige  Anlagen  und  Gebäude, 


'  Liv.  IV.  29.  «  Plin.  H.  N.  3,  3,  12.  '  Liv.  Ep.  XX.  Cassiod.  Chron.  (Roncalli,  Vet.  Lat.  Script. 
Chronica,  tom.  II.  p.  -178.)  *  Liv.  XL.  40.  44.  52.  XLII.  3.  <0.  Val.  Max.  I.  1.  20.  Vitruv.  III.  3.  2.  Ovid. 
Fast.  VI.  V.  209.  Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  26.  Vitruv.  IV.  8,  4.  Fast.  Amit.  Id.  Aug.  (Foggini,  Fast.  a'.  Rom. 
reliq.   R.  1779.  fol.  112.)   Vgl.  Becker,  Handb.  d.  r.  A.  Bd.  I.  S.  618  fg.        »  Cic.  ad  Attic.  XIII.  33. 


/|98  Das  Marsfeld. 

der  auch  um  so  langsamer  erschöpft  wurde,  als  nach  Augustus  Tode  die  Thätigkeit  der 
Nachfolger  andere  Bahnen  einschlug  oder  auch  zum  Theil  ganz  versiegte.  Der  neronische 
Brand  riss  überdiess  gewaltige  Lücken  in  die  meisten  alten  Stadttheile  und  gab  den 
Nachfolgern  dieses  Phantasten  allenthalben  Raum ,  ganz  abgesehen  von  dem  Areal  der 
Palastanlagen  desselben  auf  den  Esquilien ,  welches  einige  Jahrzehnte  nach  seinem  Tode 
und  zum  Theil  schon  früher  ebenfalls  als  Bauplatz  behandelt  wurde.  Das  Marsfeld  selbst 
aber  litt  noch  mehr  als  unter  der  neronianischen  Verwüstung  von  dem  Brande ,  welcher 
es  unter  Titus  verheerte  *  und  wenigstens  theilweise  und  für  einige  Zeit  wieder  lichtete. 
Die  Aufmerksamkeit  der  sonst  so  baulustigen  Kaiser  Traian  und  Hadrian  war  dem  Mars- 
felde abgewandt,  und  erst  die  Antonine  schmückten  es  wieder  mit  grösseren  Anlagen, 
von  deren  Ueberresten  besonders  gesprochen  werden  wird.  Weniger  durch  Neubauten 
als  durch  Herstellung  schadhafter  Werke  zeichnete  sich  Septimius  Severus  aus,  wie  an 
den  Inschriften  von  zwei  hiehergehörigen  Baudenkmalen,  dem  Pantheon  des  Agrippa  und 
der  Porticus  der  Octavia,  noch  ersichtlich  ist.  Alexander  Severus  aber  schmückte  das 
Marsfeld  mit  prachtvollen  Thermen,  zu  welchen  er  wahrscheinlich  das  domitianische 
Stadium  zog  und  erneute.  Hierauf  wird  nur  mehr  wenig  vom  Marsfelde  berichtet,  die 
Kaiser,  welche  sich  immer  seltener  in  Rom  aufhielten,  wurden  auch  immer  kälter  gegen 
den  Glanz  der  Stadt,  und  als  Kaiser  Constantin  Byzanz  zur  neuen  Hauptstadt  des  römi- 
schen Reiches  machte,  trat  die  Katastrophe  unaufhaltsam  ein.  Die  Bevölkerung  ver- 
ringerte sich  und  die  öffentlichen  Bauten  verloren  mehr  oder  weniger  ihren  Zweck. 
Neuer  bedurfte  man  nicht  mehr,  da  ja  selbst  zur  Schonung  der  schon  bestehenden, 
welche  überdiess  durch  wiederholte  Plünderungen  nordischer  Barbaren  sehr  gelitten 
hatten,  kein  Grund  vorhanden  zu  sein  schien.  Als  Rom  zur  Provinzialstadt  geworden  war 
und  selbst  das  byzantinische  Exarchat  in  einer  anderen  Stadt  der  Halbinsel,  nemhch  in 
Ravenna  seinen  Sitz  aufgeschlagen  hatte,  da  verschwand  bei  den  Römern  der  letzte  Rest 
von  Interesse  am  Staate  und  mit  der  Erinnerung  versiegte  auch  die  Achtung  der  einstigen 
Grösse.  So  konnte  es  ganz  gerechtfertigt  scheinen,  die  verlassenen  Hallen,  namentlich 
des  Marsfeldes,  welche  grösstentheils  ihre  Bedeutung  verloren  hatten,  zu  Privatzwecken 
zu  verwenden.  Die  Tempel  Heferten  das  edlere  Material  zu  den  Kirchen,  die  Grossen 
verschanzten  sich  in  den  Theatern  und  anderen  grösseren  Staatsgebäuden ,  und  wie  die 
Mächtigen  im  Grossen ,  so  verfuhren  die  Geringeren  mit  den  kleineren  Resten.  Die  Ebene 
behagte  überdiess  mehr  als  der  hügehge  Theil,  auch  scheute  man  die  Mühe,  das  Material 
erst  zu  verschleppen,  und  so  entstand  allmähhg  eine  Art  Neustadt  im  Marsfelde,  welche 
die  Altstadt  zuletzt  nicht  bloss  überflügelte,  sondern  sogar  grösstentheils  verödete. 
Die  eiserne  Zeit  des  Mittelalters  verlangte  ein  Zusammendrängen  der  Bevölkerung  und 


'  Dio  Cass.  LXVI.  24. 


Grabmal  des  Bibulus.  190 

den  engsten  Anschluss  an  einen  Mächtigeren ,  schon  um  der  täglichen  Sicherheit  willen, 
und  da  sich  der  Strom  der  Ansiedelung  einmal  in  den  nördlicheren  Theil  gezogen  hatte, 
wurde  bald  das  einst  dem  Privatbesitz  verschlossene  Marsfeld  der  entschiedene 
Haupttheil  der  bewohnten  Stadt,  eng  zusammengezwängt,  wie  kaum  eine  andere 
Stadt  Europa's. 

Von  den  Ruinen  Hess  man  bestehen,  was  man  in  irgend  einer  Weise  brauchte, 
namentlich  das,  was  durch  religiöse  Weihe  der  Zerstörung  entrissen  war.  Dass  jedoch 
unter  solchen  Umständen  verhältnissmässig  nicht  viel  übrig  bleiben  konnte,  ist  klar, 
ebenso,  dass  es  fast  unmöglich  ist,  hier  durch  Nachgrabungen  weitere  Resultate  zu  ge- 
winnen. Dasjenige  aber,  was  sich  mehr  oder  minder  erhalten,  ist  zum  grössten  Theile 
höchst  interessant,  obgleich  die  malerische  Wirkung  dieser  Ruinen ,  die  meist  in  enge, 
reizlose  Gassen  eingeschlossen  sind  und  nicht  den  Zauber  einer  grossartigen  Natur,  wie 
namentlich  in  Sicilien  und  Griechenland,  wohl  auch  ausserhalb  der  modernen  Stadt,  als 
Rahmen  haben,  eine  geringe  ist. 

Nehmen  wir  nun  unsere  Wanderung  von  dem  letztbetrachteten  Punkte ,  dem 
Forum  des  Traianus ,  wieder  auf,  um  in  örtlicher  Reihenfolge  die  antiken  Ueberreste  des 
Marsfeldes,  oder  wenn  wir  den  weiteren  Begriff  ghedern  wollen,  des  Circus  Flaminius, 
des  Marsfeldes  und  der  Region  der  Via  lata  zu  betrachten. 


27.    Grabmal  des  Bibulus. 

Geht  man  von  der  Südecke  des  Traianforum  durch  die  Via  di  Macel  de'  corvi 
in  die  Via  di  Marforio ,  so  sieht  man  dort  unmittelbar  an  der  Mündung  der  erstgenannten 
Strasse  zur  Linken  ein  Grabmal ,  das  ganz  aus  Travertin  gebaut  ist ,  aber  nur  wenig  aus 
der  Wand  eines  schmucklosen  Hauses  hervorragt.  Die  freiliegende  Seite  misst  unten 
6.60  Met.  und  zeigt  in  einer  Höhe  von  2,25  Met.  eine  derbe  und  nur  nach  oben  ge- 
gliederte Substruction ,  auf  welcher  sich  folgende  fast  durchaus  deutlich  leserliche  In- 

Schrift  befindet: 

C   POPLICIOL   F.  BIBVLOÄED   PL   Honoris 

VIRTVTISQVE  CAVSSASENAtus 

CONSVLTO   POPuii  QVEIVSSV  LOCVS 

MONVMENTO   QVO   IPSE  POSTFREI QVE 

EIVS  •  INFERRENTVR  puBLICE   DATVS   EST 

Von  derselben  Inschrift,  wie  man  sie  hier  an  der  offenliegenden  Westseite  liest,  sieht 
man  auf  der  Südseite,  welche  jedoch  fast  ganz  von  dem  darübergebauten  Hause  (Via 


200 


Das  Marsfeld. 


di  Marforio  No.  1.  2.)  verdeckt  ist,  den  Anfang,  der  aber  so  weit  an  die  Ecke  gerückt 
erscheint,  dass  man  diese  Seite  als  die  schmälere  ansehen  muss.  —  Ueber  dieser  Sub- 
struction  erhebt  sich  die  Grabkammer  selbst,  welche  auf  der  sichtbaren  Seite  mit  vier 
dorischen  Pilastern  mit  attischen  Basen,  4  Met.  in  der  Höhe  und  0,35  Met.  in  der  Breite 
messend,  geschmückt  ist.  In  der  Mitte  war  der  Eingang,  dessen  Pfosten  noch 
grösstentheils  erhalten  sind  und  welcher  jetzt  als  Fenster  dient  und  mit  einem 
Eisengitter  geschlossen  ist.  Zu  beiden  Seiten  aber  sieht  man  noch  ein  Gesimse,  wie 
man  es  über  Fenstern    anzubringen  pflegte,    ohne    dass  jedoch    unter  denselben   eine 


15.    Gi-iibmal  des  Bibuliis.    (F.  R.) 


Spur  davon  sichtbar  ist.  Ich  zweifle  nicht,  dass  diese  Gesimse  jetzt  verschwundene 
marmorne  Inschrifttafeln  krönten.  Das  auf  den  dorischen  Pilastern  ruhende  Ge- 
bälke,  von  welchem  sich  jedoch  nur  ein  geringer  Rest  erhalten  hat,  ist  jedoch  nicht 
gleicher  Ordnung ,  sondern  ionischen  Styls ,  und  zwar  Architrav  und  Carnies  schmuck- 
los, der  Fries  dagegen  mit  Fruchtgewinden  und  nur  mehr  wenig  kenntlichen  Stier- 
schädeln verziert. 

Ueber  die  Zeit  der  Errichtung  des  Denkmals  ist  keine  gewisse  Nachricht  vor- 
handen. Indess  wird  zur  Zeit  der  Regierung  des  Tiberius  ein  Caius  Bibulus  als  Aedil 
erwähnt,  und  der  Styl  des  Grabmales  bietet  keinen  erheblichen  Grund,  diese  Epoche 
für  zu  spät  zu  halten.    Dass  dieses  Grabmal  sich  innerhalb  der  alten  Stadt  befunden 


Reste  von  Wohngebäuden.  204 

und  so  gegen  das  Gesetz  der  zwölf  Tafeln,  nach  welchem  Niemand  innerhalb  der 
Mauern  begraben  noch  verbrannt  werden  durfte,  Verstössen  habe,  ist  ein  häufiger, 
aber  grosser  Irrthum ,  da  die  servische  Mauer,  welche  vom  Quirinalis  herüber  sich  an 
die  Höhe  des  Capitolinus  anschloss,  den  Ort  des  Grabmals  ausserhalb  lassen  musste. 
Wenn  auch  aus  der  Inschrift  hervorgeht,  dass  die  Stätte  ihm  und  seinen  Nachkommen 
von  Staatswegen  als  Ehrenplatz  zugewiesen  worden  sei,  so  ist  doch  damit  noch  keine 
Uebertretung  des  Gesetzes  ausgesprochen. 


28.    Reste  von  Wohngebäuden. 

Geht  man  vom  Grabmal  des  Bibulus  die  Via  di  Marforio  nordwestlich  weiter 
und  beugt  dann  zur  Linken  in  die  Via  della  Pedacchia,  so  umgeht  man  den  Fuss  der  hier 
ziemlich  steil  abfallenden  Nordspitze  des  Capitolinus,  und  zwar  derjenigen  Abtheilung, 
welche  die  Burg  eingenommen  haben  musste.  Die  Via  della  Pedacchia  aber  entspricht 
der  Strasse,  welche  ausserhalb  der  servischen  Ummauerung  hinlief  und  jedenfalls  seit 
jener  Zeit  Bedeutung  hatte ,  in  welcher  die  Stadt  sich  nicht  mehr  auf  den  servischen 
Umkreis  beschränkte.  Die  Linie  dieser  antiken  Strasse  lässt  sich  aus  verschiedenen  Mauer- 
resten erweisen,  welche  sich  in  den  Kellern  der  an  den  Capitolinus  anliegenden  Häuser- 
reihe finden,  meist  Ziegelbau  von  verschiedenen  Jahrhunderten  der  Kaiserzeit.  Doch  auch 
über  dem  modernen  Boden  hat  sich  ein  ansehnlicher  Pest  eines  antiken  Privatgebäudes 
erhalten,  dessen  Kammern  halb  in  den  Felsen  des  Capitolinus  gehauen  sind.  Man  gelangt 
dazu,  wenn  man  bei  der  kleinen  Kirche  di  Beata  Rita  in  einen  schmalen  Gang  des  Hauses 
No.  48,  und  durch  ein  Thor  in  einen  kleinen,  über  alle  Beschreibung  schmutzigen  Hof- 
raum tritt.  Die  Oberfläche  des  Mauerwerks  ist  ganz  verwittert,  so  dass  man  die  Ziegel 
kaum  mehr  erkennt,  doch  lassen  sich  noch  deutlich  mehre  Stockwerke  unterscheiden. 
Das  Ganze  ist  jedoch  mit  dem  modernen  Vorderhause  zusammengebaut  und  im  Interesse 
des  Besitzers  so  umgestaltet,  dass  eine  genauere  Beschreibung  kaum  möglich  ist. 
Auf  die  nicht  uninteressante  Antiquität  wurde  zuerst  von  Bunsen^  aufinerksam  gemacht, 
welcher  fünf  antike  Stockwerke  nachweisen  zu  können  glaubt,  was  indess  einige 
Schwierigkeit  haben  dürfte. 


*  Beschreibung  der  Stadt  Rom.   1837.    Bd.  III.  Abth.  i.  S.  3*. 


1".  Redkb,  die  Buinen  Roms.  26 


202 


Das  Marsfeld. 


29.     Das  Theater  des  Marcellus. 


Setzt  man  den  Weg  am  nordwestlichen  Fusse  des  capitolinischen  Hügels  fort, 
so  erreicht  man,  wenn  man  von  der  Via  della  Pedacchia  aus  an  der  Capitoltreppe  vorbei- 
gehend die  Piazza  di  Araceli  überschritten  und  die  Fortsetzung  der  genannten  Strasse, 

die  Via  di  Tor  de'  Specchi,  durchwandert  hat, 
am  südwestlichen  Fusse  des  Capitolinus  die 
Piazza  Montanara,  wo  man  sehr  ansehnlichen 
antiken  Ueberresten  gegenübersteht.  Die  ganze 
Westseite  dieses  Platzes  nemlich  wird  von 
doppelten  Arkadenreihen  eines  antiken  Ge- 
bäudes gebildet ,  welche  in  einer  Weise  ge- 
krümmt und  gestaltet  sind ,  dass  über  ihre  Be- 
deutung kein  Zweifel  sein  kann.  Von  dreizehn 
Pfeilern  getragen,  sieht  man  noch  zwölf  Bogen 
im  ersten  und  ebenso  viele  im  zweiten  Stock- 
werke, in  beiden  ganz  von  Travertin.  Von 
dem  unteren  ist  der  dritte  Theil  seiner  Höhe 
von  dem  modernen  Boden  bedeckt:  ursprüng- 
lich aber  waren  die  Bogen  desselben  6, so  Met. 
hoch  und  4,8o  Met.  breit.  Um  die  Pfeiler,  welche 
eine  Breite  von  2  und  eine  Dicke  von  3  Met. 
haben,  läuft  ein  einfacher  Carnies  unter  dem 
Bogenansatz.  Ausserhalb  lehnen  sich  dorische 
Halbsäulen  an,  welche  nach  den  Ergebnissen 
von  Nachgrabungen  vom  antiken  Boden  an 
7,50  Met.  hoch  sind  und  das  der  dorischen 
Ordnung  eigenthümliche  Gebälke  tragen,  dessen  Triglyphen  noch  fast  vollständig  erhalten 
sind,  im  Ganzen  1,90  Met.  hoch.  Das  zweite,  der  Construction  nach  ganz  ähnliche 
und  in  derselben  Ausdehnung  erhaltene  Stockwerk  erhebt  sich  über  dem  ersten  auf 
einem  1 ,20  Met.  hohen  Mauergürtel  (Attika)  mit  Basamentvorsprüngen  für  die  Halbsäulen. 
Die  Breitenverhältnisse  sind  dieselben  wie  unten,  doch  die  Höhe  ist,  was  allerdings 
bei  dem  gegenwärtigen  Zustande  der  Verschüttung  umgekehrt  der  Fall  zu  sein  scheint, 
beim  oberen  Stockwerk  etwas  geringer:  die  Bogen  messen  nur  6,  die  Halbsäulen  nur 
7,15  Meter.  Die  letzteren  sind  ionischer  Ordnung  und  tragen  ein  einfaches  Gebälke 
desselben  Styls;   einen  Architrav   in   drei   übereinander  vorspringenden   Leisten,    den 


Vom  Theater  des  Marcellus.   (F.  R.) 


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Das  Theater  des  Marcellus.  203 

Fries  ungeschmückt,  und  einen  schön  abgestuften  Carnies  mit  Zahnschnitt :  zusammen 
2!  Met.  hoch.  Von  dem  am  besten  erhaltenen  Theile  des  ganzen  Ueberrestes  wird  die 
beigefügte  Abbildung  eine  Vorstellung  geben. 

Wahrscheinlich  erhob  sich  über  diesen  beiden  Stockwerken  noch  ein  drittes, 
das  jedoch  verschwunden  oder  vielmehr  durch  einen  modernen  Aufbau  des  Palazzo 
Orsini  Savelli  ersetzt  ist.  Sonst  hat  sich  von  der  Aussenseite  des  Gebäudes  nur  mehr 
ein  Pfeiler  erhalten,  der  zwar  mit  einer  Halbsäulß  nach  der  beim  ersten  Stockwerke 
beschriebenen  Art  geschmückt  ist,  aber  nicht  mehr  dem  Halbkreise  angehört,  dem  die 
doppelten  Arkadenreihen  entsprechen.  Man  sieht  diesen ,  wenn  man  links  von  der  Piazza 
di  Montanara  in  die  Via  Savelli  bis  in  die  Nähe  der  Auffahrt  zum  Palazzo  Savelli  geht, 
zur  Rechten  aus  einem  modernen  Gebäude  hervorragen. 

Da  dieses  antike  Gebäude  im  Mittelalter  zu  einem  Palastbau  benutzt  ward, 
ist  es  natürlich,  dass  die  inneren  Ueberreste  nur  sehr  spärlich  sein  können.  Doch 
lassen  sich  in  den  Kellerräumen  des  Palazzo  zerstreut  noch  einige  Mauerreste  ver- 
folgen, welche  zum  Theil  aus  abwechselnd  gelegten  länglichen  Travertinblöcken  (wie 
die  Umfriedungsmauer  des  Augustusforum) ,  zum  Theil  aber  aus  opus  reliculalum,  dem 
in  der  Einleitung  (S.  22)  beschriebenen  Netzfache,  bestehen  und  insgesammt  von  dem 
halbkreisförmigen  Arkadenbau  radienförmig  zusammenlaufen. 

Diese  inneren  und  äusseren  Ueberreste  machen  es  im  Zusammenhalt  mit  anderen 
Ruinen  der  Art  unbestreitbar  klar,  dass  wir  hier  ein  römisches  Theater  vor  uns  haben, 
dessen  Reconstruction  aus  dem  noch  Vorhandenen  fast  bis  ins  Einzelne  ermöglicht 
ist.  Die  halbkreisförmigen  Arkadenreihen  gehörten  zur  Aussenseite  der  Cavea  (des 
Zuschauerraumes),  welche  mit  der  offenen  Seite  dem  Flusse  zugewendet  war.  Die 
radienförmigen  Mauern  im  Innern  trugen  in  ähnlicher  Weise,  wie  wir  diess  am  flavi- 
schen  Amphitheater  sehen  werden,  die  Sitzreihen  und  hatten  das  künstliche  Netz  von 
Treppen  und  Gängen  zwischen  sich,  das  freilich  bei  den  dürftigen  Resten  hier  nicht 
verfolgt  werden  kann.  Die  Gonvergenz  und  Richtung  der  Innenmauern  aber  lässt  die 
Lage  des  Ganzen  aufs  Genaueste  bestimmen. 

Von  der  Scena  haben  sich  keine  Spuren  erhalten ,  wenn  man  nicht  etwa  den 
beschriebenen  einzelnen  Pfeiler  dazu  rechnen  will,  obwohl  er  auf  keinen  Fall  der 
eigentlichen  Scena,  sondern  vielmehr  einem  Nebenbau  derselben  und  zwar  dessen 
Aussenseite  angehören  musste.  Ueber  die  Gestalt  derselben  aber  werden  wir  von 
einem  der  capitolinischen  Planfragmente  unterrichtet,  von  welchem  jedoch  die  eine 
Hälfte  zu  den  ergänzten  Stücken  gehört.  Ueber  die  Verbindung  dieses  Planes  mit  der 
Cavea  des  Theaters  wird  der  beigefügte  grosse  Plan  des  Pompeiustheaters  Aufschluss 
geben.  Es  kann  jedoch  nicht  verschwiegen  werden,  dass  nach  dieser  Anordnung  die 
Schrift  im  Zusammenhalt  mit  den  anderen  bisher  besprochenen  Fragmentresten,  nament- 

26* 


204 


Das  Marsfeld. 


lieh  von  der  Basilica  lulia,  nach  der  entgegengesetzten  Seite  gewendet  ist,  indem  sich 
die  untere  Seite  nach  Osten  hinkehrt,  während  die  Schrift  der  BasiHca  lulia  nach  Westen 
gewendet  ist.  Allein  es  ist  in  dieser  Beziehung  offenbar  nur  das  festzuhalten,  dass 
die  horizontale  Schrift  immer  die  gleiche,  nemlich  der  bei  uns  üblichen  entgegen- 
gesetzte Stellung  habe  (vgl.  S.  189),  bei  senkrecht  stehenden  Ueberschriften  aber 
nimmt  man  es  ja  selbst  heutzutage  nicht  so  ganz  genau. 


17.    Die  Buhne  des  Marcellustheaters.   (Fragment  des  capilolinischen  Planes.)  (F.  R.) 

Dass  die  beschriebenen  Ueberreste  zu  dem  Theater  gehörten,  welches  den 
Namen  des  Marcellus  trug,  geht  aus  dem  Umstände  seiner  Lage  am  Fusse  des  tar- 
peischen  Felsens  hervor:  denn  an  dieser  Stelle  wird  das  Theater  des  Marcellus  im 
Alterthume  ausdrücklich  bezeichnet. ^  Doch  auch  ausserdem  könnte  darüber  kein  Zweifel 
obwalten ,  indem  das  alte  Rom  nur  drei  ständige  Theater  besass,  und  das  des  Pompeius 
weiter  nördlich ,  das  des  Baibus  aber  in  der  Nähe  von  Ponte  Sisto  (Antoninische  Brücke) 
nachgewiesen  werden  wird.  Damit  stimmt  auch  die  Arbeit  an  der  noch  erhaltenen 
Arkadenreihe  und  die  schöne  Fügung  der  Quadern  vollkommen  überein.  Halbsäulen 
und  Gebälke  sind  entschieden  stylgerechter  und  exacter  behandelt,  als  diess  an  der 
Aussenseite  des  Colosseum  der  Fall  ist,  und  dienten  desshalb  vielen  Gebäuden  der 
Renaissance  als  Muster,  was  sie  auch  weit  mehr  als  die  ornamentale  Architektur  des 
flavischen  Amphitheaters  verdienten. 

Das  Theater  wurde  von  Cäsar  zu  bauen  begonnen,  von  Augustus  vollendet 
und  unter  dem  Namen  seines  Neffen  Marcellus  im  J.  741  d.  St.  (13  v.Chr.)  einge- 
geweiht,2  in  demselben  Jahre,  in  welchem  auch  das  Theater  des  Baibus  eröffnet 
ward.  Wahrscheinlich  hat  auch  dieses  Gebäude  von  dem  grossen  Brande  unter  Titus, 


*  Sueton.  Caes.  44.      *  Dio  Cass.  XLIII,  49.  —  Sueton.  I.e.  Octav.  29.  —  Monum.  Ancyr.  (Chishull.  p.  174. 


» 


Die  Ueherreste  der  drei  Tempel  in  S.  Nicola  in  Carcere.  205 

der  auch  die  nahegelegene  Porticus  der  Octavia  sehr  beschädigte, '  theilweise  gelitten, 
denn  es  wird  erwähnt,  dass  von  den  Flaviern  die  Scena  hergestellt  worden  sei.^  Im 
5.  Jahrh.  war  es  noch  im  Gebrauche^  und  soll  20,000  Zuschauer  gefasst  haben/ 

Aus  dem  darauffolgenden  halben  Jahrtausend  haben  wir  von  seinen  Schicksalen 
keine  Kunde.  Im  1 1 .  Jahrhundert  erscheint  es  im  Besitze  des  Pietro  Leone,  welcher  es 
in  eine  Festung  umwandelte  und  von  hier  aus  sein  Uebergewicht  über  Rom  und  den 
heiligen  Stuhl  während  seines  ganzen  Lebens  zu  behaupten  wusste.  Dass  diese  Be- 
nutzung des  Theaters  dem  grössten  Theile  desselben  verderblich  sein  musste,  versteht 
sich  von  selbst:  die  Scene  musste  einer  Ringmauer  weichen,  die  Ruinen  in  der  Mitte 
wurden  zu  Hofräumen  geebnet,  aus  dem  gewaltigen  Schutt  der  Cavea  aber  erwuchs  ein 
förmlicher  Hügel,  jetzt  Monte  Savelli  genannt.  Von  den  Nachkommen  des  Pierleone, 
welche  die  von  diesem  begründete  hervorragende  Stellung  aufrecht  gehalten  hatten, 
gelangten  die  Besitzungen  an  die  Savelli,  bei  welchen  die  in  die  Theaterruine  hinein- 
gebaute Burg  bis  zum  Jahr  1 7i  2  verblieb.  Nach  dem  Aussterben  der  Savelli  kam  der 
Palast  käuflich  an  die  Orsini,  in  deren  Besitze  er  sich  noch  befindet.  Die  Bogengewölbe 
des  eisten  Stockwerkes  dienen  jetzt  zu  Werksätten  verschiedener  Art,  zu  Kneipen 
und  Trödelbuden.  Die  Bogen  des  zweiten  Stockwerkes  sind  vermauert  und  zeigen  mo- 
derne Fenster,  darüber  thürmen  sich  noch  zwei  Stockwerke  des  Orsini'schen  Palastes. 

30.  Ueberreste  der  drei  Tempel  in  S.  Nicola  in  Carcere.     (Angeblich  die 
Tempel  der  Pietas,  Spes  und  Inno  Sospita.) 

Die  Piazza  Montanara,  von  welcher  aus  wir  eben  die  Ueberreste  des  Marcellus- 
theaters  betrachteten,  entspricht  wenigstens  zum  Theil  dem  antiken  Forum  Olitorium 
(Fruchtmarkt),  welches  auffallender  Weise  ausserhalb  der  servischen  Stadt  lag.  Das 
Theater  des  Marcellus  wurde  nemlich  an  der  Stelle  des  Tempels  der  Pietas  er- 
baut," welcher  sich  am  Forum  Olitorium  befand.*^  Das  Theater  aber  gehörte  zur 
IX.  Region  (Gircus  Flaminius),  somit  auch  das  Forum,  woraus  sich  die  Lage  von 
beiden  ausserhalb  der  servischen  Stadt  bestätigt. 

Es  werden  aber  auf  diesem  Forum  mehre  Tempel  erwähnt,  wie  der  Tempel 
der  Spes,^  der  überdiess  ausserhalb  der  porta  Carmentalis  befindlich  genannt  wird,  ^ 
der  Tempel  der  Inno  Sospita  (Matuta?),''  ein  Heiligthum  des  lanus,  von  dem  es  jetzt 
wohl  sicher  ist,  ^"  dass  es  nicht  wie  Servius  angiebt,^^  das  uralte  des  Numa  gewesen 
sei,  das  sich  wohl  nicht  ausserhalb    der  Stadt  befinden  konnte,  und  der  schon  er- 


1  Dio  Cass.  LXVI.  24.  2  Sueton.  Vesp.  19.  3  Auson.  Lud.  Sept.  Sap.  v.  40,  41.  <  Curios.  Urb.  Rom. 
Reg.  IX.  5  piin.  H.  N.  VII.  36.  121.  »  Liv.  XL.  34.  i  id.  XXI.  62.  »id.  XXIV.  47.  XXV.  7.  »id.  XXXIV. 
53.  cf.  XXXII.  30.    10  Jordan,  zur  röm.  Topographie.  Hermes  IV.  229  fg.     ^  Scrv.  ad  Virg.  Aen.  VlI.  v.  607. 


206 


Das  Marsfeld. 


Wähnte  Tempel  der  Pietas.  Es  lag  nahe,  beim  Marcellustheater  nach  diesen  Tempeln 
zu  suchen,  und  es  finden  sich  wirklich  die  unverkennbaren  Ueberreste  von  drei 
Heiligthümern  ganz  in  der  Nähe. 

Wendet  man  sich  nemlich  von  der  Piazza  di  Montanara  südHch  in  die  Via 
della  Bocca  di  Veritä,  so  findet  man  da,  wo  die  Strasse  zur  Rechten  sich  in  einen 
kleinen  Platz  ausweitet,  an  der  Fagade  der  Kirche  S.  Nicola  in  Carcere  drei  antike 
Säulen  theilweise  unter  moderner  Ueberkleisterung.  Eine  genauere  Untersuchung 
der  Säulen  ergibt,  dass  sie  von  Travertin  und  canellirt  sind,  dass  sie  mit  den 
jetzt  unter  dem  modernen  Boden  befindlichen  korinthischen  Basen  und  dem 
ionischen  Capital  (Seitenvoluten)  8,70  Meter  hoch  sind  und  dass  der  Schaftdurch- 
messer unten  0,95,  oben  0,90  Met.  beträgt.  Durch  ein  kleines  Yorhaus  tritt  man 
in  das  Mittelschiff  der  Kirche  selbst,  welches  der  Gella  des  Tempels,  dessen 
Fronte  die  drei  äusseren  antiken  Säulen  angehörten,  entspricht.  Die  in  Travejtin 
aufgeführten  Cellawände  fielen  mit  den  Linien  der  Arcadenreihen  der  Kirche 
zusammen  und  sind  im  Souterrain  noch  deutlich,  theilweise  selbst  mit  den  Basa- 
mentleisten  und  Eckpilastern  verfolgbar;  merkwürdigerweise  hat  sich  sogar  noch 
ein  Stück  des  Gebälkes  der  rechtseitigen  Wand  erhalten,  obwohl  bei  Anlage  der 
Kirche  die  Wand  durch  die  basilikale  Säulenreihe  ersetzt  wurde.  Man  findet  dieses 
Gebälk,  wenn  man  rechts  vom  Haupteingang  der  Kirche  das  Campanile  bis  zur 
Dachplattform  des  rechten  Seitenschiffes  emporsteigt,  und  dann  auf  der  letzteien 
der  Oberwand  des  Mittelschiffs  entlang  geht.  Es  ist  13,5o  Met.  lang,  und  besteht 
aus  einem  dreistufigen  Architrav  von  0,63  Met.  Höhe  mit  Perlenschnur  und  Herz- 
blattschema im  Bekrönungsl eisten,  worauf  fünf  Stücke  eines  zweistufigen  Gliedes 
0,11,  0,18  und  0,36  M.  hoch  mit  Perlenstab  und  Eierstab  folgen,  auf  welchen,  wenn 
nicht  schon  zwischen  ihnen  die  Steinbalken  der  Lacunariendecke  des  Pterons  liegen 
mussten,  von  welchen  aber  jede  Spur  fehlt.  Das  Ornament  zeigt  trotz  des  geringen 
Materials  (Travertin)  schöne  Ausführung.  Der  Säulenumgang  ist  bis  auf  die  vor 
der  Fronte  erhaltenen  Säulen  und  noch  zwei  Säulen  des  Pronaos,  welche  in  der 
Kapelle  zur  Linken  der  Vorhalle  der  Kirche  und  zwar  in  der  Wand  dieser  Vorhalle 
eingemauert  sein  sollen,  verschwunden. 

In  der  oben  erwähnten  Kapelle  zur  Linken  vom  Eingangsraume  findet  man 
aber  in  die  linkseitige  Aussenwand  eingelassen  21  toscanisch  dorische  Travertin- 
säulen  mit  ihrem  durch  Beseitigung  der  Stuckzierden  kahlen  Gebälk,  das  übrigens 
das  horizonlalausladende  Kranzgesims  noch  deutlich  erkennen  lässt.  Die  Säulen 
kommen  auch  ausserhalb  der  Kirche  zum  Vorschein,  wie  man  findet,  wenn  man 
durch  die  Sakristei  in  den  schmalen  Gang  tritt,  welcher  die  Kirche  von  dem  an- 
gränzenden   Grundstück   trennt.     Hier   sieht  man   sogar  in   ununterbrochener  Reihe 


Die  üeberreste  der  drei  Tempel  in  S.  Nicola  in  Carcere.  207 

6  von  diesen  Säulen,  z.  Th.  noch  vollkommen  erhalten,  und  durch  ihr  etwas 
stärkeres  Hypotrachelion  bemerkenswerth.  Vom  Gebälk  ist  hier  nur  mehr  der 
Architrav  sichtbar  und  dieser  ist  ionisch  zweifach  gestuft  und  mit  ionischem  Be- 
krönungsleisten  versehen.  Doch  mussle  diese  Seite  die  Innenseite  einer  Portikus 
bilden,  die  peripteral  um  die  Gella  geführt  war.  Die  theilweise  verschütteten  Säulen, 
lassen  auf  ein  Gebäude  von  kleinen  Dimensionen  schliessen,  welches  von  dem 
Säulenkranz  des  ersteren  Tempels  nur  2  Met.,  von  dessen  Stereobat  sogar  noch 
weniger  abstand.  Im  16.  Jahrh.  muss  von  diesem  Tempel  noch  ungleich  mehr 
sichtbar  gewesen  oder  durch  Nachgrabungen  zu  Tage  getreten  sein,  wie  aus  einigen 
mit  eingeschriebenen  Notizen  versehenen  Plänen  und  Aufrissen  in  der  florentinischen 
Sammlung  ersichtHch  ist,  deren  Urheber  zwar  nicht  sicher  ist,  aber  der  Schrift  nach 
jedenfalls  dem  Cinquecento  angehört.  Director  A.  Gnauth  fertigte  darnach  die  Zeich- 
nungen, welche  er  zur  Herstellung  der  beifolgenden  Tafel  sammt  den  zu  Grunde  liegen- 
den höchst  sorgfältigen  Pausen  dem  Verfasser  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  hat. 
Da  an  der  Nord-  und  Ostseite  die  Distanzen  aller  Säulen  wie  auch  die  Gesammtmaasse 
genau  angegeben  sind,  ausserdem  die  Abstände  von  zwei  Säulen  im  Innern  des 
Pronaos  und  abgesehen  von  der  Angabe  des  Gellamaterials  (Peperin)  die  genauesten 
Detailmaasse  des  Portals  ja  selbst  das  ßekrönungsprofil  desselben  vorliegen,  so  muss 
man  glauben,  dass  es  sich  hier  nicht  um  eine  der  leider  nicht  seltenen  willkür- 
lichen Restaurationen  der  Renaissance,  sondern  um  eine  Befundaufnahme  handelt, 
welche  wohl  mit  der  Erbauung  der  noch  bestehenden  Privatgebäude  und  der  da- 
durch veranlassten  Grundgrabungen  zusammenhing,  wonach  nicht  nothwendig  ist 
anzunehmen,  dass  selbst  der  Portalsturz  noch  in  situ  vorhanden  gewesen  sei.  Nicht 
unbedenklich  erscheint  freilich  der  griechisch  gestufte  Unterbau  (Krepis),  welcher 
übrigens  mit  der  nicht  blos  durch  den  Aufriss,  sondern  auch  in  der  Beischrift  aus- 
drücklich hervorgehobenen  Basenlosigkeit  der  Säulen  zusammengehalten  einen 
dorischen  Hellenismus  darstellen  würde,  der  sich  im  übrigen  Aufbau  nicht  weiter 
findet.  Denn  sowohl  die  Höhe  der  Säulen  (15  Moduli)  als  die  Säulenhaisbildung, 
namentlich  aber  die  ganze  Gebälkbehandlung  folgt  der  römischen  Regel. 

Geht  man  in  das  Seitenschiff  zur  Rechten,  so  sieht  man  auch  noch  von  einem 
dritten  Gebäude  einen  Säulenschaft  in  die  moderne  Wand  eingemauert.  Dazu  kom- 
men im  Souterrain  der  Kirche  unter  dem  rechten  Seitenschiff  auf  senkrecht  abfal- 
lendem Stereobat  noch  vier  weitere  und  ein  Eckpilaster,  von  welchen  jedoch  dort 
ausser  den  attischen  Basen  wenig  mehr  sichtbar  ist,  da  die  Schäfte  in  der  rechten 
Aussenwand  der  Kirche  sich  verbergen.  Doch  dürften  sie  in  der  modernen  Mauer 
noch  erhalten  sein,  da  wenigstens  das  dazugehörige  Gebälk  noch  an  der  ursprüng- 
lichen Stelle  nachzuweisen  ist.    Besteigt  man  nämlich  die  Bedachung  des  rechten 


908  ^'^^  Marsfeld. 

Seitenschiffes,  so  sieht  man  zur  Rechten  an  der  Wand  des  angränzenden  Privat- 
hauses und  dem  obenbeschriebenen  Gella-Gebälk  gegenüber  einen  i  4  Meter  langen 
Gebalktheil.  Vom  Architrav  ist  nur  der  obere  Streifen,  0,4o  M.  hoch  sichtbar.  Der 
Fries  misst  mit  dem  aus  demselben  Block  gearbeiteten  Architravgesims  1,15  Meter, 
Das  nur  durch  den  Zahnschnitt  ausgezeichnete  Kranzgesimse  misst  sammt  Siraa 
0,85  Meter,  welche  Höhe  der  Ausladung  gleichkömmt.  Die  Ausführung  ist  sehr  10h 
und  ärmlich,  die  ßlattleisten  wie  die  Sima  zeigen  keinerlei  Ornament  und  begnügen 
sich  mit  dem  schlichten  Profil,  was  sich  wohl  durch  den  jetzt  gUnzlich  verschwun- 
denen Stuckverputz  des  Travertin  erklärt.  Bemerkenswerth  sind  die  zahlreichen 
Löcher  im  Fries,  welche  auf  angeheftete  Zierden  schliessen  lassen.  Die  Werkstücke 
sind  von  grossem  Umfang  und  messen  bis  zu  21, 60  Meter  in  der  Länge.  Von  zwei 
Säulen  der  anderen  Langseite  dieses  Tempels  findet  man  noch  die  Schäfte  in  einem 
Magazin  der  Farmacia  Volpi  (Via  di  Monte  Savello,  Nr.  7^)  eingemauert.  Sie  zeigen 
jedoch  nur  mehr  die  uncannelirten  Schaftstücke  aus  Travertin,  die  Kapitale  scheinen 
verschwunden  zu  sein.  Die  Säulenhöhe  berechnet  sich  auf  9,io  Meter.  Der  Tempel  war 
demnach  in  altrömischer  Art  nur  auf  drei  Seiten  mit  Säulen  umgeben,  indem  die 
Rückwand  der  Cella  bis  an  die  Seitenportiken  vorspiang  und  hier  in  Pilastein  endigte. 

Die  Kirche  S.  Nicola  in  Carcere  steht  demnach  in  den  Ruinen  des  mittleren 
von  drei  Tempeln,  welche,  an  Grösse  verschieden^  auch  auf  besonderen  Sub- 
structionen  ruhend,  nicht  in  Folge  eines  einheitlichen  Grundplanes  erbaut  zu  sein, 
sondern  mehr  zufällig  neben  einander  zu  stehen  scheinen.  Wie  auch  aus  den 
Ornamentresten  ersichtlich  ist,  sind  sie  nicht  aus  gleicher  Zeit,  jedoch  wahrschein- 
lich nach  dem  angewandten  bescheidenen  Material ,  aus  der  Zeit  der  Republik. 
Da  nun  die  Lage  des  Forum  Olitorium  hier  ausser  Zweifel,  so  Hess  man  sich  leicht 
bestimmen,  die  dreifache  Ruine  den  drei  Tempeln  der  Pietas,  Spes  und  Inno  Sospita 
zuzuschreiben,  welche  am  Forum  Olitorium  genannt  werden. 

Allein  es  wurde  schon  erwähnt,  dass  das  Marcellustheater  an  der  Stelle  des 
Pietastempels  erbaut  wurde,  welcher  von  dem  Consul  M'.  Acilius  Glabrio  in  der 
Schlacht  bei  Thermopylä  gelobt  und  im  J.  373  d.  St.  (181  v.  Chr.)  geweiht  worden 
war,^  desselben,  der  nach  einer  schwärmerischen  Sage  das  Andenken  an  jenen  Kerker 
bewahren  sollte,  in  welchem  eine  Tochter  in  aufopfernder  Liebe  ihrem  gefangenen 
Vater  an  ihren  Brüsten  das  Leben  fristete."  Wenn  die  Worte  des  Plinius,  dass  der 
Tempel  da  errichtet  wurde,  »wo  jetzt  das  Theater  des  Marcellus  ist«,  buchstäblich  zu 
nehmen  sind,  so  muss  freilich  die  Annahme,  dass  der  Pietastempel  hier  zu  suchen 
sei,  verworfen  werden.     Ein  solches  Hinderniss  findet  sich  nicht  mit  den  Tempeln 


1  Liv.  XL,  34.  2  pHn.  H.  N.  1.  c.       Fest.  s.  v.  Piotali. 


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Verlag  T.T.O.Weigel in  Leipzig . 


Lith.  Anst.T.W.Loeillot  iaBeriii. 


Die  drei  Tempel  von  S.Nicola  in  Carcere. 


Die  üeberrcste  der  drei  Tempel  in  S.  Nicola  in  Carcere.  209 

der  Spes  und  der  luno  Sospita ,  von  deren  Lage  wir  ausser  der  Bezeichnung  in  foro 
Olitorio^  wenig  wissen,  welche  aber  mögHcherweise  der  Ruine  entsprochen  haben 
können.  Der  erstere  wurde  im  ersten  punischen  Kriege  von  M.  Atihus  Galatiniis 
erbaut  und  dann  von  Germanicus  wiederhergestellt, ^  war  also  nicht  unter  die  Tempel 
einbegriffen ,  welche  dem  Marcellustheater  hatten  weichen  müssen ;  ^  der  zweite  ver- 
dankte sein  Entstehen  einem  Gelübde  des  C.  Corn.  Cethegus  in  der  Schlacht  gegen  die 
Insubrer  und  wurde  im  J.  558  d.  St.  (1 96  v.  Chr.)  geweiht.  Die  luno  Sospita  ist  aber 
nicht,  wie  häufig  geschehen  ist,  mit  der  luno  Matuta  zu  identificiren ,  welche  als  Mater 
Matuta  ihren  Tempel  innerhalb  des  carmentalischen  Thores  hatte,  wie  ausdrücklich  er- 
wähnt wird.*  Was  ihre  relative  Stellung  betrifft,  so  möchte  man  behaupten,  dass  der 
erstere  südöstlicher,  d.h.  der  servischen  Mauer  näher  stand,  denn  er  wird  nicht  nur,  wie 
schon  erwähnt,  »ausserhalb  des  carmentalischen  Thores«,  also  offenbar  nahe  daran 
stehend  bezeichnet,  sondern  es  wird  auch  hinzugefügt,  dass  er  allein  von  den  Tempeln 
und  Gebäuden  ausserhalb  der  servischen  Stadt  von  dem  Brande ,  der  den  ganzen  Stadt- 
theil  von  den  Salinen  bis  zur  porta  Carmentalis  mit  dem  Aequimelium  und  Vicus  lugarius 
verzehrte,  ergriffen  worden  sei.^  Die  servische  Mauer  muss  allerdings  nahe  an  S.  Nicola 
in  Carcere  gesucht  werden ,  und  so  kann  der  nächstliegende  Tempel  der  Spes  geweiht 
gewesen  sein.  Auch  den  Tempel  des  lanus,  der  »beim  Marcellustheater  befindlich«  ge- 
nannt wird,^  der  also  jedenfalls  weiter  nordwestlich  lag  als  der  Spestempel,  zur  Er- 
klärung der  Ruinen  beizuziehen,  ist  nicht  räthlich,  da  derselbe  jedenfalls  von  anderer 
Form  gewesen  sein  musste,  als  sie  die  Ueberreste  erkennen  lassen.  Ohne  inschriftliche 
Funde  wird  man  überhaupt  zu  keinem  gewissen  Resultate  in  dieser  Frage  gelangen. 

Die  beschriebenen  Tempel  scheinen  frühzeitig  verfallen  und  zu  der  Kirche  benutzt 
worden  zu  sein,  welche  als  Diakonie  schon  von  Anastasius  Bibliothecarius  erwähnt  wird; 
in  die  früheste  Zeit  gehören  auch  die  Wandgemälde ,  welche  man  bei  den  letzten  Aus- 
grabungen entdeckt  hat.  Die  Ergebnisse  der  beiden  Nachgrabungen  in  und  ausserhalb 
der  Kirche  in  diesem  Jahrhundert  waren  verhältnissmässig  unbedeutend.  Bei  den  Ar- 
beiten, die  der  Architekt  Valadier  im  J.  1808  auf  eigene  Kosten  unternahm,  fand  man 
auf  dem  kleinen  Platze  vor  der  Kirche  die  Reste  eines  Piedestals  für  eine  Reiterstatue, "^ 
was  in  der  Annahme ,  dass  die  mittlere  Ruine  dem  Tempel  der  Pietas  entspreche ,  noch 
bestärkte ,  da  wirklich  M'.  Acilius  Glabrio  vor  dem  von  ihm  erbauten  Tempel  der  Pietas 
seinem  Vater  eine  Reiterstatue  errichtet  hatte,  welche  die  erste  vergoldete  in  Rom  war.^ 
Auch  bei  wiederholten  Nachgrabungen  im  J.  1848^  machte  man  nur  spärliche  Funde. 


'  Liv.    XXI.  62.     XXXII.  30.  *  Cic.  legg.  II.  c.  41.    —    Tacit.    Ann.    II.   49.    —    Dio   Cass.    L.  4  0. 

'  Dio  Cass.  XLIII.  49.  *  Liv.  XXV.  7.  *  Liv.  I.  c.  XXIV.  47.  *  Serv.  \.  c.  ^  Guattani,  Memorie  en- 
ciclopediche  siille  antichitä  e  belle  arti  di  Roma.  R.  4846.  »  Val.  Ma.\.  II.  5,  4.  Liv.  XL.  34.  "  L.  Canina, 
Sui  tro  tempi  antichi  esistenti  nella  chiesa  di  S.  Nicola  in  Carcere.    Annal.  d.  1.  d.  C.  a.  4  850.  p.  347—856. 

F.  Rbbek,  die  Ruinen  Roms.  S7 


9  /|  0  D^s  Marsfeld . 

Das  Bedeutendste  war  ein  kolossaler  Marmorarm  einer  weiblichen  Figur  und  Reste  der 
marmornen  Schwelle  und  der  Portalpfosten  des  Mitteltempels.  Die  im  J.  18 48  begonnene 
Restauration  der  Kirche  aber  unterblieb  nach  einigen  Verwüstungen  an  der  Fagade  und 
hatte  den  Schluss  der  Kirche  zur  Folge,  der  bis  jetzt  noch  nicht  aufgehoben  worden  ist. 


31.     Die  Porticus  der  Octavia.     Der  Tempel  der  luno. 

Kehrt  man  die  Via  della  Bocca  di  Veritä  wieder  zurück  und  verfolgt ,  die  Piazza 
di  Montanara  überschreitend,  in  derselben  Richtung  die  Via  della  Catena  di  Pescaria, 
so  gelangt  man  auf  die  kleine  Piazza  di  Pescaria  und  zu  einer  anderen  sehr  bedeutenden 
Ruine ,  welche  die  Nordseite  dieses  Platzes  bildet.  Trotz  der  Verstümmelung  lasst  sich 
die  Gestalt  wie  der  Zweck  dieses  Baudenkmals  leicht  reconstruiren ;  es  war  der  Haupt- 
eingang in  eine  Porticus,  von  welcher  zu  beiden  Seiten  in  der  Via  della  Catena  di  Pescaria 
und  in  der  Via  di  Pescaria ,  die  an  die  Stelle  der  Porticus  selbst  getreten  sind ,  noch 
Säulen  übrig  sind,  die  mehr  oder  weniger  aus  den  Mauern  der  modernen  Häuser  hervor- 
ragen. Der  auf  dem  kleinen  Platze  selbst  befmdhche  Eingang  aber  hatte  die  Form  eines 
Pronaos,  innen  und  aussen  je  vier  Säulen  zwischen  zwei  Antenmauern  an  den  Schmal- 
seiten ,  welche  jedoch  durch  Bogen  mit  den  Hallen  der  Porticus  auf  beiden  Seiten  ver- 
bunden und  nach  aussen  in  der  Linie  der  Säulen  und  etwas  hereingerückt  mit  Pilastern 
geschmückt  waren.  Diese  Eingangshalle  war  von  grösseren  Verhältnissen  und  breiter 
als  die  sich  an  beiden  Seiten  anschliessenden  Säulenhallen,  die  Säulen  höher,  stärker  und 
in  grösserer  Entfernung  von  einander.  Von  den  acht  Säulen  haben  sich  jedoch  nur  mehr 
vier,  die  beiden  nordwestlichen  der  äusseren  und  der  inneren  Seite  der  Halle,  von  den 
beiden  Antenmauern ,  deren  Backsteinbau  ursprünglich  mit  Marmor  bekleidet  war,  der 
grösste  Theil  erhalten ,  an  dem  Carnies  der  Bogen  selbst  der  Marmor.  Die  Marmorsäulen, 
deren  Basen  unter  dem  modernen  Boden  begraben  liegen ,  sind  korinthischer  Ordnung 
und  canellirt;  der  Schaft  misst  8,6o  Met.  in  der  Höhe,  1,io  Met.  im  unteren,  0,96  im 
oberen  Durchmesser.  Das  Capital,  welches  i,4o  Met.  hoch  ist,  zeigt  statt  der  sonst 
üblichen  Sternschnecke  an  der  Platte  einen  verstümmelten  Adler  mit  dem  Donnerkeil  in 
den  Klauen.  Das  vormals  ringsum  laufende  Gebälke  ist  auf  der  Stirnseite  noch  wohl 
erhalten :  während  man  jedoch  an  den  Ueberresten  der  Seiten  Architrav  und  Fries  styl- 
gerecht unterschieden  sieht,  findet  man  an  der  Fronte  beide  in  eine  Ebene  gemeisselt, 
auf  welcher  sich  folgende  Inschrift  befindet: 

impCaesLSeptimiVS  SEVERVSPIus  PERTINAX  AVG  ARABIC  ADIABENIC-PaRTHIC  MAXIMV 

TRIB   POTEST.  Xl    I  MF  •  XI  •  COS  •  II I    P   p    ET 

Imp  •  Caes  •  M  •  AureliVS    ANTON  I  N VS    P  I VS    FELI X    AVG    Trib    potest  •  V I  •  COS    PROCOS 
porticuni     INCENDIO-  CONsuinPTAM     RESTItuerunt 


Die  Porticus  der  Octavia.     Der  Tempel  der  Tuno. 


211 


lieber  dem  Gebälke  der  Stirnseite  erhebt  sich,  von  einem  einfachen,  aber  stark 
vorspringenden  Carnies  umsäumt,  der  noch  fast  vollständig  erhaltene  Giebel,  dessen 
leeres  und  nur  Spuren  von  christlicher  Malerei  zeigendes  Tympanon  eine  Höhe  von 
2,60  Met.  hat.  Die  Inschrift  zeigt,  dass  diese  gegen  den  Platz  gewendete  Seite  die  äussere 
des  Porticuseinganges  war.  Von  der  inneren  haben  sich  weder  Gebälke  noch  Giebel  er- 
halten. Wahrscheinlich  musste  hier  ein  Theil  des  Denkmals  bei  der  Anlage  der  Kirche  di 
S.  Michaele  Archangelo  weichen,  in  deren  Glockenthürmchen  eine  der  Säulen  theilweise 
eingeschlossen  ist.  ^ 


19.   Porticus  der  Oclavia.   (F.  R.) 


Treten  wir  nun  zur  Linken  von  der  genannten  Kirche  durch  die  Halle  selbst  in 
die  Via  di  S.  Angelo  di  Pescaria,  so  sieht  man  sogleich  auf  der  rechten  Seite  der  Strasse 
das  Capital  einer  Säule  über  die  Hofmauer  des  Hauses  No.  12  emporragen.  Im  Ge- 
bäude selbst  findet  man  drei  Säulen,  canellirt,  mit  Capitälen  von  zusammengesetzter 
oder  römischer  Ordnung,  deren  unterer  Theil  sich  im  Kellerraume  befindet.  Die  Schäfte 
sind  12,50  Met.  hoch,  und  haben  unten  1,25,  oben  1,o5  Met.  im  Durchmesser,  die  Capitäle 
messen  1,5o  Met.  in  der  Höhe.  Auch  ein  Architravstück  ist  noch  vorhanden.  Nach  der 
triangulären  —  ohne  Zweifel  noch  ursprünglichen  Stellung  mussten  diese  drei  Säulen 
der  linken  Ecke  eines  Gebäudes  und  zwar,  wie  sich  schon  im  Voraus  vermuthen  lässt, 

27* 


212  •  D3S  Marsfeld. 

eines  Tempels  angehören.  Allein  es  lässt  sich  nicht  bloss  dieses ,  sondern  auch  die  Be- 
ziehung, in  welcher  dieser  Tempel  zu  der  beschriebenen  Halle  stand,  sammt  den 
Namen  und  der  Bestimmung  von  beiden  ermitteln. 

Das  Regionenverzeichniss  der  Notitia  ^  gibt  in  der  neunten  Region  (Circus  Fla- 
minius)  und  zwar  in  dem  hier  in  Betracht  kommenden  Theile  drei  Portiken  an,  die 
Porticus  Philippi,  Minucia  vetus  und  Frumentaria.  Hinsichtlich  der  Localität  im  Ein- 
zelnen kann  zwar  hier  aus  der  sonst  so  werthvollen  Aufzählung  nichts  geschöpft  wer- 
den, denn  es  sind  offenbar  die  gleichartigen  Anlagen  zusammengefasst ,  zuerst  vier 
Portiken  mit  Einschluss  der  Crypta  Balbi,  dann  fünf  Gebäude  für  öffentliche  Spiele, 
nemlich  die  drei  Theater,  das  Odeum  und  das  Stadium.  Dass  jedoch  eine  von  den 
drei  Portiken  die,  von  welcher  wir  noch  einen  so  bedeutenden  Rest  übrig  haben, 
bezeichnet,  ist  nicht  unwahrscheinlich,  denn  sie  gehörte  jedenfalls  zu  den  grossartigsten 
Anlagen  und  bestand ,  da  wir  noch  eine  so  bedeutende  Ruine  davon  besitzen ,  gewiss 
noch  in  der  Zeit,  als  jenes  Verzeichniss  abgefasst  wurde.  Allein  eine  besondere 
Nachricht, 2  welche  auch  eine  genauere  topographische  Angabe  enthält,  setzt  gerade 
hieher  eine  anders  benannte  Porticus:  »Octaviae  werden  zwei  Porticus  benannt,  die 
eine,  welche  dem  Theater  des  Marcellus  näher  Octavia,  die  Schwester  des  Augustus, 
die  andere,  welche  dem  Theater  des  Pompeius  zunächst  Cn.  Octavius  .  .  .  erbaute.« 
Die  letztere,  deren  Säulen  bronzene  Capitäle  hatten,  wesshalb  sie  auch  Corinthia 
genannt  wurde,  die  übrigens  schon  zu  Plinius  Zeit  nicht  mehr  bestanden  zu  haben 
scheint, 3  kömmt  hier  nicht  in  Betracht,  dagegen  stimmt  die  Locahtät  der  ersten  sehr 
erwünscht  mit  der  unserer  Ruine  tiberein.  Damit  in  Einklang  erwähnt  eine  andere 
Notiz*  einen  Apollotempel  bei  der  Porticus  der  Octavia,  welche  anderwärts^  ausser- 
halb der  Porta  Carmentalis  zwischen  dem  Forum  Olitorium  und  dem  Circus  Flaminius 
bezeichnet  wird,  was  ebenfalls  auf  unsere  Stelle  passt.  Das  Schicksal  aber,  das  mit 
dem  antiken  Plane,  dessen  zahlreiche  Reste  an  der  Treppe  des  capitolinischen  Museum 
eingemauert  sind ,  so  unbarmherzig  verfuhr  und  uns  nur  fast  ebenso  viele  Räthsel  als 
Stücke  bewahrte,  hat  uns  den  Grundriss  dieser  Porticus  mit  den  von  ihr  eingeschlos- 
senen Tempeln  mit  den  nöthigen  Namen  (Tab.  H.)  vollständig  erhalten  und  es  uns 
möglich  gemacht,  durch  Vergleichung  mit  der  beschriebenen  Ruine  die  Identität  zur 
Gewissheit  zu  bringen.  Wir  ersehen  aus  diesem  Plane  zunächst,  dass  die  Porticus 
vierseitig  und  von  oblonger  Form  war,  mit  dem  Haupteingange  an  einer  Schmalseite. 
Die  Dimension  dieses  Haupteinganges  und  das  Verhältniss  derselben  zu  den  sich  an 
beiden  Seiten  anschliessenden  Hallen  stimmt  mit  dem  Befund  an  der  Ruine  überein, 


'  Curios.  Urb.  Rom.    Reg.  IX.  »  Fest.  s.  v.  Octaviae.  ^  Plin.  H.  N.  XXXIV.  3,   7,  13.  *  Plin. 

H.  N.  XXXVI.  5,  4,  34.  *  Ascon.  ad  Cic.  in  tog.  cand.  p.  90.  Or. 


• 


Die  Porticus  der  Octavia.      Der  Tempel  der  luno. 


213 


und  abweichend  ist  nur,  dass  sich  die  beiden  Antenmauern  mit  den  Durchgangsbogen 
nicht  verzeichnet  finden,  und  dafür  je  sechs  Säulen  in  einer  Linie  verzeichnet  sind. 
Allein  es  ist  leicht  möglich,  dass  diese  Mauern  erst  bei  der  Restauration  der  Porticus 
durch  Septimius  Severus  angebracht  worden  waren,  während  vorher  die  ganze  Eingangs- 
halle von  1 2  Säulen  getragen  war,  wodurch  natürlich  vier  wegfallen  mussten ,  die  nun 
durch  Pilaster  ersetzt  wurden.  Daraus  geht  weiter  hervor,  dass  die  Anfertigung  des  capi- 


20.    Die  Porticus  der  Oclavia.   Fragment  des  capiloiiiiischen  Planes.   (F.  R.) 

toUnischen  Planes  nicht  über  Septimius  Severus  herabgerückt  werden  darf,  was  übrigens 
nur  als  Bestätigung  für  die  auf  einem  Fragmente*  selbst  befindliche  Angabe  dient: 

SEVERI   ET  An 

TONINI   AVG 

N  N 

wonach   der  Verfertiger  des  Planes  den  Severus  und  Antoninus  als  die  lebenden  und 
regierenden  Fürsten  bezeichnet. 


'  Bellorii  Fragmenta  vestigii  veteris  Romae.  tab.  IV.    (Graev.  Thes.  Anl.  Rom.    Tom.  IV.  App.  p.  8.) 


21^         .  Das  MarsfelfJ. 

Allein  nicht  bloss  dieser  Ueberrest  steht  demnach  mit  dem  antiken  Planfragmente 
im  Einklang.  Denn  gerade  an  der  Stelle,  an  welcher  wir  die  drei  Säulen  der  linken  Ecke 
beschrieben  haben,  findet  sich  auch  ein  Tempel  verzeichnet,  dessen  Pronaos  jedoch  der 
Plan  aus  nicht  zu  erklärenden  Gründen  etwas  verkümmert  darstellt.  Wir  können  kaum 
glauben,  dass  der  Sachverhalt  dieser  Zeichnung  entsprechend  gewesen  sei,  da  nament- 
lich Ecksäulen  schlechterdings  nicht  fehlen  konnten,  weil  auf  ihnen  weit  mehr  Last  ruhte, 
als  auf  den  übrigen,  die  sich  gegenseitig  unterstützten.  Wir  müssen  daher  wohl  diese 
unerklärlichen  Anomalien  dem  Meissel  des  Ichnographen  zuschreiben ,  der  die  schwierige 
und  umfängliche  Arbeit  vielleicht  übermässig  beschleunigen  wollte,  und  den  Tempel  nach 
seiner  sonstigen  Gestalt  als  einen  einfachen  Prostylos  hexastylos  betrachten.  Nach  diesem 
Plane  mussten  die  drei  Säulen  in  der  Via  di  S.  Angelo  in  Pescaria  dem  Pronaos  des 
Tempels  angehören ,  der  hier  der  Inno  zugeschrieben  wird.  Daneben  aber  zeigt  der  Plan 
den  Grundriss  eines  Tempels  des  lupiter. 

Von  diesen  beiden  Tempeln  finden  sich  auch  mehre,  doch  sehr  verwirrte  Nach- 
richten. Der  erstere  scheint  schon  im  J.  574  d.  St.  (180  v.  Chr.)  gegründet  worden 
zu  sein,  wenn  anders  der  Tempel  der  Inno  Regina,  welchen  M.  Aemilius  Lepidus  im 
Circus  Flaminius  weihte,^  derselbe  ist.  Den  Tempel  des  lupiter,  der  hier  Stator  bei- 
genannt wird,  bezeichnet  Vitruv  als  das  Werk  des  Hermod(or)us.^  Diesen  nüchternen 
und  desshalb  wohl  Glauben  verdienenden  Nachrichten  widerspricht  jedoch  eine  etwas 
märchenhafte  Relation  des  Plinius,^  welcher  den  beiden  Architekten  Sauros  und  Batrachos 
aus  Lakedämon  den  Bau  beider  Tempel  zuschreibt.  Diese  nun  sollen  sehr  reich  gewesen 
sein  und  desswegen  den  Bau  auf  eigene  Kosten  geführt  haben,  in  der  Hoffnung,  dafür 
durch  eine  Inschrift  an  ihrem  Werke  sich  verewigen  zu  dürfen.  Da  ihnen  jedoch  diess 
verweigert  worden  war,  suchten  sie  ihre  Absicht  auf  eine  andere  Weise  zu  erreichen, 
nemlich  dadurch,  dass  sie  ihre  Namen  symbolisch  an  den  Basen  der  Säule  anbrachten, 
Eidechsen  und  Frösche  {aavgog,  ßargayioc)  in  dieselben  meisselnd.  Diese  Nachricht  von 
der  Verweigerung  der  Inschrift  scheint  nun  in  einer  anderen  Notiz  *  ihre  Bestätigung  zu 
finden,  in  welcher  ausdrücklich  erwähnt  wird,  dass  die  beiden  in  die  Porticus  der  Octavia 
eingeschlossenen  Tempel  ohne  Inschrift  gewesen  seien.  Allein  die  Sage  hat  vielmehr 
eben  in  dieser  Inschriftlosigkeit  der  Tempel  wie  in  der  launigen  Ornamentik  an  den  Basen 
ihren  Ursprung,  und  aus  der  letzteren  sind  sicher  erst  die  apokryphen  Namen  der  beiden 
angeblichen  Lakonier  entstanden ,  wie  ja  öfter  an  ältere  Kunstwerke  der  Architektur  und 
Sculptur  wie  im  Alterthume  so  auch  im  Mittelalter  sich  ähnliche  Sagen  knüpften.  Was 
aber  diese  an  den  Basen  ausgemeisselten  Thiere  betrifft,  so  finden  sie  sich  wenigstens 


*  Liv.  XXXIX.  2.    XL.  52.  »  Vitruv.   III.  1,5.  '  Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,    4,    '.2.  *  Vellei.  Pa- 

terc.   [,   W,  3. 


Die  Porticus  der  Octavia.     Der  Tempel  der  luno.  2  I  5 

an  den  noch  übrigen  Säulen  des  Iiinotempels  nicht,  und  von  dem  danebenliegenden 
lupitertempel ,  welcher  sowohl  nach  dem  antiken  Plane  als  nach  Vitriiv  a.  a.  0.  ein 
Peripteros  war,  haben  sich  keine  Ueberreste  erhalten  und  Nachgrabungen  sind  auch 
dadurch  nahezu  unmöglich  gemacht,  dass  jetzt  die  Kirche  S.  Maria  in  Campitelli  seinen 
Platz  einnimmt.  Und  dass  jene  Curiosität  in  der  Kirche  S.  Lorenzo  fuori  le  mura, 
nemlich  das  ionische  Capital  einer  der  dort  befindlichen  antiken  Säulen  zur  Rechten 
neben  der  Kanzel ,  welches  in  dem  Auge  der  einen  Volute  einen  Frosch ,  um  das  andere 
herumgewunden  eine  Eidechse  zeigt,  nicht  mit  diesen  Tempeln  in  Verbindung  ge- 
bracht und  für  einen  Ueberrest  derselben  gehalten  werden  kann,^  was  allerdings  noch 
im  Umlaufe^  und  von  den  Franziskanerbrüdern  von  S.  Lorenzo  den  Besuchern  der 
höchst  interessanten  Kirche  als  erste  Merkwürdigkeit  mitgetheilt  wird,  das  werden 
diejenigen  einräumen,  welche  es  nicht  dem  Plinius  (a.  a.  0.)  zur  Last  legen  wollen, 
dass  er  Basen  und  Capitäle  verwechselt  habe,  denn  er  spricht  ausdrücklich  von  den 
spirae  (Basen);  und  zu  einer  solchen  Beschuldigung  haben  wir  keinen  Grund. 

Wenn  wir  demnach  auch  den  beiden  erstangeführten  Angaben  über  die  Ent- 
stehung der  beiden  Tempel  mehr  Glauben  beimessen,  so  muss  doch  das  aus  der  Sage 
von  Sauros  und  Batrachos  festgehalten  werden,  dass  beide  Tempel  zu  gleicher  Zeit 
erbaut  worden  seien,  wozu  wir  noch  durch  eine  andere  Legende  bestimmt  werden. 
Plinius 3  berichtet  nemlich  weiter,  es  sei  bekannt,  dass  in  dem  dort  befindlichen  lupiter- 
tempel die  Ausmalung  und  alle  übrige  Auszierung  auf  eine  weibliche  Gottheit  bezüghch 
seien.  Dieser  Tempel  soll  nemhch  für  die  luno  bestimmt  gewesen  sein,  als  aber  die 
Götterbilder  in  beide  gebracht  wurden,  hätten  sie  die  Lastträger  verwechselt,  und  weil 
die  Götter  selbst  auf  diese  Weise  ihren  Aufenthalt  gewählt  zu  haben  schienen,  so  habe 
man  es  dabei  belassen  zu  müssen  geglaubt.  Desshalb  sei  auch  die  Auszierung  im 
Tempel  der  luno  so,  wie  sie  sich  für  den  lupiter  geziemte. 

Das  wird  nach  alledem  als  gewiss  anzunehmen  sein,  dass  Q.  Cäcilius  Metellus 
Macedonicus,  als  er  nach  seinem  Triumphe  im  J.  605  d.  St.  (149  v.  Chr.)  die  Porticus 
anlegte,  die  Tempel  bereits  vorfand,  welche  er  durch  seine  Säulenhalle  einschloss,  und 
dass  jener  marmorne  Tempel,  welchen  er  als  den  ersten  der  Stadt  in  diesem  Materiale 
erbaute,*  entweder  gar  nicht  in  seiner  Porticus  lag,  oder  nur  ein  Neubau  des  schon  vor- 
handenen lupitertempels  in  derselben  war.  Das  erstere  wird  aber  dadurch  wahrscheinlicher, 
dass  einerseits  Phnius  für  die  Verwechselungsgeschichte  in  den  unpassenden  Gemälden 
noch  Grund  fand,  anderseits  aber  besonders  durch  den  Umstand,  dass  er  das  Elfenbein- 
bild  des  Gottes   in  dem  von  Metellus  erbauten  lupitertempel    ein  Werk   des  Pasiteles 


*  Winkelmann,  Ges.  W.  Bd.  1.    Anmerkungen  über  die  Baukunst  der  Alten.  S.  879.         *  A.  Nibby,  Roma 
nell'  anno  1838.  R.  1839.  Parte  T"  nioderna  p.  298.         '  Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  *3.         *  Vellei.  Pat.  I,  11. 


216  Das  Marsfeld . 

nennt, ^  das  Zeusbild  des  in  die  Porticus  der  Octavia  eingeschlossenen  lupitertempels  aber 
den  Söhnen  des  Timarchides  zuschreibt. ^ 

Wenn  aber  Metellus  der  erste  war,  der  in  Rom  einen  Tempel  aus  Marmor  erbaute, 
so  konnten  die,  welche  er  bei  Anlage  seiner  Porticus  bereits  vorfand,  noch  nicht  aus 
demselben  Materiale  gewesen  sein ,  und  wahrscheinlich  waren  auch  die  Hallen ,  welche 
er  erbaute,  noch  aus  Landstein.  Das  gab  demjenigen,  der  sich  auf  seinem  Todbette 
rühmte,  Rom  aus  Ziegeln  gebaut  vorgefunden  zu  haben ^  und  es  in  Marmor  zurückzu- 
lassen, Anlass  zum  vollständigen  Neubau.  Die  vierseitige  Porticus  erstand  nun  ganz 
in  Marmor  und  wurde  im  Namen  der  Schwester  des  Augustus,  der  Octavia,  eingeweiht.* 
Dass  bei  dieser  Gelegenheit  auch  die  Tempel  mit  Marmor  bekleidet  und  mit  Marmorsäulen 
geschmückt  wurden ,  ist  klar ;  die  Porticus  der  Octavia  erscheint  auch  öfters  unter  dem 
Namen  opera  Octaviae,^  was  offenbar  mehr  besagt,  als  die  blosse  Umfriedung.  Ueber- 
diess  baute  Augustus  an  die  Tempel  noch  andere  Räume  an ,  welche  vielleicht  eine  Er- 
weiterung der  Porticus  hinter  den  Tempeln  nothwendig  machten  und  von  welchen  der 
an  die  Tempel  unmittelbar  sich  anschliessende,  freilich  etwas  räthselhafte  Theil  auf  dem 
antiken  Planfragmente  noch  erhalten  ist.  Für  diese  Räumlichkeiten  finden  sich  die  Namen 
bibliotheca^  oder  bibliothecae,^  curia ^  und  schola^  oder  scholae^"^  Octaviae.  Ob  diess 
ein  und  dieselben  Räume  waren,  wie  Becker ^^  glaubt,  ist  sehr  zu  bezweifeln,  denn 
wenn  Plinius  von  einem  Kunstwerke  in  der  curia  Octavia  spricht,  und  dann  fortfährt, 
dass  in  derselben  schola  noch  andere  Kunstwerke  unbekannten  Ursprungs  seien ,  so  be- 
zieht sich  das  eadem  sicher  auf  das  Cognomen  Octavia  und  auf  die  Localität  im  Allge- 
meinen, denn  um  dieselbe  engere  Räumlichkeit  zu  bezeichnen,  hätte  Plinius  sich  nicht 
verschiedener  Namen  bedient.  Was  aber  die  Disposition  dieser  RäumUchkeiten  betrifft, 
so  vermuthe  ich,  auf  den  antiken  Plan  gestützt,  dass  die  Bibliotheken  an  die  Tempel  an- 
gebaut waren  und  dass  die  Curia  ein  grösserer  Saal  gewesen  sei,  der  sich  an  die  Nord- 
westseite der  Porticus  in  der  Mitte  anlehnte,  um  welche  sich  dann  die  Amtslocale  (scholae) 
zu  beiden  Seiten  so  gruppirten,  dass  sie  vielleicht  selbst  die  vierte  Seite  der  Porticus 
bildeten  und  den  Tempelraum  abschlössen. 

Der  ganze  Complex  mochte  so  an  baulicher  Pracht  eines  der  kleineren  Kaiserfora 
nahezu  erreicht,  hinsichtlich  des  Reichthums  an  Meisterwerken  der  Sculptur  und  Malerei, 
der  dahin  zusammengebracht  war,  dieselben  sogar  überflügelt  haben.  Von  dem  Zeus  der 
Söhne  des  Timarchides  in  dem  einen  der  beiden  Tempel  wurde  schon  gesprochen;  in  dem 


'  Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  40.  *  id.  XXXVI.  5,  4,  35.  »  Dio  Cass.  LVI.  30.  —  Sueton.  Aug.  28. 
*Sueton.  Aug.  29.  Ovid.  Art.  III.  Y.  391.  »  Plin.  H.  N.  XXXIV.  6,  14,  31.  —  XXXVI.  5,  4,  15.  Dio  Cass. 
LXVI.  24.  •  Plut.  Mareen.  30.  '  Sueton.  de  ill.  gr.  21.  —   Dio  Cass.  XLIX.  43.    LXVI.  24.  »  Pliii. 

H.   N.    XXXVI.    5,    4,  28.  »   id.    XXXV.    10,   37,   114.      XXXVI.    5,   4,  29.  "*   id.    XXXVI.    5,    4,   22. 

"  H.  d.  r.  A.    Bd.  I.  p.  611  fg. 


Die  Porticus  der  Octavia.     Der  Tempel  der  luno.  217 

Tempel  der  luno  werden  die  Marmorbilder  des  Aesculap  und  der  Diana  von  Kephisodotos  ^ 
erwähnt.  Vor  den  Tempeln  war  die  berühmte  Reitergruppe  des  Lysippus ,  in  welcher  die 
Freunde  des  Alexander  porträtähnlich  dargestellt  waren ,  ein  Kunstwerk ,  das  schon  Me- 
tellus  als  Siegesbeute  von  Dium  in  Macedonien  nach  Rom  gebracht  und  in  (?)  seiner  Por- 
ticus aufgestellt  hatte.^  Der  capitolinische  Plan  aber  zeigt  vor  beiden  Tempeln  grössere 
Piedestale,  woraus  vielleicht  geschlossen  werden  darf,  dass  die  Gruppe  getheilt  worden 
sei,  was  wohl  geschehen  konnte,  da  sie  nach  Arrian  (a.  a.  0.)  aus  nicht  weniger  als 
25  Reitern  bestand;  doch  ist  auch  noch  eine  andere  unten  zu  besprechende  Annahme 
möglich.  Von  der  Curia  der  Octavia  wird  der  bHtzhaltende  Cupido  unbekannter  Herkunft 
vorzüglich  gerühmt,  und  von  der  Schola  werden  vier  Satyrn  und  zwei  Aura,  auf  ihren 
als  Segel  gespannten  Gewändern  schwebend, ^  deren  Meister  ebenfalls  nicht  bekannt  war, 
besonders  aber  der  berühmte  Cupido  des  Praxiteles,'^  dessen  in  den  Schriften  des  Alter- 
thums  so  oft  gedacht  wird,  erwähnt.  Die  letztere  war  auch  mit  Gemälden  geschmückt, 
darunter  die  Hesione  und  die  Gruppe  des  Alexander  und  Philipp  mit  der  Minerva  von 
Antiphilus,^  dem  Nebenbuhler  des  Apelles.  Ganz  allgemein  »in  der  Anlage  der  Octavia 
befindlich«  wird  eine  marmorne  Venus  des  Phidias^  und  eine  sitzende  Corneha  aus  Bronze 
von  unbekannter  Hand,'^  welche  allerdings  mehr  als  historisches  denn  als  Kunstdenkmal 
zu  betrachten  ist,  genannt. 

Bald  nach  der  glänzenden  Senatsversammlung  in  der  Curia  der  Octavia,  in  wel- 
cher Vespasian  und  Titus  vom  jüdischen  Kriege  zurückkehrend  empfangen  wurden,*'  sank 
die  ganze  Pracht  der  Anlage  durch  den  grossen  Brand  unter  Titus  im  J.  80  n.  Chr., 
welcher  einen  grossen  Theil  der  Nordhälfte  Roms  verzehrte,  in  Trümmer,^  und  dabei 
gingen  auch  die  Bibhotheken  und  der  grösste  Theil  der  Kunstwerke  unersetzbar  zu 
Grunde.  Die  grosse  Ausdehnung  des  Brandes  erlaubte  nur  die  sofortige  Herstellung  des 
Wichtigsten,  und  so  scheint  die  Anlage  der  Octavia  120  Jahre  lang  als  Ruine  liegen  ge- 
blieben zu  sein,  es  wird  wenigstens  nichts  von  einem  Wiederaufbau  in  der  Zwischenzeit 
berichtet.  Erst  der  Kaiser  L.  Septimius  Severus  unternahm  im  J.  203  n.  Chr.,  welches 
dem  1 1 .  Jahr  der  Regierung  oder  der  tribunicischen  Gewalt  des  Septimius  Severus  ent- 
spricht, den  Wiederaufbau,  wie  aus  der  Inschrift  ersichthch  ist,  welche  sich  noch  fast 
vollständig  am  Gebälke  des  Porticuseinganges  erhalten  hat,  also  in  demselben  Jahre,  in 
welchem  auch  der  Triumphbogen  des  Severus  am  Forum  Romanum  errichtet  worden 
war.  Die  Inschrift  gibt  auch  Zerstörung  durch  Brand  als  die  Ursache  des  Wiederaufbaues 
an,  lässt  es  jedoch  unbestimmt,  zu  welcher  Zeit  dieser  stattgefunden  habe.  Auffallend 


'  Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  24.  *  id.  XXXIV.  8,  49,  64.  —  Vell.  Pat.  I.  -11,  3.  —    Arrian.  Anab.  I.  16. 

'  l'lin.   H.  N.  XXXVI.   5,   4,   28.   29.  *  id.   XXXVI.   5,   4,  22.         *  id.   XXXV.   10,   37,   114.         «  id.   XXXVI. 

ö,  4,  13.        ^  id.   XXXIV.  6,  U,  31.    cf.  Plut.  G.  Gracch.  4.        *  Flav.  loseph.  VII.  16.        "  Dio  Cass.  LXVI.  24. 

F.  REnER  ,  die  Ruinen  Roms.  28 


9'|  g  Das  Marsfeld. 

ist  an  dieser  umfönglichen  und  in  grossen  Charakteren  geschriebenen  Dedication,  dass 
man  nicht  wie  an  den  Inschriften  am  Triumphbogen  und  an  der  kleinen  Ehrenpforte  am 
Forum  Boarium  Spuren  von  der  nachmah'gen  Tilgung  des  Namens  des  unglücklichen 
Geta  wahrnimmt,  wenigstens  bei  den  bisherigen  Untersuchungen  nicht  entdeckt  hat. 
Dass  Geta  hier  ursprünglich  unberücksichtigt  geblieben  sei ,  ist  nicht  denkbar,  da  der 
Vater  seinen  beiden  Söhnen  gleiche  Ehren  zu  erweisen  fast  zu  ängstlich  bestrebt  war; 
es  ist  daher  wohl  zu  vermuthen,  dass  wir  die  vierte  Zeile  nicht  in  ursprünglicher  Fassung 
vor  uns  haben,  wenn  nicht  Caracalla  nach  dem  Tode  seines  Vaters  und  der  Ermordung 
seines  Bruders  die  ganze  Inschrift  umarbeiten  Hess.  Dem  Neubau  des  Septimius  Severus 
gehört  auch  der  erhaltene  Theil  der  Porticus  an,  was  aus  Styl  und  Arbeit  mit  Sicherheit 
zu  erkennen  ist. 

Wie  es  sich  mit  der  damaligen  Ausschmückung  verhielt,  ist  schwer  zu  sagen,  viel- 
leicht hatten  noch  einige  Kunstwerke  den  Brand  überdauert,  vielleicht  stellte  Septimius 
Severus  wieder  andere  dazu  auf.  Dass  die  Räume  nicht  ganz  leer  blieben ,  beweist  die 
berühmte  mediceische  Venus,  welche  im  17.  Jahrhundert  hier  ausgegraben  wurde, ^  ein 
Fund,  der  auch  anderen  Nachgrabungen  Aussicht  auf  Erfolg  gäbe,  wenn  sie  nicht  durch 
die  dichte  Bevölkerung,  welche  jetzt  diesen  Platz  besetzt  hat,  fast  unmöglich  gemacht 
wären.  Auf  der  Piazza  di  Pescaria  selbst  müsste  man  jedenfalls  auf  die  Ueberreste  eines 
Denkmales  stossen,  dessen  Pfeiler  auf  dem  capitolinischen  Plane  verzeichnet  stehen, 
über  dessen  Bedeutung  bei  mangelnden  classischen  Erwähnungen  sich  jedoch  nichts  Ge- 
wisses sagen  lässt.  Nach  der  sehr  unbefriedigenden  Zeichnung  auf  dem  capitolinischen 
Planfragmente  scheint  es  etwa  ein  Ehrenbogen  oder  lanus  Bifrons  gewesen  zu  sein,  der 
hier  wohl  von  Metellus,  Augustus  oder  Septimius  Severus  oder  wenigstens  in  deren  Zeit 
errichtet  worden  sein  konnte,  ohne  dass  wir  davon  weitere  Kunde  haben.  Möglich  ist 
aber  auch ,  dass  hier  die  berühmte  Alexandergruppe  von  Dium  aufgestellt  war,  was  so- 
gar noch  ansprechender  zu  sein  scheint,  als  diese  auf  die  zwei  wohl  zu  kleinen  Piedestale 
vor  den  beiden  Tempeln  zu  vertheilen.  Nach  Septimius  Severus  haben  wir  von  den 
weiteren  Schicksalen  der  Anlage  keine  Kunde  mehr.  Nur  der  grosse  Bogen ,  welcher  an 
die  Stelle  von  zwei  Säulen  an  der  Aussenseite  des  Porticuseinganges  getreten  ist  und 
dessen  Ziegelbau  aus  dem  fünften  Jahrhundert  zu  sein  scheint,  beweist,  dass  damals  der 
Neubau  des  Septimius  Severus  arg  gelitten  und  namenthch  der  Eingang  zwei  Säulen  ver- 
loren habe,  welche  durch  diesen  Bogen  ersetzt  wurden,  ein  Ersatz,  der  freilich  nur  in 
einer  sehr  barbarischen  Zeit  gebaut  werden  konnte ,  aber  wenigstens  das  Denkmal  vor 
gänzlichem  Einsturz  bewahrte,  dem  wir  also,  so  verunstaltend  er  auch  ist,  die  Erhaltung 


*  Memorie  di  varie  escavazioni  fatte  in  Roma  e  nei  luoghi  suburbani  vivente  Pietro  Santi  Bartoli  n".  108. 
(C.  Fea,  Miscellanca.    R.  1790.  p.  CCLIII.) 


Die  Porticus  der  Octavia,      Der  Tempel  der  luno.  219 

dieser  Ruine  zu  danken  haben.  Im  Uebiigen  muss  die  Anlage  frühzeitig  verfallen  sein 
und  ihren  Namen  verloren  haben.  Schon  im  9.  Jahrhundert  scheint  sie  der  Anonymus 
von  Einsiedeln,  der  doch  den  Weg  von  Lorenzo  in  Damaso  nach  S.  Maria  in  Cosmedin 
im  Uebrigen  genau  und  anschaulich  beschreibt,  nicht  mehr  namentlich  zu  kennen,^  im 
12.  Jahrhundert  2  erscheint  sie  schon  (nach  der  Inschrift)  unter  dem  Namen  Porticus  Se- 
verini ,  woraus  im  folgenden  Jahrhundert  ^  ein  Templum  Severianum  geworden  ist.  Im 
15.  Jahrhundert  trägt  sie  den  Namen  porticus  aedis  Mercurii/  den  selbst  Palladio  bei- 
behielt,^  während  die  Mirabiha  Urbis  Romae  von  1618  mit  der  Bezeichnung  einer  Porticus 
der  luno  an  der  Via  triumphalis  ^  der  Wahrheit  etwas  näher  rücken.  Seit  Beiziehung  des 
antiken  Planes  kann  jedoch  über  den  Namen  kaum  noch  ein  Zweifel  herrschen. 

Dasselbe  Planfragment  gibt  uns  auch  Aufschluss  über  die  nordwesthch  an- 
stossende  Anlage,  denn  über  einer  nicht  weit  abstehenden  anderen  Porticus  lesen  wir 
die  Aufschrift: 

AEDIS    HERCVLIS   mVSAI 

was  offenbar  in  aedis  Herculis  Musarum  zu  ergänzen  ist,  welche  mehrfach  und  zwar  mit 
der  Bezeichnung  »m  circo  Flaminioa  erwähnt  wird.  Dieser  Tempel  wurde  von  M.  Fulvius 
Nobilior,  der  über  die  Aetoler  triumphirte,  wahrscheinlich  nach  dem  Triumphe  566  d.  St. 
(188  V.  Chr.)  erbaut,  als  ein  Siegesdenkmal  von  einem  die  Künste  der  Musen  ehrenden 
Feldherrn,  der  selbst  ein  persönlicher  Freund  des  Dichters  Ennius  war,  und  als  ent- 
sprechende Räumlichkeit  für  die  aus  Griechenland  und  namentlich  aus  Ambrakia  weg- 
geschleppten Kunstwerke,  unter  denen  ein  kitharaspielender  Herakles  und  die  neun  Musen 
besonders  hervorragten.'^  Der  Tempel  erfuhr  durch  L.  Marcius  Philippus,  des  Augustus 
Stiefvater,  nicht  blos  einen  totalen  Umbau,  ^  sondern  wurde  auch  von  demselben  mit  einer 
Porticus  umgeben ,  der  die  Anlage  der  benachbarten  der  Octavia  ähnlich  machte.^  Diese 
Porticus  nun  muss  die  sein,  deren  eine  Seite  auf  unserem  oben  abgebildeten  antiken 
Planfragmente  noch  sichtbar  ist,  allein  dasselbe  Fragment  könnte  leicht  auf  den  Ge- 
danken bringen,  die  Porticus  der  Octavia  sei  mit  der  Porticus  des  Philippus  identisch. 
Denn  während  an  der  fraglichen  Stelle  nur  der  Name  des  in  der  Porticus  eingeschlos- 
senen und  nicht  mehr  sichtbaren  Hercules-  und  Musentempels  verzeichnet  ist,  finden  sich 
die  ersten  Buchstaben  des  Namens  Philippus  neben  der  Octavia,  nemlich 

porticVS   OCTAVIAE    ET  PHiiippi 


'  Arch.  f.  Pliilol.  u.  Paedag.  Suppl.-Bcl.  V.  S.  129.  '  Ordo  Rom.  (.Mabillon,  .Mus.  Ital.  tom.  II.  p.  <23. 
^  Lib.  de  Mirabil.  Urb.  Rom.  (Montfaucon,  Diar.  Ital.  p.  29ö.)  *  Poggii  Florentini  de  fortunae  varietate  Urbis 
Romae  et  de  ruina  eiusdem  descriptio.  Opp.  Basil.  s.  a.  p.  135.  '  Antiquitates  almae  Urbis  Romae.  R.  4618. 
p.  21.  «  Mirabilia  Urb.  Romae.  R.  1618.  p.  57.  ^  Eumen.  pro  inst,  schol.  Aug.  c.  7.  —  Cic.  p.  Arch.  XI.  27. 
Macrob.  Sat.  I.  12.  —  Ovid.  Fast.  VI.  v.  799  sq.  cf.  Becker,  H.  d.  r.  A.  Bd.  1.  S.  612  fg.  "  Sueton.  Aug.  29. 
Ovid.  Fast.  VI.  801.         "  Plin.  H.  N.  XXXV.  10,  37,  114. 

28* 


990  ^^^  Marsfeld. 

freilich  nur  in  sehr  verstümmeltem  Zustande,  für  deren  genaue  Nachbildung  jedoch  ge- 
bürgt werden  kann.  Eine  andere  Ergänzung  als  die  gegebene  wird  kaum  möglich  sein. 
Dass  jedoch  die  Porticus  der  Octavia  und  die  des  Philippus,  obgleich  aneinanderstossend, 
verschieden  waren,  erhellt  unwiderleglich  schon  aus  einer  einzigen  Stelle  des  PHnius, 
in  welcher  neben  den  Kunstwerken,  die  sich  in  der  ersteren  befanden,  mit  genauer  Un- 
terscheidung dann  die  in  der  Halle  des  Philippus  befindlichen  angeführt  werden ,  abge- 
sehen davon,  dass  die  letztere  auch  als  die  Umfriedung  des  Herculestempels  bezeichnet 
und  nirgends  mit  der  Anlage  der  Octavia  identificirt  wird,  was  auch  schon  mit  dem  Um- 
stände unvereinbar  wäre,  dass  diese  an  die  Stelle  der  Halle  des  Metellus  trat.  Es  scheint 
also,  dass  die  angegebene  Ueberschrift  des  capitolinischen  Planes  sich  auf  beide  Portiken 
bezogen  habe.  Dass  man  aber  später  beide  Namen  confundirte,  dürfte  schon  daraus  her- 
vorgehen, dass  in  der  Notitia  nur  mehr  die  Porticus  des  Philippus  genannt  wird.  Nach- 
weisliche Reste  von  derselben  und  dem  davon  eingeschlossenen  Tempel  sind  nicht  mehr 
vorhanden. 

32.   Die  Crypta  des  Baibus. 

Verlassen  wir  nun  endlich  die  Piazza  di  Pescaria,  den  Fischmarkt,  wieder,  einen 
Theil  der  Stadt,  der,  durch  seinen  Geruch  und  seine  Unreinlichkeit  einer  der  unange- 
nehmsten Roms,  einen  so  empfindlichen  Contrast  mit  der  zertrümmerten  Pracht  der  au- 
gusteischen oder  durch  die  Restauration  vielmehr  septimischen  Anlage  bildet.  Von  der 
Piazza  di  Pescaria  gelangen  wir  durch  das  enge,  dunkele  und  oft  überwölbte  Fischmarkts- 
gässchen,  die  Via  di  Pescaria,  auf  die  Piazza  di  S.  Maria  del  Pianto  oder  nach  dem  bekann- 
teren Namen  Piazza  Giudea,  dem  alten  Judenplatze,  an  dessen  östhcher  Seite  auf  einem 
langen  wahrscheinlich  antiken  Gebälkstreifen  in  den  Häusern  No.  31 — 36  eine  theilweise 
verstümmelte  Inschrift  wohl  aus  dem  frühesten  Mittelalter  zu  lesen  ist,  welche  diesen 
Platz  als  das  Forum  ludeorum  bezeichnet.  Diesen  Platz  quer  überschreitend ,  kommen 
wir  an  der  Piazza  Cenci  vorbei  in  die  Via  di  S.  Maria  in  Cacaberis  und  erblicken  bald  zur 
Rechten,  von  den  modernen  Häusern  bis  auf  die  Aussenseite  verbaut,  No.  23,  eine  ziem- 
Hch  unansehnHche  Ruine.  Zwei  dorische  Halbsäulen  von  Travertin,  stark  verstümmelt  und 
zur  Hälfte  unter  dem  modernen  Boden,  ein  grossentheils  aus  Ziegeln  bestehendes,  jetzt 
alles  architektonischen  Schmuckes  beraubtes  Gebälke  tragend ,  lehnen  sich  an  zwei  Pfei- 
ler ebenfalls  aus  Travertin,  die  durch  einen  Backsteinbogen  von  5,65  M.  Spannung  in 
Verbindung  stehen.  Die  Verschüttung  reicht  bis  an  den  Bogenansatz.  Aus  verschiede- 
nen Spuren  innen  und  aussen  lässt  sich  wahrnehmen,  dass  dieses  Erdgeschoss  noch  ein 
zweites  trug ,  über  dessen  Gestalt  sich  jedoch  nichts  Gewisses  sagen  lässt.  Der  Bogen 
ist  jetzt  vermauert ,  ein  elendes  Thor  schliesst  Stall  und  Remise ,  wozu  jetzt  die  Ruine 


Die  Crypia  des  Baibus. 


221 


dient.  Tritt  man  in  diese  (No.  23),  so  sieht  man,  den  beiden  äusseren  entsprechend,  zwei 
andere  Pfeiler,  und  in  gleicher  Entfernung  weiter  nach  innen  ein  drittes  Paar,  welches 
jedoch  eine  halbrunde  Nische  zwischen  sich  einschliesst.  Reste  ähnlicher  Beschaffen- 
heit sieht  man  in  dem  rechts  anliegenden  Hause  (No.  22),  nur  zeigt  die  Nische  hier 
rechtwinkelige  Form.  Auch  in  den  tibrigen  Häusern  dieser  Strasse  sieht  man  noch  zer- 
streute Reste  solcher  Pfeiler. 

Aus  den  vorhandenen  Resten  kann  mit  Sicherheit  geschlossen  werden,  dass  sie 
einem  Gebäude  angehörten,  welches  nach  aussen  eine  doppelte  Bogenhalle  bildete.  Das 
Gebäude  überhaupt  zu  reconstruiren ,   gestatten  zwar  die  dürftigen  Ueberbleibsel  nicht. 


^:^miP: 


2t.    Die  Crypta  des  Baibus.    (F.  U.) 

(loch  scheint  man  im  1 6.  Jahrhundert  nach  den  Aufnahmen  des  Architekten  Serlio  noch 
weit  mehr  davon  gesehen  zu  haben.  Wie  viel  von  dem  dort  Gegebenen  auf  Rechnung  des 
berühmten  Bolognesers  zu  setzen  sei  und  wie  viel  Thatsächliches  an  seinen  Restaurationen 
ist,  können  wir  allerdings  nicht  unterscheiden,  doch  ist  gewiss  das  nicht  aus  der  Luft  ge- 
griffen, was  ihm  selbst  auffiel,  nemlich,  dass  ein  zweites  Stockwerk  mit  korinthischen  Pi- 
lastern  doppelt  so  viele  Bogenöffnungen  hatte,  wodurch  immer  ein  Pfeiler  des  oberen 
Stockwerkes  auf  die  Mitte  des  unteren  Bogens  zu  stehen  kam.  Wenn  daher  Canina  bei 
seiner  Restauration  der  Ruine  sich  an  Serlio  anlehnt,  so  wäre  diess  wenigstens  in  dieser 
Beziehung  eben  nicht  zu  tadeln,  weit  bedenklicher  aber  erschien  mir  bei  Canina  die  Bei- 
ziehung eines  antiken  Planfragmentes,  das  nur  in  ganz  entstellter  Weise  für  seine  Zwecke 
passt. 


222  I^3S  Marsfeld. 

Obgleich  demnach  auf  eine  vollständige  Restauration  unserer  Ruine  verzichtet 
werden  muss ,  entbehrt  doch  ihre  jetzt  meist  übliche  Benennung  Crypta  Balbi  nicht  der 
Wahrscheinlichkeit.  Unter  Crypta,  welche  beiPlinius^  beschrieben  und  auch  vonSueton^ 
erv^ähnt  wird,  versteht  man  einen  Hallengang ,  der  entweder  an  den  Seiten  oder  nur  an 
der  Wölbung  verschliessbare  Fensteröffnungen  hatte,  Corridore,  desshalb  sowohl  als 
öffentliche  Anlagen,  wie  beim  Privatbau  sehr  behebt,  weil  sie  vor  Regen,  Wind  und  Sonne 
schützten,  im  Sommer  eine  angenehme  Kühle  und  im  Winter  eine  behagliche  Wärme 
hatten,  und  sich  desshalb  zum  Lustwandeln  in  Zeiten,  wo  man  das  Freie  meiden  musste 
und  wo  selbst  Säulengänge  nicht  ausreichten,  trefflich  eigneten.  Von  beiden  Arten  kom- 
men noch  viele  Beispiele  vor,  namenthch  von  solchen,  welche  auf  einer  Seite  Bogen- 
öffnungen  hatten;  doch  auch  von  den  anderen,  welche  auf  beiden  Seiten  geschlossen 
waren  und  ihr  Licht  nur  durch  kleine  Fenster  im  Scheitel  der  Wölbung  erhielten,  werden 
wir  noch  Beispiele  in  den  neronischen  Anlagen  unter  den  Thermen  des  Titus  und  in  der 
hadrianischen  Villa  bei  Tibur  finden  und  bespi^echen.  Wir  haben  hier  eine  doppelte  Halle 
der  ersten  Art,  und  da  wir  von  der  Notitia  ^  in  der  Region  Circus  Flaminius  w  irkhch  eine 
Crypta  Balbi  angegeben  finden,  so  hat  es  viel  für  sich,  die  Ruine  darauf  zu  beziehen,  ins- 
besondere weil  auch  das  Theater  des  Baibus,  mit  dem  die  Crypta  ohne  Zweifel,  wie  die 
Portiken  des  Pompeius  mit  dem  Pompeiustheater,  in  Verbindung  stand,  in  dieser  Gegend 
sich  befunden  haben  muss.  Wir  haben  zwar  von  der  Lage  dieses  Theaters,  welches 
Cornelius  Baibus,  des  Augustus  Freund,  erbaute  (dedicirt  741  d.  St.,  13  v.Chr.),  aus  dem 
Alterthume  keine  genauere  Kunde,  als  dass  es  in  der  Region  Circus  Flaminius  (a.  a.  0.) 
war  und  zwar  so  nahe  am  Tiber ,  dass  es  den  Ueberschwemmungen  des  Flusses  ausge- 
setzt war,  *  allein  dasselbe  scheint  im  Mittelalter  unter  einem  anderen  Namen  viel  ge- 
nauer bezeichnet  zu  werden.  Der  Ordo  Romanus  ^  nemlich  führt  ein  Theatrum  Antonini 
an.  welches  die  Procession  des  Papstes  durchschritt,  als  sie  sich  auf  dem  Wege  von 
S.  Anastasia  nach  dem  Vatican  von  der  Via  di  Cacaberis  (templum  Craticulae)  in  die  Via 
della  Regola  (maior  via  Arenulae)  bqwegte.  Im  nächsten  Jahrhundert  ^  wird  dieser  An- 
gabe entsprechend  das  Theater  des  Antoninus  neben  der  antoninischen  Brücke  (Ponte 
Sisto)  genannt,  was  die  Locahtät  noch  bestimmter  gibt.  Dass  nun  unter  diesem  antoni- 
nischen Theater  das  des  Baibus  zu  verstehen  sei,  ist  mehr  als  wahrscheinlich.  Denn  die 
classischen  Angaben  lassen  uns  überhaupt  nur  drei  Gebäude  der  Art  im  Marsfelde  und 
überhaupt  in  Rom  annehmen ,  die  Theater  des  Pompeius ,  Marcellus  und  Baibus ,  welche 
drei  auch  in  der  Notitia  (a.  a.  0.)  aufgezählt  werden.    Wenn  man  nur  einen  Blick  in  die 


*  Plin.  See.  Ep.  L.  II.  17.  =  Sueton.  Calig.  58.  *  Curios.  Urb.  Rom.  Reg.  IX.  *  Dio  Cass. 

LIV.  25.  »  Ordo  Romanus  (1143).     (Mabillon  Mus.  Ital.  tom.  II.  p.  126.)  *  Lib.  de  Mirabilibus  Romae. 

(Montfaucon,  Diar.  Ital.  p.  286.) 


Der  angebliche  Tempel  des  Mars.  223 

Producte  bodenloser  Unwissenheit,  wie  sie  der  Ordo  Romanus  und  die  Mirabiiia  liefern, 
wirft,  so  kann  es-auch  nicht  wundern,  das  Gebäude  nicht  mit  dem  rechten  Namen  be- 
nannt zu  finden,  und  wollte  man  nach  den  Gründen  forschen,  warum  dieses  Theater  un- 
ter dem  Namen  desAntoninus  erscheint,  so  hätte  man  zunächst  zwischen  den  zweien  die 
Wahl,  dass  es  der  antoninischen  Brücke  zunächst  lag  und  den  Namen  daher  bezog  oder 
dass  an  irgend  einem  Theile  der  Ruine  eine  Restaurationsinschrift  aus  der  Zeit  der  Anto- 
nine sich  befand,  was  auch  leicht  sein  konnte,  da  das  Gebäude  unter  Titus  abgebrannt 
war,  '^  wonach  man  das  ganze  Theater  in  derselben  Weise ,  wie  die  Porticus  der  Octavia 
nach  der  Inschrift  des  Septimius  Severus,  benannte.  Wenn  wir  aber  angenommen  ha- 
ben, dass  der  Name  des  Antoninus  nur  ftilschlich  für  einen  anderen  der  drei  bekannten 
Theater  substituirt  worden  sei,  so  können  wir  auch  von  diesen  nur  auf  das  des  Baibus 
denken,  indem  die  beiden  anderen  Theater  nachweislich  an  anderen  Stellen  sich  befun- 
den haben,  nemlich  das  des  Pompeius  weiter  nördlich,  das  des  Marcellus  südöstlich,  wo 
sich  auch  noch  Ueberreste  erhalten  haben. 

Weitere  Belege  für  die  Annahme ,  dass  die  beschriebenen  Corridorüberreste  zur 
Grypta  Balbi  gehörten,  haben  wir  allerdings  nicht,  denn  obwohl  es  kaum  zweifelhaft  sein 
kann,  dass  diese  Ruine  es  ist,  welche  der  Ordo  Romanus  und  die  Mirabiiia  an  den  ange- 
zogenen Stellen  mit  dem  räthselhaften  Namen  templum  Craticulae  belegen,  da  die  letzte- 
ren diesen  ausdrücklich  als  in  der  Gegend  von  Caccavari  (das  heutige  Cacaberis)  befind- 
lich bezeichnen,  so  kann  doch  die  Ableitung  des  Wortes  Craticula  von  Grypta  oder  einem 
angeblichen  und  hier  sinnlosen  Deminutivum  crypticula^  kaum  gebilligt  werden.  Zu  voll- 
ständiger Sicherheit  wird  man  demnach  hinsichtlich  dieser  Ruine  bei  vollständigem  Man- 
gel an  Inschriften  oder  classischen  Nachweisen  wohl  nicht  gelangen  können. 


33.   Der  angebliche  Tempel  des  Mars. 

Setzen  wir  unseren  Weg  in  der  eingeschlagenen  nördlichen  Richtung  fort,  so 
kommen  wir  von  der  Via  di  S.  Maria  in  Cacaberis  an  der  Piazza  dei  Branca  vorbei  in  die 
Via  degli  Specchj  und  gelangen  da ,  wo  die  Via  di  S.  Salvatore  in  Carapo  von  der  letzt- 
genannten abzweigt,  an  einen  anderen,  allerdings  nicht  sehr  bedeutenden  Ueberrest.  Er 
besteht  in  sechs  Säulen  stumpfen ,  wovon  fünf  nebeneinander  von  einer  Reihe  sind,  der 
sechste  aber,  1 2  Met.  von  jenen  abstehend,  einer  anderen  Seite  angehört.  Nichts  mehr  da- 
von ragt  über  den  modernen  Boden,  doch  sieht  man  die  stark  entstellten  Basenstücke  noch 
in  den  Kellern  unter  der  Mauer,  welche  das  Eckhaus  gegen  die  Via  di  S.  Salvatore  in  Campo 


'  Dio  Gass.  LXVI.  24.  '  Nibhy,  Roma  nell'  anno  1838.    Parte  11''".  atilica.  p.  392. 


294  D^s  Marsfeld. 

be'^änzt  theils  in  dem  des  Hauses  No.  9  in  der  Via  degli  Specchj,  tiieils  in  den  beiden  an- 
stossenden  der  zwei  genannten  Strassen.  Diese  Säulen  ruhen  auf  einer  einfachen  2, 15  M. 
hohen  Substruction  von  Travertin,  welche  nur  durch  einen  schmucklosen  etwas  vorsprin- 
genden Leisten  gezeichnet  ist,  den  Ganina  eine  Stufe  der  von  ihm  angenommenen  Treppe 
bilden  lässt.  Ausser  einer  hohen,  dorischen  Verhältnissen  entsprechenden  Platte  zeigt 
auch  die  Base,  aus  einem  einfachen  Wulste  bestehend,  dorischen  oder  vielmehr  tuscischen 
Styl,  so  dass  es  sehr  auffallt,  in  den  erhaltenen  unteren  Schaftstücken  die  halbkreis- 
förmigen und  durch  breite  Stege  getrennten  Canelluren  des  ionischen  oder  korinthi- 
schen Styles,  deren  abgerundeter  Ansatz  jedoch  schon  unmittelbar  am  Anlaufe  beginnt, 
wahrzunehmen.  Die  Schäfte  haben  unten,  so  viel  man  bei  der  starken  Verstümmelung 
und  Verkleisterung  ermitteln  kann,  einen  Durchmesser  von  1,23  Meter;  der  Zwischen- 
raum zwischen  zwei  Basen  jedoch  beträgt  nicht  einmal  so  viel;  so  dass  die  Säulen- 
stellung als  pyknostyl  zu  bezeichnen  ist. 

Welchem  Gebäude  nun  diese  Säulen  angehörten,  ist  nicht  zu  ermitteln.  Als  die 
Ruine  i.  J.  1837  durch  Herrn  Baltard,  einen  jungen  Pensionär  der  französischen  Aka- 
demie in  Rom,  bei  Gelegenheit  seiner  Forschungen  über  das  Pompeiustheater  entdeckt 
ward,  ^  bezog  man  sie  auf  die  Porticus  Octavia,  jene  Halle,  welche  von  Cn.  Octavius, 
der  über  Perseus  von  Macedonien  triumphirte,  erbaut  worden  war.  ^  Diese  Porticus 
befand  sich  nach  der  citirten  Stelle  ganz  nahe  am  Pompeiustheater,  nach  einer  an- 
deren^ in  der  Region  des  Circus  Flaminius,  welche  Angaben  allerdings  unter  vielen 
anderen  auch  die  Annahme  dieses  Platzes  möglich  machten;  allein  dem  steht  entge- 
gen, dass  Plinius  *  diese  Porticus  als  eine  nicht  mehr  bestehende  zu  erwähnen  scheint, 
und  insbesondere,  dass  die  Reste  die  engste  Säulenstellung  zeigen,  während  nach 
Vitruv^  bei  Portiken  gerade  umgekehrt  die  weiteste  üblich  war.  Es  hat  demnach  schon 
Canina^  es  vorgezogen,  die  sechs  Säulen  dem  Tempel  des  Mars  zuzuschreiben,  wobei 
zunächst  nur  gegen  seine  Identificirung  dieses  Tempels  mit  dem,  der  bei  Vitruv '^  in 
den  meisten  Handschriften  Mariana  und  nirgends  Martiana  hiess ,  zu  protestiren  ist.  * 
Es  ist  vielmehr  bei  Vitruv  von  dem  Doppeltempel  des  Honos  und  der  Virtus  von  Marius 
oder  nach  einer  weit  plausibleren  Conjectur  von  Marcellus  die  Rede,  welcher  Letztere 
sich  in  der  Region  Porta  Capena  befand,  hier  aber  von  dem  Marstempel,  den  lunius 
Brutus  Callaicus  durch  den  Architekten  Hermodoros  aus  Salamis  erbaute  (vgl.  S.  225, 
Anm.  2  und  3). 


*  Teatro   di   Pompeo.    Scavi    Romani.     (Bulletino   dell'  Instit.    di  C.  A.  VI.   a.  Giugno.  183-7.  p.  88.  89.) 
-  Fest.  s.  V.  Octaviae.  ^  Vell.  Pat.  11.-1.  *  Plin.  H.  N.  XXXIV.  3,  7,  13.        ^  Vitruv.  V.  9.  ^  Aiinal. 

d.  I.  d.  C.  a.  tom.  X.  1838.  p.  1  sq.  ^  Vitruv.  III.  1.  "  Canina,  GM  Edifizj  di  Roma  antica.  Roma  1848. 

Vol.  I.  p.  88. 


Der  angebliche  Tempel  des  Mars.  225 

Allein  auch  die  Annahme ,  dass  die  Ruine  dem  Tempel  des  Mars  angehöre, 
ist  keineswegs  so  begründet,  wie  Canina  und  nach  ihm  Urhchs '  sie  darstellen.  Wir 
wissen  aus  zwei  Stellen,  dass  der  Marstempel  nicht  bloss  in  der  Region  des  Circus 
Flaminius,"^  welche  Angabe  einen  weiten  Spielraum  lässt,  sondern  bei  dem  genannten 
Circus '  sich  befand,  doch  macht  gerade  die  letztere  Notiz  die  Identität  des  Tempels 
mit  unserer  Ruine  nicht  wahrscheinlicher,  da  der  Circus  Flaminius  selbst  ziemlich 
entfernt  gewesen  sein  muss.^  Noch  ferner  liegt  es,  an  den  Tempel  der  Bellona  zu 
denken,  welcher  schon  im  ersten  Jahrhundert  der  Republik  bestand,^  durch  Appius 
Claudius  Caecus  nach  seinem  Siege  über  die  Etrusker  i.  J.  456  d.  St.  (298  v.  Chr.) 
aber  einen  vollständigen  Umbau  erfahren  zu  haben  scheint,"  ein  Heiligthum,  hauptsäch- 
hch  bekannt  durch  den  nebenliegenden  kleinen  Platz  mit  der  Columna  bellica^  welchen 
(wenn  der  Sage  zu  trauen  ist)  im  Kriege  mit  Pyrrhus  ein  gefangener  Epirote  hatte 
kaufen  müssen,  um  dem  Fetialis  die  noch  in  Marc  Aureis  Zeiten  übliche*  Cere- 
monie  mögUch  zu  machen,  als  Kriegsankündigung  die  Lanze  in  feindliches  Land  zu 
schleudern.  Dieser  Tempel  wird  nemlich  in  derselben  Region^^  und  am  Ende  des 
Circus  Flaminius*"  genannt,  welche  letztere  Bezeichnung  aber  dadurch  grosse  Dehn- 
barkeit erhält,  dass  die  Lage  des  Circus  Flaminius  selbst,  welcher  jetzt  spurlos 
verschwunden  ist,  nicht  mehr  völlig  genau  bestimmbar  ist.  Im  16.  Jahrhundert 
wollte  man  zwar  noch  Ueberreste  südlich  von  der  Via  delle  botteghe  oscure,  bei 
S.  Caterina  de'  funarj  und  Palazzo  Mattei  gesehen  haben,  ^^  und  auch  im  17.  Jahr- 
hundert (1622)  sah  J.  Grimaldi  noch  Peperinruinen  bei  S.  Lucia  delle  botteghe  os- 
cure, ^^  ob  aber  die  Bestimmung  der  Lage  des  Ganzen  bei  L.  Fauno  von  den  Ueber- 
resten  entnommen  oder  willküdich  ist,  dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein.  In  dem 
ersteren  Falle  wäre  die  Lage  des  Circus,  dessen  Mitte  durch  die  Kirche  S.  Caterina 
de'  funarj ,  dessen  Breite  durch  die  Via  delle  botteghe  oscure  und  Torre  delle  Cin- 
trangole  und  die  Länge  durch  San  Salvatore  in  Paico  und  Palazzo  Mattei  bezeich- 
net wird,  der  Identität  der  Bellona  mit  unserer  Ruine  entschieden  widersprechend. 
Allein  es  ist  nicht  zu  übersehen,  dass  die  Kenntniss  des  Circus  Flaminius  bereits  im 
9.  Jahrhundert  verloren  war,  da  ihn  schon  der  Anonymus  von  Einsiedeln  an  die 
Piazza  Navona  versetzt ,  während  sein  Name  im  1 2.  Jahrhundert  (Mirabilien)  dem 
Marcellustheater   anhaftet  und   ihm  selbst   die  Bezeichnung  »Castellum  aureum«  zu 


1  Beschreibung  der  Stadt  Rom.     Bd.  III.  Abth.   3.  S.  30  fg.  2  Corn.   Nep.   fgm.   ap.  Prise.  Conim. 

VIII.  4.  p.  370  ed.  Krehl.  3  Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  26.  *  Virg.  Vespigniani,  Avanzi  dl  tempio  incerto 
della  IX  regione  di  Augusto.  BuUettino  della  comm.  arch.  munic.  Maggio- Agosto  1873  p.  212— 221.  *  Plin. 
H.  N.  XXXV.  5,  3,  12.  6  Liy.  X.  19.  7  Serv.  ad.  Virg.  Aen.  IX.  v.  53.  8  oio  Cass.  LXXI.  33. 

»Fast.  Venus.  III.   Non.  lun.  (Foggini,  Fast.  Rom.  fol.  105.)  lo  Ovid.  Fast.  VI.  v.  201—205.  ii  Ligori 

delle  Antichitä  R.  1553.    fol.  15  v.  Andr.  Fulvii  Antiquit.  Urb.  üb.  IV.  fol.  LV.  L.  Fauno,  delle  antichitä.  Ven. 
1548.  Lib.  di  Roma.  IV.  c.  23.  fol.  138.         '2  h.  Jordan,  Forma  Urbis  Romae  Rcgionum  XIV.  p.  22. 
F.  Kebkü,  Koni.  29 


226  ^^s  Marsfeld. 

Theil  wird,  woraus  jedenfalls  frühzeitig  entstellende  Zerstörung  zu  entnehmen  ist, 
und  dass  überdiess  die  von  Lucio  Fauno  angegebenen  Gränzen  theilweise  mit  der 
Porticus  des  Philippus,  wenn  nicht  auch  der  Octavia  collidiren.  Auf  alle  Fälle  kom- 
men wir  mit  dem  Tempel  der  Bellona  kaum  zu  einer  überdiess  durch  eine 
andere  Notiz,  von  welcher  im  folgenden  Artikel  die  Rede  sein  wird,  sehr  ge- 
schwächten Möglichkeit,  welche  auch  noch  der  Tempel  des  Neptun,  in  einer 
Inschrift^  und  in  einer  classischen  Stelle^  in  der  Region  des  Circus  Flaminius  ge- 
nannt und  die  Tempel  der  Dioskuren,  der  Inno  Regina  (welche  jedenfalls  von  der 
Inno  in  der  Porticus  des  Metellus  und  nachmals  der  Octavia  zu  unterscheiden  ist) 
und  der  Diana  aus  ähnlichen  Gründen^  für  sich  haben.  Auch  gab  es  ausser  diesen 
Tempeln  gewiss  noch  andere,  welche  keine  Erwähnung  gefunden  haben,  in  derselben 
Region  und  ungefähr  in  dieser  Gegend,  so  dass  wir  nicht  bloss  unter  den  genannten 
zu  wählen  hätten:  die  Ueberreste  selbst  aber  geben  uns  keinen  genügenden  An- 
haltspunkt hinsichtlich  der  Zeit,  welcher  sie  angehören,  da  ihr  Zustand  kein  Urtheil 
über  die  Arbeit  zulässt. 


34.  Der  angebliche  Tempel  des  Hercules  Custos. 

Aehnlich  wie  mit  der  beschriebenen  verhält  es  sich  mit  einer  anderen  nord- 
östlich davon  befindlichen  Tempelruine,  zu  welcher  man  gelangt,  wenn  man  von  dem 
eben  bezeichneten  Punkte  der  Via  de'  Specchj  nördlich  den  Vicolo  de'  Catinari,  die 
kleine  Piazza  di  S.  Carlo  und  einen  Theil  der  Via  del  Monte  della  farina  durch- 
schreitet, dann  rechts  in  die  Via  di  S.  Anna  beugt,  welche  durch  die  kleinen 
Gässchen  Via  di  S.  Elena  und  Via  Frorida  endlich  in  die  Via  di  S.  Niccolo  a'  Ce- 
sarini  führt,  die  wir  in  nördlicher  Richtung  bis  zu  dem  Platze  gleichen  Namens  ver- 
folgen. In  dem  unansehnlichen  Garmelitenkloster  daselbst  in  der  Südwestecke,  dessen 
Eingang  mit  No.  56.  überschrieben  ist,  befinden  sich  die  Ueberreste  eines  wenig 
bekannten  Rundtempels.  Tritt  man  in  den  kleinen  verwahrlosten  Hof,  so  sieht  man 
vier  canellirte  Säulenschäfte,  von  denen  einer  schon  ziemlich  verkürzt  ist,  ihrer 
Capitäle  beraubt,  aus  dem  modernen  Boden  hervorragen.  Sie  sind  von  Tuf,  zeigen 
noch  die  Spuren  von  Stuck,  womit  sie  bekleidet  waren,  und  sind  stark  beschädigt. 
Von  einer  fünften  Säule  sieht  man  ein  Stück,  wenn  man  in  ein  Kellergewölbe  hinab- 
steigt, wo  auch  noch  eine  verstümmelte  Base  zu  sehen  ist,  die  korinthisch  (die  Hohl- 
kehle durch  einen  schmalen  Steg  verdoppelt)  zu  sein  scheint.     Im  Hofe  hegen  auch 


1  L.  Fauno  1.  c.  cf.  Grut.  Incript.  p.  CCCXVIII.  n".  5.  2  pün.  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  26.  3  pgst. 

Amit.  Id.  Aug.  (Fogg.  Fast.  Rom.  fol.  112.)  —  Vitruv.  IV.  7.  Liv.  XL.  52.  lul.  Obs.  75. 


Der  angebliche  Tempel  des  Hercules  Custos.  227 

noch  fünf  korinthische  Marmorcapitäle  von  vierfach  verschiedener  Grösse  und  Arbeit, 
von  welchen  jedoch  keines  zu  den  Schäften  des  Rundtempels  gehört  haben  kann ; 
denn  das  grösste  misst  nur  0,52  Meter  in  der  Höhe,  0,40  im  Durchmesser.  Ausser- 
dem liegt  noch  ein  schön  gearbeiteter  und  vollkommen  erhaltener  Löwenkopf,  ein 
Wasserspeier  0,45  M.  hoch,  0,40  breit,  der  ebenfalls  kaum  diesem  Tempel  angehörte, 
am  Boden.  Entsprechende  Nachgrabungen  im  Klosterhofe,  die  überdiess  keine  we- 
sentlichen Schwierigkeiten  darbieten  dürften,  würden  sicher  noch  weit  mehr  ergeben, 
vielleicht  sogar  Auflilärung  hinsichtlich  der  Bestimmung  des  Rundtempels. 

Da  wir  jedoch  vorläufig  keine  anderen  Anhaltspunkte  haben,  als  die  Nähe 
des  Circus  FJaminius  und  zugleich  der  Portikenanlage,  die  sich  an  das  Pompeius- 
theater  anschloss,  so  ist  eine  sichere  Ermittelung  des  Namens  nicht  möglich.  Im 
Allgemeinen  participirt  die  Ruine  mehr  oder  weniger  mit  der  unmittelbar  vorher 
beschriebenen  an  den  obenangeführten  Möglichkeiten.  Der  Umstand  aber,  dass  der 
Rundtempel  an  der  Grenze  des  Marsfeldes  im  engeren  Sinne,  wahrscheinlich  sogar 
schon  innerhalb  desselben  und  demnach  nicht  mehr  im  unmittelbaren  Bezirke  des 
Circus  Flaminius  lag,  erweitert  noch  das  Gebiet  der  Vermuthungen.  Es  muss  nem- 
lich  nun  auch  die  Aedes  Larum  Permarinum  beigezogen  werden,  welche  der  Censor 
M.  Aemilius  Lepidus  i.  J.  575  d.  St.  weihte,  dieselbe,  die  L.  Aemilius  Lepidus  in 
einer  Seeschlacht  während  des  Krieges  mit  Antiochus  gelobt  hatte,  als  deren  Ort 
nur  ganz  im  Allgemeinen  das  Marsfeld  angegeben  wird.  *  Am  wenigsten  Bedeutung 
dürfte  es  haben,  dass  die  Mirabilien  das  Calcarare  (die  Kirche  S.  Niccolo  heisst  schon 
im  1 1 .  Jahrhundert  bis  mindestens  zum  1 6.  de  calcarario  oder  in  calcaria)  somit 
wahrscheinlich  unsere  Rundtempelruine  als  »templum  Veneris«  erklären,  und  es  ist 
schwer  verständlich,  wie  Jordan  diese  durch  nichts  weiter  begründete  Identificirung 
aufrecht  erhalten  kann.^ 

Einige  Wahrscheinlichkeit  aber  hat  die  Identificirung  mit  dem  Tempel  des  Bonus 
Eventus  für  sich,  von  welchem  wir  allerdings  nur  eine  Notiz  haben.-'  Diese  besagt, 
dass  der  Präfect  Claudius  unter  Kaiser  Valentinian  I.  eine  grosse  mit  den  Thermen 
des  Agrippa  in  Verbindung  stehende  Porticus  erbaute,  welche  von  dem  naheliegenden 
Tempel  gleichen  Namens  den  Beinamen  Eventus  Boni  erhielt.  Die  Thermen  des 
Agrippa  aber  befanden  sich  zuverlässig  in  geringer  Entfernung  nordwärts  von  unserer 
Ruine.  Von  der  Bedeutung  dieses  Tempels  ist  nichts  bekannt  und  dabei  etwa  an 
den  Tempel  der  Fortuna  Redux  des  Domitian  zu  denken,  der  sonst  möglicherweise 
in  dieser  Gegend  gesucht  werden  könnte,^  gestattet  in  Rücksicht  auf  die  bekannte 


1  Liv.  XL.  52.  Macrob.  Sat.  I.  10.  2  Jordan.  Topogr.  II.  p.  439.  3  Ammian.  Marcelin.  XXIX.  6. 

*  Martial.    VIII.   epigr.    65.     Claudian.   de   VI.  cons.   Hon.   -1.     Vgl.  Becker,   Hdb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  <.  p. 
153  und  642. 

29* 


228  Das  Marsfeld, 

Prachiliebe  dieses  Kaisers  das  schlichte  Material  nicht.  Derartige  Begriffe  zu  Gott- 
heiten zu  machen,  kam  überhaupt  erst  nach  M.  Aurel  in  höhere  Aufnahme,  und 
wenn  auch  der  Tempel  schon  vor  Anlage  der  Porticus  bestand,  gehörte  er  doch 
sicher  in  eine  späte  Zeit.  — 

Der  Namen  aber,  den  man  gewöhnlich  der  Ruine  gibt,  Hercules  Gustos, 
entbehrt  ebenfalls  keineswegs  aller  Möglichkeit.  Dieser  wird  nemlich  dem  Tempel  der 
Bellona  in  der  Weise  entgegengesetzt,  dass  wenigstens  soviel  klar  ist,  dass  jeder  der 
beiden  an  einem  anderen  Ende  des  Circus  Flaminius  sich  befunden  habe  müsse.  ^  Der 
Circus  selbst  kann  aber  kaum  anders  angenommen  werden ,  als  dass  er  eine 
Schmalseite  und  zwar  wahrscheinlich  die  der  Carceres  gegen  Osten  wandte,  wo- 
nach das  Rundungsende  westwärts  unferne  der  Nordecke  der  Porticus  der  Octavia 
gesucht  werden  muss.  Wenn  es  nun  im  hohen  Grade  wahrscheinlich  ist,  dass  die 
Bellona  am  östlichen  Ende  sich  befand,^  denn  diese  wird  ziemlich  deutlich  den  Septa 
und  der  Villa  publica,  welche  letztere  erweislich  (s.  unten)  nicht  weit  nördlich  vom 
Palazzo  di  Venezia  sich  befand,  benachbart  genannt,^  so  dürfen  wir  den  Tempel 
des  Hercules  Gustos  am  westlichen  Ende  suchen.  Allein  die  grössere  Wahrschein- 
lichkeit spricht  für  eine  mehr  südlich  von  S.  Niccolo  a  Gesarini  gelegene  Stelle, 
etwa  zwischen  Via  di  S.  Elena  und  Via  Paganica,  wenn  der  Scheitelpunkt  der  Gircus- 
rundung  ungefähr  an  der  Stelle  von  Palazzo  Mattei  angenommen  werden  darf. 
Auf  die  Nachbarschaft  des  nordwestlich  an  die  Porticus  der  Octavia  angränzenden 
Tempels  des  Hercules  Musarum  und  des  Hercules  Gustos  hat  auch  Klügmann  mit 
Recht  hingewiesen/ 

35.   Das  Theater  des  Pompeius. 

Der  beschriebene  Rundtempel  musste  westlich  an  eine  der  grossartigsten 
Anlagen  gestossen  sein,  deren  äusserst  dürftige  Ueberreste  nun  besprochen  werden 
sollen.  Man  gelangt  zu  diesen,  wenn  man  von  der  Via  di  S.  Niccolo  a'  Gesarini 
in  nördlicher  Richtung  in  die  Via  de'  Gesarini  sich  wendet,  dann  diese  und  die  Via  del 
Sudario  westlich  verfolgt,  die  Fagade  der  Kirche  S.  Andrea  della  Valle  umgeht  und 
endlich  von  der  Via  de'  Ghiavari  an  der  Westseite  dieser  Kirche  in  den  Vicolo  di 
S.  Maria  di  Grottapinta  einbeugt.  Der  kleine  unansehnliche,  durch  den  massen- 
haften Schutt  unebene  Platz  gleichen  Narbens  wird  an  der  Westseite  in  der  Form 
eines  Kreisbogens  von  einer  Reihe  mehr  oder  weniger  zerstörter  und  für  moderne 


1  Ovid.  Fast.  VI.  203—210.         2  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  I.  S.  618.  3  Senec.  de  dem.  I.  12.  Liv. 

ep.  LXXXVm.  Val.  Max.  IX.  2,  1.     Lucan.  II.  v.  197.     <  A.  Klügmann,  Hercules  Musarum.    In  den  zu  Ehren 
Theodor  Mommsen's  herausgegebenen  philologischen  Abhandlungen.    1877.    S.  7, 


Das  Theater  des  Pompeius. 


229 


Zwecke  benutzter  und  ver- 
bauter Kammern  eingeschlos- 
sen, deren  Längsmauern  von 
Travertinblöcken  zum  Theil 
noch  durch  Tonnengewölbe 
verbunden  sind,  wie  man 
diess  namentlich  noch  in  einer 
Osteria  deutlich  erkennen 
kann.  Die  Mauerreste  laufen 
radial  nach  dem  Centrum  des 
Halbkreises  zusammen ,  in 
derselben  Weise,  wie  diess 
beim  Theater  des  Marcellus 
der  Fall  ist,  und  sind  in 
doppelten  Halbkreislinien  zu 
massiven  Pfeilern  verstärkt. 
Auch  in  den  Kellerräumen 
des  westlich  anstossenden 
Palazzo  Pio  (nunmehrigen 
Palazzo  Righetti)  haben  sich 
nicht  blos  schon  früher  ein- 
zelne Pfeilerreste  und  con- 
vergirende  Gewölbe  von 
Peperin  mit  einzelnen  Wän- 
den von  opus  reticulatum  ge- 
funden, welche  dem  deut- 
hchen  Caveasystem  eines 
Theaters  entsprechen,  son- 
dern bei  den  Nachgrabungen 
i.  J.  1837  und  1805'  kamen 
auch  noch  einzelne  Pfeiler 
mit  römisch  dorischen  Halb- 
säulen auf  einfachen  Toren- 
basen zum  Vorschein,  wo- 
durch,  wie  auch   durch   die 


22.  Theater  des  Pompeius  (Fragmente  des  capitolinischen  Planes.)    (F.  R.) 


»  A.   Pellegrini,   Scavi  di    Roma.   Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1865  p.  20<  S. 


230  ^^^  Marsfeld. 

vorgelegten  zwei  Stufen,  welche  unmittelbar  zum  Basaltstrassenpflaster  hinabführ- 
ten unzweifelhaft  der  äusserste  Ring  eines  Theaters  angegeben  wird.  Auch  die 
Spuren  einer  über  die  Gavea  vorspringenden  Tempelsubstruction,  welche  in  ähn- 
licher Weise  wie  die  Pfeiler  des  Zuschauerraums  mit  Halbsäulen  geschmückt  waren, 
traten  hiebei  zu  Tage.  Leider  sind  die  neuesten  anlässlich  der  Umbauten  im 
Palazzo  Pio  gemachten  architektonischen  Entdeckungen  nur  mehr  aus  dem  Aus- 
grabungsberichte ersichtlich,  da  der  Neubau  die  gefundenen  Spuren  wieder  ver- 
wischt hat,  und  es  bleibt  immerhin  deren  wichtigstes  Ergebniss  der  in  das  Jahr  1864 
fallende  Fund  des  colossalen  Hercules,  jetzt  im  Vatican.  ^  Der  Fundort  dieser  3,83  M.  hohen 
vergoldeten  Bronzestatue  entspricht  zwar  nicht  dem  Theater  selbst,  sondern  vielmehr 
jener  vorspringenden  Tempelsubstruction,  doch  lassen  es  die  Fundumstände  nahezu 
unzweifelhaft  erscheinen,  dass  die  Statue  sich  nicht  im  Schutte  des  einstürzenden 
Gebäudes  selbst  begrub,  sondern  von  Menschenhand  vergraben  wurde,  vielleicht  um 
sie  für  einige  Zeit  vor  Zerstörung  oder  Raub  sicher  zu  stellen,  ohne  dass  sich  später 
Gelegenheit  zu  deren  Wiederaufstellung  ergab.  Im  Verhältnisse  zu  der  Grösse  der 
Anlage  einerseits  und  zu  den  Ruinen  des  Marcellustheaters  anderseits  sind  aller- 
dings diese  Reste  sehr  unansehnlich,  doch  gewähren  sie  wenigstens  die  Mittel,  die 
Stellung  und  Grösse  des  Gebäudes  annähernd  zu  bestimmen. 

Wenn  es  schon  durch  die  Gestalt  der  Ueberreste  ausser  allem  Zweifel  ist, 
dass  wir  hier  ein  Theater  vor  uns  haben,  so  bietet  auch  die  nähere  Bezeichnung 
desselben  keine  Schwierigkeiten  dar.  Rom  hatte  nur  drei  Theater,  und  diese  waren 
im  Marsfelde. ^  Zwei  davon  wurden  bereits  besprochen,  das  des  Marcellus  wird 
unmittelbar  am  Capitolinus  bezeichnet,  und  das  des  Baibus  war  nahe  am  Tiber. 
Wir  können  desshalb  nur  an  das  dritte,  das  des  Pompeius,  denken,  und  diesen 
Namen  bewahrte  auch  die  Ruine,  welche  noch  im  9.  Jahrhundert  eine  Inschrift  trug, 
die  es  Theatrum  Pompei  benannte, 3  bis  in  späte  Zeit,  und  verschiedene  Funde  in 
den  letzten  Jahrhunderten  würden  noch  eine  weitere  Bestätigung  geben,  wenn  es 
überhaupt  einer  solchen  noch  bedürfte.  Für  die  Reconstruction  dieser  ganzen  An- 
lage aber  kommen  uns  höchst  werthvolle  Fragmente  des  capitolinischen  Planes 
förderlich  entgegen,  welche  mit  dem  Namen  selbst  bezeichnet,  nicht  bloss  die  Gestalt 
des  Theaters  sammt  der  Bühne,  von  welcher  letzteren  sich  keine  Ueberreste  er- 
halten haben,  sondern  auch  einen  grossen  Theil  der  unmittelbar  anstossenden  pracht- 
vollen Anlagen  erkennen  lassen.   Die  Stücke  sind  indess  von  nicht  gleichem  Werthe : 


1  J.  d.  Witte,  La  statue  colossale  de  bronze  representante  Hercule  trouvee  au  theatre  de  Pompee.  Ann. 
d.  I.  d.  c.  a.  XL.  4868  p.  195—205.  2  Ovid.  Trist.  \U.  12.  24.  —  Curios.  Urb.  Rom.  Reg.  IX.  3  Anonym. 
Einsiedlens.    (Arch.   f.   Phil.  u.    Paed.  Suppl.  B.  5.  S,  126.) 


Das  Theater  des  Pompeius.  23/] 

der  Haupttheil  ist  nemlich  zum  grössten  Theile  ergänzt  und  nicht  antik,  scheint  jedoch 
ziemhch  genau  wiedergegeben  zu  sein,  wie  aus  den  Verhältnissen  des  zweiten  echten 
Stückes  mit  der  Inschrift  OSTYLVM  vor  welcher  neuerlich  noch  ein  Rest  des  T 
entdeckt  worden  ist,  hervorgeht.  Ein  drittes  Stück,  welches  Verfasser  dieses  in 
der  ersten  Auflage  dieses  Werkes  nicht  ohne  ausgesprochene  Bedenken  angefügt, 
hat  sich  indess  zweifellos  als  Doublette  erwiesen.  ^  Ebenso  muss  die  Beiziehung  eines 
weiteren  Fragmentes,  die  Canina  vorschlägt,  entschieden  als  irrig  bezeichnet  werden, 
denn  die  Maassverhältnisse  sind  bei  diesem  nahezu  doppelt  so  gross,  als  bei  dem 
auf  der  rechten  Seite  anzubringenden  Stücke  mit  der  Inschrift  -TOSTYLVM  und 
doch  sind  die  beiden  Stücke  Originale.  Die  ganze  Combination  von  der  Lage  und 
Gestalt  der  berühmten  Curia  des  Pompeius,  die  sich  auf  das  fragliche  Fragment 
stützt,  muss  daher  mit  diesem  fallen. 

Die  zahlreichen  Nachrichten,  die  wir  über  dieses  Theater  mit  seinen  Neben- 
anlagen haben,  erklären  den  Plan,  wie  dieser  die  Nachrichten,  in  ziemhch  befrie- 
digender Weise.  Wie  Plutarch  erzählt,^  gab  das  Theater  in  Mitylene  dazu  die 
Veranlassung.  Pompeius  hatte  es  nach  Beendigung  des  mithridatischen  Krieges 
besucht,  um  dort  im  Wettkampfe  der  Dichter  seine  Thaten  besingen  zu  hören,  und 
daran  (vielleicht  zum  nicht  geringen  Theile  wegen  dieser  Vorträge)  so  besonderen 
Gefallen  gefunden,  dass  er  sich  zum  Zwecke  einer  grossartigeren  Nachahmung  die 
Pläne  davon  aufnehmen  Hess.  Es  war  das  erste  in  Rom,  welches  dauernd  sein 
sollte  und  in  Stein  ausgeführt  wurde,  und  es  ist  daher  nicht  zu  verwundern,  dass 
es  bei  den  Hochconservativen  einiges  Missvergnügen  erweckte.^  Doch  konnte  das 
letztere,  da  Pompeius  selbst  an  der  Spitze  der  aristokratisch-conservativen  Phalanx 
stand,  nicht  so  stark  sein  wie  einst,  als  vor  genau  hundert  Jahren  bei  dem  gleichen 
Veisuch  des  Censors  Gassius  das  bereits  im  Bau  begriffene  steinerne  Theater  auf 
Cornelius  Nasica's  Betrieb  wieder  demolirt  worden  war.^  Man  würde  desshalb  die 
damaligen  Verhältnisse  missverstehen,  wenn  man  aus  einer  Stelle  des  Tertullian^ 
ableitete,  dass  Pompeius  seinen  Bau  lediglich  dadurch  zu  schützen  wusste, 
dass  er  auf  der  Höhe  der  Cavea  einen  Tempel  erbaute,  welchem  die  Sitzreihen  des 
Zuschauerraumes  gleichsam  als  Stufen  dienten.  Ein  Tempel  krönte  übrigens  wirk- 
lich das  Halbrund,  nach  der  einen  Angabe  der  Venus  Victrix,"  nach  einer  anderen 
der  Victoria  geweiht.^  Die  letztere  Bezeichnung  scheint  ein  (leicht  erklärlicher)  Irrthum 


'  A.  Trendelenburg  1  Disegni  Vaticani  della  pianta  Capitolina.  Ann.  d.  I.  d.  C.  a.  Vol.  XLIV.  4872. 
p.  66—95.  H.Jordan  Forma  U.  R.  reg.  XIV.  p.  22.  äpiutarch.  Pomp.  42.  3  Tacit.  Ann.  XIV.  20.  *Uv. 
Epit.  XLVIII.  Vell.  Pat.  I.  15.  ^  de  spect.  10.  6  Tertullian  1.  c.  Plin.  H.  N.  VIII.  7,  7,  20.  Plut.  Pomp.  68. 
^  Tiro  ap.  Gell.  X.  1,  7. 


232 


Das  Marsfeld. 


zu  sein,  obwohl  Tiro,  der  gelehrte  Freigelassene  des  Cicero,  der  Sache  näher  stand, 
als  die  anderen  Berichterstatter,  denn  wenn  es  nicht  die  Venus  Victrix  war,  deren 
Tempel  auf  der  Höhe  der  Cavea  stand,  so  hat  die  Ei  Zählung  bei  Plutarch  (a.  a.  0.) 
keinen  Sinn,  nach  welcher  Pompeius  im  Traume  in  sein  Theater  gegangen  zu  sein 
und  den  Tempel  der  Venus  Victrix  mit  Trophäen  geschmückt  zu  haben  wähnte, 
was  ihn  deshalb  sehr  beunruhigte,  weil  Cäsar  sein  Geschlecht  auf  die  Venus  zurück- 
leitete. Ueberdies  wurde  an  Ort  und  Stelle,  nämlich  bei  der  Kirche  S.  Maria  in 
Grottapinta  oder  in  Crypta,  wie  sie  vormals  hiess,  im  1 6.  Jahrhundert  ein  Marmor- 
stück gefunden,  das  die  Inschrift  VENERIS  VICTRICIS  trug,  wie  von  einem  Augen- 
zeugen berichtet  wird.  ^  Auf  der  andern  Seite  wurde  schon  früher  bemerkt,^  und 
neuerlich  nachdrücklicher  geltend  gemacht,^  dass  jenes  Heiligthum  der  Venus  Victrix 
nicht  das  einzige  war,  welches  das  Theater  schmückte.  Es  spricht  nemhch  nicht 
bloss  Sueton ^  von  »Tempeln«  auf  der  Höhe  der  Cavea,  diese  erscheinen  sogar  in 
einem  Calendarium^  specialisirt,  wo  die  Worte  VENERI  VICTRICI  HON.  VIRTVT. 
FELICITATI  IN  THEATRO  MARMOREO  auf  mehre  Tempel  innerhalb  des  »steiner- 
nen Theaters,«  wie  es  als  das  erste  der  Art,  auch  nachdem  bereits  die  zwei  anderen 
erstanden  waren,  fortwährend  hiess, ß  hinzuweisen  scheinen.  Allein  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  waren  die  Gottheiten  ausser  der  erstgenannten  Venus  nicht 
durch  förmliche  Tempel  sondern  vielmehr  durch  Aediculen,  vielleicht  auch  nur  durch 
Altäre  vertreten,  die  vielleicht  mit  dem  Tempel  der  Venus  selbst  in  Verbindung 
standen.  Denn  die  Nachrichten  von  der  Erbauung  erwähnen  doch  nur  den  einen 
namentlich  und  hätten,  wenn  die  monströse  Idee  von  drei  bis  vier  selbständigen 
Tempeln  auf  der  Höhe  des  Zuschauerraumes  Thatsache  gewesen  wäre,  davon  kaum 
geschwiegen.  Der  Venustempel  selbst  aber  kann  der  Symmetrie  wegen  natürlich 
nur  in  der  Mitte  der  Cavea  gesucht  werden,  und  damit  stimmen  auch  die  noch 
aufgefundenen  Reste  in  den  Souterrains  des  Palazzo  Pio  überein.  Dass  der  Tempel 
wenigstens  theilweise  über  die  äussere  Umfriedung  des  Theaterhalbkreises  hinaus- 
ragte, und  auf  einer  besonderen  Substruction  in  der  Höhe  des  Theaters  selbst  stand, 
scheint  durch  die  Ergebnisse  der  letzten  Ausgrabungen  (von  1865)  gesichert,  wenn 
der  hierin  etwas  dürftigen  Notiz  des  oben  angezogenen  Ausgrabungsberichtes  volle 
Bedeutung  beigemessen  werden  darf. 

Das  Gebäude  wurde  von  Pompeius  in  seinem  zweiten  Consulate,  699  d.  St. 
(55  V.  Chr.)  eröffnet'  ohne  jedoch,  wie  es  scheint,  vollendet  gewesen  zu  sein,  was 


1  Marliani  Urbis  Romae  Topographia  1.  V.  c.  10.  (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  III.  p.  177.)  2  Donati 
Roma  vetus  ac  recens.  I.  III.  c.  8.  Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  III.  p.  659.)  ^  Becker,  Hdb.  d.  röm.  A. 
Bd.  I.  S.  676  Anm.  U74.  —  4  Sueton.  Claud.  21.  »Fast.  Amit.  Fr.  Id.  Aug.  (Foggini,  Fast.  Rom.  fol. 
112.)       6  Vitruv.  HI,  2.  7  Dio  Cass.  XXXIX.  38.     IMut.  Pomp.  52.     Vellei.    Pat.  II.   48.  2  ot  al. 


Das  Theater  von  Pompeius.  233 

auch  sonst  nicht  selten  geschah,  denn  es  ist  sicher,  dass  in  der  Dedicationsinschrift 
des  Tempels  auf  der  Höhe  des  Theaters  das  dritte  Consulat  des  Pompeius,  207 
d.  St.,  genannt  war.  Die  Inschrift  war  nemtlich  Gegenstand  einer  grammatischen 
Gontroverse,  welche  Cicero  ausweichend  entschieden  haben  soll.  Pompeius  -war 
unschlüssig,  ob  er  Consul  terlio  oder  lerl'mm  schreiben  solle,  und  befragte  darüber 
die  gelehrtesten  Römer;  als  aber  auch  diese  darüber  schwankender  Ansicht  waren, 
rieth  ihm  Cicero,  die  fragliche  Endung  wegzulassen  und  nur  TERT  in  Abkürzung 
zu  schreiben.  ^  Wir  werden  sehen,  wie  Agrippa  in  demselben  Falle  in  der  Inschrift 
am  Pantheon  sich  entschied.  Es  wird  demnach  kaum  beanstandet  werden  können, 
wenn  wir  den  chronologischen  Widerspruch,  der  in  den  beiden  Angaben  liegt,  von 
denen  die  erste  vielfach,  die  zweite  authentisch  beglaubigt  ist,  dadurch  zu  lösen 
suchen  dass  wir  das  Jahr  699  auf  die  Eröffnung,  das  Jahr  702  aber  auf  die  Voll- 
endung des  Gebäudes  beziehen.  Dass  aber  Pompeius  für  das  Werk  nur  seinen 
Namen  hergegeben,  welches  in  der  That  von  einem  gewissen  Demetrius,  seinem 
Freigelassenen,  der  sich  als  Begleiter  des  Imperators  auf  dessen  Feldzügen  in  den 
Besitz  ungeheurer  Reichthümer  gesetzt,  erbaut  worden  sei,  wie  Dio  Cassius  als  ein 
Gerücht  erzählt,^  das  dürfte  wohl  kaum  als  volle  Wahrheit  betrachtet  werden, 
wenn  auch  möglich  ist,  dass  Demetrius  seinem  ehemaligen  Herrn  mit  Geld  unter 
die  Arme  griff. 

Von  dem  Glänze  des  Theaters  geben  uns  nicht  bloss  die  Nachrichten  der 
Alten,  sondern  auch  der  capitolinische  Plan  Zeugniss,  welcher  die  Bühne  mit  einem 
Walde  von  Säulen  geschmückt  zeigt.  Auch  muss  der  Umfang  sehr  bedeutend  ge- 
wesen sein,  was  sowohl  aus  den  40,000  Sitzplätzen  nach  Plinius,^  als  auch  aus  der 
Reconstruction  nach  den  Ueberresten  hervorgeht.  Der  äussere  Halbkreis  wird  so 
ziemlich  durch  die  Via  di  Giupponari,  die  Piazza  di  Campo  di  Fiori,  Piazza  e  Via 
del  Biscione  und  die  Piazza  e  Via  del  Paradiso  begränzt,  die  Via  de'  Chiavari  aber 
entspricht  etwas  schräg  laufend  ungefähr  der  Bühne.  Diess.war  indess  nur  etwa 
ein  Dritttheil  der  ganzen  Anlage  des  Pompeius.  Denn  an  die  Scena  schlössen  sich 
rückwärts  eben  so  umfängliche  als  prachtvolle  Portiken  an,  deren  Gestalt  sich  aus 
den  capitolinischen  Fragmenten  theil weise  erkennen  und  durch  die  classischen  Mit- 
theilungen darüber  auch  erklären  lässt.  Diese  Portiken  bildeten  offenbar  ein  läng- 
liches Viereck,  bestehend  aus  mehren  der  Länge  nach  parallelen  Gängen,  welche 
nur  schmale  unbedeckte  Streifen  zwischen  sich  frei  liessen  und  selbst  von  verschie- 
dener Grösse  waren.  Der  Rückwand  des  Scena  entsprachen  senkrecht  auf  deren 
Linie  gerichtet  drei  grössere  Portiken,   welche  durch  zwei  breitere  unbedeckte  ob- 


1  Varro  et  Tiro  ap.  Gell.  X.  1,  6  &  7.      2  Dio  Cass.  XXXIX.  38.        3  Plin.  H.  N.  XXXVI.  15,  24,  H5. 
F.  Reber,  Rom.  30 


234  ^^^  Marsfeld. 

longe  Räume  von  einander  getrennt  werden.  Am  oberen  Ende  der  mittleren  Por- 
ticus^  sind  zwei  mit  den  Scheiteln  gegeneinander  gekehlte  Halbkreise  zu  bemerken, 
welche  einen  Durchgangsbogen  darstellen,  der  auch  ausdrücklich  als  ein  der  Regia, 
d.  h.  der  Mittelthüre  der  Scena  gegenüberstehender  lanus  erwUhnt  wird.^  Die 
mittlere  Porticus  war  beiderseits  offen,  d.  h.  von  zwei  Säulenreihen  gebildet,  die 
beiden  äusseren  Portiken  dagegen  nur  nach  innen  geöffnet,  nach  aussen  durch  eine 
Wand  abgeschlossen,  wie  diess  auch  die  Gesammtanlage  erforderte.  Denn  die  un- 
bedeckten Räume  zwischen  den  Portiken  waren  mit  Bäumen  (Platanen)  besetzt, 
deren  Grün  das  Auge  erquickte,  wie  abwechselnd  Fontänen  die  Luft  erfrischten;  "' 
auch  wird,  der  zahlreichen  anderen  Statuen  nicht  zu  gedenken,  besonders  erwähnt, 
dass  der  »doppelte  Hain«  ^  von  Thierstücken  in  Marmor  oder  Bronze  künstlerisch  be- 
lebt war."'  Die  reizende  Schönheit  des  Ganzen  lässt  sich  darnach  im  Zusammenhalt  mit 
dem  Plane  leicht  vorstellen,  auch  haben  die  Dichter  Martial  und  Properz  sie  wieder- 
holt und  in  den  glühendsten  Farben  besungen.  Vitruv  aber  nimmt  den  Complex 
als  Vorbild  für  Theateranlagen  überhaupt,  indem  er  vorschreibt,  dass  hinter  der 
Scena  Portiken  angelegt  werden  sollen,  welche  dem  Volke,  wenn  Platzregen  die 
Spiele  unterbrächen,  einen  Zufluchtsort  darböten  und  auch  für  die  Aufstellung  der 
Choraufzüge  Raum  gewährten,  »wie  diess  mit  den  Portiken  des  Pompeius  der  Fall 
sei.«"  Dieser  aus  drei  Parallelportiken  mit  den  zwei  zwischenhegenden  unbedeckten 
Streifen  bestehende  Complex  scheint  unter  der  Bezeichnung  der  Porticus  Pompeianae 
verstanden  werden  zu  müssen,  von  welcher  sich  auch  die  beiden  Endbuchstaben 
•NA  noch  auf  der  vaticanischen  Zeichnung  des  capitolinischen  Planes  (auf  dem  er- 
gänzten Marmorstücke  und  demnach  auch  in  unserer  nach  dem  Marmor  hergestellten 
Abbildung  vernachlässigt)  gefunden  haben.  Sie  gehören  an  den  linkseitigen  Rand 
des  grösseren,  das  Theater  selbst  enthaltenden  Stückes.  Ob  auch  mit  dem  mehr- 
erwähnten Hekatostylon, '  der  hundertsäuligen  Porticus,  dieselbe  innere  Hauptanlage 
oder  ein  äusserer  besonderer  und  wohl  beiderseitiger  Säulengang  gemeint  sei,  ist 
nicht  völlig  klar.  Das  Fragment  mit  der  bezüghchen  Bezeichnung  •.  -TOSTYLVM 
macht  es  übrigens  wahrscheinlich,  dass  sich  die  Inschrift  auf  die  äusseren  Colonna- 
den  bezieht,  welche,  wie  deutlich  ersichtlich  ist,  durch  eine  von  halbrunden  und 
rechtwinkeligen  Nischen  d.  h.  durch  eine  Reihe  von  ganz  oder  theilweis  geschlos- 
senen Räumen  unterbrochene  Doppelmauer,  die  sich  zwischen  den  beiden  hie- 
hergehörigen  Säulenreihen  hinzieht,  zu  einer  Doppelporticus  gemacht  wird.  Jener 
spinaartige  Mittelbau  aber  lässt  in  seinen  abwechselnd  nach  beiden  Seiten  gewandten 


1  Jordan  Forma  ü.  R.  p.  22.  2  Sueton.  Octav.  31.  3  Martial.  III.  Epigr.  19.  Propert.  II.  Eleg.  32.  v. 
11  sq.  4  Martial.  11.  Epigr.  14.  5  id.  m.  Epigr.  19.  «  Vitruv.  V.  9.  ^  Martial.  11.  cc.  Hieron.  Chron. 
(Rone.  I.  col.  475.) 


Das  Theater  des  Pompeius.  235 

Exedren  Räume  zur  Aufstellung  von  Kunstwerken  vermuthen,  vielleicht  von  jenen 
Statuen  der  vierzehn  (von  Pompeius  unterworfenen)^  Nationen  von  der  Hand  des 
römischen  Bildhauers  Coponius,  welche  Plinius  ausdrücklich  um  die  Anlage  des  Pom- 
peius herum  (circa  Pompeii)  angibt^  und  welche  auch  der  Porticus  den  Namen  ad 
nationes  gab.  Wenn  aber  Servius  diese  Porticus  von  Augustus  erbaut  nennt, ^  so 
ist  das  wohl  ein  Irrthum,  der  vielleicht  in  einer  Restauration  derselben  seinen  Grund 
hat.  Die  äussere  Säulenreihe  aber  dürfte  der  Localität  nach  ungefähr  der  heutigen 
Via  del  Sudario  entsprochen  haben. 

An  diese  Anlage  schlössen  sich  verschiedenartige  Räumlichkeiten,  Tabernen, 
Scholae,  ein  Tempel  und  insbesondei'e  eine  Curia  an,  welche  letztere  bekanntlich  durch 
die  Ermordung  Cäsars  historische  Berühmtheit  erlangt  hat.  Das  erhaltene  Mittelfrag- 
ment setzt  es  ausser  allen  Zweifel ,  dass  diese  an  der  nördlichen  Langseite  nicht 
gewesen  sein  können.  Der  kleine  Theil  an  der  südlichen  aber,  der  an  dem  Haupt- 
fragmente noch  erhalten  ist,  lässt  zwar  nicht  mit  Sicherheit  erkennen,  dass  die  Anlage 
hier  der  entgegengesetzten  Seite  symmetrisch  entsprach,  doch  ist  mit  Wahrschein- 
lichkeit zu  vermuthen,  dass  auch  auf  dieser  Südseite,  als  wenigstens  in  der  Haupt- 
sache der  nördlichen  Langseite  ähnlich,  sich  die  angegebenen  Räume  kaum  befunden 
haben.  Die  östliche  Schmalseite  dagegen  gibt,  trotzdem  dass  sie  durch  eine  noch 
bestehende  Ruine,  nemlich  die  unmittelbar  vorher  beschriebene  eines  Rundtempels, 
ziemlich  knapp  abgeschlossen  wird,  doch  noch  genügenden  Raum  für  grösseie  Ge- 
bäude daselbst.  Zunächst  darf  keinesfalls  der  Tempel  der  Fortuna  Equestris,  der 
beim  »steinernen  Theater«  befindlich  angegeben  wird,*  auf  die  Rundtempelruine 
bezogen  werden,  denn  dieser  von  Q.  Fulvius  Flaccus  im  Jahre  577  d.  St.  (177  v. 
Chr.)  geweihte  Tempel  war  schon  im  J.  32  v.  Chr.  nicht  mehr  vorhanden,  wie  aus- 
drücklich erwähnt  wird.^  Wie  aber  die  angegebenen  Räumlichkeiten,  wahrschein- 
lich auch  das  Haus,  das  Pompeius  sich  selbst  hier  erbaute, *"  an  der  östlichen  Schmal- 
seite sich  gruppirten,  ist  nicht  mehr  näher  nachzuweisen,  wenn  auch  an  eine 
Combination  nach  Art  der  Tempelannexe  in  der  Porticus  der  Octavia  gedacht  wer- 
den darf.  Wir  wissen  nur,  dass  die  Curia  des  Pompeius  die  Gestalt  einer  Exedra, 
d.  h.  eines  an  eine  Porticus  angebauten  halbkreisförmigen  Saales  oder  vielmehr 
einer  Ausweitung  der  Säulenhalle  schwerlich  die  eines  Säulensaales  mit  Exedra 
nach  Art  einer  antiken  Basilica  besass,"  dürfen  jedoch  hiebei  nicht  an  die  zu  diesem 
Zwecke  viel  zu  kleinen  Exedren  in  dem  muthmasslichen  Hecastostylon  denken. 
Auf  alle  Fälle  musste  die  an  das  Pompeiustheater  sich   anschliessende  Anlage  un- 


'  Plut.  Pomp.  45.         2  piin,  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  44.  cf.  Sueton.  Nerr  46.         3  serv.  ad  Virg.  Aen. 
Vm.  V.  721.        ■«  Vitruv.  III.  2.  5  Xacit.  Ann.  III.  71.  «  Plut.  Pomp.  40.  ^  Plut.  Brut.  U. 

30* 


236 


Das  Marsfeld. 


gefähr  den  Raum  eingenommen  haben,  der  jetzt  durch  die  Quartiere,  welche  im 
Norden  durch  die  Via  del  Sudario,  im  Osten  durch  die  Via  di  Torre  Argentina 
und  Via  di  S.  Elena,  im  Süden  durch  die  Via  di  S.  Anna  und  Vicolo  di  Chioda- 
roli,    und  im   Westen   durch    die  Via    de'    Chiavari   begränzt  werden. 

Der  Ort,  wo  Cäsar  seinen  Geist  aufgab,  die  Curia  Porapeii,  wurde  von  dem 
entrüsteten  Volke  bei  der  Leichenfeier  des  Dictators  verbrannt^  und  die  Ruine  nach- 
mals vermauert.^  Der  maimorne  Zeuge  des  Moides  aber,  die  Statue  des  Pompeius, 
vor  welcher  Cäsar  zusammensank,  ward  von  Augustus  auf  und  gewiss  nicht  unter  ^ 
den  Prachtbogen  oder  Janus  gesetzt,  welcher  der  Regia  gegenüberstand'  und  von 
dessen  Platze  schon  oben  gesprochen  worden  ist.  Die  berühmte  Statue  ist  uns 
wahrscheinlich  in  dem  Kolossalstandbilde  erhalten,  das  den  grössten  Schmuck  des 
Palazzo  Spada  ausmacht.  Diese  wurde  nemlich  in  der  Mitte  des  i  6.  Jahihunderts 
(unter  Papst  Julius  III.)  in  der  Via  de'  Leutari,  bei  dem  Palazzo  della  Cancellaria, 
mithin  unweit  von  dem  Theater  des  Pompeius  gefunden.''  Sie  lag  in  einem  Keller, 
und  zwar  so,  dass  die  Scheidewand  zweier  Häuser  gerade  auf  dem  Halse  stand, 
so  dass  Rumpf  und  Kopf  sich  im  Besitze  verschiedener  Hauseigenthümer  befanden. 
Als  nun  der  eine  endlich  auf  den  Gedanken  gerieth,  die  Bildsäule  ans  Licht  zu 
ziehen,  da  wollte  der  Nachbar  auch  nicht  auf  das  Haupt  verzichten,  und  als  der 
Fall  vor  Gericht  kam,  lautete  der  salomonische  Urtheilsspruch  dahin,  dass  der  Kopf 
vom  Rumpfe  getrennt  werden  und  jeder  Theil  seinem  Besitzer  verbleiben  solle,  eine 
Sentenz,  deren  Vollstreckung  jedoch  glücklicherweise  durch  die  Intervention  des 
Cardinais  Capodiferro  verhindert  wurde,  indem  dieser  den  Papst  Julius  III.  bewog, 
sich  mit  den  Eigenthümern  zu  verständigen.  Das  kostbare  Standbild,  3  M.  hoch, 
ist  von  trefflicher  Arbeit.  Ghlamys  und  Schwert  bei  sonstiger  Nacktheit,  wie  nament- 
lich die  Kugel  in  der  linken  Hand,  auf  welcher  noch  die  Spuren  einer  Victoria,  gaben 
zwar  der  Vermuthung  Raum,  dass  der  Rumpfeinem  Kaiserstandbilde  angehörte,  allein 
der  zackige  Bruch  scheint  dagegen  zu  sprechen,  obwohl  auf  der  anderen  Seite  die 
Spuren  der  Bänder  eines  Lorberkranzes,  wie  man  sie  an  der  Schulter  wahrnimmt, 
am  Kopfe  selbst  nicht  motivirt  sind.  Doch  der  Lorbeerkranz  konnte  auf  Befehl 
irgend  eines  Kaisers  weggemeisselt  worden  sein.  Die  Statue  veranlasste  schon 
weitläufige  Debatten,  in  welchen  sich  C.  Fea^  besonders  thätig  erwies;  Derbheit 
aber,  mit  welcher  er  die  Identität  der  Statue  mit  jenem  Pompeiusstandbilde  bestritt, 
mag  durch  seine  patriotische  Absicht  entschuldigt  werden.   Er  soll  nemlich  da  gegen 


>  Appian.  B.  civ.  II.  U7.  2  Sueton.  Caes.  88.  3  Sueton.  Octav.  31.     Ulrichs,  Beschreibung  d. 

Stadt  Rom.  Bd.  III.  3.  Abtheilung  S.  57.        *  Flaminio  Vacca,  Memorie.  57.       5  c.  Fea,  Miscellanea  filologica 
critica  e  antiquaria.  Rom.  4  790  p.  LXXXVII.  ^  c.  Fea,  Osservazioni  intorno  alla  celebre  Statua  detta  di 

Pompeo.     Roma.  1812. 


Das  Theater  des  Pompeius.  237 

seine  Ueberzeugung  gesprochen  haben,  um  die  Statue,  welcher  damals  das  Schicksal 
[.bevorstand,  nach  Paris  zu  wandern,  Rom  zu  erhaltend 

Der  Veränderung  des  von  Pompeius  gebauten  Sitzungssaales,  welcher,  nach- 
dem er  einige  Zeit  ganz  vermauert  gestanden  hatte,  später  sogar  in  Localitäten  für 
[gewisse  Bedürfnisse  {ufpodog)  verwandelt  wurde, ^  folgte  eine  kostspielige  Herstellung 
[des  Theaters  durch  Augustus,  von  welcher  dieser  in  dem  Monumentum  Ancyranum 
besonders  hervorhebt,  dass  er  sie  ohne  die  Dedicationsinschrift  des  Pompeius  zu  ver- 
1  ändern  vorgenommen.  Unter  Tiberius  wurde  das  Theater  sehr  von  Brand  beschädigt, 
und  dieser  sonst  nicht  sehr  baulustige  Kaiser  betrieb  die  Wiederherstellung  so  lau, 
dass  sie  erst  Caligula  vollendete. ^  Claudius  stellte  auch  in  der  Inschrift  den  Namen 
des  Pompeius,  der  dem  des  Caligula  hatte  Platz  machen  müssen,  wieder  her,  und 
von  dieser  Aenderung  erwähnt  A.  GeHius,  dass  sich  nun  das  vielbesprochene  TERT 
in  IM  verwandelt  habe.*  Nero  feierte  in  diesem  Theater  seinen  berühmten  »goldenen 
Tag«,  mit  welchem  er  seinem  Gaste,  dem  armenischen  Könige  Tiridates,  imponiren 
wollte.^  Er  liess  zu  dem  Zwecke  nicht  bloss  die  Bühne,  sondern  auch  den  inneren 
Halbkreis  vergolden  und  spannte  zum  Schutze  gegen  die  Sonne  ein  purpurnes  Segel 
(Velum),  welches  mit  goldenen  Sternen  besäet  und  in  der  Mitte  mit  einer  Goldstickerei, 
den  Nero  selbst  als  Wagenlenker  darstellend,  geschmückt  war,  über  das  Theater.^ 
Die  Bühne  und  wohl  auch  ein  Theil  der  anstossenden  Anlagen  litten  abermals  unter 
dem  grossen  Brande,  welcher  unter  Titus  im  J.  80  n.  Chr.  einen  bedeutenden  Theil 
der  Prachtbauten  vom  Capitol  bis  zu  den  Thermen  des  Agrippa  verzehrte.'  Nach  der 
Herstellung  durch  Titus  und  Domilian^  diente  das  Theater  über  anderthalb  Jahrhunderte 
als  das  erste  Roms  für  die  scenischen  Spiele.  In  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahr- 
hunderts aber  wurde  es  abermals  von  zwei  Bränden  heimgesucht,  von  welchen  der 
erste  im  J.  249  n.  Chr.  unter  Philippus  auch  das  Hekatostylon  ergrifP  und  der  zweite 
die  Scena  zerstörte,  welche  dann  von  Diocletian  »prachtvoller  als  vorher «(?)  wieder 
hergestellt  wurde. ^^  Mit  dieser  Herstellung  hing  wohl  auch  der  Neubau  einer  etwa 
vorher  baufälligen  Porticus  zusammen,  von  welchem  eine  Inschrift  Zeugniss  gibt, 
welche  im  J.  1531   in  der  Via  de'  Chiavari  auf  einem  Piedestal  gefunden  wurde  :^ 

GENIO    lOVIl    AVG 

lOVIA  •  PORTICV    EIVS   A    FVNDAMENTIS 

ABSOLVTA    EXCVLTAQVE 

AELIVS  •  DIONVSIVS    VC   OPERI  •  FACIVNDO 


*  Platner,   Beschreibung  der  Stadt  Rom.   Bd.  III.  Abth.  3.  S.  448.         *  Dio  Cass.  XLVII.  19.         »  Tacit. 
Ann.  III.  72.  VI.  45.     Dio  Cass.    LX.  6.     Sueton.  Calig.  2i.  *  A.  Gell.    X.  1,  9.  »  Plin.  H.  N.  XXXIII. 

3,  16,  54.  *  Dio  Cass.    LXIII.  6.  '  Dio  Cass.  LXVI.  24         '     *  Sueton.  Tit.  8.  "  Hieron.  Chron. 

(Rone.  I.  col.  475.)         "»  Script.  H.A.  (Vopisc.)  Carin.  <8.     Catal.  Imp.  Vienri.     (Rone.  II.  col.  247.)         "  Grut. 
Inscr.    p.  CXI.    n».  6. 


238  D^s  Marsfeld. 

loviiis  war  der  Beiname,  den  sich  bekanntlich  Diocletian  beizulegen  beliebte,  und  so 
kann  sich  die  Inschrift  auf  nichts  anderes  als  auf  ein  Werk  dieses  Kaisers  beziehen, 
das  sowohl  nach  dem  Fundorte  der  Piedestalinschrift  als  nach  den  angeführten  Nach- 
richten mit  der  Restauration  des  Theaters  in  Verbindung  stand.  Der  Zuschauerraum 
selbst  aber,  obwohl  er  durch  seine  massive  Solidität  Bränden  weniger  zugänglich  war, 
scheint  doch  um  diese  Zeit  schon  etwas  ruinös  geworden  zu  sein,  die  Zahl  der  Zu- 
schauerplätze nemlich,  von  Plinius  auf  40,000  angegeben,  ist  nach  der  Notitia  (Vatican. 
Handschrift)  bereits  auf  27,580,  nach  einer  anderen,  welche  wir  als  Curiosum  Urbis 
Romae  zu  bezeichnen  pflegen,  sogar  auf  17,580  gesunken,  welch  letztere  Zahl  jedoch 
der  ersteren  kaum  vorzuziehen  sein  dürfte,  —  eine  Verringerung,  die  auch  nach 
einer  Nachricht  aus  dem  9.  Jahrhundert  eine  inschriftliche  Erklärung  findet :  * 

„In  thealro  pompei " 

DDNN.  ARCADIVS    ETHONORIVS    PERPETVI    AVGG  THEATRVM    POMPEI 

EXTERIORE  AMBITV  MAGNAETIAM   INTERIORE  VIRTVTE  CONVOLSVM 

SVBDVCTIS    ET  EXCITATIS    INViCE  . . . 

Ammianus  Marcellinus  konnte  die  ganze  Anlage  noch  unter  die  bedeutendsten  Werke 
Roms  zählen, 2  doch  dass  sie  während  der  Gothenzeit  stark  gehtten,  geht  aus  den  Aus- 
drücken des  Königs  Theodorich,  der  dem  Symmachus  den  Auftrag  es  auszubessern 
gab,  zur  Geniige  hervor.^  Nach  Theodorich  kam  es  wohl  ausser  Gebrauch,  da  wohl 
Niemand  mehr  sich  in  der  Lage  fühlte,  den  sich  mehrenden  Bauföllen  Rechnung  zu 
tragen.  Der  Anonymus  von  Einsiedeln  (9.  Jahrh.)  und  der  Ordo  Romanus  (12.  Jahrh.)* 
erwähnen  es  zwar  noch  mit  dem  richtigen  Namen,  aflein  nachdem  am  Ende  des  folgen- 
den Jahrhunderts  die  Orsini  von  der  Ruine  Besitz  genommen  und  sie  in  eine  Burg  ver- 
wandelt hatten,  war  die  charakteristische  Form  bald  so  verschwunden,  dass  die  Mirabi- 
lien  (Anfang  des  1 4.  Jahrhundert)  sie  neben  dem  richtigen  Namen  auch  als  Palatium 
Pompei  bezeichneten,  ^  wie  man  denn  überhaupt  alle  hervorragenden  Ruinen  als  palatia 
zu  bezeichnen  begann.  Im  15.  Jahrhundert^  waren  noch  Reste  an  der  Aussenseite  bei 
Campo  di  Fiore  sichtbar,  doch  war  der  Name  des  Pompeius  dafür  nicht  mehr  im  Munde 
des  Volkes,  wie  unser  Berichterstatter  ausdrücklich  hinzugefügt;  bald  darauf  aber  wird 
in  Folge  einer  bei  S.  Lorenzo  in  Damaso  gefundenen  Inschrift  mit  den  Worten:^ 

GENIVIVI  •  THEATRI  •  POIYIPEIANI 

das  Theater  an  einer  anderen  naheliegenden  Stelle  gesucht.    Man  kam  jedoch  in  Kurzem 


*  Anonymus  Einsiedlens.   (Areh.  f.  Philol.  u.  Paed.  Suppl.-Bd.  V.  S.  426.)  =*  Ammian.  Marc.    XVl.  10. 

='  Cassiodor.  Variar.  IV.  51.  *  Mabillon,  Mus.  Ital.  toin.  II.  p.  143.  *  Montfaucon,  Diar.  Ital.  p.  286  &  284. 
*  Poggius  Florentin.  de  fortunae  varietate  U.  R.  et  de  ruina  eiusdem  descriptio.  (1440.  )  Opp.  Bas.  s.  a.  p.  137. 
^  Blondii  Flava  Forliensis  de  Roma  instaurata.  Ven.  ■1503.  Lib.  II.  §.  CIX.  Fr.  Albertini  opusculuni  de  Mirabilibus 
nove  et  veteris  Urbis  Rome.    Rom.  1515.  fol.  25. 


i 


Das  domilianische  (alexandrinische)  Stadium  (Piazza  Navona).  239 

wieder  auf  die  rechte  Spur,  wie  wir  diess  aus  Marliani,  A.  Fulvio  und  L.  Fauno  erse- 
hen. ^  Neuerlich  wurden  die  dürftigen  Ueberreste  von  Balthard,  einem  jungen  französi- 
schen Forscher  und  von  Canina  untersucht,  deren  Ergebnisse  im  Zusammenhalt  mit  den 
capitolinischen  Fragmenten  unserer  Beschreibung  des  Ganzen  in  der  Hauptsache  zu 
Grunde  liegen.  Die  mehrfachen  Funde  von  Säulenüberresten  in  der  Gegend ,  welche  die 
Anlage  des  Pompeius  einnahm,  wurden  nicht  besonders  aufgeführt,  da  sie  zu  wenig  spe- 
cielles  Interesse  haben.  — 


36.   Das  domitianische  (alexandrinische)  Stadium  (Piazza  Navona.) 

Noch  weniger  als  von  dem  eben  beschriebenen  Theater  des  Pompeius  ist  uns 
von  einem  anderen  Gebäude  für  öffentliche  Spiele  erhalten,  nemHch  von  dem  Sta- 
dium, das  die  Notitia^  neben  den  Theatern  nennt.  Doch  ist  wenigstens  die  Gestalt 
der  ganzen  Anlage  in  einem  stattlichen  Platze  (Piazza  Navona)  gegeben,  in  welchem 
wir  kaum  etwas  anderes  als  eine  Rennbahn  erkennen  könnten,  selbst  wenn  es  uns 
an  allen  Belegen  dafür  fehlte.  Man  gelangt  dazu,  wenn  man  von  der  Piazza  di  Campo 
di  Fiori  rechts  in  die  Via  de'  Baullari  und  hierauf  am  Ende  dieser  in  die  Via  Massimi 
und  deren  nordwestliche  Fortsetzung  Via  di  S.  Pantaleo  geht,  und  um  die  einen 
spitzen  Winkel  bildende  Ecke  des  Palazzo  Braschi,  welche  durch  den  merkwürdigen 
sog.  Pasquino  ausgezeichnet  ist,  westlich  in  die  kurze  Via  di  Pasquino  hineinbeugt. 
Wir  treten  dann  auf  einen  schönen  langen  Platz,  dessen  beide  Langseiten  einander 
parallel  laufen,  während  von  den  Schmalseiten  die  südliche  geradlinig,  die  nördliche 
aber  fast  halbkreisförmig  gebildet  ist.  An  baulichen  Ueberresten  findet  sich  ausser 
ziemlich  unkenntlichen  Substructionsmauern  in  den  Kellergewölben  des  Hauses  nörd- 
lich neben  S.  Agnese  (CoUegio  de'  Pamfili)  nichts  mehr,  doch  haben  sich  bei  Grund- 
grabungen für  Neubauten  ringsum  häufig  Reste  von  Mauern,  wie  sie  bei  Theatern 
und  Rennbahnen  die  Sitzreihen  zu  stützen  pflegen,  von  Pfeilern  und  selbst  von  Sitz- 
reihen gefunden.  ^ 

Die  Form  des  Platzes  wie  diese  Funde  lassen  nun  allerdings  zunächst  an  einen 
Circus  denken,  allein  von  einem  solchen  in  dieser  Gegend  findet  sich  keine  classische 
Erwähnung.  Dagegen  passt  die  Localität  trefflich  zu  dem  Stadium,  das  die  Notitia 
neben  den  drei  Theatern  in  der  9.  Region   erwähnt   und  diese  Annahme   wird  auch 


*  Marliani,  U.  R.  topographia.  1.  V.  c.  4  0.  (Graev.  Th.  A.  R.  tom.  III.  p.  177.)  A.  Fulvii  Sabini  de  Urbis 
antiquitatibus  l.  IV.  Roma.  4527.  fol.  LI.  L.  Fauno,  delle  antichitä  della  cittä  di  Roma.  Ven.  1548.  foi.  139. 
*  Curios.  Urb.  Rom.  Reg.  IX.  '  Flamin.  Vacca,  Memorie.  1594.   n".  29.    (C.  Fea,  Miscellanea  &c.  p.  LXVIII.) 

Nardini,  Roma  antica  lib.  VI.  c.  5.    (Graev.  Th.  A.  R.  tom.  IV.  p.  1276.)    R.  Venuti,  Descrizione  topogratica  delle 
antichitä  dl  Roma.    Rom.  1803.  Tartell.  p.  140. 


240  Das  Marsfeld. 

noch  durch  andere  Umstände  unterstützt.  Seit  den  frühesten  Zeiten  war  iui  Marsfelde 
eine  offene  Rennbahn,  die  jedoch  noch  zu  Augustus  Zeit  ohne  ständig  bauHche  Ge- 
stalt war,  ein  w  ahrscheinhch  eingehegter  Rasenplatz  an  dem  Theile  des  Feldes,  welchen 
der  Fluss  in  einem  Bogen  umschliesst.  ^  Hier  wurden  namentlich  die  Equiria  gehal- 
ten, welche  Romulus  dem  Mars  zu  Ehren  eingeführt  hatte,  ^  und  welche  noch  in  der 
Kaiserzeit  gefeiert  wurden,  sonst  aber  wurde  der  Rasen  auch  als  Tummelplatz  für 
Uebungen  benutzt.  ^  Dadurch  erhielt  das  Feld  schon  eine  andere ,  universellere  Be- 
deutung als  sie  ein  Circus  hatte,  der  sich  tiberdiess  ganz  in  der  Nähe  (Circus  Flami- 
nius)  darbot  Cäsar  war  der  Erste,  welcher  für  gymnische  Uebungen  und  Spiele  einen 
besonderen  Platz  davon  abgränzte  und  ein  hölzernes  Stadium  errichtete.  *  Diess  wurde 
jedoch  nach  den  gegebenen  Athletenspielen  wieder  abgebrochen,  und  ebenso  auch 
das  zweite  Stadium,  welches  auf  demselben  Platze  Augustus  erbaute.^  Erst  unter 
Domitian  erstand  ein  ständiges  Stadium,  ^  das  allerdings  nicht  wie  die  beiden  vorigen 
ausdrücklich  als  im  Marsfelde  befindlich  bezeichnet  wird,  das  aber  naturgemäss  den 
gegebenen  Platz  benutzte  und  wohl  mit  dem  von  der  Notitia  daselbst  erwähnten 
identisch  ist.  Und  dieses  Stadium  wurde,  wenn  die  Correctur  stadii  aus  et  adii  richtig 
ist  (woran  man  kaum  zweifeln  kann),  durch  Alexander  Severus  wieder  hergestellt,^ 
was  diesem  Kaiser  auch  besonders  nahe  lag,  da  seine  Thermen  östlich  anstiessen.^ 
So  erklärt  sich  dann  auch  leicht  der  Name  Circus  Alexandrinus ,  den  der  Platz  im 
12.  Jahrhundert  trug^  und  der  sogar  noch  im  16.  im  Munde  des  Volkes  fortlebte. ^*^ 
Die  Verwechselung  von  Stadium  und  Circus  war  leicht  möghch,  da  die  baulichen  Un- 
terschiede gering  waren.  Eine  andere  Tradition  erhielt  sich  in  dem  Namen  Campus 
Agonis  oder  bloss  Agones,  welchen  die  Gegend  im  10.  und  11.  Jahrhundert  ebenfalls 
führte, ^^  Die  Reminiscenz  an  das  Stadium  ist  nicht  zu  verkennen,  da  ja  gerade  die 
von  Domitian  eingeführten  periodischen  Spiele  Agon  Capitolinus  hiessen.  Merkwürdig 
ist  allerdings,  dass  unser  mehrerwähnte  Anonymus  (a.  a.  0.)  von  Einsiedeln  beide 
Namen  nicht  kannte,  sondern  den  Platz  in  entschiedenem  Irrthume  wiederholt  als  Cir- 
cus Flaminius  bezeichnet.  Dieser  mochte  dem  halbgelehrten  Mönche  ein  bekannterer 
Name  sein,  und  da  die  Ruine  des  Stadiums  damals  noch  kenntlicher  war  als  die  des 
Circus  Flaminius,  so  konnte  diese  Verwechselung  leicht  geschehen. 

Der  bis  auf  Nibby  unter  den  Archäologen  gebräuchliche   und   auch  jetzt  noch 


'  Ovid.  Fast.  III.  v.  519.  *  Fest.  s.  v.  Martialis.  '  Strab.  V,  3,  7.  p.  236.  *  Sueton.  Caes.  39. 

*  Dio  Cass.  LIII.  1.  ^  Sueton.  Dom.  5.  Cassiod.  Chron.  (Rone.  II.  col.  <97.)  Catal.  iinp.  Vienu.  (Rone.  U. 
col.  243.)  ^Script.  H.A.  (Lamprid.)  Alex.  Sev.  24.  (Salmas.)  *  Anonym.  Einsiedlens.  (Arch.  f.  Phil.  u.  Paed. 
Suppl.-Bd.  V.  S.  134.)  »  Ordo  Romanus  (1143)  Mabillon  Mus.  Ital.  tom.  II.  p.  143.  '»  A.  Fulvius,  Antiquität. 
Urb.  R.  1527.  Lib.  IUI.  fol.  LVI.  "  Chron.  Farfense.  Muratori  R.  I.  S.  Tom.  II.  P.  II.  Galletti,  del  Primi- 
cero  &c.    Rom.  1776.    p.  80,    cf.  Nibby,  Roma  1839.  P.  I.  antica.    p.  600  sq. 


Der  Obelisk  auf  Piazza  Na vona.     Das  Pantheon.  241 

vulgäre  Namen  Circus  Agonalis,  der  aus  den  localen  Reminiscenzen  von  Agon  gebil- 
det wurde,  widerspricht  sich  selbst.  Denn  AgonaHa  haben  mit  einem  Circus  nichts 
zu  thun,  und  dem  Namen  fehlt  auch  alle  classische  Unterlage.  — 


37.    Der  Obelisk  auf  Piazza  Navona. 

Was  die  Annahme  eines  Stadium  und  nicht  eines  Circus  an  der  Stelle  von 
Piazza  Navona  vorzugsweise  bestätigt,  ist  der  Umstand,  dass  man  bei  den  für  die 
Anlage  der  Brunnen  nöthigen  Nachgrabungen  nicht  auf  Reste  der  Spina  stiess,  welche 
doch  sonst  einen  Circus,  namentlich  in  der  vorgerückteren  Kaiserzeit,  charakterisiren. 
Die  Stadien  unterschieden  sich  nemlich  ihrer  baulichen  Anlage  nach  namentlich  da- 
durch von  den  Circi,  dass  die  ersteren  weder  Spina  noch  Carceres  hatten,  wie  diess 
an  den  erhaltensten  Stadien,  namentlich  an  dem  in  Cibyra  (dem  heutigen  Buraz)  in 
Lykien  ersichtlich  ist.  Der  Obelisk,  der  jetzt  den  Platz  schmückt,  stammt  auch  nicht 
von  dieser  Rennbahn  selbst,  sondern  vielmehr  aus  dem  Circus  des  Maxentius  an  der 
Via  Appia,  wo  er  die  Spina  schmückte,  welcher  Platz  jedoch  ebenfalls  nicht  sein  ur- 
sprünglicher war,  da  die  Hieroglyphen  römischer  Arbeit  den  Kaiser  Domitian  in  den 
Namensringen  nennen.  Im  Circus  des  Maxentius  lag  er  Jahrhunderte  lang,  in  fünf 
Stücke  zerbrochen,  auf  dem  Boden,  bis  ihn  Papst  Innocenz  X.  durch  Bernini  und 
Ercher  *  ergänzen  und  in  der  Mitte  der  Piazza  Navona  auf  dem  prächtigen  Brunnen 
aufstellen  liess,  i.  J.  1651.  Die  nachher  gefundene  Spitze  desselben  ist  jetzt  im  Mu- 
seum zu  Neapel,  und  andere  erst  i.  J.  1825  gefundene  Fragmente,  von  Giov.  Tor- 
lonia  dem  Könige  Ludwig  von  Bayern  geschenkt,  befinden  sich  zu  München.  Der 
Obelisk  hat  jetzt  eine  Höhe  von  10, 20  Met.;  auf  dem  ergänzten  Gipfel  befindet  sich 
jetzt  eine  Taube  mit  dem  Oelzweige  in  Bronze,  das  Wappenzeichen  des  Hauses  Pam- 
phili,  dem  Innocenz  X.  angehörte.  — 


38.    Das  Pantheon. 

Westlich  von  den  Ruinen  des  Pompeiustheaters  und  von  Piazza  Navona  bis  zum 
Flusse  befinden  sich  nur  wenige  Ueberreste,  und  keine,  die  für  topographische  und  ar- 
chitektonische Erörterung  Stoff  gäben.  Denn  die  kolossalen  Granitsarkophage,  welche 
die  Piazza  Fernese  in  der  Nähe  des  Pompeiustheaters,   jetzt   in   Brunnen    umgewan- 


'  Kirchcr,  Obeliscus  Pamphilius.  Romae  1650. 

F.  Rbbbr,   die  Buinen  Boras.  34 


242 


Das  Marsfeld. 


delt,  schmücken,  gehören  nicht  hieher,  und  die  lange  Linie  einer  Substructionsmauer 
aus  abgekanteten  Travertinquadern  in  der  Via  Giiilia,  welche  an  der  links  abzweigen- 
den Via  del  Gonfaleone  beginnt  und  dann  an  den  beiden  Häuserstöcken  von  S.  Maria 
del  Suffragio  und  S.  Biagio  in  einzelnen  Resten  sich  hinzieht,  lässt  sich,  da  sich  aus- 
ser einem  derben,  bankähnlich  vorspringenden  Leisten  nichts  Charakteristisches  daran 
findet,  und  keine  classischen  Nachrichten  zu  Hilfe  kommen,  nicht  erklären.  Wir  wen- 
den uns  daher  von  Piazza  Navona  aus  östlich,  um  die  übrigen  zum  Theil  sehr  be- 
deutenden antiken  Ueberreste  zu  besuchen. 

Ein  kurzer,  doch  etwas  unregelmässiger  Weg  durch  die  Gorsia  di  Piazza  Na- 
vona und  über  die  Piazza  Madama,  dann  durch  die  Via  del  Salvatore,  del  Governo 
und  de'  Crescenzi  führt   uns   auf  die  Piazza   della  Rotonda  und  wir  stehen  vor  dem 

berühmten  Pantheon.  Nicht 
leicht  etwas  kann  auf  den, 
der  überhaupt  für  die  Reste 
des  Alterthums  Empfindung 
hat,  einen  tieferen,  gewal- 
tigeren Eindruck  machen, 
als  der  erste  Anblick  dieses 
Rundtempels  in  seiner  wuch- 
tigen Einfachheit,  mit  sei- 
nen altersschwarzen  Mauern 
und  Marmorzierden  und  in 
seiner  fast  beispiellosen  Er- 
haltung: ein  Eindruck,  den 
wohl  keine  Abbildung  da- 
von, am  wenigsten  die  bei- 
gefügte ,  hervorzubringen 
vermag,  um  so  weniger, 
als  er  nicht  in  gefälligen 
Formen,  in  der  heiteren 
Grösse  griechischer  Tem- 
pel, sondern  vielmehr  in 
dem  strengen  Ernste  eines  eigentlich  römischen  Werkes,  bei  welchem  die  griechischen 
Elemente  nur  als  ein  sehr  zurücktretendes  Aussending  behandelt  sind,  seinen  Grund  hat. 
Von  der  im  Uebrigen  bis  zur  Kahlheit  schmuckarmen  Rotunde  springt  nach 
vorne  ein  rechtwinkliger  Pronaos,  von  16  Säulen  getragen,  vor.  Diese  Vorhalle  hat 
eine  Breite  von  35  und  eine  Tiefe  von   16  Met.,   und  ist  jetzt  noch  um  zwei  Stufen 


^Mft. 


23.    Gmodriss  des  Panlheon.  (Nach  Casina.) 


Das  Pantheon.  243 

über  dem  Niveau  des  modernen  Bodens  erhöht,  erhob  sich  jedoch  um  sechs  Stufen 
über  den  antiken.  In  der  Fronte  stehen  acht  Säulen:  der  ersten,  dritten,  sechsten 
und  achten  entsprechen  noch  je  zwei  in  der  Tiefe.  Die  korinthischen  Marmorbasen 
haben  mit  der  Platte  eine  Höhe  von  0,72,  die  Schäfte,  von  grauem  und  röthlichem 
Granit  und  desshalb  natürlich  uncanellirt,  sind  11, eo  M.  hoch  und  haben  unter  1,5o, 
oben  1,34  M.  im  Durchmesser,  die  korinthischen  Marmorcapitäle  messen  1,7?  M.  in  der 
Höhe.  Architrav  und  Fries,  jener  1,o5,  dieser  1  M.  hoch,  sind  ohne  Ornamentik;  im 
Fries  der  Fronte  steht  in  grossen  Buchstaben,  die  einst,  wie  an  den  Nietenlöchern 
ersichtlich  ist,  mit  Metall  ausgelegt  waren,  die  Inschrift: 

M  AGR I PPA .  L  F  COS  TERTI VM  FEC IT 

Eine  andere,  unterhalb  in  den  zwei  oberen  Leisten  des  dreifachgestuften  Architravs 
angebrachte  zweizeilige  Inschrift,  in  sehr  kleinen  Buchstaben  geschrieben,  berichtet 
eine  spätere  Restauration: 

IIVIP    CAES    L  SEPTIIVIIVS   SEVERVS    PIVS    PERTINAX  ARABICVS  •  ADIABENICVS    PARTHICVS 

IVIAXIIVIVS   PONTIF  •  MAX  TRIB    POTEST  IT  IIVIP    XI    COS  •  TlT-  P  •  P    PROCOS  •  ET 
IIVIP  •  CAES    IVI    AVRELIVS    ANTONINVS    PIVS    FELIX  ■  AVG   TRIB  •  POTEST  •  V  •  COS  •  PROCOS 
PANTHEVM  •  VETVSTATE   CORRVPTVM   CVM    OMNI    CVLTV  •  RESTITVERVNT 

Der  1,38  Met.  hohe  Garnies  ist  im  edelsten  Geschmacke  verziert  und  ganz  frei 
von  der  sonst  bei  römischen  Kaiserbauten  heimischen  Ueberladung.  Er  zeigt  den 
Eierstab  und  schöne  Kragsteine,  ausserdem  aber  nur  unbedeutende  Ornamentleisten. 
Derselbe  Carnies  umsäumt  das  ganze  Giebelfeld,  dessen  Höhe  6,30  Met,  beträgt  und 
das  jetzt  aller  Bekleidung  entblösst,  in  den  rohen  Travertinquadern  noch  die  Nieten- 
löcher zeigt,  in  welchen  die  Figuren  desselben  befestigt  waren.  Wegen  der  geringen 
Vertiefung  des  Giebelfeldes  kann  man  als  Schmuck  nur  ein  Relief  vermuthen,  welches 
wahrscheinhch ,  wie  auch  die  übrigen  Bildwerke  des  ganzen  Gebäudes,  in  Bronze 
ausgeführt  war.  Die  Seitensäulen,  sowie  die  inneren  des  Pronaos,  waren  mit  einan- 
der durch  drei  Tonnengewölbe  verbunden,  welche  auf  dem  Gebälke  derselben  ruh- 
ten, und  deren  Wölbungen,  von  denen  die  mittlere  etwas  höher  war,  in  der  Rich- 
tung gegen  den  Eingang  hin  liefen.  Jetzt  verbinden  starke  Balken  die  Säulenstellung 
des  Pronaos.  An  die  Stelle  der  vergoldeten  Bronze  aber,  womit  einst  das  ganze  Dach 
bedeckt  war,  ist  jetzt  Blei  getreten.  ^ 

Der  Pronaos  ist  mit  dem  Rundgebäude  selbst  durch  einen  massiven  Vorbau  ver- 
bunden, der  die  rechtwinkelige  Vorhalle  mit  der  Curve  des  anstossenden  Theiles  der  Ro- 
tunde zu  vermitteln  bestimmt  ist.  Dieser  zeigt  auf  beiden  Schmalseiten  aussen  Reste 
von  je  drei  caneHirten  Marmorpilastern,  zwischen  welchen  man  oben  —  besonders  noch 
auf  der  Westseite  erhalten  —  Reliefstreifen  von  pentelischem  Marmor  sieht,  welche  Gan- 

31* 


244  Das  Marsfeld. 


delaber  und  Opfergeräthe  zwischen  Festonen  darstellen  und  in  geschmackvoller  Gruppi- 
rung  und  mit  höchster  Feinheit  ausgeführt  sind.  Zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Pi- 
laster  befinden  sich  auf  beiden  Seiten  die  Eingänge  zu  den  Treppen,  welche  in  der  Masse 
des  Verbindungsvorbaues  selbst  auf  die  Höhe  des  Gebäudes  führen.  Von  den  beiden 
Treppen  ist  jetzt  nur  mehr  die  östliche  zugänglich,  doch  gelangt  man  auch  zu  dieser 
nicht  mehr  durch  den  antiken  Eingang.  —  Im  Innern  der  Vorhalle  zeigt  dieser  Verbin- 
dungsvorbau vier  canellirte  Marmorpilaster  derselben  Art,  wie  sie  sich  aussen  befinden, 
welche  den  vier  Tiefreihen  der  Säulen  des  Pronaos  entsprechen.  Zwischen  dem  ersten 
und  zweiten,  und  zwischen  dem  dritten  und  vierten  befinden  sich  zwei  grosse  Nischen, 
welche  muthmasslich  einst  die  Kolossalstatuen  des  Auguplus  und  Agrippa  enthielten,  ^ 
jetzt  aber  unansehnliche  Altäre  aufgenommen  haben.  Zwischen  dem  zweiten  und  drit- 
ten Pilaster  aber,  welche  um  etwas  mehr  als  einen  Säulenzwischenraum  weiter  als  die 
übrigen  von  einander  entfernt  sind,  vertieft  sich  eine  Art  von  Vorgemach  gegen  den  Ein- 
gang zum  Rundgebäude  selbst  hin.  Zu  beiden  Seiten  dieses  Raumes  sieht  man  ausser  der 
breiten  Seite  des  angränzenden  Pilasters  noch  zwei  andere  von  gleicher  Art  zwischen 
denselben  Reliefstreifen,  wie  ich  sie  eben  beschrieben,  von  pentelischem  Marmor  mit 
Festonen  und  Opfergeräthen.  Dieselben  Reliefs  ziehen  sich  auf  die  beiden  Seiten  neben 
dem  Portale  herüber,  sind  jedoch  da  grösstentheils  durch  moderne  Stuckreliefs  mit  christ- 
lichen Kirchengeräthen  und  symbolischen  Gegenständen  ersetzt.  Von  ausgezeichneter 
Arbeit  sind  die  Marmorpfosten  und  der  Sturz  des  Portales,  welches  mit  dem  Rahmen 
von  derselben  Höhe,  wie  die  Säulen  des  Pronaos  ist,  und  dessen  Schwelle  wie  der 
Sturz  aus  einem  Marmorstücke  besteht.  Die  herrliche,  6  Met.  breite  Flügelthüre,  die 
mit  dickem  Bronzeblech  bekleidet  und  noch  fast  unversehrt  erhalten  ist,  wird  nach 
ihrer  Höhe  in  drei  Theile  getheilt:  die  eigentliche  Doppelthüre,  welche  7,35  Met.  hoch 
ist  und  nach  innen  sich  öffnet,  in  gewaltigen  Angeln  gehend,  die  jedoch  nicht  in  den 
Marmorpfosten,  sondern  in  zwei  dorischen  ionisch  caneUirten  Pilastern,  welche  den 
Thürraum  an  den  Seiten  verengern,  ihre  Zapfen  haben;  darüber  ein  Querbalken  von 
1,20  Met.  Höhe,  und  über  diesem  ein  Bronzegitter,  mit  seinem  Rande  3,22  Met.  hoch. 
Letzteres  ist  in  der  Art  wie  übereinandergelegte  Hohlziegel  geformt.  Die  Arbeit  an 
dieser  Thüre  ist  bewundernswerth  exact,  bei  der  sonstigen  Einfachheit  fallen  beson- 
ders die  Nägel  auf,  welche  überaus  reich  und  geschmackvoll  gearbeitet  sind. 

Ehe  wir  jedoch  die  Schwelle  des  Tempels  selbst  überschreiten,  wollen  wir 
vorerst  die  äusseren  Verhältnisse  des  Rundbaues  betrachten.  Dieser  ruht  auf  einem 
rechtwinkeligen  Unterbau,  der  auf  der  Fronte  64,5o,  an  den  Seiten  48  Met.  misst  und 
sich  rückwärts   an   den   Grundbau   einer  breiteren  Anlage   anschliesst.      Der   äussere 


*  Dio  Cass.  LIIl.  27. 


c 

Q. 


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Das  Pantheon.  243 

Durchmesser  der  Rotunde  (d.  h.  mit  Einschluss  der  Mauern)  beträgt  o5,8o  Met. ;    die 
Masse  der  Backsteinmauer  aber  hat  an  den  Stellen,  an  denen  sie  nicht  durch  Nischen 
geschmälert  ist,  eine  Dicke  von  6  Meter.    Die  Mauer   selbst    zeigt  aussen  drei  durch 
Carniese   angezeigte  Abtheilungen,    welche   mit   der  inneren  Eintheilung   harmoniren, 
zugleich  aber  wesentlich  dazu  beitragen,    die   sonst  kahle  Einförmigkeit  des  äusseren 
Anblickes  der  Rotunde  zu  mildern.    Der  erste  Carnies  läuft  12, 30  Met.  über  dem  Spie- 
gel der  Substruction  und   ist   selbst  0, 70  Met,  hoch;    der  zweite   ist   von  diesem  8,40 
Met.  entfernt  und  misst  selbst  1   Met.   in  der  Höhe;    der  dritte,    7, 70  Met.  über  dem 
vorhergehenden,    hat  eine  Höhe  von  etwas  über  1   Met.,    so   dass   die  Gesammthöhe 
der  Mauer  sich  auf  31,io  Met.  beläuft.    Der  untere  Mauerring  bis  zum  ersten  Carnies 
war,  wie  aus  den  Spuren  ersichtlich  ist,  mit  Marmor  bekleidet,  die  oberen  mit  Stuck. 
Am  unteren  Theile   befanden   sich   ringsum   acht   kleine  jetzt  geschlossene  Eingänge, 
welche  zu  halbkreisförmigen  Kammern  führten,  deren  Radius  wenig  mehr  als  2  Met. 
beträgt.    Sechzehn  ähnliche  befinden  sich  zwischen  dem  zweiten  und  dritten  Carnies. 
wo  überhaupt  der  Bau  am  massigsten  ward,    da   die  Wölbung  innen  schon  von  der 
Höhe   des   zweiten  Carnieses  aus   begann.     Der  Zweck  dieser  Nischenkammern    war 
kein  anderer,    als  die  Unterbrechung  der  Mauermasse  durch  Bogenconstruction,    wo- 
durch die  Mauer  nicht  bloss  leichter,    sondern  auch  fester  gemacht   werden  konnte. 
Auch  sonst   ist   die   Mauer  häufig   durch  Bogensprengungen ,   die  sich  selbst  tragend 
übereinander  gethürmt  sind,  solidirt.   Dieselbe  Höhe  wie  der  dreifach  abgestufte  Ring 
der  Rotunde  erreicht  auch  der  massive  Vorbau,  welcher  den  Pronaos  mit  dem  Rund- 
bau verbindet,  und  ragt  desshalb  noch  um  ein  Beträchtliches  über  die  Giebelhöhe  des 
Pronaos  empor,    eine  Fläche  darbietend,    welche   nothwendig    einigermassen  verhüllt 
werden  musste.     Diess   geschah  durch    einen  zweiten  Giebel,    welcher  etwa  1 4  Met. 
hinter  dem  des  Pronaos  und  etwas  höher   stand,    den   aber   die   Anlage i*  der  beiden 
Glockenthürme  grösstentheils  unsichtbar  gemacht  hat.  —  Die  Kuppel  selbst,  einst  wie 
der  Pronaos  mit  vergoldeter  Bronze,  jetzt  mit  Blei  bedeckt,  beginnt  aussen  mit  einem 
2  Met.  hohen  Gürtel,  besteht  dann  in  sechs  immer  höher  werdenden  Stufen,  läuft  je- 
doch zuletzt  glatt  der  grossen  runden  Oeffnung  zu,    welche    auf  dem  Scheitel  ange- 
bracht  ist.     Diese  Oeffnung   hat  8,90  Met.   im  Durchmesser   und   ist  jetzt   ohne  allen 
Schutz  ganz  offen,  soll  aber  früher  bedeckt  und  an  dem  Deckel  die  grosse  Pinie  an- 
gebracht gewesen  sein,   die  jetzt  im  Giardino  della  Pigna  des  Vaticans  zu  sehen  ist. 
Doch   ist   diess  unwahrscheinlich,  und  da,    wie    unten   erörtert  werden  wird,    dieses 
Gebäude   ursprünglich   für   einen  Saal   der  Agrippathermen  und  nicht  für  einen  Tem- 
pel bestimmt  war,  so  ist  hier  nur  eine  grosse  Bronzeplatte  zum  jeweiligen   und   be- 
liebigen Verschluss  anzunehmen,  von  deren  Einrichtung  und  Gebrauch  Vitruv  bei  dci- 


246 


Das  Marsfeld. 


Beschreibung  der  Thermen  spricht.  ^  Rings  um  die  OefFnung  sieht  man  noch  den  ver- 
zierten Rand  von  vergoldeter  Bronze,  der  allein  von  der  prachtvollen  Bedachung 
übrig  geblieben  ist.  Das  Gemäuer  der  Kuppel  besteht  aus  opus  antiquum,  keilförmi- 
»en  Stücken  ungefähr  von  der  Grösse  und  Form  moderner  behauener  Pflaster- 
steine,  eine  Mauerart,  welche  für  eine  Kuppel  besonders  entspricht  und  durch  über- 
einander gethürmte  Bogensprengungen  zu  einer  der  leichtesten  und  dauerhaftesten  er- 
hoben ward. 

Der  innere  Raum  der  Rotunde  übertrifft  an  Schönheit  und  Anmuth  den  äusseren 


24.    Durchschnitt  des  Panihi-oii.    (Nach  Canin 


Anblick,  der  mehr  imponirt  als  an  sich  befriedigt,  bei  weitem.  Hier  herrscht  weder 
Kahlheit  noch  Ueberladung  und  Alles  steht  in  schönster  Harmonie.  Der  Boden,  dessen 
Kreis  mit  Ausschluss  der  Nischenvertiefungen  42,85  Met.  im  Durchmesser  hat,  ist  ab- 
wechselnd mit  quadratischen  und  kreisförmigen  Platten  auf  rechtwinkeligem  Netze  aus 
Porphyr,  grauem  Granit,  phrygischem  und  numidischem  Marmor  belegt.  Ringsum  ver- 
tiefen sich   acht  Nischen,   die  8,20  M.  breit  und  4, 70  Met.  tief  sind,  wovon  eine    zum 


4    Vilruv.  V.  10. 


Das  Pantheon.  247 

Eingange  dient ,  während  die  übrigen  im  Alterthume  Götterbilder  enthielten ,  später  aber 
christliche  Altäre  aufnahmen,  die  noch  den  Platz  behaupten.  Diese  Nischen  wechseln 
zwischen  Halbkreis-  und  Rechteckform:  von  der  sonst  regelmässigen  Yertheilung  macht 
jedoch  die  Eingangsnische ,  welche  im  Interesse  der  Anbringung  des  Portals  statt  halb- 
kreisförmig rechtwinkelig  gebildet  ist,  eine  Ausnahme,  so  dass  der  ersteren  Art  drei, 
der  letzteren  aber  fünf  Nischen  angehören.  Jede  derselben  wird  von  canellirten  ko- 
rinthischen Pilastern  begränzt,  zwischen  welchen  zwei  Säulen  derselben  Grösse  und 
Ordnung ,  mit  den  ersteren  abwechselnd ,  von  numidischem  und  phrygischem  Marmor, 
stehen,  um  das  ringsum  fortlaufende  Gebälke,  welches  bei  den  halbkreisförmigen  Nischen 
die  Wölbungen  maskirt,  zu  tragen.  Die  attischen  Basen  sind  von  weissem  Marmor  und 
0,43  M.  hoch;  die  Schäfte,  welche  im  Durchmesser  unten  1,i3,  oben  1  Met.  haben  und 
deren  Canelluren  nur  an  dem  oberen  Theile  wirklich  ausgeführt,  an  dem  unteren  Dritt- 
theil  nur  flach  angezeigt  sind,  messen  8, so  Met.,  die  Capitäle,  ebenfalls  von  weissem 
Marmor,  1,39  Met.  in  der  Höhe.  Bei  der  Eingangs-  und  der  gegenüberstehenden  Haupt- 
nische durchbricht  die  Wölbung  den  Gebälkkranz,  so  dass  die  ganze  Nische  offen  er- 
scheint: desshalb  fehlen  natürlich  auch  die  Säulen  zwischen  den  beiden  Pilastern  an 
der  Eingangsnische  ganz ,  während  sie  an  der  Hauptnische  vor  die  Pilaster  gesetzt  sind 
und  vorspringende  Gebälkstücke  tragen ,  welche  vormals  sicher  mit  Statuen  geschmückt 
waren.  Diese  beiden  Säulen  zeigen  auch  eine  complicirtere  Canellirung,  nemlich  Rund- 
stälie  auf  den  Stegen.  Zwischen  den  acht  grossen  Nischen  sind  ringsum  noch  acht 
kleine  rechteckige,  nicht  bis  auf  den  Boden  reichend  und  nur  2  Met.  breit  und  0,93  Met. 
tief,  jetzt  ebenfalls  zu  Altären  verwendet.  Diese  schmücken,  um  weniges  vorspringend, 
kleine  (nur  8,30  Met.  hohe)  Aediculen,  nenilich  ein  Basament  bis  zum  unteren  Rande 
der  Nische  und  auf  diesem  zwei  Säulen  vor  entsprechenden  an  die  Wand  angelehnten 
Pilastern,  die  zusammen  Gebälke  und  Giebel  tragen,  von  welchen  abwechselnd  die 
einen  von  dreiseitiger  regulärer  Form ,  die  anderen  an  der  Spitze  abgerundet  (segment- 
förmig)  sind.  Auch  diese  Säulchen,  mit  Base  und  Capital  nur  4, 40  Met.  hoch,  sind  ko- 
rinthischer Ordnung ,  theils  von  numidischem  Marmor,  theils  von  Porphyr,  erstere  die 
abgerundeten  Giebel  tragend;  jetzt  sind  jedoch  nach  mancherlei  Versetzungen  vier 
Porphyrsäulen  aus  der  Kirche  verschwunden:  zwei  wurden  verkauft  und  die  beiden 
anderen  befinden  sich  seit  Pius  VI.  in  der  vaticanischen  Bibliothek ,  im  letzten  Saale 
des  rechten  Flügels.    Clemens  IX.  ersetzte  die  fehlenden  durch  graue  Granitsäulen. 

Das  von  den  Säulen  und  Pilastern  getragene  korinthische  Gebälke,  dessen  Gürtel 
nur  durch  die  offene  Eingangs-  und  durch  die  Hauptnische  unterbrochen  wird  und 
2,50  Met.  in  der  Höhe  misst,  bildet  die  untere  Abtheilung  des  Rundtempels  und  ent- 
spricht in  seiner  Höhe  genau  der  Lage  des  ersten  Carnieses  an  der  Aussenseite. 
Noch  vollständiger  als  die  erste  und  ununterbrochen  wird  auch  die  zweite  Abtheilung 


248  ^^^  Marsfeld. 

abermals  von  einem  2,o8  Met.  hohen  einfacheren  Gebälke,  dessen  Carnies  namentlich 
keine  Kragsteine  zeigt,  abgeschlossen,  wieder  in  gleicher  Höhe  mit  der  zweiten  Car- 
niesabtheilung  von  aussen.  In  dieser  oberen  Abtheilung  innen  befinden  sich  12  recht- 
winkelige, seichte  Nischen.  Von  den  16,  der  nach  der  Anordnung  treffenden  Zahl  der- 
selben, sind  zwei  durch  die  beiden  offenen  Wölbungen  der  Eingangs-  und  der  Haupt- 
nische weggenommen ,  und  zwei  andere  dienen  den  beiden  anderen  halbkreisförmigen 
Nischen,  deren  oberer  Theil  maskirt  ist,  als  Fensteröffnungen.  Diese  Vertiefungen, 
welche  sich  2,1  o  Met.  über  dem  ersten  Carnies  befinden  und  von  diesem  durch  einen 
breiten,  einmal  abgestuften  Gürtel  getrennt  sind,  haben  wie  die  ganze  Fläche  der  oberen 
Abtheilung  nicht  mehr  die  ursprüngliche  Gestalt :  bei  einer  Restauration  im  J.  1747  nemlich 
suchte  sich  ein  namenloser  Architekt  daran  zu  verewigen,  indem  er  die  Nischen  er- 
höhte ,  ihnen  einen  plumpen  Giebel  aufsetzte  und  besonders  von  der  Wand  die  schönen 
Pilaster  sammt  der  übrigen  Bekleidung  aus  den  kostbarsten  Marmorarten  hinwegnahm, 
um  dafür  nach  der  Erfindung  seiner  Zeit  Ornamentik  in  Stuck  anbringen  zu  können. 
Die  Nischen  selbst  aber  wurden  später  theilweise  durch  Heiligenbilder,  coulissenhaft 
grau  in  grau  auf  Leinwand  oder  Holz  gemalt,  verunziert,  über  deren  langes  Ver- 
bleiben an  dieser  bessere  Werke  verdienenden  Stelle  man  sich  nicht  genug  verwun- 
dern kann. 

Der  durch  den  doppelten  Gebälkgürtel  gebildeten  harmonischen  Gliederung  im 
Innern  des  Rundtempels  schreibt  man  vorzüglich  den  Eindruck  der  Grösse  zu,  wel- 
chen das  Gebäude  bei  verhältnissmässig  nicht  so  bedeutenden  Maassen  auf  den  Be- 
schauer macht.  Doch  diesen  Eindruck  scheint  mehr  das  Ebenmaass  in  den  allgemein- 
sten Proportionen  hervorzubringen ,  nach  welchem  hier  kein  excessives  Ghed  das  andere 
oder  das  Ganze  beeinträchtigt.  Denn  der  Höhe  vom  Boden  bis  zum  zweiten  Carnies, 
d.  h.  bis  zum  Anfange  der  Wölbung,  ist  die  innere  Kuppelhöhe  selbst  genau  gleich. 
Ferner  ist  die  gesammte  Höhe  vom  Boden  bis  zur  KuppelöfFnung  gleich  dem  Durch- 
messer der  Rotunde  im  Lichten.  Auch  überwältigen  die  Einzelnheiten  des  architekto- 
nischen Schmuckes  nicht  das  Ganze ,  denn  ihre  Grössenverhältnisse  sind  von  der  Art, 
dass  wir  von  ihnen  ab  den  Maassstab  nicht  zu  klein  nehmen,  wie  es  z.  B.  nach  den 
Pfeilern  von  St.  Peter  geschieht,  welche  durch  ihre  eigene  Grösse  und  ihre  riesigen 
Proportionen  der  Höhe  des  Ganzen  Eintrag  thun.  Ferner  erhöhen  die  sich  verjüngenden 
Trapez  -  Cassettonen ,  deren  Felderabstufung  überdiess  perspectivisch  angelegt  ist,  die 
Vorstellung  von  der  Höhe  der  Wölbung. 

Das  Pantheon  ward  nach  der  obenangeführten  Hauptinschrift  von  M.  Agrippa, 
dem  Schwiegersohne  des  Augustus,  in  seinem  dritten  Consulatsjahre  (729  d.  St.,  25  v.  Chr.) 
ßfbaut.    Der  Name  Pantheon  (Pantheum)   findet  sich   schon   bei   mehren,    keineswegs 


Das  Pantheon.  249 

späten  Schriftstellern,!  und  auch  insbesondere  in  der  angeführten  Restaurationsin- 
schrift des  Kaisers  Septimius  Severus  vom  Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  v.  Chr. 
(202).  Die  seit  langem  eingebürgerte  Annahme,  dass  der  Tempel  dem  lupiter  Ultor 
geweiht  gewesen  sei ,  beruht  auf  einer  falschen  Lesart  einer  Stelle  des  Plinius,  '^ 
ebenso  wenig  stimmt  mit  dem  Thatbestande  die  auf  Dio  Cassius^  gestützte  Behaup- 
tung überein,  dass  der  Tempel  nicht  allen  Göttern,  sondern  zunächst  dem  Mars  und 
der  Venus  geweiht  gewesen  sei,  welcher  Annahme  sowohl  der  oft  von  den  Alten 
ausgesprochene  Name,  als  auch  insbesondere  die  innere  Einrichtung  der  vielen  zur 
Aufnahme  von  Götterbildern  bestimmten  Nischen  entgegen  steht.  Eine  weitere,  aus 
derselben  Stelle  ganz  willkürlich  gezogene  Annahme^  bestimmt  den  Tempel  nur  für 
die  Götter  des  iuhschen  Geschlechtes,  lediglich  desshalb,  weil  Agrippa,  nachdem 
Augustus  die  Aufstellung  seines  eigenen  Standbildes  im  Tempel  ausgeschlagen  hatte, 
eine  Statue  des  Cäsar  unter  die  Götterbilder  setzte ;  doch  auch  diese  Annahme  steht 
im  Widerspruche  mit  dem  Namen  »Tempel  aller  Götter.«  Auch  deuten  die  zweierlei 
Abstufungen  der  Götternischen  im  Tempel  auf  verschiedene  Rangstufen,  und  die 
sieben  grossen  Nischen  für  die  sieben  Hauptgottheiten  wie  die  acht  kleineren  dazwischen 
mit  den  Aediculen  für  die  nächst  niederen  (von  den  zwölf  in  der  oberen  Abtheilung 
der  Rotunde  für  die  Götter  letzten  Ranges  befindlichen  Götternischen  als  wahrschein- 
lich späteren  Ursprunges  abgesehen)  bieten  zusammen  Raum  für  1 5  Gottheiten,  einer 
hinreichenden  und  den  Namen  Pantheon  verdienenden  Vertretung  des  Olympos, 
dessen  Gewölbe  man  ebenfalls  schon  im  Alterthume  durch  die  herrliche  Kuppel 
symbolisirt  wähnte.^ 

Ob  jedoch"  dieses  Wundergebäude  schon  ursprünglich  als  Tempel  erbaut  ward, 
ist  eine  bereits  vielbesprochene,  aber  noch  nicht  ganz  entschiedene  Frage."  Doch 
neigt  man  sich  jetzt  allgemein  zur  Verneinung  derselben  (Fiale,  Bunsen,  Becker) : 
Denn  einerseits  erscheint  die  Rotunde  anstossend  an  die  Mauern  der  Thermen  des 
Agrippa,  und  sogar  mit  ihnen  verbunden ;  anderseits  zeigt  der  Rundbau  selbst  Ein- 
richtungen, die  mit  einem  zu  den  Thermen  gehörigen  Gebäude  zusammenfallen.  So 
beschreibt  Vitruv^  das  Laconicum  oder  die  Sudatio  (Schwitzbad)  als  an  das  Tepi- 
darium  (laue  Bad)  anstossend,  mit  einem  der  Höhe  gleichen  Durchmesser  und  einer 
Fensteröfl'nung  am  Scheitel  der  Wölbung,  die  durch  eine  gewölbte  Bronzeplatte 
(clipeus)  verschliessbar  ist.     Da    diess   dem  beschriebenen  Rundgebäude   entspricht 

»Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  38.  Macrob.  Sat.  m.  17.  (lan.)  (II.  O.)  Dio  Cass.  LIII.  27.  LXVI.  24. 
^Plin.  H.  N.  XXXVI.  15,  24,  102.  cf.  Cod.  Bamb.  Plin.  ed.  Sillig.  Vol.  V.  p.  452.  3  LIII.  27.  <  Becker, 
n.  d.  r.  A.  Bd.  I.  S.  635.  5  Dio  Cass.  1.  c.  Ammian.  Marc.  XVI.  10.  6  C.  Fea,  Integritä  del  Panteon 
di  M.  Agrippa.  Roma  1807.  —  id.,  Conclusione  per  l'integritä  del  Panteon.  Roma  1807.  L.  C.  Lettera  su  di 
alcune  attuali  controversie  giudiciarie  e  su  diverse  opinioni  intorno  al  Panteon.  Pisa  1807.  Piale  del  corpo 
rotondo  del  Panteon.    Roma  1884.  ^  vitruv.  V.   10. 

F.  Rerer,  Rom.  32 


250  Das  Marsfeld. 

wird  die  Annahme,'  dass  es  ursprünglich  zu  diesem  Zwecke  erbaut  wurde,  trotz  der 
imposanten  Grösse  des  Raumes,  den  man  sonst  für  diesen  Zweck  nicht  so  bedeutend 
nahm,  nicht  unwahrscheinhch.  Dazu  kommt  noch,  dass  nach  den  genauesten  darüber 
angestellten  Untersuchungen  der  Pronaos  nicht  zugleich  mit  der  Rotunde  erbaut, 
sondern  erst  nach  Vollendung  der  erstem  angefügt  wurde.  Diese  —  gleichwohl 
angestrittene  ^  —  Ungleichzeitigkeit  der  beiden  Theile  beweisen  die  angränzenden 
Stücke  vom  Säulengebälke  des  Pronaos,  welche  an  den  Rundbau  nur  angelehnt, 
nicht  hineingefügt  erscheinen.  Der  Pronaos  verdankt  demnach  sein  nachheriges  Ent- 
stehen wahrscheinlich  dem  erst  nach  Vollendung  des  Rundgebäudes  gefassten  Ent- 
schlüsse Agrippa's,  den  so  herrlich  gelungenen  und  für  den  Gebrauch  der  Menschen 
zu  prachtvollen  Saal  den  Göttern  zu  weihen. 

Von  der  hervorragenden  Ausstattung  dieses  Tempels  geschieht  an  mehren 
Stellen  Erwähnung.  Die  Bronzestücke  waren  von  dem  Kunstler  Diogenes  von  Athen, 
und  es  ist  anzunehmen,  dass  alle  Statuen  von  Bronze  und  vergoldet  waren.  Be- 
sonders bewundert  wurden  davon  die  Giebelgruppe  und  die  Karyatiden,  welche  etwas 
unklar  als  »auf  den  Säulen  des  Tempels«  stehend  erwähnt  werden.^  Diese  Notiz 
hat  die  mannichfaltigsten  Erklärungen  hervorgerufen,^  welche  aber  zumeist  dem 
Wortlaut  beiPlinius  »in  columnis«  nicht  entsprachen.  Auch  die  von  dem  Verfasser 
in  der  ersten  Ausgabe  dieses  Buches  ausgesprochene  Vermuthung,  dass  sie  übei- 
den  vorspringenden  Säulen  beiderseits  von  der  Hauptnische,  wie  vielleicht  auch 
beiderseits  von  der  Eingangseite  zu  denken  seien,  muss  derselbe  Angesichts  des 
Adler'schen*  Restaurationsversuches  zurücknehmen,  wonach  die  obere  Hälfte  des 
Gylinders  von  den  Nischenbogen  ähnlich  durchbrochen  gewesen,  wie  das  die  Haupt- 
und  Eingangsnische  zeigt.  Doch  lief  das  Gebälke  wie  noch  jetzt  hier  ununterbrochen 
fort,  selbst  ebenso  von  den  noch  stehenden  Säulen  getragen,  wie  es  die  jetzt  ver- 
schwundenen Karyatiden  trug,  die  auf  diese  Weise  im  vollen  Sinne  als  auf  den 
Säulen  befindlich  genannt  werden  können. 

Wahrscheinlich  wurden  diese  BogenöfTnungen  mit  den  Karyatiden  schon  nach 
dem  Brande,  welcher  unter  Titus  i.  J.  80  n.  Chr.  am  Marsfelde  wüthete  und  auch 
das  Pantheon  ergriff,^  in  der  Restauration  des  Domitian*^  (93  n.  Chr.)  beseitigt, 
wenigstens  sind  schon  die  sie  tragenden  Innensäulen,  von  welchen  vorher  die  Bronze- 
capitäle  ausdrückUch  gerühmt  werden,^  nicht  mehr  die  ursprünglichen  wie  die  Art 
der  Canellirung   der  Schäfte  die  Marmorcapitäle    und  endlich  das  kostbare  Material 

1  A.  Hirt,    Osservazioni  istorico-architettoniche  sopra  il  Panteon.  2  pijn.    jj.  n.  XXXVI,  5,  4,  38. 

'Eine  Zusammenstellung  der  älteren  Erklärungen  findet  sich  bei  Canina,  Arch.  Rom.  III.  tab.  XL VII.    H.  Brunn, 
Geschichte  der   griech.  Künstler,  Stuttg.  iSSa.  Bd.  I.  S.  548.  ^  F.  Adler.     Das  Pantheon   zu  Rom.     Pro- 

gramm zum  Winkelmannsfest  der  archäologischen  Gesellschaft  zu  Berlin.     Berlin  1871.  ^  pio  Cass.  LXVI. 

24.        ecassiod.  Chron.  —  Catal.  Imp.  Vienn.  (Rone.  II.  col.  197  &  243).       ^  P\m.  H.  N.  1.  c. 


Das  Pantheon,  251 

zeigen.  Wahrscheinlich  gehört  auch  die  Erneuerung  der  schönen  Bronzethüre  in 
diese  Zeit.  Welchen  Schaden  dann  der  Blitzstrahl  angerichtet,  der  1 1 0  unter  Trajan 
das  Gebäude  traf^  ist  nicht  anzugeben,  doch  musste  er  so  beträchtlich  sein,  dass 
die  Wiederherstellung  durch  Hadrian,^  welcher  in  der  Rotunda  mit  Vorliebe  zu 
Gericht  sass,^  der  Erwähnung  werth  war.  Fast  100  Jahre  nachher  (2021)  unternahm, 
wie  aus  der  obenangeführten  Inschrift  am  Pronaos  hervorgeht,  Septimius  Severus 
eine  dritte  Restauration,  welcher  wohl  die  Ausführung  des  obern  Theiles  des  Cy- 
linders  innen  zuzuschreiben  ist,  wie  sie  sich  bis  zur  Spoliation  von  1747  erhalten  hat,  ^ 
angehörte.  Denn  die  keineswegs  mehr  höheren  künstlerischen  Anforderungen  ent- 
sprechende Incrustation  mit  fast  ausschhessender  Farbenwirkung,  bei  welcher  nur 
Basen  und  Capitäle  der  Pilaster  im  Basrelief  über  der  Wandfläche  vertreten,  kann 
weder  der  domitianischen  noch  der  hadrianischen  Zeit  zugemuthet  werden. 

Im  J.  399  ward  auch  dieser  Tempel  wie  die  übrigen  durch  einen  Erlass  des 
Kaisers  Honorius  geschlossen  ^  und  verblieb  es,  bis  Papst  Bonifacius  IV.  vom  Kaisei- 
Phokas  die  Erlaubniss  zur  Umwandlung  desselben  in  eine  Kirche  erlangte  und  ihn 
im  J.  608  mit  Beziehung  auf  die  frühere  Bestimmung  des  Tempels  allen  Heiligen 
und  zwar  zunächst  der  h.  Maria  mit  Märtyrern  (S.Maria  ad  Marty  res)  weihte.  <>  Den- 
noch wagte  es  später  der  byzantinische  Kaiser  Constans  II.  (Anastasius  nennt  ihn 
irrig  Constantin),  die  vergoldeten  Bronzeziegel  der  Kuppel  abzunehmen  und  mit  sich 
fortzuführen,"  freilich  ohne  den  Raub  benutzen  zu  können,  denn  die  Beute  fiel,  wie 
bei  der  Beschreibung  des  Traianforum  erzählt  worden  ist,  zu  Syracus,  wo  der  aus- 
schweifende Kaiser  im  Bade  getödtet  worden  war,  in  die  Hände  der  Saracenen. 
Das  entblösste  Dach  liess  Gregor  III.  in  der  Mitte  des  8.  Jahrhunderts  leicht  bedecken; 
die  noch  jetzt  vorhandene  Bleibedachung  aber  stammt  von  Papst  Martin  V.^  und 
seinen  Nachfolgern  Eugen  IV.''  und  Nicolaus  V.,  mithin  aus  der  ersten  Hälfte  des 
1 5.  Jahrhunderts,  wie  man  noch  aus  der  bezüglichen  Inschrift  unter  der  Kuppel  auf 
der  Südseite  ersieht.  Eugen  IV.  schaffte  die  elenden  Hütten  und  Buden,  welche 
den  Pronaos  eingenommen  hatten,  hinweg,  legte  die  Säulen  sammt  ihren  Basen 
bloss  und  deckte  auch  noch  einen  Theil  des  Travertinpflasters  vor  dem  Pronaos  auf. 
Obwohl  man  jedoch  schon  bei  diesen  Nachgrabungen  auf  die  schöne  Porphyrurne,  die 
jetzt  das  Grabmal  des  Papstes  Clemens  XII.  in  der  Kapelle  Corsini  von  S.  Giovanni 
in  Laterano  schmückt  und  welche  mit  Unrecht   für  den  Sarkophag   des  bekanntlich 


1  Oros.  VI.  42.     Hieronym.  Chron.  (Rone.  I.  col.  450.)  2  Script.    Hist.  Aug.    (Spartian.)    Hadr.  19. 

3  Dio  Cass.  LXIX.  7.  *  vgl.  F.  Adlers'  obengenannte  Abhandlung.  »  Cod.  Theodos.  üb.  XVI.  tit.  X. 

1.  XVIII.  6  Anastas.  Bibliothec.  Vit.  Pont.  Par.  1659.  p.  52.  ^  Paul  Diac.  V.  11.  13.  loann.  Diac.  Chron. 
Episc.  Neap.  Eccles.  c.  33.  (Muratori,  R.  I.  S.  Toni.  I.  P.  II.  1725.  p.  304.)  Epit.  Chron.  Cassin.  (Muratori, 
T.  II.  P.  I.  p.  355.)  8  Vit.  Martini  V.  (Murat.  Rer.  Ital.  Script.  Tom.  III.  P.  II.  »  Fl.  Blondi.  Roma  in- 
staurata.  Yen.  1503.  L.  III.  §.  LXV. 

32* 


252  f*2is  Marsfeld. 

im  Mausoleum  des  Augustus  beigesetzten  Agrippa  gehalten  ward/  gestossen  war, 
so  wurde  doch  die  Ausgrabung  sammt  diesem  und  einigen  anderen  Funden  wieder 
verschüttet,  bis  Clemens  VII.  im  J.  1525  den  Schutt  neuerdings  beseitigte.  Ein 
menschliches  Haupt,  Fragmente  eines  Pferdes  und  eines  Rades  von  Bronze,  die  man 
hier  fand  und  welche  vermuthlich  zu  den  Akroterien  oder  zu  den  Sculpturen  des 
Giebelfeldes  gehörten,  wurden  wahrscheinlich  eingeschmolzen.^  Papst  Paulus  V. 
säuberte  den  Pronaos  wieder  von  den  sich  abermals  in  demselben  ausbreitenden 
Victualienbuden  (1 61 1),  worauf  Urban  VIII.  die  gestürzte  nordöstliche  Ecksäule  wieder 
aufstellte,  welcher  schon  seit  langer  Zeit  das  Capital  gefehlt  hatte :  an  dem  ergänzten 
Capital  erblickt  man  daher  in  der  Abakusblume  die  barberinische  Wappenbiene. 
Anderseits  Hess  aber  dieser  Papst  im  J.  i  632  die  prismenförmigen,  aus  drei  starken 
Plattenstreifen  zusammengefügten  Bronzebalken  aus  dem  Dache  des  Pronaos  herab- 
nehmen, einschmelzen  und  daraus  die  spiralförmig  gewundenen  Säulen  des  Baldachins 
über  der  Confession  von  S.  Peter  und  die  Kanonen  von  Castel  S.  Angelo  giessen ;  "^ 
die  Gesammtmasse  der  hier  erbeuteten  Bronze  soll  sich  auf  450,000  römische  Pfund 
belaufen  haben.  Die  Inschrift,  welche  diese  Plünderung  durch  Urban  VIII.,  der  die 
Dachbalken  durch  hölzerne  ersetzte,  der  Nachwelt  überhefert,  befindet  sich  im  Pro- 
naos zur  Rechten  vom  Portale.  Alexander  VII.  setzte  im  J.  1662  die  Restauration 
an  der  Ostseite  der  Porticus  fort  und  stellte  dort,  um  die  noch  fehlenden  zu  er- 
gänzen, die  zwei  Säulen  von  röthlichem  Granit  auf,  die  man  auf  Piazza  di  S.  Luigi 
de'  Francesi  gefunden  hatte,  an  deren  Capitälen  er  auch  wie  Urban  VIII.  sein  Wap- 
penzeichen (Stern)  anbringen  Hess.  Zugleich  wurden  einige  Häuser  an  der  Ostseite 
des  Pronaos  abgebrochen  und  das  Travertingetäfel  des  antiken  Platzes  an  der  Ost- 
seite aufgedeckt. 4  Ueberdiess  Hess  er  den  alten  Glockenthurm ,  der  seit  1270  auf 
der  Mitte  des  Pronaos  stand,  abbrechen  und  nicht  minder  geschmacklos  zwei  neue 
an  den  beiden  Seiten  desselben  errichten.  Clemens  XI.  legte  den  Platz  gegen  das 
Pantheon  niedriger,  verschönerte  den  Brunnen  und  errichtete  darauf  den  Obe- 
lisken, von  dem  später  die  Rede  sein  wird.  Weniger  dankenswerth  war  es,  dass 
Benedict  XIV.  statt  sich  mit  der  Reinigung  des  Marmorgetäfels  zu  begnügen,  i.  J. 
1747,  die  obere  Abtheilung  im  Innern  ihrer  Marmorbekleidung  berauben  und  dafür 
mit  Stuccatur  versehen  Hess.  Pius  VII.  restaurirte  die  Bleibedachung  und  deckte 
an  der  Westseite  den  antiken  Boden  wieder  auf:  der  Abbruch  eines  in  Folge  Ueber- 
schwemmung  halb  eingestürzten  Hauses  gab  durch  einen  sonderbaren  Process  vor 


iDio  Cass.  LIV.  28.  2  piaminio  Vacca,  Memorie  &c.  1594.  n«  35.  (C.  Fea,  Miscellanea  &c.  R.  4790. 
p.  LXX.)  3  c.  Fea,  Diritti  del  Principato  sugli  antichi  edifizj  publici.  R.  -1806.  p.  -104.  ■»  p.  s.  Bartoli, 
Memorie  di  varie  escavazioni  fatte  in  Roma  e  nei  luoghi  suburbani  n".  -HS.  (C.  Fea,  Miscellan.  &c.  p.  CCLIV.) 
Fl.  Vacca,  Mem.  n».  29.     (C.  Fea,  Mise.  p.  LXVIII.) 


Die  Thermen  des  Agrippa.  253 

einem  besonders  hiezu  ernannten  Gericht  Veranlassung  zu  mehren  Druckschriften  über 
das  Pantheon.  In  den  letzten  Jahrzehnten  geschahen  neue  Arbeiten  zur  Freistellung 
des  Gebäudes  und  zur  Blosslegung  des  antiken  Bodens  namentlich  an  der  Ostseite, 
die  jedoch  nicht  so  interessante  Ergebnisse  lieferten ,  als  sie  dem  Gebäude  selbst  nach- 
theilig werden  müssen.  Denn  in  der  Vertiefung  der  Ausgrabung  sickert  die  Feuchtig- 
keit zusammen  und  bei  anhaltendem  Regen  oder  hohem  Wasserstande  füllt  sich  diese 
sogar  ganz  mit  Wasser,  was  dem  ohnediess  tiefliegenden  und  häufig  durch  Ueber- 
schwemmung  heimgesuchten  Gebäude  höchst  nachtheilig  sein  muss. 

Der  Tempel  galt  von  jeher  als  eine  der  bedeutendsten  Kirchen  Roms.  So  war 
er  besonders  das  Lieblingsgebäude  der  Künstler  und  Gelehrten  Italiens,  deren  Grab- 
mäler  er  in  grosser  Anzahl  in  seinen  Schooss  aufgenommen  hatte.  Unter  den  noch 
vorhandenen  Epitaphien  sind  die  beiden  des  Raphael  und  des  Ann.  Caracci  in  der 
linken  Seitennische  der  Madonna  besonders  bemerkenswerth. 

39.     Die  Thermen  des  Agrippa. 

Wie  schon  erwähnt,  hing  das  Pantheon  an  der  Rückseite  mit  den  Thermen  des 
Agrippa  zusammen,  von  denen  freilich  nur  mehr  wenige  Reste  übrig  sind.  Dessbalb  wird 
es  zweckmässiger  sein,  die  Erklärung  der  Einrichtung  solcher  grossartiger  Bäder,  wie 
sie  prachtliebende  Kaiser  später  wiederholt  dem  Volke  erbauten ,  für  die  Beschreibung 
von  vollkommener  erhaltenen  Thermen ,  besonders  der  antoninischen,  zu  versparen.  Es 
ist  auch  nicht  möglich,  den  Grundplan  der  agrippinischen  auch  nur  in  der  Hauptsache 
herzustellen,  denn  die  Reste  derselben  erheben  sich  nur  selten  über  den  modernen  Boden 
und  nur  an  einer  Stelle  über  die  dicht  hineingebauten  Häuser  des  modernen  Stadtviertels. 
Man  gelangt  hiezu,  wenn  man  rechts  neben  dem  Pantheon  die  Via  della  Rotonda  entlang 
an  der  Via  della  Palombella ;  in  deren  nördlicher  Häuserreihe  sich  noch  zahlreiche  Mauer- 
reste, die  den  Pantheonsmauern  analog  sind,  finden,  und  an  der  Via  di  S.  Chiara  vorbei- 
geht, und  dann  endlich  in  die  Via  dell'  Arco  della  Ciambella  hineinbeugt.  Hier  sieht  man 
über  die  nördliche  Häuserreihe  noch  die  Reste  eines  grossen  ebenfalls  kuppeiförmig  ge- 
wölbten Rundbaues  von  massiger  Dimension  (etwa  25  Met.  Durchmesser)  hervorragen 
und  am  östlichen  Ende  auf  beiden  Seiten  der  Strasse  noch  zwei  Pfeiler  eines  kleineren 
Gemaches.  Das  Backsteingemäuer  ist  gut  gefügt,  doch  nicht  aus  Augustus  Zeit,  vielmehr 
insbesondere  in  den  oberen  Theilen  dem  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  entsprechend.  Die  Ruine 
gehört  demnach  wahrscheinlich  einer  späteren  Restauration  an :  unrichtig  aber  wäre  es, 
sie  desshalb  den  Thermen  des  Alexander  Severus  zuzuschreiben,  welche  zwar  allerdings 
an  die  des  Agrippa  stiessen,  aber  vielmehr  westlich  gegen  S.  Luigi  de'  Francesi  und 
Piazza  Madama  hin  gesucht  werden  müssen.  Denn  noch  im  9.  Jahrhundert  werden  diese 


^54  D^s  Marsfeld. 

zwischen  Piazza  Navona  und  dem  Pantheon  genannt J  Die  alexandrinischen  waren 
überdiess  wenigstens  theilweise  identisch  mit  den  neronischen,  denn  es  wird  ausdrücklich 
berichtet,  dass  im  Consulate  des  Albinus  und  Maximus  (227  n.  Chr.)  unter  Alexander  Se- 
verus  aus  Hass  gegen  das  Andenken  des  Nero  der  Name  dieser  Bäder  umgewandelt  wor- 
den sei,^  zu  welcher  Aenderung  wohl  auch  die  Restauration  des  nahen  (domitianischen) 
Stadium  wie  der  neronischen  Thermen  selbst,  die  überdiess  erweitert  worden  zusein 
scheinen, 3  einen  geeigneten  Anlass  gab.  Mit  dem  Namen  der  alexandrinischen  Thermen 
verschwindet  auch  der  Name  der  neronischen ,  während  die  alexandrinischen  und  agrip- 
pinischen  nebeneinander  noch  von  der  Notitia  in  der  9.  Region  erwähnt  werden,  so  dass 
auf  keinen  Fall  an  eine  Verschmelzung  dieser  beiden  gedacht  werden  kann.  Topogra- 
phische Anhaltspunkte  für  die  Bestimmung  der  Ruinen  als  Thermen  des  Agrippa  hinter 
dem  Pantheon  bieten  ausser  dem  letzteren  nur  die  Aufzählung  der  Notitia  und  noch  ge- 
nauer die  Richtung  der  Aqua  Virgo ,  welche  dieselben  speiste ;  sonst  wird  von  ihrer  Lage 
nirgends  etwas  erwähnt. 

Die  Thermen  des  Agrippa  waren  die  ersten  Roms  und  wurden  im  J.  729  d.  St. 
(25  V.  Chr.)  wie  schon  berichtet  zugleich  mit^  der  Rotunde  des  Pantheon  erbaut.  Für 
diese  Bäder  hauptsächlich  hatte  Agrippa  kurz  vorher  (727  d.  St.)  die  »Aqua  Virgo«  in 
die  Stadt  geführt ,  von  welcher  später  bei  der  Beschreibung  des  noch  übrigen  Strassen- 
übergangs  in  der  Via  del  Nazareno  die  Rede  sein  wird.  Das  Wasser  war  das  frischeste 
unter  den  sämmtUchen  Leitungen  der  Kaiserzeit,*  und  wahrscheinhch  desswegen,  da  sich 
diese  Frische  für  kalte  Bäder  vorzüglich  eignete,  waren  auch  die  Thermen  des  Agrippa 
nebst  denen  des  Nero  vor  allen  anderen  bevorzugt.^  Agrippa  hatte  sie  mit  grossem 
Aufwände  erbaut  und  dem  Volke  unentgeltlich  zum  Gebrauche  überlassen,  ja  sogar  sie 
sammt  seinen  Gärten  testamentarisch  dem  Volke  vermacht,^  und  schon  dieser  edle  Act 
der  Volksliebe  musste  für  die  im  Gegensatze  zu  den  späteren  Werken  der  Art  ohne  Ab- 
ijabendruck  erbauten  Bäder  eine  besondere  Vorliebe  erwecken.  Zudem  waren  sie  mit 
Marmor-  und  Bronzebildern,  mit  Gemälden  griechischer  Kunst,  mit  enkaustischen  De- 
corationsmalereien und  mit  Stuccaturen  reich  geschmückt,"^  worunter  sich  Meisterwerke 
befanden,  wie  der  berühmte  Apoxyomenes  des  Lysippos,^  von  welchem  wir  wahrschein- 
lich in  dem  Apoxyomenes  des  Vatican  eine  Copie  besitzen. 

Im  Jahre  80  n.  Chr.  Htten  die  Thermen  durch  den  grossen  Brand  ^  und  wurden 
von  Domitian  wiederhergestellt,    vielleicht   nicht   vollständig,    da   auch  Restaurations- 


*  Anonym.  Einsiedl.  ed.  Haenel.  Arch.  f.  Philol.  u.  Paed.  Leipz.  1837.  Suppl.  V.  S.  133.  134.  cf.  Chron. 
Farfens.  (Muratori,  Rer.  It.  Script,  tom.  II.  p.  505.  Anm.  8.)  *  Cassiod.  Chron.  (Rone.  tom.  II.  col.  194  &  209.) 
^  Script.  H.  A.  (Lamprid.)  Alex.  25.  cf.  Hieron.  (Rone.  I.  col.  473.)  Catal.  Imp.  Vienn.  II.  col.  245.  *  Ovid.  Ars 
am.  III.  V.  365.  Martial.  VI.  ep.  42.  VII.  ep.  32.  »  Plin.  H.  N.  XXXI.  3,  25,  42.  Senec.  ep.  LXXXIIl.  Martial. 
XIV.    ep.  161.       Stat.  Sylv.    I.  5.    v.  25.  "  Dio  Cass.  LIV.  29.  '  Plin.   H.  N.  XXXV.  4,  9,  26.    XXXVI. 

25,  64,  189.        *  id.  XXXIV.  8,  19,  62.         "  Dio  Cass.  LXVI.  24. 


Der  Obelisk  auf  Piazza  della  Minerva.  2oo 

arbeiten  unter  Hadrian  erwähnt  werden.^  Dass  auch  ein  Kaiser  der  ersten  Hälfte  des 
dritten  Jahrhunderts  an  Agrippa's  Thermen  baute,  zeigt  die  Structur  der  genannten  Reste 
in  der  Yia  dell'  Arco  della  Ciambella.  Die  Anlage  überdauerte  die  Barbarenstürme  vom 
Anfang  bis  zur  Mitte  des  5.  Jahrhunderts,  denn  noch  am  Ende  desselben  in  der  Zeit 
des  Theodorich  scheinen  diese  Thermen  im  Gange  gewesen  zu  sein.^  Merkwürdig  ist, 
dass  sie  im  9.  Jahrhundert  von  dem  schon  mehrmals  erwähnten  Mönche  ^  wiederholt  falsch 
benannt  werden ,  nemlich  Thermae  Commodianae ,  die  doch  nach  der  Notitia  sich  in  der 
ersten  Region  (Porta  Capena)  befanden,  während  sich  im  13.  Jahrhundert  wieder  der 
richtige  Name  findet.*  Der  Anonymus,  der  es  überhaupt  mit  seinen  Namen  nicht  immer 
sehr  genau  nahm ,  scheint  durch  eine  Restaurationsinschrift  oder  durch  eine  andere  In- 
schrift mit  dem  Namen  Commodus  irregeführt  worden  zu  sein.  Im  1 4.  und  1  5.  Jahr- 
hundert muss  der  gänzliche  Verfall  der  seit  Langem  aus  dem  Gebrauch  gekommenen 
Anlage  erfolgt  sein,  welche  dem  neuen  Rom  Platz  machen  musste,  doch  werden 
noch  im  16.  Jahrhundert  die  Ruinen,  »welche  an  der  Stelle  zu  sehen  sind,  die  Ciambella 
genannt  wird«,  richtig  als  Reste  der  Agrippathermen  bezeichnet.^  Den  Namen  Ciambella 
hatte  jedoch  der  Platz  kurz  vorher  dadurch  erhaften ,  dass  bei  Nachgrabungen ,  die  der 
Cardinal  della  Valle  in  der  Absicht ,  verborgene  Schätze  zu  finden ,  hier  veranstaltet 
hatte,  eine  (Bürger-?)  Krone  aus  vergoldeter  Bronze  gefunden  worden  war,  welche 
mit  einer  Ciambella  (Art  von  Bretzel)  grosse  Aehnlichkeit  hatte,  wonach  bald  ein  Wirth 
auf  den  Einfall  kam ,  sich  einer  solchen  Ciambella  (ob  der  gefundenen  Krone  selbst ,  ist 
unklar)  als  Aushängeschild  zu  bedienen ,  woraus  der  Strasse  wie  der  Ruine  der  er- 
wähnte Name  erwuchs. 


40.   Der  Obelisk  auf  Piazza  della  Minerva. 

Hat  man  in  Betrachtung  der  Thermenruine  die  Via  dell'  Arco  della  Ciambella 
durchschritten ,  so  gelangt  man  an  deren  östlichem  Ende  in  die  Via  de'  Cestari ,  welche, 
nachdem  man  sie  eine  kurze  Strecke  in  nordöstlicher  Richtung  (gegen  das  Pantheon  hin) 
verfolgt,  auf  einen  Platz,  Piazza  della  Minerva,  mündet.  Hier  befindet  sich  ein  nur 
5,10  Met.  hoher  Obelisk  von  blassrothem  Granit.  Die  Königsringe  sind  auf  drei  Seiten 
herausgemeisselt  und  nur  auf  der  Nordseite  ist  noch  der  Name  des  Hophre  oder  Apries 
zu  erkennen,    eines  Zeitgenossen    des  Tarquinius  Priscus  und  Servius  Tullius.    Dieser 


'  Script.  H.  A.  (Spartian.)  Hadr.  19.  *  Sidon.  Apollinar.  Carm.  ad  Consent,  v.  460.  'Vgl.  S.  254. 
.\nm.  1.  *  Lib.  de  Mirabilibus  Romae.  (Montfaucon ,  Diar.  Itai.  p.  286.)  Mart.  Polon.  Chron.  Cod.  lat.  Mon. 
4773.  fol.  58.  'Albertini,  opusculum  de  Mirabilibus  nove  et  veleris  Urbis  Rome.  R.  <5<5.  foi.  20.  *  Fla- 
minio  Vacca,  Memorie.    n*.  53.     (C.  Fea,  Miscellan.  p.  L.XXVI.) 


256  f>as  Äfarsfeld. 

Obelisk  wurde  unter  Alexander  VII.  im  J.  16()5  zwischen  der  Kirche  S.  Maria  sopra  Mi- 
nerva und  S.  Ignazio  gefunden,  welcher  Fundort  zeigt,  dass  dieser  wie  auch  der  sogleich 
zu  beschreibende  Obelisk  auf  der  Piazza  della  Rotonda  zu  dem  Heiligthum  der  Isis  ge- 
hörte, das  südöstlich  vom  Pantheon  bei  wiederholten  Nachgrabungen  deutliche  Spuren 
gezeigt  und  von  dem  man  in  derselben  Gegend  Einiges  gefunden,  was  unbezweifelt  dem 
Isi^eiligthume  angehörte,  wie  ein  Altarfragment  mit  der  Inschrift  ISIDI  SACR  (capitolin. 
Museum),  ein  anderes  mit  ägyptischen  Reliefs,  die  berühmte  Nilgruppe  des  vatican.  Mu- 
seum, die  beiden  ägyptischen  Löwen  (jetzt  am  Fusse  der  Capitolstreppe)  und  eine  Statue 
der  Isis  (Saal  des  sog.  sterbenden  Fechters  im  capitolin.  Museum).''  Im  Jahre  1853  fand 
man  überdiess  hinter  der  Tribüne  von  S.  Maria  sopra  Minerva  ägyptische  Sculpturen, 
ein  sehr  schönes  ägyptisches  Capital  und  Marmorstufen, ^  wonach  das  Iseum,  welches 
mit  dem  Serapeum  (wahrscheinlich  als  Doppeltempel)  auch  ausdrücklich  in  der  9.  Region 
und  ungefähr  in  dieser  Gegend  erwähnt  wird,^  am  wahrscheinlichsten  hinter  der  ge- 
nannten Kirche  und  von  der  Via  del  pie  di  marmo  durchschnitten  anzunehmen  ist. 

An  den  Platz  selbst  aber  gränzte  das  ägyptische  Doppelheihgthum  nicht.  An  der 
Stelle  von  S.  Maria  sopra  Minerva  stand  vielmehr,  wie  diess  auch  schon  der  Name  dieser 
Kirche  besagt ,  ein  Tempel  der  Minerva ,  welcher  allerdings  denen ,  welche  den  Agrippa- 
thermen  nach  Art  der  späteren  Kaiserthermen  eine  grosse  Breitenausdehnung  geben, 
etwas  unbequem  scheint.  Doch  ist  die  Existenz  dieses  Tempels  hier  schon  darum  nicht 
hinwegzuleugnen,  weil  nicht  bloss  die  Notitia*  den  Tempel  der  Minerva  Chalcidica,  wel- 
chen Domitian  zugleich  mit  der  Herstellung  des  Iseum  und  Serapeum  nach  dem  Brande 
unter  Titus^  erbaute,^  an  dieser  Stelle  nennt,  sondern  weil  auch  noch  im  12.  Jahrhundert 
der  Tempel  der  Minerva  Chalcidica  »neben  dem  Pantheon«  befindUch  genannt  wird.' 
Auch  war  es  w^ahrscheinlich  hier,  und  nicht ,  wie  seit  Ficoroni  ^  ohne  allen  Grund  be- 
hauptet ward,  bei  den  sog.  Galluzze,  wo  die  berühmte  Minerva  Giustiniani  (jetzt  im 
Braccio  nuovo  des  vaticanischen  Museum)  gefunden  ward.^  Bauliche  Reste  des  Tempels 
sind  jedoch  nicht  übrig,  auch  können  die  Pfeilerreste,  welche  sich  in  den  Grundmauern 
des  an  die  Kirche  rechts  angebauten  Hauses  zwischen  der  Via  della  Minerva  und  der  Via 
del  pie  di  marmo  befanden,  damit  nicht  in  Verbindung  gebracht  werden. 

Nach  der  Auffindung  des  Obelisken  beauftragte  Papst  Alexander  VII.  den 
Bernini    mit   der  Aufstellung  desselben   in  Mitte    des  genannten  Platzes.     Der  geniale 


*  Fl.  Vacca,  Mem.  26.  27.  (1594.)  Aldroandi,  Mem.  n".  8.  (1556.)  P.  S.  Bartoli,  Mem.  n".  1i2.  Fi- 
coroni, Notizie.  n".  M.  (1719.)  (C.  Fea,  Mise.  p.  LXVl.  CCVIII.  CCLIV.  CXXV.)  *  L.  Canina,  Tempio  d'Iside 
nella  regione  IX.  fra  i  septi  e  le  terme  di  Agrippa.  Ann.  d.  I.  d.  G.  a.  Vol.  XXIV.  1852.  p.  348  —  353.  ^  Curios. 
ürb.  Rom.  Reg.  IX.  luvenal.  VI.  v.  528.  Fl.  loseph.  de  bell.  lud.  VII.  5,  4.  *  Curios.  Urb.  Rom.  Reg.  IX. 
*  Dio  Cass.  LXVL  24.  «  Catal.  Imp.  Vienn.  tom.  IL  p.  243.  Rone.  ^  Lib.  de  Mirabilibus  Romae.  (Montfaucon,  Diar. 
Ital.  p.  292.)  cf.  Anonym.  Einsiedl.  (Arch.  f.  Philol.  u.  Paed.  Suppl.-Bd.  V.  S.  133  &  134.  Minerviam  ubi  Sea  Maria.) 
"  Le  vestigia  e  rarita  di  Roma  antica.  R.  1744.  p.  HO.       "  P.  S.  Bartoli,  Mcmorie.  n».  H2.   (C.  Fea,  Mise.  p.  CCLIV.) 


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Der  Obelisk  auf  Piazza  della  Rotonda.   —    Angeblicher  Tempel  des  Neptun.  257 

Künstler  setzte  ihn  mit  Bezug  auf  den  Beinamen,  den  er  sich  selbst  auf  einer  Reise  nach 
Frankreich  wegen  des  grossen  Zulaufes  von  Bewunderern  scherzweise  gegeben  hatte, 
auf  den  Rücken  eines  im  Style  der  damaligen  Zeit  in  Marmor  ausgeführten  Elephanten. 


41.    Der  Obelisk  auf  Piazza  della  Rotonda. 

Von  der  Piazza  della  Minerva  gelangt  man,  den  Rest  der  Via  de'  Cestari  nord- 
wärts verfolgend ,  wieder  auf  die  Piazza  della  Rotonda.  Hier  befindet  sich ,  wie  schon 
erwähnt,  ein  anderer  Obelisk,  von  dunkelrothem  Granit,  6,6o  Met.  hoch,  dessen  Königs- 
ringe denselben  Namen  zeigen ,  wie  der  Obelisk  auf  Piazza  del  Popolo ,  nemlich  den  des 
Ramses  III.  oder  Sesostris,  wesshalb  er  auch  für  eine  Copie  desselben  gehalten  wird. 
Doch  sind  die  aus  dem  Styl  gezogenen  Schlüsse  dafür  nicht  zureichend :  auch  wäre  es 
für  die  Römer  lächerlich  gewesen,  wenn  sie  in  Aegypten  den  Granit  gebrochen  und  in 
Rom  einen  anderen  Obelisk  copirt  hätten,  während  ihnen  in  Aegypten  eine  grosse  Aus-  "jj^ 

wähl  vollendeter  zu  Gebote  stand.  Er  stand  vorher  bei  der  Kirche  S.  Macuto  (jetzt  Via 
della  Minerva),  wo  er  im  i6.  Jahrhundert  wiederholt  erwähnt  wird,^  und  gehörte  dem- 
nach ,  da  die  Gegend  von  S.  Macuto  unmittelbar  an  die  Piazza  della  Minerva  stiess ,  wohl 
zu  demselben  ägyptischen  Heiligthüme,  von  welchem  auch  der  vorher  beschriebene 
Obelisk  herrührt ,  wenn  wir  auch  nicht  genauer  unterrichtet  sind ,  wie  und  woher  er  auf 
die  kleine  Piazza  di  S.  Macuto  gekommen  ist;  doch  fand  man  ihn  wahrscheinlich  in  der 
Nähe.  Erst  Clemens  XI.  versetzte  ihn  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  auf  den  von  ihm 
errichteten  schönen  Brunnen  von  Piazza  della  Rotonda.^ 


42.    Angeblicher  Tempel  des  Neptun. 

Von  der  Piazza  della  Rotonda  führt  östlich  die  Via  dei  Pastini  zur  Piazza  di  Pietra. 
Hier  erblickt  man  an  der  südlichen  Langseile  des  Platzes  und  nur  mehr  halb  aus  der 
Fagade  eines  modernen  in  die  Ruine  hineingebauten  Gebäudes  hervorragend  elf  gewaltige 
Säulen  in  einer  ununterbrochenen  Reihe  mit  ihrem  anscheinend  wohl  erhaltenen  Gebälke, 
offenbar  zur  Langseite  eines  grossen  Tempels  gehörend.  Der  moderne  Boden  ist  hier  nur 
um  34  Met.  über  das  antike  Pflaster  erhöht :  so  hoch  war  auch  die  Substruction  des  Tem- 
pels bis  zu  den  abgestuften  Basamenten  der  Säulen.  Diese  selbst  sind  korinthischer  Ord- 
nung, canellirt  und  von  Marmor;  die  Basamente  messen  1,2o,  die  Basen  mit  Plinth  0,8o, 


*  U.  Aldroandi,  Memorie.  (1556.)  n.  37.     Fl.  Vacca,  Mem.  (1594.)  n".  91.     (Fea,  Mise.  p.  CCXXI  &  XCII. 

Andr.  Fulvii  Antiquitates  Urbis.  *537.  fol.  LXXI.         *  Cassio,  Corso  delle  acque  ant.    R.  1756.   Tom.  1.  n".  32. 
§  10.    p.  301. 

¥.  Kebbr,  die  Kuinen  Bonig.  33 


''^^ 


258 


Das  Marsfeld. 


die  Schäfte,  deren  Durchmesser  unten  1,44,  oben  1,24  Met.  beträgt,  12,3o,  die  Capitäle 
1,80  Met.  in  der  Höhe.  Von  dem  Marmorgebälke  ist  der  Architrav,  der  nur  in  zwei 
Streifen  gestuft  und  mit  vielen  Leisten  geschmückt  ist,  1  Met.,  der  geschwellte  Fries  0,76 
und  der  aus  zehn  zum  Theil  reich  verzierten  Leisten  bestehende  Carnies  0,95  Met.  hoch. 
Die  Ornamentik  des  Gebälkes  ist  zwar  von  sehr  reicher  und  feiner  Arbeit,  doch  bietet  das 
Ganze,  namentlich  durch  die  Schwellung  des  Frieses  und  durch  eine  gewisse  Geschmack- 
losigkeit in  der  Ausladung  einen  schweren  und  ausdruckslosen  Anblick  dar,  welcher  uns 
nicht  daran  denken  lässt,  die  Ruine  in  die  beste  Bauperiode  zu  versetzen.  Ebenso  er- 
lauben die  Ansätze  eines  cassetirten  Tonnengewölbes,  welche  sich  noch  auf  dem  ent- 
sprechenden Stucke  der  Cellawand,  das  ebenfalls  erhalten  und  im  modernen  Gebäude 
benutzt  ist  und  von  welchem  man  namentlich  im  Hofe  der  Dogana  den  fast  felsenähn- 
lichen Bruch  aus  den  übertünchten  Wänden  herausragen  sieht,  kaum,  den  Tempel  in  eine 
frühe  Bauperiode  zu  versetzen. 

Zu  welchem  Tempel  jedoch  diese  Säulenreihe  gehörte,  ist  unbekannt.  Die  älteren 
Topographen  hielten  ihn  für  den  Tempel  des  M.  Aurelius  Antoninus,  doch  dieser  wird 
neben  dessen  Säule  angegeben  ^  und  unser  Tempel  ist  von  der  Säule  sehr  beträchtlich 
entfernt,  mit  den  entsprechenden  Seitenlinien  des  Piedestals  derselben  nicht  parallel  und 
auch  in  Bezug  auf  seine  Lage  in  einer  für  zusammengehörige  Bauten  ganz  unpassenden 
Stellung.    Wahrscheinlicher,  doch  keineswegs  gesichert  ist  die  von  den  neueren  italieni- 
schen Architekten  und  Topographen  ^  ausgesprochene  Annahme,  dass  die  Säulen  zu  dem 
von  Agrippa  im  J.  728  d.  St.  (26  v.  Chr.)  erbauten  Poseidonium^  gehören,  welches  neben 
den  Thermen  und  dem  Pantheon  des  Agrippa,  den  Heiligthümern  der  Isis  und  des  Serapis 
und  den  Septa  Julia  genannt  wird,''  wogegen  allerdings  eingewendet  werden  kann,  dass 
der  Styl  auf  keinen  Fall  dieser  Zeit  entspreche,  welche  Einrede  jedoch  durch  den  Um- 
stand paralysirt  werden  könnte,  dass  jenes  Poseidonium  unter  den  im  J.  80  n.  Chr.  vom 
Brande  ergriflenen  Gebäuden  war,  und  dass  man  bei  seinem  Wiederaufbau,  wenn  der 
Brandschaden  bedeutend  war,  nach  dem  Geschmacke  der  Zeit  sich  Aenderungen  er- 
laubte.   Allein  die  Ruine  selbst   scheint  es    unzweifelhaft  zu  machen,  dass  sie    einem 
Tempel  angehörte,  wofiir  sie  auch  immer  gehalten  wurde,  wobei  indess  nur  zu  bemerken 
ist,  dass  die  Risse,  welche  der  grosse  Palladio^  davon  lieferte,  nicht  so  hinzunehmen 
sind,  als  habe  dieser  nur  nach  den  vorliegenden  Resten  gezeichnet,  die  zu  seiner  Zeit 
noch  weit  umfangreicher  gewesen  wären,  als  jetzt.    Man  muss  sich  überhaupt  mehr  als 
geschehen  ist ,  davor  hüten ,  die  Aufnahmen  der  itahenischen  Architekten ,  welche  nur 
zu  oft  ihrer  künstlerischen  Phantasie  die  Zügel  schiessen  Hessen,  ohne  das  Vorhandene 


*  Curios.  Urb.  Rom.  Reg.  IX.  *  Nibby,  Roma  neJl'  anno  <838.  Part.  II.  ant.  p.  681.  Canina,  Gli 
Edifizj  di  R.  ant.  Vol.  I  p.  311.  *  Dio  Cass.  LXVI.  24.  *  I  Quattro  Libri  dell'  Architettura  di  A.  Palladio. 
Ven.  4570.    L.  IV.    c.  XV.    fol.  55  — 6t. 


Angeblicher  Tempel  des  Neptun.  259 

und  die  Restauration  zu  unterscheiden,  antiquarischen  Studien  zu  Grunde  zu  legen. 
Palladio  nun  gestaltet  die  Ruine  mit  allen  Details  zu  einem  vollständigen  Tempel,  den  er, 
ohne  besondere  antiquarische  Kenntniss,  wie  er  war,  dem  Mars  zuschrieb.  Wenn  aber 
die  Ruine  mit  dem  Poseidonium  identisch  sein  soll ,  konnte  sie  gar  kein  Tempel  gewesen 
sein,  denn  ein  Tempel  des  Neptun  wird  im  Alterthum  hier  nicht  erwähnt  und  die 
näheren  Bezeichnungen  des  Poseidonium  schwanken  nur  zwischen  gtocc  tov  IloGsidöivoQ,^ 
basilica  Neptimi^  und  porliats  Argonautarum,^  welcher  letztere  Name  aber  in  der  Notitia 
neben  der  Basilica  des  Neptun  getrennt  erscheint ,  so  dass  es  wahrscheinlich  ist ,  man 
habe  unter  der  letzteren  Porticus  nur  die  den  Hauptbau  einschliessende  Halle  zu  ver- 
stehen. Es  bleibt  also  nach  dem  Wortlaute  der  Stellen  nichts  anderes  übrig,  als  von  dem 
imaginären  Tempel  abzustehen  und  das  Poseidonium  als  eine  Basilica  zu  betrachten, 
wozu  die  zwischen  aroa  und  basilica  abwechselnden  Bezeichnungen  unbedingt  uöthigen. 
Es  ist  nun  allerdings  möglich,  dass  jenes  Poseidonium  in  vollständiger  Tempelform  gebaut 
wurde,  denn  in  der  ersten  Kaiserzeit  war  die  Basilikenform  noch  keineswegs  so  aus- 
geprägt, wie  wir  sie  in  der  frühchristlichen  Zeit  finden,  und  Vitruv  selbst  zeigt  grosse 
Freiheit  in  der  Disposition,*  aber  die  Wahrscheinlichkeit,  in  der  noch  vorhandenen  Tempel- 
langseite einen  Ueberrest  einer  Basilica  überhaupt  und  der  Basilica  Neptuni  insbesondere 
zu  finden,  kann  doch  nur  eine  schwache  sein. 

Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  Vermuthung  von  Urlichs, ^  nach  welcher  die  Ruine 
ein  Ueberrest  eines  Tempels  der  Marciana,  Schwester  des  Traian,  sein  soll.  Die  einzige 
Erwähnung  eines  Gebäudes  nun ,  das  den  Namen  der  Marciana  trug ,  findet  sich  in  der 
Notitia,^  und  hier  ist  es  mit  der  Basilica  Neptuni  et  Matidies  als  »basilica«  Marciani 
zusammengestellt.  Marciani  mag  einer  der  vielen  Schreibfehler  sein  und  statt  Marcianae 
stellen,  ob  aber  statt  basilica  )i templunm  substituirt  werden  dürfe,  ist  sehr  fraglich,  wenn 
auch  die  auf  einer  beim  Pantheon  gefundenen  Bleiröhre  (angeblich)  befindliche  Inschrift 
TEMPLO  MATIDIAE  "^  dicss  für  die  eine  der  drei  genannten  Basiliken  zulässig  zu  machen 
scheint,  was  anderseits  bei  der  ersten,  der  Basilica  Neptuni,  nach  den  angegebenen  clas- 
sischen  Zeugnissen  entschieden  nicht  geschehen  darf.  Doch  abgesehen  davon  sind  für 
die  Identificirung  der  fraglichen  Basilica  Marciana  mit  unserer  Ruine  keine  weiteren 
Gründe  da,  weil  die  Notitia  in  ihrer  hier  gattungsweise  zusammenfassenden  Aufzählung 
eine  nähere  Ortsbestimmung  nicht  gibt,  während  negative  Gründe  sowohl  in  der  Grösse 
der  Ruine,  welche  für  einen  obscuren  Tempel  einer  kaiserlichen  Prinzessin  zu  be- 
deutende Dimensionen  zeigt,  als  auch  in  dem  Styl  liegen,  der  weder  der  traianischen 
noch  der  hadrianischen  Zeit  zugeschrieben  werden  kann.  Diess  letztere  ist  aber  namentlich 


*  Dio  Cass.  LIII.  27.  *  Script.  H.A.  (Spartian.)  Hadr.  19.  «  Martial.  III.  Epigr.  20.  Curios.  U.  R. 
Reg.  IX.  *  Vi^l.  Einleitung  S.  27.  »  Beschreibung  d.  St.  Rom.  Bd.  III.  Abth.  III.  S.  448  fg.  *  Curios.  ü.  R. 
Reg.  IX.         '  A.  Donati,  Roma  vetus  ac  recens.    L.  III.  c.  16.     (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  III.  p.  764  sq.) 

38* 


260  ^^^  Marsfeld. 

hervorzuheben,  wenn  das  Gebäude  wirklich  eine  Basilica  und  nicht  ein  Tempel  war,  denn 
eher  hätte  noch  ein  Tempel  erst  in  der  antoninischen  Zeit  der  vergötterten  Schwester  Traians 
erbaut  werden  können,  als  man  eine  Basilica  noch  nach  ihrem  Namen  benannt  hätte. 

Wenn  demnach  die  beiden  vorliegenden  Annahmen  nur  als  schwach  gestützte 
Möglichkeiten  gelten  können,  dürfte  eine  andere  Vermuthung  mehr  Wahrscheinlichkeit  mit 
sich  bringen.    Es  ist  nemhch  aus  wiederholten  Erwähnungen^  bekannt,  dass  Antoninus 
Pius  seinem  Adoptivvater  Hadrian  einefi  Tempel  errichtete,  nachdem  es  ihm  nicht  ohne 
Widerspruch  gefunden  zu  haben  gelungen  war,  den  Senat  zur  Decretirung  der  götthchen 
Ehren  zu  bestimmen ,  welcher  Act  von  Verehrung  gegen  seinen  Vater  und  Vorgänger 
ihm  auch  vorzugsweise  den  Beinamen  Pius  erwirkt  haben  soll.    Es  wird  nun  allerdings 
nicht  erwähnt ,  an  welcher  Stelle  der  Tempel  erbaut  wurde ,  und  wir  können  als  gewiss 
nur  das  annehmen,  dass  er  nicht  am  Traianforum  zu  stehen  kam,  welches  schon  Hadrian 
mit  dem  Tempel  des  Divus  Traianus  abschloss  und  welches  sowohl  nach  den  grossen- 
theils  biossliegenden  Resten    als   nach  den  Nachrichten  der  Alten    für  einen  weiteren 
Tempel  keinen  Raum  mehr  bot,  der  die  sonst  so  strenge  Symmetrie  gestört  hätte.  Wahr- 
scheinlich aber  ist ,  dass  Antoninus  den  Tempel  dort  erbaute,  wo  überhaupt  die  Antonine 
ihre  Prachtgebäude  ausführten,  deren  Mittelpunkt   später  die  Marc-Aurelsäule  bildete, 
und  diese  W^ahrscheinlichkeit  wird  noch    durch  eine  späte  Erwähnung  gesteigert,  auf 
welche  Urlichs,  freilich  in  einer  anderen  Absicht,  aufmerksam  gemacht  hat.  Im  13.  Jahr- 
hundert nemlich ,  in  welchem  der  grösste  Theil  des  Marsfeldes  noch  in  seinen  Ruinen 
öde  lag  und  noch  nicht  von  dem  modernen  Rom  überwuchert  wurde,  wird  der  Tempel 
des  Aehus  Hadrianus  vor  der  Kirche  S.  Maria  in  Aquiro,^  jener  Kirche  auf  Piazza  Ca- 
pranica,  welche  jetzt  gewöhnlicher  Chiesa  degli  Orfanelli  heisst,  genannt.    Denkt  man 
sich  die  übrigen  modernen  Gebäude  weg,  so  war  die  Kirche  in  der  That  ganz  nahe  an 
unserer  Ruine  und  besonders  nur  eine  Strassenweite  von  dem  Tempelrecint  entfernt,  von 
welchem  man  noch  ein  bedeutendes  Stück  aus  Travertinquadern  in  dem  Keller  des  Pa- 
lazzo  Cini  findet.  Die  Mirabilien  nennen  allerdings  den  Tempel  »vor«  der  Kirche  und  man 
möchte  desshalb   zunächst  an  die  entgegengesetzte  Seite  denken,  da  die  Fagade  von 
S.  Maria  in  Aquiro  der  Piazza  Capranica  zugewendet  ist;  allein  es  ist  immerhin  möglich, 
dass  der  Verfasser  der  Mirabilien  die  Situation  vom  Standpunkte  der  Via  Lata  (Corso)  aus 
auffasst,  wodurch  auch  jenes  »vor«  gerechtfertigt  wäre,  abgesehen  davon,  dass  auf  Ge- 
nauigkeit der  Darstellung  und  noch  weniger  auf  Richtigkeit  des  Ausdruckes  bei  den  Mi- 
rabilien leider  nicht  zu  zählen  ist.  Mit  unserer  Annahme  sind  auch  die  anderen  Umstände 
wenigstens  nicht  im  Widerspruche.  Die  bedeutende  Grösse  des  Tempels  sammt  der  ge- 


*  Script.  H.  A.   (lul.  Capitolin.)  Ant.  P.  8.  Ver.  3.         *  Lib.  de  Mirabilibus  Romac.     (Montfaucon,  Diarium 
Italicum.    Par.  1702.   p.  292.) 


Angeblicher  Tempel  des  Neptun.  2!t)1 

räumigen  Umfriedung,  welche  die  Annahme  eines  kleineren  Heiligthumes  ausschliesst,  passt 
wohl  für  den  Nachfolger  eines  Traian,  der  einen  so  grossen  Tempel  an  seinem  Forum 
erhalten  hatte,  und  auch  der  Styl  ist  der  Zeit  der  Antonine  entsprechender  als  einer 
früheren.  Die  muthmassHche  Abbildung  des  Hadriantempels  auf  einer  Münze  vom 
J.  151  n.  Chr.  ,^  welche  mit  der  Umschrift  pietas  einen  Oktastylos  (acht  Säulen  in  der 
Fronte)  zeigt,  ist  ebenfalls  einem  Peripteros  von  11 — 13  Säulen  in  der  Tiefe  angemessen, 
und  da  Antoninus  Pius  den  Hadriantempel  erbaute,  so  konnte  auch  sein  Name  in  einem 
i.  J.  1 500  hier  gefundenen  Fragment  (cubitales  litterae)^  der  Dedicationsinschrift  angehören. 
Ebenso  scheinen  die  Statuenpiedestale  mit  allegorischen  Provinzendarstellungen  in  Relief 
welche  man  auf  dem  Platze  vor  der  Ruine  zu  verschiedenen  Zeiten  ausgrub  (Mus.  Capi- 
lino,  Palazzo  Chigi-Odescalchi,  Mus.  Borbonico  in  Neapel),^  für  den  Tempel  desjenigen 
Kaisers  nicht  unpassend,  welcher  selbst  die  römischen  Provinzen  durchreiste.  Alles  diess 
bringt  freilich  über  die  blosse  Möglichkeit  oder  vielleicht  Wahrscheinlichkeit  nicht  hinaus. 
Doch  wenigstens  ein  antoninisches  Bauwerk  in  der  Ruine  zu  erkennen,  dazu  dürften 
wohl  Styl,  Sculpturen,  Lage  und  besonders  das  von  Albertini  erwähnte  Inschriftfragment 
mit  dem  Namen  des  Antoninus  Pius  veranlassen,  jener  Notiz  des  Ficoroni*  nicht  zu  ge- 
denken, nach  welcher  man  beim  Bau  des  Gebäudes  der  Dogana  eine  Bleimünze  des  An- 
toninus Pius  im  Gemäuer  entdeckt  haben  soll. 

Wie  viel  im  16.  Jahrhundert,  als  Palladio  seine  Pläne  davon  zeichnete,  von  dem 
Gebäude  noch  vorhanden  war,  ist  aus  den  Plänen  selbst  nicht  bestimmbar:  auf  keinen 
Fall  so  viel  als  er  gab.  Im  17.  Jahrhundert  war  ausser  den  heutigen  Resten  schon  wenig 
mehr  vorhanden.  Alexanders  VII.  Wunsch ,  die  Ruine  ganz  blosszulegen ,  scheiterte  an 
der  Haltlosigkeit  der  Säulen,  welche  mehr  als  alle  anderen  erhaltenen  des  alten  Rom 
besonders  an  der  Fügung  der  Säulentrommeln  gehtten  hatten.  Am  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts aber  beschloss  Innocenz  XII.,  sie  dadurch  vor  dem  Einstürze  zu  bewahren, 
dass  er  statt  der  vormaligen  Privathäuser,  welche  sich  im  Tempel  erhoben  hatten,  die 
Dogana  di  terra  hineinbaute ,  die  Säulen  zur  Fagade  dieses  Gebäudes  benutzte  und  sie 
auf  diese  Weise  mit  einander  verband.  Damals  ward  auch  das  sehr  schadhafte  Gebälke 
mit  Stuck  ausgebessert  und  grossentheils  überkleidet,  wodurch  es  den  falschen  Anschein 
erhielt,  den  Stürmen  der  Zeit  unbeschädigt  getrotzt  zu  haben.  Der  Geschmack  dieser  Zeit 
setzte  noch  eine  Art  von  Attika  oder  Brüstung  darauf,  welche  den  unangenehmen  Ein- 
druck, den  die  Verschmelzung  eines  antiken  Tempels  mit  einem  modernen  Wohngebäude 
macht,  noch  erhöht. 


*  Eckhel,  Doct.  nuin.  1'.  11.  tom.  VII.  p.  22.  *•  Albertini,  Opusculum  de  Mirabilibus  nove  et  veteris 
Urljjs  Rome.  R.  <515.  fol.  30.  ■  Fl.  Vacca,  Mein.  n".  21.  P.S.  Bartoli,  Mem.  n».  78&115.  (Fee,  Mise, 
p.  LXIII.  CCXLII.  CCLV.)         *  I  piombi  antichi.    R.  1740.    p.  9.  Tav.  I. 


2[ß2  Das  Marsfeld. 

43.    Reste  einer  unbekannten  Porticus. 

Die  angeführte  Notiz  der  Mirabilien ,  dass  sich  vor  der  Kirche  S.  Maria  in  Aquiro 
der  Tempel  des  Hadrian  befunden  habe,  wurde  von  Urlichs ^  auf  andere  Ueberreste 
bezogen,  die  sich  unweit  von  Piazza  di  Pietra  befinden.  Geht  man  nemlich  die  Via 
de'  Pastini  wieder  eine  kurze  Strecke  weit  zurück  und  beugt  dann  rechts  in  den  Vi- 
colo  della  Spada  d'  Orlando,  so  sieht  man  an  dem  Waisenhause,  nicht  ganz  ein  Meter 
aus  dem  Boden  hervorragend,  einen  Säulenschaft  von  Cipollin,  dem  »gewellten«  Ca- 
rystius,  der  durch  seine  graue  holzmaserartige  Zeichnung  unter  den  vielen  in  Rom 
vorkommenden  Marmorarten  besonders  auffallt.  (Vgl.  den  Faustinentempel.)  Zwei  andere 
gleicher  Art,  doch  noch  höher  erhalten,  findet  man  in  dem  Hause  No.  76  (Piazza  Ca- 
pranica),  welche  zeigen,  dass  die  Säulenreihe  von  Ost  nach  West  lief.  Ihr  Durch- 
messer beträgt  1,7o,  ihr  Abstand  4, so  Met.,  wonach  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen 
ist,  dass  auch  diese  Säulen  zu  einem  Tempel  gehörten.  Positive  Anzeichen  eines  sol- 
chen aber  finden  sich  nicht  und  die  Säulen  können  ebensowohl  einer  Porticus  ange- 
hören; doch  kann  man  behaupten,  dass  die  Dimensionen  für  die  Umfriedungsporticus 
eines  Tempels  etwas  zu  gross  erscheinen. 

Die  Möglichkeit,  dass  diese  Ruine,  wie  Urlichs  behauptet,  ein  Ueberrest  des 
Hadriantempels  sei,  ist  demnach  nicht  zu  bestreiten,  obwohl  ich  es  für  wahrschein- 
licher halte,  diesen  Tempel  in  den  Säulen  von  Piazza  di  Pietra  zu  suchen.  Allein  da 
diese  drei  Säulen  hinsichtlich  ihrer  baulichen  Bestimmung  wie  ihrer  Bauepoche  zu  wenig 
Merkmale  an  sich  tragen,  treten  natürlich  auch  so  viele  andere  in  dieser  Gegend  be- 
findliche Gebäude,  wie  die  Basilica  des  Neptun  mit  der  Porticus  Argonautarum ,  die 
Porticus  Meleagri ,  die  Basilica  Marcianae  und  andere  topographisch  unbestimmbare  Ge- 
bäude des  Marsfeldes  mit  in  Goncurrenz ,  dass  von  einer  Bestimmung  des  Ueberrestes 
noch  weniger  als  bei  der  Ruine  der  elf  Säulen  die  Rede  sein  kann.  Nach  dem  Um- 
stände aber,  dass  man  im  J.  1838  noch  acht  Säulen  gesehen  haben  will,  während  man 
jetzt  nur  mehr  drei  zählt  (die  übrigen  scheinen  bei  dem  Neubau  des  Waisenhauses 
vermauert  worden  zu  sein),  ist  weniger  auf  neue  auffallende  Funde  zu  hoffen,  als 
vielmehr  das  baldige  gänzliche  Verschwinden  dieser  Ueberreste  zu  befürchten. 

44.     Der  Obelisk  auf  Monte  Citorio. 

Der  Vicolo  della  Spada  d' Orlando  mündet  nördlich  auf  die  Piazza  Capranica. 
Ueberschreitet  man  nun  diese  und  beugt  dann  westlich  in  die  Via  in  Aquiro,  so  ge- 


'  Beschreibung  d.  St.  Rom.  Bd.  III.  Abth.  III.  S.  U5  fg. 


#  «# 


% 


Der  Obelisk  auf  Monte  Citorio.  263 

langt  man  auf  die  etwas  ansteigende  Piazza  di  Monte  Citorio,  welche  ein  imposanter 
Obelisk  von  röthlichem  (syenitischem)  Granit  schmückt.  Auf  einem  doppellen ,  modernen 
Untersatz,  unten  von  Travertin,  oben  von  Marmor,  ruht  der  Basamentwiirfel  von  dem- 
selben Granit,  von  welchem  nur  der  obere  Theil  ergänzt  ist  und  welcher  noch  folgende 

Inschrift  zeigt:  ,.._    -»._-..  ^w    »,■«#•   — 

°  IMPCAESAR    DIVI    F 

AVGVSTVS 

PONTIFEX.  MAXIMVS 

IMF   XMCOSXr.TRlBPOTXrV 

AEGYPTO   IN.  POTESTATEM 

POPVLI    ROMAN J.REDACTA 

SOLIDONVM    DEDIT 

[Der  Obelisk  selbst  ist  ausserordentlich  beschädigt  und  an  vielen  Stellen  ausgebessert, 
auf  der  Nordseite  sind  sogar  die  Hieroglyphen  ganz  verschwunden,  die  jedoch  auf  der 
Ost-  und  Westseite  theilweise,  auf  der  Südseite  grösstentheils  erhalten  sind.  Die  Arbeit 
derselben  ist  von  vorzüglicher  Reinheit;  die  Königsringe  zeigen  den  Namen  des  Königs 
Psammetich,^  Zeitgenossen  des  Tullus  Hostilius  und  Ancus  Marcius.  Die  Höhe  des 
Obelisken  selbst  beträgt  21,3o  Met.,  die  moderne  bronzene  Kugel  abgerechnet,  welche 
bei  der  Aufstellung  mit  Berücksichtigung  einer  Nachricht  des  Plinius,  von  welcher  so- 
gleich die  Rede  sein  wird,  auf  die  Spitze  gesetzt  wurde. 

Wie  überhaupt  keiner  von  den  Obelisken  Roms ,  so  steht  auch  dieser  nicht  auf 
seinem  ursprünglichen  Platze.  Er  war  zugleich  mit  dem  des  Circus  Maximus  (jetzt  auf 
Piazza  del  Popolo)  von  Augustus  nach  Rom  gebracht  und  nach  der  Inschrift  im  J.  745  d.  St. 
(9  V.  Chr.)  aufgestellt  worden.  Dass  nemlich  derjenige,  welchen  Plinius^  fölschlich  dem 
Sothis  oder  dem  Sesostris  zuschreibt  und  welcher  im  Marsfelde  aufgestellt  wurde,  mit 
diesem  identisch  ist,  erhellt  abgesehen  von  dem  Fundorte  daraus,  dass  Plinius  ihn 
9  Fuss  niedriger  nennt,  als  den  im  Circus  Maximus  aufgestellten,  welche  Höhenver- 
schiedenheit wirklich  genau  zutrifft :  denn  der  Obelisk  auf  Piazza  del  Popolo  misst  80, 
dieser  71  Fuss,  wobei  jedoch  zu  bemerken  ist,  dass  fast  alle  Handschriften  die  Höhe 
des  erstem  auf  XXCV  Fuss  angeben.  Auch  ist  die  Inschrift  auf  den  Sockeln  beider 
Obehsken  gleichlautend. 

Unser  Obelisk  aber  sollte  nach  Augustus  Absicht  nicht  bloss  zur  Zierde  ge- 
reichen, sondern  damit  auch  einen  anerkennenswerthen  Zweck  verbinden,  nemlich  als 
Gnomon  dienen.  Die  Einrichtung  desselben  aber  scheint  nach  dem  etwas  unvollstän- 
digen Bericht^  doppelter  Art  gewesen  zu  sein,  sowohl  calendarisch  nach  der  Länge 


*■  I.   Rosellini,    I  monumenti  deU'  Egitto  e  della  Nubia.    Pisa  4  832  —  44.  P.  I.  Tom.  II.  p.  130.         *  Plin. 
H.  N.  XXXVI.  9,  14,  71.         «  id.   XXXVI.   10,  15,  72. 


264  Das  Marsfeld. 

des  Schattens  an  einer  gewissen  Stelle,  als  auch  horologisch  nach  der  Richtung  des- 
selben. Es  war  zu  dem  Zwecke  der  Platz  vor  dem  Obelisk  (vielleicht  nur  die  nörd- 
liche Hälfte,  da  man  der  südlichen  für  die  Schattenzeichnung  nicht  bedurfte)  mit  Tra- 
vertin  getäfelt  und  in  dem  Paviment  die  Meridianlinie  wie  das  übrige  Liniennetz  mit 
vergoldeter  Bronze  verzeichnet,  womit  man  auch  nach  Plinius  höchst  sorgfältig  zu 
Werke  ging ,  und  um  sich  eines  unwandelbaren  Standes  des  riesigen  Gnomon  zu  ver- 
sichern, demselben  eine  Substruction  von  einer  Tiefe  gab,  welche  der  Höhe  des  Obe- 
lisken selbst  gleich  war.  Nichtsdestoweniger  stimmte  schon  nach  dreissig  Jahren  der 
Schatten  nicht  mehr  genau,  worüber  sich  Plinius  in  den  abentheuerlichsten  Ver- 
muthungen  ergeht,  in  welchen  er,  nachdem  er  die  Sonne  selbst  oder  überhaupt  das 
Gestirnsystem  einer  Abweichung  bezichtigt  oder  in  irgend  einer  Aenderung  des  Mittel- 
punktes unseres  Erdballes  den  Grund  gesucht,  auch  —  etwas  natürhcher  —  daran  denkt, 
dass  die  Stellung  des  Gnomon  durch  Naturereignisse  wie  Erderschütterungen  sich  ge- 
ändert, oder  die  Substruction  in  Folge  der  Tiberüberschwemmungen  sich  gesenkt  habe. 
Am  wahrscheinlichsten  dürfte  einer  astronomischen  Ungenauigkeit,  deren  anfänglich  wohl 
kaum  bemerkbare  Dimension  mit  den  Jahren  wuchs  und  die  vielleicht  in  der  kleinen 
Unvollkommenheit  des  iulischen  Jahres  beruhte,  die  Schuld  beizumessen  sein. 

Der  Obehsk  wird  sowohl  von  Ammianus  Marcellinus  <  als  auch  von  der  Notitia  ^ 
erwähnt,  welche  letztere  ihm  auch  nahezu  das  richtige  Maass,  LXXH  —  S  —  gibt. 
Noch  im  neunten  Jahrhundert  scheint  er  aufrecht  gestanden  zu  sein,  wenigstens  ver- 
zeichnet ihn  der  Anonymus  von  Einsiedeln ,  der  keineswegs  nach  Verborgenem  suchte, 
sondern  nur  das  angab ,  was  ihm  schon  in  einiger  Entfernung  in  die  Augen  fiel ,  auf 
dem  Wege  von  Porta  ScT  Petri  nach  der  Porta  Salaria  zur  Linken  neben  der  Kirche 
Sei  Laurentii  in  lucina.^  Bald  darauf  muss  er  verbaut  worden  und  bei  einem  Brande 
der  ihn  umgebenden  Gebäude,  wie  man  aus  den  Brandspuren  ableiten  konnte,  gestürzt 
sein  und  wurde  nicht  bloss  unter  den  Ruinen  begraben,  sondern  auch  unter  den  neuen 
Wohnhäusern ,  welche  sich  wieder  auf  dem  Schutte  der  alten  erhoben ,  und  bald  war 
auch  die  Erinnerung  an  das  stattliche  Denkmal  vollständig  entschwunden.  Da  stiess  man 
im  Jahre  1 463,  als  der  Cardinal  Fil.  Calandrino  an  die  Kirche  S.  Lorenzo  in  Lucina 
eine  dem  h.  Philippus  und  dem  h.  Jacobus  geweihte  Familienkapelle  (jetzt  Sacristei) 
erbaute,  bei  den  Grundgrabungen  auf  einen  Theil  des  bronzenen  Meridian,*  welchem 
Funde  bald  die  Entdeckung  des  Sockels  und  eines  Stückes  des  Obelisken  selbst  nach- 
folgte, welchen  man  zu  Anfang  des  1 6.  Jahrhunderts  gebrochen  und  noch  halb  ver- 
schüttet bei  S.  Lorenzo  in  Lucina  liegen  sah.    Auch  war  dabei  ein  Theil  des  Paviments 


*  XVII.  4.         *  Curios.  Urb.  Rom.  Obelisci  VI.         *  Archiv  f.  Philol.  u.  Päd.  von  Seebode  u.  a.  Suppl.-Bd.  V. 
S.  132.         *  Bandini,  dell' Obelisco  di  Cesare  Augusto.  Roma  1750. 


Die  Ehrensäule  des  Antoninus  Pius.  ^65 

blossgelegt  worden,  auf  welchem  man  die  Linien  und  Eintheilungen  in  vergoldeter 
Bronze  nebst  vier  Musivbildern ,  welche  die  Winde  darstellten,  mit  einer  Inschrift  in 
grossen  Buchstaben  vt  boreas  spirat  fandJ  Dieser  Bericht  findet  sich  noch  in  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  zweimal  wiederholt  ,2  von  Marliani  mit  dem  Bei- 
fügen, dass  sich  ein  Theil  des  gebrochenen  Obeliskes  in  dem  Keller  eines  Privathauses 
bei  S.  Lorenzo  in  Lucina  befinde.  Sixtus  V.  Hess  die  Sache  durch  den  berühmten 
Fontana  untersuchen,  doch  dieser  hielt  das  Denkmal  für  so  beschädigt,  dass  er  nicht 
zur  Aufstellung  rieth,  und  so  Hess  man  es,  wie  sich  der  Berichterstatter  etwas  unei- 
gentlich ausdrückt,  »stehen«,^  und  wieder  verschütten,  wie  vielleicht  aus  Nardini*  zu 
entnehmen  ist,  der  davon  nur  nach  früheren  Berichten,  ohne  ihn  selbst  gesehen  zu 
haben,  spricht,  was  jedoch  bei  dem  Römer  Nardini  auch  bei  erhaltenen  und  blosslie- 
genden  Ueberresten  vorkömmt.  Bei  dem  Bau  einer  Cloake  stiess  man  abermals  darauf,^ 
doch  blieb  der  Obelisk  noch  unbeachtet,  bis  endlich  im  J.  1748  Papst  Benedict  XIV., 
die  Gelegenheit  eines  Neubaues  an  der  Stelle,  wo  er  begraben  lag,  benutzend,  den 
Befehl  gab ,  ihn  auszugraben  und  zu  heben. ^  Es  zeigte  sich ,  dass  er  in  fünf  Stücke 
zerbrochen  und  auch  sonst  so  beschädigt  war,  dass  man  Fontana's  einstiges  Gutachten 
fiir  nur  zu  begründet  hielt  und  den  Koloss  wieder  fast  ein  halbes  Jahrhundert  lang 
auf  dem  kleinen  Largo  deHa  Impresa  genannten  Platze  unmittelbar  vor  dem  Ausgra- 
bungsorte, den  eine  Inschrifttafel  über  dem  Eingang  des  Hauses  No.  2  auf  demselben 
Platze  bezeichnet,  liegen  Hess.  Erst  Pius  VI.  nahm  den  Gedanken,  den  Obelisk  wieder 
aufzustellen,  ernstlich  auf,  und  nachdem  er  ihn  mit  dem  Granit  der  ebenfalls  gestürz- 
ten Säule  des  Antoninus  Pius  hatte  ausbessern  lassen  und  den  Monte  Citorio  als  pas- 
sendsten Platz  dafür  bestimmt  hatte,  beauftragte  er  den  Architekten  Antinori  mit  der 
Ausführung  seines  Planes,  welche  auch  glücklich  gelang.  Und  so  gereicht  seit  dem 
Jahre  1792  der  berühmte  Gnomon-ObeHsk  dem  Monte  Citorio  wie  der  ganzen  Stadt 
wieder  zur  beachtenswerthen  Zierde,  allerdings  mit  gänzlichem  Verzicht  auf  den  ur- 
sprünglichen Zweck,  den  er  ohnehin,  wie  oben  erzählt  worden  ist,  nur  kurze  Zeit 
erfüllte. 

45.     Die  Ehrensäule  des  Antoninus  Pius. 

Eine  Tradition,  die  alles  Grundes  entbehrt,  versetzt  in  diese  Gegend,  zu  welcher 
wir  eben  gelangt  sind,  das  Amphitheater  des  Statilius  Taurus,  aus  dessen  Ruinen  der 


'  Albertini,  Opusculum  de  Mirabilibus  nove  et  veteris  Urbis  Rome.    R.  1515.  fol.  30.  31.  67.  *  A.  Fulvii 

Antiquitates  Urbis.  Roma.  1527.  Lib.  V.  fol.  XCI.    —    B.  Marliani  Urbis  Romae  Topographia.  1.  X.  c.  VI.     (Graev. 
Thes.  Ant.  Rom.  tom.  III.  p.  471.)  '  Fl.  Vacca,  Mem.  45.     (C.  Fea,  Miscellanea  &c.  p.  LXXIV.)         *  Roma  ve- 

tus  L.  VI.  c.  VI.     (Graev.  Th.  A.  R.  tom.  IV.  p.  1282.)  '  P.  S.  Bartoli  Mem.  103.  104.    (Fea,  Mise.  p.  CCLI  sq.) 

*  Fr.  Ficoroni,  Notizie  «kc.  99.     (C.  Fea,  Miscell.  p.  CLXVI.) 

F.  £sBBR  ,  dir  Ruinen  Roms.  34 


^66 


Das  Marsfeld. 


berghohe  Schutt  entstanden  sein  soll,  auf  dessen  Höhe  die  Curia  Innocenziana ,  der 
imposante  Palast  auf  Piazza  di  Monte  Citorio  sich  erhebt.  Dieses  Amphitheater,  als  das 
erste  steinerne  in  Rom  im  J.  725  d.  St.  (29  v.  Chr.)  erbaut,^  befand  sich  allerdings  am 
Marsfelde.^  Allein  dieses  kaum  sehr  bedeutende  Gebäude, ^  welches  im  neronischen 
Brande  zu  Grunde  ging  *  und  wohl,  wie  daraus  zu  entnehmen  ist,  dass  es  nicht  mehr 
erwähnt  wird  —  das  Colosseum  machte  es  auch  entbehrlich  —  nicht  mehr  hergestellt 
wurde,  kann  doch  nicht  als  ein  Trümmerhaufen  neben  den  Prachtanlagen  der  Antonine 
gedacht  werden,  wie  man  annehmen  muss,  wenn  man  den  Hügel  Monte  Citorio  daraus 
entstehen  lässt.  Doch  abgesehen  davon  haben  wir  auch  keinen  Grund,  ein  Gebäude, 
das  nirgends  genauer  als  ganz  allgemein  im  Marsfelde  befindlich  bezeichnet  wird, 
gerade  an  dieser  Stelle  anzunehmen,  noch  weniger  aber  die  vormals  hier  Hegende  ko- 
lossale Cipollinsäule,  welche  seit  1857  die  Immaculata  auf  Piazza  MignanelU  trägt,  denn 
wozu  hätten  solche  Säulen  in  einem  Amphitheater  dienen  können ! 

Dagegen  ist  es  gewiss,  dass  unweit  von  der  Piazza  di  Monte  Citorio  ein  Denk- 
mal stand,  welches  sich  noch  im  vorigen  Jahrhundert  an  Ort  und  Stelle  befand.  In 
dem  Garten  der  Casa  della  Missione,  welcher  westlich,  nur  durch  eine  Gasse  getrennt, 
an  die  Curia  Innocenziana  gränzte,  lag  nemlich  eine  gestürzte  Monolithsäule  aus  röth- 
lichem  Granit,  welche  nur  mehr  theilweise  aus  dem  Schutte  hervorragte.  Diese  hatte 
schon  zu  den  abentheuerlichsten  Vermuthungen  über  ihre  Bestimmung  Anlass  gegeben, 
als  man  sich  endlich  zu  Nachgrabungen  entschloss,  und  den  stattlichen  dazugehörenden 
Basamentwürfel  entdeckte,  welche  Arbeiten  unter  Clemens  XI.  Francesco  Fontana  lei- 
tete.^ Es  ist  indess  auffallend,  in  den  Nachrichten  über  den  Fundort  bedeutende  Ver- 
schiedenheiten zu  finden :  denn  Piranesi  —  allerdings  der  Zeit  nach  ferner  stehend  — 
berichtet,  dass  jenes  Denkmal  in  dem  Hause,  welches  die  Piazza  di  Monte  Citorio 
westlich  begränzt  und  das  zur  Zeit  Clemens  XL  einem  gewissen  Carlo  Eustachi  ge- 
hörte, sich  befunden  habe,  und  dass  die  Säule  selbst  noch  aufrecht  gestanden  sei.^ 
Nach  derselben  Quelle  forderte  auch  die  von  Clemens  XI.  versuchte  Versetzung  der- 
selben den  Abbruch  des  genannten  Hauses.  Wie  dem  auch  sei,  es  kam  nicht  zur  Wie- 
deraufstellung; das  Basament,  an  sich  schon  sehr  verstümmelt  gefunden,  hatte  durch 
die  Hebung  und  den  Transport  noch  weiter  gelitten  und  der  Säulenschaft  war  so  be- 
schädigt, dass  man  es  vorzog,  das  erstere  auf  dem  Platze,  den  letzteren  in  einem  Win- 
kel westlich  an  der  Curia  Innocenziana  bis  auf  Weiteres  liegen  zu  lassen.  Erst  Bene- 
dict XIV.  nahm  die  Sache  wieder  auf,  und  nun  wurde  wenigstens  das  Piedestal  auf 


'  Dio  Cass.  LI.  23.         *  Strabo  V.  3,  9.  p.  236.         ^  Dio  Cass.  LIX.  <0.         *  id.  LXII.  18.         *  Vignoli,  de 
cqlumna  imperatoris  Antonini  Pii  dissertatio.  Romae  1705.  *  J.  B.  Piranesi,   Trofeo  o  sia  colonna  cociide  &c. 

Roma.  s.  a.  tav.  XXXIX  a. 


Die  Ehrensäule  des  Antoninus  Pius. 


267 


doppeltem  Sockel  an  der  Stelle  aufgestellt,  wo  jetzt  der  Gnomon-Obelisk  sich  erhebt. 
Das  Basament,  welches  damals  auch  restaurirt  wurde,  ist  auf  drei  Seiten  mit  Reliefs, 
auf  der  vierten  aber  mit  einer  Inschrift  in  grossen ,  offenbar  vormals  mit  Metall  ausgeleg- 
ten Buchstaben  bedeckt,  welche  also  lautet: 

DIVO  ANTONINO  AVG  PIO 

ANTONINVS  AVGET 

VERVSAVGVstus  FILII 

Auf  der  entgegengesetzten  Seite  befindet  sich  ein  die  Apotheose  des  Antoninus  Pius  und 
der  Faustina  darstellendes  Relief,  wovon  ich  eine  Abbildung  nach  einer  vor  der  letzten 


^^^^^^^^^^^^^^^^^^^§ 


2.').    Piedeslalrülicf  der  Elirensaule  des  Aiiloninus  Pius.  (Nach  de  Fabris 


Restauration  angefertigten  Zeichnung  beifüge :  das  Kaiserpaar  auf  der  Schulter  eines  Ge- 
nius sitzend,  der  seine  Flügel,  um  den  Raum  auszufüllen,  unmässig  ausbreitet  und  in  der 
Linken  eine  Kugel  mit  einer  Schlange  hält,  scheint  zum  Himmel  empor  getragen  zu  wer- 
den, wohin  es  zwei  Adler  auf  beiden  Seiten  begleiten.  Ein  anderer  Genius  befindet  sich 
in  halbhegender  Stellung  am  Boden ,  in  der  Linken  einen  Obelisk  haltend ,  offenbar  nicht 
ohne  irgend  eine  mystisch«  Bedeutung  (Marsfeld  oder  die  engere  Localität  um  den  Gno-, 
monobelisk,  in  dessen  Nähe  die  augusteische  Ustrina  war?),  während  auf  der  anderen 
Seite  eine  Roma  sitzt  von  zahlreichen  Trophäen  umgeben.  Die  Reliefs  der  beiden  anderen 
Seiten  zeigen  stark  bewegte  Reiterzüge,  in  elliptischer  Form  einige  Fusssoldaten  in  der 

34* 


268  Das  Marsfeld. 

Mitte  einschliessend.  Die  Reliefs  sind  bereits  weit  entfernt  von  der  Trefflichkeit  der  traia- 
nischen  und  die  beiden  letzteren  zeigen  in  Composition  und  überhoher  Ausführung  schon 
sehr  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  gleichartigen  am  Bogen  des  Septimius  Severus.  Besser 
ist  die  Darstellung  der  Apotheose ,  obwohl  auch  hier  bei  sonst  noch  guten  Formen  die 
Steifheit  der  Composition  besonders  die  Körper-  und  Flügelstellung  des  schwebenden 
Genius  verletzt. 

Die  Aufstellung  der  Säule  selbst  unterblieb  abermals ,  und  nachdem  das  Piedestal 
nur  einige  Jahrzehnte  die  Piazza  di  Monte  Citorio  geschmückt,  wovon  uns  Piranesi  eine 
zwar  prachtvolle,  aber  leider,  wie  alle  Werke  dieses  genialen  Künstlers ,  durch  wahrhaft 
imposante  Dimensionen  übertriebene  Abbildung  hinterlassen,  entschloss  sich  Pius  VI., 
nachdem  er  sich  von  der  Unmöglichkeit  der  Ausführung  dieses  Planes  überzeugt  hatte, 
den  Platz  für  ein  anderes  Denkmal  zu  benutzen,  nemlich  für  den  unmittelbar  vorher  be- 
schriebenen Obelisk.  Damals  wurde  der  sehr  schadhafte  Säulenschaft  zersägt,  um  theils 
zur  Ausbesserung  des  Obelisken,  theils  zur  Ausschmückung  der  vaticanischen  Bibliothek 
Material  zu  Hefern,  das  Piedestal  aber  wurde  in  einen  Garten  des  Vatican  geschafft,  wo 
es  unbeachtet  lag,  bis  Gregor  XVI.  es  durch  G.  de  Fabris  sorgfältig  restauriren  und  im 
Giardino  della  Pigna  aufstellen  liess,^  wie  die  Inschrift  auf  dem  Plinth  berichtet.  Auch 
der  Anlauf  des  Schaftes,  auf  dem  sich  eine  griechische  Inschrift  befand,  kam  in  den  Va- 
tican, wurde  erst  von  de  Fabris  wieder  gefunden  und  nun  an  dem  Piedestal  selbst  an- 
gebracht.2    Die  Inschrift  lautet: 

AIOCKOYPOY 

LG  TPAIANOI 
...AYOANAnOA€C  N« 
'"lAOY  APXIT6KTOY 


was  nach  E.  Sarti's  wohl  richtiger  Erklärung  bedeutet,  dass  unter  dem  (Procurator)  Dios- 
koros  im  neunten  Jahre  (der  Regierung)  des  Traian  zwei  (Säulen)  jede  zu  fünfzig  Fuss 
von  dem  Architekten  (Ariste)ides  (ausgeführt  wurden).  Würde  das  Piedestal  mit  der  In- 
schrift des  Antoninus  Pius  nicht  allen  Zweifel  benehmen,  so  müsste  man  nach  diesem 
Steinmetzenzeichen  unfehlbar  an  ein  Werk  des  Traian  denken.  Nun  aber  lässt  sich  die 
Sache  nicht  anders  erklären,  als  dass  man  eine  seit  längeren  Jahren  bereitliegende,  viel- 
leicht sogar  schon  verwendete  Säule  zu  dem  Denkmale  benutzte.  Dieses  selbst  ist  auch 
durch  Münzen  mit  der  Umschrift  divo  pio  beglaubigt,  von  welchen  sich  bei  Nardini,^  Pi- 
ranesi* und  VignoH^  Abbildungen  finden.  • 


*   Giuseppe  de  Fabris,  11  piedistallo  della  colonna  Antonina  &c.  Roma.  1846.  *    id.  Appendice  p.  XI. 

'  Roma  vetus.  I.  VI.  cap.  IX.     (Graev.  Thes.  A.  R.  tom.  IV.  p.  1302.)  *  tav.  XXXIX.  C.  2,         »  p.  39  &  119. 


Die  Säule  des  Marcus  Aurelius.  269 


46.  Die  Säule  des  Marcus  Aurelius. 


Die  Piazza  di  Monte  Citorio  ist  westlich  nur  durch  das  Gebäude,  -welches  gegen- 
wärtig der  französischen  Commandantschaft  eingeräumt  ist  (vormals  Briefpost),  von  der 
stattlichen  Piazza  Colonna  getrennt,  die  ihren  Namen  der  gewaltigen  Säule  verdankt, 
welche,  in  der  Hauptsache  der  beschriebenen  des  Traian  ähnlich,  sich  in  der  Mitte  erhebt 
und  zu  den  bedeutendsten  Ueberresten  des  alten  Rom  gehört.  Das  Aeussere  des  Basa- 
mentes  derselben,  das  durch  seine  plumpe  Breite  und  verhältnissmässige  Niedrigkeit  den 
Eindruck  des  Ganzen  sehr  benachtheiligt,  ist  nicht  antik  und  nur  eine  durch  Fontana  aus- 
geführte Bekleidung  des  sehr  verstümmelten  ursprünglichen  Piedestals.  Dieses  erhob  sich 
vom  antiken  Boden  an,  der  4, so  Meter  unter  dem  modernen  liegt,  in  einer  Höhe  von 
11,60  Meter.  Der  untere  Theil  desselben  war  ein  auf  drei  Stufen  ruhendes  dreifach  ab- 
gestuftes Basament  von  5, so  Meter  Höhe,  an  dessen  Ostseite  (gegen  den  Corso  hin)  die 
Thüre  angebracht  war,  welche  zu  dem  Innern  des  Denkmals  führte.  Auf  dieser  Grund- 
lage, welche  sich  jetzt  unter  dem  modernen  Boden  befindet,  liegt  eine  ebenfalls  quadra- 
tische, 1,80  Meter  hohe  Platte,  welche  auf  der  Ostseite  (über  der  ursprünglichen  Thüre) 
mit  kränzetragenden  Genien,  auf  den  drei  anderen  Seiten  mit  Sieges-  und  Huldigungs- 
scenen  in  Relief  geschmückt  war.  Darauf  ruht  das  4,30  Meter  hohe  Piedestal,  von 
dessen  Auszierung  wir  jedoch  wenig  mehr  wissen,  als  dass  auf  einer  Seite  das  Wort 
CONSEC  RATIO,  auf  der  anderen  DI  VI  ANTON  INI  AVGVSTI  PN  noch  kenntlich  war.  < 
Das  Ganze  war  jedoch  so  beschädigt,  dass  es  nicht  blos  die  Schönheit,  sondern  sogar  die 
Sicherheit  zu  erfordern  schien,  den  Sockel  durch  eine  neue  Bekleidung  zu  festigen, 
welcher  natürlich  der  verstümmelte  Reliefschmuck  weichen  musste.  Wir  kennen  daher 
die  ursprüngliche  Gestalt  nur  aus  alten  Abbildungen ^  und  Copien  desselben,  die  freilich 
nicht  vollständig  befriedigen.  Besonders  unglücklich  aber  wurde  die  Restauration  des 
Basamentes  dadurch,  dass  sich  ein  grober  Irrthum  in  die  modernen  Inschriften  einschlich, 
von  welchen  namentlich  die  auf  der  Westseite  befindliche  das  Denkmal  dem  Antoninus 
Pius  zuschreibt,  während  nur  zu  deutlich  die  Thaten  eines  anderen  Kaisers  in  den  Reliefs 
des  Schaftes  dargestellt  sind. 

Die  ganz  schmucklose  Basenplatte  (Plinthus)  misst  0,8o  Met.  in  der  Höhe;  der 
Basenwulst,  einen  grossen  mit  Bändern  umwundenen  Lorbeerkranz  darstellend,  hat  einen 
Durchmesser  von  5  und  eine  Höhe  von  0,65  Met.  Darauf  erhebt  sich  der  marmorne  Säu- 
lenschaft, 26,60  Met.  hoch,  mit  3,96  unten  und  3,74  Met.  oben  im  Durchmesser.    Das  dö- 


*  Gamucci,  Libri  IV  dell'  antichitk  di  Roma.  Ven.  1565.  p.  154.  '  Du  Perac,  de  vestigij  dell'  Antichitä  di 
Roma.  Roma  1674.  tav.  34.  Columna  Cochlis  M.  Aurelio  Antonino  Augusto  dicata,  delineata  a  Pietro  SanteBartoli 
brevibus  notis  I.  Petri  Bellorii  illustrata.  Roma  MDCCIV.     Piranesi,  Trofeo  o  sia  colonna  &c.  tav.  XXX.  b.  XL. 


^70  Das  Marsfeld. 

rische  Capital  zeigt  die  im  römisch  dorischen  Styl  häufige  Ornamentik  des  Eierstabes  und 
misst  mit  dem  Astragal  (Perlenschnur)  unterhalb  0,8o  Met.  in  der  Höhe.  Unter  dem  Capi- 
tal ist  wie  an  der  Traiansäule  noch  ein  schmaler  Gürtel  mit  einem  Ansätze  dorischer 
Canellirung,  wölche  jedoch  nach  unten  abweichend  von  der  Traiansäule  durch  einen 
Leisten  etwas  hart  abgeschlossen  wird.  Die  Capitälsplatte  (Abakos)  hat  eine  Höhe  von 
0,70  und  eine  Seitenlänge  von  5,3o  Met.  Die  ganze  Säule  mit  Base,  Capital,  Plinth  und 
Abakos  misst  daher  29,55  Met.  in  der  Höhe,  0,23  Met.  weniger  als  die  Traiansäule.  Doch 
da  das  ursprüngliche  Piedestal  der  ersteren  vom  antiken  Boden  an  11, eo  Met.  und  das 
der  letzteren  nur  5,7o  Met.  hoch  ist,  so  wird  die  Traiansäule  von  jener  bei  einer  Gesammt- 
höhe  (mit  Ausschluss  der  Statuenpiedestale)  von  41, 15  :  35,48  Met.  um  3,67  Met.  überragt, 
welcher  Unterschied  jedoch  durch  die  Verschiedenheit  des  antiken  und  modernen  Niveaus 
jetzt  auf  weniger  als  1  Meter  sich  reducirt.  Die  Säule  selbst  besteht  aus  28  Stücken,  von 
denen  zwei  Base  und  Capital  bilden.  Im  Innern  derselben  führt  eine  in  den  Marmor  ge- 
hauene Wendeltreppe  zu  der  Höhe  des  Abakos,  welche  jetzt  190  Stufen  zählt,  und  durch 
53  Fensterchen  erhellt  wird,  von  denen  eines  im  Piedestale,  die  übrigen  im  Schafte  an- 
gebracht sind.  Ursprünglich  waren  es  8  Stufen  mehr,  auch  enthielt  das  Piedestal  4  Fen- 
sterchen. 

Das  Relief  auf  dem  Säulenschafte,  das  sich,  wie  an  der  Traiansäule,  in  zwanzig 
spiralförmigen  Windungen  erhebt,  stellt  die  Kriege  der  Römer  mit  deutschen  Völkerschaf- 
ten von  167 — 179  n.  Chr.,  bei  welchen  ausser  den  Marcomannen,  die  an  der  Spitze 
standen,  auch  noch  viele  andere  deutsche  und  benachbarte  Stämme  nördlich  von  der 
unteren  Donau,  wie  die  Hermunduren,  Sueven,  Quaden,  Vandalen,  lazygen,  Bastarner, 
Sarmaten,  Alanen,  Roxolanen  und  andere  betheiligt  waren,  vor.^  Die  Darstellung  beginnt, 
wie  am  Relief  der  Traiansäule,  mit  Palissaden,  Castellen,  Magazinen  und  Wachen  an 
einem  Flusse  (Donau).  Das  römische  Heer  zieht  über  eine  Schilfbrücke ;  der  Kaiser  hält 
von  dem  Lagertribunal  (suggestum)  aus  eine  Anrede  an  das  Heer.  Die  Römer,  in  einer 
Stadt  concentrirt,  zerstören  bei  einem  Ausfalle  die  feindlichen  Ortschaften:  runde  Hütten 
von  Holzstämmen,  mit  einem  gewölbten  Dache  aus  Reisern  bedeckt.  Schleuderer,  welche 
Beinkleider  tragen,  im  Uebrigen  aber  nackt  sind,  werden  von  den  Römern  als  Bundes- 
genossen gewonnen.  Eine  siegreiche  Schlacht  und  darauf  Dankopfer  des  Kaisers.  In 
Folge  grosser  Trockenheit  herrscht  Wassermangel  im  römischen  Heere,  dem  viele  erlie- 
gen: lupiter  Pluvius  erscheint  endlich  mit  dem  ersehnten  Regen,  von  welchem  in  Strö- 
men triefend  er  selbst  dargestellt  ist,  und  die  Soldaten  sammeln  gierig  die  reichliche 
Fluth,  sie  mit  ihren  Schilden  auffangend.  Schon  diese  Scene,  welche  mit  einem  ander- 
wärts 2  erzählten  und  von  den  Kirchenvätern  öfters  berührten  Ereignisse  zusammenftillt, 


•  Dio  Cass.  (Xiphilin.)  LXXI.   c.  3—20.         '  id.  c.  8—10. 


Die  Säule  des  Marcus  Aurelius.  ^7  I 

gibt  uns  ausser  vielen  anderen  Momenten  einen  sichern  Beweis,  dass  unser  Relief  den 
angeführten  Krieg  des  Kaisers  M.  Aurelius  gegen  die  Deutschen  darstellt.  Es  erzählt 
nemlich  Dio,  dass  es  während  der  deutschen  Kriege  den  Quaden  einmal  gelang ,  die  Rö- 
mer einzuschliessen  in  der  Hoffnung,  diese  durch  Hitze  und  Durst  zwingen  zu  können, 
die  Waffen  zu  strecken.  Als  nun  bereits  die  Kräfte  der  Römer  bei  den  wiederholten  Ver- 
suchen, sich  durchzuhauen ,  durch  den  unerträglichen  Sonnenbrand  zu  ermatten  began- 
nen, da  erschienen  plötzlich  dunkle  Wolken  am  Himmel  und  ein  schwerer  Regen  strömte 
»nicht  ohne  göttliche  Fügung«  auf  die  verschmachtenden  herab.  »Man  erzählt  auch  in 
der  That«,  fügt  Dio  hinzu,  »dass  der  ägyptische  Magier  Arnuphis,  der  sich  in  dem  Gefolge 
des  Kaisers  Marc  Aurel  befand,  unter  anderen  Göttern  auch  den  Luftgott  Hermes  ange- 
rufen und  durch  diesen  den  Regenguss  herabbeschworen  habe.«  —  So  weit  Dio,  doch 
Xiphilinus,  dessen  Auszügen  wir  diesen  Theil  von  Dio  Cassius  römischer  Geschichte  ver- 
danken, setzt  mit  Dio's  entstelltem  Berichte  höchst  unzufrieden  jene  bekannte  Legende 
[von  der  legio  fulminata  daneben :  Der  Präfect  der  Leibwache  habe  nemlich  in  der  äusser- 
?sten  Bedrängniss  den  bestürzten  Kaiser  aufmerksam  gemacht,  dass  die  Gebete  der 
i  Christen  eine  ausserordentliche  Kraft  besässen  und  dass  man  eine  ganz  aus  Christen  be- 
stehende Legion  auffordern  solle,  zu  ihrem  Gotte  um  Rettung  des  ganzen  Heeres  zu 
flehen.  Der  Kaiser  habe  eingewilligt,  Gott  aber  das  Gebet  erhört,  die  Feinde  niederge- 
schmettert, die  Römer  aber  mit  einem  Platzregen  erfrischt.  Durch  dieses  Wunder  tief 
betroffen,  habe  der  Kaiser  einen  besonderen  Erlass  zu  Ehren  der  Christen  gegeben,  die 
Legion  aber  mit  dem  Ehrentitel  lulminala  [y,eQavvo(p6(jov)  bedacht.  Die  letztere  Notiz  ist 
■entschieden  irrig,  denn  die  fulminata  bestand  als  legio  XH.  schon  zu  Augustus  (nachweis- 
lich Nero's)  Zeit,^  was  aber  das  Ereigniss  selbst  betrifft,  so  ist  es  erklärlich,  dass  die  wun- 
derbar scheinende  Rettung  von  Heiden  und  Christen  einer  nach  ihrem  Standpunkte  ver- 
schiedenen göttlichen  Intervention  zugeschrieben  wurde,  wie  auf  unserem  Denkmal  dem 
lupiter  Pluvius,  der  allerdings  hier  rein  allegorisch  gefasst  sein  kann. 

Die  Fortsetzung  des  Reliefs  zeigt  nun  eine  Ueberschwemmung,  welche  die  Deut- 
schen hart  bedrängt:  ein  Theil  derselben  unterwirft  sich  mit  Weib  und  Kind  dem  Kaiser; 
andere  werden  in  einer  grossen  Schlacht  besiegt,  ihre  Hütten  in  Brand  gesteckt,  die  Wei- 
ber gefangen  weggeschleppt  und  die  Männer  an  das  sumpfige  Ufer  eines  Flusses  geftihrt, 
wo  sie  um  Gnade  flehen :  zwei  Barbarenfürsten  werden  vor  den  Kaiser  gebracht.  Man 
führt  die  Beute  auf  Wagen  weg ;  Marc  Aurel  erscheint  zu  Pferde,  in  Gestalt  und  Stellung 
dem  Reiterbilde  auf  dem  Capitol  ganz  ähnlich.  Die  Römer  gehen  auf  einer  Schiffbrücke 
über  einen  Fluss  und  erringen  einen  Sieg,  woftir  der  Kaiser  ein  Dankopfer  darbringt  und 


*  Orelli  (Henzen)  Inscr.  n".  517.  5447.  6497.  6522.  6777.     Dio  Cass.  LV.  23.     Vgl.  Becker-Marquardt,   Rö- 
mische Alterthümer  Bd.  fll.  Leipzig  4  853.     Das  Militärwesen.  §496. 


272  ^'^^  Marsfeld. 

siegen,  nachdem  sie  auf  Schiffen  über  einen  zweiten  Fluss  (die  beiden  Arme  der  March?) 
gesetzt  sind ,  abermals ;  die  Beute  wird  auf  Wagen  geladen.  Der  Kaiser  im  Gespräch 
mit  Germanenfürsten,  die  neben  ihm  sitzen,  begriffen,  nimmt  die  Huldigung  anderer  ent- 
gegen. Die  noch  übrigen  Feinde  werden  in  einen  Sumpf  getrieben ,  die  Wohnungen  in 
Brand  gesteckt;  unter  dem  Gedränge  der  Fliehenden  sieht  man  ein  gekröntes  Weib,  die 
übrigen  Barbaren  tragen  Mützen  von  der  Gestalt  eines  abgekürzten  Kegels.  Nach  mehren 
Schlachten  unterwerfen  sich  auch  diese,  und  das  römische  Heer  erstürmt  mit  dem  Schild- 
dach ihre  letzte  Verschanz ung.  Victoria ,  zwischen  Trophäen  stehend,  schreibt  den  Sieg 
auf  einen  Schild.  Unter  den  Trophäen  sieht  man  eine  Bärenhaut,  Beile,  Lanzen,  Schilde 
und  die  Drachen  als  Feldzeichen ,  welche  sich  auch  auf  dem  dacischen  Siegesdenkmal 
des  Traian  finden.  —  Oberhalb  dieser  Victoria,  welche  ungefähr  die  Mitte  des  Säulen- 
schaftes einnimmt,  beginnt  die  Darstellung  eines  zweiten  Feldzuges :  Dieselben  Barbaren 
erscheinen  im  Abfall  begriffen  und  greifen  die  römischen  Besatzungen  an.  Der  Kaiser 
setzt  abermals  mit  einem  Heere  auf  Schiffen  über  den  Strom  (Donau) ;  sogleich  kömmt 
ihm  ein  Germanenfürst  unterwürfig  entgegen,  stellt  Jungfrauen  als  Geiseln  und  lässt  die 
Anstifter  des  Aufstandes  enthaupten.  Andere  flehen  um  Gnade,  viele  erscheinen  im  Heere 
eingereiht.  Nach  einem  Reitergefechte  werden  zwei  Fürsten  mit  mehren  anderen  gefan- 
gen vor  den  Kaiser  geführt.  Gefangene  Frauen  werden  fortgeschleppt  und  auch  die  er- 
beuteten Heerden  weggetrieben ;  der  Kaiser  bringt  ein  Siegesopfer.  Nach  einer  zweiten 
Schlacht  gehen  die  Römer  über  eine  Schiffbrücke;  neue  Beutezüge,  darunter  Frauen  und 
Kinder.  Auf  einem  von  Rindern  gezogenen  und  mit  Polstern  belegten  Wagen  sitzen  zwei 
gefangene  Fürstinnen,  daneben  schreiten  Jünglinge  mit  langem  lockigen  Haar,  die  Hände 
auf  den  Rücken  gebunden.  Vor  einer  dritten  Schlacht  hält  der  Kaiser  eine  Anrede  an  das 
Heer :  ein  neuer  Sieg  hefert  wieder  reichliche  Beute ;  Weiber  und  Kinder  werden  in  den 
Sümpfen,  wohin  sie  sich  auf  der  Flucht  verborgen  hatten,  entdeckt  und  gefangen.  Die 
Wohnungen  und  befestigten  Plätze  der  Barbaren  werden  mit  Feuer  und  Karst  zerstört. 
Das  römische  Heer  zieht  wieder  über  eine  Schiffbrücke  und  eine  entscheidende  Schlacht 
zwingt  endlich  die  Feinde  zu  vollständiger  Unterwerfung.  Der  Zug  der  Gefangenen  und 
der  Beute  beschliesst  das  marmorne  Kriegsgemälde. 

Das  Denkmal  ist,  wie  schon  erwähnt,  ganz  der  Traiansäule  nachgebildet  und  na- 
mentlich die  Anordnung  des  Spiralreliefs  ganz  gleichartig.  Doch  die  Arbeit  desselben 
zeigt  sowohl  hinsichtlich  der  Composition  wie  auch  der  Feinheit  der  Ausführung  eine 
schon  sehr  merkliche  Kunstabnahme  seit  Traians  Zeit,  die  Bewegung  wird  oft  über- 
schwänglich,  Contour  und  Faltenwurf  schwer  und  hart ,  auch  ist  das  Profil  des  Rehefs 
derber  als  an  dem  traianischen  Denkmal,  wie  denn  überhaupt  bei  fortschreitendem  Kunst- 
verfall das  in  der  besten  Zeit  nur  sehr  schwach  vortretende  Relief  immer  mehr  vor- 
springt, bis  sich  Arme  und  Beine  vollständig  isoliren,  wie  wir  diess  schon  an  den  Reiter- 


3 


CO 


I 


Die  Säule  des  Marcus  Aurelius.  273 

gruppen  am  Piedestal  der  Säule  des  Antoninus  Pius  und  an  den  Reliefs  der  Septimius 
Severus-Säule  sehen. 

Wenn  auch  Namen  und  Bedeutung  unserer  Säule  schon  aus  den  Darstellungen 
des  Schaftreliefs  abgeleitet  werden  konnten ,  so  sind  doch  auch  noch  weitere  Beweise 
daftir  willkommen.  Die  Säule  selbst  wird  allerdings  seit  der  ersten  Erwähnung^  immer 
nur  Columna  Antonini  genannt  und  wir  haben  deshalb  ausser  der  allgemeinen  Notiz,  dass 
dem  Marc  Aurel  nach  seinem  Tode  Tempel,  Säulea,  eine  Priesterschaft  und  andere  Ehren 
decretirt  wurden,^  aus  der  Ueberlieferung  keinen  genaueren  Anhaltspunkt.  Doch  muss 
festgehalten  werden,  dass  die  einfache  Bezeichnung  der  Säule  selbst  auf  jeden  der  Anto- 
nine sich  beziehen  konnte,  und  selbst  der  Beiname  Pius,  den  man  angeblich  noch  auf 
dem  Sockel  vor  seiner  Erneuerung  lesen  konnte ,  wurde  auch  von  Marc  Aurel  angenom- 
men. Es  wäre  demnach  ganz  ungerechtfertigt,  das  Denkmal  gerade  dem  ersten  der  An- 
tonine zuzuschreiben.  Doch  begann  man  erst  diess  zu  bedenken,  als  man  die  besprochene 
Säule  im  Garten  der  Casa  della  Missione  ausgrub,  und  aus  der  vollständig  erhaltenen  In- 
schrift ihres  Sockels  sah,  dass  diese  dem  Antoninus  Pius ,  dem  Vorgänger  Marc  Aureis 
geweiht  war.  Nachdem  schon  diese  Entdeckung  in  Verbindung  mit  den  Darstellungen 
auf  der  Reliefsäule  auf  andere  Gedanken  gebracht,  gab  endlich  eine  im  J.  1 777  westlich 
an  der  Piazza  Colonna  ausgegrabene  Inschrift  (jetzt  im  Inschriftencorridor  des  Vaticans) 
vollständige  Gewissheit.  Sie  lautet :  ^ 

LIBELLVS     L 

OPERVIVl      PVBL 

SCRIPTA      SEVERO 

DOMINE  •  PERmiTTAS 

FICIO     IVIEO     POSCOLV.      • 
MARCI    ■    ET        FAVSTINA. 

PEDIBVS     PLVS     MIN. 

•   CERE    ET   INIVIATRI 

INIVRIA    CVIVSQVA 

SECVNDVIVI  •    LITTER 

RATIONALIVIVl    

SVBIECI      DA 

EXEMPLARIA  •  LITTE  CARE     LOGO     CANNABAE 

RARVIVI     RATIONALI  A  •  SOLO     IVRIS  •  SVI     PECVNIA 

VIVI     DOMINORVIYI  •  NN  SVA     PRAESTATVRVS     SOLARI 

SCRIPTARVM  •  PERTINEN  VIYI     SICVT  •  CETERI 

TES     AD     ADRASTVm  AELIVS      ACHILLES  •  C     L     PERPETV 

AVGG  •  NN     LIB  •  QVIBVS     AEI  VS     FLAVIANVS      EVTVCHVS 

PERmiSSVIVI     SIT     AEDIFI  EPAPHRODITO     SVO  •  SALVTEM 


'  Curios.  U.  R.  Reg.  LX. 
p.  524.     Orelli  Inscr.  39. 

F.  Rebbr,  dio  Ruinen  Roms. 


*  Aurel.  Vict.  Caess.  16.  Epil.  16. 


*  Anedotti  Letterarj  di  Roma.  Tom.  IV. 


35 


274 


Das  Marsfeld. 


TEGVLAS     OIVINES     ET  •  IIVIPENSA 

DE     CASVLIS  •  ITEIVI     CANNABIS 

ET     AEDIFICMS     IDONEIS     ADSIGNA 

ADRASTO     PROCVRATORI 

COLVIVINAE     DIVI  •  MARCI    VT 

AD     VOLVPTATEM     SVAM  ■  HOSPI 

TIVIVI     SIBI     EXSTRVAT     QVOD     VT 

HABEAT     SVI     IVRIS     ET     AD     HE 

REDES  •  TRANSMITTAT 

LITTERAE     DATAE     VIII    IDVS 

AVG     ROMAE     FALCONE     ET 

CLARO     COS 

AELIVS  .  ACHILLES  •  C     L     PERPETV 
VS  .  FLAVIANVS     EVTYCHVS     AQVI 

LIO     FELICI     HADRASTO     AVG     LIB 
AD     AEDIFICIVIVl     QVOD      CVSTODI 

AE     CAVSA     COLVIVINAE     CENTE 
NARIAE     PECVNIA     SVA     EXSTRVC 
TVRVS     EST  •  TIGNORVIVI     VEHES 
DECEIYI     QVANTI     FISCO     CONSTI 
TERVNT    CVM     PONTEM     NECES 


SE     FVIT     COMPINGI  :  PETIIVIVS 

DARE     IVBEAS     LITTERAE     DATAE 

Xllll  •  KAL  •  SEPT     ROMAE 

FALICONE     ET     CLARO     COS  • 

RATIONALES  •  SEIO     SVPERSTITI 

ET     FABIO  •  MAGNO     PROCVRA 

TOR     COLVIVINA  (?)     CENTENARIAE 

DIVI     IVIARCI     EXSTRVERE     HABI 

TATIONEIVl  •  IN     CONTERMINIS 

LOCIS     IVSSVS     OPVS     ADGREDIE 

TVR     Sl  •  AVCTORITATEIVl     VES 

TRAIYI     ACCEPERIT     PETIIVIVS 

IGITVR     AREAM     QVAM     DEMO 

NSTRAVERIT    ADRASTVS    LIB 

D  •  N     ADSIGNARI     El     IVBE 

ATIS  •  PRAESTATVRO     SECVNDVM 

EXEMPLVM     CAETERORVM     SO 

LARIVM     LITTERAE      DATAE 

VII     IDVS     SEP     ROMAE  •  RED 

DITAE     IUI     IDVS     SEPT     ROMAE 

ISDEM    COS  • 


Die  interessante  Doppelinschrift,  von  welcher  das  erste  verstümmelte  Stück  das  Gesuch 
des  Adrastus,  Freigelassenen  des  Septimius  Severus,  des  antiken  Gustoden  (procurator) 
der  Säule  des  Marc  Aurel  betreffs  der  Umw^andlung  seiner  Hütte  in  ein  bewohnbares 
Haus,  der  zweite  Theil  aber  die  Genehmigung  seines  Wunsches  in  drei  hier  in  Ab- 
schrift vorgetragenen  Decreten  enthält,  benennt  wiederholt  die  Säule  mit  dem  Namen  des 
Marc  Aurel  und  bezeichnet  sie  ausserdem  noch  näher  als  die  cokimna  centenaria  Divi 
Marci.  In  der  That  misst  die  Säule  mit  Base  und  Capital  100  Fuss,  was  jeden  Zweifel 
vollends  benehmen  muss.  Die  Decrete  stammen  aus  dem  Consulatsjahre  des  Falco  und 
Clarus,  mithin  193  n.  Chr.  und  zeigen  namentlich,  wie  hastig  Adrastus  die  Erhebung 
seines  Patrons  S.  Severus  benutzte,  denn  am  1 .  Jan.  desselben  Jahres  war  erst  Commo- 
dus,  drei  Monate  darauf  Pertinax  und  am  2.  Juni  Didius  Severus  ermordet  worden,  und 
schon  Anfangs  August,  zwei  Monate  nach  dem  Einzüge  des  Septimius  Severus  in  das 
blutbefleckte  Palatium,  erschien  das  erste  Decret,  welches  den  Wünschen  des  eilfertigen 
Bittstellers  entgegenkam. 

Was  die  Geschichte  der  Säule  betrifft,  so  ist  zu  vermuthen,  dass  das  Bronze- 
standbild, welches  sie  krönte,  sich  unter  dem  mehrerwähnten ^  Raube  befand,  den  Con- 
stans  H.  nach  Syrakus  und  die  Saracenen  nach  Alexandrien  flihrten.  Im  1 0.  Jahrhundert 
schenkte  Papst  Agapetus  II.  die  Säule  mit  dem  umliegenden  Platze  dem  Benedictiner- 


*  Vgl.  S.  193,  Anm.  2. 


Die  Säule  des  Marcus  Aurelius.  275 

kloster  SS.  Stefano,  Dionisio  e  Silvestro  (jetzt  S.  Silvestro  in  capite)  nach  einer  im  Archiv 
des  genannten  Klosters  noch  vorhandenen  Urkunde ,  in  welcher  überdiess  diese  Säule  im 
Gegensatze  zu  der  beschriebenen  etwas  kleineren  Granitsäule,  welche  vordem  auf  Monte 
Citorio  stand,  die  columpna  major  Anlonina  genannt  wird.''  Die  Mönche  dieses  Klosters 
bauten  bei  der  Säule  eine  Kirche,  S.  Andrea,  sahen  sich  aber,  nachdem  sie  bei  der  Ver- 
heerung Roms  durch  Robert  Guiscard  sehr  gelitten  hatten ,  gezwungen,  Säule  und  Kirche 
zu  veräussern.  Doch  gewannen  sie  bald  beides  wieder  und  der  damalige  Abt  Petrus 
machte  sie  durch  eine  Urkunde  vom  Jahre  1109,  die  noch  in  Marmor  eingegraben  in  der 
Porticus  der  Kirche  zu  sehen  ist  und  welche  von  Verwünschungen  gegen  den,  welcher 
seine  Verordnungen  jemals  zu  übertreten  wagen  sollte,  strotzt,  zum  ewig  unveräusser- 
lichen Eigenthum  des  Klosters.  Im  14.  Jahrhundert  ward  die  Säule  vom  Blitze  getroffen  ^ 
und  wahrscheinlich  dadurch  sehr  beschädigt ;  wann  sie  aber  wieder  dem  Besitzthum  des 
Klosters  entzogen  ward,  ist  nicht  bekannt.  Im  J.  1589  Hess  sie  Sixtus  V.  durch  Fontana 
herstellen,  das  ganze  Piedestal  überkleiden  und  auf  den  vier  Seiten  mit  Inschriften  ver- 
sehen, von  denen  drei  auf  Sixtus  Restauration,  auf  dessen  »Reinigung  des  Denkmals  von 
aller  Gottlosigkeit«  und  auf  die  Errichtung  der  Statue  des  heiligen  Paulus  sich  beziehen, 
die  vierte  aber  die  verunglückte  Stellvertretung  der  antiken  Inschrift  enthält,  von  welcher 
bereits  oben  gesprochen  worden  ist.  Seit  dieser  Restauration  steht  auf  einem  cylinder- 
förmigen,  oben  mehrfach  gegliederten  Piedestal  über  dem  Capital  an  der  Stelle  der  Kai- 
serstatue das  vergoldete  Bronzebild  des  Apostels  Paulus,  modellirt  von  Costantino  de 
Servi,  gegossen  von  Bastiano  Torrigiani. 

Die  Säule  war  vermuthlich  ähnhch  der  des  Traian  von  einer  Anlage  umgeben, 
welche  indess  nie  als  ein  Forum  galt.  Auf  eine  solche  Hallenanlage  könnten  vielleicht 
auch  die  Reste  einer  dreifachen  Porticus  in  Backsteinbau  bezogen  werden ,  welche  man 
an  der  Ostseite  (Palazzo  del  Principe  di  Piombino)  fand.^  Gewisser  ist,  dass  analog  der 
Anordnung  am  Traianforum  auch  vor  der  Säule  des  Marc  Aurel  ein  demselben  Kaiser 
geweihter  Tempel  gestanden  sei;*  doch  es  haben  sich  davon  nicht  bloss  keine  Spuren 
gefunden ,  es  ist  sogar  die  Lage  desselben  ganz  unbestimmbar.  Von  der  Unthunlich- 
keit,  in  der  Ruine  der  Dogana  di  Terra  einen  Ueberrest  dieses  Tempels  zu  erkennen, 
wurde  bereits  oben  gesprochen.  Am  wahrscheinlichsten  ist  es,  den  Tempel  an  der  West- 
seite, gegen  Monte  Citorio  hin  anzunehmen. 


'  Nibby,  Roma  nell'  anno  1838.  Parte  II.  antica.  p.  640.         *  Poggii  Florent.  de  forlunae  variel.  U.  Romae 
et  de  ruina  eiusdem  descriptio.    Opp.  Bas.   s.  a.    p.  131—437.  '  Fea,  Fiaiumenti  de'  Fasti  cons.  e  trionf. 

R.  1820.  p.  LXXVI.       *  Curios.  ürb.  Rom.  Reg.  IX.  cf.  .Aurel.  Vict.  Cacs.  16.  Epit.  16.    Script.  H.  A.  (Capitolin.) 
M.  Antonin.  18. 


276  ^*^  Marsfeld. 

47.     Die  Septa  lulia. 

Seit  wir  die  Ruinen  des  Traianforum  verliessen,  wurden  die  Ueberreste  einer  der 
1  4  Regionen,  in  welche  Augustus  die  Stadt  eintheilte,  und  zwar  der  neunten,  welche  den 
Namen  Circus  Flaminius  trug,  beschrieben.  Bei  dieser  poHtischen  Regioneneintheilung 
gab  es  kein  Marsfeld;  das  ganze  Gebiet  der  Ebene  nördlich  vom  Capitolinus,  das  ur- 
sprünglich den  Namen  Campus  Martins  trug,  wurde  damals  in  zwei  ungleiche  Theile  ge- 
schieden, deren  Gränze  die  nunmehrige  Hauptstrasse,  die  Via  del  Corso  bildete,  und  wie 
der  Theil  westlich  von  dieser  den  Namen  Circus  Flaminius  erhielt,  so  bekam  der  Theil 
östlich,  als  die  siebente  Region,  den  Namen  Via  lata  von  der  Strasse  selbst.  Diese  nur 
politische  Eintheilung  konnte  natürlich  den  alten  Namen  nur  theilweise  verdrängen ,  und 
so  blieb  namentlich  die  Bezeichnung  in  circo  Flaminio  nur  auf  den  Bezirk  unmittelbar  um 
die  genannte  Rennbahn  beschrankt,  während  man  nach  wie  vor  den  nördlichen  bis  in 
die  spätere  Kaiserzeit  nur  unvollständig  verbauten  Theil  als  Campus  Martins  zu  bezeich- 
nen pflegte,  ohne  jedoch  eine  bestimmte  Gränze  für  beide  Namen  zu  haben,  welche  auch 
die  vielfach  in  einander  greifenden  Anlagen  nicht  zuliessen.  Eine  entschiedenere  topo- 
graphische Gränze  bildete  die  Via  lata,  welche  mit  der  vom  Capitolinus  bis  an  die  Porta 
Flaminia  in  gerader  Linie  sich  hinziehenden  Via  del  Corso  unzweifelhaft  identisch  war, 
wie  aus  dem  fortwährend^  und  selbst  noch  über  das  Mittelalter  hinaus ^  daranhaftenden 
Namen  erhellt,  welcher  sich  bei  der  Kirche  S.  Maria  in  Via  Lata  sogar  bis  auf  den  heu- 
tigen Tag  erhalten  hat.  Unzweifelhaft  war  diese  Strasse ,  welche  den  Anfang  der  Via 
Flaminia  bildete,  zu  beiden  Seiten  mit  Gebäuden,  Denkmälern  und  Hallen  besetzt,  von 
welchen  man  jedoch  jetzt  ausser  der  etwas  abstehenden  Triumphsäule  des  M.  Aurel 
äusserlich  keine  Spur  mehr  wahrnimmt.  Auch  die  unerquickliche  Untersuchung  der  mo- 
dernen Gebäude  im  Innern,  der  Mauern  und  Substructionen  in  den  Kellerräumen  liefert 
nur  ein  einziges  Resultat  von  Bedeutung.  Ein  Theil  des  Palazzo  Pamfili-Doria  und  der 
Kirche  S.  Maria  in  Via  Lata,  welche  sich  zwischen  Piazza  Colonna  und  Piazza  di  Vene- 
zia,  der  letzteren  näher  auf  der  Westseite  des  Corso  neben  einander  befinden,  ruht  nem- 
lich  auf  antiken  Travertinpfeilern  über  1  Met.  im  Quadrat  stark,  welche  nach  einer  Seite 
hin  4,60,  nach  der  andern  5  Met.  von  einander  abstehen  und  einer  mehrschiffigen  langen 
und  ganz  gleichmässig  von  Pfeilern  getragenen  Halle  angehören.  Unter  Palazzo  Doria 
sind  wenigstens  drei,  unter  der  Kirche  S.  Maria  in  Via  Lata  vier  Reihen  solcher  Pfeiler 
nachweisbar,  welche,  wie  der  roh  behauene  Stein  vermuthen  lässt,  ursprünglich  mit  Mar- 
mor bekleidet  waren. 


*  Anastas.  Biblioth.  V.  Greg.  II.  &  IV.    Hadrian.  «&  Benedict!  III.    (Paris  1fi49.  p.  67.  163.  (112.)  117.  204.; 
*  L.  Fauno,  delle  Antichitä  della  cittä  di  Roma.  Ven.  1548.  I.  IUI.  c.  17.   foi.  130. 


Die  Septa  lulia.  277 

Die  Bedeutung  dieser  dürftigen  Ueberreste  kann  fast  mit  völliger  Gewissheit  be- 
stimmt werden.  Es  berichtet  nemhch  Frontin,^  dass  die  Bogen  der  Aqua  Virgo ,  welche 
Leitung  bekanntlich  die  Thermen  des  Agrippa  speiste,  im  Marsfelde  längs  der  Fagade  der 
Septa  endigten.  Die  Wasserleitung,  welche  noch  im  Gange  ist,  allein  jetzt  schon  in  der 
prachtvollen  Fontana  Trevi  ihren  Hauptzielpunkt  hat,  musste ,  um  zu  den  Thermen  (von 
denen  oben  gesprochen  wurde)  zu  gelangen ,  ungeföhr  hier  die  Via  Lata  überschreiten, 
was  auch  einige  bezügliche  Funde  bestätigt  haben.  Unweit  von  der  Kirche  S.  Maria  in 
Via  Lata  nördlich  wurde  nemlich  in  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  wirklich  ein  Stück 
der  Leitung  selbst  entdeckt,  und  zwar  als  man  den  Grund  für  die  Kirche  S.  Ignazio  grub, 
an  der  Stelle,  an  welcher  sich  später  die  Fagade  dieser  Kirche  selbst  erhob. ^  Es  war  ein 
grösserer  Bogen  zwischen  kleineren,  wodurch  offenbar  ein  zweiter  Uebergang  über  eine 
Strasse,  welche  der  Via  Lata  ungeföhr  parallel  lief,  angezeigt  wurde.  Die  damals  ausge- 
grabene Ruine  war  wenigstens  noch  so-erhalten,  dass  Donati  Plan  und  Aufriss  ziemlich 
detaillirt  aufnehmen  konnte.  Uebereinstimmend  mit  diesem  Punkte,  der  auch  ganz  der 
Linie  entspricht,  welche  die  Leitung  von  der  Fontana  Trevi  nach  den  Thermen  des 
Agrippa  einschlagen  musste,  kann  der  Bogen,  auf  welchem  die  »Virgo«  die  Via  Lata  über- 
schritt, nur  an  dem  Südende  der  Piazza  Sciarra  angenommen  werden,  eben  da ,  wo  man 
nach  demselben  Berichterstatter,  wie  es  scheint,  fast  gleichzeitig  (1641)  die  Reste  eines 
anderen  Bogens  ausgrub,  der  jedoch  nach  der  fragmentirt  gefundenen  Inschrift  ein 
Triumphalbogen  gewesen  zu  sein  scheint.^ 

T I  •  CLAVdio  •  Drusi  •  f  •  Calsari 

AVGVsto  •  Gerinanico 
PON T I F I  Ci  •  Max  •  Trib  •  Pot  •  XI 
COS    VI  Mperatori  •  XXIIII  •  P  •  P 
SENATVS  •  POpulusque  •  Roinaiius  •  quod 

REGES  •  BR I  Tanniai  •  perduelles  •  sine 
VLLA  •  I  ACTVra  •  suoruui  •  domuerit 
GENTESQVE  •  Barbaras  •  ultra  •  Oceauum 
PRI  MVS-  INDICioiiem  •  populi  •  R  •  redegerit 

Es  ist  indess  nicht  unmöglich,  dass  dieser  dem  Claudius  bei  Gelegenheit  seines  Triumphes 
über  Britannien  errichtete  Bogen  zur  Verkleidung  des  Strassenbogens  der  Virgo  benutzt 
wurde,  besonders  da  Claudius  selbst  es  war,  welcher  diesen  Theil  der  Leitung,  der 
von  Caligula  *  wahrscheinlich  als  Opfer  der  unvollendet  gebliebenen  Anlage  seines  Amphi- 


•   de  aquaeduct.  I.  22.  *  A.  Donati  Roma  vetus  ac  recens.    Lib.  III.  c.  <8.     (Graev.  Thes.  Ant.  Rom. 

tom.  III.  p.  763  sq.)  '  id.  Lib.  III.  c.  <6.     (Graev.  tom.  III.  p.  752.)     Nardini,  Roma  vetus.    (Graev.  tom.  IV. 

p.  1298.)  Orelli  (Henzen)  Inscr.  n».  716.  —  Becker  (Hdb.  d.  röm.  Alterth.  S.  598,  Anm.  1282)  hätte  sich  durch  die 
Verwechselung  des  Erhaltenen  und  des  Ergänzten  bei  Donatus  um  so  weniger  beirren  lassen  sollen ,  als  das  Fi'ag- 
ment  sich  noch  in  der  von  Donatus  bezeichneten  Sammlung  befindet.         *  Sueton.  Calig.  21. 


9'78  Das  Marsfeld. 

theaters  neben  der  Septa  zerstört  worden  war,  wiederherstellte,  wie  wir  aus  der  In- 
schrift eines  anderen  noch  erhaltenen  Strassenüberganges  der  Aqua  Virgo  sogleich  sehen 
werden. 

Ohne  Zweifel  von  demselben  Bogen  auf  Piazza  di  Sciarra  hatte  man  schon  hun- 
dert Jahre  vorher,  unter  Pius  IV.  (1559 — 1560),  eine  grosse  Masse  von  Relieffragmenten 
ausgegraben,  auf  denen  schon  Flaminio  Vacca  den  Porträtkopf  des  Claudius  zu  erkennen 
glaubte.''  Damit  darf  aber  nicht,  wie  geschehen  ist,^  ein  anderer  Bogen  der  Via  Lata 
confundirt  werden,  dessen  Reste  geraume  Zeit  (an  zwei  Jahrzehnte)  früher  und  bei  der 
Kirche  S.  Maria  in  Via  Lata  gefunden  worden  waren. 3  Dass  auch  diess  ein  Ehrenbogen 
gewesen  sei,  erhellt  aus  den  gefundenen  Sculpturen,  welche  Victorien  und  Trophäen  dar- 
stellen und  der  Inschrift  VOTIS  X  und  VOTIS  XX,  welche  auch  am  Constantinbogen 
vorkommen.  Dieser  Bogen  konnte  mit  der  Wasserleitung  nicht  in  Verbindung  stehen, 
w^elche  die  Strasse  weiter  nördlich  überschritten  haben  musste;  welchem  Kaiser  jedoch 
dieser  gewidmet  war,  ist  nicht  nachzuweisen ,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  einem  der 
späteren. 

Wenn  aber  dadurch  der  Gang  der  Aqua  Virgo  in  dieser  Gegend  bestimmt  ist ,  so 
wird  auch  die  Lage  der  Septa  unzweifelhaft.  Denn  dass  diese  nicht  nördlich  von  der 
Leitung  angenommen  werden  können,  erhellt  aus  dem  Umstände,  dass  sie  mit  der  ihnen 
angefügten'*  Villa  publica  ausdrücklich  und  wiederholt  in  der  Nähe  des  Circus  Flaminius,^ 
und  unter  den  insgesammt  in  dieser  Südhälfte  des  Marsfeldes  befindlichen  Gebäuden, 
welche  der  grosse  Brand  unter  Titus  ergriflen  hatte,  genannt  werden.^  Und  dass  sie  fer- 
ner auf  der  Westseite  der  Via  Lata  (Corso)  sich  befanden,  ist  ausser  der  wiederholten 
Bezeichnung  in  campo  Martio  mit  Bestimmtheit  daraus  zu  entnehmen,  dass  sie  dem  Tem- 
pel der  Isis  zunächstliegend  genannt  werden"^  und  dass  nach  der  angezogenen  Stelle  des 
Frontin  die  Bogen  der  Virgo  bei  ihnen  endeten,  was  in  Rücksicht  auf  die  bei  S.  Ignazio 
entdeckten  Bogen  nur  dann  Wahrheit  haben  kann ,  wenn  die  Septa  den  Thermen  des 
Agrippa  möglichst  nahe  waren.  Unmittelbar  anstossen  aber  konnten  sie  nicht ,  denn  die 
schon  besprochenen  Tempel  der  Minerva  Chalcidica  (S.  Maria  sopra  Minerva)  und  der 
Isis  und  des  Serapis  lagen  erweislich  dazwischen  und  den  Thermen  östlich  zunächst.  Es 
bleibt  sonach  für  die  Septa  kein  anderer  Raum  möglich  als  derjenige,  welchen  jetzt  zum 
grossen  Theile  Palazzo  Doria,  die  Kirche  S.  Maria  in  Via  Lata,  Palazzo  Boncampagni  und 
das  Collegio  Romano  sammt  der  Kirche  S.  Ignazio  einnehmen,  mithin  der  Raum,  in  wel- 
chem sich  noch  die  erwähnten  Pfeilerüberreste  befinden. 


*   Memorie  n«.  28.    (G.  Fea,  Miscell.  p.  LXVII.)  *  Becker,  Handb.  d.  röm.  Alt.    Bd.  1.    S.  S97.   624. 

^  L.  Fauno,  Antichitä  &c.  Ven.  1658.  fol.  4  30.  *  Cic.  ad  Att.  IV.  4  6.  "  Strabo  V.  4    p.  249.     Lucan.  II. 

V.  197  sq.     Val.  Max.  IX.  2,  1.     Liv.  Epit.  LXXXVIII.  cf.  Plut.  Süll.  30.     Senec.  de  dem.  I.  12.     (Becker,  Hdb. 
d.   rom.  Alterth.   Bd.  I.  S.  626,  Anm.  1326  )         "  Dio  Cass.  LXVI.  24.         ^  luven.  VI.  v.  528  sq. 


Die  Septa  lulia. 


279 


Dass  nun  auch  wirklich  diese  Pfeiler  Reste  der  Septa  seien ,  erhält  durch  drei 
Originalfragmente  des  capitolinischen  Planes  (Tab.  X)  ^  eine  scheinbar  fast  unumstössliche 
Bestätigung.  Wir  haben  nemlich  hier  einen  langen  Tract  eines  auf  einer  Masse  von  Pfei- 
lern ruhenden  Gebäudes  ganz  in  der  regelmässigen  und  monotonen  Weise  gegliedert, 
wie  diess  aus  den  Ueberresten  in  den  Souterrains  von  Palazzo  Doria  und  S.  Maria  in  Yia 
Lata  noch  zu  erkennen  ist.  Die  Fragmente  zeigen  mit  Einschluss  der  verstärkten  Fagade- 
pilaster  an  beiden  Seiten  168  Pfeiler  des  nur  acht  Pfeiler  breiten,  jedoch  sehr  lang  sich 
hinstreckenden  Gebäudes,  von  welchem  überdiess  noch  ein  grosser  Theil,  der  die  In- 
schrift bis  auf  die  letzten  Buchstaben  trug,  fehlt.    Die  erhaltenen  Endbuchstaben  (LIA) 


26.   Septa  lulia.   (Fragmente  des  capitoIiDischen  Planes.)  (F.  R.) 


aber  werden  und  wohl  mit  Recht  von  Nibby,  Canina,  Becker  und  anderen  in  Septa  lulia 
ergänzt.  Die  Sache  stimmt  formell  vollkommen,  es  finden  sich  aber  bedeutende  innere 


'  Bellorii  Fragmenta  vestigii  veteris  Romae.     (Graev.  Thes.  A.  Rom.  tora.  IV.  tab.  X.) 


280  Das  Marsfeld. 

Schwierigkeiten,  welchen  jedoch  die  Besprechung  des  Zweckes  und  der  Geschichte  der 
Septa  vorausgeschickt  werden  muss. 

Die  Septa  waren  ursprünghch  ein  leicht  abgeschlossener  Raum ,  in  welchen  bei 
der  Volksversammlung  die  Centurien ,  wie  es  scheint ,  einzeln  eintraten ,  um  dort  abzu- 
stimmen, ein  Raum,  den  wir  kaum  als  bauliche  Anlage  uns  denken  dürfen,  sondern 
anfönglich  in  der  Art,  wie  diess  bei  den  Tributcomitien  auf  dem  Forum ^  und  zwar 
noch  am  Ende  der  Republik ^  geschah,  nur  mit  Seilen,  später  mit  leichten  Holzwän- 
den umfriedet.^  Die  Umzäunung  gab  den  Namen  Septa,  und  da  das  Ganze  einer  Um- 
friedung nicht  unähnlich  sah,  mit  welcher  die  Hirten  die  Schafheerden  auf  freiem 
Felde  zur  Nachtzeit  zusammenzuhalten  pflegten,  so  wechselte  dieser  erstere  Name 
bald  mit  der  anfangs  gewiss  nur  scherzweise  gebrauchten  Bezeichnung  Ovile  ab.*  Ein 
Gebäude  wurde  diese  Stätte  erst  durch  lulius  Cäsar,  und  wir  haben  keinen  Grund 
anzunehmen,  dass  dieses  auf  einer  anderen  als  der  bereits  üblichen  Stelle  erstand. 
Von  dem  Projecte  spricht  Cicero,^  welcher  es  als  etwas  ganz  ausserordentliches  preist 
und  erwähnt,  dass  die  Anlage  ganz  in  Marmor  ausgeführt  mit  einer  grossartigen  Por- 
ticus,  deren  auch  Plinius  erwähnt,^  im  Umkreise  von  1000  Schritten,  umgeben  und 
mit  der  (neuen?)  Villa  publica  in  Verbindung  gesetzt  werden  solle.  Allein  Cäsar  erlebte 
die  Vollendung  des  Baues  nicht,  zu  welcher  erst  Agrippa,  nachdem  Lepidus  die  Ar- 
beiten fortgesetzt  hatte,  gelangte  und  dem  Gebäude  bei  der  Einweihung  im  J.  727 
d.  St.  (27  V.  Chr.)  den  Namen  Septa  lulia  gab.''  Die  Stätte  hatte  ihre  frühere  Bedeu- 
tung und  desshalb  auch  ihre  innere  Einrichtung  noch,  wenn  auch  nur  zu  formellem 
Gebrauche,  es  war  noch  immer  ein  freier,  jetzt  statt  von  Bretterwänden  von  statt- 
lichen Hallengängen  umschlossener  Raum,  der  so  gross  war,  dass  nicht  bloss  voll- 
ständige Volksversammlungen,  für  welche  eine  besondere  Rednerbühne  im  Innern 
angebracht  war,^  daselbst  gehalten  werden  konnten,  sondern  dass  auch  Gladiatoren- 
spiele ^  und  sogar  eine  Naumachie  ^  ^  dort  veranstaltet  wurden.  Die  Hallen  waren  jeden- 
falls mit  Kunstwerken  ausgeziert,  wenigstens  findet  sich  von  Meisterwerken  in  den 
Septa  Nachricht.^ ^  Wie  schon  erwähnt,^^  wurden  auch  die  Septa  mit  so  vielen  anderen 
Prachtbauten  des  Marsfeldes  von  dem  grossen  Brande  unter  Titus  im  J.  80  v.  Chr. 
wenigstens  theilweise  zerstört.  Eine  Wiederherstellung  wird  erst  von  Hadrian  berich- 
tet,^^ und  doch  finden  sich  unter  Domitian  die  Septa  mehrfach,  aber  zu  ganz  ande- 
rem Gebrauche  erwähnt.  Die  Sache  ist  unschwer  zu  erklären:  die  Anlage  konnte 
theilweise  zerstört  sein,  doch  wozu  brauchte  man  die  vollständige  Umfriedung,  wozu 


*  Dionys.  VII.  59.         *  Appian.  B.  C.  III.  30.         *  Serv.  ad  Virg.  Ecl.  I.  v.  34.         *  id.  1.  c.         *  ad  Att. 
IV.  16.         «  H.  N.  XVI.  40,  76,  204.  '  Dio  Cass.  LIII.  23.         «  id.  LVI.  1.         '  id.  LV.  8.  10  et  al.  "  id. 

LIX.  10.  cf.  Becker,  Handb.  d.  röm.  Alterth.  S.  633.         "  Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4.  29.       **  Dio  Cass.  LXVI,  24. 
'*  Script.  Hist.  Aug.  (Spartian.)  Hadr.  19. 


I 


I 


Die  Septa  lulia.        Strassendenkmal  der  Aqua  Virgo.  281 

den  weiten  Versammlungsplatz !  Die  erhaltenen  Hallen  aber  waren  zum  römischen  Bazar 
geworden,  »wo  Rom  seine  goldenen  Schätze  feilbot«,^  und  zum  Tummelplatze  für  neu- 
gierige Müssiggänger.2  Dass  auch  von  Hadrian  die  Septa  nicht  in  ihrer  ursprünglichen 
Gestalt  hergestellt  wurden,  wozu  auch  das  bereits  vollständig  entwickelte  Kaiserthum 
keinen  Anlass  mehr  gab,  sehen  wir  aus  den  erhaltenen  Planfragmenten.  Der  freie  Platz 
fiel  weg  und  wurde,  wie  wir  deutlich  sehen,  durch  Privatbauten  in  Anspruch  genommen, 
dagegen  wurde  eine  Seite  der  vormals  ringsumlaufenden  Porticus  erweitert  und  zum 
siebenfachen  Hallengang,  der  Raum  genug  bot  für  den  Luxushandel ,  welcher  wohl  über 
die  Zeit  Martials  hinaus  in  den  Räumen  der  Septa  fortdauerte. 

So  erklären  sich  am  einfachsten  die  Planfragmente  wie  die  Ueberreste.  Denn  in 
den  engen  Hallen  die  Septa  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  zu  suchen ,  wäre  eben  so 
gedankenlos,  als  es  ungenau  und  den  auf  dem  capitolinischen  Plane  verzeichneten  Pri- 
vatgebäuden auf  beiden  Seiten  entgegen  wäre,  an  diesen  siebenfachen  Corridoren  an- 
stossend  erst  die  Area  der  Septa  zu  construiren.  Als  jener  unschätzbare  Plan  angefertigt 
wurde  (Septimius  Severus),  hatten  die  Septa  lulia  die  Bedeutung  längst  verloren,  ihre 
Gestalt  aber  wesentlich  verändert,  und  nur  der  Name  haftete  noch  an  der  Stätte ,  wie  er 
desshalb  auch  jetzt  noch  mit  Recht  den  erhaltenen  Resten  beigelegt  werden  kann. 


48.    Strassendenkmal  der  Aqua  Virgo. 

Wenden  wir  uns  wieder  nordwärts  und  beugen  dann  nach  einer  kurzen  Strecke, 
noch  ehe  wir  Piazza  di  Sciarra  erreichten,  vom  Corso  rechts  in  die  Via  dei  tre  Ladroni,  so 
gelangen  wir ,  diese  und  deren  Fortsetzung,  die  Via  dell'  Umiltä  verfolgend,  in  die  Via  di 
S.  Vincenzo,  welche  auf  einen  kleinen  Platz  mündet,  der  zum  grossen  Theile  von  der  im- 
posanten Fontana  di  Tre  vi,  dem  modernen  von  Clemens  XH.  im  J.  1 735  begonnenen,  doch 
erst  von  Clemens  XHI.  im  J.  1 762  vollendeten  Hauptbrunnen  der  Aqua  Virgo  eingenommen 
wird.  Geht  man  nun  an  der  Fontana,  die  sich  an  eine  Seite  des  Palazzo  Poli  anlehnt,  rechts 
vorbei  in  die  Via  della  Stamperia  und  beugt  dann  links  in  die  Via  del  Nazareno ,  so  ge- 
langt man  zu  einem  noch  sichtbaren  Theile  der  antiken  Leitung,  welche  sich  in  dem 
Hause  No.  1 2  wenig  über  dem  Niveau  der  modernen  Strasse  hinzieht.  Um  sie  zu  be- 
sehen, steigt  man  unmittelbar  nachdem  man  in  das  Haus  getreten,  eine  kleine  Treppe 
hinab  zu  einem  ziemlich  verwahrlosten,  zum  Theil  überwölbten  modernen  Corridor, 
dessen  eine  Wand  die  Leitung  selbst  bildet,  deren  Bogen  jedoch  bis  auf  den  Körper  des 
Kanales  selbst  verschüttet  sind.   Nahe  dem  Eingange  strömt  ein  starker  Wasserstrahl  in 


'  Martial.  IX.  59.  X.  80.  "  id.  II.  U. 

r.  Reber,  die  Kuincn  Roms.  36 


28» 


Das  Marsfeld, 


ein  langes  Becken,  welches  zumeist  von  Wäscherinnen  besetzt  ist.   Am  Ende  des  Corri- 
dors  sieht  man  noch  eine  etwas  vorspringende  Attika,  welche  einen  Strassenübergang 


27.    Sli'asseiibofjen  dei'  Aqua  Virgo.   (F.  R.) 


des  Aquäducts  kennzeichnet.  Wie  man  diess  auch  sonst,  besonders  an  zwei  noch  zu 
besprechenden  Thoren  der  aurelianischen  Mauer  findet,  war  der  Strassenbogen  zugleich 
zu  einem  Denkmal  benutzt  und  die  Attika  mit  einer  noch  deutlich  sichtbaren  Inschrift 
versehen,  deren  Anfang  jedoch  vermauert  ist.   Sie  lautet: 

Ti  Claudius    DRVS I    F  CAESAR  AVGVSTVS  •  GERMAN I CVS 

PontiPex  MAXIM   TRIBPOTVIMPXTP   P   cos    DESIGTTTT 

arcusductuSAQVAE   VIRGIN  IS- DI  STVRBATOS    PER   CCAESAREM 

a .  fundameNTIS-  NOVOS   FECIT  AC    RESTITVIT 

Dieselnschrift,  welche  wir  schon  aus  einer  Abschrift  vom  9.  Jahrhundert^  kennen,  ist 
von  einem  einfachen,  weit  vorspringenden  Carnies  überschattet :  unterhalb  sieht  man  den 
dreifach  gestuften  Architrav,  welcher  auf  dorischen  Pilastern  ruht,  von  deren  Capitälen 
man  noch  eines  aus  dem  mit  Wasser  gefüllten  Becken  hervorragen  sieht.    Das  ganze 


'  Anonym.  Einsiedl.   (Arch.  f.  Philol.  &c.  Suppl.  Bd.  V.  S.  120. 


Slrassendenkmal  der  Aqua  Virgo.  283 

Denkmal  besteht  aus  gewaltigen  Travertinblöcken ,  auch  die  einfache  Fortsetzung  der 
Leitung  neben  dem  Strassenbogen ;  die  Maasse  sind  für  den  Architrav  0,65,  für  die  In- 
schriftfläche 1,40,  für  den  Carnies  0,7o  Met.  in  der  Höhe,  während  das  Gebälke  des  Bogens, 
so  weit  es  offen  hegt,  5V2  Meter  in  der  Länge  misst. 

Wie  aus  der  Inschrift  hervorgeht,  gehörte  der  Bogen  zur  Aqua  Virgo  und  wurde 
von  Claudius,  nachdem  C.  Caesar  (Caligula)  diesen  Theil  der  Leitung  wahrscheinlich 
wegen  der  Anlage  des  Amphitheaters  neben  den  Septa^  zerstört  halte,  bei  der  Wieder- 
herstellung derselben  im  J.  799  d.  St.  (46  n.  Chr.)  gebaut.  Die  Aqua  Virgo  war  nach 
dem  Vorausgange  der  Aqua  Appia,  Anio  vetus,  Marcia,  Tepula  und  lulia  die  sechste  der 
Stadt  und  wurde  von  Agrippa  im  J.  727  d.  St.  (27  v.  Chr.)  angelegt,  hauptsächlich  um 
seine  Thermen  auf  dem  Marsfelde  zu  speisen.  Sie  begann  an  der  Via  CoUatia  beim  achten 
Meilensteine  und  hatte,  die  vielen  Krümmungen  eingerechnet,  eine  Länge  von  14105 
Doppelschritten  (20861  Met.  ^),  von  denen  jedoch  nur  etwa  der  elfte  Theil  über  der  Erde, 
das  Uebrige  in  unterirdischen  Kanälen  geführt  war.  Die  Leitung  erreicht  bei  dem  soge- 
nannten Muro  torto  den  aurelianischen  Mauerring  und  den  Pincio ,  durch  dessen  Felsen 
ein  Kanal  gebrochen  ward,  der  unter  der  Villa  Medici  (jetzt  Academia  di  Francia),  dem 
Garten  von  Trinitä  de'  Monti  bis  zur  Strasse  Capo  le  Case  sich  hinzieht,  wo  sie  in  antiker 
Zeit  wieder  aus  dem  Hügel  heraustrat,  um  bald  die  Strasse  zu  überschreiten,  deren 
Denkmal  wir  eben  beschrieben  haben.  Von  dem  weiteren  Gange  bis  zu  ihrem  antiken 
Zielpunkte,  den  Thermen  des  Agrippa  wurde  schon  bei  der  Besprechung  der  Septa 
lulia  gehandelt.  Ueber  den  Grund  des  Namens  Virgo  war  man  schon  im  Alterthume 
nicht  einig :  die  einen  ^  leiten  ihn  von  der  anmuthigen  Legende  ab ,  nach  welcher  einst 
ein  Mädchen  durstigen  Soldaten  die  Quellen  gezeigt  haben  soll ,  von  welchem  Ereignisse 
noch  später  ein  Gemälde  in  der  Kapelle ,  die  man  bei  jenen  Quellen  erbaute,  Zeugniss 
gab.  'Andere''  glaubten,  dass  der  Quellbach  desshalb  den  Namen  »Jungfrau«  erhalten 
habe ,  weil  er  längere  Zeit  neben  dem  Herculaneus  rivus  dahinströmte ,  ohne  sich  mit 
diesem  zu  verbinden.  Eine  dritte  Erklärung  ^  schreibt  den  Namen  der  von  keiner  Makel  ge- 
trübten {quod  nullis  sordibus  poUuatur)  Reinheit  dieses  Wassers  zu.  Wegen  dieser  Reinheit 
und  besondern  Frische  war  auch  das  Wasser  dieser  Leitung  zum  Baden  das  beliebteste, 
wie  schon  bei  der  Besprechung  der  Thermen  des  Agrippa  erwähnt  worden  ist ,  doch 
zum  Trinken  zog  man  die  Marcia  vor.^ 

Von  der  Unterbrechung  der  Wasserleitung  durch  den  wahnsinnigen  Caligula 
haben  wir  den  monumentalen  Zeugen  eben  betrachtet ;  nachher  blieb  die  Leitung  Jahr- 
hunderte lang  im  ungestörten  Gange  und  entging  durch  den  grossen  Vorzug,  dass  sie 


*  Sueton.  Calig.  21.  *  F.  Hultsch,  Griech.  u.  röm.  Metrologie.  Berl.  1862.  p.  302.  '  Frontin.  de  aquae- 
duct.  I.  10.  *  Plin.  H.  N.  XXXI.  3,  25,  42.  '  Cassiodor.  Var.  VII.  6.  •  Plin.  H.  N.  1.  c.  Frontin.  de  aq. 
II.  91  &  92. 

»6* 


2 §4  Das  Marsfeld. 

grösstentheils  unterirdisch  und  unsichtbar  war,  selbst  den  Verwüstungen  des  Vitiges  im 
J,  535,  welcher  die  anderen  Bogenleitungen  insgesammt  hatte  unterbrechen  lassen.  Doch 
die  lange  Vernachlässigung  machte  endlich  im  J.  786  unter  Papst  Hadrian  I.  eine  gründ- 
liche Reinigung  unab weislich ,  worauf  denn  das  bis  auf  den  heutigen  Tag  für  die 
Hauptstadt  unschätzbare  Wasser  wieder  in  der  ursprünglichen  Fülle  floss,^  ohne  dass 
wir  von  einer  weiteren  Unterbrechung  eine  Erwähnung  finden.  Als  jedoch  Clemens  XII. 
den  Plan  fasste,  die  Leitung  zu  dem  imposanten  Brunnen  auf  Piazza  di  Trevi  zu  be- 
nutzen, da  schien  die  zugeführte  Wassermasse  nicht  ausreichend,  und  der  ganze  Kanal 
wurde  desshalb  tiefer  gemeisselt,  um  eine  grössere  Quantität  fassen  und  liefern  zu 
können.  Seitdem  mit  Sorgfalt  überwacht,  versorgt  in  der  That  die  Aqua  Virgo  den 
grössten  Theil  der  Stadt  mit  ihrem  vortrefflichen  Wa'^ser. 


49.  Die  Reste  vom  Triumphbogen  des  Marc  Aurel. 

Von  der  Via  del  Nazareno  gelangt  man  in  westlicher  Richtung  durch  die  Via 
del  Pozzetto  und  deren  Fortsetzung,  die  Via  di  S.  Claudio,  wieder  auf  den  Corso. 
Verfolgt  man  nun  diesen  eine  kleine  Strecke  weit  nordwärts  bis  zur  Einmündung  der 
Strada  della  Vite,  so  erblickt  man  an  dem  Eckhause  der  genannten  Strasse  rechts 
eine  Gedenktafel,  welche  berichtet,  dass  Papst  Alexander  VII.  den  Corso  regulirt  und 
von  hinderlich  vorspringenden  Gebäuden  befreit  habe.  Die  Hauptsache  für  den  Alter- 
thumsfreund  verschweigt  jedoch  die  Inschrift;  an  der  Stelle  nämlich,  wo  jetzt  jener 
Stein  angebracht  ist,  stand  vorher  ein  antiker  Triumphbogen,  welcher  damals  (1662) 
» publicae  commoditati  et  ornamento ! «  weichen  musste.  Dieser  Bogen  war  allerdings 
sehr  entstellt  und  verbaut,  wie  wir  aus  alten  Zeichnungen  entnehmen  können, ^  zeigte 
aber  auf  der  Piazza  del  Popolo  zugewandten  Seite  noch  zwei  Säulen  von  verde  an- 
tico  auf  der  linken  Seite  mit  geschwellten  Basamenten  und  ebenfalls  ausgebauchtem 
Friese,  mit  zwei  Reliefs.  Auch  auf  der  anderen  Seite  waren  noch  zwei  Säulen  von 
demselben  kostbaren  Material  vorhanden.  Beim  Abbruche  kamen  zwei  von  den  vier 
Säulen  in  die  Kirche  S.  Agnese  auf  Piazza  Navona,  wo  sie  den  Hauptaltar  schmücken, 
und  die  anderen  in  die  Kapelle  Corsini  von  S.  Giovanni  in  Laterano,  der  Bogenschlüs- 
sel  aber  in  das  Universitätsgebäude,  die  sog.  Sapienza,  wo  er  am  Fusse  der  Treppe 
zur  Rechten  sich  befindet. 

Die  beiden  Reliefs  aber,  das  Bedeutendste  jenes  Denkmals,  kamen  in  das  capi- 
tolinische  Museum,  und  von  da  im  J.  1815  in  den  gegenüberliegenden  Conservatoren- 


*  Aiiastas.  Bibl.  de  vit.  Pontif.  Paris  1649.  p.  14  4.         *  Originalzeichnung  von  San  Gallo.  (Bibl.  Barberini). 
Donati,  Roma  vetus  ac  reccns  Lib.  III.  c.  16.   (Graev.  Th.  A.  R.  tom.  III.  p.  750)  et  al. 


Die  Reste  vom  Triumphbogen  des  Marc  Aurel. 


285 


Palast,  wo  sich  schon  seit  längerer  Zeit  vier  gleichartige  Darstellungen  befanden,  und 
wurden  auf  der  Höhe  der  Treppe,  in  dem  Corridore  vor  dem  Eingang  in  den  grossen 
Saal  in  die  Wände  eingelassen.  Das  eine  stellt  irgend  einen  Vortrag  dar,  welchen 
eine  auf  dem  Suggestum  stehende  Figur  —  ebenso  gewiss  M.  Aurel,  wie  dieser  auf 
den  anderen  Reliefs  die  Hauptfigur  ist  und   sein   muss,    und   nicht  ein  Senator,    wie 

Visconti  und  Platner  glauben  — 
hält.  Den  Gegenstand  des  Vortrags 
aus  dem  Relief  herauszulesen,  muss 
ich  den  genannten  Autoritäten 
überlassen,  welche  ihn,  mit  meines 
Erachtens  ungerechtfertigter  Be- 
ziehung auf  das  zweite  Relief,  mit 
der  Apotheose  der  Faustina  in 
Verbindung  bringen.  Die  Darstel- 
lung des  zweiten  Reliefs,  von  wel- 
chem ich  eine  Abbildung  beifüge, 
ist  mit  mehr  Sicherheit  zu  erklä- 
ren. Es  zeigt  unzweifelhaft  die 
Vergötterung  der  jüngeren  Fau- 
stina, der  Gemahlin  des  Marc  Au- 
rel. Diese  wird  aus  den  Flammen, 
welche  auf  der  Substruction  des 
Scheiterhaufens  lodern,  auf  den. 
Schultern  eines  fackeltragenden 
Genius  (der  Ewigkeit?)  emporge- 
tragen, während  M.  Aurel?  (der 
Kopf  ist  moderne  Ergänzung) 
sitzend  dem  Acte  anwohnt.  Die 
hinter  ihm  sichtbare  Figur  ist  vielleicht  blosse  Ausfüllung,  die  halbnackte  vor  dem 
Rogus  auf  dem  Boden  liegende  Gestalt  wird  —  mit  welchem  Grade  von  Wahrschein- 
lichkeit will  ich  nicht  entscheiden  —  als  der  Genius  von  Haiale  am  Fusse  des  Tau- 
rus,  wo  Fauslina  starb, ^   oder  des  Marsfeldes  oder  als  Elagabalus  erklärt. 

Diese  Reliefs  aber  wurden  in  den  Conservatorenpalast  versetzt,  um  mit  den 
vier  anderen  zusammengebracht  zu  werden,  welche  wahrscheinlich  demselben  Denk- 
male angehört  hatten,  jedoch  in  Folge  einer  vorausgegangenen  nicht  näher  bekannten 


28.    Relief  vom  Triumphbogea  des  M.  Aurel.    (F.  R.) 


•  Script.  H.  A.  (Capitolin.)  M.  Ant.  Philos.  26. 


286  D^s  Marsfeld. 

Versetzung  von  einer  andern  Stelle  entnommen  worden  waren.  Sie  kamen  nemlich 
schon  am  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  aus  der  Kirche  S.  Martina  auf  das  Capitol,^ 
waren  jedoch  damals  nur  drei  an  der  Zahl  i^  nach  Aldroandi  (a.  a.  0.)  befanden  sich 
aber  noch  zwei  andere  von  derselben  Art  in  der  genannten  Kirche.  Eines  davon 
scheint  das  vierte  der  im  Treppenhause  des  Conservatorenpalastes  eingemauerten,  und 
das  andere  jenes  zu  sein,  welches  sich  jetzt  in  Palazzo  Torlonia  auf  Piazza  di  Yenezia 
befindet.  Man  ignorirte  merkwürdiger  Weise  die  beiden  Stellen,  behandelte  desshalb 
die  Herkunft  dieser  Reliefs  einerseits  sehr  summarisch,^  während  anderseits  Nibby* 
versucht,  den  Uebergang  des  letzteren  Reliefs  in  den  Besitz  der  Savelli,  von  welchen 
es  Torlonia  erwarb,  durch  den  Kauf  eines  neben  dem  Denkmal  stehenden  Palastes, 
durch  die  Peretti,  deren  Erbe  Bernardino  Savelli  war,  zu  erklären.  —  Die  Darstel- 
lungen der  vier  im  Treppenhause  des  Conservatorenpalastes  in  die  Wände  eingelas- 
senen Reliefs  sind  folgende :  Der  Kaiser  zu  Pferd  unter  seinem  Heeresgefolge ;  vor 
ihm  knieen  in  flehender  Stellung  Barbaren.  —  Roma  empfangt,  wie  es  scheint,  vor 
dem  Thore  den  zu  Fusse  ankommenden  Kaiser  und  überreicht  ihm  die  symbolische 
Kugel.  —  Der  Kaiser  auf  einer  Quadriga  und  von  der  Victoria  bekränzt,  hält  seinen 
Triumphzug.  —  Feierliches  Opfer  des  Triumphators,  vielleicht  das  capitolinische  Opfer 
selbst,  wenn  anders  der  dreithorige  Tempel  im  Hintergrunde,  freilich  nur  ein  Tetra- 
stylos,  als  der  capitolinische  lupitertempel  betrachtet  werden  kann.  Das  Relief  in  Pa- 
lazzo Torlonia  stellt  den  Kaiser  (ob  M.  Aurel  oder  seinen  Bruder  L.  Verus,  ist  ungewiss) 
in  einer  Ansprache  an  einige  vor  ihm  knieende  (flehende  oder  huldigende)  Barbaren 
dar,  welche  von  den  einen  als  Parther,  von  den  andern  als  Germanen  bezeichnet 
.werden. 

Höchst  wahrscheinlich  gehörten  die  sieben  erhaltenen  Reliefs  einem  und  zwar 
dem  vormals  im  Corso  befindlichen  Denkmale  an,  welches  demnach  ähnlich  dem  Con- 
stantinbogen  mit  Einschluss  der  Attika  mindestens  acht  solcher  Darstellungen  enthielt. 
Mit  voller  Gewissheit  können  allerdings  nur  die  zwei  erstgenannten  jenem  Triumph- 
bogen zugeschrieben  werden,  aber  auch  diese  machen  es  unzweifelhaft,  dass,  wie 
auch  von  den  römischen  Topographen  seit  Nardini  allgemein  angenommen  wird,  in 
dem  Denkmale  ein  Triumphbogen  des  M.  Aurel  zu  erkennen  sei,  denn  sowohl  der 
Kopf  des  Kaisers  auf  dem  ersten,  wie  die  Darstellung  der  Apotheose  auf  dem  zwei- 
ten sind  unverkennbar.  Ebenso  passt  auch  der  Styl  der  Sculptur  wie  der  Architektur 
mit  der  dieser  Zeit  angehörigen  Schwellung  in  Basamen ten  und  Fries  zur  Epoche  der 
Antonine  und  gewiss  nicht  zu  einer  früheren  Zeit. 


*  A.  Fulvii  Antiquitates  Urbis.  Rom.  1527.  Lib.  IUI.  fol.  LXXXIII.         *  U.  Aldroandi,  Mem.  (1556.)  n».  34. 
P.  Sante  Bartoli,  Mem.  n».  110.   (C.  Fea,  Miscellanea  &c.  p.  CCXX  &  CCLIII.)  '  Platner,  Beschreibung  d.  St. 

Rom.  III.  Abth.  1.  S.  112.  Abth.  3.  S.  154.         *  Roma  nell  anno  1838.  Parte  I.  ant.  p.  473  sq. 


Die  Reste  vom  Triumphbogen  des  Marc  Aurel.        Das  Mausoleum  des  Auguslus.  •  287 

In  der  Mitte  des  1  5.  Jahrhunderts  war  noch  ein  Stück  der  Inschrift  im  Gedächt- 
niss  der  älteren  Leute ,  in  welchem  von  drei  Völkerschaften  (civitates?)  die  Rede  war, 
woraus  man  etwas  unglücklich  den  vulgären  Namen  des  Denkmals  Triopoli  ^  oder  Tri- 
poli^  zu  erklären  versuchte.  Wahrscheinlicher  ist  der  Name  aus  einem  früheren  ^  »tres 
fascicelae«  entstanden,  mit  welchem  auch  eine  andere  Form  »RetrofoH«,  *  Triphali^  oder 
Tropholi  (angeblich  von  den  Trophäenreliefs)  ^  einige  andere  Verwandtschaft  zeigt.  Es 
lohnt  sich  indess  wohl  auch  hier,  wie  bei  so  vielen  mittelalterlichen  Namen,  kaum, 
über  solche  absurde  Bezeichnungen  nähere  Untersuchungen  anzustellen,  um  ihre  Ent- 
stehung oder  gar  ihre  Bedeutung  auszumitteln.  Später  erhielt  der  Bogen  im  Munde 
des  Volkes  den  Namen  Portogallo,'^  wie  es  scheint  von  dem  portugiesischen  Gesandten, 
welcher  damals  den  Palazzo  Fiano  neben  dem  Bogen  bewohnte,  während  die  Ge- 
lehrten ihm  bereits  einen  classischen  Namen  gegeben  hatten,  welcher  allerdings  weder 
mit  den  Reliefdarstellungen,  noch  mit  dem  Sculptur-  und  Architektur-Styl  stimmte, 
nemlich  Bogen  des  Domitian,'^  der  bis  Nardini  (1660)  als  sicher  galt.  Als  er  durch 
diesen  kaum  seinen  richtigen  Namen  erhalten  hatte,  musste  er  der  Rectificirung  des 
Corso  zum  Opfer  fallen.  Doch  sind  die  geretteten  Ueberreste  noch  immer  so  bedeu- 
tend, dass  sie  eine  besondere  Besprechung  des  Denkmals  zu  fordern  schienen. 


50.  Das  Mausoleum  des  Augustus. 

Verfolgt  man  den  Corso  weiter  nordwärts,  bis  sich  links  die  Via  de'  Pontifici 
abzweigt  und  tritt  dann  ungeföhr  in  der  Mitte  der  letztgenannten  Strasse  zur  Linken 
in  den  Eingang  der  Gorrea  oder  des  Teatro  di  Mausoleo  di  Augusto,  so  sieht  man 
in  dem  kleinen  Hofraume  die  formlosen  Reste  des  einstens  so  herrlichen  Grabmales 
des  Augustus.  Nur  hier,  links  neben  dem  Eingange  und  auf  der  entgegengesetzten 
Seite  neben  der  Tribüne  der  Kirche  S.  Rocco  ist  von  dem  gewaltigen  Baue,  der  in 
seinem  Kerne  noch  grossentheils  erhalten  ist,  noch  etwas  Antikes  zu  sehen:  Reste 
eines  grossen  cylinderförmigen  Basamentes  von  einem  Durchmesser  von  94  Met.  mit 
hohen  Nischen  von  Backstein  und  opus  reticulatum  —  im  Uebrigen  ist  das  Ganze 
durch  mancherlei  Schicksale  und  zuletzt  durch  die  Umwandlung  der  Ruine  in  eine 
Reitbahn  und  durch  die  theaterförmige  Stufenaufmauerung  im  Innern  verdeckt  und  bis 


*  Poggii  Florent.  de  fortunae  varietate  urbis  Romae  et  de  ruina  eius  descriptio.  Opp.  Basil.  s.  a.  p.  4  36. 
*  L.  Fauno,  dell'  antichitä  di  Roma.  Lib.  IUI.  c.  <3.  Yen.  4  548.  fol.  125.  ^  Anastas.  Bibiioth.  de  vit.  pontifi- 
cum.  Vit.  Hadriani  I.  Paris  4  649.  p.  120.  *  Fl.  Vacca,  Memorie  &c.  n*.  H.  (Fea,  Mise.  p.  LIX.)  '  Blondi 
Flavii  Foriiens.  de  Roma  Instaurata.  Lib.  II.  §.14.  Ven.  1503.  «  A.  Fuivii  Antiquitates  Urbis.  R.  1527.  Lib.  IIIL 
fol.  XLIX.  "  Blond.  Flav.  1.  c.     Albertini  Opusc.  de  Mirabilibus  vet.  et  nov.  Urb.  Rom.  R.  1515.  fol.  57. 


288  •  Das  Marsfeld. 

zur  Unkenntlichkeit  entstellt.  Nichts  destoweniger  sind  alle  Topographen  darüber  einig, 
dass  die  Ruine  dem  berühmten  Grabmale  des  Augustus  entspreche. 

Augustus  hatte  sich  diess  noch  bei  Lebzeiten,  in  seinem  6.  Consulat,  726  d. 
St.  (28  V.  Chr.)  besorgt  und  dafür  den  Platz  gewählt,  der  auch  sonst  von  Staats- 
wegen ausgezeichneten  Persönlichkeiten  verwilligt  worden  war,  nemhch  zwischen  der 
Via  Flaminia  und  dem  Tiberufer. ^  Den  Bau  aber  benannte  man  nach  dem  berühmten 
Grabmal  des  Königs  Mausolus,  das  ihm  seine  Gemahlin  Artemisia  zu  Halicarnassus  er- 
richtet hatte,  Mausoleum,  wohl  kaum  wegen  irgend  einer  Nachahmung  desselben,  denn 
die  neuerliche  Ausgrabung  jenes  vielgenannten  Weltwunders  hat  wenigstens  gezeigt, 
dass  es  keine  Aehnlichkeit  mit  dem  Grabmale  des  Augustus  haben  konnte,  wie  es  Strabo  ^ 
beschreibt,  und  wie  die  Hauptmauern  die  Anlage  auch  ahnen  lassen,  sondern  vielmehr 
wegen  des  gleichen  Strebens  nach  Kolossalität  des  Denkmals.  Es  wird  nemlich  als  ein 
auf  einer  hohen  (cylinderförmigen)  Grundmauer  von  weisserii  Marmor  ruhender  Erdhügel, 
der  mit  immergrünen  Bäumen  bedeckt  und  auf  der  Höhe  von  einer  kolossalen  Bronze- 
statue des  Augustus  gekrönt  war,  beschrieben,  welchen  wir  uns  nicht  anders  als  in 
Kegelform  denken  können.  Von  Marmor  war  jedenfalls  auch  nur  die  Bekleidung  des 
Cylinders,  wie  wir  an  der  noch  blossliegenden  Masse  von  Ziegeln  und  Netzwerk  sehen 
können.  Unter  dem  Erdhügel  aber,  föhrt  Strabo  in  seiner  Beschreibung  des  Augustus- 
mausoleum  fort,  sind  die  Gräber  von  dem  Gründer  selbst ,  von  seinen  Verwandten  und 
Freunden.  Auch  für  diese  zeigen  die  erhaltenen  Reste  noch  Anhaltspunkte,  Reste  von 
Gellen  nemlich,  welche  kreisförmig  neben  einander  lagen,  und  deren  es  nach  ihrer 
Grösse  13 — 14  gewesen  sein  mussten,  von  denen  eine  an  der  Südseite  als  Eingang 
diente,  wie  aus  noch  kenntlichen  Spuren  ersichtlich  ist.  Ohne  Zweifel  hatte  der  Cy- 
linderbau  in  der  Weise  aller  anderen  ähnhchen  Grabmäler  eine  quadratische  Substruction, 
welche  jedoch  ganz  nnter  dem  modernen  Boden  ist.  Die  Marmorbekleidung  fehlt  jetzt 
gänzlich;  den  Kammern  im  Innern  aber  entsprachen  aussen  ebenso  viele  Nischen, 
welche  die  Monotonie  des  Gürtels  schön  unterbrachen  und  ohne  Zweifel  mit  Statuen 
geschmückt  waren.  Darnach  können  wir  uns  wohl  ein  allgemeines  Bild  des  ganzen 
Denkmals  entwerfen,  über  dessen  innere  Gestaltung  aber  noch  viele  Fragen  offen  lie- 
gen. Von  der  Aussenseite  wissen  wir  noch,  dass  Augustus  in  seinem  letzten  Willen 
eine  Bronzeinschrift,  welche  ein  Verzeichniss  seiner  Thaten  enthielt,  vor  demselben 
aufzustellen  befahl,^  eine  Inschrift,  welche  für  uns  desshalb  von  besonderem  Interesse 
ist,  weil  wir  eine  wenn  auch  fragmentirte  Copie  derselben  in  dem  sog.  Monumentum 
Ancyranum  besitzen,  das  auch  in  diesem  Buche  schon  wiederholt  angezogen  werden 
musste.   Der  Eingang  vi^ar  ferner  mit  zwei  Obehsken  geschmückt,    von   welchen  wir 


'  Sueton.  Octav.  100.  *  Strabo  V.  3,  9.  p.  236.  '  Sueton.  Octav.  -101. 


Das  Mausoleum  des  Augustus.  289 

den  einen  bei  S.  Maria  Maggiore,  den  andern  zwischen  den  Dioskuren  auf  dem  Quirinalis 
finden  werden,  welche  aber  nicht  beim  Baue  des  Grabmals  herbeigebracht ,  sondern  erst 
geraume  Zeit  später  aufgestellt  worden  zu  sein  scheinen.'' 

Dass  hier  vom  J.  d.  St.  731  (23  v.  Chr.)  an  Marcellus,  Agrippa,  Octavia  (Augustus' 
Schwester),  Drusus,  Caius  und  Lucius  (Augustus' Enkel),  Augustus  selbst,  dann  Livia, 
Germanicus,  Drusus  (Tiberius'  Sohn),  Agrippina  die  ältere,  Tiberius,  Antonia,  Claudius, 
Britanniens  und  Nerva  beigesetzt  wurden,  bezeugen  ausdrückliche  Erwähnungen  der 
römischen  Geschichtschreiber :  doch  gewiss  ruhte  die  Asche  von  ungleich  mehren  Mit- 
gliedern und  Freunden  der  kaiserlichen  Familie  in  den  Grabgewölben  des  Mausoleum. 
Von  all  den  vielen  Gedenksteinen,  die  vormals  im  Innern  sich  befanden,  hat  sich  nur 
einer  erhalten,  welcher  zugleich  über  die  Art  der  Aufstellung  eine  Vermuthung  gestattet. 
Es  ist  nemhch  ein  Piedestal,  das  zuverlässig  eine  Urne  trug ;  die  Inschrift  aber  lautet : 

OSSA 
AGRIPPINAE   m   AGRIPPAE   F 
DIVI  •  AVG   NEPTIS    VXORIS 

GERIVIANICI     CAESARIS 

IVIATRIS    C    CAESARIS  •  AVG 

GERIVIANICI    PRINCIPIS 

Das  Piedestal  trug  demnach  die  Asche  einer  der  edelsten  Frauen  der  römischen  Kaiser- 
zeit, der  Agrippina ,  Gemahhn  des  hochherzigen  Germanicus ,  welche  von  Tiberius  ver- 
bannt, auf  der  Insel  Pandataria  (Vandotena),  eine  von  den  ponzischen  Inseln  südlich  von 
Gaeta,  im  J.  33  n.  Chr.  wahrscheinhch  eines  freiwilligen  Todes  starb.  Da  Tiberius  auch 
der  Asche  der  Verfolgten  nicht  die  gebührende  Ehre  zu  Theil  werden  liess ,  so  gelangte 
diese  erst  nach  dem  Regierungsantritte  des  C.  Caesar  (Cahgula),  des  unwürdigen  Sohnes 
derselben,  zur  Bestattung  in  dem  Grabmale  des  Augustus,^  was  auch  schon  aus  der  In- 
schrift hervorgeht,  in  welcher  Agrippina  die  Mutter  des  C.  Cäsar  »Augustus«  genannt 
wird.  Das  Piedestal  war  im  Mittelalter  ausgehöhlt  worden  und  diente  als  Getreidemaass 
ftlr  ein  Aequivalent  von  300  Pfund,  wie  aus  der  mittelalterHchen  Aufschrift  an  der  rech- 
ten Seite  »Rugitella  de  Grano«  zu  ersehen  ist.  Jetzt  befindet  sich  der  interessante  Stein 
im  Hofe  des  Conservatorenpalastes  zur  Linken. 

Ohne  Zweifel  gehörte  auch  die  grosse  Alabastervase  im  vaticanischen  Museum 
(0,85  Met.  hoch,  0,45  im  Durchmesser),  welche  im  J.  1777  in  der  Nähe  des  Grabmales 
ausgegraben  wurde,  ursprünglich  zu  diesem  Grabmale.  Bei  derselben  Gelegenheit  wur- 
den sechs  Cippen  von  Travertin  gefunden,  welche  über  eine  andere  mit  dem  Mausoleum 
in  Verbindung  stehende  Stätte  Aufschluss  geben.    Die  Inschriften  auf  diesen,  welche 


•  Ammian.  Marc.  XVII.  4.  '  Sueton.  Calig.  15. 

F.  Rbbbb  ,  Die  Ruinen  Rom«.  S7 


290  D^'s  Marsfeld. 

ebenfalls  im  vaticanischen  Museum  aufbewahrt  w  erden ,  lauten  soweit  die  Züge  kennt- 
lich sind: 

Tl  •  CAESAR  Tl    CAESAR 

GERMANICI    CAESARIS  •  F  DRVSI    CAESARIS    F 

HiC  CREM ATVS- EST  HJC   SITVSEST 

C   CAESAR  Li  VILLA 

GERMANICI  •  CAESARIS  •  F  GERMANICI    Caesaris  •  f  • 

H I C   CREM  ATVS    EST  H I  c   s|TA  •  est 

.  .  .CaRsaR  

G<  RMANICI  •  CAESARIS  F                                                               . .  VESPASIANI  • . 
HiCCREMATVSEST  

Vier  von  diesen  Cippen  nennen  Sprösslinge  des  Germanicus  und  der  eben  besprochenen 
Agrippina,  welche  ihrem  Gemahl  neun  Kinder  geboren  hatte,  ^  der  fünfte  einen  Sohn  des 
Drusus;  die  letztere  sehr  fragmentirte  Inschrift  ist  aus  der  Zeit  der  Flavier.  Sie  sind 
hauptsächlich  durch  den  Fundort  für  die  römische  Topographie  bedeutend,  indem  das 
» hie  crematus  est «  derselben  es  unzweifelhaft  macht ,  dass  diese  Steine  in  der  Ustrina, 
dem  besonders  eingehegten  Verbrennungsplatz  des  Kaisergrabmals  angebracht  wurden. 
Sie  wurden  aber  zwischen  der  Via  degli  Otto  Cantoni  und  de'  Pontifici  neben  dem  Corso 
wie  es  scheint  noch  an  ihrer  ursprünglichen  Stelle  gefunden,  woraus  sich  mit  Sicherheit 
schliessen  lasst,  dass  die  Verbrennungsstätte,  welche  von  Strabo  (a.  a.  0.)  als  hinter  dem 
Grabmale  befindlich  in  weissem  Marmor  ummauert,  mit  einem  eisernen  Gitter  umgeben, 
innen  aber  mit  Pappeln  bepflanzt  geschildert  wird,  sich  östlich  von  dem  Mausoleum 
befand. 

Erst  mit  der  Beisetzung  des  Nerva ,  welche  zugleich  mit  der  letztgenannten  In- 
schrift zeigt,  dass  jenes  Mausoleum  vielmehr  als  Kaisergrabmal,  denn  als  Familiengrab- 
stätte der  Julier  betrachtet  wurde,  wareii  die  Räume  erschöpft  und  das  Grabmal  wurde 
geschlossen.  So  verblieb  es  bis  zum  J.  409  n.  Chr.,  in  welchem  Alarich  in  Rom  einzog, 
welcher  keinen  Grund  hatte  es  zu  verwehren,  dass  seine  gierigen  Barbaren  die  Grab- 
gewölbe öffneten  und  die  Asche  aus  den  Urnen  streuten ,  um  das  gesuchte  Gold  zu  ent- 
decken. Damals  wurde  wohl  auch  die  im  J.  1777  wiedergefundene  Alabastervase  ver- 
schleppt, welche  kaum  ursprünglich  an  der  Stelle  ihren  Platz  hatte,  wo  man  die  Ver- 
brennungscippen  fand.  Durch  die  Beseitigung  oder  —  wenn  das  Material  nicht  die 
Beutegier  reizte  —  Zerstörung  der  Gegenstände  des  Gratmals  musste  natürlich  das 
Denkmal  seine  Bedeutung  verlieren ,  und  es  ist  daher  um  so  weniger  zu  verwundern, 
dass  man  das  Gebäude  filr  andere  Zwecke  benutzte ,  als  alle  grösseren  Grabmäler  und 

'  Sueton.  Calig.  7. 


Das  Mausoleum  des  Augustus.  291 

irgendwie  passende  andere  Gebäude  des  Alterthums  dasselbe  Schicksal  erfuhren.  Im 
12.  Jahrhundert  war  es  in  eine  Festung  der  Colonna  umgewandelt,  welche,  wie  auch 
die  Gegend  ringsum  den  Namen  Augusta  trug.''  Wahrscheinlich  ward  dadurch  das  Mau- 
soleum in  seinem  unteren  Theile  wenig  geändert,  wie  die  Benutzung  der  Grabmäler  der 
Cäcilia  Metella  an  der  Via  Appia  und  der  Plautier  bei  Tivoli  zu  mittelalterlichen  Fortifi- 
cationen  zeigt,  doch  hatte  jedenfalls  der  Erdkegel  einem  Aufbau  weichen  müssen.  Von 
der  Kolossalstatue  des  Augustus  können  wir  nur  vermuthen,  dass  sie  sich  unter  den 
Denkmälern  befand,  welche  Genserich  oder  später  Constans  II.  wegschleppte.  Der 
Tag  der  Niederlage  aber,  welche  die  Römer  durch  die  Tusculaner  am  30.  Mai  1 1 67  er- 
litten, war  zugleich  der  letzte  dieses  stolzen  Denkmals  kaiserlicher  Herrlichkeit :  die  Rö- 
mer, besiegt  zurückkehrend,  hielten  mit  Recht  oder  mit  Unrecht  die  Colonna  für  die  Ver- 
räther ihrer  Sache  und  zerstörten  ihre  Burg,  so  dass  nur  mehr  die  schmuckentblössten 
Reste,  wie  wir  sie  heute  noch  sehen,  die  fast  unverwüstlichen  Massenmauern  des  Rund- 
baues übrig  bheben.  Dennoch  strebten  die  Colonna ,  sich  abermals  in  den  Besitz  der 
Ruine  zu  setzen,  was  ihnen  auch  gelang ,  und  nachdem  die  Befestigung  wieder  herge- 
stellt worden  war,  vertheidigte  sich  namentlich  von  hier  aus  der  Cardinal  Giovanni  Co- 
lonna gegen  Papst  Gregor  IX.  im  J.  1241,  doch  ohne  Erfolg;  die  Burg  wurde  genommen 
und  der  Cardinal  gerieth  in  Gefangenschaft.^  Auf  dem  Platze  vor  demselben  ward  hun- 
dert Jahre  später  die  Leiche  des  berühmten  Tribunen  Cola  di  Rienzi  schimpflich  ver- 
brannt.^ Die  Gegend  hiess  damals  noch  Campo  d'Austa,  das  Grabmal  selbst  scheint 
jedoch  seit  der  Einnahme  im  J.  1241  nicht  mehr  als  Festung  gedient  zu  haben,  im 
1  5.  Jahrhundert  wurde  vielmehr  das  Innere  des  eingestürzten  Gebäudes  als  Weinberg 
benutzt,^  was  jedenfalls  ein  längeres  Verlassensein  voraussetzen  lässt.  Aus  dem  17.  Jahr- 
hundert besitzen  wir  zwei  Abbildungen  der  Ruine,  ^  aus  denen  ersichtlich  ist,  dass  schon 
damals  wie  noch  jetzt  statt  des  kegelförmigen  Hügels,  der  sich  ursprünglich  auf  dem 
Cylinder  erhob,  gerade  umgekehrt  der  innere  Raum  trichterförmig  sich  senkte.  Aus  die- 
ser Veränderung  lässt  sich  auch  wohl  der  Schluss  ziehen,  dass  ein  grösserer  Saal  in  der 
Mitte  des  Grabmals  gewesen  sei,  und  dass  der  Einsturz  seiner  Wölbung  die  Vertiefung 
verursacht  habe.  Die  beiden  Abbildungen  zeigen  statt  des  von  Poggio  erwähnten  Wein- 
berges im  Innern  einen  in  der  Weise  des  vorigen  Jahrhunderts  symmetrisch  angelegten 
Garten.  Zu  wissenschaftlichen  Nachgrabungen  im  und  um  das  Mausoleum  kam  es  meines 
Wissens  nie;  im  Innern  sind  solche  Forschungen  auch  für  die  Zukunft  sehr  erschwert: 


'  Manente,  Historie.  Ven.  1561.  p.  65.    G.  Villani,  Istorie  ed.  da  Muratori.  Mil.  1729.  Lib.  V.  c.  1.   (cf.  Nibby, 
Roma  &c.   P.  II.  ant.    p.  527  sq.)  *  Cronaca  di  Riccardo  da  S.  Gertnano.    (Ughelii,  Italia  Sacra.  Tom.  X. 

p.  238  sq.)  *  Biograf,  di  C.  di  Rienzi.    (Muratori,  Ant.  Ital.  Med.  Aevi.  Tom.  III.  p.  543.)  *  Poggii  Floreal. 

de  fortunae  varietate  urbis  Romae  etc.  Opp.  Bas.  p.  137.         *  A.  Donati  Roma  vetus  ac  recens.    (Graev.  Th.  A. 
R.  tom.  111.  p.  746.)     Du  Perac,  I  vestigij  dell'  antichitä  di  Roma.  R.  1674. 

37* 


292  ^äs  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

denn  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  schuf  Marchese  Vivaldi  den  inneren  Raum  zu 
einem  Amphitheater  um,  welches  seither  im  Winter  als  Reitbahn  dient;  in  den  Sommer- 
abenden aber  versammelt  jetzt  ein  elendes  bewegliches  Theater  zahlreiche  Zuhörer  in 
dem  unbedeckten  Räume. 


V.    Das  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken.  (Vaticanus, 

laniculus,  Tiberinsel.) 

Nachdem  wir  nun  die  Ueberreste  der  grossen  im  Norden  des  Capitolinus  sich 
ausdehnenden  und  einerseits  vom  Tiber,  anderseits  vom  Monte  Pincio  abgeschlossenen 
Ebene,  den  sog.  Campus  Martins  im  weiteren  Sinne  betrachtet  haben ,  wenden  wir  uns 
dem  Flusse  zu,  um  den  Theil  von  Rom,  welcher  jenseits  des  Stromes  dem  Marsfelde 
gegenüberliegt,  zu  untersuchen.  Einen  Theil  von  Rom  konnte  man  das  jenseitige  Gebiet 
auch  im  Alterthume  nennen,  denn  Rom  erstreckte  sich  so  weit,  als  überhaupt  die  Hauser 
sich  ausdehnten,  doch  nicht,  wie  jetzt,  einen  Theil  der  Stadt,  denn  zur  Urbs  hat  der 
transtiberinische  Theil  nie  gehört,  ja  selbst  nicht  der  Theil,  welcher  seit  den  frühesten 
Zeiten  ummauert  war,  nemlich  das  laniculum,  womit  allerdings  die  Definition  der  beiden 
Begriffe  bei  den  Rechtsgelehrten  im  Widerspruche  zu  stehen  scheint,  welche  den  Theil 
von  Rom  Urbs  nennen,  der  von  den  Mauern  eingeschlossen  sei.^ 

So  ist  auch  laniculus  (seil,  mons)  und  laniculum,  von  dessen  etymologischer  Na- 
menerklärung in  der  Einleitung  (S.  3)  gesprochen  worden  ist ,  nicht  identisch.  Denn  der 
Hügel  laniculus  hat  eine  bedeutendere  Ausdehnung  von  Süden  nach  Norden,  während 
das  laniculum  nur  eine  Kuppe  ungeföhr  in  der  Mitte  des  Hügelrückens  und  westlich  vom 
Palatin  bezeichnet.  Diese  88,50  Met.  über  den  normalen  Tiberspiegel  sich  erhebende  Kuppe 
wurde  schon  in  der  Königszeit  befestigt,  jedoch  nicht  um  als  eine  Erweiterung  der  Stadt 
zu  dienen,  sondern  vielmehr  als  ein  Aussenfort,  als  eine  Warte  gegen  die  Etrusker.  So 
wird  wenigstens  die  Sache  von  Livius^  dargestellt,  welcher  jedoch  der  Anlage  eine 
allzuängstliche  Absicht  unterlegt,  indem  er  glaubt,  Ancus  Marcius  habe  den  Hügel  dess- 
halb  befestigt,  dass  ihn  die  Etrusker  nicht  ihrerseits  zu  einer  die  Stadt  bedrohenden  Burg 
machen  könnten.  Die  mercantile  Bedeutung  dagegen ,  welche  Dionys  ^  dem  Fort  lanicu- 
lum beilegt,  dass  nemlich  dadurch  die  Schifffahrt  auf  dem  Flusse  gesichert  werden  sollte, 
ist  mir  nicht  klar,  jedenfalls  konnte  sich  dieser  Schutz  nicht  weit  erstrecken. 


'  Alfenus  ap.  Marcell.  Dig.  L.  16.  87.  *  I.  33.  '  III.  46. 


Das  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken.  293 

Gleichzeitig  soll  Ancus  Marcius  eine  hölzerne  Brücke  (pons  sublicius)  über  den 
Tiber  geschlagen  haben ,  welche  nach  der  Uebedieferung  ursprünglich  nur  strategische 
Bedeutung  hatte,  d.  h.  das  laniculum  mit  der  Stadt  verbinden  solltet  Allein  es  ist  sicher 
anzunehmen,  dass  der  Verkehr  mit  dem  gegenüberliegenden  Ufer  ein  gewichtigeres  Mo- 
tiv war,  und  dass  vielleicht  umgekehrt  das  Fort  auf  dem  laniculum  mehr  des  Flussüber- 
gangs wegen,  zur  Deckung  desselben,  als  dieser  wegen  des  Forts  entstand.  Die  Burg 
laniculum  verlor  auch  bald  mit  dem  Zurückdrängen  der  Etrusker  ihre  Bedeutung,  wäh- 
rend die  der  Brücke  in  demselben  Verhältnisse  wachsen  musste.  Desshalb  sind  wir  auch, 
während  der  pons  sublicius  bis  in  die  spätesten  Zeiten  erwähnt  wird,  hinsichtlich  jener 
Hügelbefestigung  fast  ganz  ohne  Nachricht.  Wir  wissen  nur,  dass  sie  in  der  Zeit  des 
Bürgerkrieges  zwischen  Marius  und  Sulla  noch  bestand,  als  der  Tribun  Appius  Claudius, 
der  sie  besetzt  hielt,  dem  Marius  das  Thor  (wohl  das  einzige  des  laniculum,  an  dessen 
Stelle  nachmals  die  Porta  Aurelia  trat),  öffnete.^  Aus  derselben  Nachricht  scheint  auch 
hervorzugehen,  dass  die  Hügelkuppe  nicht  für  sich  allein  ummauert  war,  sondern  dass, 
was  auch  des  Livius  (a.  a.  0.)  etwas  karger  Ausdruck  )^  laniculum  quoque  adiectunm  an- 
deutet, die  Mauern  des  Fort  divergirend  bis  zum  Flusse  herabliefen.  Denn  sonst  hätte 
der  Bericht  keinen  Sinn,  dass  Marius  durch  das  Oeflhen  des  laniculumthores  sofort  »in 
die  Stadt«  kam,  wobei  wir  jedoch  voraussetzen  müssen,  dass  Appian  die  Verhält- 
nisse der  servischen  Ummauerung  der  Stadt,  die  schon  in  der  augusteischen  Zeit  nicht 
mehr  genau  nachweislich  waren,  ^  selbst  kannte  oder  wenigstens  gute  Quellen  und  diese 
mit  richtigem  Verständnisse  benutzte. 

Am  Fusse  des  laniculum  aber  siedelten  sich  die  geringeren  Leute  an,  wie  Fischer, 
Gerber  und  dergl. ;  später,  besonders  unter  Augustus ,  namentlich  auch  die  Juden.*  In 
welcher  Zeit  diese  Niederlassungen  entstanden ,  ist  nicht  bekannt ,  wahrscheinlich  ent- 
wickelten sie  sich  allmälig,  waren  aber  zu  Ende  der  Republik  bereits  so  volkreich,  dass 
Augustus  eine  besondere  Region  (Transtiberina)  ^  daraus  machte.  Die  Höhe  des  lanicu- 
lum blieb  von  Ansiedlung  frei,  wie  man  aus  dem  Gedanken  einer  Colonisirung  derselben 
in  Cicero's  Zeit  ersehen  kann.^^  Mit  dem  Wachsen  der  Bevölkerung  des  übrigen  rechten 
Tiberufers  aber  musste  bald  die  Fl uss Verbindung  durch  den  pons  sublicius  als  unzurei- 
chend erscheinen,  besonders  da  dieser  bei  Ueberschwemmungen  nicht  Stand  zu  halten 
vermochte.  Schon  im  J.  562  d.  St.  (1 92  v.  Chr.)  musste  es,  wenn  anders  Livius  hier  genau 
ist,'  zwei  Brücken  über  den  Tiber  gegeben  haben,  von  welchen  jedoch  eine  die  milvische 
gewesen  sein  kann,  welche  schon  im  J.  546  d.  St.  (208  v.  Chr.)  zum  erstenmale  erwähnt 


*  11.  cc.  Plut.  Numa.  9.         '  Appian.  B.  C.  I.  68.  Vgl.  Becker,  H.  d.  r.  A.  Bd.  I.  S.  4  84  fg.         »  Dionys  IV. 
13.  *   Fest.  s.  V.   Piscatorii.    luvenal.  XIV.  v.  202—204.     Martial.  I.  42.  VI.  93,  4.    Curios.  U.  R.  Reg.  XIV. 

Philo  de  virt.  tom.  II.  p.  568  Mang.         *  Curios.  U.  R.         "  Cic.  de  leg.  agr.  I.  5.  II.  27.         ^  Liv.  XXXV.  2«. 


294  Das  tränst iberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

wirdJ  Sie  mögen  beide  von  Holz  gewesen  sein,  und  um  so  leichter  riss  sie  desshalb 
der  angeschwollene  Strom  hinweg.  Bald  darauf  (575  d.  St.)  begann  der  Censor  M.  Fla- 
vius  Nobilior  den  Bau  einer  steinernen  Brücke,  welche  jedoch  erst  nach  37  Jahren  als 
pons  Aemilius  vollendet  wurde, ^  als  bereits  eine  andere,  die  fabricische,  gebaut  war, 
welche  die  Tiberinsel  mit  dem  linken  Flussufer  verband.^ 

Diese  Insel  aber  (jetzt  Isola  di  S.  Bartolommeo)  war  fast  fünf  Jahrhunderte  seit 
der  Gründung  der  Stadt  unbebaut  geblieben.  Es  ist  schon  oben  (S.  196)  erwähnt 
worden,  dass  die  schöne  Sage  von  der  Entstehung  der  Insel  durch  Aufhäufung  und 
Anschwemmung  des  tarquinischen  Getreides,  welches  nach  Vertreibung  des  letzten  Kö- 
nigs als  » sacrum «  in  den  Fluss  geworfen  worden  war,  wohl  kaum  auf  Wahrheit  be- 
ruhe, obwohl  jedenfalls  die  Insel  als  sacra  galt,  und  weder  bewohnt  noch  angebaut 
wurde.  Erst  im  J.  462,  als  die  bei  Gelegenheit  einer  Epidemie  zum  Heiligthume  des 
Aesculap  nach  Epidauros  geschickte  Gesandtschaft  mit  einer  heiligen  Schlange  zurück- 
gekehrt, und  diese  bei  der  Landung  aus  dem  Schifte  geschlüpft  war  und  an  die  Insel 
geschwommen  sein  soll,  wurde  beschlossen,  sie  dem  Aesculap  zu  weihen  und  diesem 
Gotte  einen  Tempel  auf  derselben  zu  erbauen,*  was  zu  dem  Bau  der  fabricischen 
Brücke  und  wohl  bald  darauf  auch  zur  Fortsetzung  derselben  auf  das  rechte  Fluss- 
ufer, durch  die  cestische  Brücke,  den  Anlass  gab. 

So  verbanden  also  im  7.  Jahrh.  d.  St.  drei  Flussübergänge  die  Stadt  mit  dem 
gegenüberliegenden  Ufer,  Pons  sublicius,  Pons  Aemilius  und  Pons  Fabricius,  alle  drei 
einander  ziemlich  nahe ,  wie  denn  überhaupt  das  transtiberinische  Gebiet  in  republikani- 
scher Zeit  keine  grosse  Ausdehnung  hatte,  und  zwar  der  Pons  sublicius  am  südlichsten, 
der  Pons  Aemilius  aber  zwischen  den  beiden  anderen  befindlich.  Das  Genauere  wird 
sich  bei  der  besonderen  Beschreibung  finden.  Wir  wissen  jedoch  nichts  von  hervorra- 
genden Gebäuden  oder  Anlagen  jenseits  des  Tiber  bis  zum  Ende  der  Republik:  Das 
Grab  des  Numa  bei  der  Ära  Fontis  ^  scheint  nur  in  der  Tradition  existirt  zu  haben  und 
der  Lucus  Furinae  erhielt  nur  dadurch  einige  Berühmtheit,  dass  hier  den  C.Gracchus  sein 
tragisches  Schicksal  erreichte.^  Dass  ferner  die  Mucia  Prata,  die  Hufe,  welche  C.  Mucius 
Scävola  als  Staatsbelohnung  erhalten  haben  soll,''  und  welche  einfach  »trans  Tiberim« 
genannt  werden,  in  dem  ummauerten  Theile  lagen,  ist  höchst  unwahrscheinlich,  wie 
auch  der  von  Servius  Tullius  erbaute  Tempel  der  Fors  Fortuna  » am  Tiber  ausserhalb 
der  Stadt«  nach  Becker's  kaum  angreifbarer  Combination*  über  eine  deutsche  Meile  ent- 
fernt gewesen  zu  sein  scheint.  Erst  die  Kaiserzeit  gab  dem  jenseitigen  Ufer  mehr  Bedeu- 
tung. In  den  Gärten  des  Cäsar,  das  bekannte  Vermächtniss  des  grossen  Dictators  an  das 


'  Liv.  XXVII.  51.  *  id.  XL.  51.  «  Dio  Cass.  XXXVII.  45.  *  Liv.  Epit.  XI.  Dionys.  V.  13.  ^  Cic. 
de  leg.  II.  22.  Dionys.  11.  76.  Plut.  Num.  22.  «  Aurel.  Vict.  Vir.  iil.  65.  Plut.  G.  Gracch.  17  &  al.  '  Liv.  IL 
13.    Dionys.  V.  35.         »  Handb.  d.  röm.  Alterth.   Bd.  I.   S.  479  Anm.   998. 


Das  transliberinische  Gebiet  und  die  Brücken.  295 

Volk,  welche  am  südlichen  Abhang  des  laniculns  sich  hingestreckt  zu  haben  scheinen, 
war  wohl  der  Platz  jener  grossen  von  Augustus  erbauten  Naumachie,  welche  jedoch 
noch  zu  Lebzeiten  dieses  durch  einen  Hain  (Nemus  Caesarum)  ersetzt  wurde/  So  müs- 
sen wir,  die  Ungenauigkeit,  welche  Becker  diesem  Ausdrucke  zur  Last  legt,^  zurück- 
weisend,   die    ausdrückliche   Angabe    des   Monumentum  Ancyranum  navalis  ■  proelii 

SPECTACVLVM  •  POPVLO  •  DEDI    TRANS   TIBERIIVI  •  IN    QVO    LOGO  •  NVNC  •  NEIVIVS  •  EST  •  CAESARVIM 

CAVAio...  verstehen,  welche  auch  Sueton^  in  der  Hauptsache  nachschreibt,  selbst  wenn 
Tacitus,  welcher  das  eigentliche  Nemus  Caesarum  in  der  Naumachie  kaum  mehr  kannte, 
von  einem  Haine  rings  um  die  Naumachie  spricht.*  Ich  erkläre  mir  nemlich  die  Sache 
so,  dass  das  Wasser,  mit  welchem  das  Becken  für  den  Zweck  der  von  Augustus  veran- 
stalteten Spiele  gefüllt  war,  wieder  abgelassen  wurde,  ebenso,  wie  man  auch  die  Septa 
lulia  und  das  flavische  Amphitheater  vorübergehend  unter  Wasser  setzen  und  dann  wie- 
der entleeren  konnte,  und  dass  dann  Augustus ,  statt  den  weiten  Raum  versumpfen  zu 
lassen,  in  demselben  einen  Hain  anlegte.  Das  Becken  aber  blieb ,  denn  es  wurde  noch 
von  Nero  ^  und  von  Titus  ^  wieder  benutzt :  es  war  auch  leichter ,  den  jungen  Hain  wie- 
der auszuroden  und  den  Raum  neuerdings  sei  es  durch  die  Aqua  Alsietina,  welche 
Augustus  als  zum  Trinken  ungesund  hauptsächlich  für  die  Naumachie  in  die  Stadt  geführt 
zu  haben  scheint,'''  sei  es  durch  den  Tiber  zu  füllen,  als  längere  Zeit  ein  fast  stagnirendes 
Wasser  rein  und  das  Becken  von  Verschlammung  frei  zu  halten.  —  Andere  Naumachien 
sollen  Domitian^  und  Philippus^  (?)  jenseits  des  Tiber  angelegt  haben,  doch  wir  würden 
nicht  daran  denken  können,  sie  alle  in  die  der  Stadt  gegenüberliegende  Ebene  zu  ver- 
setzen, wenn  nicht  die  Notitia  in  der  Regio  Transtiberina  ^  <^  nicht  weniger  als  5  Nau- 
machien zählte,  deren  Zahl  jedoch,  da  die  Aufzählung  fehlt,  keineswegs  als  sicher  ange- 
nommen werden  kann. 

Von  dem  laniculus  und  desshalb  auch  von  der  transtiberinischen  Vorstadt  durch 
einen  Thaleinschnitt  (Valle  d'inferno)  getrennt,  erhebt  sich  nördlich  ein  anderer  der  Höhe 
nach  unbedeutender  Hügel,  der  Vaticanus.  Die  traditionelle  Erklärung  des  Namens  ist 
ungenügend  und  schwankend  wie  die  der  meisten  anderen  Localitäten.  Varro  leitet  ihn 
von  vagire,  den  unartikulirten  Lauten  (dem  Gewimmer)  neugeborner  Kinder  ab,  für 
welche  man  auch  den  Vagitanus  oder  Vaticanus  (nach  einer  einfachen  Lautverschiebung) 
anzurufen  pflegte; ^^  und  dieser  Gottheit  soll  die  Gegend  heilig  gewesen  sein.  Andere 
aber  leiteten  den  Namen  davon  her,   dass  die  Römer  auf  den  Ausspruch  von  Sehern 


'  Sueton.  Tib.  72.  Monum.  Ancyr.  (Chishull,  Antiquit.  Asiat.  Lond.  <728.  p.  175.)  Stat.  Sylv.  IV.  4,  6. 
Frontin.  de  Aquaeduct.  LH.  *  H.  d.  r.  A.  Bd.  I.  S.  657.  658.  Annrj.  16.  <  7.  »  Sueton.  Aug.  43.  *  Tacit. 
Ann.  XIV.  15.  Md.  1.  c.    Dio  Cass.  LXl.  20.  "  Sueton.  Tit.  7.     Dio  Cass.  LXVI.  25.  ^  Frontin.  1.  c. 

*  Sueton.  Domit.  4.     Dio  Cass.  LXVII.  8.  '  Aurel.  Viel.  Caess.  LXVII.  8.  '•  Curios.  U.  R.  Reg.  XIV. 

"  Varro  Div.  ap.  Gell.  XVI.  17.    cf.  Augustin,  de  civ.  Dei.  IV.  8,  41.    Censorin.  de  die  nat.  3.    J.  Marquardt,  Hdb. 
d   röm.  Alterth.  Lpz.  1856.    Der  Gottesdienst,  §  508. 


296  Das  transliberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

(vates)  hin  des  Hügels,  nachdem  sie  die  Etrusker  von  demselben  vertrieben,  sich  bemäch- 
tigt hättenJ  Wie  dem  auch  sei,  der  vaticanische  Hügel  gehörte  in  der  ganzen  republika- 
nischen Zeit  nicht  bloss  nicht  zur  Urbs ,  sondern  nicht  einmal  zu  Rom ,  war  vielmehr 
blosser  Gau  (ager)^  wie  die  übrige  Umgegend,  und  überdiess  als  schlechtes  Ackerland^ 
und  als  höchst  ungesund'^  im  Verrüfe.  An  den  Hügelabhängen  wurde  auch  noch  bis  in 
späte  Zeit  Wein  gebaut,  doch  mit  einem  Erfolge,  der  aus  den  drastischen  Ausdrücken 
Martials  »trinkst  du  Vaticaner,  so  trinkst  du  Gift«  oder  »schlürfe  Vaticaner,  wenn  du 
gerne  Essig  trinkst«  oder  der  Bezeichnung  des  »schlechtesten  Weines«^  zur  Genüge  er- 
sichtlich ist.  Unter  solchen  Umständen  mochte  es  den  Cäsaren  leicht  sein,  das  ganze  Ge- 
biet an  sich  zu  reissen,  und  die  Umwandlung  desselben  in  Parkanlagen  dürfte  für  die 
Production  kein  so  wesentlicher  Entgang  gewesen  sein,  wie  er  diess  gewiss  in  anderen 
Landstrichen  der  Halbinsel  in  der  Kaiserzeit  war.  Der  ganze  ager  Vaticanus  wurde  in 
zwei  grosse  bald  als  »neronische  Gärten«^  mit  einander  verbundene  Gartenanlagen  um- 
gewandelt, von  welchen  die  nordöstliche  als  Horti  Agrippinae,  die  südwestliche  als  Horti 
Domitiae  unterschieden  wird.  Die  Lage  der  letzteren ,  welche  ihren  Namen  wenigstens 
bis  Aurelian'^  beibehielten,  wird  durch  das  grossartige  älische  Grabmal  (moles  Hadriani), 
welches  ausdrücklich  »in  den  Gärten  der  Domitia«  befindlich  genannt  wird,^  die  der 
agrippinischen  Gärten  durch  den  für  das  Christenthum  so  berühmten  von  Caiigula  ge- 
bauten und  von  diesem  wie  von  Nero  benutzten  Circus,  ^  bei  welchem  sich  nachmals  die 
Peterskirche  erhob,  im  Allgemeinen  bestimmt.  Ausserdem  wissen  wir  noch  von  einem 
Apollo-  oder  vielmehr  Mithrastempel  unmittelbar  neben  oder  vielmehr  vor  der  Peters- 
kirche, ^'^  nach  anderen  Angaben  an  derselben  Stelle,  welche  seit  Constantin  die  Peters- 
kirche einnimmt,'^  von  welchem  wir  ausser  den  christlichen  Erwähnungen  auch  noch 
monumentale  Zeugen  an  Inschriften  besitzend  ^  Darauf  beschränken  sich  in  der  Haupt- 
sache die  bekannten  Gebäude,  wozu  natürlich  noch  zahlreiche  Hallengänge  und  der 
übrige  Comfort  einer  römischen  und  insbesondere  einer  Kaiser-Villa  zu  rechnen  sind,  von 
denen  jedoch  nichts  erhalten  ist.  Dasjenige  aber ,  wovon  sich  noch  Ueberreste  erhalten 
haben,  wird  besonders  beschrieben  und  dabei  auch  der  Geschichte  des  Verfalls  und  der 
Veränderungen,  welche  in  der  christlichen  Zeit  am  jenseitigen  Tiberufer  vorgegangen 
sind,  gedacht  werden. 


*  Paul  Diac.  s.  v.  Vaticanus.        *  Cic.  de  leg.  agr.  II.  35.    Gell.  1.  c.        *  Cic.  I.  c.       *  Tacit.  Bist.  II.  93. 

*  Martiai.  I.  Ep.  4  9.  VI.  Ep.  92.  X.  Ep.  45.         *  Tacit.  Ann.  XV.  39.  44.       ^  Script.  H.  A.  (Vopisc.)  Aureliaii.  49. 

•  Script.  H.  A.  (lul.  Cap.)  Antonin.  P.  5.  »  Tacit.  Ann.  XIV.  4  4.  Plin.  H.  N.  XXXVI.  H,  15,  74.  cf.  XVi.  40, 
76,  201.  '»  Lib.  de  Mirabilibus  Romae.  (Montfauc.  Diar.  Ital.  p.  290.)  "  Anastasius  Bibl.  V.  Silvestr.  Par. 
1649.   p.  14.         "  Orelli  Inscr.  2322.  2335.  2340  sq. 


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Die  aiische  Brücke.  297 


51.    Die  älische  Brücke.  (Ponte  S.  Angelo.) 

Von  der  Via  de'  Ponteficj ,  wo  wir  zuletzt  die  Ueberreste  des  Augustiisgrabmals 
besahen,  in  die  Strada  di  Ripetta  einmündend  und  diese  südlich  verfolgend  gelangt  man 
an  den  Fluss  und  an  den  Porto  di  Ripetta,  einen  schönen  nrodernen  Landungsplatz,  wel- 
cher wahrscheinlich  einem  antiken  in  der  Lage  ungeföhr  entspricht.  Es  wird  wenigstens 
berichtet,  dass  Piso,  welcher  den  Germanicus  ermordet  hatte,  beim  Mausoleum  des  Au- 
gustus  gelandet  seiJ  Antike  Ueberreste  davon  finden  sich  jedoch  nicht.  Wenn  wir  nun 
die  dem  Flusse  zunächstliegenden  gegen  Westen  sich  krümmenden  Strassen,  welche  von 
Piazza  Nicosia  aus,  obwohl  sie  sich  in  derselben  Richtung  und  ununterbrochen  fort- 
setzen, die  verschiedenen  Namen  Via  della  Tinta,  di  Monte  Brianzo ,  dell  Arco  di  Farina, 
di  Tordinona  tragen,  verfolgen,  so  erreichen  wir,  überrascht  durch  den  wahrhaft  impo- 
santen Anblick  der  Engelsburg  und  des  Vaticans  mit  der  majestätischen  Kuppel  von 
St.  Peter,  die  Piazza  di  Ponte,  und  die  majestätische  Engelsbrücke. 

Diese  in  einer  Centrallinie  auf  die  Engelsburg  hinführende  Brücke  ist  die  bedeu- 
tendste unter  den  noch  vorhandenen  Roms ,  sowohl  nach  ihren  Verhältnissen  als  nach 
ihrer  Frequenz.  Sie  ist  ganz  von  schöngefügten  Travertinquadern ,  war  ursprünglich 
102  Met.  lang,  und  ist  8,50  Met.  an  den  Bogen,  14,80  mit  den  Pfeilervorsprüngen  breit. 
Drei  massive  Bogen  von  1 4,6o  Met.  Spannung  sind  über  den  eigentlichen  Fluss  ge- 
sprengt, und  vier  kleinere  Bogen,  von  denen  jedoch  die  beiden  äusseren,  die  nur  4  Met. 
Spannung  haben,  während  die  inneren  6  Met.  messen,  jetzt  verschüttet  sind,  verbanden 
diese  mit  den  beiden  Ufern,  so  dass  die  ganze  Brücke  auf  sechs  Pfeilern,  welche  eine 
Stärke  von  8,20  Met.  haben,  ruht. 

Dass  diese  Brücke,  welche  bis  auf  das  Geländer  und  verschiedene  Ausbesse- 
rungen an  der  Aussenseite  antik  ist,  dieselbe  sei,  welche  Hadrian  gleichzeitig  mit  sei- 
nem Mausoleum  erbaute,^  wurde  niemals  bezweifelt,  wird  aber  auch  durch  eine  In- 
schrift bestätigt,  welche  im  9.  Jahrhundert  an  derselben  noch  sichtbar  war,  und  also 
lautete :  ^ 

IMP   CAESAR   DIVI    TRAI ANI    PARTH ICI    FILIVS 

DIVI    NERVAENEPOSTRAIANVS.  HADRIAN  VSAVGVSTVS 

PONTIF    MAXIM   TRIBVNIC    POTEST   XVTm   COS  •  TTT.  P   P •  FECIT 

Aus  dieser  Inschrift  geht  zugleich  die  Zeit  der  Vollendung  der  Brücke  hervor,  denn  das 
19.  Jahr  der  tribunicischen  Gewalt  des  Hadrian  entspricht  dem  J.  135 — 136  v.  Chr. 
Dasselbe  Consulatsjahr  (III.)  gibt  auch  eine  Bronzedenkmünze  des  Hadrian  (Paris) ,  mit 


*  Tacit.  Ann.  III.  9.  *  Script.  H.  A.  (Spartian.)  Hadr.  19.  *  Anonym.  Einsiedl.  »In  Ponte  Sei  Petri«. 

(Haenel,  Arch.  f.  Philol.  u.  Paedag.  Suppl.-Bd.  V.  p.  H9.) 

V.  Rbbbr,   die  Ruinen  Roms.  88 


298  Das  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

welcher  vielleicht  die  identisch  ist ,  welche  vonNardini^  in  Abbildung  gegeben  und  auf 
den  vier  Hauptpfeilern  der  auf  der  Kehrseite  dargestellten  Brücke  statuentragende  Säulen 
zeigt.  Die  Brücke  wird  bei  der  Erzählung  der  feierlichen  Bestattung  Hadrians  Pons 
Aelius  genannt,^  entweder  nach  dem  Vornamen  des  Kaisers  oder  nach  dem  Namen 
des  vor  Hadrian  verstorbenen  Sohnes  desselben,  Aelius  Caesar,  welcher  der  erste  war, 
der  in  dem  Mausoleum  des  Hadrian  bestattet  wurde.  Bis  zum  9.  Jahrhundert  und 
noch  später  scheint  sie  diesen  Namen  abwechselnd  mit  der  Bezeichnung  Pons  Ha- 
driani  beibehalten  zu  haben:  der  Anonymus  von  Einsiedeln  (a.  a.  0.)  aber  nennt  sie 
Pons  S.  Petri,  weil  sie  wahrscheinlich  schon  seit  Arcadius  und  Honorius  die  einzige 
war,  die  vom  Marsfelde  aus  zum  valicanischen  Gebiete  und  hauptsächlich  zur  Basilica 
des  heil.  Petrus  führte.  Nachdem  dann  die  Brücke  in  der  Zeit  Gregors  VH.  einen 
Thurm  getragen,  welcher  der  Zeuge  mancherlei  Gewaltsamkeiten  des  berüchtigten 
Cencio  war,  aber  von  dem  erbitterten  Volke  bald  wieder  zerstört  wurde,  scheint  sie 
den  falschen  Namen  des  Traian  erhalten  zu  haben,  wie  wir  aus  einer  Erwähnung "^ 
schliessen  dürfen.  Mit  der  Benennung  des  Mausoleum  Hadrians  als  Engelsburg  erhielt 
endlich  auch  die  Brücke  ihren  gegenwärtigen  Namen  (Ponte  S.  Angelo),  welcher  im 
15.  Jahrhundert  zum  erstenmale  erscheint.  Im  J.  1451  Hess  Papst  Nicolaus  V.  einige 
unbedeutende  Restaurationen  ausführen,  besonders  aber  durch  Abbruch  einiger  Häuser 
den  Platz  vor  der  Brücke  erweitern,  um  ein  Gedränge,  wie  es  im  Jahre  vorher  so 
viele  Menschenleben  gekostet  hatte ,  für  die  Zukunft  zu  verhüten ,  und  errichtete  zu- 
gleich am  Eingange  zu  der  Brücke  auf  dem  linken  Ufer  zwei  runde  Kapellen.  Diese 
beseitigte  Clemens  VN.  im  J.  1 527  aus  strategischen  Gründen  wieder,  da  sie  bei  An- 
griffen auf  die  Engelsburg  eine  allzu  passende  Schutzwehr  darboten,  und  liess  dafür 
dort  die  Marmorstandbilder  der  Apostel  Petrus  und  Paulus  (von  Lorenzetto  und  Paolo 
Romano)  aufstellen.  Damit  war  ein  Anfang  gemacht,  der  wieder  an  den  ursprünglichen 
Zweck  der  Basamentvorsprünge  an  den  Pfeilern  erinnern  musste,  und  bei  der  Gele- 
genheit, als  Karl  V.  auf  der  Rückkehr  von  Tunis  in  Rom  seinen  feierlichen  Einzug 
hielt,  da  stellte  man  die  Statuen  der  vier  Evangelisten  und  der  vier  Patriarchen  da- 
selbst in  Modell  auf,  was  so  gefiel,  dass  Papst  Clemens  IX.  1 668  den  Bernini  beauf- 
tragte, marmorne  Standbilder  an  deren  Stelle  zu  setzen.  Damals  nun  entstanden  die 
zehn  Engel  mit  den  Leidenswerkzeugen,  welche  noch  jetzt  in  dem  flatternden  Ge- 
schmacke  der  Bernini'schen  Schule  die  Pfeilervorsprünge  schmücken,  von  denen  jedoch, 
nur  einer,  der  Träger  der  Kreuzinschrift,  von  der  Hand  Bernini's  selbst  sein  soll. 
Auch  das  Geländer  ist  nach  den  Angaben  desselben  Meisters  ausgeführt.  Seitdem  ge- 


VRoma  vetus.    Lib.  VIII.    c.  3.     (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  IV.  p.  -1445.)  "   Dio  Cass.  LXIX.  23. 

•'  Pandulphi  Pisani  Vit.  Paschal.  II.    (Muratori,  Rer.  Ital.  Script,  tom.  III.  pars  I.  p.  358. j 


Das  Grabmal  des  Hadrianus.  299 

schah  nur  mehr  Unwesentliches  an  dem  stattlichen  Bau,  der  überhaupt,  wenn  auch 
Piranesi's  Grundaufnahmen  alles  thatsächlichen  Grundes  entbehren,^  den  Stempel  der 
Unverwiistlichkeit  an  sich  trägt,  obwohl  nichts  Plumpes  das  Auge  verletzt. 


52.    Das  Grabmal  des  Hadrianus. 

Die  beschriebene  Brücke  mündet  am  jenseitigen  Ufer  in  die  Strasse  Borgo  nuovo, 
welche  eine  Strecke  weit  zur  Rechten  von  den  Aussenwerken  der  Engelsburg  (Ca- 
stello  S.  Angelo)  abgegränzt  wird.  Diese  Citadelle  von  Rom  ist  in  der  Hauptsache 
nichts  anderes  als  das  früh  zu  diesem  Zwecke  verwendete  Mausoleum  des  Hadrian, 
dessen  kolossaler  Rundbau,  der  jetzt  eine  Anzahl  moderner  der  jetzigen  Bestimmug 
dienender  Gebäude  trägt,  zwar  seiner  äusseren  Bekleidung  wie  namentlich  seiner 
oberen  Ausschmückung  beraubt,  in  seiner  inneren  baulichen  Gestalt  aber  noch  ziem- 
lich wohlerhalten  ist.  Nachdem  man  die  Vorbauten  durchschritten,  sieht  man  im  Vor- 
beigehen, der  Brücke  gerade  gegenüber,  den  antiken  Eingang,  der  jedoch  jetzt,  da 
man  einen  anderen  hineingebrochen,  vermauert  ist.  Dieser  ursprüngliche  Eingang  be- 
findet sich  auf  einem  massiven  quadratischen  Unterbau  der  äusserlich  von  Travertin,  in 
seinem  Kerne  aber  aus  Gussmasse  besteht  und  auf  jeder  Seite  90  Met.  lang  und 
31  Met.  hoch  ist,  von  welcher  Höhe  jedoch  jetzt  der  grösste  Theil  unter  dem  moder- 
nen Boden  begraben  ist.  Auf  diesem  Unterbau,  ruht  ein  kolossaler  Cylinderbau  von 
Travertinblöcken,  67  Met.  im  Durchmesser,  an  22  in  der  Höhe  messend.  Dieser  war 
mit  parischem  Marmor  bekleidet  und  oben  mit  einem  Kranze  von  Statuen  geschmückt.^ 
Nach  einer  anderen  Beschreibung  ^  waren  auf  den  vier  Ecken  des  Substructionswtir- 
fels  vier  eherne  Reiterstatuen  angebracht,  oben  aber  ringsum  ein  ehernes  Geländer 
mit  vergoldeten  Pfauen,  von  denen  sich  noch  zwei  erhalten  haben  und  im  Giardino 
della  Pigna  des  Vatican  zu  sehen  sind.  Jetzt  ist  von  der  Marmorbekleidung  keine  Spur 
mehr  erhalten  und  an  die  Stelle  des  Carnieses  und  Statuenkranzes  ist  ein  mittelalter- 
licher Kragsteingürtel  getreten. 

Was  das  Innere  dieses  Baues  betrifft,  so  führte  (nach  den  von  Major  Bavari 
angestellten  Untersuchungen)  von  dem  erwähnten  Eingangsthore  aus  ein  kurzer  Weg 
in  gerader  Linie  zu  einem  Gewölbe  (a)  von  etwa   1 1  Met.  Höhe,  das  sich  nach  dem 


'  G.  Piranesi,  Le  Anlichitä  Romane.  Roma  1784.  Tom.  IV.  tav.  VI.  VII.  XI.  *  Procop.  B.  Goth.  1.  22. 

*  Petrus  Mallius,  Hist.  Bas.  S.  Petri.  c.  8.  n.  4  30. 

38* 


300 


Das  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 


Innern  zu  in  eine  grosse  Nische  ausweitet,  in  welcher  wahrscheinHch  ein  Kolossal- 
standbild des  Kaisers  Hadrian  sich  befand.  Noch  jetzt  sieht  man  Reste  der  Marmor- 
bekleidung der  Wände  an  der  Bodenleiste  und  Spuren  des  der  Nische  gegenüberlie- 
genden Portals.     Man   gelangt  jedoch   nicht   mehr   auf  dem  antiken  Wege  zu  dieser 

Kammer,  da  Ein-  und  Ausgang 
vermauert,  der  Gang  selbst 
verschüttet  ist,  sondern  von 
der  Seite  herab,  auf  einem 
Wege,  den  wir  theilweise  wie- 
der zurück  gehen  müssen  (6), 
um  die  übrige  Einrichtung  des 
Gebäudes  zu  betrachten.  Es 
ist  diess  ein  in  einer  vollen  Spi- 
rale aufsteigender  Corridor, 
welcher  jetzt  in  der  breiten 
modernen  Cordonata  endigt, 
die  durch  den  modernen  Ein- 
gang in  gerader  Linie  in  die 
Centralkammer  und  auf  die 
Höhe  führt.  Auf  der  anderen 
Seite  sieht  man  noch  den  ver- 
mauerten Bogen,  durch  wel- 
chen die  Spirale  auf  die  Höhe 
des  Hauptcylinders  sich  fort- 
setzte. Vormals  nun  führte  von 
dem  Spiralcorridor  aus,  da  wo 
er  die  Stelle  über  der  erstbe- 
schriebenen Eingangskammer 
erreicht  hatte,  ein  etwas  höhe- 


rer Corridor  wagerecht  zu  der 
Centralkammer  (c),  welche  der 
moderne  Stufenweg  etwas  erhöht  und  schwach  aufsteigend  durchschneidet  und  sehr 
entstellt.  Diese  Kammer  misst  9  Met.  in  der  Länge  und  8  in  der  Breite  bei  einer  Höhe 
von  etwa  1 4  Met.  —  nach  dem  Bogenansatz  zu  urtheilen ;  denn  die  Wölbung  selbst 
ist  zerstört.  Sie  bildete  ohne  Zweifel  das  Grabgemach  der  Familie  Hadrians;  vier  Nischen- 
vertiefungen an  den  vier  Seitej;i  zeigen  noch  die  Stelle ,  wo  vormals  die  Cippen  mit  den 
Urnen   standen    (ein   hier  gefundener  Porphyrsarkophag   soll   zum  Grabe    des  Papstes 


20  I/o 

29.     Grundriss  des  Mausoleum  Hadrians. 


"koMet 


30.    Durchschaut  des  Mausoleum  Iladiiuus.  (Nach  Huapp.) 


I 


Das  Grabmal  des  Hadrianus.  301 

Innocenz  verwendet  worden  sein,  ^  der  Deckel  desselben  ist  noch  für  das  Taufbecken 
von  S.  Peter  benutzt).  Ueber  den  beiden  Seitennischen  münden  rechtwinkelige  Luft- 
züge {d),  welche  die  Masse  des  Cylinderbaues  schräg  aufwärts  gerichtet  durchschnei- 
den und  zugleich  zur  Ventilation  und  zur  Beleuchtung  dienten,  was  jedoch  jetzt  der 
Durchbruch  der  Wölbung  überflüssig  macht.  Aehnliche  Luftzüge  sind  auch  nach  den 
beiden  anderen  Richtungen  hin  am  Spiralcorridore  angebracht,  an  denselben  Stellen, 
an  welchen  auch  andere  konische  sich  senkrecht  erheben.  Wie  dadurch  für  Luft  und 
Licht,  so  ist  auch  für  den  Abfluss  des  Wassers  durch  besondere  Kanäle  gesorgt, 
welche  unter  dem  Pavimente  des  Spiralcorridors  abwärts  laufend,  sowohl  an  der 
dem  Tiber  zugewendeten  als  an  der  entgegengesetzten  Seite  vermittelst  schräger  in 
den  quadratischen  Unterbau  getriebener  Schachte  das  Regenwasser  in  ausserhalb  lie- 
gende Cloaken  und  durch  diese  in  den  Tiber  abführten.  —  Ueber  dem  beschriebe- 
nen Centralgemache,  das  jetzt  von  dem  bereits  erwähnten  modernen  Aufgang  über- 
brückt ist,  um  dessenwillen  auch  die  Wölbung  hatte  fallen  müssen,  endigen  die  an- 
tiken Reste.  Von  anderen  Grabgemächern,  deren  zuverlässig  mehre  vorhanden  wa- 
ren, hat  man  keine  Spur  entdeckt.  Vermuthlich  befanden  sie  sich  in  der  Linie  des 
antiken  Eingangs:  doch  kann  ich  nicht  unterscheiden,  ob  der  von  Piranesi^  gegebene 
Durchschnitt  des  Mausoleum,  welcher  dort  eine  Reihe  von  Kammern  zeigt,  auf  That- 
befund  beruht,  oder  ob  auch  sie,  wie  leider  nur  zu  viel,  der  Phantasie  des  genialen 
Architekten  angehören,  welche  namentlich  in  der  fabelhaft  imposanten  Darstellung  der 
Substruction  des  Mausoleum^  alles  in  dieser  Weise  Geleistete  überboten  haben  dürfte. 
Auf  der  Höhe  des  Rundbaues  aber  erhob  sich  wahrscheinlich  noch  ein  zweiter  klei- 
ner, vielleicht  äusserlich  von  Säulen  umsäumt,  der  wohl  in  einem  flach-kegelförmigen 
Dache  abschloss,  dessen  Spitze  eine  Statue  Hadrians  krönte.  Dieser  Statue  wird  auch 
der  kolossale  Kopf  zugeschrieben,  den  man  unter  Alexander  VL  in  einem  Graten  vor 
dem  Grabmale  fand  und  der  jetzt  in  der  Sala  rotonda  des  vaticanischen  Museum  zu 
sehen  ist.  Sonst  ist  von  der  oberen  Hälfte  des  Grabdenkmals  nichts  erhalten,  jetzt 
wechseln  auf  der  Höhe  des  schmuckentblössten  Rundbaues  schön  bemalte  päpsthche 
Gemächer  mit  militärischen  Magazinen  und  unheimlichen  Verliessen,  ein  wunderbares 
Gemisch  aus  verschiedenen  Epochen,  ftir  die  Geschichte  Roms  im  Mittelalter  von  ho- 
hem localen  Interesse.  Aus  vielem  weht  das  Grauen  der  barbarischen  Zeit  um  das 
Jahr  1000,  in  welcher  das  Grabmal  Hadrians  eine  wichtige  und  schreckliche  Rolle 
spielte. 

Die  Erbauung  dieses  kolossalen  Grabdenkmals  wurde  durch  den  Umstand  ver- 
anlasst,   dass  nach  der  Bestattung  des  Nerva   das    bisher  als  Grabstätte  der  Cäsaren 


Petr.  Mallius  I.  c.  *  Le  Antichitä  Romane.    Roma  <  81 7.    Tom.  IV.    tav.  VII.  *  tav.  I\. 


302  ^^^  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

dienende  Mausoleum  des  Augustus  keinen  Raum  mehr  bot.  Traian  unterliess  es  da- 
für zu  sorgen,  und  seine  Asche  wurde,  wie  schon  erwähnt,  unter  der  Triumphsaule 
auf  seinem  Forum  beigesetzt ;  dem  baulustigen  Hadrian  war  die  Gelegenheit  willkom- 
men, und  es  gelang  ihm  auch  an  Dimensionen  und  an  Ausstattung  das  Grabmal  des 
Augustus  bei  weitem  zu  übertreffen,  worin  auch  die  imposante  Lage  unmittelbar  am 
Flusse ,  welcher  gleichzeitig  hier  tiberbrückt  ward ,  wesentlich  unterstützte.  ^  lieber 
die  Zeit  der  Erbauung  gibt  eine  freilich  nur  mehr  in  Abschrift  vorhandene  und  oben 
(S.  297)  mitgetheilte  Inschrift  der  Brücke  Zeugniss,  welche  für  den  Bau  der  lefzle- 
ren (und  beide  Werke  sind  sicher  gleichzeitig)  das  1 9.  Jahr  der  tribunicischen  Gewalt 
des  Hadrian  angibt,  mithin  das  Jahr  135/136  v.  Chr.  Auch  die  Ziegel  des  Grab- 
males, soweit  solche  beim  Bau  verwendet  sind,  sind  mit  verschiedenen  Consulaten 
des  Hadrian  gezeichnet  und  lassen  über  die  Person  des  Erbauers  keinen  Zweifel  zu, 
und  wenn  berichtet  wird,  dass  erst  Antoninus  Pius  dieses  Grabmal  dem  Hadrian  er- 
baut habe,  ^  so  kann  diess  nur  auf  die  Vollendung  des  Baues  bezogen  werden,  zu- 
mal schon  vor  dem  TodQ  Hadrians  dessen  Sohn  Aelius  Cäsar  in  demselben  beigesetzt 
ward.  ^  Von  mehren  daselbst  bestatteten  Cäsaren  und  Mitgliedern  ihrer  Familien  ha- 
ben sich  die  Inschriften,  die  wahrscheinlich  am  quadratischen  Unterbau  angebracht 
waren,  wenigstens  bis  zum  9.  Jahrhundert  erhalten,  in  welchem  sie  abgeschrieben 
wurden.  '*  So  zunächst  von  dem  erwähntermassen  schon  vor  Hadrian  verstorbenen 
Sohne  desselben,  L.  Aelius  Cäsar: 

L  •  AELIO     CAESARI     DIVI     HADRIANI  •  AVG  •  FILIO  •  CONS     II 

welche  Inschrift  jedoch  ihrem  Inhalte  zufolge  erst  nach  Hadrians  Tode  geschrieben 
wurde.  Dann  von  dem  Kaiser  Antoninus  Pius  und  seiner  Gemahlin,  der  älteren 
Faustina : 

IMPERATORI     CAESARI  •  TITO  •  AELIO     HADRIANO  •  ANTONINO  •  AVG     PIO 
PONTIF     IVIAX     TRI8VNIC  •  POT    (X)XXIIIi'     IIVIP    Tl     CONS     Im     P     P 

DIVAE  •  FAVSTINaE  •  AVGVSTAE  •  IMP     CAESARIS  •  T  •  AELII  •  HADRIANI 
ANTONINI  •  AVG     PII     PONTIF  •  IVIAXIIVII     TRIB  •  POT    Üil  •  CONS     IlT    P    P 

Hierauf  von  zwei  Söhnen  desselben  Kaisers,  M.  Aurehus  Fulv(i)us  Antoninus  und  M. 
Galerius  Aurelius  Antoninus,  von  welchen  der  erstere  sonst  unbekannt  (also  wahr- 
scheinlich früh  verstorben)  ist: 

IVI    AVRELIVS     FVLViVS     ANTONINVS  •  FILIVS  •  IMP  •  CAESARIS 
TITI  •  AELII  •  HADRIANI     ANTONINI  •  AVG  •  PII     P  •  P 


*  Script.  H.  A.  (Spartian.)    Hadr.  19.    Dio  Cass.  LXIX.  23.    Vgl.  S.  297.  *  Script.  H.  A.  (Capitolin.) 

Antonin.    P.  8.  ^  (Spartian.)  Ael.  Caes.  6.  *  Anonym.  Einsiedl.   (Haenel,  Arch.  f.  Philo],  u.  Paedag. 

Suppl.-Bd.  V.  S.  H9.  <27  «S£l28.)  »  Richtiger  XXIIII.     Vgl.  Eckhel,  Doctr.   num.   vet.    Pars  II.    Vol.  VII. 

p.  26  &  27. 


Das  (Jrabmal  des  Hadrianus.  303 

M     GALERIVS     AVRELIVS     ANTONINVS     FILIVS     IMP  •  CAESARIS 
TITI  •  AELII  •  HADRIANI  •  ANTONINI  •  AVG  •  Pll     P  •  P 

und  von  einer  Tochter  desselben  Antoninus  Pius,  Schwester  der  ebengenannten,  Na- 
mens Aurelia  Fadilla: 

AVRELIA     FADILLA     FILIA  •  IMP    CAESARIS 
TITI  •  AELII  •  HADRIANI  •  ANTONINI  •  AVGVSTI     Pll     P  •  P 

Nun  folgen  die  Inschriften  von  drei  Kindern  des  M.  Aurelius,  welche  schon,  wie  aus 
dem  Wortlaut  hervorgeht,  als  ihr  Vater  noch  Cäsar  und  ihr  Grossvater  Antoninus  Pius 
noch  am  Leben  war,  verstorben  sind ,  nemlich  Aurelius  Antoninus ,  T.  Aelius  Aure- 
lius und  Domitia  Faustina: 

T     AVRELIVS     ANTONINVS     IVI  •  AVRELII     CAESARIS  •  FILIVS 
JIYIP  •  ANTONINI  •  AVGVSTI     Pll  •  P     P     NEPGS 

T  •  AELIVS     AVRELIVS  •  M     AVRELII  •  CAESARIS  •  ET    FAVSTINAE 
AVG  •  (?)  FILIVS     IIVIP     ANTONINI  •  AVGVSTI  •  Pll  •  NEPGS 

D0IV1ITIA  •  FAVSTINA     JVl  •  AVRELII  •  CAESARIS     FILIA 
IIVIP  ■  ANTONINI  •  AVG  .  PN  •  P  •  P  •  NEPTIS 

dann  von  L.  Aurelius  Verus,  des  Antoninus  Pius  Sohn  und  Mitregenten  des  M.  Au- 
relius : 

IIVIP     CAESARI  •  L  •  AVRELIO  •  VERO  •  AVG  •  ARIVIENIAC  •  IVIED     PARTHIC 
PONTIFIC  •  IVI  •  TRIBVNIC     POTEST  •  VUIJ    IIVIP    V    COS    Tll    P     P 

und  endhch  von  dem  Kaiser  L.  Aelius  Aurelius  Commodus,  des  Marc  Aiirel  unwür- 
digem Sohne  und  Nachfolger: 

IMPERATORI  •  CAESARI  •  DIVI  •  MARCI  •  ANTONINI  •  Pll  •  GERMANICI 

SARMATICI  •  FILIO  •  DIVI  •  Pll  •  NEPOTl  •  DIVI  •  HADRIANI  •  PRONEPOTI 

DIVI  •  TRAIANI     PARTHICI  •  ABNEPOTI  •  DIVI  •  NERVAE  •  ADNEPOTI 

LVCIO  •  AELIO  •  AVRELIO     COMIVIODO  .  AVGVSTO     SARMATICO 

GERMANICO  •  MAXIMO  •  BRITANNICO  •  PONTIFICI  •  MAXIMO 

TRIBVNICIAE  •  POTEST    XVIII    IIYiPERAT  VlN     CONSVLI  •  vTl  •  PATRI  •  PATRIAE 

Die  beiden  letzten  Inschriften  waren  noch  im  16.  Jahrhundert  erhalten.' 
Sämmtliche  Inschriften  aber  sind  in  der  Abschrift  des  Anonymus  verhältnissmässig 
überraschend  richtig  copirt,  was  aus  dem  Wortlaut  an  sich,  aus  der  Gleichheit  von 
drei  doppelt  gegebenen  Inschriften  und  insbesondere  aus  der  fast  durchgängigen  Feh- 
lerlosigkeit  der  Zahlen,  welche  letztere  nach  den  Münzen  leicht  erwiesen  werden 
kann,  hervorgeht.  Doch  vollständig  sind  sie  nicht  und  konnten  es  nach  den  Schick- 
salen, welche  das  Grabdenkmal  in  dieser  Zeit  (9.  Jahrh.)    bereits  gehabt  hatte,    nicht 


'  Gamucci,  Libri  quattro  delT  antichitä  della  citta  di  Roma.    Ven.  1565.  p.  188. 


304  Das  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

mehr  sein,  obwohl  sie  wohl  alle  an  der  Südseite,  der  Fronte,  angebracht  waren,  von 
welcher  sie  abgeschrieben  zu  haben  der  Anonymus  auch  ausdrücklich  bemerkt.  {»In 
Adriano.  In  Parte  AustraliA<)  Die  wichtigste,  namentlich  die  Inschrift  des  Hadrian 
selbst,  fehlt,  und  ich  zweifle  nicht,  dass  diese  Hauptinschrift  in  ähnlicher  Weise,  wie 
diess  bei  dem  Grabmale  der  Plautier  an  Ponte  Lucano  bei  Tivoli  und  beim  Grabmal 
der  Caeciiia  Metella  an  der  Via  Appia  der  Fall  ist ,  in  der  Mitte  des  Rundbaues  ange- 
bracht war,  wo  sie  entweder  den  Blicken  des  Abschreibers  entging,  oder  vielleicht  schon 
verschwunden  war.  Dass  auch  der  Kaiser  Septimius  Severus  dort  begraben  sei,  ist 
nicht  so  bestimmt,  als  man  geglaubt  hat:  denn  es  wird  nur  erwähnt,  dass  er  im  Grab- 
male der  Antonine  beigesetzt  wurde. ''  Ob  man  dabei  an  ein  Grabmal  bei  der  Ehren- 
säule des  M.  Aurel,  wie  bei  der  Traiansäule  denken  müsse,  möchte  ich  bezweifeln,  wahr- 
scheinlicher ist  es,  jenes  sepulcrum  Antoninorum,  in  welchem  Sept.  Severus  beigesetzt 
wurde,  für  dasselbe  zu  halten,  welches  dann  das  des  Severus  genannt  wird,  sich  an  der 
Via  Appia  befand  und  in  der  Art  des  am  Palalin  befindlichen  Septizonium  gebaut  war.* 
Davon  wird  später  die  Rede  sein.  Auch  findet  sich  in  der  That  weder  M.  Aurelius  noch 
Sept.  Severus  unter  den  von  dem  Anonymus  abgeschriebenen  Inschriften.  Gewiss  ist, 
dass  nach  Septimius  Severus,  welcher  wahrscheinlich  —  wenn  nicht  schon  M.  Aurel  — 
die  Reihe  der  in  dem  dritten  Kaisergrabe  beigesetzten  Cäsaren  eröffnete,  das  Grabmal 
des  Hadrian  keinen  Kaiser  mehr  aufnahm  und  geschlossen  blieb,  bis  Alarichs  Rotten  es  öff- 
neten und  durchwühlten,  die  Urnen  umstürzten  und  zerschlugen,  und  was  sie  in  den  Kam- 
mern an  edlen  Metallen  fanden,  mit  sich  nahmen.  Da  die  aurelianische  Mauer  nur  durch 
den  Fluss  von  dem  Grabmale  getrennt,  mithin  ganz  nahe  war,  so  kann  es  uns  auch  nicht 
befremden,  bei  dem  nächsten  Gothenangriff  auf  die  Stadt  unter  Vitiges  das  Denkmal  von 
den  Römern  als  Festungsthurm  benutzt  zu  sehen.  Procopius  erzählt  die  Belagerung  des- 
selben, die  der  Ruin  des  prachtvollen  Gebäudes  war,  ausführlich :  ^  nachdem  alle  anderen 
Mittel  der  Gegenwehr  erschöpft  waren,  griffen  die  Römer  in  der  äussersten  Bedrängniss 
zu  den  Marmorstatuen,  die  am  Rande  des  Rundbaues  standen,  und  stürzten  sie  auf  die 
Angreifer  herab,  die  sich  jedoch  nichtsdestoweniger  des  Bollwerkes  bemächtigten.  Als 
später  (i.  J.  549)  Totilas,  der  Anführer  der  Golhen,  in  die  Stadt  eindrang,  *  warf  sich 
Paulus,  der  Befehlshaber  einer  Abiheilung  Reiter  unter  Belisar,  mit  400  Mann  in  das 
Mausoleum  und  besetzte  die  Brücke  :  nach  langer  heldenmüthiger  Verlheidigung  musste 
sich  jedoch  auch  dieser  wegen  Mangel  an  Lebensmitteln  ergeben  und  Hadrians  Grab- 
mal gerieth  abermals  in  die  Hände  der  Gothen.  Als  nun  Narses  i.  J.  552  gegen  To- 
tilas heranzog,  umgaben  die  Barbaren  das  Grabmal  mit  einer  niedrigen  Mauer:  doch 


'  Script.  H.  A.  (Spartian.)  Sept.  Sev.  24.  »  (Spartian.)  Geta.  7.    Vgl.  Einleitung  S.  47.  »  Procop. 

Bell.  Goth.  I.  22.  *  id.  III.  34—36. 


Das  Grabmal  des  Hadrianus.  ^  305 

Narses  siegte  in  einer  entscheidenden  Schlacht,  in  welcher  Totilas  fiel,  worauf  die 
gothische  Besatzung  gegen  das  Zugeständniss  freien  Abzuges  die  Burg  wieder 
übergab. ^ 

Nun  scheint  das  Denkmal  die  Eigenschaft  einer  Burg  für  einige  Jahrhunderte 
wieder  verloren  zu  haben.  Als  im  Jahre  590  Papst  Gregor  der  Grosse  einen  Bitt- 
gang veranstaltete,  um  die  Abwendung  der  schrecklichen  Pest,  welche  damals  in  Rom 
wüthele,  zu  erflehen,  soll  er,  als  der  Zug  eben  über  die  Brücke  ging,  auf  der  Höhe 
des  Grabmales  den  h.  Erzengel  Michael  erblickt  haben,  der  zum  Zeichen  der  Ver- 
söhnung des  Himmels  sein  Schwert  in  die  Scheide  steckte.  ^  Zur  Erinnerung  an  diese 
wunderbare  Erscheinung  erbaute  Papst  Bonifacius  IV.  auf  dem  Gipfel  der  Moles  Ha- 
driani  eine  Kapelle  zu  Ehren  des  h.  Michael,  welche  wegen  ihrer  hohen  Lage  S.  An- 
gelus  inier  niihes,  usque  ad  coelos  und  inter  coelos  genannt  wurde  und  dem  erhaltenen 
Rumpfe  des  Grabmals  eine  religiöse  Bedeutung  gab.  Im  Jahre  923  aber  ward  das 
Grabmal  von  der  berüchtigten  Marozia  und  ihrem  Gemahle  Alberich,  Grafen  von 
Tusculum  und  Marchese  von  Camerino,  besetzt,  was  den  Anfang  einer  langen  an  das 
Denkmal  geknüpften  Kette  von  Gräuelthaten  bildete.  Alberich  ward  zwar  bald  wieder 
vertrieben  und  zu  Orte  ermordet,  allein  Marozia,  obwohl  ebenfalls  auf  kurze  Zeit  ver- 
drängt, bemächtigte  sich  mit  Hilfe  ihrer  starken  Partei  doch  wieder  (i.  J.  925)  ihrer 
Zwingburg  und  vermählte  sich  mit  Wido,  Markgrafen  von  Toscana,  welcher  wenige 
Jahre  darauf  Papst  Johann  X.  im  lateranischen  Palaste  gefangen  nahm  und  in  die  Moles 
Hadriani  brachte,  wo  er  in  Kurzem  —  wahrscheinlich  eines  gewaltsamen  Todes  —  starb. 
Nicht  lange  nachher  (i.  J.  929)  endete  auch  dieser,  und  Marozia  vermählte  sich  mit  Hugo, 
König  von  Italien.  Dieser  behandelte  den  Alberich,  einen  Sohn  der  Marozia  aus  ihrer 
ersten  Ehe,  sehr  übermüthig,  bis  es  diesem  gelang  zu  entweichen  und  das  Volk  zu  sei- 
ner Rache  aufzurufen.  Der  wilde  Sturm  desselben  auf  die  Burg  brachte  Hugo  dahin, 
sich  heimlich  an  einem  Seile  herabzulassen  und  zu  entfliehen :  Alberich  IL  bemächtigte 
sich  des  Grabmals  und  warf  seine  Mutter  in's  Gef^ngniss.  Nach  Alberichs  IL  Tode  erbte 
sein  Sohn  Octavian  die  Moles  Hadriani  und  die  Zwingherrschaft  über  die  Stadt  (i.  J. 
954):  doch  dieser  nahm  schon  zwei  Jahre  darauf  als  Johann  XIIL  die  Tiara  und  brachte 
so  die  Burg  au  den  päpstlichen  Stuhl.  Von  jetzt  an  erscheint  sie  unter  dem  Namen  Ca- 
stellum  S.  Angeli,  den  sie  bis  auf  den  heutigen  Tag  bewahrt  hat.  Im  Jahre  965  lag 
Papst  Johann  XIIL  daselbst  im  Kerker  und  wenige  Jahie  darauf  wird  ein  gewisser 
Crescentius  als  Zwingherr  der  Engelsbmg  genannt.  Dieser  und  Francone,  der  spätere, 
nicht  anerkannte  Papst  Bonifacius  nahmen  den  Papst  Benedict  VI.  gefangen  und  Hessen 


'  id.  IV.  33.  *  Gregor  v. Tours.  X.  1.  cf.  Taul.  Diacon.  lU.  24.    Für  das  Folgende  vgl.  Muratori,  Annali 

ü'Italia.  Mil.  1744. 

F.  Rbbbb  ,  Die  Kuinen  Roms.  39 


306  Das  transtiberiiiische  Gebiet  und  die  Brücken. 

ihn  im  Kerker  der  Engelsburg  erdrosseln;  doch  gelang  es  dem  Usurpator  Bonifacius 
nicht,  den  rechtmassig  gewählten  und  vom  Kaiser  Otto  II.  beschützten  Nachfolger  des 
Ermordeten,  Papst  Benedict  VII.,  zu  stürzen.  Als  jedoch  nach  dem  Tode  des  letzteren 
und  seines  kaiserlichen  Beschützers  Johann  XIV.  gewählt  ward,  nahmen  Crescentius  und 
Francone  auch  diesen  gefangen  und  überlieferten  ihn  in  einem  Verliesse  dem  Hunger- 
tode, i.  J.  984.  Dessen  Nachfolger  Johann  XV.  zwangen  sie,  nach  Toscana  zu  entflie- 
hen: als  ihm  aber  daselbst  vom  Kaiser  Otto  III.  Hilfe  versprochen  ward,  rief  ihn  Cres- 
centius zurück,  unterwarf  sich  ihm  bei  seinem  Wiedereinzuge  und  erhielt  auf  seine  Be- 
theuerungen hin  die  Begnadigung  des  Papstes.  Dessenungeachtet  setzte  er  hierauf  von 
der  Engelsburg  aus  seine  Bedrückungen  fort,  bis  Otto  III.  i.  J.  998  nach  Rom  kam. 
seine  Burg  belagerte  und  einnahm.  Crescentius  ward  auf  der  Höhe  der  Engelsburg 
enthauptet,  sein  Leichnam  von  den  Zinnen  herabgestürzt  und  dann  auf  dem  nahen  Monte 
Mario  aufgehangen.  Dem  Einflüsse  der  Stephania,  Gemahlin  des  Getödteten,  auf  Kaiser 
Otto  III.  verdankte  angeblich  die  Familie  der  Crescentier  die  Beibehaltung  der  Engels- 
burg. Unter  den  Nachfolgern  spielte  Cencio  die  hervorragendste  Rolle :  er  nahm  den 
Papst  Gregor  VII.  in  die  Engelsburg  auf,  und  vertheidigte  ihn,  als  Kaiser  Heinrich  IV. 
i.  J.  1084  gegen  ihn  anrückte.  Der  verheerende  Einzug  des  Robert  Guiscard  nöthigte 
jedoch  den  Kaiser,  von  der  Belagerung  abzustehen. 

Nun  wechselte  zwei  Jahrhunderte  lang  der  Besitz  der  Engelsburg  zwischen  den 
Päpsten  und  deren  Gegnern,  ohne  dass  sich  besondere  hier  erwähnenswerthe  Ereig- 
nisse daran  knüpften,  ausser  dass  Kaiser  Friedrich  Barbarossa  sie  i.  J.  1 1 67  vergeblich 
belagerte.  Nach  dieser  Zeit  waren  es  besonders  die  Orsini,  welche  sie  besetzt  hatten : 
durch  diese  gelangte  Johannes,  Bruder  des  Königs  Robert  von  Neapel,  i.  J.  1312  in  ih- 
ren Besitz  und  suchte  mit  ihrer  Parthei  die  Krönung  Heinrichs  VII.  zu  hintertreiben :  bei 
einem  nachfolgenden  Aufstande  gerieth  jedoch  die  Burg  in  die  Gewalt  des  Volkes.  Der 
Anführer  der  Volksparthei,  Jacopo  di  Giovanni  Arlotto  Stephaneschi,  führte  ein  strenges 
Regiment  in  Rom  ein,  zerstörte  die  Burgen  des  übermüthigen  Adels  und  wollte  eben 
daran  gehen,  auch  die  Engelsburg  zu  schleifen,  als  sich  die  des  Druckes  ungewohnten 
Vornehmen  verbanden ,  den  kühnen  Stephaneschi  in  ihre  Gewalt  brachten  und  in's  Ge- 
föngniss  warfen,  worauf  die  Orsini  die  Engelsburg  wieder  besetzten.  Im  J.  1328  nahm 
ihnen  Ludwig  der  Bayer  dieselbe  abermals  ab,  doch  konnte  sich  die  kaiserhche  Parthei 
nach  Ludwig's  Abzüge  nicht  gegen  diese  mächtige  Adelsfamilie  behaupten ,  welche  die 
Burg  bis  zur  Zeit  der  Herrschaft  des  Cola  di  Rienzi  besass,  während  welcher  sie  sich 
in  des  Tribunen  Gewalt  befand.  Nach  seinem  Tode  kehrten  zwar  die  Orsini  wieder  in 
deren  Besitz  zurück:  doch  erlangte  die  Stadt  bald  darauf  die  Oberherrlichkeit  über  die- 
selbe, und  um  die  Mitte  des  1  4.  Jahrhunderts  erscheint  die  Engelsburg  schon  als  Fe- 
stung der  Stadt,  indem  die  römischen  Gesandten  dem  Papste  UrbanV.  die  Schlüssel  der- 


Das  Grabmal  des  Hadrianus.  307 

selben  als  Zeichen  ihrer  Ergebenheit  nach  Avignon  überbrachten.  Bei  der  Rückkehr 
Gregors  IX.,  des  letzten  der  französischen  Päpste,  nach  Rom  ward  dessen  Freund  Gon- 
telin  de  S.  Crispin  Befehlshaber  der  Burg  und  widersetzte  sich  nach  Gregors  Tode  zu 
Gunsten  des  französischen  Gegenpapstes  Clemens  (VII.)  der  Wahl  eines  Italieners  (Ur- 
ban  VIII.).  Die  Parthei  der  Franzosen  war  sehr  stark,  und  erst  nach  einjähriger  Bela- 
gerung konnte  die  Uebergabe  der  Engelsburg  von  den  Römern  erzwungen  werden.  Bei 
dieser  Einnahme  verlor  das  Grabmal  Hadrians  den  letzten  Schimmer  seiner  früheren 
Pracht :  die  Bekleidung  von  parischem  Marmor  wurde  abgelöst  und  zu  Neubauten  ver- 
wendet, und  nur  die  Unverwüstlichkeit  der  Mauern  verhinderte  die  gänzliche  Zerstörung 
der  Zwingburg.  Bonifacius  IX.  stellte  die  Ruine  als  Festung  mit  neuen  Zinnen  und 
Thürmen  her,  die  jedoch  bald  darauf  ein  Orkan  wieder  grossentheils  zerstörte  (i.  J.  I  404). 
Antonelli  Tomacelli,  Castellan  der  Engelsburg,  übergab  sie  im  folgenden  Jahre  dem  Kö- 
nige Ladislaus,  worauf  sie  Papst  Innocenz  VII.  vergeblich  belagerte,  doch  i.  J.  1  406 
durch  Vertrag  gewann.  Von  nun  an  blieb  die  Burg  in  der  Gewalt  der  Päpste. 
Alexander  verstärkte  die  Befestigungen  und  erbaute  den  sog.  Corridor,  den  geschlos- 
senen Viaduct,  welcher  den  Vatican  mit  der  Engelsburg  verbindet,  und  den  sowohl 
er  wie  auch  Clemens  VII.  beim  Anzüge  Kaiser  Karls  V.  zu  benutzen  Gelegenheit  fan- 
den. Unter  Paul  III.  erstand  die  Mehrzahl  der  noch  bestehenden  Gebäude  über  dem 
antiken  Rundbau;  die  päpstHchen  Gemächer  wurden  durch  San  Gallo  und  Montelupo 
stattlich  hergestellt  und  von  verschiedenen  Meistern  der  Zeit  al  fresco  ausgemalt.  An 
der  Stelle  der  ehemaligen  Kapelle  aber  wurde  ein  kolossales  Marmorstandbild  des 
Erzengels  Michael  von  Montelupo  aufgestellt.  Die  äusseren  Werke  sind  von  Ur- 
ban  VIII.  aus  den  Jahren  1625  und  1626:  um  diese  Zeit  scheint  auch  der  letzte  Rest 
des  mit  Thierschädeln  und  Kranzgewinden  geschmückten  Frieses,  welcher  rings  um 
den  quadratischen  Unterbau  Hef  und  von  einem  schönen  Carnies  gekrönt  war  —  wie 
uns  noch  aus  dem  16.  Jahrhundert  berichtet  wird^  —  zu  Grunde  gegangen  zu  sein. 
Ebenso  erwähnt  Gamucci  zum  letztenmale  zwei  zu  seiner  Zeit  noch  vorhandene  Grab- 
inschriften. — 

Um  die  Mitte  des  1 8.  Jahrhunderts  ward  Montelupo's  Marmorstatue  des  heil. 
Michael  durch  eine  neue  Statue  ersetzt,  die  Papst  Benedict  XIV.  nach  dem  Modelle 
des  Peter  Verschaöelt  in  Bronze  giessen  liess.^  Unter  den  modernen  Aufbauten  und 
Aussenwerken  macht  die  Bestimmung  des  Grabmales  als  Citadelle  (die  jetzt  von  den 
Franzosen  besetzt  ist)  fortwährende  Aenderungen  nöthig,'  auf  welche  näher  einzugehen 
ausser  dem  Zwecke  unserer  Beschreibung  liegt.  — 


•  Vgl.  S.  303.  Anin.  i.  *  A  Nibby,  Roma  nell'  anno  4  838.    Parle  11.  ant.  p   517. 

39* 


QAg  Das  transliberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

53.    Die  Triumphalbrücke. 

Die  älische  Brücke  war  ursprünglich,  wie  schon  angedeutet,  eine  blosse  Luxus- 
brücke, die  hauptsächlich  nur  den  Zweck  hatte,  einen  imposanten  Zugang  zur  Moles 
Hadriani  zu  bilden;  der  nach  dieser  Seite  übrigens  nicht  sehr  lebhafte  Verkehr  zwi- 
schen Marsfeld  und  vaticanischem  Gebiete  ward  schon  vorher  durch  eine,  vielleicht 
zwei  andere  Brücken,  nemlich  die  vaticanische  und  die  Triumphalbrücke  vermittelt. 
Von  der  letzteren  haben  wir  zwar  keine  classische  Erwähnung,  doch  brauchte  die 
Triumphalstrasse,  welche  über  den  Monte  Mario  führte,  einen  Flussübergang.  Die  be- 
kannte Richtung  dieser  Strasse  über  den  genannten  Hügel  legt  die  Vermuthung  nahe, 
die  Brücke  habe  sich  oberhalb  der  älischen  befunden,  und  unansehnliche  Reste  eines 
Brückenkopfes  hinter  dem  Teatro  Tordinone  werden  desshalb  von  Piranesi,  Venuti 
und  Bunsen  für  die  Reste  derselben  gehalten.^  Diess  ist  jedoch,  wenn  auch  Becker 
es  beiföllig  aufnimmt,  ^  keineswegs  als  sicher  zu  betrachten,  denn  die  Triumphalstrasse 
konnte  auch  erst  am  jenseitigen  Ufer  von  einer  anderen  abzweigen,  und  musste  nicht 
in  gerader  Linie  auf  den  Monte  Mario  hinführen.  Es  ist  desshalb  wahrscheinlicher, 
dass  es  keine  besondere  Triumphalbrücke  gab,  sondern  dass  die  Via  Triumphalis  den 
Strom  weiter  unterhalb  überschritt,  und  zwar  wenn  auch  nur  für  die  Zeit  vor  der 
Erbauung  der  älischen  Brücke,  auf  der  stromabwärts  nächstliegenden  Brücke  {pons 
Vaticanus),^  welcher  sogar  in  der  Tradition  bis  zum  Anfange  des  16.  Jahrhunderts 
der  Beinamen  triumphalis  verblieben  zu  sein  scheint,  *  wenn  überhaupt  eine  Brücke 
im  Alterthume  diesen  Namen  geführt  hat. 


54.  Die  vaticanische  Brücke. 

Wendet  man  sich  von  Brücke  und  Grabmal  des  Hadrian  aus  südlich,  so  sieht 
man  im  Bette  des  Tiber  bei  niedrigem  Wasserstande  die  Pfeilerreste  einer  anderen 
Brücke,  welche  gerade  über  die  Krümmung  des  Tiber  in  der  Richtung  auf  Set.  Peter 
hin  geführt  haben  musste.  Ueber  den  Namen  dieser  —  wenn  anders  die  Reste  antik 
und  nicht,    wie  ebenfalls  behauptet  worden  ist, ^  mittelalterliches  Gemäuer  sind,  was 


'  Le  antichitä  Romane,  Roma  1784.  Tom.  IV.  tav.  XIII.  —  Accurata  e  succinta  descrizione  topografica  R. 
1803.  2d«  Ed.  Vol.  II.  c.  5.  p.  173.  Änm.  1.  —  Beschreibung  der  Stadt  Rom.  Stuttg.  u.  Tüb.  Bd.  II.  Abth.  1.  S.  6  fg. 
*  Handb.  d.  röm.  Alterth.    Lpz.  1843.  1.  Bd.  S.  700.  '  Stef.  Piale,    Degli   antichi   ponti   di   Roma,    Atti  delP 

Acaderaia  Rom.  di  Archeologia.    tom.  IV.  p.  2i3.  4  Flavii  Blondi  de  Roma  Instaiirata.    Ven.  1503.  Lib.  I. 

§.  41.    F.  Albertini  Opusc.  de  Mirabilibus  nove  &  veteris  Urbi.s  Rome.    Rom.  1515.  fol.  1i.  *  Venuti   acc.   e 

succint.  descriz.  d.  ant.  d.  Roma.    Parte  II.  p.  173.  Not.  1. 


Die  vaticanische  Brücke.        Der  Obelisk  auf  Piazza  di  S.  Pietro.  309 

ZU  entscheiden  leider  nicht  in  unserer  Macht  steht  und  allenfalls  ein  Problem  für  einen 
wissenschaftlichen  Taucher  sein  würde  —  kann  nach  der  Lage  kaum  ein  Zweifel  sein  : 
es  war  die  wohl  kaum  vor  Caligula  oder  Nero  erbaute  Brücke,  welche  den  Campus 
Martins  mit  den  kaiserlichen  Gärten  des  vaticanischen  Gebietes  (Horti  Agrippinae  und 
Domitiae),  dem  Schauplatze  der  Ruchlosigkeit  der  genannten  beiden  Kaiser,  verband. 
Sie  wurde  durch  die  nahe  älische  Brücke  bald  überflüssig  gemacht,  so  dass  man  es 
nicht  mehr  für  nöthig  hielt,  sie  bei  BaufUllen  wieder  herzustellen,  was  den  Verfall 
derselben  zur  Folge  haben  musste.  Aus  Procopius'  Darstelhmg  der  Ereignisse  um  das 
Grabmal  des  Hadrian  in  den  Gothenkriegen  ist  zu  entnehmen ,  dass  sie  nicht  mehr 
gangbar  und  dass  überhaupt  die  älische  Brücke  der  einzige  Flussübergang  in  dieser 
Gegend  war,  wie  auch  die  Notitia  die  erstere  nicht  mehr  erwähnt.  Die  Mirabilien 
scheinen  sie  noch  aufzuzählen  und  zwar  unter  dem  Namen  der  Neronischen, ^  wenn 
anders  der  Nibby'schen  Ausgabe  derselben  zu  trauen  ist,  nach  welcher  allerdings  die 
sinnlose  Aufzählung,  wie  sie  der  Abdruck  bei  Montfaucon^  giebt.  wenn  auch  kaum 
ohne  gewaltsame  Emendationen  und  Umstellungen,  vernünftig  gemacht  wird.  Ohne 
Zweifel  war  sie  damals  Ruine,  denn  bereits  im  10.  Jahrhundert^  und  erwähntermaassen 
schon  in  der  Zeit  der  Gothenkriege  war  sie  zerstört,  doch  waren  die  Ueberreste, 
welche  ausdrücklich  bei  Kirche  und  Hospital  von  S.  Spirito  genannt  werden,  noch 
am  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  so  bedeutend,  dass  Papst  Julius  II.  den  Gedanken 
hegen  konnte,  sie  wiederherzustellen.*  Albertino  nennt  diese  Brücke  pons  triumphalis 
und  nach  einem  angeblich  früheren  Namen  Vaticanus. 

55.   Der  Obelisk  auf  Piazza  di  S.  Pietro. 

Von  dem  Nordende  der  älischen  Brücke  und  der  Engelsburg  aus  fiihrt  eine 
gerade  Strasse  (Borgo  nuovo)  auf  die  Piazza  di  S.  Pietro.  Hier  erhebt  sich  ein  majestä- 
tischer Obelisk  von  rothem  Granit,  nach  dem  jetzt  auf  Piazza  del  Palazzo  Lateranense 
stehenden  der  höchste  und  zugleich  der  einzige  von  den  grösseren  Obelisken  Roms, 
der  noch  ungebrochen^  aus  einem  einzigen  Blocke  besteht,  welcher  auf  einem  drei- 
fachen Sockel  von  15  Met.  Höhe  ruht.  Der  Obelisk  selbst  ist  25,50  Met.  hoch,  die 
Hieroglyphen  sind  unkenntlich.  Die  am  unteren  Ende  angebrachte  Inschrift  lautet: 


'  Lib.  de  Mirabilibus  Romae  ed.  Nibby.    (Effemeridi  letterarie.  Rom.  1820.  I.  p.  76.  Pons  .\(lrianiis.  Pons 
Neronianns.  Pons  Fabricius.  Pons  Gratianus.)  *  Diarium  Italic.  Par.  1702.  p.  284.    pons  .\drianus;  pons  Fa- 

bian! iuxta  ipsum ;  pons  Neumanus,  pons  Antonius;  pons  Gratiani.  '  Liutprandi  Hist.  III.   12.    (Mural.   Rer. 

Ital.  Script,  tom.  II.  pars  I.  p.  450.)  *  Aibertinus,  1.  c.  '  Wenn  man  das  bekannte  Verfahren  des  D.  Fontana 
bei  der  Aufstellung  dieses  Obelisken  nicht  zur  Unmöglichkeit  machen  will,  muss  man  sich  wohl  entschliessen,  das 
»fractus  in  molilionen  mehrer  Handschriften  des  Plin.  .XXXVl.  11.  74  der  entsprechenderen  Lesart  » (actus  imita- 
lione«  (.\ng.  Vatic.  V.  Coli.  III)  aufzuopfern. 


3/JO  Das  transtiberinisclie  Gebiet   und  die  Brücken. 

dIvo  caesarI  dIvI  ivliI  f  avgvsTo 

Tl   CAESARI    DIvI   AVGVSTi    F   AVGVSTO 
SACRVM 

Vielleicht  kein  Denkmal  der  Welt  steht  auf  einem  imposanteren  Platze,  in  der 
Mitte  der  prachtvollen  elliptischen  Colonnaden ,  welche  gewissermassen  den  Vorhof  der 
grössten  Kirche  der  Christenheit,  S.  Pietro  in  Vaticano,  bilden,  und  man  kann  dem  Ge- 
danken, den  Monolith,  mit  dem  Kreuze  gekrönt,  hier  aufzustellen,  seine  Anerkennung 
nicht  versagen,  obwohl  er  trotz  des  hohen  Basaments  der  grossarligen  Anlage  nicht  voll- 
kommen zu  entsprechen  und  für  den  weiten  Raum  als  Mittelpunkt  nicht  auszureichen 
scheint.  Doch  man  hätte  eben  dazu  eines  unausführbar  riesigen  Denkmales  bedurft. 

Der  ursprüngliche  Platz  des  Obelisken  war  unferne  von  seinem  gegenwärtigen, 
nemlich  neben  der  linken  Langseite  der  Peterskirche  bei  der  weiter  vorspringenden  Chor- 
kapelle, wo  noch  jetzt  ein  Inschriftstein  die  Stelle  bezeichnet.  Auffallend  ist,  dass  Venuti, 
sonst  eine  der  bedeutendsten  Autoritäten  des  vorigen  Jahrhunderts,  berichtet,^  der 
Obelisk  sei  »in  den  barbarischen  Zeiten«,  ohne  sich  zu  beschädigen,  gestürzt  und  bis  zu 
seiner  Versetzung  durch  Sixtus  V.  auf  dem  Boden  gelegen ,  während  die  Zeitgenossen 
und  deren  Vorgänger  ihn  noch  in  dem  Jahrhundert ,  an  dessen  Ende  er  versetzt  wurde, 
ausdrücklich  als  den  einzigen  noch  aufrechtstehenden  grösseren  bezeichnen,  Gamucci 
sogar  eine  Abbildung  davon  giebt.^  Der  Obelisk  stand  also  noch  auf  seinem  ursprüng- 
lichen Platze ,  und  auch  das  allerdings  verschüttete  Basament  war  noch  fast  unversehrt 
sammt  dem  Unterbau,  auf  dem  es  sich  erhob.  Dass  aber  dieser  letztere  nichts  anderes 
war,  als  die  Spina  eines  Circus,  ergab  sich  bei  den  Nachgrabungen  gelegentlich  der  Ver- 
setzung als  eine  Thatsache,  was  denn  auch  die  Tradition,  welche  hieher  den  berüchtigten 
Circus  des  Caius  (Caligula)  und  Nero,  wie  ihn  Plinius^  nennt,  verlegt,  auf  das  bestimmteste 
bestätigte.  Bei  ausgedehnteren  Nachgrabungen  im  J.  1 6 1 6  ^  fand  man  zwischen  der  Kirche 
S.  Marta  und  der  Treppe  der  Peterskirche,  also  an  der  südlichen  Langseite  der  Peters- 
kirche noch  so  namhafte  Ueberreste  der  Grundmauern ,  dass  sich  Lage  und  Massverhält- 
nisse noch  bestimmen  Hessen ,  worüber  ich  jedoch  als  nicht  hieher  gehörig  —  da  jetzt 
keine  Spur  mehr  von  dem  Circus  selbst  erhalten  ist  —  auf  den  Bericht  des  Grimaldi  bei 
Cancellieri  (a.  a.  0.)  verweisen  muss. 

Was  die  Geschichte  des  Circus  und  des  Obeliskes  betrifft,  so  wird  zwar  nicht 
ausdrücklich  der  Anlage  desselben  durch  Cahgula  gedacht,  doch  kann  diess  nicht  be- 


•  Venuti,  Acc.  e  succ.  descriz.  topogr.  d.  antichitä  dl  Roma.  Parte  II.  p.  4  75.  (^fiaEdiz.)  *  Flavii  Blondi, 
Koma  Instaurata.  Ven.  1503  Lib.  I.  §61.  —  Alhertini  Opusc.  de  Mirabil.  Rom.  R.  1515.  fol.  67.  —  A.  Fulvii 
Antiquitates  Urbis.  R.  1527.  L  IV.  fol.  LXI  &  LXXI.  —  L.  Fauno,  delle  Antichitä  d.  cittä  dl  Roma.  Ven.  1548. 
fol.  151.     Gamucci,  Libri  IV  dell'  antichitä  della  cittä  di  Roma.  Ven.  1565.  p.  195.  '  Plin.  H.  N.  XXXVI.  H 

15,  74  •  Cancellieri,  de  Secretariis  veteris  Bas.  Vatic.  R.  1786.  Tom.  II.  p.  926  sq. 


Der  Obelisk  auf  Piazza  di  S.  Pietro.  31  I 

zweifelt  werden.  Denn  in  den  Gärten  der  älteren  Agrippina  (w^elche  dieser  Gegend,  wie 
oben  S.  296  erwähnt  wurde,  entsprachen)  kann  man  einen  Circiis  nicht  wohl  früher  an- 
nehmen, als  bis  Galigula  dieselben  von  seiner  edlen  Mutter  erbte,  und  anderseits  wird 
von  Galigula  ausser  der  gelegentlichen  Bezeichnung  »  Gircus  Vaticanus  Gaii  et  Neronis  « * 
von  PHnius^  berichtet,  dass  Galigula  den  beschriebenen  Obelisken  »im  vaticanischen  Gir- 
cus «  habe  aufstellen  lassen,  welchen  er,  wie  die  angeführte  Inschrift  desselben  zeigt,  sei- 
nen Vorgängern  Augustus  und  Tiberius  weihte.  Der  durch  diese  Inschrift  selbst  authen- 
tisch bestätigten  Annahme,  dass  der  Gircus  schon  seit  Galigula  bestand,  scheint  Tacitus^ 
zu  widersprechen,  welcher  von  Nero  erzählt ,  dass  ihm  Seneca  und  Burrus  in  dem  vati- 
canischen Thale  (dem  Einschnitte  zwischen  laniculus  und  Vaticanus,  jetzt  valle  d'inferno) 
einen  geschlossenen  Raum  als  Rennbahn  eingerichtet  hätten ,  wo  er  seiner  Manie  des 
Rosselenkens  vor  gewählten  Zuschauern  fröhnen  könnte.  Die  allzu  knappe  Kürze  des  Ta- 
citus,  der  es  mit  Baulichem  überhaupt  nicht  sehr  genau  nahm ,  würde  ohne  die  bezüg- 
lichen Angaben  des  PHnius  und  einer  anderen  des  Sueton  *  zu  einem  falschen  Resultate 
führen ;  übrigens  mochte  in  Nero's  Zeit  der  Gircus  des  Galigula  eine  Erneuerung  erfah- 
ren haben ,  wie  aus  der  Bezeichnung  des  Plinius  (a.  a.  0.)  Gircus  Gaii  et  Neronis  abzu- 
leiten ist. 

Der  vaticanische  Gircus  war,  wie  bekannt,  der  Schauplatz  jener  grauenhaften 
Spiele,  welche  bei  Gelegenheit  der  ersten  schrecklichen  Ghristenverfolgung  gefeiert 
wurden.  Die  neronischen  Gärten  rings  um  die  Rennbahn  wurden  an  jenem  Tage  bei 
einbrechender  Dunkelheit  dadurch  erleuchtet,  dass  man  die  an  Pföhle  gebundenen  und 
mit  Pech  überzogenen  christlichen  Schlachtopfer  verbrannte;  andere  wurden  an's  Kreuz 
geheftet,  andere,  welche  man  in  Thierfelle  gehüllt  hatte,  von  Hunden  zerfleischt.  Es 
konnte  nicht  fehlen,  dass  selbst  die  tiefe  Erbitterung  gegen  die  Ghristen,  welche  die 
Beschuldigung,  den  grossen  Brand  Roms  veranstaltet  zu  haben,  in  den  Römern  her- 
vorgerufen hatte,  dem  Mitleide  bei  diesem  Schauspiele  weichen  musste,  wie  unser 
Berichterstatter,''  der  sonst  seinen  persönhchen  Unwillen  gegen  die  Ghristen  keines- 
wegs verhehlt,  ausdrücklich  erwähnt.  Ueber  des  Plinius  Zeit  reichen  unsere  classischen 
Nachrichten  über  den  Gircus  Vaticanus  nicht  hinaus .;  jedenfalls  gerieth  er  frühzeitig  in 
Verfall,  wie  aus  dem  Bau  der  Basilica  des  h.  Petrus  in  der  ersten  Hälfte  des  4.  Jahr- 
hunderts zu  entnehmen  ist,  und  war  so  entstellt,  dass  er  seit  dem  frühen  Mittelalter 
unter  dem  Namen  »palatium  Neronis«  erscheinen  konnte.^  Merkwürdig  ist,  dass  nichts- 
destoweniger der  Obelisk  allen  Stürmen  trotzend  sich  stehend  erhielt,  allein  von  der 
ganzen  ohne  Zweifel  einsl  glänzenden  Anlage,  die  allmälig  in  ihrem  eigenen  Schutte 


'   IMin.    H.  N.   XX.WI.   1',  15,  74         '  id.   XVI.  40,  76,  201.         *  Annai.  XIV.  44.         •  Sueton.  Claud.  H. 
of.  Dio  Cass.  UX.  H.         ^  Tacit.  Ann.  XV.  44.         «  Lib.  de  Mirabil   U.  R.   (Montfauc.  Diar.  Ital.  p.  iU.) 


312  Das  Iransliberinische  Gebiet  und  die  Brücken.         ^ 

verschwunden  war,  über  den  modernen  Boden  sich  erhebend,  und  in  Folge  einer  son- 
derbaren Sage ,  nach  welcher  die  Asche  Cäsars  in  der  Bronzekugel  auf  der  Spitze 
enthalten  war,  »lulia«  genannt^  Im  J.  1586  sollte  auch  dieser  seinen  Platz,  auf  dem 
er  anderthalb  Jahrtausende  gestanden,  verlassen,  indem  der  langgehegte  Plan  seiner 
Versetzung  zur  Ausführung  kam.  Auf  Befehl  des  Papstes  Sixtus  V.  leitete  Domenico 
Fontana  das  für  die  Mechanik  nicht  bloss  der  damaligen  Zeit  schwierige  Unternehmen, 
das  auch,  obgleich  nicht  ohne  grosse  Kosten  und  selbst  nicht  ohne  Gefahr  glück- 
lich gelang. 2  Die  von  mehren  Zeitgenossen  erzählte  Anekdote  von  dem  Arbeiter 
Bresca,  welcher  trotz  des  bei  Todesstrafe  gebotenen  Schweigens,  als  er  sah,  dass 
die  Taue  beim  Aufziehen  sich  bedenklich  erhitzten,  die  berühmt  gewordenen  Worte 
»acqua  alle  corde«  ausrief  und  dadurch  einen  Wink  gab,  von  dessen  Befolgung  das 
Gelingen  des  Unternehmens  abgehangen  und  sogar  eine  grosse  Gefahr  beseitigt  wor- 
den sein  soll ,  ist  allbekannt.  Wie  Fontana  mit  einem  erblichen  Jahresgehalte  be- 
lohnt wurde,  ward  auch  dem  Bresca  statt  der  angedrohten  Todesstrafe  die  Gnade 
zu  Theil,  sich  selbst  eine  Belohnung  zu  wählen,  worauf  er  denn  mit  mehr  Fröm- 
migkeit als  Gewinnsucht  für  sich  und  seine  Nachkommen  die  Befugniss  erbat,  die 
schöngeflochtenen  Palmen,  welche  am  Palmsonntage  in  Set.  Peter  vertheilt  werden,  zu 
liefern,  welches  Recht  von  der  Familie  desselben  bis  auf  den  heutigen  Tag  ausgeübt 
wurde.  —  Wie  einst  der  von  Augustus  errichtete  Obelisk  auf  dem  Marsfelde,  so  dient 
jetzt  der  vaticanische  als  Gnomon,  seit  im  J.  1817  der  Astronom  Gilii  auf  dem  Boden 
zu  Füssen  des  Obehsken  den  Meridian  verzeichnete. 


56.    Die  aurelische  Brücke.  (Ponte  Sisto.) 

Ausser  den  beschriebenen  Ueberresten  haben  sich  im  vaticanischen  Gebiete  keine 
namhaften  und  erklärbaren,  ja  kaum  unansehnliche  Mauerüberreste  erhalten,  was  bei  den 
kolossalen  Palast-  und  Kirchenbauten  und  der  Anlage  der  leoninischen  Befestigungen 
kaum  verwundern  kann.  Von  einiger  Bedeutung  war  auch  unter  den  im  Mittelalter  er- 
wähnten Resten  nur  eine  Grabpyramide,  welche  sogar  noch  grösser  war,  als  die  erhal- 
tene des  Cestius,  und  von  der  Naivetät  des  Mittelalters  ebenso  wie  die  letztere  den  Na- 
men »Grabmal  des  Remus«,  so  die  Bezeichnung  »Grabmal  des  Romulus,^  später  aber  ge- 
lehrter —  weil  aus  einem  Scholiasten  des  Horatius  geschöpft  —  darum  aber  nicht 
weniger   grundlos  den  Namen  Grabmal    des  Scipio  (Africanus)  ^  erhalten  hatte.    Diese 


'  Lib.  de  Mirabil.  U.  R.     (Montfauc.  Diar.  Ital.  p.  284.)    —    A.  Fulvio,  Antiquit.   Urb.   R.   1527.    fol.  LXXI. 
-  Dom.  Fontana,  della  Trasportazione  dell'  Obelisco  Vaticano.  R.  4590.  "  Ordo  Roman.  (1143.)     (Mabill.  Mus. 

Ital.  II.  p.  U3.)     Lib.  deMirab.  R.     (Montfauc.  Diar.  It.  p.  291.)  *  A.  Fulvio,  Antiquit.  Urb.  R.    1527.  L.  IV. 

fol.  L.X.XII.     L.  Fauno,  delle  Antichitä  d.  c.  d.  Roma.  Ven.  1548.  f.  155.    cf.  Acron.  ad  Horat.  Epod.  9,  v.  25. 


Die  aurelische  Brücke.  313 

wurde  zu  Ende  des  1 5.  Jahrhunderts,  nachdem  sie  bereits  der  Marmorbekleidung  beraubt 
war,<  behufs  der  Rectificirung  der  Strasse  »Borge  nuovo«  abgebrochen.  Ebenso  ver- 
schwanden spurlos  die  Reste  eines  Circus,  welcher  sich  nördlich  von  dem  Grabmal  des 
Hadrian  befand,  und  welcher  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  »von  geringem  Umfange 
und  fast  ganz  zerstört«  genannt  wird.^  Sie  Sache  kann  nicht  bezweifelt  werden,  denn  im 
J.  1743  ergaben  die  von  Papst  Clemens  XIV.  angeordneten  Nachgrabungen  die  Grund- 
mauern so  vollständig,  dass  ein  ziemlich  anschaulicher  Grundriss  hergestellt  werden 
konnte,  welcher  mit  dem  Ausgrabungsberichte  des  Diego  De-Revillas  erst  vor  einigen 
Jahrzehnten  publicirt  wurde. ^  Doch  um  den  Circus  zu  benennen,  haben  wir  keinen  an- 
deren Anhaltspunkt  als  die  unmittelbare  Nähe  der  Moles  Hadriani,  wonach  es  nicht  un- 
möglich wäre,  dass  Hadrian  für  die  Spiele  bei  Leichenfeierlichkeiten  (?)  den  Circus  erbaute. 
Jedenfalls  darf  er  nicht,  wie  von  Fl.  Blondus  (a.  a.  0.)  geschieht,  mit  dem  neronischen 
Circus  identificirt  werden. 

Verlässt  man  nun  die  Piazza  di  S.  Pietro  wieder,  indem  man  westlich  in  den 
Borgo  di  S.  Spirito  und  dann  südlich,  rechts  von  der  Kirche  S.  Spirito,  in  die  Via  di  Porta 
S.  Spirito  beugt,  so  gelangt  man  nach  wenigen  Schritten  an  das  Thor  gleichen  Namens, 
durch  welches  man  die  Cittä  Leonina  verlässt  und  in  eine  lange,  geradlinige  Strasse,  die 
Via  Longara,  tritt.  Verfolgt  man  diese  in  ihrer  ganzen  Länge ,  so  erreicht  man  an  ihrem 
Südende  die  Porta  Settimiana,  die  ausser  ihrem  Namen  äusserlich  nur  mehr  wenig  An- 
tikes zeigt,  von  welcher  aber  bei  der  Beschreibung  der  aurelianischen  Mauer  noch  näher 
gesprochen  werden  wird.  Ausser  den  Ueberresten  dieser  Mauer  finden  wir  nur  mehr 
wenige  bauliche  Ueberreste  an  dem  jenseitigen  Ufer,  und  überhaupt  keine ,  welche  be- 
nannt und  erklärt  werden  könnten,  wonach  für  diesen  Abschnitt  nur  mehr  die  Beschrei- 
bung der  Brücken  und  der  Tiberinsel  übrig  ist.  Wenn  man  nun  sogleich  innerhalb  dieses 
Thores  zur  Linken  sich  in  die  Via  di  S.  Dorotea  wendet,  so  gelangt  man  durch  deren 
Fortsetzung,  die  Via  di  Ponte  Sisto,  zu  einer  antiken  Tiberbrücke ,  die  jedoch  durch  Re- 
staurationen ihr  antikes  Ansehen  grösstentheils  verloren  hat.  Vier  massige  Bogen  verbin- 
den die  beiden  Ufer  mit  den  drei  Strompfeilern.  Ueber  dem  mittleren  dieser  letztern  ist, 
wahrscheinlich  nach  dem  antiken  Vorbilde,  ein  runder  Wasserdurchlass  angebracht,  um 
bei  Ueberschwemmungen  die  Heftigkeit  des  Wogenandranges  an  das  Hauptjoch  zu  mil- 
dern. Die  Bogen  und  der  grösste  Theil  der  Pfeiler  sind  modern. 

Diese  Brücke  wird  im  Alterthurae  in  der  einzigen  Erwähnung ,  die  wir  von  ihr 
haben,''  die  aurelische  genannt,  wie  wir  wohl  daraus  abnehmen  müssen,  dass  keine  an- 
dere der  acht  von  der  Notitia  genannten  diesen  Namen  haben  konnte,  während  er  für 


*  Fl.  Blondi,  De  Roma  Instaurata.  Ven.  1503.  Lib.  I.  §  48.         *  A.  Fulvio.  fol.  LXVII  et  al.  cf.  Fl.  Blondi, 
Rom.  Inst.    L.  I.    §.  46.  ^  L.  Canina,  Atti  della  Pontifizia  Accademia  Rom.  di  Archeologia.  Tom.  X.   1839. 

*  Curios.  Urb.  Rom.  Pontes. 

F.  Kebbr,  die  Ruinen  Eoms.  40' 


314  Das  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

diese,  welche  vom  Marsfelde  nach  dem  laniculus  und  nach  der  Porta  Aiirelia  auf  der 
Höhe  desselben  führte,  vollkommen  passt.  Der  sonst  nicht  unpassende  Name  »ianicu- 
lensische  Brücke  «  ist  reine  Erfindung  der  Antiquare.  Im  Mittelalter  hiess  sie  antoninische 
Brücke,''  womit  der  falsche  Name  des  muthmasslichen  Balbus-Theaters  » Theatrum  An- 
tonini «^  wohl  zusammenhängt.  Vor  mehren  Jahrhunderten  las  man  noch  eine  Inschrift 
an  dieser  Brücke,  die  aus  der  Zeit  Hadrians  stammte  und  eine  Herstellung  berichtete :  ^ 
IMP  CAES   DIVi   TRAIANI    PARTHiCI    f  DI  VI  •  NERVAE-  NEPOTIS 

TRAIANI    HADRIANIAVG  PONT.  MAX  TRIBPOTIMPTTM 

COS  TTl   L  MESSI VS   RVSTICVS   CVRATOR  •  ALVEI    ET   Rl PARVM 

TIBERIS   ETCLOACARVMVRBIS    R   R   RESTITVITSECVNDVM 

PRAESIDENT. TERMINATIONEM   PROXIMAM  •  CC    PP  •  C  TT 

Die  hier  angegebene  Restauratiqn  zeigt,  dass  die  Brücke  schon  geraume  Zeit  vor  Hadrian 
stand,  wonach  also  auf  keinen  Fall  der  mittelalterhche  Name  derselben  so  erklärt  werden 
kann,  als  hätte  einer  der  Antonine,  d.  h.  nach  der  bei  den  italienischen  Antiquaren  *  gang- 
baren Vermuthung  zunächst  Antoninus  Caracalla  sie  erbaut,  was  nur  aus  der  keineswegs 
klaren  Notiz  abgeleitet  wird,  dass  dieser  sowohl  als  Kind  mit  seinem  Vater ^  als  auch 
nach  Geta's  Tode  in  den  transtiberinischen  Gärten  mit  besonderer  Vorliebe  sich  aufhielt. 
Allein  der  mittelalterhche  Name  der  Brücke  reicht  nicht  aus,  diess  zu  beweisen,  eben  so 
wenig  wie  der  gleiche  Name  des  muthmasslichen  Baibustheaters  im  Ordo  Romanus  uns 
bestimmen  kann,  ein  antoninisches  Theater  anzunehmen. 

Im  11.  Jahrhundert  erscheint  die  Brücke  auch  neben  der  Bezeichnung  der  anto- 
ninischen  unter  dem  Namen  pons  fractus,^  woraus  die  theilweise  Zerstörung  derselben 
zu  entnehmen  ist.  In  diesem  Zustande  verblieb  sie  auch  wahrscheinlich  bis  auf  Papst 
Xystus  IV.,  welcher  sie  von  1  473'^  bis  1  475  ^  durch  den  Architekten  Baccio  Pintelli  wie- 
der herstellen  liess.  Seitdem  führt  die  Brücke  den  ausschliessenden  Namen  Ponte  Sisto, 
ohne  dass  sich  die  Reminiscenz  an  frühere  Namen  erhielt. 

57.     Die  fabricische  Brücke.    (Ponte  Quattro  Capi.) 

Zur  südlich  nächsten  Brücke,  welche  das  Stadtgebiet  mit  der  Tiberinsel  verbin- 
det, gelangt  man  auf  dem  nächsten  Wege  am  linken  Flussufer  durch  den  interessanten, 


'  Anastas.  Bibl.  Par.  1649.  Tom.  I.  de  vit.  Pontif.  (V.  Hadrianil.  p.  4  20.)  —  Lib.  de  Mirabilibus.  (Mont- 
faucon,  Diar.  Ital.  p.  284.).  In  der  Ausgabe  von  Nibby  (Effem.  lett.  I.  p.  76)  fehlt  der  Name  ganz,  allein  wie  es 
scheint  durch  Emendation.  *  Ordo  Roman.  4143.    (Mabillon,  Mus.  Ital.  Tom.  II.  p.  126.)  ^  Nardini  (nach 

Marliani],  Roma  vetus  ac  recens.  Lib.  VIII.  c.  3.  (Graev.  Th.  A.  R.  t.  IV.  p.  1446.)  *  Piale,  Degli  antichi  ponti 
di  Roma.  Atti  d.  Pontif.  Accad.  Rom.  di  Arch.  R.  1831.  tom.  IV.  p.  21 8.  Nibby,  Roma  n.  a»  1 838.  P.  I.  ant.  p.  1 79  sq 
*  Script.  H.  A.  (Spartian.)  Sept.  Sev.  4.  cf.  Gurios.  U.  R.  Reg.  XIV.  *  Bulla  Benedicti  VIII.  anni  1019.  Leonis  IX 
anni  1049.  (üghelli,  Italia  sacta.  Tom.  I.  col.  118.  124.)  ^  Infessura  Diario  della  cittä  di  Roma.  (Muratori,  Rer 
Ital.  Scriptores.  Med.  1723.  Tomi  III.  Pars  II.  p.  1143.       *  Inschriften  des  P.  Xystus  an  beiden  Seiten  der  Brücke 


Die  fabricisclie  Brücke. 


313 


aber  engen  und  schmutzigen  Ghetto  de'  Ebrei ,  der  indess  in  der  Nähe  des  Flusses  (die 
weiter  nach  innen  Hegenden  Ruinen  wurden  bereits  beschrieben)  so  wenig  an  antiken 
Ueberresten  darbietet,  wie  das  gegenüberliegende  transtiberinische  Ufer  an  dieser  Fluss- 
strecke. Die  Brücke,  in  ihrer  Aussenseite  —  ursprünglich  ganz  —  jetzt  noch  grössten- 
theils  von  Travertin,  in  ihrem  Kerne  aus  Peperin,  ist  69  Met.  lang,  6,30  Met.  breit,  und 
besteht  aus  zwei  Bogen  mit  einer  Spannung  von  25  Met.  Der  einzige  Pfeiler  in  der  Mitte 
der  Brücke  springt  unten  an  der  Seite  gegen  die  Strömung  keilförmig  vor,  auf  der  gegen- 
überliegenden Seite  dagegen  ist  der  Vorsprung  geringer  und  abgerundet.  Der  ganze 
Pfeiler   misst  in    der  Stromrichtung   20,    in   der  Breite  unten  12, so,  oben   10  Meter. 


31.    Die  fubricisi-lie  und  ccstisclie  Brücke  mil  der  Tiberinsel.    (F.  K.) 


Zwischen  den  beiden  Bogen  bildet  der  Pfeiler  einen  überwölbten  Durchlass,  zu  bei- 
den Seiten  von  dorischen  Pilastern  geschmückt,  von  denen  jedoch  nur  mehr  Spuren 
kenntlich  sind,  Aehnliche  Durchlässe,  doch  von  geringeren  Dimensionen,  scheinen  nach 
den  noch  sichtbaren  Ansätzen  in  den  beiden  Brückenköpfen  selbst  angebracht  gewe- 
sen zu  sein.  An  dem  Scheitel  der  beiden  grossen  Bogen  auf  den  zwei  Seiten,  mit- 
hin viermal  wiederholt,  liest  man  in  alten ,  stellenweise  fast  unkenntlichen  Cubitalzü- 
gen  die  Inschrift: 

40* 


3^6  Das  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

LFABRICIVS   CF  CVR   VIAR 
FACIVNDVM .  COERAVIT 

und  über  dem  mittleren  Durchlasse  auf  beiden  Seiten  in  derselben  Schrift: 

IDEMQVE 
PROBAVIT 

Uebereinstimmend  mit  dieser  Inschrift  und  zu  dem  Namen  noch  die  Zeitbestimmung 
fügend,  wird  in  einer  classischen  Nachricht^  erzählt,  dass  die  Brücke,  welche  die  Tiber- 
insel mit  der  Stadt  verband,  im  J.  692  d.  St.  (62  v.  Chr.)  erbaut  und  die  » Fabricische  « 
genannt  wurde.  Auch  eine  Münze  mit  der  Umschrift  lfabricivspr^  zeigt  eine  Brücke 
mit  einer  Schlange,  welche  letztere  auf  die  Insel  des  Aesculap  hinweist,  zu  welcher 
sie  führt.  Unterhalb  der  erstangeführten  Inschrift  über  den  Bogen  steht  in  etwas  klei- 
neren Buchstaben  eine  zweite,  nemhch : 

Q  LEPIDVS   M   FM   LOLLIVS   MF   COS   EXS   C    PROBAVERVNT 

Bei  der  ebenso  viermal  wiederholten  Inschrift  ist  abwechselnd  der  Name  des  Lollius 
dem  des  Lepidus  vorausgesetzt,  eine  delicate  Berücksichtigung  der  gleichen  Rechte, 
welche  nicht  unerwähnt  bleiben  kann.  Die  Inschrift  berichtet  eine  günstige  Untersu- 
chung der  Haltbarkeit  der  Brücke,  und  gehört  nach  dem  angegebenen  Consulate  in 
das  Jahr  733  d.  St.  (21  v.  Chr.) 

Diese  Brücke  ist  demnach,  da  sie  ausser  unwesentlichen  Ziegelausbesserungen 
der  Aussenseite  bis  auf  das  Geländer  antik  ist,  die  älteste  der  vollständig  erhaltenen 
in  Rom.  Es  ist  nun  wahrscheinlich  nichts  als  eine  Verwechselung  eines  Scholiasten  ^, 
dass  diese  fabricische  Brücke  später  die  steinerne  {lapideus)  hiess,  denn  wir  werden 
sehen,  dass  dieser  Name  vielmehr  einer  anderen  zukam,  namentlich  wenn  er  mit 
pons  Lepidi  wechselte.*  Denn  dass  die  Brücke  desshalb,  weil  sie  von  den  Consuln 
Lepidus  und  LoUius  untersucht  und  bewährt  gefunden  war,  den  Namen  des  Lepidus 
erhalten  habe,  aus  welchem  dann  »lapideus«  entstand,  ist  eine  viel  gewagtere  Be- 
hauptung, als  den  Schohasten  eines  Missverständnisses  zu  zeihen.  Die  Grundlage,  auf 
welche  hin  —  wenigstens  ist  uns  keine  andere  bekannt  —  Mommsen^  die  sublicische 
Brücke  an  die  Tiberinsel  verlegt,  ist  demnach  nur  eine  sehr  schwache  und  unzu- 
reichend. Im  Mittelalter  erhielt  sie  den  Namen  Judenbrücke  von  der  Nähe  des  Ghetto 
am  linken  Ufer  ;^  von  Zerstörung  und  Wiederherstellung  lesen  wir  nichts.  Jetzt  heisst 
die  Brücke  Ponte  Quattro  Capi  von  den  zwei  Hermensäulen  des  lanus  quadrifrons, 
die  sich  an  dem  Geländer  über  den  Brückenköpfen   des   linken  Ufers   befinden.     Ich 


*  Dio  Cass.  XXXVll.  45.  ^  Eckhel,  Doctr.  num.  vet.  Tom.  V.  p.  210.  ^  Schol.  Crug.  ad  Hör.  Sat.  II. 
3,  V.  36.  *  Aethic.  Cosmographia.  Basil.  1575.  p.  20.  *  Mommsen,  Roem.  Geschiclite.  Bd.  I.  2.  Aufl.  S.  51. 
"  Vgl.  S.  314.  Anm.  6. 


Die  Tiberinsel. 


317 


halte  es  nicht  für  unwahrscheinlich,  dass  diese  noch  dem  ursprünglichen  Geländer 
angehören.  Man  sieht  an  den  Seiten  noch  die  Löcher,  in  welchen  die  Bronzespangen 
eingelassen  waren,  und  dass  man  sich  für  Geländer  öfter  kleiner  Hermen  als  Pfosten 
bediente,  kann  man  an  dem  auf  einem  Relief  des  Constantinbogens ,  von  welchem 
oben  (S.  99)  eine  Abbildung  gegeben  wurde,  dargestellten  Geländer  sehen.  Die  übrige 
plumpe  Brüstung  ist,  wie  eine  Inschrift  an  derselben  besagt,  von  Innocenz  XI.  und 
aus  dem  Jahre   1679.  . 


58.    Die  Tiberinsel.   (Isola  di  S.  Bartolommeo.) 


Ueber  die  beschriebene  Brücke  auf  die  Insel  selbst  gelangt,  finden  wir  ausser 
den  zahlreichen  antiken  Säulen,  namentlich  in  der  Kirche  des  h.  Bartholomaeus ,  die 
wohl  hauptsächlich  von  den  Tempeln  der  berühmten  Insel  entnommen  sind,  wenige 
Spuren  aus  antiker  Zeit.  Nur  von  der  ursprünglichen  Gestalt  der  Insel,  die  sowohl 
durch  Natur  als  durch  Kunst  einem  Schiffe  nachgebildet  war,  ist  noch  immer  der  von 
einer  starken,  jetzt  allerdings  über  dem  Wasser  fast  ganz  verschwundenen  oder  ver- 
sandeten Ummauerung  gebildete  Umriss  unverkennbar.  Die  Abbildungen  der  Insel  aus 
den  vorigen  Jahrhunderten  geben  von  dieser  Ummauerung  noch  ansehnliche  Stücke, 
welche  wohl  grossentheils  der  restaurirenden  Phantasie  der  Autoren  angehören,  jetzt 
hat  sich  davon  auf  der  östlichen  Seite  der  Südspitze  in  dem   kleinen,    sandigen   und 

verwahrlosten  Garten 
des  Franciskanerklo- 
sters  von  S.  Bartolom- 
meo  nur  ein  sehens- 
werther  Rest  erhalten, 
der  jedoch  ohne  einen 
Nachen  nur  bei  mittel- 
mässigem  Wasserstande 
und  da  nicht  ganz  ohne 
Gefahr  besichtigt  wer- 
den  kann.  Dieser  Ueber- 
rest  ist  offenbar  ein 
Stück  von  der  Nachahmung  eines  Schiffsvordertheiles,  wie  aus  der  Gestalt  der  zusam- 
mengearbeiteten Blöcke,  deren  Formen  sich  auffallend  wohl  erhalten  haben,  ersicht- 
lich ist.  Auch  von  dem  bildhchen  Schmucke  des  Vordertheiles  ist  noch  eine  Schlange 
und  ein  Stierkopf  in  Relief  deutlich,  anderes  aber  nicht  mehr  sicher  zu  erkennen.  Die 


'^^jüa. 


32.     Ueberrest  der  Ummauerung  der  Tiberiasel.    (F.  R.) 


34  8  Das  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

Travertinblöcke  sind  schön  gefugt  und  verrathen  eine  gute  Bauepoche :  möghcherweise 
gehört  dieser  Ueberrest  zu  den  älteren  der  Stadt  und  könnte  sogar  mit  der  Erbauung 
des  Aesculaptempels  auf  der  Insel  gleichzeitig  sein. 

Es  wurde  nemlich  schon  in  der  Einleitung  zum  Marsfelde  und  auch  zu  Anfang 
dieses  Abschnittes  (S.  196  und  294)  erwähnt,  dass  die  Insel,  der  Sage  nach  erst  zu 
Anfang  der  Republik  durch  die  Aufstauung  des  als  sacrum  den  Unterirdischen  geweihten 
tarquinischen  Getreides  entstanden,  bis  ins  fünfte  Jahrhundert  angebUch  auf  Grund  dieser 
Sage  unbewohnt  und  unbebaut  blieb.  Cultivirung'  mochte  übrigens  die  sandige  An- 
schwemmung gar  nicht  gestatten,  und  so  war  das  Opfer,  das  man  mit  der  heiligen  Insel 
den  Göttern  brachte,  um  so  leichter.  Als  man  aber  nach  dem  J.  462  d.  St.  (292  v.  Chr.) 
bei  der  schon  erzählten  Veranlassung  den  Aesculaptempel  auf  der  Insel  erbaute,  ward 
eine  bauliche  Solidirung  der  Insel  unerlässlich  und  musste  jedenfalls  auch  dem  Bau  der 
zwei  Brücken ,  welche  die  Insel  in  den  nächsten  Jahrhunderten  mit  den  beiderseitigen 
Ufern  in  Verbindung  setzten,  vorausgehen.  Von  dem  Tempel  erhielt  die  Tiberinsel  auch 
den  Namen  Aesculapinsel '  und  von  den  beiden  Brücken  später  auch  die  Bezeichnung 
Inter  duos  Pontes.^ 

Ausser  dem  Tempel  des  Heilgottes  erhoben  sich  bald  noch  andere  HeiHgthümer  auf 
der  Insel,  von  welchen  vier  besonders  erwähnt  werden.  Im  Jahre  552  d.  St.  (202  v.  Chr.) 
war  im  gallischen  Kriege  von  dem  Prätor  L.  Furius  Purpureo  dem  lupiter  ein  Tempel 
gelobt  und  auf  der  Tiberinsel  in  Angriff  genommen  worden,^  im  J.  556  wurde  aus  Straf- 
geldern ein  anderer  dem  Faunus  erbaut;^  geweiht  wurden  beide,  welche  auch  ander- 
wärts erwähnt  werden,^  im  J.  558  d.  St.  (1 96  v.  Chr.).  Der  lupitertempel  kann  nicht  mit 
dem  Aesculapheiligthume  verwechselt  werden ,  denn  das  Fragment  der  pränestinischen 
Fasten 6  mit  der  Angabe  AcscuLAPIO- VEDIOVI  •  IN  •  INSVLA  identificirt  die  beiden  Gott- 
heiten nicht,  sondern  stellt  sie  nur  nebeneinander.  Auch  die  Indigitar-Flussgottheit  Tibe- 
rinus  hatte  hier  ihre  Cultstätte,  von  deren  localem  Festtage  (VI.  Id.  Dec.)  wir  durch  die 
amiternischen  Fasten  '^  unterrichtet  werden.  Ferner  befand  sich  hier  das  Heiligthum  der 
sabinischen^  Gottheit  Semo  Sancus  (Deus  Fidius),  deren  noch  von  Kirchenvätern  »  zwischen 
den  beiden  Brücken«  gesehene  Bildsäule  mit  der  Inschrift  SEMONI  SANCO- DEO. . . 
durch  die  Umwandlung  in  Simoni  Sancto  Deo  zu  einer  sonderbaren  Verwechselung  mit 
Simon  Magus  Anlass  gab.^  Vielleicht  ist  es  dieselbe  Inschrift,  welche  noch  erhalten  ist 
(Lapid.  Vatic.)  und  also  lautet :  ^  ^ 


*  Sueton.  Claud.  25.  =*  Plut.  Poplic.  8.     Macrob.  Sat.  II.  12.    Horat.  Sat.  II.  2.  v.  32.   Vgl.  ein  Fragment 

des  capitolinischen  Planes  Tab.  XVI.   (bei  Bellori  ungenau  und  unvollständig).  *  Liv.  XXXIV.  53.  *  Liv. 

1.  c.  Si.  XXXIII.  42.  "  Vitruv.  III.  2.  Ovid.  Fast.  I.  v.  291  sq.  II.  193  sq.  ^  Foggini,  Fastorum  anni  Rom.  a 
Verr.  Flacc.  ordinatorum  reliquiae.  R.  1779.  Facs.  I.  lan.  ^  id.  fol.  116.  *  Becker-Marquardt,  Hdb.  d.  röm. 
Alt.  Gottesdienst.  §.  508.  ^  Euseb.  Hist.  eccl.  1.  II.  c.  12.  et  al.     Olai  Borricliii,  Antiqua  Lrbis  Romanae  Fa- 

cies, c.  8.     (Graev.  Thes.  Ant.  Rom.  tom.  IV.  p.  1554.)         '»  Grut.  Inscr.  p.  XCVI.  n".  5. 


I 


Die  Brücke  des  Cestiiis.  3|9 

SEIVIONI 

SANCO 

DEO  •  FIDIO 

SACRVM 

SEX  ■  POIVIPEIVS  •  SP  •  F 

COL  •  mVSSIANVS 

QVINQVENNALIS 

DECVR 

BIDENTALIS 

DONVm  .  DEDIT 

Die  Tempelanlagen,  von  welchen  die  Insel  ausschliessend  in  Anspruch  genommen  war, 
sind  spurlos  verschwunden  und  schon  seit  dem  frühen  Mittelalter  sind  moderne  Gebäude 
an  ihre  Stelle  getreten.  Der  mittelalterliche  Name  »Insula  Lycaonia«  hat  zur  Zeit  noch 
keine  Erklärung  gefunden.  Jetzt  heisst  die  Insel  von  der  Kirche  des  h.  Bartholomaeus 
Isola  di  S.  Bartolommeo.. 


59.    Die  Brücke  des  Cestius.  (Ponte  di  S.  Bartolommeo.) 

Von  der  Tiberinsel  führt  eine  andere  Brücke  auf  das  rechte  Ufer  des  Stromes, 
welche  von  einem  einzigen  Bogen  mit  einer  Spannung  von  23  Met.  gebildet  wird  und 
52  Met.  in  der  Länge,  8,70  in  der  Breite  misst.  Die  beiden  Brückenköpfe,  deren  Kern 
von  Peperin  und  Tuf  besteht,  während  die  Aussenseiten  wie  die  Bogen  nicht  ganz  regel- 
mässige und  in  ihrer  rohen  und  ungenauen  Fügung  eine  späte  Bauperiode  verrathende 
Blöcke  aus  Travertin  zeigen,  haben  überwölbte  Wasserdurchlässe  von  12t,so  Met.  Höhe 
und  11,50  Met.  Weite.  Auf  dem  Gürtel  aussen  am  Fusse  des  Geländers  läuft  auf  beiden 
Seiten  in  einer  Zeile  folgende  Inschrift,  welche  zwar  jetzt  nur  mehr  theilweise  lesbar, 
jedoch  in  besserer  Erhaltung  schon  früher  abgeschrieben  worden  ist : 

..GraTIANI  .  TRIVMPHALIS  •  PRINCIPIS  PONTEM  •  AETERNITATI  AVGVSTI 
NOMINIS  CONSECRATVM  IN  •  VSVM  •  SENATVS  •  POPVLIQ  ROMANI  DDD 
NNN  .  VALENTINIANVS  VALENS  •  ET  •  GRATIANVS  VICTORES  MAXIMI 
AC     PERENNES     AVGVSTI     PERFICI     DEDICARIQVE  •  IVSSERVNT 

Diese  Inschrift,  von  welcher  die  ersten  Buchstaben  und  ein  grosseres  Stück  am  Ende 
schon  seit  längerer  Zeit  fehlen,  berichtet  von  einer  Wiederherstellung  der  Brücke  unter 
Valentinian,  Valens  und  Gratianus ,  sowie  von  der  Benennung  derselben  mit  dem  glück- 
bedeutenden Namen  des  einen  derselben,  nemlich  des  Gratian.  Dasselbe  besagt  auch 
eine  ausführlichere  Geländerinschrift  innen,  welche,  auf  beiden  Seiten  wiederholt,  na- 
mentHch  auf  der  Vorderseite  noch  fast  unversehrt  erhalten  ist  und  also  lautet : 


Grut.  [nscr.  p.  CLX.  n*.  6,  wo  jedoch  die  Inschrift  fälschlich  dem  Ponte  Sisto  zugeschrieben  wird. 


320  D^s  transtiberinische  Gebiet  und  die   Brücken. 

DOMINI    NOSTRI  •  IIVIPERATORES  •  CAESARES 
Fl  VALENTINIANVS  PIVSFELIX  IVIAXIIVIVS  VICTORAC  TRIVMF  SEMPER  AVG  PONTIF  IVIAXIIVIVS 
GERMANIC  MAX  ALAMANNMAXFRANCMAX  GOTHIC  MAX  TRIBPOT  VII  IIVIP  VI  CONS  II  PPP  ET 

Fl  VALENS  PIVS  Felix  MAX  VICTOR  ACTRIVIYlFSEMPERAVGPONTlF  IVIAXIIVIVS 
GERMANIC  MAX  ALAMANN  MAX  Franc  MAX  GOTHIC  MAX  TRIBPOTVIIIMP  VI  CONS  II  PPP  ET 

Fl  GRATIANVS  PIVS  Felix  MAXVICTOR  actrivmFsemperavgpontiFmaximvs 

GERniANIC  MAX  ALAMANN  MAX  Francmax  GOTHIC  MAX  TRIBPOT  III  IMP  II  CONSPRIMVM  ET 
POnieM-FELICIS  NOMINIS  GRATIANI  IN  VSVM   SENATVS  AC  POPVLIROM  CONSTITVI  DEDICARIQVEIVSSERVNT 

Beide  Inschriften,  von  welchen  die  letztere  das  Jahr  470  v.  Chr.  für  die  Vollendung 
gibt,  scheinen  allerdings  die  Kaiser  Valentinian,  Valens  und  Gratian  vielmehr  als  die 
Erbauer,  denn  als  Wiederhersteller  der  Brücke  zu  nennen,  allein  während  schon  aus  der 
Natur  der  Sache  erhellt ,  dass  man  nicht  vier  Jahrhunderte  lang  gezögert  haben  werde, 
die  fabricische  Brücke  von  der  Tiberinsel  bis  an  das  rechte  Stromufer  fortzusetzen ,  liegt 
auch  das  frühere  Vorhandensein  der  beiden  Verbindungsbrücken  schon  unwiderleglich 
in  dem  Namen  der  Insel  »Inter  duos  Pontes.«  Desshalb  müssen  sich  die  beiden  Inschrif- 
ten auf  den  Neubau  einer  schon  vorhandenen  Brücke  beziehen.  Sie  wird  auch  in  dem- 
selben Jahrhundert 'i  nicht  mit  dem  seit  dem  Neubau  wahrscheinlich  officiellen,  aber  nicht 
populären  Namen  des  Gratian,  sondern  mit  dem  des  Cestius  benannt  und  zwar  nach  der 
Nebeneinanderfolge  der  Aufzählung  des  Regionars  in  einer  Weise ,  dass  die  Identität  der 
Cestiusbrücke  mit  der  ebenbeschriebenen  kaum  bezweifelt  werden  kann,  um  so  weni- 
ger, als  die  Cestiusbrücke  mit  einem  der  angegebenen  Namen  zu  confundiren,  weit  un- 
gerechtfertigter wäre,  als  ihn  an  die  Stelle  des  im  Verzeichnisse  sonst  unerklärbar  fehlen- 
den Namens  des  Gratian  zu  setzen.  Die  Identität  dieser  wird  auch  von  den  Antiquaren 
allgemein  angenommen;  doch  über  die  Person  des  Cestius  und  den  Zeitpunkt  der  ersten 
Erbauung  dieser  Brücke  schwanken  die  Ansichten.  Dass  jedoch  einerseits  der  Bau  der 
fabricischen  Brücke  dem  der  cestischen  voranging,  ist  an  sich  natürlich  und  erhellt  auch 
aus' einer  classischen  Angabe ;  ^  anderseits  ist  es  aber  nicht  denkbar,  dass  in  der  Kaiser- 
zeit ein  öffentlicher  Bau  nach  dem  Namen  eines  Privatmannes,  der  weder  als  Verwandter 
noch  als  ausgezeichneter  Günstling  eines  Fürsten  bekannt  ist,  benannt  worden  sein  sollte. 
Aus  der  Zeit  von  692  nun,  dem  Jahre  der  Erbauung  der  fabricischen  Brücke,  bis  Augu- 
stus  ist  nur  ein  Cestius  in  einer  hervorragenden  Stellung  bekannt,  nemlich  L.  Cestius, 
welcher  im  J.  708  d.  St.  (46  v.  Chr.)  als  Präfectus  Urbi  erwähnt  wird.^  Diesem  dürfte 
auch  die  Brücke  mit  der  meisten  Wahrscheinlichkeit  zugeschrieben  werden.  Im  4.  Jahr- 
hundert scheint  sie  ganz  zerstört  gewesen  zu  sein;  den  Wiederaufbau  führte  unter  den 
angeführten  Kaisern  Svmmachus, ''  welcher  in  den  Jahren  364  und  363  Präfect  der  Stadt 


'  Curios.  Urb.  Rom.  Pontes.         *  Dio  Cass.  XXXVII.  ^5.         *  Münze  mit  der  Umschrift  L  •  CESTIVS    PR 
cf.  Dio  Cass.  XLIII.  28.         "  Amnftian.  Marcellin.  XXVII.  3. 


Station  der  siebenten  Cohors  vigilum.  321 

war.  In  der  That  zeigt  auch  die  Coiistjuction  des  Bogens  und  der  angränzenden 
Theile  einen  minder  regelmässigen  Bau  als  der  Ansatz  der  Brückenköpfe,  welcher 
sich  noch  von  der  ersten  Anlage  erhalten  zu  haben  scheint. 

Im  10.  Jahrhundert  wurde  die  Brücke  von  einem  römischen  Senator,  Namens 
Benedictus,  restaurirt,  wie  aus  einer  kurzen  und  ungenügenden  Inschrift,  die  man 
innen  auf  einem  Vorsprung  des  nördlichen  Geländers  findet,  zu  entnehmen  ist.  Un- 
bedeutende durch  die  Ueberschwemmungen  der  Jahre  1598  und  1679  veranlasste 
Beschädigungen  wurden  sofort  wieder  ausgebessert,  und  jetzt  sind  sogar  noch  theil- 
weise  die  antiken  Marmorgeländer,  namenthch  die  Stücke,  welche  die  Inschrift  des 
Valentinian  und  seiner  Mitkaiser  auf  beiden  Seiten  tragen,  erhalten.  Die  Brücke 
heisst  von  der  Insel,  zu  welcher  sie  fühit,  jetzt  Ponte  di  S.  Bartolommeo. 

59a.  Station  der  siebenten  Cohors  vigilum. 

Wendet  man  sich  von  der  Brücke  des  Gestius  auf  der  transtiberinischen  Seite, 
nachdem  man  eine  kurze  Strecke  die  Via  in  Piscinula  verfolgt,  rechts  ab  in  die  Via 
della  Lungaretta,  bis  zur  Linken  die  Via  di  S.  Grisogono  abzweigt,  so  führt  diese 
an  Piazza  di  S.  Grisogono  vorbei  links  gegen  Monte  di  Fiore  hin  zum  Eingange 
eines  erst  1866  durch  Ant.  Giocci  und  Gius.  Gagliardi,  den  Finder  der  Augustus- 
statue  von  Prima  Porta  entdeckten  antiken  Ueberrestes,  der  tief  unter  dem  modernen 
Niveau  Hegend  nach  der  Ausgrabung  durch  eine  moderne  Treppe  zugänglich 
gemacht  worden  ist.  Die  Anlage  zu  Wohnzwecken  ist  unverkennbar,  in  Backstein 
hergestellt,  zeigt  sie  nirgends  monumentale  Spuren.  Die  antike  Aussenseite  ist  un- 
sichtbar, die  westlich  angebrachte  moderne  Treppe  führt  vielmehr  unmittelbar  in 
ein  rechteckiges  Atrium,  dessen  Dimensionen  7,48  Meter  an  der  Eingangs-,  8,35  an 
der  Längsseite  betragen.  Der  Fussboden  ist  mit  grobem  Mosaik  in  weiss  und  schwarz 
belegt,  das  eine  Nereide,  einen  Triton,  einen  Hippokamp,  Aegikamp,  Delphin  und 
Polypen  darstellt,  und  zwar  ohne  symmetrische  Anordnung,  welche  das  näher  an 
die  Ostwand  gerückte  Brunnenbassin,  das  eine  sternförmig  sechseckige  Form  zeigt, 
nicht  möglich  machte.  Die  Lage  dieses  aber  lässt  es  als  mehr  denn  wahrscheinlich 
erscheinen,  dass  die  Bedachung  nicht  allseitig,  sondern  nur  einseitig,  nemlich  der 
westlichen  Eingangswand  entlang  hinlief  und  zwar  ohne  Säulenunterstützung,  von 
welcher  das  erhaltene  Paviment  die  Spuren  hätte  zeigen  müssen.  Von  der  rothen 
Wandbemalung  haben  sich  noch  Reste  erhalten.  Den  hervorragendsten  Schmuck 
aber  bildet  die  Hauscapelle  an  der  Südseite  des  Atriums,  nur  etwas  weniger  als 
1  Meter  tief  und  2,35  Met.  (im  Zugang  nur  1,65  Meter)  breit,  besonders  durch  die 
adiculenartig  ganz  in  unverkleidetem  Backstein  ausgeführte  Eingangsdecoration,  w  eiche 

F.  Rebeb,  Rom.  41 


322  D^s  transliberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

auf  zwei  korinthischen  Pilastern  ein  reich  mit  Astragal,  Blattleisten  und  Zahnschnitt 
verziertes  Gebälk  und  einen  eleganten  Giebel  darüber  zeigt,  während  auch  im  Ein- 
gangsbogen wie  an  den  Wänden  noch  Einzelfiguren,  geflügelte  Victorien,  Hermes, 
Apollo  u.  a.  sich  erkennen  lassen. 

Durch  die  Ostwand  des  Atriums  führt  ein  Gorridor,  welcher  nach  kurzer 
Strecke  im  rechten  Winkel  nach  Süden  abbeugt  zu  zwei  Gemächern,  deren  erstes 
noch  Reste  eines  Mosaikbodens  mit  Geflechtornament  enthält,  während  das  rechts 
anstossende,  das  an  deren  inneren  Ende  eine  exedrenförmige  Ausbeugung  und  noch 
die  Spuren  von  buntem  Marmorbeleg  an  den  Wänden  darbietet,  durch  die  Gestaltung 
des  vertieften  Bodens  sich  als  Badegemach  erweist.  Durch  die  Nordwand  des  Atriums 
aber  gelangt  man  in  mehre  nach-  wie  nebeneinander  folgende  Gemächer,  von  denen 
drei  mit  einem  Stück  Gorridor  biosgelegt  sind,  von  welchen  das  erste  ein  in  opus 
spicatum  ausgeführtes  Paviment,  wahrscheinlich  ursprünglich  mit  Mosaik  belegt,  ein 
inneres  aber  noch  einfaches  Mosaik  in  schwarz  und  weiss  zeigt,  während  gemauerte 
kleine  Gelasse  auf  Aborte,  Feuerstellen  u.  s.  w.  schliessen  lassen. 

Ist  aber  der  Gesammtcomplex  aus  dem  Blosgelegten  nicht  vollkommen  ver- 
ständlich  —    und    an  eine  übrigens    durch    die   erstaunliche  NiveaudifFerenz   sehr 
schwierige  weitere  Ausdehnung  der  Ausgrabung  ist   ohne  Abbruch  der   ringsumlie- 
genden modernen  Gebäude  nicht  zu  denken  —  so  ist  dafür  die  inschriftliche  Aus- 
beute, namentlich  an  Sgratfiti,  sehr  gross  und  lohnend  gewesen,  leider  aber  abgesehen 
von  der  dadurch  gewonnenen  Bestimmung  des  Gebäudes  nur  von  speziell  antiqua- 
rischem Interesse.     Zunächst  ergab  sich  daraus,   dass  die  aufgedeckten  Räume   zur 
Caserne  der  Cohors  VII.  vigilum  gehörten,  zur  letzten  jener  sieben  Feuerwehrstatio- 
nen, welche  Augustus  eingeführt  und  in  der  Stadt  passend   vertheilt  hatte.     Schon 
durch  die  Notitia  in  ihrer  Lage  im  Allgemeinen  bekannt,   wonach   die  erste   Station 
in  der  VII.  Region,    die  zweite  in  der  V.,  die  dritte  in  der  VI.,    die  vierte  in  der 
XII.,  die  fünfte  in  der  II.,   die  sechste  in  der  VIII.    und   die  siebente   in   der  XIV. 
Region  gesucht  werden  mussten,  haben  sich  seit  i  820  (Kellermann  und  G.  B.  de  Rossi) 
die  genaueren  Stellen  von  der  ersten,   zweiten,    vierten  und  fünften,  nun  auch  im 
December  1 866  von  der  siebenten  Station  gefunden.     Ein  grosser  Theil  der  32  er- 
haltenen Sgraffito-Incshriften  beginnt  nemlich  mit  der  Bezeichnung  der  letzteren  als 
zur  Cohors  VII.  vigilum  gehörigen  und  nennt  im  Uebrigen  die  Veranstalter   und  die 
Zeit  eines  etwas  räthselhaften  Festes,   der  sog.   „sebaciaria."     Dass  es  sich  dabei 
um   eine  Illumination    als  wesentlichsten   Theil    der    Feierlichkeit   oder    Geremonie 
handelt,  dürfte  ausser  Zweifel  sein,  gewiss  ferner,  dass  dieses  Fest  aus  manigfachen 
Anlässen  öffentlicher  wie  privater  Natur  begangen  wurde.     Die  Inschriften  beginnen 
den  Consulatsangaben  nach  mit   dem   Jahr  215  n.  Chr.  und  endigen   239.     Aufge- 


Die  ämilische  Brücke  (Ponte  rotto,  ferrato).  323 

fundene  Backsteinstempel  mit  Angabe  des  Consulates  des  Petinus  und  Apronianus 
(123  n.  Chr.)  zeigen  jedoch,  dass  das  Gebäude  unter  Hadrian  wenn  nicht  neu  ge- 
baut, so  doch  wiederhergestellt  worden  sei.  Das  Nähere  darüber  findet  sich  bei 
A.  Pellegrini,  La  settima  coorte  dei  Vigih  (Bulletino  d.  I.  d.  c.  a.  1867  p.  8—12) 
und  G.  Henzen,  Iscrizioni  graffite   della   settima   coorte  de'  vigih  (1.  c.  p.  12 — 30). 


60.  Die  ämilische  Brücke  (Ponte  rotto,  ferrato). 

Kehrt  man  in  die  Via  della  Lungaretta  zurück,  so  führt  deren  geradlinige 
Fortsetzung,  die  Via  della  Longarina  in  gerader  Linie  wieder  an  den  Tiber  und  zu 
der  südlichsten  der  noch  bestehenden  Brücken.  Diese  ist  jedoch  nur  mehr  zur 
Hälfte  erhalten,  nemlich  von  den  ursprünglichen  fünf  Jochen  die  drei  dem  rechten 
Ufer  zunächstliegenden.  Vollständig  musste  sie  eine  Länge  von  112  Meter  gehabt 
haben :  das  Vorhandene  misst  nur  mehr  65  Meter.  Sie  ist  1 1  M.  breit,  die  Joche, 
in  der  schon  beschriebenen  Weise  gegen  die  Strömung  in  eine  scharfe  Kante  en- 
digend und  an  der  südlichen  Seite  abgerundet,  messen  in  der  Stromrichtung  unten 
20,  und  6  Meter  in  der  Dicke.  Die  Spannung  der  grösseren  Bogen,  deren  ur- 
sprünglich vier  waren,  und  von  denen  auch  die  noch  vorhandenen  zwei  nicht  antik 
sind,  misst  I6V2  Meter,  die  der  zwei  kleineren  Bogen,  von  denen  der  dem  west- 
hchen  Ufer  anliegende  antik  erhalten  ist,  11  Meter.  Wie  aus  dem  ersten  Bogen 
hervorgeht,  war  in  derselben  Weise  wie  bei  den  anderen  Brücken  wenigstens  die 
Aussenseite  von  Travertin.  Die  Joche  waren  mehrfach  abgestuft :  im  oberen  Tlieile 
derselben  waren,  wie  an  der  fabricischen  Brücke,  Wasserdurchlässe  angebracht, 
welche  mit  korinthischen  Pilastern  geschmückt  waren.  Die  Drachengestalten  in  den 
Bogenwinkein  gehören  den  nicht  antiken  Restaurationen  an. 

Was  den  antiken  Namen  dieser  Brücke  betrifft,  so  muss  deren  Bezeichnung 
als  die  palatinische,  weil  nur  aus  einem  gefälschten  Regionär  (P.  Victor)*  entnom- 
men, verworfen  werden.  Richtiger  ist  eine  andere  neben  dieser  übliche  Bezeich- 
nung, welche  die  Ruine  mit  der  ämilischen  Brücke  identificirt.  Diese  aber  ist  ohne 
Zweifel  dieselbe,  welche  M.  Fulvius  Nobilor,  zugleich  mit  M.  Aemilius  Lepidus  Censor, 
im  J.  d.  St.  575  (179  v.  Ch.)  als  die  erste  steinerne  begann,  die  jedoch  erst  37 
Jahre  nachher,  von  den  Censoren  Publius  Scipio  Africanus  und  L.  Mummius  voll- 
endet worden  war,  nachdem  ihre  Pfeiler  die  Probe  bestanden  hatten  ^.    Die  Brücke 


•  ed.  J.  B.  Pius,  Bononiens.  Bon.  ^520.  2  nv.  XL.  51.  Die  Annahme,  dass  hier  dass  Wort  „pontis"  als 
Interpolation  zu  streichen,  und  vielmehr  an  den  Bau  einer  Landungstelle  zu  denken  sei,  (.Tordan,  Topogr.  IL  S. 
200)  ist  wohl  ebenso  gewagt,    als  die   Beförderung  des   von   Plutarch   (Nunia  9)   unverkennbar  als  ,, Censor'' 

41* 


324  ß^s  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

selbst  erhielt  wahrscheinlich  den  Namen  der  beiden  Censoren  des  Jahres  575,  da 
aber  der  Name  des  M.  Aemilius  Lepidus,  der  zugleich  Pontifex  Maximus  und  damals 
Princeps  Senatus  war,  sich  eines   besseren  Klanges  beim  Volke  erfreute,   während 
Fulvius  durch  einige  selbstsüchtige  Werke  die  Gunst  des  Volkes  theilweise  verwirkt 
hatte,  so  blieb  sowohl  an  der  Brücke ,  wie  auch  an  der  gleichzeitig  erbauten  Basilica 
Aemilia   am   Forum    Romanum   der    erstere   haften.      »Aemilische   Brücke«    wurde 
daher  die  herrschende  Bezeichnung;  ^  ob  die  spät  vorkommende^  «pons  Lepidi«  in 
dem  Namen  desselben  Gensors  Aemilius  Lepidus  ihren  Grund  hat,    ist   nicht  sicher 
zu  bestimmen ,  möglicherweise  wurde  sie  aus  einem  andern  vulgären  Brückennamen 
»pons  lapideus«  im  Zusammenhalt  mit  den  sicher  vormals  auf  der  Brücke  zu  lesen- 
den Gensorennamen  gemacht.     Dass  aber  der  pons  lapideus  und  die  ämilische  Brücke 
identisch  seien,  wurde   von  Fiale ^  und  Becker"  überzeugend   dargethan,   nachdem 
es  vorher  bei   den  Antiquaren  für  ausgemacht  galt,   dass  der  pons  sublicius  nach- 
mals den  Namen  lapideus  erhalten  habe.     Es  hätte  allerdings  eine  hölzerne  Brücke 
später  in  eine  steinerne  umgewandelt  werden  können,  so  lange  sie  aber  sublicius, 
die  Pfahlbrücke,  hiess,  war  es  unmöglich,  dass  sie  von  Stein  war  und  abwechselnd 
auch  schlechtweg  die  »  steinerne  Brücke«  genannt  wurde.   Wenn  man  aber  behauptet, 
dass  die  sublicische  Brücke  durch  M.  Fulvius  in  eine  steinerne  umgewandelt  worden 
sei,  so  begreift  sich  nicht,  wie  selbst  in  der  Kaiserzeit  in  vielen  Erwähnungen  von 
der  hölzernen  als  noch  bestehend  gesprochen,  ^  und  wie  der   pons  sublicius  neben 
dem  Aemilius  noch   in   der  Notitia "  genannt   werden  konnte ,    davon   gar  nicht  zu 
reden,  dass  Rom,  wenn  die  ämihsche  Brücke  an  die  Stelle  der  sublicischen  selbst 
trat,  mehre  Jahrzehnte  ganz   ohne  Brückenverbindung  war,  so  viel  wir  wenigstens 
wissen.     Es  ist  demnach  auf  die  widersinnigen  Worte    eines  Scholiasten, '  welcher 
die  subhcische  Brücke  als  die  »hölzerne,  die  aber  jetzt  die  steinerne  heisst«  erklärt, 
nicht  so  viel  zu  geben,  dass  man  desshalb  die    vielbezeugte  Fortexistenz  der  höl- 
zernen Brücke  ignorirte,   und    aus   einer  anderen  oft  missbrauchten  Stelle  des  Plu- 
tarch**  ergibt  sich   höchstens   ein  Nebeneinander   der  beiden   Brücken,   aber    nicht 
die  Identität. 


genannten  Erbauers  der  ämilischen  Brücke  zum  „Consul",  nur  um  den  von  Plutarch  in  Uebereinstimmung 
mit  Livius  (1.  c.)  gemeinten  Censor  M.  Aemilius  Lepidus  mit  jenem  Consul  Q.  Lepidus,  der  nach  der  Inschrift 
die  fabricische  Brücke  733  d.  St.  approbirte,  vertauschen  zu  können.  Eine  Umnennung  der  fabricischen  Brücke 
wegen  der  durch  die  Consuln  Q.  Aemilius  Lepidus  und  M.  Lollius  vorgenommen  „probatio",  welches  Wort 
einen  wesentlichen  Umbau  ausschliesst,  wäre  auch  gar  zu  ungerecht  gewesen.  *   luvenal.    Sat.    VL    v. 

32.  Script.  H.  A.  (Lamprid.)  Antonin.  Heliogab,  -17.  Fast.  Capran.  &  Amitern  XVL  Kai.  Sept.  (Foggini,  Fa- 
storum  anni  Romani  reUquiae.  R.  1779.  fol.  IIa.)  2  Vgl.  S.  316  Anm.  4.  3  pjaig,  degli  antichi  ponti  di 

Roma.  Vgl.  S.  314  Anm.  4.  ••De  Romae  vet.  muris  atque  portis  p.  78  sq.  *  Varro  L.  L.  V,  15,  24  p.  87 
(Speng.)  Ovid.  Fast.  V.  v.  622.  Dionys.  m.  46.  Plin.  H.  N.  XXXVL  15.23,100.  Tacit.  Hist.  I.  86.  Script. 
H.  A.  (lul.  Capit.)  Antonin.  F.  8.       6  Curios.  Urb.  R.  Pontes.       ^  Serv.  ad  Virg.  Aen.  VIII.  v.  646.      8  Numa.  9. 


Die  ämilische  Brücke  (Ponto  rotto,  ferrato).  325 

Wenn  es  demnach  ganz  ungerechtfertigt  und  sogar  widersinnig  ist,  die  »höl- 
zerne« Brücke  (subhcius)  und  die  »steinerne«  (lapideus)  zu  verschmelzen,  so  findet 
der  letztere  Name  vielmehr  gerade  im  Gegensatze  zu  dem  ersteren  seine  Erklärung: 
denn  nur  bei  der  ersten  neben  der  hölzernen  in  Stein  erbauten  Brücke  hat  die  Be- 
zeichnung »lapideus«  Sinn,  indem  sie  dadurch  sehr  passend  von  dem  »sublicius 
pons«  unterschieden  wurde.  Plutarch  (a.  a.  0.)  stellt  sie  auch  in  diesem  Sinne 
nebeneinander  und  gegenüber;  denn  nachdem  er  von  der  »hölzernen«  Brücke  als 
einer  zu  seiner  Zeit  noch  bestehenden  gesprochen,  fährt  er  fort:  »Die  steinerne 
aber  wurde  viele  Menschenalter  später  von  dem  Gensor  Aemilius  erbaut«. 

Diess  musste  vorausgeschickt  werden,  ehe  von  der  Lage  dieser  Brücke,  für 
welche  wir  die  drei  Namen  pons  Aemilius,  lapideus  und  Lepidi  fanden,  gesprochen 
werden  konnte.  Ihre  Situation  zwischen  der  Tiberinsel  und  dem  Aventin  wird  aber 
durch  zwei  Angaben  noch  mehr  verengt.  Die  capran.  Fasten  ^  verzeichnen  XVI. 
Kai.  Sept.  PORTVNO  AD  PONTEM  AEMILiANO(!)ADTHEATRVM  MARCELLI 
und  die  Gosmographie  des  Aethicus^  beschreibt  die  »Brücke  des  Lepidus,  welche 
jetzt  missbräuchlich  vom  Volke  Lapideus  genannt  wird«  unmittelbar  unterhalb  der 
Tiberinsel  und  neben  dem  Forum  Boarium.  Die  beiden  Bezeichnungen  weisen  mit 
Bestimmtheit  auf  diese  Stelle  hin,  an  welcher  sich  noch  die  halbzerstörte  Brücke  be- 
findet, und  ein  Blick  auf  den  Stadt-Plan  wird  zeigen ,  dass  einerseits  zwischen  der 
fabricischen  Inselbrücke  oder  vielmehr  der  Insel  selbst  und  dem  Ponte  rotto  keine 
andere  Brücke  Platz  hatte,  und  dass  anderseits  eine  weiter  südlich  gelegene  Brücke 
keiner  der  beiden  Angaben  mehr  entspräche.  Was  jedoch  von  dem  ursprünglichen 
Bau  des  Fulvius  noch  übrig  ist,  das  dürfte  nur  sehr  wenig  sein ;  die  Arbeit  an  dem 
Brückenkopfe  des  rechten  Ufers  verräth  eine  späte  Bauepoche  und  die-  folgenden 
Bogen  sind  gar  nicht  antik.  Doch  fehlen  über  eine  Herstellung  in  später  Kaiserzeit 
die  Berichte.  Nibby  ^  und  Jordan  ^  sind  jedoch  der  Ansicht  dass  diese  Brücke  in 
späterer  Zeit  und  wohl  aus  Restaurationsgründen  den  von  Guriosum  und  Notitia 
gebrauchten  Namen  „Pons  Probi"  trug,  und  Verfasser  schliesst  sich  dieser  Annahme 
an,  obwohl  er  hiezu  den  in  den  mehrerwähnten  Regionenverzeichnissen  übrigens 
an  unrechter  Stelle  eingereihten  Namen,  Pons  Aemilius^  als  interpolirt  streichen 
muss,  was  vielleicht  der  Umstand  erleichtert,  dass  er  im  God.  Vindob.  n^  162  der 
Notitia  ganz  fehlt. 

Im  Mittelalter  hiess  die  Brücke  Pons  Senatorum  oder  Ponte  di  S.  Maria,  und 
ward  auch  unter  dem  letzteren  Namen  von  Papst  Gregor  IX.  in  der  ersten  Hälfte 


»Vgl.  S.  323   Anm.  1.  2  Vgl.   S.   316  Anni.    4.  3  Roma  nell'  anno   MDCCCXXXVIII.   R.    1839. 

Partei,  antica.  p.  495.        •«  Topogr.  II.  S.  198.         »  £jfeniendi  letlerarie.  Rom.  1820.  I.  p.  76. 


326  D^s  transtiberinische  Gebiet  und  die  Brücken. 

des  13.  Jahrhunderts  wiederhergestellt.  ^  Eine  bedeutendere  Restauration  unternahm 
Julius  III;  mit  Missachtung  der  Vorbereitungen  des  greisen  Michel  Angelo  ward 
jedoch  der  Bau  so  leichtfertig  geführt,  dass  er  schon  nach  fünf  Jahren  (1557)  grossen- 
theils  wieder  einstürzte.  Julius'  III.  Wappen  ist  noch  an  dem  erhaltenen  Brücken- 
kopfe des  rechten  Ufers  zu  sehen.  Zum  drittenmale  unternahm  Gregor  XIII.  i.  J. 
1575  den  Wiederaufbau,  welcher  auch  nur  19  Jahre  dem  an  dieser  Stelle  durch 
die  Wiedervereinigung  der  beiden  Flussarme  besonders  starken  Wogenandrang 
widerstand,  doch  stehen  davon  noch  die  zwei  grossen  Bogen  mit  der  Inschrift 
desselben  Papstes,  während,  wie  schon  erwähnt  wurde,  nur  mehr  der  kleine  Bogen 
an  dem  Brückenkopfe  des  rechten  Ufers  theilweise  antik  ist.  Das  wiederholte 
Misslingen  des  Unternehmens  der  Herstellung  schreckte  die  folgenden  Jahrhunderte 
von  der  Wiederaufnahme  des  Baues  ab,  und  die  Ruine  verblieb  in  demselben  Zu- 
stande und  unter  dem  Namen  Ponte  rotto  bis  auf  die  neueste  Zeit,  in  welcher  die 
fehlende  Hälfte  durch  eine  Kettenbrücke  ergänzt  ward.  — 


61.  Die  muthmasslichen  Reste  der  Brücke  des  Theodosius  und  Valentini- 

anus  (angeblicli  Sublicius). 

Eine  nicht  sehr  bedeutende  Strecke  südlich  von  der  beschriebenen  Brücken- 
ruino,  am  Fusse  des  Aventin  und  zunächst  dem  von  S.  Sabina  bezeichneten  Höhen- 
punkte entsprechend  sieht  man  bei  sehr  niedrigem  Wasserstande  noch  Reste  am  Was- 
seispiegel,  welche  bei  wiederholten  Untersuchungen  als  die  Pfeilermassen  einer  Brücke 
erkannt  worden  sind.  Die  Brücke  selbst  ist  seit  Jahrhunderten  zerstört  ohne  eine 
Nachricht  über  ihre  vormalige  Gestalt  zurückzulassen  und  da  es  an  allen  Anhaltspunk- 
ten für  ihren  Namen  zu  fehlen  schien,  so  kamen  die  Antiquare  dahin  überein,  sie  die 
sublicische  zu  nennen,  mehr  um  für  diese  am  meisten  erwähnte  Antiquität  eine  Stelle 
zu  haben,  als  weil  die  Ueberreste  von  der  Art  sind,  dass  sie  vorzugsweise  auf  die 
hölzerne  Brücke  passten.  Der  pons  subhcius  muss  allerdings  in  dem  Zwischenräume 
von  Ponte  rotto  bis  zur  südlichen  Abdachung  des  Palatin  angenommen  werden,  da 
er  die  servische  Stadt  mit  dem  laniculum  verband,  und  so  war  die  Schlussfolgerung 
nicht  ohne  Sinn,  so  lange  man  an  dem  Gedanken  festhielt,  die  Pfahlbrücke  sei  durch 
M.  Fulvius  in  eine  steinerne  umgewandelt  worden,  und  habe  seitdem  neben  dem 
von  nun  an  nur  mehr  reflectiven  Namen  »sublicius«  auch  die  Namen  »Aemilius«  und 


1  Bernardi  Guidonis  Vita    Gregorii  IX.  (Muratori  Rer.  Ital.  Script.  Tom.  III.  P.  I.  p.  578.) 


Die  ämilische  Drücke  (Ponto  rotto,  ferrato).  327 

»lapideus«  erhalten.  Wenn  jedoch  diess,  wie  kaum  bezweifelt  weiden  kann,  ein 
Irrthum  ist  (vgl.  S.  323),  und  wir  bis  in  die  letzte  Kaiserzeit  den  pons  sublicius 
als  solchen,  als  Pfahlbrücke,  erwähnt  finden,  so  wird  man  wohl  auch  darauf  ver- 
zichten müssen,  in  den  Steinpfeilern  Reste  derselben  (wie  berichtet  wird)  in  Folge 
religiöser  Uebung  ganz  aus  Holz  bestehenden  Brücke  zu  erkennen.  Die  Reste  ge- 
hören vielmehr  einer  Steinbrücke  an,  deren  Entstehung  und  Namen  wegen  Mangel 
an  Nachrichten  nicht  mit  voller  Sicherheit  zu  bestimmen  ist.  Doch  ist  es  höchst 
wahrscheinUch,  dass  sie  mit  den  Namen  zu  identificiren  sei,  welche  in  dem  local 
vollkommen  geordnet  in  der  Reihenfolge  von  Nord  nach  Süd  vorgetragenen  Brücken- 
verzeichnisse der  Mirabalien  zuletzt  genannt  werden.  Freilich  scheinen  hiezu  zwei 
Brücken  als  eine  betrachtet  und  statt  »pons  marmoreus  Theodosii  et  pons  Valenti- 
nianus«  gelesen  werden  zu  müssen:  »pons  m.  Theodosii  et  Valentiniani«  wie  Jor- 
dan* geltend  macht,  wobei  dann  an  Theodosius  den  Jüngeren  und  an  die  Jahre 
nach  425  als  Erbauungszeit  zu  denken  ist,  weshalb  auch  diese  Brückennamen  in 
Curiosum  und  Notitia  fehlen.  Den  letzteren  Namen  bezieht  Becker  ^  in  ganz  unge- 
rechtfertigter Weise  auf  die  aurelische  Brücke  (Ponte  Sisto),  indem  er  sich  auf 
eine  Inschrift  des  Valentinian,  Valens  und  Gratian  stützt,  welche  bei  Gruter^  als 
an  der  aurelischen  oder  ianiculensischen  Brücke  (P.  Sisto)  befindlich  angeführt  wird. 
Allein  die  Inschrift  befindet  sich  noch  wörtlich  und  selbst  mit  den  bei  Gruter  an- 
gemerkten Defekten  an  Ponte  di  S.  Bartolommeo,  von  wo  sie  auch  Piranesi  ab- 
zeichnete ^  und  Becker  selbst  bedient  sich,  ohne  dadurch  auf  den  Irrthum  bei  Gruter 
zu  kommen,  auch  bei  der  Cestiusbrücke  wieder  derselben.^  Im  12.  oder  13.  Jahr- 
hundert, in  welchem  der  Liber  de  Mirabilibus  abgefasst  wurde,  musste  von  dieser 
Brücke  noch  beträchtlich  mehr  erhalten  gewesen  sein,  wenn  auch  »Marmorverklei- 
dung« der  Mirabilien  mit  Rücksicht  auf  die  im  Mittelalter  häufige  Verwechselung 
von  Marmor-  und  gewöhnlichem  Quaderbau  nicht  wörtlich  zu  verstehen  ist ;  wann 
jedoch  die  gründliche  Zerstörung  vor  sich  ging,  ist  nicht  bekannt.  — 


1  Topographie  d.  St.  Rom  im  A.  Bd.  VII.  S.  193  fg.       2  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  1.  S.  701.        3  Inscr.  p. 
CLX.  6.         4  Le  antichitä  Romane.  R.  1784.  Tom.  IV.  tav.  25ä.         ^  Hdb.  d.  röm.  Alt.  Bd.  I.  S.  699.  Anm.  1540. 


i 


328  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Gapitolinus,  Palatinus  und  Aventiiius. 

VI.  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Gapitolinus,  Palatinus 
und  Aventinus.     CForum  Boarium,  Velabrum,  Vicus  Tuscus 
-^^  und  das  Thal  des  Circus  Maximus). 

Die  Beiziehung  der  Niederung  zwischen  den  am  Flusse  hegenden  Hügeln  und 
dem  linken  Flussufer  zur  Stadt  ist  der  Natur  der  Sache  gemäss  so  alt,  wie  die 
Verbindung  der  beiden  Ansiedlungen  auf  dem  Palatinus  und  Ghpitolinus  zu  einer 
Doppelstadt,  mithin  so  alt  als  Rom  selbst.  Doch  wie  man  uisprünglich  in  Latium 
und  Etrurien  die  Tiefen  vermied,  und  sich  nur  auf  den  Höhen  Wohnungen  erbaute, 
so  folgte  die  Ansiedlung  im  Thale  der  Vereinigung  der  beiden  Hügelstädte  nicht 
unmittelbar,  war  auch  durch  die  physische  Beschaffenheit  eines  grossen  Theiles 
desselben  unmöglich.  Denn  es  wird  mehrfach  bezeugt,  dass  die  Gegend  sehr 
sumpfig  war,  so  dass  man  sich  sogar  zum  Uebersetzen  vom  Palatin  nach  dem 
Aventin  und  Capitolin  wenigstens  zeitweise  leichter  Flösse  bedienen  musste,  von 
welcher  Art  des  Verkehrs  auch  der  Name  Velabrum  abgeleitet  wird,  i  Sumpfig  aber 
war  das  Thal  nicht  nur  in  dem  Räume,  welcher  nachher  den  Namen  Velabrum 
trug,  sondern  durchaus,  selbst  bis  in  das  etwas  höher  gelegene  Areal  des  Forum 
Romanum  hinein,  wie  aus  der  Sage  vom  Versinken  des  Curtius  während  des  Kampfes 
mit  den  Sabinern  unter  Romulus  hervorgeht.  '^  Und  dass  in  diesen  Etymologien 
und  Sagen  ein  localer  Kern  enthalten  sei,  dafür  haben  wir  einen  unwiderleglichen 
Beweis  in  der  Cloaca  Maxima,  deren  Anlage  eben  den  Zweck  hatte,  die  feuchte 
Niederung  zu  entwässern  und  namentlich  die  stagnirenden  Lachen,  welche  jede 
Tiberüberschwemmung  zurückliess,  und  welche  die  Hügelquellen  nie  vertrocknen 
Hessen,  zum  Abfluss  zu  bringen.  Doch  hatte  wenigstens  in  historischer  Zeit  nicht 
die  ganze  Thalebene  vom  Tiber  bis  zum  Forum  Romanum  den  an  jenen  ursprüng- 
lichen Zustand  erinnernden  Namen  Velabrum,  sondern  nur  der  mittlere  Theil,  ein 
Raum,  dessen  südwestliche  Gränze  nicht  ganz  zur  Linie  vom  lanus  quadrifrons  bis 
zur  Kirche  S.  Giovanni  decollato  herabreichte,  dessen  nordöstliche  aber,  wie  es 
scheint  auch  im  Alterthume  nicht  so  genau  bestimmt,  ungefähr  mit  der  Linie  von 
S.  Teodoro  bis  S.  Maria  della  Consolazione  zusammenfällt.  Dieser  Raum  scheint 
erst  am  spätesten  und  auf  keinen  Fall  vor  der  Anlage  der  Cloaca  Maxima  von 
Ansiedlern  besetzt  oder  für  bauliche  Zwecke  benutzt  worden  zu  sein ;  ohne  Zweifel 
früher  die  zwischen  dem  Velabrum  und  dem  Forum  etwas  höher  liegende  Strecke, 


»  Varro.  L.  L.  V.  7,  14.  (p.  49.  Speng.)  —  Ovid.  Fast.  VI.  v,  401  sq.  —  TibuU.  II.  5.  v.  33.  —  Propert. 
El.  IV.  9.  V.  5.  —  Plut.  Romul.  5.  2  pjonys.  II.  42.  —  Liv.  I.  13.  —  Plut.  Romul.  18. 


Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,   Capifolinus ,   Palatinus  und  Avenlinus.  329 

wie  auf  der  anderen  Seite  der  Uferstrich ,  an  w  elchem  eine  uralte  Lände  gewesen  sein 
muss.  Die  frühesten  historischen  Nachrichten  über  die  Ansiedlung  in  dieser  Niederung 
haben  wir  von  dem  nördlichen ,  an  das  Forum  Romanum  gränzenden  Theile ,  dem  Vicus 
Tuscus,  der  schon  durch  seinen  Namen  auf  eine  etrurische  Colonie  hinweist.  Nach 
Varro^  soll  diese  Besetzung  sogar  schon  in  der  ersten  Königszeit  geschehen  sein  und 
zwar  von  derselben  tuscischen  Schaar  des  Cälius  Vibennus,  welche,  nachdem  sie  den 
Romulus  im  Kriege  gegen  die  Latiner  oder  vielleicht,  nach  einer  sehr  wahrschein- 
Uchen^  Correctur  bei  Varro ,  gegen  die  Sabiner  unterstützt,  zuerst  den  Calius  zur  Nie- 
derlassung erhalten  hatte ,  nach  dem  Tode  ihres  Anführers  aber  in  die  Ebene  zwischen 
Capitolinus  und  Palatinus  herabgeführt  wurde ,  weil  ihre  Haltung  auf  der  beherrschen- 
den Höhe  des  Cälius  den  Römern  Verdacht  einflösste.  Tacitus^  versetzt  dasselbe  Ereig- 
niss  in  die  Zeit  des  Tarquinius,  hinzufügend,  dass  die  Berichte  über  den  König,  unter 
welchem  die  Ansiedlung  stattfand,  nicht  übereinstimmten.  Die  meisten  uns  erhaltenen 
Nachrichten*  aber  setzen  die  Colonisirung  des  Vicus  Tuscus  mit  dem  unglücklichen  Feld- 
zuge  des  Aruns,  Porsena's  Sohn,  gegen  Aricia  in  Verbindung,  bei  welchem  nur  ein  Theil  der 
Etrusker  sich  retten,  und  von  den  Cumanern  verfolgt,  auf  das  römische  Gebiet  entkommen 
konnte.  Diese  aber  nicht  mehr  geneigt  oder  durch  ihre  Wunden  nicht  mehr  im  Stande  m 
ihr  Vaterland  zurückzukehren,  anderseits  von  den  Römern  freundlich  aufgenommen,  sol- 
len in  der  Stadt  geblieben  sein  und  sich  da  niedergelassen  haben ,  wo  der  Name  Vicus 
Tuscus  ihr  Quartier  für  immer  bezeichnete.  Dass  aber  dieses  an  das  Forum  Romanum 
stiess,  geht  aus  Dionys  (a.  a.  0.)  und  Livius^  hervor,  welcher  letztere  auch  die  örtHche 
Reihenfolge  des  Vicus  Tuscus ,  Velabrum  und  Forum  Boarium  zwischen  dem  Forum  Ro- 
manum und  dem  Aventin  bei  Beschreibung  der  Pompa  ausdrücklich  bezeugt.  Unter  dem 
Vicus  Tuscus  aber  hat  man  sich ,  wie  schon  aus  dem  Namen  und  aus  der  Art  der  Er- 
wähnungen hervorgeht,  nicht  so  fast  einen  Bezirk  als  vielmehr  eine  Strasse  mit  Ein- 
schluss  der  beiderseitigen  Häuserreihen  zu  denken ,  welche  vom  Forum  aus  südlich  (mit 
einer  kleinen  Neigung  gegen  Westen)  führte.  Desshalb  findet  auch  die  Bezeichnung  Vicus 
Tuscus  als  Strassenname  mit  dem  Eintritte  in  das  Velabrum ,  welches  von  der  Strasse 
ebenfalls  durchschnitten  wurde,  im  'gewöhnlichen  Sprachgebrauche  noch  nicht  ihr 
Ende.  ^  Während  sie  aber  so  noch  in  das  südlich  benachbarte  Gebiet  übergriff,  füllte  sie 
der  Breite  nach  nicht  den  ganzen  Zwischenraum  vom  Capitohnus  bis  zum  Palatinus,  und 
der  Vicus  lugarius  mit  dem  anstossenden  Aequimelium  am  Fusse  des  ersteren  Hügels  wie 
die  Via  Nova  am  Fusse  des  letzteren ,  welche  sich  so  ziemlich  parallel  mit  dem  Vicus 
Tuscus  südwestlich  hingezogen  zu  haben  scheinen,  begränzen  mit  ihren  Häuserreihen 


# 


'  L.  L.  V.  8,  14.   (p.  ö\.  Speng.)         "  Propert.  Eleg.  IV.  2.  v.  49.  *  Ann.  IV.  65.          *  Dionys.  V.  36.  — 

Liv.  II.  14.  —  Schol.  Cruq.  ad  Horat.  Sat.  II.  3,  v.  228.  Paul.  Diac.  s.  v.  Tuscus.         "  XXVII.  37.          «  Dionys. 
1.  c.  Liv.  XXXIII.  26. 

F.  Rebbk  ,  die  Ruinen  Roms.  42 


330  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palatinus  und  Aventinus. 

den  Vicus  Tuscus  in  selbstständiger  Weise.  Die  Lage  und  Richtung  des  Vicus  lugarius, 
dessen  Name  von  dem  Altar  der  Inno  luga  (der  Eheschliesserin)  ^  abgeleitet  wird,  erhellt 
vollständig  aus  den  classischen  Nachrichten,  nach  welchen  er  von  der  Porta  Carmentalis 
auf  das  Forum  führte,^  nordwestlich  von  der  Basilica  lulia,  also  unmittelbar  unter  dem 
Clivus  Capitolinus  in  dasselbe  mündete  ^  und  auch  sonst  am  Fusse  des  capitolinischen 
Felsens  sich  hinzog,  wie  aus  der  Nachricht  von  dem  Felsklotz ,  der  vom  Capitol  in  den 
Vicus  lugarius  hinabstürzte,*  zu  entnehmen  ist.  Die  Strasse  war  wie  das  ganze  Quartier 
von  Privatgebäuden  besetzt  und  wir  finden  nur  drei  Altäre  in  derselben  erwähnt ,  von 
welchen  der  erste  bereits  genannte  der  luno  luga  uralt  gewesen  zu  sein  scheint,  wäh- 
rend die  der  Ceres  und  der  Ops  Augusta  anscheinend  aus  der  ersten  Kaiserzeit  stam- 
men,^ wenn  anders,  wie  behauptet  wird,  die  Angabe  der  Fasten  »Cretico  et  Long,  cos.« 
dem  Consulate  des  A.  Licin.  Nerva  und  Q.  Caec.  Met.  Creticus  (760  d.  St.)  entspricht. 
Bedeutender  war  der  Lacus  Servilius,  ein  Brunnen  in  der  Nähe  der  Mündung  des  Vicus 
lugarius  in  das  Forum  und  bei  der  Basilica  lulia,  welcher  durch  die  Ausstellung  der 
Opfer  der  sullanischen  Proscription  berüchtigt  geworden  war  und  später  nicht  ohne  Bezug 
auf  jene  Gräuelscenen  von  M.  Agrippa  mit  dem  Bilde  einer  Hydra  geschmückt  wurde. "^ 

Weniger  klar  ist  die  Lage  und  Gestalt  des  Aequimelium,  ein  Name,  der  von  Sp. 
Melius  abgeleitet  wird,  dessen  hier  befindliches  Haus  nach  seinem  Supplicium  geschleift 
worden  war  [aequata  Meli  domus)."'  Eine  Notiz,  welche  von  einer  Substruction  des  Ca- 
pitols  über,  d.  h.  neben  dem  Aequimelium  spricht,^  macht  die  Annahme  Becker's^  nicht 
zulässig,  dass  dieses  nur  mittelbar  an  den  capitolinischen  Hügel  stiess,  und  dass  der  Vicus 
lugarius  zwischen  beiden  war.  Wenn  übrigens  die  Sage  von  dem  geschleiften  Hause  des 
Spurius  Melius  Sinn  haben  soll,  so  dürfen  wir  uns  auch  unter  der  fraglichen  Locahtät  nicht 
eine  Strasse,  die  allenfalls  neben  dem  Vicus  lugarius  sich  hinzog,  wie  Becker  zu  glauben 
scheint,  denken,  sondern  es  ist  am  natürlichsten ,  einen  kleinen  Platz  darunter  zu  ver- 
stehen, und  dieser  konnte  sehr  wohl  ebenfalls  am  Fusse  des  Capitolium  liegen ,  wenn  er 
nur,  wie  das  auch  heutzutage  noch  oft  der  Fall  ist,  eine  Ausweitung  einer  Strasse  (hier 
des  Vicus  lugarius)  bildete,  die  nach  wie  vor  ihren  eigenen  Namen  behielt.  In  baulicher 
Beziehung  wissen  wir  von  beidem  nichts.  Ebensowenig  von  dem  Vicus  Tuscus  selbst, 
der  indess  eine  grosse  und  belebte  Strasse  gebildet  haben  muss ,  welche  ungeföhr  in  der 
Mitte  der  südwestlichen  Langseite  des  Forum  Romanum ,  in  der  Kaiserzeit  wahrschein- 
lich zwischen  der  Basilica  lulia  und  dem  Castortempel  ihren  Anfang  nahm.  Ausser  einem 


'  Paul.  Diac.  s.  v.  lugarius.         *  Liv.  XWII.  37.         ^  Curios.  Urb.  R.  Reg.  Vm.     Fest.  s.  v.  Servilius. 

Liv.  XXXV.  21.         ^  Fast.  Amitern.  et  Capran.  IV.  Id.  Aug.     (Foggini,  Fastorum  anni  Romani  &c.  reliquiac. 

R.  1779.  fol.  112.)  «  Fest.  s.  v.  Servilius.     Cic.  p.  Rose.  Amer.  32.     Senec.  de  provid.  3.  '  Varro  L. 

L.  V.  32.  43.   (p.  156.  Speng.).   —  Liv.  IV.   16  et  al.  «  Liv.  XXXVIII.  28.  "  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  I. 

S.  486. 


Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palalinus  und  Aventinus.  331 

lebhaften  Handel  mit  Spezereien  ^  (woher  auch  der  spätere  Name  vieus  turarius),^  mit 
Seidenstoffen'  und  Anderem  war  der  Vicus  Tuscus  auch  der  Sitz  der  Prostitution.* 

Von  den  Bewohnern  der  Nova  Via,  welche  zwischen  dem  Vicus  Tuscus  und  dem 
Palatin  sich  hinzog,  wissen  wir  aus  einer  allerdings  etwas  böswillig  geförbten  Stelle  einer 
Komödie,^  aus  welcher  überdiess  der  Gegensatz  zwischen  Vicus  Tuscus  und  Nova  Via 
hervorgeht,  dass  sie  wegen  Unverlässigkeit  in  der  Geschäftswelt  im  Verrüfe  waren.  Denn 
nichts  anderes  als  die  Gebäudereihe  an  der  Nova  Via  kann  unter  dem  Ausdrucke  » hinter 
dem  Castortempel «  verstanden  werden,  worauf  sonderbarerweise  Becker ^  trotz  der 
sonst  in  der  angezogenen  interessanten  Stelle  des  Plautus  liegenden  Schwierigkeit  nicht 
gekommen  ist,  indem  er,  sich  selbst  allen  Raum  für  eine  Häuserreihe  der  Nova  Via 
wegnehmend,  auch  noch  hinter  dem  Castortempel  den  Vicus  Tuscus  annimmt.  Diese 
Strasse  aber  zweigte,  wie  diess  schon  früher  (S.  141)  erörtert  worden  ist,  wahrscheinlich 
südwestlich  vom  Castortempel  von  dem  Forum  Romanum  ab,  und  zog  sich  so  am  Fusse 
des  Palatinus  hin,  dass  sie  nur  auf  einer  Seite  eine  Häuserreihe  gehabt  zu  haben  scheint. 
An  dem  Theile  der  Nova  via,  welcher  dem  Forum  Romanum  nahe  war  [infima  nova  via), 
befand  sich  der  mehrerwähnte  Altar  des  Ajus  Loquens ,  welcher  einer  ominösen  Stimme, 
die  man  vor  der  Einnahme  Roms  durch  die  Gallier  hier  gehört  haben  wollte,  seine  Ent- 
stehung verdankte."^  V^eiter  südwestlich  aber  lag  ein  Rundtempel,  dessen  Ueberreste 
noch  besonders  besprochen  werden  sollen  (S.  Teodoro).  Nahe  am  Ende  dieser  Strasse, 
welche  wenigstens  bis  zur  Porta  Romanula,  dem  uralten  Aufgange  an  der  Westecke  des 
Palatin,  reichte,  befand  sich  noch  das  Heiligthum  der  Volupia^  und  das  angebliche  Grab- 
mal der  mythischen  Acca  Larentia,^  welche  beide  auch  schon  zum  Velabrum  gehörten. 

Wie  schon  aus  dem  Gesagten  hervorgeht,  ist  die  Gränze  zwischen  Vicus  Tuscus 
und  Velabrum  nicht  genau  zu  ziehen,  da  der  Vicus  Tuscus  selbst  noch  in  das  Velabrum 
hin  sich  erstreckt  zu  haben  scheint.  Auch  war  gewiss  nicht,  wie  Becker  ohne  ausrei- 
chenden Grund  will,  die  Gränze  der  achten  und  elften  Region  zwischen  dem  Vicus 
Tuscus  und  dem  Velabrum,  denn  wenn  —  wie  anerkannt  —  der  Regionär  kein  Inhalts-, 
sondern  ein  Gränzverzeichniss  der  Regionen  ist,  so  kann  die  Aufzählung  der  Gebäude 
an  der  Südwestgränze  der  VHI.  Region,'"*  welche  vorzüglich  genau  ist,  die  HinzufUgung 
des  Vicus  Tuscus,  dessen  Linie  überdiess  dem  Gränzsysteme  gar  nicht  entspricht,  un- 
möglich gestatten.  Die  Gränze  war  vielmehr  unmittelbar  südwestlich  von  den  Gebäuden 
des  Forum  Romanum,   von  dem  Vesta-,  Minerva-,  Castortempel  und  der  Basilica  lulia 


'   Horat.  Ep.  II.   1.  v.  269.  *   Schol.  Cruq.  ad  Hör.  Sat.  II.  3.  v.  228,  ^  Martial.  XI.  28,  v.  H. 

'  Horat.  Sat.  II.  3.  v.  228.     Plaut.  Cure.  IV.  1,  2^  (v.  482.)  »  Plaut.  1.  c.  20.   (v.  hSi.)         «  Hdb.  d.  röm. 

Alterth.   Bd.  I.   S.  489  fg.   Anni.  1020.  '  Cic.   de  div.  I.   45.   H.   32.  —  Gell.  (Varro)  XVI.  4  7.     Liv.  V.   32,   50. 

V2.     Plut.   Gamill.   30.  de  fort.  Rom.  5.         *  Varro  L.  L.  V.  34,  46.  (p.  164.  Speng.)  •  id.  VI.  3,  58.  (p.  205. 

Sp.;     Cic.  ep.  ad  Brut.  15.     Macrob.  Sat.  I.  10.         *"  Curios.  D.  R.  Reg.  VIII. 

42* 


332  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capilolinus,  Palatinus  und  Aventinus. 

und  umschloss  dann  zunächst  den  Vicus  lugarius  entlang  das  Capitolium.  Der  Narae 
Velabrum  hat  sich  an  einer  Kirche  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten,  nemlich  an  S.  Gior- 
gio in  Velabro,  welche  durch  das  anstossende  Denkmal  des  Septimius  Severus  zugleich 
die  Gränze  zwischen  dem  Velabrum  und  Forum  Boarium  bezeichnet.  Ausser  diesem  Na- 
men hat  jedoch  nichts  von  diesem  Bezirke  die  Jahrtausende  überdauert.  Es  wird  indess 
auch  im  Alterthume  trotz  der  zahlreichen  Erwähnungen  des  Velabrum  nie  hervorragen- 
der Tempel  oder  Staatsgebäude  Erwähnung  gethan.  Der  ganze  Raum  war  jedoch  sicher 
von  Privatgebäuden  dicht  besetzt,  sowie  auch  von  starkem  Verkehr  belebt  und  ausser 
OeP  und  anderen  gemeineren  Küchenvorräthen  scheinen  namentlich  die  zahlreichen  da- 
mals gangbaren  Leckerbissen  dort  feilgeboten  worden  zu  sein.^ 

An  das  Velabrum  schloss  sich  südwestlich  das  Forum  Boarium ,  der  dem  Flusse 
zunächsthegende  Theil  der  Niederung  an ,  einer  der  berühmtesten  Plätze  des  alten  Rom, 
mit  Tempeln  und  anderen  Denkmälern  reich  geschmückt,  die  nicht,  wie  das  namenthch 
bei  den  Kaiserforen  der  Fall  war,  durch  die  Prunksucht  eines  Cäsaren  mit  einem  Schlage, 
sondern  allmälig  entstanden  waren  und  auf  die  verschiedensten  Epochen  der  Republik 
zurückwiesen.  Von  den  vier  noch  fast  vollständig  erhaltenen  Denkmälern,  welche  zu  den 
schönsten  unter  den  Ruinen  Roms  überhaupt  gehören,  wird  besonders  gesprochen  wer- 
den. Hier  soll  zunächst  die  antike  Gestalt  des  Forum  eine  gedrängte  Erörterung  finden. 

Dass  nordwestlich  das  Forum  Boarium  in  der  Gegend  der  kleinen  Ehrenpforte  des 
Septimius  Severus  bei  der  Kirche  S.  Giorgio  in  Velabro  (von  welchen  die  erstere  nach  der 
Inschrift  noch  am  Forum  selbst  oder  wenigstens  an  der  Gränze  stand,  während  die  letz- 
tere nach  ihrem  Namen  bereits  in's  Velabrum  hinreichte)  an  das  Velabrum  gränzte,  wurde 
schon  oben  erwähnt.  Südwestlich  wurde  der  Platz  von  dem  Circus  Maximus  und  zu- 
nächst von  einem  vor  den  Carceres  stehenden  Tempel ,  dessen  Ueberreste  noch  beson- 
ders besprochen  werden  sollen,  begräiizt,  südöstlich  vom  Tiber,  worin  die  ursprüngliche 
Hauptbedeutung  des  Forum  ihren  Grund  gehabt  zu  haben  scheint,  und  nordöstlich  von 
der  servischen  Mauer  und  dem  ausserhalb  liegenden  Forum  Olitorium.  Von  dem  letzte- 
ren und  dessen  baulichen  Ueberresten  wurde  schon  im  vierten  Abschnitte  gesprochen 
und  es  kömmt  desshalb  hier  nur  mehr  die  servische  Mauer  in  Betracht.  Diese  aber  zog 
sich,  was  von  keinem  neueren  Topographen  bezweifelt  wird,  von  dem  nordwestlichen 
Rande  des  capitolinischen  Hügels  an  dessen  südlichstem  Punkte  herunter  und  lief  dann 
auf  dem  kürzesten  Wege  dem  Flusse  zu,  wo  sie  nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  des 
Dionys,3  der  die  Flussseite  »mauerlos«  nennt,  endigte,  um  erst  an  dem  der  Nordspitze 
des  Aventin  zunächsthegenden  Uferrande  wieder  zu  beginnen.   Der  Mauerzug  vom  Capi- 


•  Plaut.  Capt.  111.  1,  29.  (v.  489.)         *  Horat.  Sat.  II.  3.  v.  229.     Schol.  Cruq.  ad  1.  c.         ^  Dionys.  V.  23. 
Liv.  II.   10.    Vgl.  Becker,  Hdb.  d.   röm.  Alterth.  Bd.  I.  S   -143  fg. 


Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palatinus  und  Aventinus.  333 

tole  bis  zum  Flusse  war  aber  von  zwei  mehrerwähnten  Thoren  unierbrochen ,  von  wel- 
chen das  eine,  welches  sich  dem  Capitolinus  zunächst  befand,^  von  einem  urallen  Altare 
der  Carmentis  ^  porta  Carmentalis  hiess  und  jenes  Doppelthor  war,  dessen  rechter  Durch- 
gangsbogen  seit  der  Cremera-Niederlage  der  Fabier,  welche  durch  ihn  ausgezogen  wa- 
ren, als  porta  scelerata  forthin  gemieden  wurde. ^  Ein  zweites  Thor  war  die  Porta  Flu- 
mentana,*  näher  am  Flusse  gelegen,  wie  schon  ihr  Name  besagt,  und  ohne  Zweifel  das 
Forum  Olitorium  mit  dem  Forum  Boarium  verbindend,  während  das  erstere  Thor  vom 
Forum  Olitorium  in  den  Vicus  lugarius  und  durch  diesen  auf  das  Forum  Romanum  führte. 
Dass  aber  die  von  den  antiken  Topographen  ebenfalls  in  dieser  Mauerlinie  angenommene 
Porta  Triumphalis  nicht  bloss  nicht  hier ,  sondern  überhaupt  nicht  im  servischen  Mauer- 
ring liegen  konnte,  ist  von  Becker  ^  überzeugend  dargethan  worden. 

Das  Forum  Boarium  selbst  war  ein  von  Hallen  und  Tempeln,  wohl  auch  von  Pri- 
vatgebäuden umgebener  Platz ,  in  dessen  Mitte  gewissermassen  als  Wahrzeichen  der 
Localität  ein  aus  Aegina  weggeschleppter  eherner  Stier  stand. ^  Doch  die  Ableitung  des 
bestimmt  älteren  Forumnamens  von  diesem  Bronzewerke  ^  ist  so  bestimmt  falsch ,  wie 
die  mythische  von  den  Rindern  des  Hercules ;  es  diente  vielmehr ,  wie  die  benachbarten 
Handelsplätze  des  Forum  Olitorium ,  Velabrum  und  Vicus  Tuscus  für  Getreide ,  Lecker- 
bissen und  Gewürze,  so  dieser  Platz  seit  früher  Zeit  als  Rindermarkt,  und  daher  stammte 
in  der  natürlichsten  Weise,  wie  auch  beim  Forum  Olitorium  und  Piscatorium,  der  Name.^ 
So  geschah  es  ohne  Zweifel  auch  bei  Gelegenheit  eines  Ochsenmarktes,  dass  ein  Rind 
von  freien  Stücken  bis  in  das  dritte  Stockwerk  eines  am  Forum  Boarium  stehenden  Hau- 
ses hinaufstieg  und  dann  vom  Geschrei  der  Bewohner  scheu  gemacht,  sich  herabstürzte.^ 
Unter  den  Tempeln  selbst  aber  waren  die  hervorragendsten  der  Tempel  der  Fortuna  und 
der  Tempel  der  Mater  Matuta,  beide  von  Servius  Tulhus  erbaut,^  °  der  Cerestempel  nahe 
am  Circus,  von  welchem  noch  besonders  gesprochen  werden  wird  und  die  Tempel  des 
Hercules,  deren  mindestens  drei  waren,  wenn  nicht  sogar  vier,  wie  Becker  wahr- 
scheinlich findet.^ ^  Einer  davon  wird  ausdrücklich  als  Rundtempel  angegeben,^^ 
wesshalb  die  Vermuthung  mehr  als  wahrscheinlich  wird,  dass  die  schöne  Ruine  auf 
Piazza  della  Bocca  di  veritä  nicht  ein  Vesta-,  Sibylla-  oder  Cybele-Tempel,  sondern 
dieser  Herculestempel  gewesen  sei.  Ausser  dieser  Ruine  ist  noch  ein  anderer  Tempel 
erhalten  (jetzt  S.  Maria  Egiziaca),  welcher  fölschlich  der  Fortuna  Virilis  zugeschrieben 
wird.    Von  grösserer  Bedeutung  als  die  meisten  Tempel   war  die   uralte  Ära  Maxima 


•  Liv.  XXIV.  47.    XXV.  7.    XXVII.  37.         '  Dionys.  1.  32.    Solin.  1,  <3.    Serv.  ad  Virg.  Aen.  VIII.  337. 

•'  Liv.  II.  49.    Ovid.  Fast.  II.  v.  201  et  al.  *  Liv.  XXXV.  9.  21.         "  De  Romae  vet.  muris  atq.  port.  Lps.  <842. 

p.  81  sq.         *  Pün.  H.  N.  XXXIV.  2,  5,  10.  ^  Ovid.  Fast.  VI.  v.  478.    Tacit.  Ann.  XII.  24.          *  Varro  L.  L. 

V.  32.  40.  (p.  447.  Sp.)         '  Liv.  XXI.  62.  *"  Dionys.  IV.  27.    Liv.  V.  19.    XXXIII.  27.         "  Hdb.  d.  röm. 
.\lterth.  S.   477.         **  Liv.   X.  23. 


334  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitoliniis,  Palatinus  und  Aventinus. 

des  Hercules,  welche  durch  die  Sage  bis  auf  diesen  selbst  oder  auf  Evander  zurück- 
geführt wirdJ 

Diese  aber,  wie  auch  der  Tempel  der  Ceres,  des  Liber  und  der  Libera,  waren 
den  Carceres  des  Circus  Maximus  nahe,  welcher  den  Thalarm,  der  sich  am  Velabrum 
und  Forum  Boarium  zwischen  den  Palatin  und  Aventin  hineinerstreckte,  einnahm.  Dieses 
Thal  des  Circus  trug  nach  einem  uralten  Altare  der  dea  Murcia  vormals  und  auch 
später  in  der  Dichtersprache  den  Namen  ad  Murcim^  oder  ad  Murciae,^  einem  Beina- 
men der  Venus,  welcher  gewöhnlich  als  Murtea  oder  Myrtea  aus  den  Myrthengesträu- 
chen,  mit  welchen  die  Niederung  vormals  bedeckt  gewesen  sein  soll,  erklärt  wurde,* 
von  Anderen  mit  murcidus  (ohne  Thatkraft,  von  den  Einwirkungen  der  Göttin  Venus) 
in  Verbindung  gebracht,^  von  den  Dritten  von  Murcus.  einem  alten  Namen  des  Aven- 
tin, abgeleitet  wurde. ^  Wie  auch  schon  aus  den  Sagen  vom  Velabrum  hervorgeht,  war 
das  Myrthenthal  vormals  tiefer,  und  wurde  erst  bei  der  Anlage  des  Circus  durch  Auf- 
schüttung trocken  gelegt.^  Der  Circus  war  von  Alters  her  mit  Heiligthümern  umsäumt, 
w^elche  namentlich  an  der  Halde  des  Aventin  in  grosser  Zahl  standen,  die  im  Einzelnen 
bei  der  Beschreibung  des  Circus  Maximus  und  auch  des  Aventinus  erwähnt  werden  sollen. 


62.     Der  angebliche  Tempel  der  Fortuna  Virilis.  (S.  Maria  Egiziaca.) 

Von  dem  wegen  des  Wasserstandes  sich  selten  lohnenden  Versuche  die  Pfeiler- 
reste der  letztbesprochenen,  als  angeblicher  pons  subhcius  gleichsam  wie  die  FataMorgana 
eines  topographischen  Märchens  erscheinenden  Brücke  zu  besehen  zurückgekehrt,  über- 
schreiten wir,  das  transtiberinische  Gebiet  wieder  verlassend,  auf  Ponte  rotto  oder  fer- 
rato,  den  wir  oben  als  die  äniilische  Brücke  nachgewiesen  haben,  den  Tiber  und 
erblicken,  kaum  wieder  am  linken  Flussufer  angelangt,  rechts  einen  kleinen,  wohler- 
haltenen Tempel,  dessen  Stirnseite  nach  Norden  gekehrt  ist.  Die  Substruction,  welche 
eine  Länge  von  20,  eine  Breite  von  i2l  und  eine  Höhe  von  3,4o  Met.  hat,  besteht  aus 
Tufquadern,  welche  mit  Travertinquadern  bekleidet  sind.  Die  Cella  war  sammt  aller 
architektonischen  Ausschmückung  mit  Stuck  bekleidet,  der  jedoch  grösstentheils  ver- 
schwunden ist  und  die  nackten  Tufwände  sehen  lässt.  Der  Tempel  hatte  vier  Säulen 
in  der  Fronte  (Tetrastylos)  und  sieben  an  jeder  Seite,  von  welchen  im  Alterthume  die 
beiden  der  Fronte  nächsten,  wie  die  der  Fronte  freistehend  waren.  (Jetzt  ist  der  ganze 


*  Dionys.  I.  40.    Ovid.  Fast.  I.  581.    Serv.  ad  Virg.  Aen.  VIII.  v.  274.    Tacit.  Ann.  XV.  41.     Solin.  1.10. 
''  Vario  L.  L.  V.   32,   43.   (p.  454  Sp.)         '  Liv.   1.   33.  *  Plin.  H.   \.  XV.   29,   36,   121.     Plut.  Quaest.   Rom. 

20.  ^  Serv.  ad.  Virg.  Aen.  VIII.  v.  636.  "   Paul.  Diac.  s.  v.  Murciae.    Augustin.  de  civ.  Dei.  IV.  16. 

'  Dionvs.   III.   44. 


I 


Der  .mgebliche  Tempel  der  Forluna  Virilis.    '  335 

Pronaos  vermauert  und  zur  Kirche  gezogen.)  Die  übrigen  fünf  Säulen  der  Langseite 
sind  als  Halbsäulen  an  die  Cellamauer  angelehnt,  ebenso  auch  die  vier  an  der  Rück- 
seite (Pseudoperipteros).  Die  Schäfte  dieser  Halbsäulen  mit  Ausnahme  der  beiden  an 
den  Ecken  der  Rückseite  sind  von  Tuf,  Basen  und  Capitäle,  sowie  die  ursprünglich 
freistehenden  Säulen  und  das  ganze  Gebälke  von  Travertin.  Die  Säulen  sind  ionischer 
Ordnung  und  canellirt,  die  attischen  Basen  mit  Plinthus  0,3o,  die  Schäfte  7, 30,  die  Ca- 
pitäle 0,40  Met.  hoch.  Die  Schäfte  haben  unten  1,  oben  0,86  Met.  im  Durchmesser. 
Während  die  übrigen  Capitäle  Seitenvoluten  haben,  zeigen  die  vier  äussersten  die  Spi- 
ralen in  einem  Winkel  zusammenstossend,  wodurch  eine  Eckvolute  gebildet  wird.  (Vgl. 
Einleitung  S.  18.)  Das  Gebälke,  von  welchem  der  Architrav  0,62,  der  Fries  0,5o  und 
das  Gesimse  i,io  Met.  in  der  Höhe  misst,  ist  nur  an  der  Westseite  ganz  erhalten  und 
zeigt  im  Fries  noch  schwache  Spuren  von  Genien  mit  Blumengewinden  und  Cande- 
labern;  die  Gliederungen  des  Carnieses  sind  mit  Zahnschnitten,  dem  Eierstab,  mit 
Akanthosornamentik  und  an  dem  obersten  Leisten  mit  Löwenköpfen  geschmückt,  welche 
Zierden  jedoch  grösstentheils  durch  den  Stucküberzug,  der  vormals  den  ganzen  Tem- 
pel bedeckte,  ausgedrückt  sind. 

Die  Topographen  nennen  ziemlich  tibereinstimmend  dieses  Gebäude  Tempel  der 
Fortuna  Virilis.  Dieser  Name  erscheint  jedoch,  wie  bereits  durch  Bunsen  geltend  ge- 
macht wurde,  durchaus  grundlos.''  Dionysius  v.  H.^  nennt  zwar  ausdrücklich  eine  For- 
tuna am  Forum  Boarium,  fügt  aber  hinzu,  dass  Servius  Tulüus  noch  einen  anderen 
Fortunentempel  der  »Tyche  Andreia«  am  Tiberufer  erbaut  habe.  Damit  ist  vorläufig 
wenigstens  der  Gegensatz  gegeben,  welcher  den  letzteren  vom  Forum  Boarium  aus- 
schliesst.  Plutarch^  aber  erklärt  die  auch  anderwärts  erwähnte  Fors  Fortuna  (der  glück- 
liche Zufall)  irrthümlich  als  Fortis  Fortuna  und  nennt  sie  die  starke ,  siegreiche ,  tapfere 
dvd^et'a),  woraus  sich  das  ganze  Missverständniss  auch  bei  Dionys  dahin  erklärt,  dass  die 
Tyche  Andreia  hier  nichts  anderes  als  eine  irrige  Uebersetzung  des  Namens  Fors  Fortuna 
sei,  mithin  der  aus  dem  Griechischen  übertragene  Name  Fortuna  Virilis  auf  einer  Ver- 
wechselung beruhe.  Denn  ein  Heihgthum  der  Fortuna  Virilis  wird  zwar  ausdrücklich 
auch  von  Ovid  erwähnt,  allein  nicht  genauer  als  ebenfalls  in  der  Nähe  des  Flusses  lie- 
gend {gelida  riiii  locus  humet  aqua)  *  bezeichnet.  Dieses  aber  ist  von  dem  servischen  Tem- 
pel der  Fors  Fortuna  ganz  verschieden.  Der  Tempel  der  Fors  Fortuna  des  Servius 
Tullius  aber  (es  gab  wahrscheinlich  noch  zwei  andere  desselben  Namens,  von  denen 
der  eine  bei  dem  des  Servius,  der  zweite  weiter  stromabwärts  lag,^  die  jedoch  hier  nicht 


*  Beschreib,  d.  Stadt  Rom.  Bd.  III.  Abth.  1.  S.  665.  *  IV.  27.  *  de  Fort.  Rom.  5.  *  Ovid.  Fast. 
IV.  445  sq.  (Es  fragt  sich  freilich,  ob  »gelida«  dem  »calida"  einiger  Handschriften  vorzuziehen  sei.)  cf.  Plut. 
Fort.  Rom.  4  0.  Quaest.  Rom.  74.  *  Liv.  X.  46.  Tacit.  Ann.  II.  41.  Ovid.  Fast.  VI.  773  sq.  Fast.  Amitern. 
VIII.  Kai.  lul.     (Foggini,  Fast.  a.  Rom.  R.  4  779.  fol.  14  0.) 


336  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palatinos  und  Aventinus. 

in  Betracht  kommen),  befand  sich  ausserhalb  der  Stadt  ^  und  am  jenseitigen  Ufer  des 
Tiber, 2  wonach  an  der  Identificirung  desselben  mit  dem  Tempel  von  S.  Maria  Egiziaca 
nicht  mehr  gedacht  werden  kann. 

Welcher  Name  jedoch  an  die  Stelle  dieses  entschieden  irrigen  gesetzt  werden 
soll,  ist  keineswegs  sicher.  Es  ist  möglich,  dass  der  Tempel  einer  von  den  vier  (?) 
des  Hercules  war,  die  sich  am  Forum  Boarium  befanden  (vgl.  S.  333),  wobei  jeden- 
falls an  den  ämilischen  (?)  ^  Rundtempel  *  wie  an  den  Tempel  des  Hercules  Victor,^  der 
sich  bei  der  Ära  Maxima  und  näher  am  Gircus  befand,  nicht  gedacht  werden  kann.  Auch 
der  auf  demselben  Forum  stehende  Tempel  des  Hercules  Invictus,  der  jedoch  wahrschein- 
lich mit  dem  Hercules  Victor  identisch  ist  und  ausdrücklich  ad  circvivi  iviaxim  ^  genannt 
wird,  kann  nicht  hierher  bezogen  werden,  und  so  käme  nur  der  des  Pompeius  Magnus'^ 
hier  in  Frage.  Dieser  aber  war  kaum  von  so  schlichtem  Material.  Möglich  ist  ferner,  dass 
die  Ruine  der  Tempel  der  Fortuna ,  von  welcher  kein  besonderer  Beinamen  überliefert 
ist,  welche  jedoch  auf  dem  Forum  Boarium  stand  und  ebenfalls  wie  die  Fors  Fortuna 
von  Servius  TuUius  erbaut  worden  war,^  gewesen  sei;  denn  die  Behauptung  Becker's,^ 
dass  man  diesen  Tempel  an  der  Stelle  von  S.  Maria  in  Cosmedin  zu  suchen  habe,  ent- 
behrt aller  reellen  Begründung,  es  wird  vielmehr  der  Fortunatempel  mit  dem  der  Mater 
Matuta  ausdrücklich  innerhalb  des  carmentalischen  Thores  genannt, ^^  was  die  Nähe  des- 
selben bezeichnet  und  der  Lage  des  Tempels  am  Circus  widerspricht.  Nach  dieser  Notiz 
participirt  auch  der  Tempel  der  Mater  Matuta  an  der  Möglichkeit,  wie  auch  überdiess  das 
kleinere  Heiligthum  der  Pudicitia  Patricia,  welches  ausdrücklich  am  Forum  Boarium  und 
dem  Rundtempel  des  Hercules  nahe  liegend  erwähnt  wird."*^  Wenn  jedoch  Becker  ^^  g^f 
diese  Angabe  hin  ausser  dem  letztgenannten  Heiligthum  keine  Möglichkeit  findet,  so  ist 
dagegen  nur  zu  erinnern,  dass  auch  fast  alle  andern  Tempel  des  Forum  Boarium  dem 
Rundtempel  ungeföhr  ebenso  nahe  gelegen  sein  mussten ,  und  dass  es  nicht  einmal  aus- 
gemacht ist,  ob  das  Heiligthum  der  Pudicitia  hier  wirklich  ein  vollständiger  Tempel  war, 
wogegen  die  Notiz  bei  Festus^^  »die  Bildsäule  der  Pudicitia  am  Forum  Boarium  beim 
ämilischen  Tempel  des  Hercules «  im  Zusammenhalt  mit  der  Bezeichnung  » sacellum  der 
Pudicitia  bei  dem  Rundtempel  des  Hercules«^'*  bedenklich  machen  muss.  Wie  leicht  ist  es 
überdiess  möglich,  dass  dieser  Tempel  in  den  Schriften  des  Alterthums  nie  erwähnt 
wurde,  so  dass  vielleicht  keiner  von  den  erwähnten  Tempelnamen  auf  die  Ruine  anwend- 
bar wäre.    Soweit  sich  aus  dem  angewendeten  Material ,   wie  aus  der  Architektur  und 


*  Varro  L.  L.  VI.  3,  56.  (p.  200.  Speng.)         *  Donat.  ad  Terent.  Phorm.  V,  6,  1.    cf.  Fast.  Amitern.  1.  o. 
üvid.  Fast.  1.  c.         '  Fest.  s.  v.  Pudicitiae.  *  Liv.  X.  23.  *  Macrob.  Sat.  III.  6.     Serv.  ad  Virg.  Aen.  VIII. 

V.  363.         «  Fast.  Amitern.  Prid.  Id.  Aug.  (Fogg.  f.  -HS.)         ^  Plin.  H.  N.  XXXIV.  8,  4  9,  57.         «  Dionys.  IV.  27. 
"  Hdb.  d.   röm.  .\lterlh.   Bd.  I.   S.  481  fg.  *•»   Liv.  XXV.   7.    cf.   XXIV.  47.  '*    Liv.  X.  23.  '*   S.  480 

Anm.  1000.         '*  s.  v.  pudicitiae.         '*  Liv.  X.  23. 


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Der  muthraassliche  Rundtempel  des  Hercules.  337 

k  Ausführung  der  Ornamentik  schliessen  lässt,  scheint  jedoch  der  Bau  aus  der  letzten  Zeit 
der  Republik  zu  stammen. 
Im  frühen  Mittelalter  wurde  der  Tempel  in  eine  Kirche,  S.  Maria  Egiziaca,  umge- 
wandelt, welchen  Namen  sie  noch  trägt.  Diesem  Umstände  verdankt  der  schöne  Ueber- 
rest,  eine  der  wohlerhaltensten  Ruinen  Roms,  seine  Erhaltung.  Doch  wurden  die  Säulen 
des  Pronaos  zu  diesem  Zwecke  vermauert  und  vier  Fenster  in  jede  Seitenwand  gebro- 
chen. Im  Jahre  1718  ward  das  Hospiz  der  Armenier  an  die  Ostseite  angebaut,  die  Ge- 
bälkornamentik dieser  Seite  weggenommen  und  für  die  Fagade  der  Kirche  S.  Maria  in 
Cosmedin*  verwendet.  Im  Jahre  1830  wurde  die  Ruine  sorgföltig  restaurirt  und  die  Sub- 
struction  grossentheils  blossgelegt,  so  dass  jetzt  namentlich  von  der  Rückseite  der  An- 
blick des  Tempels  fast  ungeschmälert  ist,  nicht  wenig  gehoben  durch  das  interessante 
Haus  des  Cola  di  Rienzi  (Casa  di  Pilato),  welches  den  Hintergrund  bildet. 

63.    Der  muthmassliche   Tempel  des  Hercules.   (Angeblicher  Tempel  der 

Vesta.) 

Wenige  Schritte  südlich  von  dem  beschriebenen  Tempel ,  auf  der  Piazza  della 
Bocca  di  Verita  und  nahe  am  Tiber  befindet  sich  die  schöne  und  ziemhch  wohlerhaltene 
Ruine  eines  Rundtempels,  das  reizende  Original  der  unter  den  Veduten  Roms  wohl  am 
häufigsten  gemalten  und  gezeichneten  Ansicht.  Die  kreisförmige ,  ringsum  mit  Marmor- 
stufen umgebene  Substruction  misst  oben  16,7o  Met.  im  Durchmesser  und  ist  2  Met. 
hoch,  welcher  Höhe  etwa  zehn  Stufen  entsprechen  dürften,  die  jedoch  theilweise  zer- 
stört oder  verschüttet  sind.  Rings  um  den  Rand  der  Substruction  erhoben  sich  zwanzig 
korinthische,  canellirte  Marmorsäulen,  von  welchen  jetzt  eine  nordöstlich  auf  der  Fluss- 
seite fehlt.  Die  attischen  Basen  haben  keinen  Plinth  und  sind  0,25  Met.  hoch;  die  Schäfte, 
welche  unten  0,94,  oben  0,8o  Met.  im  Durchmesser  haben,  messen  7, 90,  die  Capitäle  an 
1,30  Met.  in  der  Höhe.  Von  den  letzteren  sind  jedoch  nur  mehr  wenige  in  ihrer  ganzen 
Höhe,  von  dem  Gebälke  ist  nichts  mehr  erhalten.  Die  Cella,  welche  mit  der  Mauer  nur 
10  Met.  im  Durchmesser  hat,  ist,  wenn  auch  nicht  mehr  ganz  ursprünglich,  doch  noch 
fast  in  ihrer  vollständigen  Höhe  vorhanden ;  der  antike  Theil  davon  ist  aus  demselben 
weissen  Marmor,  wie  die  Säulen.  Sie  zeigt  den  hohen  Eingang  auf  der  Ostseite  und  zu 
beiden  Seiten  Fenster:  unter  den  letzteren,  in  einer  Höhe  von  3  Met.  vom  Boden,  läuft 
aussen  ein  einfaches  Gesimse  rings  um  die  Cella. 

Die  älteren  Topographen  theilten  diesen  Rundtempel  seiner  Form  nach  der  Vesta 
zu,  obwohl  dafür  nicht  der  geringste  Nachweis  gegeben  werden  konnte ,  ebenso  wie  der 


'  Crescimbeni,  Stato  della  Chiesa  di  S.  Maria  in  Gosmedin.  Rom.  <719. 

F.  Rbber,  die  Ruinen  Roms.  43 


338  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitoiinus,  Palatinus  und  Aventinus. 

Name  Tempel  der  Sibylle,  wie  er  sich  im  12.  Jahrhundert  findet,^  —  wenn  anders  der 
Rundtempel  darunter  zu  verstehen  ist  —  nur  aus  der  Form  entstanden  zu  sein  schemt. 
Neuerlich  wurde  daraus  ein  dritter  Name,  derCybele,^  abgeleitet,  der  aber  bestimmt  irrig 
ist,  um  so  mehr,  als  der  damit  identificirte  Tempel  der  grossen  Göttermutter  sich  dem  Forum 
Olitorium  unmittelbar  nahe  befand.^  Der  Wahrheit  näher  scheint  schon  vorher  Piale  *  ge- 
kommen zu  sein,  welcher  den  Tempel  dem  Hercules  Victor  zuschrieb.  Ein  Herculestempel 
wird  die  Rotunde  auch  wahrscheinlich  gewesen  sein,  ob  aber  die  aedes  rotunda  Hercu- 
lis^  des  Forum  Boarium,  welche  anderwärts  näher  als  ein  ämilischer  Tempel  bezeichnet 
wird^  (wenn  anders  die  Correctur  des  sehr  verderbten  Textes  des  Festus  richtig  ist),  mit 
dem  Tempel  des  Hercules  Victor  zu  confundiren  sei,  ist  sehr  fraglich.'  Nach  der  Arbeit 
namentlich  an  den  Capitälen  dürfte  die  Zeit  der  Erbauung  des  Tempels  in  der  zweiten 
Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.  zu  suchen  sein,  in  welche  Zeit  jedoch  nicht 
der  ursprüngliche  Bau,  sondern  wahrscheinlicher  eine  umfänglichere  Restauration  zu 
setzen  ist. 

Angeblich  soll  erst  Papst  Sixtus  IV.  im  1  3.  Jahrhundert  den  Tempel  in  eine  Kirche 
verwandelt  und  dem  heil.  Stephan  geweiht  haben ,  wahrscheinlich  diente  er  aber  schon 
früher  als  Kapelle ,  was  die  köstHche  Ruine  allein  vor  dpr  Zerstörung  schützen  konnte. 
Von  einem  vormals  auf  dem  Platze  befindlichen  marmornen  "Wagen  oder  vielmehr  nach 
der  nahen  darnach  genannten  Strasse  entstand /dann  der  Name  S.  Stefano  delle  Carozze, 
der  jedoch  bald  dem  Namen  Madonna  del  Sole  weichen  musste,  welcher  von  einem  vor- 
züglich verehrten  Marienbilde  in  dieser  Kirche  herrührte.  Die  Umwandlung  in  einen 
christlichen  Tempel  hatte  an  der  Ruine  wenigstens  keine  zerstörenden  Aenderungen  zur 
Folge,  zumal  die  innen  roh  behauenen  Marmorquadern  schon  im  Alterthume  mit  Stuck 
bekleidet  waren ;  die  Säulenweiten  aber  wurden  mit  Mauern  ausgefüllt ,  wie  es  scheint, 
um  sie  zu  solidiren,  weil  man  ihnen  sonst  die  Last  des  modernen  Daches  nicht  zumuthen 
zu  können  glaubte.  In  diesem  entstellten  Zustande,  in  welchem  wir  die  Ruine  oft  und 
bis  Venuti^  abgebildet  finden,  verblieb  sie  auch  bis  1810,  in  welchem  sie  den  Charakter 
einer  Kirche  wieder  verlor,  von  den  modernen  Anbauten  befreit  und  soweit  als  möglich 
blossgelegt  wurde.  Die  höchst  elende  Bedachung,  welche  jetzt  auf  den  verstümmelten 
Capitälen  selbst  und  auf  den  nach  oben  ergänzten  Mauern  der  Cella  ruht,  gibt  zwar  dem 
Ganzen  den  Ausdruck  einer  zur  äussersten  Dürftigkeit  herabgekommenen  früheren  Herr- 
lichkeit, die  malerische  Wirkung  der  Ruine  aber  scheint  durch  den  Contrast  sogar  noch 


'  Ord.  Rom.  (H4  0.)     Mabillon,  Mus.  Ital.  Tom.  II.  p.  125.  c.  16.  "  (Bunsen)  Beschreib,  d.  Stadt  Rom. 

Bd.  III.  Abth.  1.  Nachträge.  S.  664.  "  Ovid.  Fast.  II.  55  sq.  Vgl.  S.  336.  Anm.  10.  *  Del  tempio  volgarmente  detto 
di  Vesta.  Rom.  1817.  *  Liv.  X.  23.  **  Fest.  s.  v.  Pudicitiae  (ubi  famillana  aedisset  Herculis  =  ubi  Aemiliana 
aedis  est  Herculis).  '  Becker,  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  I.  S.  475  fg.  —  Vgl.  S.  336.  *  Accurata  e  succinta 
descriz.  topograf.  delle  antichitä  di  Roma.  Ed.  2J'.  Roma  1803.  Part.  II.  p.  51. 


Der  Tempel  der  Ceres,  des  Liber  und  der  Libera. 


339 


zu  gewinnen.  Die  grosse  Thüre,  welche  wohl  ursprünglich  —  der  Marmorsturz  fehlt  — 
nicht  die  gegenwärtige  Höhe  hatte ,  ist  jetzt  durch  einen  fohen  Bretterverschlag  ersetzt, 
die  Fenster  sind  vermauert.  Im  Innern  der  Cella,  wo  noch  Reste  christlicher  Malereien 
sichtbar  sind,  befindet  sich  eine  kleine  Sammlung  von  einigen  in  der  Nähe  gefundenen 
Marmorfragmenten ,  worunter  besonders  ein  Stück  von  der  Decke  des  Säulenumgangs, 
das  cassettirt  und  mit  schönen  Rosetten  verziert  ist,  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  zieht. 


64.  Der  Tempel  der  Ceres,  des  Liber  und  der  Libera.  (S.  Maria  in  Cosmedin.) 

Südöstlich  von  dem  eben  beschriebenen  Tempel,  auf  der  entgegengesetzten  Seite 
der  Piazza  della  Bocca  di  Veritä  steht  die  Kirche  S.  Maria  in  Cosmedin,  für  uns  besonders 

durch  den  Umstand  interessant,  dass 
sie  über  den  Ruinen  eines  antiken 
Tempels  gebaut  ist.  Tritt  man  von 
dem  durch  seine  Inschriften  merk- 
würdigen Atrium  in  das  Innere  der- 
selben, so  findet  man  in  den  Wän- 
den der  Kirche  sechs  antike  Säulen, 
nach  ihrer  Anordnung  zu  urtheilen, 
welche  für  den  Bau  der  Kirche  ohne 
besonderen  Zweck  wäre,  auf  ihrem 
ursprünglichen  Platze,  nemlich  an 
der  linken  Seitenwand  drei  dersel- 
ben, zur  Hälfte  aus  der  Mauer  her- 
vorragend ,  die  drei  anderen  an  der 
Portalwand,  zwei  (für  den  Eintre- 
tenden) zur  Linken ,  eine  zur  Rech- 
ten des  Einganges.  Die  Ecksäule 
zwischen  den  drei  Säulen  der  Seitenwand  und  den  drei  der  Rückwand  fehlt.  Geht  man 
in  die  auf  der  rechten  Seite  der  Kirche  befindlichen  Sacristeien ,  so  findet  man  in  der 
ersten  eine  grösstentheils  überkleistert ,  in  der  zweiten  zwei  Säulen  in  die  Pfeiler  einge- 
mauert, in  dem  dritten  Gemache  eine  frei  in  der  Mitte  stehend.  Diese  vier  Säulen  laufen 
in  einer  Linie  mit  den  in  der  Portalwand  befindlichen ,  und  zwar  so ,  dass  keine  aus  der 
Reihe  dieser  sieben  fehlt.  Alle  zehn  aber  sind  ziemlich  wohl  erhalten ;  die  vier  in  den 
Seitengemächern  aber  nicht  ganz  sichtbar,  da  sie  durch  die  Decke  in  das  zweite  Stock- 
werk reichen.    Durch  diesen  Umstand  kann  man  oben  ein  Capital  ganz  in  der  Nähe 

*3* 


33.   Grundplaii  von  S.  Maria  in  Cosmedin  mit  den  SUiilen  des  Cerestempels. 
(Nach  Canina.) 


340 


Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palatinus  und  Aventinus. 


sehen,  ein  anderes  links  neben  der  Orgel  von  der  dem  Portale  zunächststehenden  Säule, 
von  welchem  ich  eine  Abbildung  beifüge.    Die  Säulen  sind  von  weissem  Marmor ,  die 

attischen  Basen  mit  Plinth  0,45, 
die  canellirten  Schäfte,  welche  un- 
ten 0,68,  oben  0,59  Met.  im  Durch- 
messer haben,  5, so,  die  Capitäle 
0,82  Met.  hoch.  Die  letzteren,  com- 
positen  oder  römischen  Styls,  jener 
an  römischen  Bauten  nicht  selte- 
nen Verbindung  des  korinthischen 
und  ionischen  Capitälschmuckes, 
sind  von  vorzüglich  schöner  Ar- 
beit und  verrathen  eine  hervor- 
ragende Kunstepoche.  In  der  öst- 
lichen Wand  der  Sacristei  sind 
noch  Reste  der  Cellamauer  vor- 
handen. Die  Tufblöcke  derselben 
zeigten  noch  Spuren  der  ehema- 
ligen Marmorbekleidung. 

Dass  die  beschriebenen  Säulen 
einem  Tempel  angehörten,  wurde  von  den  Topographen  mit  Ausnahme  Piale's ,  der  sie 
ziemlich  grundlos  der  Schola  Cassia  zuschreibt,  einstimmig  angenommen.  Doch  von  den 
Namen  der  Pudicitia,  der  Matuta  und  der  Fortuna ,  welche  man  der  Ruine  abwechselnd 
gab ,  hat  der  erstere ,  da  die  Ueberreste  auf  keine  Kapelle ,  sondern  auf  einen  ziemlich 
grossen  Tempel  schliessen  lassen ,  gar  keine ,  der  zweite  und  dritte  wenig  Wahrschein- 
lichkeit für  sich,  da  sie  nicht  anders  als  ganz  allgemein  am  Forum  Boarium  liegend 
bezeichnet  werden,  und  die  ganz  ungenügend  motivirte  Auffrischung  der  Identität  der 
Fortuna  mit  unseren  Ueberresten  durch  Becker^  erklärt  sich  nur  durch  dessen  Oppo- 
sition gegen  die  weit  begründetere  Annahme  Canina's,^  welcher  die  Säulen  dem  Tem- 
pel der  Göttergruppe  Ceres,  Liber  und  Libera  zuschreibt.  Dieser  Tempel  aber  wird 
nicht  bloss  »bei«  und  »neben«  dem  Circus  Maximus ^  und  in  der  XI.  Region*  be- 
findlich genannt,  sondern  auch  ausdrücklich  »am  Ende  desselben  und  oberhalb  [vneQ) 
der  Schranken.«^  Becker  nun  versetzt  danach  dieses  Heiligthum  auf  den  Aventin, 
allein  wer  die  Formation  dieses  Hügels  kennt,    muss  zugestehen,  dass  dann  die  Be- 


34.     Composit-Capilll  von  S.  Maria  in  Cosmedin.  (F.  R.) 


*  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  I.  S.  481  fg.         "  Gli  Edifizj  di  Roma  antica.  R.  -1848.  p.  87.         »  Vitriiv.  III. 
3.  —  Plin.  H.  N.  XXXV.  >12,  45,  154.  —  Tacit.  Ann.  II.  49.         *  Curios.  U.  R.  Reg.  XI.         "  Dionys.  VI.  94. 


i 


Der  Tempel  der  Ceres,  des  Liber  und  der  Libera.  341 

Zeichnung  der  Lage  eines  solchen  Tempels  durch  den  Circus  und  insbesondere  der 
Carceres  eine  höchst  unpassende  wäre,  da  namentlich  die  letztere  Angabe  doch  auf 
eine  grössere  Nähe  der  beiden  Punkte  Anspruch  machen  würde.  Auch  wäre  dann 
schwer  zu  verstehen,  was  Dio  Cassius*  von  dem  Brande  im  J.  723  d.  St.  (31  v.  Chr.) 
sagt,  welcher  vom  Circus  ausgehend  den  Tempel  der  Demeter  und  der  Spes  auf  dem 
Forum  Olitorium  ergriff.  Die  Continuität  des  Brandes  ist  damit  auf  keinen  Fall  vollstän- 
dig gegeben,  nimmt  man  aber  den  Cerestempel  nordwestlich  vom  Circus,  also  nach 
Dionys  wörtlich  am  Carcerende  desselben,  so  bezeichnet  Dio  doch  wenigstens  die 
Richtung,  da  auch  der  Spestempel  noch  weiter  nordwestlich  gelegen  sein  musste,  und 
es  wird  auch  der  Abstand  wesentlich  verringert.  Das  vne^  des  Dionysius  aber,  worauf 
Becker's  Annahme  eigentlich  fusst,  kann  hier  nicht  so  fast  als  » oberhalb «  hinsichtlich 
des  Niveaus,  als  vielmehr  durch  »darüber  hinaus«,  was  auch  die  eigentliche  Bedeutung 
des  Wortes  ist,  erklärt  werden,  wonach  die  doppelte  Bezeichnung  des  Dionysius  in 
ihrem' vollen  Sinne  auf  die  Gegend  von  S.  Maria  in  Cosmedin  passt.  Dazu  kömmt  noch, 
dass  der  Tempel  am  Anfange  der  Kaiserzeit  noch  als  tuscischer  Bau  genannt  wird,^ 
was  mit  unseren  wirklich  ausserordentlich  weit  gestellten  Säulen  (Abstand  von  fast 
4  Durchmessern)  im  vollsten  Einklänge  steht.  Eine  sumptuose  Restauration  substituirte 
zwar  auch  hier,  wie  diess  beim  capitolinischen  lupitertempel  geschah,  Säulen  anderen 
und  zwar  römischen  Styls,  doch  der  tiiscische  Grundplan  scheint  unverändert  geblie- 
ben zu  sein. 

Der  Tempel  der  drei  Gottheiten  Ceres,  Liber  und  Libera  wurde  von  dem  Dicta- 
tor  A.  Postumius  im  J.  237  d.  St.  (497  v.  Chr.)  in  Folge  des  damals  herrschenden 
Mangels  an  Lebensmitteln  gelobt  und  drei  .Tahre  darauf  von  dem  Consul  Spurius  Cas- 
sius  Viscellinus  erbaut  und  geweiht.^  Es  war  der  erste  Bau,  welcher  in  den  Sculptur- 
werken  und  Malereien  dem  griechischen  Meissel  und  Pinsel  Raum  gab,  während  die 
Architektur  noch  tuscisch  verblieb.*  Von  den  interessanten  Werken  der  alten  griechischen 
Meister  Bamophilos  und  Gorgasis,  welche  den  Tempel  ausgeschmückt  hatten,  scheinen 
die  meisten  in  dem  Brande  zu  Grunde  gegangen  zu  sein,  welcher  im  J.  723  d.  St. 
(31  V.  Chr.)  die  Gegend  vom  Circus  bis  zum  Forum  Olitorium  verwüstete,  auch,  wie 
ausdrücklich  erwähnt  wird,  ein  berühmtes,  den  Dionysos  darstellendes  Gemälde  des  Ari- 
stides,^  wohl  dasselbe,  auf  welches  König  Attalus  sechzehn  Talente  schlug,  wodurch 
Mummius,  der  die  Kunst  leider  weder  kannte  noch  schätzte ,  auf  das  Gemälde  aufmerk- 
sam und  zu  dem  Entschlüsse  bewogen  wurde,  es  selbst  nach  Rom  mitzunehmen.^ 
Augustus  unternahm  mit  Sorgfalt  und  Aufwand  die  Wiederherstellung  des  Tempels, 
welche  Tiberius  vollendete.'    Von  weiteren  Aenderungen  ist  nichts  bekannt, 

'  L.  -tO.  *  Vitruv.  1.  c.  ■  Dionys.  VI.  <7,  94.  *  Vgl.  S.  340.  Anm.  3.  »  Strab.  VIII.  23. 

p.  381.         «  Plin.  H.  N.  XXXV.  4,  8,  24.  '  Tacit.  1.  c. 


342  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palatinus  und  Avenlinus. 

Die  Restauration  der  Gestalt  des  Tempels  nach  den  Ueberresten  ist  mit  Schwie- 
rigkeiten verbunden.  Einerseits  scheint  es  am  natürlichsten ,  die  Stirnseite  dem  Forum 
Boarium  zugewendet,  also  in  derselben  Lage  wie  die  Fagade  der  Kirche  anzunehmen, 
wonach  der  Tempel  den  Carceres  des  Circus  Maximus  den  Rücken  zugewandt  hätte, 
anderseits  wird  diese  Annahme  erschwert  durch  andere  Ueberreste ,  welche  sich  in  einer 
Scheune  rechts  neben  der  Absis  der  Kirche  befinden.  Es  sind  diess  Kammern  mit  Ton- 
nengewölbe aus  massiven  Travertinblöcken ,  welche  kaum  zur  Cella  gezogen  werden 
können,  obwohl  man  daran  denken  möchte ,  besonders  weil  der  Tempel  wahrscheinlich, 
wie  der  capitolinische,  für  die  drei  Gottheiten  drei  Cellenabtheilungen  hatte.  Wahrschein- 
licher ist,  abweichend  von  der  Stellung  der  Kirche,  die  sieben  Säulen  der  Langseite 
und  die  drei  der  Stirnseite  zuzuschreiben ,  bei  welcher  Annahme  die  erwähnten  Kam- 
mern ausserhalb  zu  liegen  kommen.  Auch  wird  dadurch  eine  andere  Notiz  erklärbar, 
nach  welcher  einst  ein  Orkan  einen  Thürflügel  des  auf  dem  Aventin  befindlichen  Luna- 
tempels  losgerissen  und  an  die  Rückwand  des  Cerestempels  herabgeschleudert  haben 
soll.^  Ueberdiess  wird  der  Cerestempel  nirgends  als  am  Forum  Boarium  liegend  genannt, 
und  es  ist  auch  unwahrscheinhch ,  dass  die  Langseite  des  Tempels  unmittelbar  an  das- 
selbe stiess.  Auffallend  ist  noch,  dass  der  Tempel  keinen  geraden  Zugang  zum  Haupt- 
portal der  Carceres  zuliess,  woraus  jedenfalls  zu  schliessen  ist,  dass  die  Anlage  des 
Tempels  in  eine  Zeit  gehörte,  in  w^elcher  der  Circus  Maximus  noch  nicht  zur  Prachtanlage 
geworden  war  und  in  welcher  man  noch  nicht  daran  dachte,  dem  Haupteingange  zu  den 
Carceres  einen  directen  und  geraden  Zugang  zu  wahren. 

Dieser  Tempel  war  frühzeitig  zu  einer  Kirche  benutzt,  im  achten  Jahrhundert 
aber  bis  auf  die  noch  vorhandenen  Reste  abgebrochen  worden ,  als  Papst  Hadrian  die 
Kirche  umbaute  und  erweiterte.  In  dem  bezüglichen  Berichte  des  Anastasius  ^  wird  die 
Kirche  mit  zwei  Namen,  S.  Maria  in  schola  graeca  und  S.  Maria  in  Cosmedin,  genannt, 
von  welchen  der  erstere  auch  bei  dem  Anonymus  von  Einsiedeln  ^  und  in  den  Mirabilien  * 
sich  findet  und  von  einer  griechischen  Gemeinde,  welche  sich  vormals  im  Besitze  dieser 
Kirche  befand,  herzurühren  scheint.  Mit  diesen  Beziehungen  zu  den  Griechen  hängt  auch 
der  Name  in  Cosmedin  zusammen ,  welcher  aber  verschieden ,  entweder  von  der  Aus- 
schmückung der  Kirche  oder  nach  einem  Localnamen  in  Konstantinopel  erklärt  wird. 
Den  letzteren  Namen  hat  die  Kirche  bis  auf  den  heutigen  Tag  bewahrt  und  ist  auch ,  mit 
geringen  Veränderungen,  im  Innern  in  ihrem  alten  Zustande  verblieben. 

Am  linken  Ende  des  Atrium  vor  der  Kirche ,  jenem  Vorbau  der  Stirnschmalseite, 
welcher  ohne  Zweifel  in  den  Chalcidiken  der  vorchristlichen  Basiliken  sein  Vorbild  hatte, 


*  Liv.  XL.  2.        *  Anastas.  Bibl.  de  vitis  Pontificum.  Hadr.  I.  Paris  1649.  p.  113.  "  Haenel,  Archiv  f. 

Philol.  u.  Paed.  Suppl.-Bd.  V.  S.  129.        *  Montfaucon,  Diar.  Ital.  Par.  1702.  p.  295  &  al. 


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Der.  lanus  Quadrifrons.  343 

sieht  man  eine  grosse  Marmorscheibe  von  1,65  Met.  Durchmesser,  die  ein  von  Haar  und 
Bart  dicht  umflossenes  Angesicht  mit  zwei  kurzen  stumpfen  Hörnern  zeigt.  Mund,  Augen 
und  Nasenlöcher  sind  durchbohrt  und  machen  es  wahrscheinhch ,  dass  die  Platte,  welche 
nach  der  Arbeit  aus  später  Kaiserzeit  herrührt,  zur  Mündung  eines  Brunnens  gehört 
habe.  Nach  einer  sonderbaren  Legende  soll  diese  Maske  zur  Eidleistung  gedient  haben, 
bei  welcher  der  Schwörende  die  Hand  in  ihren  Mund  stecken  musste,  indem  man  glaubte, 
dass  bei  einem  falschen  Eide  der  Mund  sich  schliessen  und  das  Herausziehen  der  Hand 
unmöglich  machen  würde ;  und  desswegen  gab  man  ihr  den  Namen  bocca  della  veritä 
(Mund  der  Wahrheit),  der  auch  auf  den  Platz  vor  der  Kirche  und  die  Strasse ,  welche 
zum  Theater  des  Marcellus  führt,  übergegangen  ist. 

65.  Der  lanus  Quadrifrons. 

Von  der  Piazza  della  Bocca  di  Veritä  gelangt  man  in  nordöstlicher  Richtung  zu 
einem  schönen  vierseitigen  Bogendenkmal  von  weissem  Marmor.  Dieses  misst  an  jeder 
der  vier  Seiten  1 6,20  Met.  in  der  Breite  und  besteht  aus  vier  gewaltigen  Eckpfeilern,  von 
denen  jeder  5,25  Met.  im  Gevierte  stark  ist,  und  welche  auf  jeder  Seite  einen  Bogen, 
mithin  zwei  sich  kreuzende  10, eo  Met.  hohe,  5,7o  Met.  breite  Durchgänge  bilden  und  in 
der  Mitte  durch  ein  Kreuzgewölbe  verbunden  sind.  Die  Pfeiler  sind  auf  den  Aussenseiten 
in  zwei  Reihen  übereinander  mit  Nischen  geschmückt,  deren  Zahl  sich,  da  auf  jeden 
Pfeiler  zwölf  —  je  drei  nebeneinander  —  treffen,  auf  48  beläuft,  wovon  jedoch  sechzehn, 
nemlich  acht  an  der  südlichen  und  eben  so  viele  an  der  nördlichen  Seite ,  in  Wegfall 
kommen,  da  sie  nur  angezeigt,  jedoch  nicht  ausgehöhlt  sind,  was  an  diesen  Seiten  nur 
bei  den  mittleren  der  Fall  ist.  Der  Grund  dieser  Abweichung  ist  leicht  ersichtlich :  die 
acht  äusseren  Nischen  der  beiden  Seiten  konnten  nemlich  desshalb  nicht  wirklich  ausge- 
führt werden,  weil  sonst  ihre  Höhlungen  mit  der  Vertiefung  der  äussersten  Nischen  der 
anliegenden  Seiten  wenn  nicht  zusammengestossen,  doch  sich  so  nahe  gekommen  wären, 
dass  die  Solidität  des  Baues  theilweise  darunter  gelitten  hätte.  Und  so  höhlte  man  nur 
die  mittleren  der  drei  Nischen  an  diesen  Pfeilerseiten  wirklich  aus ,  die  den  Bogendurch- 
gängen  nächsten,  bei  welchen  zwar  sonst  kein  Hinderniss  vorlag ,  der  Symmetrie  wegen 
ebenfalls  nur  anzeigend.  Die  Nischen,  von  welchen  die  unteren  eine  Höhe  von  2, 15,  die 
oberen  von  2, 05  Met.  haben,. sind  von  halbzirkeliger  Form  mit  einem  Radius  von  0,55 
und  zeigen  eine  nach  Art  einer  gerippten  Muschel  gemeisselte  Wölbung.  Beide  Reihen 
von  Nischen  waren  durch  ein  ziemlich  stark  vorspringendes  Gesimse  getrennt,  von  wel- 
chem jedoch  nur  geringe  Reste  übrig  sind.  Mehr  ist  von  dem  Carnies  erhalten ,  welcher 
sich  unter  der  ersten  Nischenreihe  befindet  und  die  Pfeiler  selbst  von  den  Basamentwür- 
feln  trennt.  Im  Ganzen  hat  das  Denkmal,  soweit  es  erhalten  ist,  eine  Höhe  von  1 2  Met. ; 


344  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  C;ipitolii\us,  Palatinus  und  Ayentinus. 

das  Basament  mit  seinem  Carnies  3,io,  der  Pfeiler  bis  zum  mittleren  Gesimse  (dieses  mit- 
gerechnet) 4,50,  von  diesem  bis  zum  oberen  Carnies  4,4o  Meter.  Die  Bogenschlüssel  der 
vier  Eingänge  zeigen  noch  ihre  verstümmelten  Figuren  in  Hochrelief,  unter  denen  maü 
eine  sitzende  Roma  und  eine  stehende  Minerva  erkennt.  Dass  auf  diesen  beiden  Stock- 
werken ursprünglich  noch  ein  drittes,  die  Attika ,  ruhte ,  zeigen  sowohl  die  Verhältnisse 
derselben  und  der  Vergleich  mit  anderen  Bogen,  als  auch  die  im  nordwestlichen  Pfeiler 
befindliche  noch  erhaltene  Treppe,  welche  ursprünglich  zu  den  Kammern  der  Attika 
führte  und  durch  die  man  jetzt  auf  die  Plattform  des  Bogens  gelangt.  Die  weit  vorsprin- 
genden Garniese,  wie  auch  zahlreiche  nach  ihren  Grössenverhältnissen  entsprechende 
Säulenreste  korinthischer  Ordnung,  welche  bei  der  Blosslegung  des  Denkmals  gefunden 
wurden,  zeigen,  dass  der  Bogen  wenigstens  in  den  zwei  unteren  Stockwerken  zwischen 
den  Nischen  mit  Säulen  geschmückt  war.  In  den  Nischen  standen  wahrscheinlich  Götter- 
bilder, die  jedoch  spurlos  verschwunden  sind. 

Aus  der  Gestalt  und  Beschaffenheit  dieses  Bogens  lässt  sich  —  worüber  auch  die 
Antiquare  einig  sind  —  leicht  schliessen,  dass  wir  hier  einen  lanus  (nicht  lanusbogen, 
was  gegen  den  römischen  Sprachgebrauch  wäre)  vor  uns  haben,  einen  von  jenen  Durch- 
gangsbogen,  w^elche  die  belebteren  Plätze  Roms  schmückten,  und  zwar  einen  Quadri- 
frons,  d.  h.  einen  vierseitigen,  einen  Bogen  mit  vier  Eingängen.  Denn  nach  der  Lage 
und  Gestalt  des  Denkmals  ist  weder  an  ein  Stadtthor,  noch  an  einen  Triumphbogen  oder 
an  einen  Wasserleitungsbogen  zu  denken ,  und  andere  Bogendenkmäler  neben  den  lani 
sind  nicht  bekannt.  Ueber  die  Zeit  der  Erbauung  dieses  stattlichen  Denkmals  haben  wir 
keine  Nachrichten.  Dem  Style  seiner  Ornamentik  gemäss  gehört  er  nicht  zu  den  zahl- 
reichen lani,  welche  Domitian  errichtete,^  und  noch  weniger  zu  einem  früheren  Denkmale 
der  Art ;  die  Sculptur  der  Capitäle,  Gesimse  und  Bogenschlüssel  weist  vielmehr  auf  eine 
etwas  spätere  Kunstepoche  hin.  Wahrscheinlich  steht  der  Bau  dieses  lanus  im  Zusam- 
menhange mit  der  Erbauung  der  Ehrenpforte  des  Septimius,  welche  noch  dicht  daneben 
zu  sehen  ist,  und  zu  deren  Beschreibung  ich  sogleich  übergehen  werde.  Vielleicht  ward 
die  letztere  dem  genannten  Kaiser  nur  aus  Dankbarkeit  für  die  von  ihm  auf  dem  Forum 
Boarium  aufgeführten  Gebäude  von  den  Geschäftsleuten  dieses  Quartieres  errichtet.  Der 
Vergleich  der  Sculpturen  der  Bogenschlüssel  mit  den  constantinischen  Reliefs  am  Triumph- 
bogen des  Constantin  dürfte  jedoch  kaum  zulassen,  mit  Bunsen^  und  Becker  ^  den  von 
der  Notitia  allerdings  in  der  XI.  Region  und  in  dieser  Gegend  angegebenen  Bogen  des 
Constantin  auf  diesen  zu  beziehen. 

Die  fehdesüchtigen  Barone  des  Mittelalters,  besonders  des  12.  und  1 3.  Jahrhunderts, 


'  Sueton.  Dorait.  13.  *  Beschreib,  d.  St.  Rom.  Bd.  III.  Abth.  <.  S.  663.  '  Hdb.  d.  röm.  Aiterth. 

Bd.  I.  S.  494. 


Die  Ehrenpforte  des  L.  Septimius  Severus.  345 

hatten  auch  dieses  Denkmal  für  ihre  Zwecke  zu  benutzen  gewusst.  .Die  Frangipani ,  in 
deren  Besitz  es  gerathen  war,  vermauerten  die  vier  Eingänge  und  setzten  einen  Thurm 
auf  die  Wölbung,  von  welchem  noch  am  Anfange  dieses  Jahrhunderts  zertrümmerte 
Ueberreste  zu  sehen  waren.  Im  Jahre  1829  wurde  diese  barbarische  Last  dem  lanus 
vollständig  vom  Rücken  genommen,  nachdem  schon  i.  J.  1812  der  untere  Theil  des 
Bogens  blossgelegt  worden  war. 

66.     Die  Ehrenpforte  des  L.  Septimius  Severus. 

Wenige  Schritte  nordöstlich  von  diesem  lanus  erhebt  sich  die  ebenerwähnte 
Ehrenpforte  des  L.  Septimius  Severus.  Sie  ist  in  ihrem  Kerne  von  Backsteinen  und  mit 
Marmor  bekleidet  und  hat,  so  weit  sie  erhalten  ist,  nur  die  geringe  Gesammthöhe  von 
6,15  Meter;  die  Tiefe  beträgt  2,io,  die  Weite  des  Durchgangs  3, 20  und  dessen  Höhe 
4,85  Meter.  Zwei  Pfeiler,  4,85  Met.  hoch,  tragen  das  Gebälke,  Architrav  und  Fries  zu- 
sammen 0,70 ,  und  der  Carnies  0,45  Met.  hoch.  Da  diess  in  gerader  Linie  über  dem 
Durchgang  liegend  zugleich  den  Sturz  bildet,  so  kann  diess  Denkmal  nur  sehr  uneigent- 
lich Bogen  genannt  werden.  Von  einer  Attika  hat  sich ,  wenn  überhaupt  eine  solche  ur- 
sprünglich vorhanden  war,  nichts  erhalten.- 

Die  reichen,  jedoch  ohne  Geschmack  ausgeführten  und  überladenen  Sculpturen 
des  Denkmals  sind  verschieden  erhalten ,  am  besten  im  Inneren  des  Durchganges.  Die 
Basamentwürfel  der  Pfeiler  zeigen  nur  mehr  dürftige  Spuren  ihres  reichgearbeiteten 
Carnieses  und  sind  grossentheils  ergänzt.  Die  vierseitigen  Pfeiler  haben  an  den  drei  Sei- 
ten (die  vierte  nördliche  ist  fast  ganz  schmucklos)  an  den  Ecken  Pilaster  mit  Capitälen 
römischer  Ordnung.  In  den  Schäften  derselben  sieht  man  auf  der  dem  lanus  zugewen- 
deten Fronteseite  römische  Feldzeichen  dargestellt,  welche  an  der  Spitze  die  Legions- 
adler und  auf  runden  Tafeln  die  Bildnisse  von  zwei  Kaisern  zeigen ,  eine  dritte  Tafel  er- 
scheint, wie  man  unschwer  erkennen  kann,  weggemeisselt ;  die  Pilasterschäfte  der 
schmalen  Seiten  ausserhalb  und  im  Innern  des  Durchganges  sind  durch  Akanthosge- 
winde  mit  dem  Adler  an  der  Spitze  ausgefüllt.  Der  Raum  zwischen  den  Pilastern  zeigt 
auf  jeder  Seite  vier  Reliefdarstellungen:  das  untere  stellt  die  Geschäftsleute  des  Forum 
Boarium  dar,  Rinder  zum  Opfer  führend  und  schlachtend.  Darüber  befindet  sich  ein 
schmaler  sehr  belehrender  Reliefstreifen  mit  verschiedenen  Opfergeräthen :  Giesskannen, 
Pateren ,  Sprengwedel ,  Weihrauchkästchen ,  Opfermesser  in  ihrer  Scheide ,  Krummstab 
und  Thierschädel.  Das  dritte ,  grösste  Rehef  zeigt  in  der  Fronte  eine  (bis  zur  Unkennt- 
Hchkeit  beschädigte)  einzelne  Figur,  im  Innern  des  Durchgangs  die  kaiserliche  Familie  im 
Begriffe  zu  opfern,  woran  man  deutlich  erkennt,  dass  eine  Figur  weggemeisselt  ist; 
und  an  der  noch  erhaltenen  oder  vielmehr  freistehenden  äusseren  Schmalseite  (westlich) 

F.  KsnER,  Die  Kuinen  Uonis.  44 


^^ß  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,   Capitolinus ,  Palatinus  und  Aventinus 

die  Hinwegführung  eines  gefangenen  Barbaren  mit  Beinkleidern  und  phrygischer  Mütze. 
Das  vierte,  oberste  Relief  an  den  Pfeilern  zeigt  an  der  Fronte  und  im  Inneren  des 
Durchganges  Festons  und  an  der  äusseren  Schmalseite  vier  männliche  Figuren.  Der 
Architrav  ist  nur  zweifach  gestuft ,  der  Fries  mit  Laubgewinden  geschmückt.  Vom  Car- 
nies  ist  jeder  der  sieben  Leisten  überladen  reich  verziert ,  mit  Akanthos ,  dem  Zahn- 
schnitte, dem  Eierätab,  Astragalen  und  einigen  Phantasieornamenten,  unschön  erfunden 
und  aus  Laub  und  bärtigen  Köpfen  gebildet,  und  überdiess  derb  gearbeitet,  wie  auch 
die  gewöhnlicheren  Ornamente  ohne  richtige  Verhältnisse  sind.  Ueber  dem  Durchgange 
ist  das  Gebälke  ausgehöhlt  und  zeigt  auch  innen  den  Architrav  und  Fries  wie  aussen  ge- 
gliedert und  ornamentirt,  die  Decke  aber  mit  reichen  Cassettoni  und  Rosetten  ge- 
schmückt. An  der  Fronte  wird  Architrav  und  Fries  fast  in  der  ganzen  Länge  von  der 
Inschrifttafel  eingenommen,  neben  welcher  zur  Linken  eine  ziemlich  undeutliche  Figur 
(Mars  ?)  sichtbar  ist.  Die  Inschrifttafel  selbst  ist  von  einem  reichgearbeiteten  Doppellei- 
sten umsäumt  und  lautet ,  wie  folgt : 

(1)  IMP   CAES  LSEPTIMIOSEVERO  PIO   PERTINACI    AVG  ARABIC  ADIABENIC 

PARTH  IC  .  MAX   FORTISSJMO-  FELICISSIMO 

(2)  PONTIF   MAX   TRIBPOTESTXM    IMP   XI    COS  TM    PATRI    PATRIAE  ET 

(3)  IMP    CAES   M    AVRELIO    ANTON INO   PIO    FELICI    AVG    TRIB    POTEST    VII 

COS    IM    P   P    PROCOS   FORTISSIMO  FELICISSIMOQVE   PRINCIPI    ET 

(4)  IVLIAE  AVG   MATRI     AVC   N   ET   CASTRORVM    ET   SENATVS   ET    PATRIAE 

ETIMP   CAES    M   AVRELII    ANTONINI    Pll    FELICIS  AVG 

(5)  PARTHICI  «  MAXIMI  «  BRITANNICI  «  MAXIMI 

(6)ARGENTARII    ET   NEGOTIATORES   BOARII    HVIVS}-°^^^gv^  DEVOTI      NVMINI 

EORVM 

Aus  dieser  Inschrift  erhellt,  dass  die  Wechsler  und  anderen  Geschäftsleute,  die  am  Forum 
Boarium  Handel  trieben,  diese  Ehrenpforte  dem  L.  Septimius  Severus,  seiner  Gemah- 
lin lulia  und  seinem  Sohne  Antoninus  (Caracalla)  errichteten.  In  derselben  Weise  jedoch, 
wie  bei  dem  obenbeschriebenen  Triumphbogen  des  Severus  am  Forum  Romanum  sind 
auch  hier  die  Worte  MTPP  PROCOS  FORTISSIMO  FELICISSIMOQVE  PRINCIPI 
in  der  dritten  und  PARTHICI  MAXIMI  BRITANNICI  MAXIMI  in  der  fünften  Zeile 
secundär,  d.  h.  erst  ergänzt,  nachdem  der  dem  Brudermörder  Caracalla  verhasste  Name 
des  Geta  mit  seinen  Titeln  hinweggetilgt  war.  Nach  der  von  Caracalla  berichteten 
nichtswürdigen  Heuchelei ,  dass  er  nemlich  stets  in  Thränen  ausgebrochen  sein  soll ,  so- 
bald er  nach  Geta's  Tode  seinen  Namen  aussprechen  hörte  oder  sein  Bild  sah,^  kann  es 
nicht  befremden,  wenn  wir  auch  hier  nicht  bloss,  wie  überhaupt  an  den  Inschriften  des 


'  Script.  H.  A.   (Sparlian.)  Caracalla  3.   Geta  7. 


GezvERel,er 


Vcrldf';  vT.-O.Weigel  in  Lsip^ig, 


Lith  r.iis'.v V.'l.: -lü  •: ü; 2-!rI:ii 


Ehrenpforte  des  Septimius  Severus 


Die  Cloaca  Maxima.  347 

Septimius  Severus  Geta's  Namen,  sondern  auch,  was  noch  merkwürdiger  ist,  sein  Bild 
sowohl  von  den  Opferreliefs  als  auch  von  den  Feldzeichentafeln  sorgfältig  gelöscht  fin- 
den, wie  schon  bei  der  Beschreibung  dieses  Denkmals  erwähnt  wurde.  Das  zwölfte 
Jahr  der  tribunicischen  Gewalt  des  Septimius  Severus  und  das  siebente  des  Antoninus 
Caracalla  bezeichnen  das  Jahr  204  n.  Chr.  (ein  Jahr  nach  der  Errichtung  des  Triumph- 
bogens am  Forum  Romanum)  als  die  Zeit  der  Errichtung  dieser  Ehrenpforte.  Die  wahr- 
scheinlichste Veranlassung  hiezu  habe  ich  schon  oben  bei  Besprechung  des  vierthorigen 
lanus  angedeutet.  Die  Inschrift  belehrt  uns  überdiess  mit  Sicherheit ,  dass  bis  hieher  das 
Forum  Boarium  reichte ,  zu  welchem  auch  der  naheliegende  lanus  gehörte ,  woraus 
überdiess  bei  den  meisten  Topographen,  welche  dem  Forum  Boarium  nur  einen  be- 
schränkten Raum  anweisen  wollen,  die  falsche  Annahme  entsprang,  das  Forum  habe 
sich  nicht  bis  an  den  Fluss  hin  erstreckt ,  welche  Behauptung  ausdrücklichen  Nachrich- 
ten aus  dem  Alterthume  widerspricht.  ^  Es  bedurfte  in  der  That  eines  ziemlich  grossen 
Raumes,  um  nur  die  erwähnten  Gebäude  anzubringen  und  doch  noch  den  nöthigen  freien 
Raum  übrigzulassen,  um  so  mehr,  als  an  strenge  Regelmässigkeit  und  dadurch  erzielte 
Raumersparniss  bei  einer  so  alten  Anlage  nicht  gedacht  werden  kann.  Desshalb  ist  auch 
Canina's  Grundriss  des  Forum  Boarium  auf  seinem  grossen  Stadtplan  nur  als  eine  sym- 
metrische Spielerei  mit  dem  Rechteck  zu  betrachten.  — 

Im  7.  Jahrhundert  ward  die  Kirche  S.  Giorgio  in  Velabro  an  die  Ostseite  des 
Denkmals  angebaut  und  dadurch  der  östliche  Pfeiler  grösstentheils  verhüllt.  Der  Name 
dieser  Kirche  hat  noch  die  alte  Benennung  der  nordöstlich  angränzenden  Gegend  des 
Velabrum  bewahrt. 


67.     Die  Cloaca  Maxima. 

Der  Kirche  S.  Giorgio  in  Velabro  gegenüber  mündet  auf  den  kleinen  Platz  vor 
dem  lanus  ein  schmaler  von  einigen  niedrigen  Bogen  überwölbter  Brunnenweg.  welcher 
zu  einem  von  den  Wäscherinnen  dieses  Stadtviertels  vielbesuchten  Wasserbehälter  führt. 
Beugt  man  von  diesem  Bassin  zur  Rechten  ab  und  steigt  über  die  Trümmer  einge- 
stürzter Kanäle  etwas  abwärts,  so  erblickt  man  das  massige  Gewölbe  einer  Cloake,  in 
welcher  die  berühmte  Cloaca  Maxima  zu  erkennen,  uns  Gestalt  und  Lage,  Richtung  und 
Mündung  sogleich  bestimmen  müssen.  Die  erste  Hälfte  dieser  vom  Forum  Romanum  bis 
hieher  ist  fast  gänzlich  zerstört,  nur  im  Cimeterio  von  S.  Maria  della  Consolazione ,  in 
dessen  Nähe  der  Kanal  begann ,  fand  man  noch  einzelne  Reste ;  die  Linie  aber  zog  sich 
unter  der  Kirche  S.  Giorgio  in  Velabro  nach  der  Stelle  hin,  wo  wir  den  gegenwärtigen 


'Ovi.d.  Fast.  VI.  v.  477.    Liv.  XXXV.  40.  Aethic.  Cosmograph.   (Bas.  1575.  p.  20). 

44 


348 


Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,   Capitolinus,  Palatinus  und  Aventinus. 


Anfang  finden.  Hier  münden  mehre  Cloakenarme  von  den  beiden  Seiten  ein,  welche 
aber,  da  die  Verbindung  derselben  zerstört  ist ,  ziemlich  wasserreich ,  wie  besonders  der 
rechte ,  die  Marrana  zuführende  Arm ,  als  kleine  Bache  der  Hauptcloake  zufliessen.  Die 
Seitencloaken  sind  von  Ziegeln ,  zeigen  jedoch  ein  solid  gefügtes  Gewölbe ,  der  Ziegel- 
bogen aber,  welcher  den  Anfang  der  Cloaca  Maxima  selbst  theilweise  verkleidet,  ist 
modorn  und  dient  nur  als  Substruction  des  hier  sich  erhebenden  modernen  Gebäudes.  Das 

Gewölbe  der  Cloaca  Maxima 
selbst  besteht  aus  massiven 
Tufquadern ,  deren  sorgfäl- 
tige Fügung  allerdings  den 
Jahrtausenden  trotzen  konnte. 
In  Zwischenräumen  von  je 
3V2  Met.  ist  ein  Bogen  von 
Travertin  in  die  Wölbung  ge- 
zogen. Die  ursprüngliche  Höhe 
der  Wölbung  beträgt  3, eo  Me- 
ter, doch  der  Schutt  hat  sich 
trotz  wiederholter  Räumun- 
gen so  angehäuft,  dass  sie 
jetzt  nur  mehr  zwei  Drittheile  davon  misst.  Ebendesshalb  kann  man  auch  nicht  mehr, 
wie  es  die  ursprüngliche  Einrichtung  an  den  Seiten  erlaubte,  die  Cloake  trockenen  Fus- 
ses  durchwandeln ,  denn  das  wegen  der  mannigfachen  Hindernisse  langsam  abfliessende 
Wasser  bedeckt  ganz  den  erhöhten  Boden.  Von  hier  aus  bis  an  die  Mündung  in  den 
Tiber  ist  der  kolossale  und  durch  sein  hohes  Alter  höchst  interessante  Bau,  wahrschein- 
lich nach  der  ursprünglichen  Anlage  unter  den  Strassen  sich  mehrmals  krümmend  in  einer 
Länge  von  'V'IO  Met.  vollständig  erhalten.  Die  Mündung  selbst,  wenig  oberhalb  des  be- 
schriebenen Rundtempels  des  Hercules ,  welche  je  nach  dem  Wasserstande  mehr  oder 
minder  vollständig  sichtbar  ist ,  besteht  aus  Peperinblöcken  in  dreifacher  Sprengung ;  der 
zu  beiden  Seiten  noch  sichtbare  Rest  des  Uferbaues  zeigt  in  der  Hauptsache  Tuf-,  auch 
einige  Peperin-  und  Travertinquadern,  regelmässig  nach  dem  Läufer-  und  Bindersystem 
geschichtet. 

Der  Anfang  zum  Cloakenbau  überhaupt  wurde,  wie  schon  in  der  einleitenden 
Baugeschichte  berichtet  worden  ist,  von  Tarquinius  Priscus,  dem  fünften  in  der  römi- 
schen Königsreihe  gemacht,^  und  ihm  wird  auch  später  das  Riesenwerk  im  Allgemeinen 
zugeschrieben.  ^    Doch  sei  es ,  dass  dieser  das  ausgedehnte  Unternehmen  nicht  zu  Ende 


Die  Cloaca  Maxima.  (F.  R.) 


'  Dionys.  III.  68. 


PUn.  H.  N.  XXXVI.  15,  24,  106. 


Die  Cloaca  Maxima.  349 

führen  konnte,  oder  dass  des  älteren  Tarquinius  Werk  seit  der  Hinzufügung  weiterer 
Hügel  durch  Servius  Tullius,  deren  Thaleinschnitte  ebenfalls  der  Entwässerung  bedurf- 
ten, nicht  ganz  entsprach,  der  Hauptkanal ,  welcher  die  Cloakenzweige  in  der  Gegend 
des  Forum  Romanum  vereinigte  und  die  Wasser  des  grössten  Theiles  der  Stadt  dem 
Flusse  zuführte ,  war  wenigstens  in  der  Hauptsache  des  letzten  Tarquinius  Werk. ''  Dass 
nun  dieser  unmittelbar  in  den  Tiber  mündende  Hauptkanal,  die  Cloaca  Maxima,  derselbe 
sei ,  welcher  noch  theilweise  erhalten  und  eben  beschrieben  worden  ist ,  kann  nicht  be- 
zweifelt werden;  nicht  so  unbezweifelt  aber  blieb,  ob  der  erhaltene  Kanal  auch 
wirkhch  als  des  Tarquinius  Superbus  Werk,  oder  vielmehr  als  eine  spätere  Wiederher- 
stellung zu  betrachten  sei.  Wenn  aber  auch  die^  letztere  Annahme  durch  die  regelmässig 
wiederkehrenden  Tiburtinblöcke  in  dem  Gewölbe  und  sogar  durch  das  Gewölbe  selbst 
einige  Begründung  zu  erhalten  scheint ,  so  ist  doch  anderseits  nicht  zu  tibersehen ,  dass 
in  den  classischen  Nachrichten  von  einem  Neubau  der  Cloaca  Maxima  sich  keine  Erwäh- 
nung findet,  dass  vielmehr  Plinius  ausdrücklich  die  unverwüstliche  Fortdauer  der  Cloa- 
ken  seit  Tarquinius  Priscus  mit  emphatischen  Worten  preist,^  und  dass  auch  Livius 
(a.  a.  0.)  namentlich  von  der  Cloaca  Maxima  des  Tarquinius  in  einer  Weise  spricht,  dass 
seine  Ausdrücke  der  lächerlichste  Unsinn  wären ,  wenn  bis  zu  seiner  Zeit  ein.  Neubau 
hätte  vorgenommen  werden  müssen.  Was  aber  die  Bedenken  wegen  des  ausgebildeten 
Gewölbes  und  des  Steinschnittes  überhaupt  betrifft,  so  kann  aus  dem  unterirdischen 
Verliesse  des  sogenannten  mamertinischen  Gefängnisses,  bei  welchem  sich  die  Kunst 
des  Wölbens  noch  nicht  angewendet  findet,  nicht  geschlossen  werden,  dass  man  sie 
auch  zu  Tarquinius  Zeit  nicht  kannte,  denn  der  Carcer  wird  dem  Ancus  Marcius  zuge- 
schrieben .  und  jenes  Verliess  ist  sogar  wahrscheinHch  für  ein  noch  älteres  Brunnenge- 
wölbe zu  halten ,  welches  erst  secundär  (durch  Ancus  Marcius)  in  einen  Kerker  umge- 
wandelt worden  zu  sein  scheint.  Wer  aber  die  Anwendung  von  Tiburlinsteinen  in  Rom 
zu  Ende  der  Königszeit  für  unmöglich  hält,  der  übersieht  den  Verband  der  latinischen 
Städte  und  die  Handelsbeziehungen  Roms,  welche  schon  zu  Anfang  der  Republik  nicht 
bloss  bis  nach  Campanien,  sondern  selbst  bis  über  das  Mittelmeer  nach  Carthago^ 
reichten. 

Wenn  Plinius  (a.  a.  0.)  mit  grösster  Anerkennung  von  dem  Werke  spricht,  das 
zu  seiner  Zeit  700  Jahre  gedauert  hatte,  so  können  wir  den  bedeutenden  Ueberrest, 
der  sich  nicht  bloss  erhalten  hat,  sondern  sogar  noch  dem  ursprünglichen  Zwecke  dient, 
nur  mit  gesteigerter  Bewunderung  betrachten.  Bedenkt  man  aber  die  Unerlässlichkeit 
eines  solchen  Werkes ,  um  die  sumpfigen  Niederungen  bewohnbar  zu  machen ,  so  muss 
man  dem  letzten  Könige  Roms  wenigstens  in  so  ferne  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen, 


'  Liv.  I.  56.  Dionys.  IV.  44.  Liv.  I.  38.         '  Plin.  1.  c.  cf.  Strab.  V,  3,  9,  p.  235.         »  Polyb.  III.  22.  26. 


350  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber ,   Capilolinus  ,  Palatinus  und  Aventinus. 

dass  er  sein  Volk  nicht  wie  die  Pharaonen  zur  Ausführung  von  Werken  eines  sich  selbst 
vergötternden  despotischen  Stolzes,  sondern  für  ein  wahrhaft  gemeinnütziges  und  die 
künftige  Grösse  wie  die  Wohlfahrt  der  Stadt  mitbegründendes  Werk  in  die  verhassten 
Fesseln  des  Frohndienstes  schlug.  ^ 

68.    Der  muthmasslich  antike  Rundbau  von  S.  Teodoro. 

Der  kleine  Platz  vor  dem  lanus  mündet  östlich  in  die  am  Fusse  des  Palatin  von 
Norden  nach  Süden  laufende  Via  di  S.  Teodoro.  Verfolgt  man  nun  diese  eine  kleine 
Strecke  weit  nördlich,  so  gelangt  man  zu  einer  nicht  sehr  grossen  Rotunde  aus  Back- 
stein, welche  sich  zur  Rechten  von  der  Strasse  befindet,  und  schon  durch  ihre  tiefe 
Lage  auf  ein  hohes  Alter  hinzuweisen  scheint.  Besieht  man  den  Ziegelbau,  der  aussen 
ohne  Anwurf  oder  andere  Bekleidung  ist,  unten  genauer,  so  glaubt  man  in  der  That 
Aehnlichkeit  mit  den  grossen  Backsteinruinen  der  Kaiserzeit  zu  finden ,  allein  da  kein 
Ziegelzeichen  bloss  liegt,  so  wäre  es  schwer,  zwischen  dem  dritten  und  fünften  Jahr- 
hundert zu  einer  sicheren  Entscheidung  zu  kommen,  und  so  kann  die  Sache  durch  die 
summarische  Behauptung  Platner's ,  dass  die  sichtbaren  Ziegelmauern  für  ein  Gebäude 
des  alten  Rom  zu  schlecht  seien  und  die  Construction  der  christHchen  Zeiten  zeigten,  ^ 
die  Sache  um  so  weniger  entschieden  werden,  als  auch  das  heidnische  Rom  z.  B.  an 
den  Thermen  des  Diocletian,  der  Basilica  des  Constantin  und  dem  Circus  des  Maxentius 
Ziegelmauern  zeigt,  die  denen  von  S.  Teodoro  bestimmt  nachstehen. 

Auf  der  anderen  Seite  aber  kann  der  Gewissheit  derjenigen ,  welche  den  Rund- 
bau dem  alten  Rom  zuschreiben,  ebensowenig  Folge  gegeben  werden,  am  wenigsten 
aber  den  Namen,  die  man  ihm  beigelegt  hat.  An  einen  Tempel  der  Vesta,  zu  welcher 
überdiess  sehr  verbreiteten  Annahme  lediglich  die  Form  Anlass  gab ,  ist  bestimmt  nicht 
zu  denken ,  ebensowenig  an  einen  Tempel  des  Vulcan,  ^  oder  an  den  Penatentempel  an 
der  Velia,  *  die  an  einer  ganz  anderen  Seite  vom  Palatin  abzweigte  —  Angaben,  welche 
gar  keiner  Widerlegung  bedürfen.  Zwei  andere  Tempel  haben  jedoch  wenigstens  in  lo- 
caler  Beziehung  etwas  für  sich,  nemlich  der  Tempel  des  Augustus  und  ein  Tempel  des 
Romulus.  Dass  nemlich  der  erstere  südwestlich  vom  Castortempel  anzunehmen  sei ,  ist 
schon  früher  nachgewiesen  worden.^  Doch  entspricht  die  Lage  des  Rundbaues  nicht 
vollkommen,  noch  weniger  aber  die  Gestalt  desselben,  da  nach  Münzen  des  Cali- 
gula^  mit  dem  Epigraph  DIVO  AVGVSTO  und  der  Abbildung  eines  Tempels  dieser 


*  Dionys.  IV.  81.  Auch  von  Tarquinius  Priscus:  Plin.  H.  N.  XXXVI.  15,  24,  107.  *  Beschreibung  d.  St. 

Rom.  Bd.  III.  Abth.  1.  S.  370.  «  A.  Fulvii,  Antiquitates  Urbis.  Rom.  1527.  Lib.  III.  fol.  XLII.         *  L.  Canina, 

Indicazione  topografica  di  Roma  antica.  4.  Ediz.  Rom.  1850.  p.  462.  ^  Vgl.  S.  142.  Anm.  2—6.  *  Eckhel, 

Doctr.  numor.  veter.  Vindob.  1796.  P.  II.  Vol.  VI.  p.  219. 


Der  Circus  Maximus.  351 

von  der  gewöhnlichen  rechtwinkeligen  Form  und  hexastylos  gewesen  zu  sein  scheint, 
auch  wissen  wir  nichts  von  einem  so  späten  Neubau  des  Tempels ,  dass  sich  der  Ziegel- 
bau desselben  mit  dieser  Annahme  vereinbaren  liesse.  Aehnliche  Schwierigkeiten  stellen 
sich  der  Identificirung  des  Rundbaues  mit  dem  Tempel  des  Romulus  entgegen,  der 
überdiess  nur  einmal,  allein  ungeföhr  in  dieser  Gegend  erwähnt  wird,''  was  allerdings 
der  Möglichkeit  noch  am  meisten  Raum  lässt.  ^  Dass  übrigens  die  berühmte  Wölfin  (jetzt 
im  Conservatorenpalaste)  ursprünglich  und  bis  zu  Ende  des  Mittelalters  sich  hier  befun- 
den habe,  ^  ist  eine  unbeglaubigte  Sage,  welcher  die  Angabe  eines  anderen  Fundortes 
beim  Triumphbogen  des  Septimius  Severus  am  Forum  Romanum  '*  widerspricht. 

Es  ist  demnach  in  gleicher  Weise  zweifelhaft,  welcher  Zeit  der  Grundbau  der 
Rotunde  angehört,  und  welchem  Zwecke  sie  ursprünglich  diente.  Die  erste  Erwähnung 
ist  aus  dem  8.  Jahrhundert,  in  welchem  Papst  Hadrian  I.  die  schon  vorher  bestehende 
Kirche  wieder  herstellte,^  welche  sich  schon  unter  den  von  Gregor  dem  Grossen  zu 
Ende  des  6.  Jahrhunderts  gebildeten  fünf  Diaconien  befunden  haben  soll.  Dass  die 
Kirche  bei  dem  von  Nicolaus  V.  i.  J.  1451  veranstalteten  Neubau  an  eine  andere  Stelle 
gesetzt  und  verkleinert  worden  sei,  ist  eine  gewiss  irrige  Nachricht  des  Stefano  Infessura,*'» 
indem  sowohl  die  Grundmauern  der  Rotunde  als  auch  die  Tribüne  der  Kirche  mit  ihrem 
Mosaik  entschieden  älter  sind.  Die  Kirche  hat  seit  Sixtus  V.  an  Bedeutung  sehr  verloren, 
ganz  zweifelhaft  aber  ist  ihre  Bedeutung  als  antiker  Ueberrest. 

69.    Der  Circus  Maximus. 

Die  Via  di  S.  Teodoro  mündet  südlich  in  die  Via  de'  Cerchi,  welche  den  langen 
Thaleinschnitt  zwischen  dem  Palatin  und  dem  Aventin,  dem  ersteren  näher,  entlang  sich 
hinzieht  und  über  die  spurlos  verschwundenen  Sitzreihen  einer  der  bedeutendsten  An- 
lagen des  alten  Rom ,  des  grossen  Circus  hinwegführt.  Von  den  nicht  unbedeutenden 
Resten  der  Substructionsmauern ,  die  man  noch  auf  einer  alten  Zeichnung'  sieht,  ist  bis 
auf  wenige  Quadern,  auf  welchen  jetzt  die  beiden  ärmlichen  Häuschen  zur  Rechten  von 
der  Via  de'  Cerchi  ruhen,  seitdem  Alles  verschwunden.  Der  bedeutendste  Ueberrest  der 
ganzen  Anlage  wäre  der,  welcher  bei  der  Beschreibung  der  muthmasslichen  Reste  des 
Tempels  der  Ceres  des  Liber  und  der  Libera  berührt  worden  sind ,  jene  aus  massiven 
Travertinquadern  gebauten  und  gewölbten  Kammern ,  von  welchen  die  erhaltenste  als 
Geräthschaften- Gewölbe  von  S.  Maria  in  Cosmedin  dient  und  rechts  neben  der  Tribüne 
dieser  Kirche  zu  sehen  ist  —  wenn  zu  erweisen  wäre,  dass  diese  wirklich  noch  zum 


'  Varro  L.  L.  V.  8,  17  p.  60  Speng.  *  Fr.  Albertini  Opusc.  de  Mirab.  nov.  et  vet.  U.  R.  Rom.  154  5. 
fol.  48.  b.  et  al.  *  Fulv.  1.  c.  *  Flam.  Vacca,  Mem.  n«  3  (C.  Fea  Miscell.  p.  Uli).  »  Anastas.  Biblioth.  de 
Vit.  pontif.  Rom.  Par.  4  649.  p.  H6.  *  Muratori  R.  I.  S.  T.  III.  P.  II.  col.  ^83.  ^  Du  Perac,  I  vestigj  dell' 

antichitä  di  Roma.  R.  1674.  fol.  -1. 


352  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,   Capitolinus,  Palatinus  und  Aventinus. 

Circus  gehörten.  Für  die  Carceres  zwar  scheinen  sie  nicht  geeignet,  auch  wären  diese 
wohl  nicht  so  weit  nordwestlich  hinausgerückt  zu  denken,  es  ist  aber  höchst  wahr- 
scheinlich ,  dass  diese  eine  Art  von  Vorhof  hatten ,  der  zu  den  Vorbereitungen  für  die 
Wagenrennen  wie  für  den  Aufenthalt  der  an  demselben  Tage  rennenden  Gespanne  wäh- 
rend der  einzelnen  Missus  fast  unentbehrlich  und  auf  den  drei  Seiten  (die  vierte  bildeten 
die  Carceres)  am  zweckmässigsten  durch  Kammern  und  Stallungen  eingeschlossen  war, 
wie  auch  Canina. angenommen  hat.  Zu  diesen  Kammern  kann  die  Ruine  gehört  haben, 
was  jedoch  nur  als  Vermuthung  hinzustellen  ist.  Nachgrabungen  im  Thale  des  Circus 
würden  darüber  Entscheidung  geben  können ,  allein  gerade  dieser  Theil  des  Circus  ist 
sehr  verbaut  und  der  Schutt  hat  eine  ausserordentliche  Höhe,  was  von  der  Inangriff- 
nahme von  Nachgrabungen  umsomehr  abschrecken  muss ,  als  der  ohnediess  sumpfige 
Boden  einen  nachhaltigen  Erfolg  in  keiner  Weise  hoffen  Hesse. 

Von  dem  ursprünglichen  Namen  des  Circusthales  (Vallis  Murcia)  war  schon  in 
der  Einleitung  zu  diesem  Abschnitte  die  Rede.  Es  mag  wohl  noch  in  seinem  natürlichen 
Zustande  gewesen  sein,  als  Romulus  die  Spiele  feierte,  bei  welchen  nach  der  römi- 
schen Tradition  der  Raub  der  Sabinerinnen  stattfand ;  zu  Spielen  der  Art  hatte  die  Hand 
der  Natur  genug  für  den  Schauplatz  gethan.  Nach  Romulus  scheint  der  Platz  in  gleicher 
Weise  öfters  benutzt  worden  zu  sein,  die  Zuschauer  standen,  wie  berichtet  wird,  auf 
hölzernen  Gerüsten ,  welche  sie  sich  selbst  für  die  einzelnen  Spiele  aufschlugen.  ^  Erst 
Tarquinius  Priscus  machte  die  Anlage  dadurch  zu  einem  Staatsgebäude,  dass  er,  die 
bei  der  Einnahme  von  Apiolä  den  Latinern  abgenommene  Beute  zur  Verschönerung  des 
Platzes  benutzend,  den  Zuschauerraum  den  dreissig  Curien  zutheilte  und  bedeckte 
Sitzplätze  erbaute.  ^  Durch  diesen  Bau  wurde  der  Circus  ständig  und  seine  Gestalt  be- 
stimmt :  diese  aber  konnte  nicht  anders  als  dem  griechischen  Stadium  ähnlich  sein  mit  den 
Unterschieden,  die  durch  die  Beschränktheit  der  römischen  Spiele  bedingt  sind,  und  von 
welchen  schon  bei  Besprechung  des  Obelisken  auf  Piazza  Navona  (S.  241)  die  Rede  war. 
In  den  ersten  fünf  Jahrhunderten  aber  gab  es  in  Rom  keine  anderen  Spiele  als  Pferde- 
und  Wagenrennen,  was  eine  längliche  Bahn  mit  den  Schranken  auf  der  einen  und 
mit  einem  Halbkreise  auf  der  anderen  Schmalseite,  innen  aber  zwei  Meten  als  Ziel- 
und  Wendepunkte  erforderte.  Die  Rennbahn  selbst  hat  sich  auch  noch  in  ihrem  un- 
verwüstHchen  Grundplane  als  regulirter  Thaleinschnitt  zwischen  den  beiden  Hügeln 
mit  der  Rundung  am  östlichen  Ende  erhalten,  woraus  hervorgeht,  dass  die  Carceres, 
die  zur  Aufstellung  und  zum  Anlaufe  bestimmten  Schranken  am  Westende  des  Tha- 
ies, unferne  der  Kirche  S.  Maria  in  Cosmedin  sich  befanden.  Die  Carceres  aber  wa- 
ren, wie  wir  an  dem  einzig  erhaltenen  Circus  Roms,  dem  des  Maxentius  an  der  Via 


*  Dionys.  m.  68.        "  Dionys.  1.  c.  Liv.  I.  35. 


Der  Circus  Maximus.  353 

Appia  bei  S.  Sebastiane  sehen,  wahrscheinlich  in  segmentförmiger  Linie  nach  aussen 
gebogen  angelegt,  so  dass  der  zu  durchlaufende  Raum  bis  zu  einem  gewissen  Punkte 
der  rechtseitigen  Bahn  für  alle  Wagen  von  derselben  Länge  war.  Ebenso  war  wohl 
auch  die  Verbindung  der  beiden  Meten,  die  dammförmige  Spina,  welche  vielleicht 
noch  zu  Cäsars  Zeit  fehlte ,  ^  nicht  in  der  Axenrichtung  der  Rennbahn,  sondern  so 
schräg  gestellt,  dass  sie  für  den  Anlauf  eine  breitere  Bahn  darbot. 

Was  die  Gestalt  des  Zuschauerraumes  seit  der  Einrichtung  desselben  durch 
Tarquinius  Priscus  bis  zum  Ende  der  Republik  betrifft,  so  scheint  Tarquinius  Priscus 
nur  den  Grundbau  solid,  d.  h.  in  Stein  ausgeführt  zu  haben,  die  Schaubühnen  {fori) 
selbst  waren  von  Holz.  Die  letzteren,  entweder  nur  die  unteren  für  die  Senatoren 
und  Ritter  bestimmten  Sitzreihen- Abtheilungen ,  ^  oder  überhaupt  die  Schaubühnen 
des  Circus ,  ^  scheinen  dasselbe  gewesen  zu  sein ,  was  Dionys  ^  ^toZ^at  nennt ,  von 
welchen  Tarquinius  Priscus  (nach  Dionys)  jeder  der  dreissig  Curien  eine  zutheilte, 
um  hier  sitzend  den  Spielen  zuschauen  zu  können,  bedachte  und  logenartig  ge- 
trennte Räume,  wie  diess  sowohl  ausdrücklich  erwähnt  wird  als  auch  im  Namen  liegt. 
Diese  unteren  Zuschauerplätze  aber  wurden  nach  einer  zweiten  Notiz  des  Livius  '" 
schon  »unter  Tarquinius  Superbus  ständig  hergestellt,  und  zwar  so  grossartig,  dass 
der  Geschichtschreiber  sie  mit  der  Cloaca  maxima  auf  eine  Linie  stellen  und  be- 
haupten konnte ,  kaum  irgend  ein  neues  Werk  sei  diesen  beiden  an  Mächtigkeit 
gleichgekommen.  Dionys  dagegen,  der  wahrscheinlich  schon  dem  älteren  Tarquinius 
zu  viel  zugeschrieben,  spricht  nur  von  gedeckten  Säulengängen,  mit  welchen  Tar- 
quinius Superbus  den  Circus  umgab.  '^ 

Von  den  Veränderungen  in  der  Zeit  der  Republik  ist  nichts  anderes  bekannt, 
als  dass  im  Jahre  427  d.  St.  (32l7  v.  Chr.)  die  Carceres  eingerichtet  wurden ;  ^  die 
Zuthaten  vom  Jahre  580 ,  ^  scheinen  minder  belangreich  gewesen  zu  sein.  Eine 
bedeutende  Veränderung  und  Vergrösserung  —  vielleicht  einen  vollständigen  Neu- 
bau —  unternahm  Cäsar,  ^  wodurch  der  Circus  bei  einer  Länge  von  mehr  als  600 
und  einer  Breite  von  fast  150  Met.  Raum  für  150,000  (Dionys.)  oder  250,000  (Plin.) 
Zuschauer  erhielt ;  doch  war  noch  immer  nur  der  untere  Theil  von  Stein,  der  obere 
von  Holz.  Da  der  Circus  jetzt  schon  häufig  zu  Thierhatzen  verwendet  ward,  fand 
Cäsar  unter  Anderem  auch  für  nothwendig,  die  Arena  und  die  untersten  Sitzreihen 
durch  einen  3  Met.  breiten  und  ebenso  tiefen  Graben  (Euripus)  zu  trennen,  da  die 
eisernen  Gitter  allein  die  Zuschauer  vor  iden  in  der  Arena  losgelassenen  Thieren 
nicht  ganz  sicher  zu   stellen   schienen,    und   namentlich  einmal  die  Elephanten  bei 


1  Sueton.  Caes.  39.        2  yv.  I.  35.          ^  Fest.  s.  v.  forum.          <  m.  68.         ^  ny.  I.  56.         6  Dionys. 

IV.  44.             'Liv.  Vlll.  20.             8  id.    XLI.  27.  »  Sueton.  Caes.    39.    Plin.  H.  N.  XXXVI.  45,  24,  102. 
Dionys.  m.  69. 

F.  Reber,  Rom.  45 


354  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palatinus  und  Aventinus. 

den  von  Pompeius  veranstalteten  Spielen  das  Volk  in  grossen  Schreken  versetzt 
hatten.  Dieser  Euripus  w^urde  jedoch  durch  Nero  wieder  verschüttet,  i  Im  J.  723 
d.  St.  kurz  vor  der  Schlacht  bei  Actium  brannte  ein  grosser  Theil  der  Holzgertiste 
ab  ^  und  wahrscheinhch  zugleich  mit  der  Wiederaufführung  derselben  erbaute  Augustus 
die  kaiserhche  Loge  (das  Pulvinar),^  und  stellte  den  Obelisk,  der  sich  jetzt  auf 
Piazza  del  Popolo  befindet,  in  der  Mitte  der  Spina  auf.  ^  Im  J.  d.  St.  789  (36  n. 
Chr.)  zerstörte  ein  neuer  Brand  die  Südwestseite  des  Gircus,^  dessen  Herstellung 
unter  Claudius  u.  a.  zur  Folge  hatte,  dass  die  Schranken,  früher  von  Tuf  mit  Holz- 
gebälke,  ganz  in  Marmor  aufgeführt,  und  marmorne,  mit  Gold  überkleidete  Meten 
an  die  Stelle  der  alten  aus  Holz  und  Tuf  gesetzt  wurden.  **  Der  neronische  Brand 
verbreitete  sich  vom  Circus  aus  über  die  Stadt,  ^  doch  scheinen  dessen  Zerstörungen 
im  Circus  selbst  nicht  zu  bedeutend  gewesen  zu  sein,  da  bald  Nero  in  demselben 
als  Olympionikes  erschien,  und  den  Obelisk  des  Augustus  mit  seinen  Siegeskränzen 
schmückte.  8  Die  Flavier  besorgten  den  Wiederaufbau,  wenigstens  gehörte  ein 
Titusbogen  zur  Auszierung  desselben.  Dieser,  wohl  der  einzige  am  Circus,  wenn 
auch  die  Mirabilien  von  zweien  sprechen ,  befand  sich  in  der  Mitte  der  Rundung, 
und  war  lange  erhalten,  so  dass  der  Anonymus  von  Einsiedeln  noch  die  Inschrift 
abschreiben  konnte, "  wie  das  Denkmal  auch  noch  im  zehnten  Jahrhundert  im  Besitz 
des  Klosters  S.  Gregorio  und  im  1 2.  Jahrh.  als  von  diesem  Kloster  an  die  Frangipani 
verpachtet  vorkommt.  ^^  Das  Material  zum  Wiederaufbau  ward  von  der  Naumachie 
genommen,  welche  vielleicht  das  Interesse  des  Volkes  nicht  im  genügenden  Maasse 
erregt  hatte  und  desshalb  nach  kurzem  Bestehen  wieder  abgebrochen  worden  war.  ^^ 
Das  Werk  führte  jedoch  erst  Traian  zu  Ende  und  zwar  „grösser  und  prachtvoller" 
als  der  Bau  vorher  war,  ^^  und  wahrscheinlich  erhielt  er  erst  damals  ganz  in  Stein 
hergestellt  seine  endgültige  Einrichtung.  Münzen  von  Traian  und  Caracalla  ^^ 
zeigen  die  Gestalt  des  Circus,  und  zwar  bei  beiden  unverändert  so,  dass  an  beiden 
Enden  der  Carceres  Portale  (wahrscheinlich  mit  Thürmen  überragt)  und  über  den 
Schranken  ein  gegiebeltes  Gebäude  sich  befand,  in  der  Mitte  der  Rundung  aber  der 
erwähnte  Triumphbogen.  Aeusserlich  erhob  sich  eine  hohe  fensterlose  Wand  über 
den  Arkaden.  Seit  Traian  scheint  er  zwei  Jahrhunderte  lang  unverändert  den 
Rennspielen  gedient  zu  haben,  und  wir  besitzen  über  die  Anlage  selbst  nur 
mehr  sehr   dürftige  Nachrichten.     Bei    den  ApoUinarspielen   unter  Antoninus  Pius 


iPIin.  H.  N.  Vm.  7,  21.  Sueton.  1.  c.       spio  Cass.  L.  10.       3  Monum.  Ancyran.   (Chishull  p.  174)  cf. 
Sueton.  Aug.  45.  ■»  Plin.  H.  N.  XXXVl.  9,  14,  71.  Ammian.  Marcellin.  XVII.  4.  5  xacit.  Ann.  VI.  45. 

Dio  Cass.  LVIII.  26.  6  Sueton.  Claud.  21.  7  Xacit.  Ann.  XV.  38.  8  pio  Cass.  LXIII.  21.  9  vgl. 

S.  399.       »OMittarelli  Ann.  Cam.  I.  App.  col.  96.  III.  App.  col.  417.  Jordan,  Topogr.  II.  S.  412.       n  Sueton. 
Domitian.  5.  12  Dio  Cass.  LXVIII.  7.  Paus.  V.  12.  6.  Plin.  Panegyr.  51.  '3  Friedländer,  Abhandlungen 

der  Berl.  Akad.  1873  S.  67  fg. 


Der  Circus  Maximus.  355 

erlag  eine  Säule  der  Schwere  der  wahrscheinlich  auf  der  Bedachung  einer  Por- 
ticus  gelagerten  Menge,  und  über  tausend  Menschen  wurden  erdrückt.  ^  Ein  ähn- 
liches Unglück  ereignete  sich  unter  Diocletian  und  Maximian.  Constantin  stellte 
den  Circus  mit  grossem  Aufwände  wieder  her,  ^  und  dessen  Sohn  Gonstantius  Hess 
den  Obelisk  (jetzt  auf  Piazza  Lateranense) ,  den  sein  Vater  schon  bis  Alexandria 
gebracht  hatte,  nach  Rom  schaffen  und  neben  dem  des  Augustus,  welchen  er  an 
Alter  und  Höhe  übertraf,  auf  der  Spina  aufstellen.  ^  Ueberhaupt  war  die  Spina 
damals  von  Säulen,  Standbildern,  Tempelchen  und  Altären  dicht  besetzt:  von  den 
Säulen  trugen  die  einen  Victorien,  die  anderen  auf  einem  Gebälke  Delphine,  welche 
in  ein  auf  der  Spina  angebrachtes  Becken  Wasser  spieen  ^  und  wahrscheinlich  durch 
den  Beginn  ihrer  Thätigkeit  die  Zahl  der  zurückgelegten  Umläufe  im  Wagenrennen 
bezeichneten,  was  auch  durch  die  Aufstellung  von  Eiern  angezeigt  wurde  (a.  a.  0.). 
Von  den  Standbildern  werden  die  der  Pollentia  ^  und  der  Cybele  ®  besonders  er- 
wähnt; von  den  Tempelchen  das  des  Sol,^  welchem  auch  der  Circus  und  der 
Obelisk  des  Augustus  geweiht  war;  der  bedeutendste  Altar  aber  war  der  alte  schon 
von  Romulus  errichtete  des  von  einigen  mit  Neptun  identificirten ,  ^  von  andern 
richtiger  als  der  ,^rathgebende"  Gott'^  erklärten  Consus,  welcher  unter  dem  Niveau 
der  Arena  ^°  und  neben  den  südhchen  (?)  Meten  stand.  ^^  Die  angegebenen  Bestand- 
theile  der  Spina  werden  im  Allgemeinen  durch  ein  interessantes  Rehef  des  vati- 
canischen  Museum  wie  durch  ein  Mosaik  in  Barcellona  ^^  veranschauhcht,  welche 
ein  Wagenrennen  darstellen  und  in  Uebereinstimmung  mit  den  angeführten  Nach- 
richten die  Spina  mit  den  Meten,  Sacella,  zwei  Säulen  mit  den  wasserspeienden 
Delphinen  auf  ihrem  Gebälke,  Altäre,  einen  Obelisk  und  zahlreiche  Statuen  zeigen. 
Am  Anfange  des  6.  Jahrhunderts  war  ohne  Zweifel  der  Verfall  schon  fühlbar, 
doch  wurden  die  Spiele  noch  fortgesetzt,  von  denen  sich  eine  sehr  lehrreiche  Be- 
schreibung aus  jener  Zeit  erhalten  hat.  ^^  Aus  dem  9.  Jahrhundert  besitzen  wir 
eine  flüchtige  Erwähnung  des  Circus  in  der  oft  erwähnten  Inschriftensammlung  ^*. 
Im  12.  Jahrhundert  übergab  ihn  Papst  Lucius  II.  den  Frangipani;  im  13.  besassen 
ihn  wenigstens  zum  Theil  die  Savelli;  im  14.  und  15.  ganz  herrenlos  und  öffent- 
licher Steinbruch,  bewahrte  er  bald  ausser  der  Form  nur  mehr  wenige  Spuren. 
Bei  den  unter  Sixtus  V.  veranstalteten  Nachgrabungen  fand  man  die  beiden  Obe- 
lisken bereits  8  Meter   tief  unter   dem  modernen  Boden.     Die  Arena   ist  jetzt  nur 


1  Catal.  Imp.   Vienn.  (Rone.  tom.  II.  col.  244.)  —  Script.     H.  A.  (lul.  Gap.)  Anton.  P.  9.  2  Aurel. 

Vict.  Caess.  40.           SAmmian.  Marcellin.  XVII.  4.        *  Cassiodor.  Var.  III.  51.         »  Liv.  XXXIX.  7.  6  Ter- 

tullian.  de  spect.  8.           ''id.  1.  c.           ^  Liy.  i.  9.  piut.  Rom.  14.  Ascon.  in  Cic.  in  Verr.  I.  10.  »  Ter- 

tull.  de  spect.  5.  Serv.  ad  Virg.  Aen.  VIII.  v.  636.  —  Plut,  1.  c.  i"  Flut.  1.  c.  Tertull.  1.  c.  i*  Ter- 
tull.  1.  c.  Tac.  Annal.  XII.  24.  12  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1863.  p.  135.  tav.  d'agg.  D  (Hübner).  »3  Cassiodor. 
1.  0.          i<  Anonym.  Einsiediens.  (Haenel,  Archiv,  f,  Philol.  u.  Paed.  Suppl.-Bd.  V.  S.  129.) 

45* 


336  Die  Niederung  zwischen  dem  Tiber,  Capitolinus,  Palatinos  und  Aventinus. 

mehr  wenig  tiefer  als    der  in  Schult   gesunkene  Zuschauerraum,   hat  jedoch   ihre 
Gestalt,  namentlich  am  südöstlichen  Ende,  noch  erhalten. 


VII.  Der  Palatinus. 

Noch  sind  nicht  volle  zwei  Jahrzehnte  seit  jener  Zeit  verflossen,  in  welcher 
der  Palatin  in  topographischer  Beziehung  wenn  nicht  terra  incognita  so  doch  zum 
weitaus  grösseren  Theile  ein  Gebiet  von  antiquarischen  Muthmassungen  war.  Die 
farnesischen  Gärten,  welche  fast  die  Hälfte  des  Doppelhügels  einnahmen,  Haus  und 
Garten  des  Gonvents  der  Salesianerinen  wie  das  anstossende  Areal  des  Klosters 
von  S.  Bonaventura  und  die  Vigna  Barberini  mit  der  Kirche  S.  Sebastiano  auf  der 
anderen  Hälfte,  ferner  die  Vignen  Butirroni  und  Nusiner  am  Abhang  gegen  West, 
Wein-  und  Gemüsegärten  des  Collegio  Inglese  am  Abhang  gegen  den  Gircus,  die 
Vignen  Benfratelli  und  S.  Bonaventura  am  Abhänge  gegen  den  Gälius  hatten  dem 
Hügel  eine  Gestalt  gegeben,  welche  seine  vorige  Bestimmung  als  Stadt  und  als 
Stadttheil  kaum  mehr  ahnen  liess.  Nur  wenige  Theile  wie  die  Nordecke  gegen 
S.  Maria  Liberatrice  und  die  Südecke  zeigten  noch  umfänglichere  Reste  der  Kaiser- 
bauten, alles  Uebrige  war  wie  das  Forum  im  Mittelalter  tief  unter  Nutzgärten  be- 
graben. 

Ein  Dichter  hätte  unter  den  Hecken  der  verwilderten  Villa  Farnese  von  der 
Rückkehr  zur  ursprünglichen  Gestalt  träumen  können,  welche  der  Hügel  vor  mehr 
denn  fünfundzwanzig  Jahrhunderten  dargeboten  haben  mochte,  als  sich  fellbekleidete 
Gampagnahirten  auf  demselben  eine  Heimat  und  jene  vielleicht  befestigte  Heerden- 
zufluchlstätte  schufen,  die  wahrscheinlich  auch  dem  Namen  Palatium  (Pales  =  Heer- 
dengöttin)  zu  Grunde  liegt.  Auch  damals  mochten  nur  wenige  Dächer  die  Vege- 
tation des  Hügels  beeinträchtigt  haben,  die  überdiess  verstreut  und  ohne  städtischen 
Zusammenhang  eines  künstlichen  Gesammtschutzes  nicht  weiter  bedurften.  Es 
reichte  hiezu  der  natürliche  vorläufig  hin,  denn  wie  wenige  Gampagnahügel  fiel  der 
Palatin,  eine  Höhe  von  ungefähr  40  Met.  über  dem  normalen  Spiegel  des  benach- 
barten Tiber  erreichend,  auf  fast  allen  Seiten  schroff  ab,  so  dass  sich  ursprünglich 
wohl  nur  ein  Zugang  darbot,  nemlich  da,  wo  die  sanfte  Ansteigung  einer  Halde,  der 
Velia,  über  dem  nachmaligen  Titusbogen  annähernd  zur  Höhe  des  Hügelplateau's 
sich  erhob. 


Der  Gircus  Maximus.  357 

Dieses  aber  erstreckte  sich  damals  keineswegs  wie  in  der  Kaiserzeit  und  jetzt 
ununterbrochen  über  den  ganzen  Hügel,  sondern  war  durch  einen  Thalspalt,  der 
den  gegenwärtig  an  1750  Meter  im  Umfang  messenden  Hügelcomplex-  in  zwei 
ungefähr  gleiche  Hälften  theilte,  von  Nordost  nach  Südwest  durchzogen.  Die  nord- 
westliche Hälfte  nun  war  der  Schauplatz  jener  Colonie,  an  welche  sich  die  bekannte 
Romulussage  knüpft  ^  die  ihrerseits  durchaus  auf  den  Westrand  verweist.  Der 
Name  der  letzteren  war  auch  Germalus,  nach  Varro^  der  Localsage  von  den  dort 
gefundenen  Zwillingsbrüdern  (germani)  entnommen.  Denn  an  seinem  Fusse,  jedoch 
keineswegs  an  dem  Cloakenarm,  welchen  Gori^  dafür  genommen  hat,  muss  das 
Lupercal  gesucht  werden,  jene  Höhle  mit  Felsenquelle,  beschattet  von  dem  Ficus 
Ruminalis,  bei  welchem  der  Korb  mit  den  Zwillingen  gestanden  haben  soll.  ^  Diese 
dem  wolfabwehrenden  Heerdenbeschützer  Faunus  Lupercus,  den  Dionys  von  Hali- 
carnass  fälschlich  mit  dem  ähnlichen  lykäischen  Pan  identificirt,  geweihte  Stätte, 
darf  auch  als  das  Urheihgthum  der  Colonie  betrachtet  werden,  und  nicht  der  an- 
geblich arkadische,  sicher  erst  460  d.  St.  (2t94  v.  Chr.)  von  L.  Postumius  geweihte^ 
Tempel  der  Victoria  ^  oder  ein  gleichfalls  mit  den  hier  völlig  mythischen  Arkadern 
in  Verbindung  gebrachter  Gerestempel  ^  oder  ein  angeblich  ebenfalls  vorromulischer 
Fidestempel  ^  welche  alle  ihr  überhohes  Alter  dem  Bestreben  der  Geschichtschreiber 
verdanken,  die  Urgeschichte  Roms  mit  den  Griechen  in  Verbindung  zu  setzen. 
Das  Lupercal  hat  sich  bis  in  späte  Zeit  wie  es  scheint  von  Augustus  umgebaut  als 
Cultstätte  erhalten, '•*  wenn  auch  der  Ficus  später,  angeblich  durch  seine  wunder- 
bare Versetzung  auf  das  Forum  Romanum  durch  den  Augur  Attus  Navius  ^^  ver- 
schwunden ist.  Dagegen  scheint  ein  dort  von  den  Ogulniern  i.  J.  456  d.  St.  ge- 
weihtes Bronzebild  der  säugenden  Wölfin,  ^^  bis  zum  Ende  des  Mittelalters  an  Ort 
und  Stelle  oder  wenigstens  in  der  Nähe  verblieben  zu  sein,  wenn  es,  was  wahr- 
scheinlich, dasselbe  ist,  das  im  15.  Jahrhundert  am  Fuss  des  Palatin  „im  Vela- 
brum"  ^^  oder  „in  einem  Tempel  hinter  der  Schola  Graeca  (S.  Maria  in  Cosmedin) 
am  Circus"  ^^  gefunden  worden  ist  und  jetzt  zu  den  Hauptzierden  des  Bronzesaales 
im  Conservatorenpalast  gehört. 

Mit  der  Gründung  Roms,  deren  angebliche  Zeit  und  nähere  Umstände  nichts 
anderes  als  ein  ausgebildeter  und  fixirter  Mythus  zu  sein  scheinen,  veränderte  sich 


1  P.  Rosa,  Scavi  del  Palatino.  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  i866  p.  346—367.  Mon.  d.  I.  VIII.  tav.  XXIII.  1.  — 
H.  Jordan,  die  Kaiserpaläste  in  Rom.  (A.  Virchow  u.  Holtzendorff,  Sammlung  wissenschaftlicher  Vorträge. 
Heft  65.  S.  8.         2  de  L.  L.  V.  8.  ^  An  der  Mündung  der  Via  de'  Fenili  in  die  Via  de'  cerchi  gegenüber 

der  Bottegha  der  Fratelli  Ricci  n"  8.  Gori,  II  Lupereale.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  4867.  p.  404—108.  <  Dionys. 

I.  32.  79.    Varro  1.  c.     Flut.  Romul.  3.         ^  Liv.  X.  33.         «Dionys.  I.  32.        ^  Dionys.  I.  33.  spestus 

s.  V.  Roma.  9  Monum.  Ancyr.  i"  pün.  H.  N.  XV.  \8,  20,  77.  Fest.  s.  v.  Navia  cf.  Liv.  X.  23.  Dionys. 
I.  79.  1'  Liv.  X.  23.  12  c.  Fea,  Miscellanea  filolog.  critic.  ed.  antiq.  I.  p.  53.  i^  Pomp.  Laet.  de  Rom. 
ant.  p.  24.  Marliani  Ant.  Urb.  top.  IV.  p.  78.  Fulv.  de  U.  ant.  p.  229. 


358  ^^^  Palatinus. 

hinsichtlich  der  Gestalt  der  Colonie  wenig.  Der  Kornelkirschbaum ,  angeblich  aus 
dem  Lanzenschaft  entsprossen,  den  Romulus  vom  Aventin  herübergeschleudert  hatte, 
und  derselbe  welcher  erst  unter  Caligula  in  Folge  einer  Beschädigung  seiner  Wurzeln 
bei  Anlage  einer  Treppe  abgestorben  sein  soll,  ^  deutet  noch  auf  die  Baumbesetzung 
des  Hügels ,  die  danebenbefindliche  und  sicher  an  der  Westecke  anzunehmende  ^ 
Hütte  des  Romulus  aber,  hölzern  und  schilfbedeckt  wie  sie  war  als  verehrungs- 
würdige Reliquie  bis  in  die  späteste  Zeit  erhalten,^  auf  die  dorfartige  Gestalt  des 
Innern  der  Niederlassung.  Gleichwohl  wurde  mit  der  Ummauerung  des  Hügels  die 
Ansiedlung  zur  Stadt  erhoben,  und  diese  muss  um  die  Zeit  hergestellt  worden  sein, 
in  welche  Romulus  von  der  Sage  gesetzt  wird.  Reste  der  Mauer  sollen  unten 
nachgewiesen  werden. 

Wenn  man  nach  Plinius^  hinsichtlich  der  durch  die  romulische  Mauer  ge- 
bildeten »Roma  quadrata«  darüber  im  Zweifel  war,  ob  sie  drei  oder  vier  Thore 
hatte,  so  wissen  wir  jetzt  nur  mehr  die  Namen  von  zweien,  und  auch  von  diesen 
scheint  nur  die  von  der  Gestalt  des  Hügels  selbst  bestimmte  Porta  Mugonia  oder 
vetus  Palatii  auf  der  Höhe  des  Velia-Vorhügels  ursprünglich  vorhanden  gewesen  zu 
sein.  Ihr  Name  Mugonia  (vom  Brüllen  der  Rinder  beim  Austreiben  zur  Weide) 
weist  wieder  auf  die  Beschaffenheit  der  Colonie  hin,  welche  ihren  überwiegenden 
Hirtencharakter  auch  mit  Herstellung  der  Ummauerung  nicht  verlor.  Die  Verbindung 
der  palatinischen  und  der  capitolinischen  Stadt  machte  dann  die  Porta  Romanula  oder 
Romana  nothwendig,  welche  an  der  Nordecke  bei  S.  Maria  Liberatrice  zum  Clivus 
Victoriae  führte  ^,  den  die  neueren  Ausgrabungen  von  seinem  Beginn  an  in  beträcht- 
licher Ausdehnung  zu  Tage  gefördert  haben.  Wahrscheinhch  entsprach  dann  ein 
drittes  Thor  dem  wieder  aufgedeckten  steilen  Anstieg  vom  Thale  des  Circus  her, 
wohl  die  xaA^  cckttj  bei  Plutarch  %  deren  Sinnlosigkeit  die  Vermuthung  ^  sehr  nahe 
legt,  dass  sie  in  der  Hellenisirung  der  »scala  Gaci«  ihren  Ursprung  habe.  Die  Exi- 
stenz eines  vierten  Thores,  schon  im  Alterthum  zweifelhaft,  ist  geradezu  unwahr- 
scheinlich, jedenfalls  aber  müssten  wir  hiefür  an  die  Südostseite  des  Mauervierecks 
denken.  In  welcher  Gestalt  sich  die  Thore  in  die  Befestigung  einfügten  ist  unge- 
wiss, doch  ist  die  etrurische  Kammerform  wahrscheinhch. 

Die  Mauern  scheinen  nicht  oder  wenigstens  nicht  allenthalben  am  Höhen- 
rande, sondern  grossentheils  am  Hügelabhange  hingeführt  gewesen  zu  sein.  Diess 
zeigen  nicht  blos  die  Reste ,  sondern   auch  die  Notiz ,  welche  Tacitus  ^  über  deren 


»  Plut.  Romul.  20.  Serv.  ad  Virg.  Aen.  III.  v.  46.  2  Dionys.  I.  79.  Plut.  1.  c.  3  Curiosum  U.  R. 

Reg.  X.  4  piin.  H.  N.  III.  5,  9,  66.  6  Varro  L.  L.  V.  34,  46.  p.  i64  VI.  3.  58.  p.  205.  (Spengel.)-Fest. 

s.  V.  Romanam  portam.  e  piut.  Romul.  20.  7  ßethmann,  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  4  852.  p.  40.  »  Tac. 

Ann.  XII.  24. 


Der  Circus  Maximus.  359 

Linie,  beziehungsweise  über  die  vier  Ecken  des  Mauerzuges  giebt,  wobei  freilich 
auch  der  Glacisgürtel  des  sog.  pomoerium  in  Mitrechnung  gezogen  werden  muss. 
Indess  sind  wir  nur  hinsichtlich  der  beiden  mit  dem  ehernen  Stier  am  Forum  Bo- 
arium  und  (etwas  allgemein)  mit  dem  Forum  Romanum  bezeichneten  Ecken  topo- 
graphisch sicher,  während  die  beiden  anderen  bei  den  Curiae  veteres  (wahrscheinlich 
bei  S.  Sebastiano)  und  bei  der  Ära  Consi  (im  Circus)  nicht  völlig  bestimmbar  sind. 
Durch  diese  Unsicherheit  aber  erschwert  sich  die  Entscheidung  der  Frage  ob  die 
palatinische  Ummauerung,  wie  Rosa  will,  nur  die  nordwestliche  Hälfte  des  Hügels 
oder  den  ganzen  Palatin  umfasst  habe.  Immerhin  aber  erscheint  dem  Verfassei", 
obwohl  es  ihm  nicht  gelang  das  von  Lanciani '  aufgeführte  Mauerstück  zwischen 
Vigna  Nusiner  und  dem  unteren  Nutzgarten  der  Salesianerinen  (Villa  Mills)  zu  finden, 
wahrscheinhcher,  dass  die  Roma  quadrata  den  ganzen  Hügel  eingenommen;  doch 
kann  die  Hauptstütze  der  Rosa'schen  Theorie  erst  bei  Betrachtung  der  Mauerreste 
selbst  gewürdigt  werden.  Für  die  Annahme  G.  L.  Yisconti's  und  R.  A.  Lanciani's 
aber,  dass  analog  den  Verhältnissen  auf  dem  Capitolinus  die  eine  (südöstliche)  Höhe 
des  Palatin  von  der  Burg,  die  andere  nordwestlich  von  der  Stadt  besetzt  gewesen 
sei,  ^  haben  wir  keine  Belege. 

Mit  der  Stadtgründung  hängt  auch  das  Monument  der  Roma  quadrata  zusam- 
men, ein  quadratisch  ummauerter  kleiner  Platz;  der  „mundus"  der  alten  palatinischen 
Stadt,  welcher  deshalb  auch  denselben  Namen  hatte,  wie  der  romulische  Mauer- 
ring selbst^.  Im  Innern  befand  sich  ein  beweglicher  Altar,  der  über  einer  mit 
mystischen  Weihegaben  gefüllten  Grube  aufgestellt  war.  Die  genauere  Lage  ist 
nicht  nachzuweisen,  und  die  Hieherbeziehung  eines  Fragmentes  des  capitolinischen 
Planes  mit  einem  Freialtar  (?)  innerhalb  der  aREA  APollinis  unsicher.  ' 

Topographischen  Boden  gewinnen  wir  wieder  mit  dem  Heiligthum  des 
Jupiter  Stator,  welches  Romulus,  als  er  die  Seinigen  vor  den  Sabinern  weichen 
sah,  zu  errichten  gelobte,  wenn  er  die  Fliehenden  wieder  zum  Stehen  brächte.  ^ 
Dieses  war  freilich  damals  nur  höchst  unansehnlich,  vielleicht  sogar  lediglich  ein 
Altar, '^  aber  der  Tempel,  der  nach  dem  Jahre  460  d.  St.  (295  v.  Chr.)  einem 
Gelübde  des  Consuls  M.  AttiHus  Regulus  entsprechend  an  dessen  Stelle  trat '  und 
der  nach  dem  neronischen  Brande  neugebaut  bis  in  die  späteste  Zeit  bestand,  ^ 
bestimmte  sich  nicht  blos  früher  als  über  der  Nova  via  und  über  dem  Anfange 
der  Sacra  via  hegend  '•*  ziemlich  genau,  sondern  wurde  auch  bei  den  neuesten  Aus- 


1  R.  Lanziani,  Fortificazioni  di  Roma  anterior!  a  Servio  Tullio.  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1871.  p.  41.  sq.  n".  3. 
2  Ch.  L.  Visconti  et  R.  A.  Lanciani,  Guide  du  Palatin  Roma   1873    p.  16.  ^  Fest.    s.   v.  Quadrata  Roma. 

«  H.  Jordan,  Forma  U.  R.  tab.  I.  n».  1,  Becker,  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  I.  S.  107.  «Liv.  I.  12.  «  Dionys. 

II.  50.  Liv.  X.  37.  7Liv.   X.  36.  8  Xac.  Ann.   XV.   41.   Curiosum    U.   R.  Reg.  X.  »  Liv.  I.  41. 

Put.  Cic.  16. 


360  ß^""  Palalinus. 

grabungen  an  der  vermutheten  Stelle  in  seinen  schmuckentblössten  Resten  wirklich 
gefunden. 

Von  der  übrigen  Königszeit  haben  wir  ausser  dem  Sacrarium  des  von  Numa 
gestifteten  Collegiuras  der  palatinischen  Salier,  dessen  Räume  noch  im  4,  Jahrh.  v. 
Chr.  als  wiederhergestellt  erwähnt  werden ,  ^  keine  Cultbauten  auf  dem  Palatin  zu 
verzeichnen.  Mit  der  Vergrösserung  der  Stadt  wandte  sich  die  Bauthätigkeit  auch 
den  übrigen  Stadttheilen,  vorab  der  Linie  der  Sacra  Via  und  dem  Forum  Romanum 
zu.  Numa  wohnte  am  Fusse  der  Nordecke  des  Palatin  bei  dem  Tempel  der  Vesta 
in  der  Nähe  des  Forum ,  ^  das  Haus  des  dritten  Königs  Tullus  Hostilius  befand  sich 
auf  der  Höhe  der  Velia  in  der  Nähe  des  Penatentempels  ^  und  das  des  Ancus 
Marcius  ungefähr  in  derselben  Gegend,  da  wo  die  Sacra  via  den  höchsten  Punkt 
erreichte ,  bei  dem  Heiligthume  der  Laren.  *  Auf  dem  eigentlichen  Palatin  scheint 
erst  wieder  der  Palast  des  Tarquinius  Priscus  gewesen  zu  sein,  der  einerseits  über 
der  Nova  Via,  anderseits  in  der  Nähe  der  Porta  Mugonia  und  des  Jupiter  Stator- 
tempels angegeben  wird,°  womit  sich  seine  Lage  ziemhch  genau  bestimmt,  noch 
weiter  gesichert  durch  die  Angabe,  dass  sich  das  Reiterbild  der  Clölia  vor  jenem 
Königshause  und  dem  Jupiter  Statortempel  befunden  habe.  ^ 

Seit  Erbauung  der  servischen  Mauer  aber  wurde  die  Ummauerung  der  Roma 
quadrata  zur  Antiquität,  und  wäre  gewiss  bei  den  Händeln  der  Patricier  mit  der 
Plebs  für  die  letztere  ein  Stein  des  Anstosses  gewesen,  wenn  sie  erhalten  worden 
und  nicht  bald  unter  den  vorgeschobenen  Privatbauten  verschwunden  wäre.  Denn 
wie  der  Palatin  während  der  Königszeit  die  Wohnstätte  der  Urrömer,  so  blieb  er 
in  der  republikanischen  Zeit  dichtbesetzt  von  den  aus  der  Urbevölkerung  hervor- 
gegangenen Patriciern,  obwohl  die  Zahl  der  Besitzenden  sowohl  durch  die  ver- 
grösserten  Ansprüche  der  Einzelnen  als  auch  durch  das  allmälige  Aussterben  des 
Patriciats  sich  stetig  verminderte.  Und  als  aus  den  hundertjährigen  Kämpfen  der 
Stände  in  Rom  ein  neuer  aus  Patriciat  und  Plebs  zusammengesetzter  Amtsadel 
(Nobilität)  sich  entwickelt  hatte,  da  gingen  auch  die  Besitzungen  des  untergehenden 
Patriciats  in  die  Hände  dieses  über.  Man  darf  annehmen,  dass  gegen  Ende  der 
Republik  der  Besitz  des  Hügels  auf  wenige  Familienhäupter  sich  concentrirt  hatte. 
Besonders  erwähnt  werden  von  diesen  Gn.  Octavius,  der  Triumphator  über  Perseus 
vonMacedonien,'  die  Gracchen,**  M.  Fulvius  Flaccus,'^  Drusus,^^  Gatulus,^^  Scaurus,  *- 


1  Orelli,  Inscr.  lat.  sei.  nO.  2244.  2  Ovid.  Fast.  VI.  v.  264.     Trist.  III.  4.  v.  29  sq.  Plut.  Numa  U. 

Solin.  I.  21.    Serv.  ad  Virg.  Aen.  VII.  v.  153.  3  Cic.    de  rep.  II.   31.  Solin.  I.' 22.    Non.  (Varro)  XII.  51. 

<  Solin.  I.  24.  5  Solin.  1,  c.  Liv.  I.  41.  6  Plin.  H.  N.  6,  13,  29.  ^  cic.  de  off.  I.  89.  »Plut.  G. 

Gracchus.  12.  9  Val.  Max.  VI.  3,  1.  Cic.  pro  dorn.  44.  ad  Attic.  IV.  ep.  2  et  3.  10  Vell.  Pat.  II.  14. 

"Plin.  H.  N.  XVII,  1,  2.  12  Cic.  de  ofif.  I.  39.     Plin.  H.  N.  XXXVI.  2,  6. 


Die  Geschichte  des  Palatinus.  361 

Cicero  \  Clodius  2,  Milo  ^,  Crassus  4,  Hortensius  \  M.  Antonius,  dessen  Besitzung  später 
Augustus  an  Agrippa  und  Messala  schenkte  ^,  C.  Octavius,  der  Vater  des  Augustus  \ 
Tiberius  Claudius  Nero,  Vater  des  Kaisers  Tiberius^;  und  auch  von  diesen  folgte 
gelegentlich  einer  dem  anderen  durch  Erbschaft,  Kauf  oder  Gewalt  im  Besitz  nach. 
Man  denke  nur  an  die  ciceronianische  Umsturzepoche,  wobei  indess  erwähnt  werden 
muss,  dass  die  gewöhnliche  Annahme,  als  habe  auch  Catilina  sein  Haus  auf  dem 
Palatin  gehabt,  wohl  nur  auf  einer  falschen  Lesart  der  bezüglichen  Stelle  des  Sue- 
ton  beruht.  ^  Leider  sind  die  Nachrichten  über  den  Besitzwechsel ,  welcher  im 
letzten  Jahrhundert  der  Republik  bei  den  besonders  den  höheren  Ständen  verderb- 
lichen Bürgerkriegen  und  bei  der  häufigen  Kinderlosigkeit  der  römischen  Nobilität 
sehr  rasch  und  mannigfaltig  war,  nur  so  spärlich,  dass  der  Besitzstand  in  den 
einzelnen  Zeitabschnitten  überhaupt  nur  bruchstückweise  und  noch  seltener  topo- 
graphisch nachgewiesen  werden  könnte.  Doch  erfahren  wir  aus  den  angeführten 
Stellen,  dass  die  Behausung  des  Gn.  Octavius  in  dem  vergrösserten  Besitzthum  des 
Scaurus  aufging,  welches  dann  an  Clodius  und  nachmals  an  Longus  Gaecina  kam, 
dass  Catulus  das  Areal  des  geschleiften  Hauses  der  Gracchen  zu  seinen  Anlagen 
zog,  und  dass  namentlich  die  Besitzung  des  M.  Livius  Drusus  in  einem  Jahrhundert 
in  die  Hände  von  vier  anderen  Eigenthümern ,  Crassus,  Cicero,  Censorinus  und 
Statilius  Sisenna  überging,  welche  alle  nach  Geschmack  und  Gelegenheit  arrondirten 
und  veränderten.  Verwendbare  topographische  Angaben  liegen  nur  vor  hinsichtlich 
des  Besitzthumes  des  Milo,  welches  am  Germalus,  d.  h.  an  dem  der  südlichen  Ca- 
pitolshöhe  gegenüberliegenden  Hügelrande,  und  jenem  des  Tiberius  (wenn  wir  dabei 
an  die  repubhcanische  domus  denken  sollen),  welches  über  dem  Velabrum 
befindliche^  bezeichnet  wird.  Wir  werden  übrigens  unter  den  Ruinen  einen  namhaften 
Ueberrest  als  muthmaasslich  dem  Hause  des  Tiberius  angehörig  unten  zu  beschrei- 
ben haben. 

Mehr  als  von  der  Lage  der  einzelnen  Privatbesitzungen  auf  dem  Palatin 
wissen  wir  von  dem  Reichthume  und  der  ausserordentlichen  Pracht  derselben. 
Nachdem  Crassus  nach  der  Ermordung  des  Tribunen  Drusus  dessen  Haus  käuflich 
an  sich  gebracht,  schmückte  er  unter  umfänglichen  Umbauten  des  Ganzen  das  Atrium 
mit  Säulen  von  hymettischem  Marmor,  womit  zum  erstenmale  überseeischer  Marmor 
in  Rom  zur  Anwendung  kam^^  nicht  ohne  üble  Nachrede  wie  den  Spottnamen  der 
»palatinischen  Venus«  für  den  luxuriösen  Besitzer  zu  erwecken.     Wir  wissen  auch 


1  Cic.  p.  dorn.  43.  44.  ad  AU.  1.  c.  Vell.  Pat.  1.  c.  2  Ascon.  ad  Cic.  Milon.  Arg.  7.  »  Cic.  ad 

Attic.  IV.  3.  *  Plin.  H.  N.  XVII.  1,  2.  »  Sueton.  Aug.  72.  6  Dio  Cass.  LIII.  27.  "  Sueton. 

Aug.  5.  8  i(j.  xib.  5.  8  de  gramin.  ^7.    ,,in  Atrio  Catulinae  (Catuli)  domus"  statt  „Catilinae"  (ed. 

Roth.  p.  264).         lOTac.  Hist.  I.  27.  cf.  Sueton.  Vitell.  45.        n  Plin.  H.  N.  XXXVI.  3,  7. 

F.  Reber,  Rom.  4Q 


362  D^^  Palati nus. 

dass  Cicero  3,500,000  Sesterzen  (91  4,000  Mk.)  für  das  Besitzthum  bezahlte.^  Noch 
prachtvoller  war  das  Haus  des  Cimbernsiegers  Q.  Catulus ,  ^  am  hervorragendsten 
aber  das  des  Scaurus,  welcher  die  unerhört  verschwenderische  Ausschmückung  des 
von  ihm  für  vorübergehende  Zwecke  aufgeschlagenen  Theaters,  dessen  in  der  ein- 
leitenden Baugeschichte  Erwähnung  geschehen  ist,  für  seinen  Privatsitz  auf  dem 
Palatin  verwendete.  Diese  Anhäufung  von  Kunstwerken  und  Prachtmaterialien,  welche 
dem  Plinius  die  Hyperbel  entlockte,  Scaurus  habe  Alles  bis  auf  die  Thonbilder  der 
Tempelgiebel  in  seinen  palatinischen  Wohnsitz  zusammengeschleppt,  ^  brachte  den- 
selben auch  zu  dem  unerhörten  Preis  von  14,800,000  Sest.  (2,596,000  Mk.)  um 
welchen  ihn  Clodius  erstand.  ^ 

Die  üppigen  Privatbestrebungen  der  römischen  Nobilität  auf  dem  Palatin 
liessen  die  Bedachtnahme  auf  die  Götter  dort  mehr  in  den  Hintergrund  treten,  als 
diess  in  den  übrigen  Stadttheilen  geschah.  Von  dem  Neubau  des  romuhschen 
Heiligthums  des  Jupiter  Stator  als  Tempel  i.  J.  460  d.  St.,  wie  von  dem  der  Vic- 
toria im  gleichen  Jahre  wurde  bereits  gesprochen.  Nicht  sehr  bedeutend  scheinen 
auch  zwei  andere  Jupitertempel  gewesen  zu  sein,  der  Jupiter  Victor,  den  die  Notitia 
(das  Curiosum  nicht)  in  der  X.  Region  erwähnt,  vielleicht  derselbe  den  der  Consul 
Q.  Fabius  Rollianus  nach  dem  heldenmüthigen  Opfer  des  Decius  gelobt  hatte, '^  und 
den  auch,  ebenfalls  ohne  locale  Angabe  Ovid  erwähnt,  ^  dann  der  Tempel  des  Ju- 
piter Propugnator ,  aus  einer  Inschrift  bekannt.  ^  Auch  der  Tempel  des  Romulus,  ^ 
wie  derjenige  des  Bacchus  ^  und  ein  weiterer  der  Venus  *^  scheinen  baulich  uner- 
hebhch  gewesen  zu  sein,  die  Heiligthümer  der  Febris,^^  der  Viriplaca  (Gattenver- 
söhnerin),^^  der  Luna  Noctiluca  ^^  und  des  Ajus  Locutius,"  jener  geheimnissvollen 
Stimme,  welche  in  nächtlicher  Stille  die  Ankunft  der  Gallier  verkündete,  waren 
lediglich  Kapellen  mit  einem  Altar.  Local  bestimmbar  sind  von  diesen  nur  einige, 
und  auch  diese  nur  ungewiss  oder  annähernd.  Der  Jupiter  Victortempel  ist  nemlich 
nach  der  Notitia  an  der  Nordostseite  des  Hügels  anzunehmen,  der  Romulustempel 
wird  am  Germalus,  mithin  am  westlichen  Höhenrande  genannt,  der  Bacchustempel 
neben  dem  Cybeletempel ,  Ajus  Locutius  in  dem  Haine  über  der  Vesta,  mithin  an 
der  Nordecke  des  Hügels.  Selbst  von  der  Lage  des  bedeutendsten  aller  palatini- 
schen Heiligthümer,  des  Tempels  der  Magna  Mater  Idaea  (Gybele),  deren  Symbol  P. 
Cornelius  Nasica   aus  Asien  gebracht  hatte  und  dessen  Bau  i.   J.  550  d.  St.  (204 


1  Cic.  fam.  V.  6  cf.  Gell.  N.  A.  XII,  12.  ^P\m.  H.  N.  XVII.  i,  2.  3  id.  XXXVI.  2,  6.  Md. 

XXXVI.  15,  24,  103  cf.     Ascon  ad  Cic.  Milon.  Arg.  7.  5  Liv.  X.  29.  6  Ovid.  Fast.  IV.    v.  621  sq. 

^Orelli  Inscr.  42.       8  Varro  L.  L.  V.  8.        »  Val.  Max.  II.  4,  6.       'O  Dio  Cass.  LXXIV.  3.         nCic.legg.  II. 
11,  28.  nat.  deor.  III.  25,  63.         i*  Val.  Max.  II.  1,  6.         1 3  Varro  L.  L.  V.  10,  20  p.  73  (Speng.)  "  Cic. 

de  div.  I.  45.  II.  32.  Liv.  V.  32.  Gell.  N.  A.  (Varro)  XVI.  17.  Plut.  Camill.  30.  de  fort.  Rom.  14,  5. 


Die  Geschichte  des  Palatinus.  363 

V.  Chr.)  begonnen  und  1 3  Jahre  später  geweiht  wurde,  ^  wissen  wir  nur,  dass  es 
in  der  Nähe  der  Hütte  des  Romulus,  ^  mithin  nahe  der  Westecke  des  Hügels  ge- 
standen habe,  hinsichtlich  seiner  Form  aber  dürften  wir  an  einen  Rundtempel  denken, 
wenn  sich  erweisen  Hesse,  dass  der  »Tholus  Gybele's«  das  Martial  ^  auf  denselben 
Tempel  zu  beziehen  sei ,  und  wenn  die  blossgelegte  Stelle  auch  nur  eine  Spur  von 
einem  solchen  gezeigt  hätte.  Jedenfalls  erhoben  ihn  die  Neubauten  nach  den 
Bränden  von  643  und  755  d.  St.,  der  letztere  von  Augustus  besorgt  *  unter  die 
Reihe  der  römischen  Prachtbauten. 

Eine  neue  Ära  trat  für  den  Palatin  mit  dem  Beginn  der  Kaiserzeit  ein,  indem 
sich  nun  allmälig  die  Umwandlung  des  vormals  vielen  Privaten  gehörigen  Stadt- 
theils  in  ausschhessend  kaiserlichen  Besitz  und  in  eine  kaiserliche  Residenz  vollzog. 
Auf  dem  Palatin  selbst  in  dem  sonst  unbekannten  Quartiere  ,,ad  capita  bubula" 
geboren,  ^  begann  Augustus  nach  der  Schlacht  bei  Actium  das  unscheinbare  väter- 
liche Haus  durch  Einverleibung  anderer  mittlerweile  erworbener  Besitzungen,  wie 
des  Hortensius  und  des  Catulus  standesgemäss  zu  erweitern.  Nun  verschwand 
allerdings  die  frühere  Einfachheit  sowohl  in  den  ererbten,  wie  in  den  nachträghch 
erworbenen  Theilen,  von  welchen  letzteren  der  vormalig  hortensische  Bestandtheil 
durch  seine  altbürgerliche  Schlichtheit,  die  sich  in  den  Säulen  von  Peperin  wie  in 
dem  Mangel  aller  Marmorzierden  an  Wänden  und  Fussböden  aussprach,  vor  den 
übrigen  Patrizierhäusern  wahrhaft  republikanisch  abgestochen  hatte  ;^  doch  benutzte 
Augustus  keineswegs  das  ganze  erworbene  Areal  für  Privatzwecke,  sondern  gränzte 
in  weiser  Erkenntniss  seiner  Ziele  den  grössten  Theil  davon  für  öffentliche  Gebäude 
ab,  indem  er  an  einer  vom  Blitze  getroffenen  Stelle  dem  Apollo,  an  einer  anderen 
der  Vesta  einen  Tempel  errichtete. '  Über  den  letzteren  wissen  wir  nichts  Näheres, 
umso  mehr  von  dem  zur  Erinnerung  an  die  Schlacht  bei  Actium  erbauten  und 
729  d.  St.  geweihten  ^  Heiligthum  des  Apollo.  Es  war  von  lunesischem  (carrarischem) 
Marmor"  und  im  Innern  mit  den  Statuen  des  Apollo  Kitharödos,  der  Latona  und 
Diana,  aussen  aber  auf  der  Höhe  des  Giebels  mit  einem  Phöbus  auf  der  Quadriga 
geschmückt.  ^"^  Der  Apollo  des  Innern  wird  dem  Scopas,  die  Statue  der  Diana  dem 
Timotheos  zugeschrieben,"  die  Giebelgruppe  unbekannten  Gegenstandes  aber  den 
alten  Chier  Meistern  Athenis  und  Bupalos,  von  welchen  die  archaistische  Vorliebe 
des  Augustus  so  viel  als  möglich  an  architektonischen  Sculpturen  für  seine  Bauten 
zu  gewinnen   strebte.  '^     Von  dem  Innern   werden   noch   eine  Daktyliothek  ^^  und 


'  Liv.  XXIX.  il.  XXXVI.  36.        2  Cixrios.  U.  R.  Reg.  X.         3  gpigr.  I.  74.  v.  4  0.  *Ovid.  Fast.  IV. 

V.  348.  5  sueton.  Aug.  5.  6  id.  Aug.  2.  7  ovid.  Fast.  IV.  951  sq.  Met.  XV.  864.  Vell.  Pat.  II.  84. 

Sueton.  Aug.  29.  Mon.  Ancyr.  ^  djq  cags.  LIII.  4.  »  Serv.  ad  Virg.  Aen.  VIII.  v.  720.  ^o  Propert. 

II.   34  V.  41  u.  45.         "Plin.  H.  N.  XXXVI.  5,  4,  82.       la  id.  XXXVI.   5,  4,  43.         »Md.  XXXVII.  4,  45,  44. 

46* 


364  D^*"  Palaünus. 

kunstvolle  Lampen  1  erwähnt,  auch  wurden  dort  die  sibyllinischen  Bücher  bewahrt.^ 
Die  Porticus,  welche  den  Tempelhof  umschloss,  verband  ihn  mit  zwei  Bibliotheken, 
einer  griechischen  und  einer  lateinischen,  wohin  in  der  Kaiserzeit  öfters  der  Senat 
berufen  ward.  ^  Die  ungewöhnliche  Pracht  dieser  Säle  wird  mehrfach  erwähnt : 
Säulen  von  afrikanischem  Marmor  (giallo)  wechselten  mit  Hunderten  von  Werken 
der  Bildnerei  verschiedenen  Maassstabes,  worunter  der  colossale  (50  hohe)  Bronze- 
apollo tuscischen  Styls  ^  und  ein  als  Apollo  dargestellter  wohl  ebenfalls  colossaler 
Augustus,  °  sonst  die  wahrscheinlich  unterlebensgrossen  50  Danaiden  und  ebenso- 
viele  Ägyptiden  zu  Pfeid. " 

Je  reichlicher  aber  die  Nachrichten  über  die  Ausstattung  des  augusteischen 
Complexes,  desto  unzulänglicher  sind  die  topographischen  Notizen.  Gewöhnhch 
nimmt  man  ihn  an  der  Stelle  des  Salesianerinenklosters  (Villa  Mills)  an,  d.  h.  ungefähr 
in  der  Mitte  des  dem  Circus  zugewandten  Hügelrandes,  wo  in  den  Souterrains  des 
modernen  Gebäudes  noch  einige  Gemächerüberreste  enthalten  sind.  Bei  dem  Neubau 
der  Villa  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  (wohl  nicht  allzugründlich)  untersucht, 
schienen  sie  durch  eine  gewisse  Ähnhchkeit  der  Backsteinconstruction  mit  der  des 
Pantheon  auf  die  augusteische  Epoche  hinzuweisen.  Allein  es  fehlt  nicht  an  Notizen, 
welche  der  Annahme  des  augusteischen  Complexes  an  dieser  Stelle  widersprechen. 
So  nennt  der  Regionär,  bekanntlich  im  Wesentlichen  ein  Grenzverzeichniss  der 
Regionen,  zwischen  dem  Septizonium  des  Septimius  Severus  (Südspitze  des  Hügels) 
und  dem  Lupercal  (Westecke),  mithin  da,  wo  man  den  augusteischen  Palast  nach 
jener  Annahme  erwarten  müsste,  nur  die  Victoria  Germani(ci)ana ,  während  die 
Kaiserpaläste  und  zwar  der  augusteische  (übrigens  wie  wir  sehen  werden  viel- 
mehr der  domitianische)  und  der  tiberianische  an  der  Nordwestseite  des  Hügels 
verzeichnet  werden.  Befremdlich  ist  ferner  bei  Annahme  jener  Localität  (Villa  Mills) 
für  die  domus  Augustana  der  Umstand,  dass  Augustus  den  circensischen  Spielen  von 
den  Speisesälen  seiner  Freunde  und  Freigelassenen  aus  zuzusehen  pflegte, '  während 
sein  eigener  Palast,  wenn  er  an  der  beliebten  Stelle  war,  den  ganzen  Circus  wie 
kein  anderer  Punkt  des  Hügels  beherrschte.  Ueberdiess  setzt  die  angegebene  Annahme 
voraus,  dass  der  Apollotempel  sich  nordöstlich  vor  dem  an  den  Hügelrand  gerückten 
Hause  des  Kaisers  befand,  während  Ovid  *^  den  Weg  vom  Forum  Cäsars  zur  kaiser- 
lichen Domus  so  beschreibt,  als  ob  man,  am  Vestatempel  und  der  Regia  am  Fusse 
der  Nordspitze  des  Palatin  vorbei  durch  die  Porta  Mugionis  beim  Statortempel  un- 


1  Plin.  H.  N.  XXXIV.  3,  8,  4  4.      2  Suet.   Aug.  31.  Ammian.  Marc.  XVIII.  3.       3  Dio  Cass.  1.  c.  Suet.  Aug. 
29.  Orelli  Inscr.  n»  40.  41.  Tac.  Ann.  II.  37  et  alibi.  4  pun.  H.  N.  XXXIV.  7,  18,  43.  5  Prop.  II.  34, 

44.  Serv.  ad  Virg.  Ecl.  IV.  v.  10  Schol.  Crug.  ad  Hör.  Ep.  I.  3  v.   17.  6  Prop.  II.  31.  3.  Ovid.  Trist.  III. 

4,  64.  Amor.  II.  2,  4.  Schol.  Fers.  2  v.  56.       '  Sueton.  Aug.  45.       «  Ovid  Trist.  III.  Eleg.  4.  v.  27  sq.  59  sq. 


Die  Geschichte  des  Palalinus,  365 

mittelbar  zum  Palast  gelangte,  worauf  erst  in  noch  grösserer  Entfernung  der  Tempel 
des  Apollo  und  die  Bibliotheken  nachzufolgen  scheinen.  Erwägt  man  dazu  noch, 
dass  die  flavische  Palastanlage  wenigstens  in  dem  bisher  aufgedeckten  Theile  schon 
als  aedes  pubhca,  als  Saalbau  für  öffentliche  Zwecke  angelegt  war,  wie  diess  auch 
Augustus  bezüglich  seiner  Domus  gelegentlich  des  durch  freiwillige  Volksbeisteuer 
ermöglichten  Wiederaufbaues  nach  dem  Brande  von  756  (3  n.  Ch.)  verfügt  hatte,  *  so 
möchte  man  vermuthen,  dass  die  augusteische  Domus  in  der  flavischen  Palastanlage 
ganz  oder  zum  Theil  aufgegangen  sei.  Jch  glaube  ferner,  dass  ihre  dem  neroni- 
schen  Brande  erlogenen  Ruinen  von  der  Substruction  der  flavischen  Anlage  in  ähn- 
licher Weise  überbaut  worden  sei,  wie  die  Aurea  domus  von  den  Thermen  des 
Titus,  und  dass  vielleicht  jene  Gemächer  die  man  unter  dem  Triclinium  des  Domitian 
gefunden,  zu  dem  Complexe  gehört  haben,  dessen  weitere  Ueberreste  noch  unter 
der  flavischen  Substruction  verschüttet  liegen.  Dahin  führte  dann  auch  direkt  jene 
Hauptstrasse  die  von  der  summa  sacra  via  her  den  Hügel  durchschnitt  und  welche 
jetzt  linkseitig  vor  dem  domitianischen  Palast  etwas  räthselhaft  endigt.  Der  muth- 
maassliche  Ueberrest  des  Apollotempels  aber  wird  bei  Beschreibung  der  Ruinen  noch 
erwähnt  werden. 

Auf  gesicherterem  Boden  bewegt  sich  die  Topographie  hinsichtlich  des  Pa- 
lastes von  Augustus  Nachfolger  Tiberius.  Schon  dessen  Vater  besass,  wie  oben 
erwähnt  worden  ist,  ein  Haus  am  Palatin.^  Dieses  hat  dadurch  erhöhte  Bedeutung 
gewonnen,  dass  die  interessante  Ruine  des  sog.  Hauses  der  Livia,  welche  in  einer 
an  Pompeji  gemahnenden  Erhaltung  auf  dem  Palatin  aufgedeckt  worden  ist,  damit  in 
Zusammenhang  gebracht  wurde ,  was  allerdings  noch  weiterer  Sicherung  bedürfte. 
Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  war  des  kaiserlichen  Sohnes  Palastbau  in  der  Gegend 
jener  Wohnhausruine.  Denn  wenn  Otho  um  sich  mit  seinen  Parteigängern  zu  ver- 
einigen »durch  die  tiberianische  domus  und  über  das  Velabrum  sich  nach  dem  Forum« 
begab  ^  und  Vitellius  in  dem  tiberianischen  Palaste  speisend  vor  sich  das  Capitol  in 
Flammen  stehen  sah,  ^  so  musste  sich  das  Gebäude  am  Westrand  des  Palatin  befinden, 
wo  in  der  That  entsprechende  Ruinen  gefunden  worden  sind.  Annähernd  bestimm- 
bar ist  auch  der  von  Tiberius  und  Livia  erbaute  Tempel  des  Augustus,  welcher 
nach  Münzdarstellungen  ein  Rundtempel  gewesen  und  nahe  an  der  Nordecke  und 
zwar  am  nordwestlichen  Abhänge  des  Hügels  gelegen  sein  muss,  weil  Caligula  seine 
Brücke  nach  dem  Capitol  über  ihn  wegführte.^  Ohne  nähern  Anhaltspunkt  sind  wir 
hinsichtlich  der  als  in  dem  tiberianischen  Palaste    befindlich   erwähnten  Bibliothek,  ^ 


1  Dio  Cass.  LV.  12.  2  gueton.  Tib.  5.  3  Tacit,  Hist.  1.  27.  <  Tac.  Hist.  III.  71.  5  Suet.  Calig. 
22.  vgl.  die  Erörterung  über  die  Substructionsmauern  hinter  dem  Castortempel  p.  142.  *  A.  Gell.  N.  A. 
XIII.  19.  Script.  H.  A.  (Vopiscus)  Prob.  2. 


366  Der  Palatinus. 

die  vielleicht  nach  Auflösung  oder  Brandzerstörung  der  augusteischen  sei  es  anläss- 
lich des  domitianischen  Neubaues,  sei  es  durch  die  Antoninen,  welche  den  tiberia- 
nischen  Palast  bewohnten,  ^  hierher  transferirt  oder  hier  angelegt  worden  ist. 

Den  zwischen  Porta  Romanula  und  dem  Clivus  Victoriae  einerseits  und  dem 
tiberianischen  Palaste  anderseits  liegenden  bis  dahin  noch  privaten  Raum  aber,  selbst 
noch  über  den  genannten  Clivus  bis  über  die  natürliche  Nordspitze  durch  Substruc- 
tionen  hinausgreifend,  füllte  Galigula's  Palastannex  aus,  welcher  namenthch  bezweckte, 
den  Castortempel  am  Forum  Romanum  mit  dem  Palaste  in  Verbindung  zu  bringen 
wie  einen  Zugang  zu  der  berüchtigten  Brücke  zu  bilden,  mit  welcher  der  wahn- 
sinnige Fürst  die  Nordecke  des  Palasthügels  mit  dem  capitolinischen  Jupitertempel 
in  Verbindung  setzte.  ^  Von  beiden  ist  bei  Beschreibung  des  Forum  (S.  1 42)  ge- 
sprochen worden.  Galigula's  Erweiterungsbauten  waren  ohne  Zweifel  von  ausseror- 
dentlicher Pracht,  doch  werden  nur  ausgedehnte  Säulenhallen,  welche  Galigula  in 
schlaflosen  Nächten  zu  durchwandeln  pflegte  3  und  ein  Tempel,  den  er  sich  selbst 
erbaute,  *  der  aber  nach  seinem  Tode  selbstverständlich  wieder  zerstört  wurde, 
erwähnt.  Von  dem  letzteren  wissen  wir,  dass  seine  Porträtbildsäule  daselbst  von 
Gold  war  und  täglich  mit  ähnlichen  Gewändern  bekleidet  werden  musste ,  wie  er 
sie  eben  selbst  trug,  und  dass  er  sogar  mit  dem  Plane  umging,  unter  andern  be- 
rühmten Götterbildern  auch  den  olympischen  Zeus  des  Phidias  nach  Rom  bringen 
zu  lassen,  um  ihn  wie  die  anderen  durch  Veränderung  des  Kopfes  zu  seinem  ei- 
genen Bildnisse  zu  machen  und  in  seinem  Tempel  aufzustellen. 

Etwas  unklar  ist  die  Bauthätigkeit  Nero's  auf  dem  Palatin.  Bisher  (dem 
Glaudius  werden  keine  Palaständerungen  zugeschrieben)  beschränkten  sich  die  Tempel 
und  Residenzen  der  Kaiser  auf  die  Nordwesthälfte  des  Hügels,  über  welche  nur 
Augustus  möglicherweise  hinausgegriffen  hatte.  Die  Südosthälfte  muss  wenigstens 
grossentheils  noch  in  Privathänden  gewesen  sein.  Man  betrachtet  es  nun  gewöhn- 
hch  als  selbstverständlich,  dass  Nero  den  ganzen  Hügel  in  Anspruch  genommen, 
und  auch  damit  sich  noch  nicht  begnügend,  den  Palast  in  nordöstlicher  Richtung 
noch  weiter  und  bis  über  die  Esquilien  ausgedehnt  habe. '"  Es  scheint  jedoch,  dass 
zu  letzterer  Maassnahme  nicht  das  Ungenügen  an  dem  angeblich  verdoppelten  pala- 
tinischen  Areal ,  sondern  der  Wunsch  Veranlassung  gab ,  die  kaiserlichen  Gärten 
auf  dem  Esquilin,  welche  sich  von  Mäcenas  und  Anderen  an  die  kaiserliche  Familie 
vererbt  hatten,  mit  dem  Palast  in  Verbindung  zu  bringen.  Daher  erhielten  auch 
die  neronischen  Palastanlagen,  die  nun  die  Velia  und  das  Thal  zwischen  dem  Palatin, 
Cälius  und  Esquilin  bedeckten  den  Namen  Domus  transitoria  (Verbindungspalast),  zu 

'  Script.  H.  A.  (Capitolin.)  Anton.  P.  10.  M.  Aurel.  6,     2  Suet.  1.  c.  Dio  Cass.  LIX.  28.  LX.  6.       3  Suet. 
Calig.  50.  ■»Dio  Cass.  LIX.  28.  Suet.  Calig.  22.        5  Suet.  Nero  31.  Tac.  Ann.  XV.  39. 


Die  Geschichte  des  Palatinus.  367 

welcher  Bezeichnung  im  Sinne  eines  Durchgangspalastes  übrigens  auch  der  Umstand 
beigetragen  haben  mag,  dass  ohne  Zweifel  hiebei  für  den  öffenthchen  Durchgang 
zwischen  dem  Forum  Romanum  und  den  östlichen  Stadttheilen  Sorge  getragen  wer- 
den musste.  Es  nöthigt  demnach  nichts  anzunehmen,  dass  schon  Nero  die  Palast- 
bauten über  den  ganzen  Palatin  erstreckt  habe,  umso  weniger  als  Nero  seinen 
ausserpalatinischen  Anlagen  vor  den  älteren  Räumen  den  Vorzug  gab,  wie  aus  den 
zahlreichen  Nachrichten  über  jene  hervorgeht,  welche  in  den  folgenden  Abschnitten 
bei  der  Beschreibung  des  Venus-  und  Romatempels,  des  Piedestals  des  Sonnen- 
colosses,  des  Amphitheaters,  und  der  Reste  der  Aurea  domus  in  den  Thermen  des 
Titus  ihre  Erwähnung  finden  werden.  Es  ist  auch  sicher,  dass  der  Wiederaufbau 
der  palatinischen  Gebäude  nach  dem  neronischen  Brande  noch  nicht  vollendet  war, 
als  Nero  endete.  Denn  Otho  bestimmte  500,000  Sesterzen  für  diese  Arbeit,  ^  für 
welche  jedoch  die  wenigen  Monate  seiner  Regierung  ebenso  unzureichend  waren, 
wie  die  gleiche  Zeit  der  Regierung  des  Vitellius,  so  dass  ein  grosser  Theil  davon 
den  Flaviern  zufiel. 

Vespasian  zunächst  war  nicht  der  Mann,  für  Privatzwecke  Opfer  zu  bringen. 
Selbst  in  den  sallustischen  Gärten  residirend^  liess  er  vielmehr  die  ausserpalatini- 
schen Anlagen  Nero's  demoliren  oder  dem  Volke  öffnen,  den  grössten  Theil  des 
freigewordenen  Raumes  für  öffentliche  Gebäude  bestimmend,  deren  Ausführung  je- 
doch seinem  Sohne  zufiel  (Colosseum  und  Thermen).  Diese  Aufgabe  wie  die  Hülfe 
nach  der  Vesuvkatastrophe  des  Jahres  79  und  nach  dem  römischen  Brande  im  J. 
80  n.  Chr.  nahm  auch  Titus  Aufmerksamkeit  und  Mittel  während  seiner  kurzen 
Regierung  so  in  Anspruch,  dass  der  Palastbau  dessen  Bruder  und  Nachfolger  Do- 
mitian  zufiel.  Wie  aus  classischen  Schilderungen  ^  und  einigen  Einzelnotizen  ^  her- 
vorgeht, war  die  Schöpfung  dieses  »Midas«  der  neronischen  Aurea  domus  wenn 
auch  auf  beschränkterem  Räume  an  Pracht  eher  noch  überlegen,  und  auch,  soweit 
diess  die  neuesten  Ausgrabungen  eines  Theiles  derselben,  wovon  unten,  dargethan 
haben,  von  einer  vorher  auf  dem  Palatin  nicht  erreichten  Grossartigkeit.  Es  ist  oben 
die  Wahrscheinlichkeit  erwähnt  worden,  dass  dadurch  wenigstens  ein  Theil  der 
augusteischen  Anlage  absorbirt  wurde,  sicher  aber  ist,  dass  damit  der  die  beiden 
palatinischen  Plateau's  trennende  Thaleinschnitt  nun  vollständig  verschwand.  Wie 
beträchtlich  die  zu  diesem  Zwecke  vorgenommene  Auffüllung  war,  lehrten  die  tief 
unter  dem  muthmaasslichen  Triclinium  liegenden  Gemächer  der  sog.  Bäder  der  Livia, 
von  welchen  unten  noch  gesprochen  werden  soll.  Damit  war  die  Besitzergreifung 
der  südösthchen  Hälfte  des  Hügels  für  die  kaiserlichen  Anlagen,  welche  früher  nicht 

1  Sueton,  Otho  7.  2  Dio  Cass.  LXVI.  10.  »  Plut.  Popl.  15.  Stat.  Sch.  IV.  11,  18.  *  Script.  H. 

A.  (Jul.  Cap.)  Pertinax.  11.  Vit.  Apoll.  Tyan.  VII.   32. 


368  Der  Palatinus. 

bestimmt  angenommen  werden  kann,  sicher  vollzogen,  zumal  die  nach  orientalischem 
Culturgeschmack  angelegten  Gärten,  welche  Domitian  unter  dem  Namen  Adonaea 
hinzugefügt  zu  haben  scheint  ^  nach  dem  Ausgrabungsbefund  auf  keiner  der  drei 
anderen  biosgelegten  Seiten  Raum  gehabt  haben  könnten.  Auch  scheint  es,  wie 
später  dargethan  werden  soll,  dass  das  palatinische  Stadium,  vielleicht  sogar  jene 
der  Augustana  Domus  zugeschriebenen  Reste  von  Villa  Mills  zu  dem  domitianischen 
Palastcomplexe  gehörte,  so  dass  die  aedes  publica  nur  einen  Flügel  des  Ganzen  bildete. 

Nerva  soll  den  domitianischen  Cäsarenpalast  zur  aedes  publica  gemacht  haben  2, 
was,  da  der  bekannte  Theil  schon  von  vornherein  als  solcher  und  nicht  als  Wohn- 
palast gebaut  war,  nur  als  eine  Bestätigung  der  ursprünglichen  Bestimmung  ver- 
standen oder  auch  auf  die  anderen  privaten  Trakte  der  domitianischen  Gesammtan- 
lage bezogen  werden  muss.  Nachdem  nun  in  Folge  dessen  Traian  auch  die  kost- 
barsten Ausstattungsgegenstände  entfernt  und  dem  capitolinischen  Jupiter  geweiht 
hatte  %  musste  man  wieder  ganz  zum  tiberianischen  Wohnpalast  zurückkehren,  jn 
welchem  wir  auch  die  Antonine  finden  *.  Ob  der  Brand,  welcher  kurz  vor  Com- 
modus  vom  Tempel  der  Pax  her  über  die  Velia  auch  den  Palatin  ergrifft,  sich  bis  zum 
flavischen  Palaste  erstreckt  hatte,  ist  unbekannt ;  vielleicht  aber  war  er  in  Folge  Be- 
schädigung des  caligulanisch-tiberianischen  Complexes  Veranlassung  zum  Bau  der 
nur  flüchtig  erwähnten  Domus  palatina  Commodiana%  deren  Stelle  übrigens  noch 
zu  suchen  wäre,  wenn  wir  nicht  aus  den  Ziegelstempeln  dieses  Kaisers,  die  bei 
neuerlich  untersuchten  Ueberresten  in  der  Nähe  von  S.  Bonaventura  gefunden  wur- 
den, entnehmen  wollen,  dass  sie  sich  hier,  mithin  auf  der  südöstlichen  Höhe  und 
dem  Cälius  gegenüber  befunden  habe  ^ ,  welcher  Annahme  auch  die  Gestalt  der 
Exedren,  Gorridore  etc.  wie  die  Fragmente  von  Sculpturen  und  feinen  Ornament- 
wie  figürhchen  Malereien  nicht  entgegenständen.  Damit  wäre  eine  Besitzergreifung 
der  südöstlichen  Hügelhälfte  bis  an  die  Ostecke  gediehen. 

Mehr  aber  in  dieser  Beziehung  geschah  durch  Septimius  Severus,  durch  welchen 
erst  der  ganze  Hügel  in  den  Bereich  des  kaiserlichen  Palastes  gezogen  worden  zu  sein 
scheint.  Denn  er  war  es,  welcher  die  Südecke  mit  jenen  Gebäuden  versah,  deren 
Substructionen  und  Gewölbe  noch  jetzt  zu  den  mächtigsten  Ueberresten  des  Palatin 
gehören.  Der  Anblick  dieser  der  Via  Appia  zugewandten  Ecke  musste  vorher  un- 
ansehnlich gewesen  sein,  denn  Severus  wollte  angebhch  mit  jenem  Neubau  seinen 
auf  der  südlichen   Hauptstrasse    eintretenden   afrikanischen   Landslenten   impbniren. 


*  Vit.  Apoll.  I.  1.  c.  vgl.  den  capitolinischen  Plan.     (Jordan  Forma  U.  R.   tab.  X.  44.)  2piin.  jun. 

Panegyr.  47.  3  Martial  LXX.  epigr.  iS.  •»Script.  H.  A.  (Capitolin.)  Anton.  P.  -10  M.  Aurel.  6.         ^  THo 

Cass.  LXXII.  24.  llerodian.  I.  U.  6  Script.  H.  A.  (Lampridius)  Gommod.  -12.  '0.  Benndorf.  Scavi  in 

Roma  sul  Palatino,  nelle  terme  di  Caracalla  e  lungo  la  Via  Appia.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1866.  4  61—167. 


Die  Geschichte  des  Palalinus.  369 

wie  er  auch  selbst  eine  Zeit  lang  beabsichtigte,  hier,  wo  der  Palatin  niemals  einen 
namhaften  Zugang  hatte,  ein  Prachtthor  herzustellen.  Von  besonderer  Bedeutung 
aber  war  das  diese  Anlage  südlich  abgränzende  Septizonium  \  welches  allerdings 
noch  räthselhaft  ist,  obwohl  ein  herrlicher  Ueberrest  bis  zum  Ende  des  1 6.  Jahr- 
hunderts erhalten  war,  und  in  zahlreichen  Abbildungen  auch  auf  uns  kam.  Dieser 
bestand  aus  drei  übereinandergestellten  Säulenreihen,  decorativ  an  eine  mächtige, 
nach  oben  aber  an  Stärke  abnehmende  Rückwand  gelehnt,  deren  senkrechten  Glie- 
derungen und  Nischenbildungen  sie  folgten,  ohne  einen  andern  Zweck  als  den  von 
Fagadenschmuck  zu  verrathen.  Der  Name,  im  Mittelalter  als  Septizodium,  Septido- 
nium,  Septemsolium,  Septa  Solis,  Sedes  Solis,  Septem  viis,  scuola  di  Virgilio  und  sette 
isole  variirend,  schien  auf  ein  Uebereinander  von  sieben  ähnlichen  Säulengeschossen 
zu  deuten,  aber  eine  solche  Fronte,  im  Pfeilerarkadenbau  nach  Art  der  Theater 
und  Amphitheater  wohl  annehmbar,  ist  bei  schwachen  überdiess  durch  geradlinige 
Gebälke  verbundenen  korinthischen  Säulenstellungen  kaum  denkbar,  bei  der  schon 
im  dritten  Geschosse  stark  abnehmenden  Dicke  der  Rückwand  constructiv  geradezu 
unmöglich.  Diess  schliesst  aber  nicht  aus,  anzunehmen,  dass  die  erhaltenen  Reste 
vielleicht  nur  die  untere  Terrasse  verkleideten,  die  übrigen  Säulenreihen  aber  die  obere, 
oder  dass  die  letzteren  überdiess  getheilt  zum  Schmuck  einer  zweiten  und  einer  dritten 
Terrasse  dienten.  So  boten  sich  jedenfalls  demjenigen,  der  sich  auf  der  Via  Appia 
(Via  Nova)  näherte,  auch  sieben  Etagen  dar,  welche  aber  als  hintereinander  befindlich 
jede  architektonische  Waghalsigkeit  fernhielten.  Auf  die  Annahme  von  Terrassen- 
stufen leitet  übrigens  auch  der  Name,  der  an  mesopotamische  Terrassenbauten, 
vorab  an  den  gestuften  Pyramidalbau  des  Tempels  der  »sieben  Sphären«  in  Bor- 
sippa  erinnert.  Sonst  hat  Jordan,  dem  wir  eingehende  Untersuchungen  über  dieses 
Gebäude  zu  danken  haben^  auf  eine  ältere  Anlage  gleichen  Namens  in  Rom^  wie 
auf  eine  ähnliche  in  Lambaesa  ^  hingewiesen  und  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
in  beiden  Fällen  Prachtfontänen  damit  verbunden  waren,  wie  auch  eine  hohe  und 
terrassirte  Massivfronte  sich  trefflich  zu  derlei  Werken  eignen  musste.  Jedenfalls 
falsch  aber  sind  die  restaurirten  Pläne  cinquecentistischer  Architekten,  ^  da  sie  weder 
dem  auf  dem  capitolinischen  Plane  ersichtlichen  Fragmente,  noch  der  ursprünglich 
langen,  einzeiligen  Inschrift  entsprachen.  Die  Inschrift  mochte  aber  im  Ganzen 
(nach  Jordan)  also  gelautet  haben: 
IMP    CAES    DIVI  •  M  •  ANTONINI      PI!     GERM     SARM      FIL     DIVI     COMMODI- 


'Script.  H.  A.  (Spartian.)  Sept.  Sev.  24.  'h.  Jordan,  Sul  Septizonio    Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1872  p. 

145—152.  Forma  ü.  Roinae.  Berol.  1874   c.  V.  12—20  tab.  XXVl.  3  gueton.  Tit.2  cf.  Ammian.  Marc.  XV. 

7.  3.        4  Renier,  Inscr.  de  TAlgörie  n"  78.        *  h.  Jordan,   F.  U.  R.  tab.  XXVI.  R.  Redtenbacher,  Zeitschrift 
f.  bildende  Kunst  Bd.  XII.  p.  113  fg. 

F.  Reher,  Rom.  47 


370  ^^^  Palalinus. 

FRATER  DIVI  ANTONINI  Pll  NEP  DIVI  HADRIANI  PRONEP  DIVI  TRAIANI 
PARTH  •  ABNEP  DIVI-  NERVAE  ■  Adnep.  L.  Seplimius  Severus.  Pius. Perlinax.  Aug.  Arah.  Adiab. 
Parlh.  Max.  Pont.  Max.  Trib.  Pot.  XI.  Imp.  X.  Cos.  lil.  P.  P.  et  Imp.  Caes.  M.  Aurelius.  Anloninus.  Pius, 
Felix.  Au  G  •  TRIB  POT  VI  COS  •  FORTVNATISSIMVS  NOBILISSIMVSQVE  •  • 
Sie  ist  in  ihrem  ersten  Theile  durch  den  Einsiedler  Anonymus  von  dem  grösseren 
wahrscheinlich  1257  von  ßrancaleone  zerstörten  '  Theile  abgeschrieben  worden,  in 
ihrem  zweiten  Ergänzung,  in  ihrem  dritten  wieder  lapidar  gegebenen  Theile  der  bis 
ins  16.  Jahrh.  eihaltene  Rest,  und  war  fortlaufend  auf  dem  Epistyl  der  unteren 
Säulenreihe  geschrieben.  Der  ganze  Bau  musste  daher  von  beträchtlicher  Länge 
gewesen  sein,  so  dass  jenes  von  Sixtus  V.  zerstörte  Stück  nur  den  sechsten  Theil 
des  Ganzen  gebildet  haben  kann. 

Nach  Septimius  Severus  werden  noch  Elagabal  und  Alexander  Severus  als 
in  baulicher  Beziehung  auf  dem  Palatin  thätig  erwähnt.  Elagabal  erbaute  daselbst 
den  prachtvollen  Tempel  des  syrischen  Sonnengottes  gleichen  Namens  und  stellte 
als  Bild  der  Gottheit  daselbst  einen  schwarzen  Aerolith(?)  auf,  wie  er  auch  beab- 
sichtigte, daselbst  die  ältesten  Heiligthümer  Roms  zu  vereinigen.^  Ausserdem  be- 
legte er  die  Höfe  des  antoninischen  (Antoninus  Caracalla,?)  Palastes  mit  kostbaren 
Pavimenten  aus  Porphyr  und  lacedämonischem  Marmor  (Serpentin)  ^  und  erbaute  auch 
ein  öffentliches  Bad  wie  ein  Local  für  seine  schnöden  Ausschweifungen.  *  Alexander 
Severus,  welcher  die  bei  Elagabal  bezeichneten  Pavimente  zu  so  allgemeiner  und 
ausschliesslicher  Anwendung  brachte,  dass  sie  den  Namen  opus  Alexandrinum  er- 
hielten %  der  mit  der  Art  selbst  bis  ins  späteste  Mittelalter  in  den  Prachtböden  der 
Kirchen  in  Geltung  blieb,  erbaute  seiner  von  ihm  hochverehrten  Mutter  Mammaea 
besondere  Wohnungen  (diaetae)  auf  dem  Palatin,  •■•  welche  der  Umgebung  derselben 
den  im  Volksmunde  sich  länger  erhaltenden  Namen  »adMammam«  verschafften.  Unter 
den  dem  Maxentius  zugeschriebenen  Thermen'  endlich  sind  vielleicht  lediglich  Um- 
bauten oder  Erweiterungen  schon  vorhandener  zu  verstehen. 

Durch  die  Verlegung  des  Thrones  nach  Byzanz  verloren  die  Palastanlagen 
den  Glanz  ihrer  Ausstattung,  und  nachdem  Rom  auch  aufgehört  hatte  die  Haupt- 
stadt des  Westens  und  die  gelegentliche  Residenz  der  lateinischen  Kaiser  und  by- 
zantinischen Exarchen  zu  sein,  auch  Zv^eck  und  Mittel  der  Erhaltung.  Restaurations- 
arbeiten, wie  die  durch  eine  vom  Einsiedler  Anonymus  „in  foro  Palatini"  abgeschriebene 
Inschrift  des  Valens  Valentinian  und  Gratian  (von  36G  n.  Chr.)  bezeugte,  waren 
wohl  Ausnahmen  und    beschränkten    sich    auf  das  Nöthigste  in  der  dieser  Zeit  ge- 


*  Gregorovius,  Gesch.  d.  Sladt  Rom  im  Mittelalter  V.  S.  317.  2  Script.  H.  A.  (Lamprid.)  Heliogab. 

1.  3.  Herodian.  V.  3,  5.  Aur.  Vict.  Caess.  23.  3  Script.  H.  A.  Heliogab.  24.  ^  id.  3.  8.         5  Script.  H. 

A.  (Lamprid.)  Heliog.  25.  6  id.  Alex.  Sev.  26.  ">  Catal.  Imp.  Vienn.  (Rone.  Tom  II.  col.  248.) 


Die  Geschichte  des  Palatinus.  371 

wohnlichen  künstlerischen  Rohheit.  Dass  dann  die  beutesüchtigen  Gothen  und  Van- 
dalen  in  der  Kaiserburg  nicht  bloss  von  den  kostbaren  beweglichen  Gegenständen 
nichts  übrig  Hessen,  sondern  auch  Manches  von  dem  zur  Entführung  Ungeeigneten 
zerstörten,  wird  nach  den  Schilderungen  von  der  Einnahme  Roms  durch  Alarich 
(409) '  wie  durch  Genserich  (455)  '^  nicht  bezweifelt  werden  können,  obwohl  ihnen, 
wie  Gregorovius  gezeigt  hat,  hinsichtlich  der  Zerstörung  von  Bauwerken  zu  viel  zur 
Last  gelegt  worden  ist.  Konnte  doch  Odoaker  i.  J.  465  den  Palast  noch  bewohnen,  ^ 
und  ebenso  35  Jahre  später  Theoderich,  welcher  indess  um  dem  durch  mehr  als 
hundertjährige  Vernachlässigung  einreissenden  Veifall  vorzubeugen,  schon  umfassende 
Ausbesserungen  vornehmen  musste,  ^  von  welchen  auch  Ziegelstempel  mit  seinem 
Namen,  an  verschiedenen  Stellen  gefunden ,  Zeugniss  geben.  Seinen  Bemühungen 
scheint  es  zu  danken  gewesen  sein,  dass  noch  Kaiser  Herachus  i.  J.  629  im  Palaste, 
wahrscheinlich  im  Hauptsaale  der  domitianischen  Anlage  gekrönt  werden  konnte.  ^ 
Von  da  ab  scheint  aber  der  Verfall  der  palatinischen  Gebäude  trotz  beste- 
hender besonderer  Aufsichtsbehörde ''  reissende  Fortschritte  gemacht  zu  haben.  Nach 
den  Aufzeichnungen  des  Einsiedler  Anonymus  ist  anzunehmen,  dass  der  Palatin 
bereits  im  8.  Jhrh.  zum  grössten  Theile  ein  Trümmeihaufen  gewesen  sei,  der  wenig 
mehr  klar  erkennen  liess.  Die  übrig  bleibenden  Gewölbe  wurden  zu  Magazinen 
und  Speichern,  die  Abhänge  zu  Gärten  benutzt,  die  sich  auch  allmälig,  sobald  sich 
der  nöthige  Humus  aus  und  über  dem  Schutte  gebildet  hatte,  über  das  Plateau 
verbreiteten.  Im  J.  975  finden  wir  einen  Theil  des  Hügels  um  das  Septizonium  des 
Severus  herum,  aus  Grotten  und  Gärten  bestehend,  dem  Kloster  S.  Gregorio  geschenkt  ' 
und  in  demselben  Jahrhundert  erhob  sich  auch  bereits  ein  Kloster  auf  dem  Hügel 
selbst,  S.  Maria  in  Paladio  (Palatio  oder  Palladio  mit  Bezug  auf  das  alte  Palladium 
palatinum ,  dessen  eine  auswärtige  Inschrift  erwähnt?^)  später  S.  Maria,  SS.  Seba- 
stiane e  Zotico  und  S.  Andrea  in  Pallara  genannt.  Es  bewahrte  das  Andenken 
daran,  dass  S.  Sebastianus  angeblich  im  palatinischen  Hyppodrom,  wahrscheinlicher  im 
Circus,  den  Marterlod  gefunden. "  Eine  andere  Kirche  erbaute  P.  Calixlus  dem  h. 
Nicolaus.  Sonst  wissen  wir  noch,  dass  die  Leoni  und  Frangipani  im  12.  Jahrhun- 
dert dort  einige  Fortificationen  anlegten.**^  Dass  aber  im  Ganzen  der  Hügel  während 
des  Mittelalters  ziemlich  verödete,  ist  wohl  zum  grossen  Theile  auf  Rechnung  der 
Massenhaftigkeit  der  Ruinen  zu  setzen,  welche  zwar  reiche  Materialausbeute  ge- 
währten, aber  in  ihrem  Kerne  schwer  zu  bewältigen  waren. 


*  Oros.  VII.  39.      2  Procop.  Bell.  Vand.  I.   4.       3  Cassiod.  Chion.  (Rone.  Tom.  II.  p.  233.)        *  Cas^jod. 
Var.  VII.  5.  »  Chron.  Cassin.  (Mural.  R.  J.  Script,  T.  II.  p.  I.)       «de  Rossi,  Bull,  di  arch.  crist.  1866  p. 

9  sq.  7  Mittarelli  Ann.  Camald.  App.  tom.  I.  p.  97.  »  de  Rossi,  Bull,  di  arch.  crist.  1867.  p.  15  sq. 

9  Martinelli  Roma  ex  ethnica  sacra  p.  393,        »^  Pandolf.   Pisan.  Vita  Gelasii  II   (Murat.    R.  It.  Script,   tom.  III. 
p.  376.) 

47» 


372  ^^^  Palatinus. 

Nach  dem  Aufhören  der  feudalen  Zeit  bauten  die  Mattei  in  der  Mitte  des 
16.  Jahrhunderts  eine  Villa  auf  der  Südwestseite  und  verwandelten  einen  grossen 
Theil  des  Hügels  in  einen  Garten.  Die  Villa  kam  1689  in  den  Besitz  der  Spada, 
1765  des  Marchese  Magnani,  1777  des  Franzosen  Rancoureil,  1787  des  österrei- 
chischen Botschafters  Brunati  und  1818  des  bekannten  englischen  Archäologen  W. 
Gell,  der  sie  aber  bald  seinem  Freunde  Ch.  Mills  abtrat.  Jetzt  ist  sie  (seit  1857) 
in  ein  Nonnenkloster  der  Salesianerinen  umgewandelt  und  desshalb  unzugänglich. 
Gleichzeitig  mit  der  Villa  Mattei  entstanden  auch  die  Orti  Farnesiani,  von  bedeutend 
grösserem  Umfange  als  die  erstere  und  auch  mit  mehr  baulichem  Aufwände  ausge- 
stattet, aber  an  Lieblichkeit  der  Lage  und  Gestalt  jener  nicht  vergleichbar.  Durch 
Heirath  kamen  die  farnesischen  Gärten  mit  den  anderen  Besitzungen  dieses  Hauses 
an  Spanien,  dann  an  die  Bourbonen  in  Neapel,  seit  welcher  Zeit  die  Villa,  der  an- 
tiken und  modernen  Ausstattung  beraubt  und  in  einen  Nutzgarten  verwandelt,  ver- 
ödete. 1861  sind  die  farnesischen  Gärten  von  König  Franz  H.  von  Neapel  käuflich 
an  Kaiser  Napoleon  HL  übergegangen,  nach  dessen  Sturz  aber  1870  an  die  italie- 
nische Regierung. 

In  beiden  Villen  wurden  auch  die  ersten  systematischen  und  nicht  aus- 
schliessend  auf  Plünderungssucht  beruhenden  Ausgrabungen  vorgenommen.  Zuerst 
in  den  farnesichen  Gärten,  wo  der  gelehrte  Veroneser  Abbate  Fr.  Bianchini,  unter 
Clemens  XL  Commissär  der  römischen  Alterthümer,  die  von  Herzog  Franz  L  von 
Parma  und  Piacenza  angeordneten  Nachforschungen  von  1720 — 1726  leitete,  und 
deren  Ergebnisse  in  einem  stattlichen  nach  seinem  Tode  publicirten  Werke  ^  zu- 
sammenstellte. Sie  beschäftigten  sich  hauptsächlich  mit  der  Aufdeckung  des  domi- 
tianischen  Palastes,  ohne  jedoch  zur  Kenntniss  des  ganzen  Zusammenhanges  der- 
selben wie  der  Stellung  dieses  Palastes  zu  den  übrigen  zu  gelangen.  Von  Vortheil 
war  übrigens  die  Untersuchung  für  die  Sache  deshalb  nicht,  weil  sie  eine  ergiebige 
Ausbeutung  und  Zerstreuung  der  Funde  zur  Folge  hatte,  und  einer  sachkundigeren 
späteren  Forschung  nur  mehr  die  kahlen  Mauermassen  übrig  hess.  Ein  halbes 
Jahrhundert  später  (1 777)  unternahm  der  Franzose  Rancoureil  die  zusammenhängende 
Ausgrabung  der  Ueberreste  der  in  seinen  Besitz  gekommenen  Villa  Mattei-Spada, 
und  fand  dabei  einen  abgeschlossenen  anscheinend  palastartigen  Complex,  jedoch 
von  kleineren  Dimensionen,  als  sie  der  domitianische  Palast  darbot.  Nachdem  aber 
einige  Pläne  und  Aufrisse  (durch  den  Architekten  Barberi)  wie  ungenügende  Be- 
schreibungen^ geliefert  waren,  wurden  die  Reste  theils  zerstört,  theils  wieder  ver- 


1  Fr.  Bianchini,  II  Palazzo  dei  Cesari.     Opera  postuma.     Verona  1738.  2  Guattani,  Monumenti  an- 

tichi  inediti  ovvero  Notizie  sulle  anticliitä  e  belle  arti  di  Roma.  R.   1785  p.   1—7,  29—30,  59—60,  75—80,    83 
—87.  G.  Thon  e  V.  Ballanti,  11  Palazzo  dei  Cesari.  Roma.  1828. 


Die  Geschichte  des  Palatinus.  373 

schüttet   und   verbaut,   ohne   bis  jetzt  wieder  in  Untersuchung  gezogen  werden  zu 
können. 

Ausser  der  durch  alle  Jahrhunderte  gehenden  gelegentlichen  und  ungeord- 
neten Material-  und  Kunstausbeutung  geschah  dann  bezüglich  des  antiken  Palatin 
nichts  Erhebliches  mehr  bis  Kaiser  Nicolaus  von  Russland  die  Vigna  Nusiner  an  der 
Westecke  des  Hügels  zum  Zweck  systematischer  Ausgrabungen  ankaufte,  die  1846 
begonnen  ^  und  bis  1 857  fortgeführt  wurden,  worauf  die  päpstliche  Regierung  gegen 
Abtretung  einiger  antiker  Sculpturen  an  Russland  das  Terrain  zur  Fortsetzung  der 
Arbeiten  übernahm  und  von  1 869  an  unter  Leitung  von  P.  H,  Visconti  weiter  bios- 
legte. Hiezu  wurden  damals  auch  die  angrenzenden  Grundstücke  des  südwestHchen 
Abhanges,  die  Vignen  Butirroni,  Collegio  Inglese  und  Bonfratelli  erworben.  Allein 
die  Arbeiten  und  Ergebnisse  an  jenem  Abhänge  waren  von  geringer  Bedeutung 
verglichen  mit  der  grossartigen  von  P.  Rosa  geleiteten  Blosslegung  des  Gebietes 
der  farnesischen  Gärten,  welches,  wie  oben  erwähnt,  Napoleon  III.  zu  diesem  Zwecke 
erworben  hatte.  Als  mehrjähriger  Gehilfe  Canina's  hatte  der  unermüdliche  Intendant 
sich  seither  als  den  tüchtigsten  praktischen  Topographen  Roms  bewährt  und  die 
Arbeit  war  daher  mit  dem  besten  Erfolge  gekrönt.  Seit  nunmehr  1 7  Jahren  ist  fast 
die  ganze  Nordwesthälfte  des  Hügels  von  dem  Schutte  befreit,  und  überdiess  auch 
Einiges  von  den  Resten  der  severischen  Anlage  an  der  Südecke  des  Hügels  bloss- 
gelegt  worden.  Es  steht  zu  hoffen,  dass  in  nicht  zu  ferner  Zeit  Alles ,  was  nicht 
von  Cultgebäuden  bedeckt  ist,  der  topographischen  Forschung  erschlossen  sein  wird. 
Das  Wesentlichste  indess  ist  geschehen. 

70.  Die  Ruinen  an  den  Abhängen  der  Nordwesthälfte  des  Palatin. 

Der  Hügelabhang  zwischen  S.  Maria  Liberatrice  und  dem  Titusbogen  hat 
seine  ursprüngliche  Gestalt  wesentlich  verändert.  BeträchtUch  vorgeschoben  über 
die  frühere  Hügelgränze  zeigt  er  jetzt  nur  noch  an  der  Nordecke  die  mächtigen 
Substructionsgewölbe,  welche  wir  als  zum  Erweiterungsbau  des  Galigula  gehörig 
erkennen  werden :  in  der  übrigen  Ausdehnung  haben  die  Umschliessungs-  und  Poital- 
bauten,  die  Terrassen-,  Treppen-,  Grotten-  und  Gasino-Anlagen  der  Farnese  aus 
dem  16.  und  17.  Jahrb.,  grossentheils  Vignola's  Werk  fast  jede  antike  Spur  verwischt. 

Vor  dem  jetzt  von  dem  Chef  der  palatinischen  Ausgrabungen ,  Senator 
Comm.  P.  Rosa,  bewohnten  Casino,  das  gleichfalls  von  den  Farnese  auf  antike 
Substructionen  gegründet  ist,  angelangt,  wenden  wir  uns  zur  Linken,  und  ge- 
langen an  Gewölben  aus  der  Kaiserzeit  vorbei  an  die  ursprüngHche  Hügelgränze, 
wo  bald  antikes  Strassenpflaster   dem  Auge  begegnet.    (I.  des  beigefügten  Planes). 


374  ^^^  Palatinus. 

Seiner  Richtung  nach  auf  eine  Abzweigung  von  der  Sacra  via  deutend ,  die  in  ge- 
radliniger Verlängerung  vom  Titusbogen  her  annähernd  in  der  Linie  von  Nord 
nach  Süd  in  der  Mitte  des  Hügels  geführt  zu  haben  scheint,  zeigt  dieses  Strassen- 
stück  nicht  blos  ungewöhnliche  Breite,  sondern  auch  Basaltpolygone  von  ausseror- 
dentlicher Grösse,  überdiess  zum  Zwecke  bequemerer  Auffahrt  gerippt  behauen. 
Eine  besondere  Verkehrsbedeutung  der  Strasse  ist  daraus  unverkennbar,  die  Richtung 
lässt  auch  keinen  Zweifel  übrig,  dass  wir  hier  den  Hauptzugang  des  Palatin  vor 
uns  haben,  der  von  der  Summa  sacra  via  und  von  dem  Scheitel  der  Velia  nach 
der  Porta  Mugonia  und  durch  diese  ins  Innere  der  Roma  quadrata  führte. 

Ein  massiver  Unterbau,  der  zur  Rechten  unmittelbar  an  die  Strasse  herantritt 
(II)  wird  mit  der  Porta  Mugonia  oder  P.  vetus  Palatii  identificii't,  könnte  aber  freilich 
nach  seiner  Construclion  nur  ein  Portalbau  aus  der  Kaiserzeit  sein,  welcher  übrigens 
möglicherweise  an  der  Stelle  des  alten  Thores  errichtet  war.  Denn  unmittelbar 
neben  ihm  erhebt  sich  die  leider  sehr  verwüstete  Substruction  eines  ansehnlichen 
Tempels  (III)  der  im  Zusammenhange  mit  dem  Thore  mit  Recht  für  jenen  des  Ju- 
piter Stator  gehalten  wird,  von  welchem  die  Tradition  bis  auf  Romulus  zurückgeht. 
Die  Substruction  zeigt  an  einigen  Steinblöcken  Marken  wie  PHILOCRATE,  DIOCL, 
die  mindestens  auf  spätere  republikanische  Zeit  hinweisen.  Ob  die  in  der  Nähe  ge- 
fundenen Peperinsäulchenfragmente  mit  den  archaisirenden  Inschriften  MARSPITER 
(Marspater)  \  REMVREINE  (auf  Remuria  zu  deuten)  ANABESTAS  (?)  und  FERT. 
ERESIVS  REX  AEQVEICOLVS  |  IS  PREIMVS  |  IVS  FETIALE  PARAVIT  INDE 
P.  R.  j  DISCIPLEINAM  EXCEPIT  (auf  den  mythischen  König  der  Aequicoler  Ferter 
Eresius  bezüglich)  zu  dem  Tempel  gehörten,  ist  ungewiss,  aber  wahrscheinlich,  da 
das  uralte  Heiligthum  voraussichtHch  nicht  ohne  mythische  Reliquien  war.  Thor 
und  Tempel  mussten  sich  unmittelbar  nahe  an  einander  und  beide  keinesfalls  ferne 
von  dieser  Stelle  befinden,  so  dass  die  aufgestellten  Vermuthungen  alle  Wahrschein- 
lichkeit für  sich  haben.  Wie  aber  an  die  ursprüngliche  Gestalt  bei  Beiden  nicht 
zu  denken,  so  ist  ein  drittes  denselben  benachbartes  Gebäude  völlig  verschwunden, 
nemlich  das  Haus  des  Tarquinius  Priscus,  und  ebensowenig  dürfte  das  Suchen  nach 
dem  Piedestal  der  vor  dem  genannten  Haus  und  Tempel  befindlichen  Clöliastatue 
Aussicht  auf  Erfolg  haben.  Die  Beweisstellen  für  die  Lage  dieser  Schöpfungen  der 
Königszeit  sind  in  der  Baugeschichte  des  Palatin  (S.  359  fg.)  gegeben. 

Zur  Entscheidung  der  Frage  über  den  Mauerzug  der  Roma  quadrata  von 
Porta  Mugonia  aus  gegen  die  Nordecke  des  Hügels  bieten  weder  Reste  noch  Terrain 
Material.    Wir  befinden  uns  jedoch  in  der  Richtung  suchend  bald  auf  einer  zweiten 


'  Fabretti  Inscsr.  97.  195,  jetzt  verloren. 


Die  Ruinen  an  den  Abhängen  der  Nordwesthälfte  des  Palatin.  375 

antiken  Strasse  von  etwas  kleineren  Dimensionen  (IV),  welche  gleichfalls  gegen 
Porta  Mugonia  emporzusteigen  scheint,  die  wir  aber  abwärts  (gegen  Norden)  ver- 
folgen, wobei  die  prächtigen  Ruinenmassen  mit  dem  Gepräge  der  ersten  Kaiserzeit, 
welche  sich  beiderseits  an  sie  drängen  und  zum  Theil  sogar  darüber  wegführen, 
vorläufig  unbesprochen  bleiben  sollen.  Die  Strasse  endigt  plötzlich  an  der  steilab- 
fallenden nördlichen  Hügelecke,  und  es  erscheint  ziemlich  sicher,  dass  hier  die 
Stelle  des  zweiten  Palatinthores ,  der  Porta  Romana  oder  Romanula  sei  (V) ,  zu 
welcher  man  da  wo  man  vom  Velabrum  in  die  Nova  via  gelangte,  auf  den  Stufen 
des  Clivus  Victoriae  emporstiegt  Wenn  sie  aber  zugleich  in  infimo  clivo  Victoriae 
war,  ^  so  ist  die  Strasse  auf  welcher  wir  herabkamen  der  genannte  Clivus.  Freilich 
fördert  hier  das  authentischeste  Unterstützungsmittel  der  römischen  Topographie,  der 
capitolinische  Plan  nicht  weiter.  Denn  das  Planfragment,  das  die  Strassenbezeich- 
nung  clivus  Victoriae  trägt,  ^  neuestens  durch  eine  glückliche  Ergänzung  vergrössert,  ^ 
bereitet  vielmehr  durch  seine  Mauerlinien  dem  Ruinenbefunde  gegenüber  als  auch 
durch  die  Namen  des  Septimius  Severus  und  Caracalla  an  der  Stelle  wo  man  den 
tiberianisch-caligulanischen  Complex  annehmen  muss,  jedem  Einfügungsversuch 
Schwierigkeiten,  so  dass  die  Vermuthung,  das  Fragment  sei  vielmehr  an  die  Südost- 
seite des  Palatin  zu  legen, "  wo  die  Bauten  des  Severus  sich  zweifellos  befanden, 
nicht  ganz  abzuweisen  ist,  wenn  es  auch  immer  noch  wahrscheinlicher  ist,  dass 
der  Zeichner  des  capitolinischen  Plans  wie  auch  sonst  im  Detail  des  Wohnhauses 
hier  ungenau  und  den  Strassencurven  und  schieflinigen  Mauern  gegenüber  etwas 
unbeholfen  und  confus  gewesen.  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  theilte  sich  vor 
Porta  Romanula  der  Weg,  so  dass  eine  Treppe,  deren  Begränzung  man  an  dem 
steilen  Hügelabfall  noch  verfolgen  kann  (VI)  in  der  Richtung  auf  S.  Maria  Liberatrice 
und  auf  das  Forum ,  ein  anderer  Clivus  südwärts  nach  dem  Velabrum  und  fühlte. 
Wir  verfolgen  in  letzterer  Richtung  den  modernen  Weg  am  Fiisse  der  unfe- 
gelmässigen  Substruktionsmauern  des  Höhenrandes  von  der  Nordecke  zur  Westecke 
hin.  Zur  Rechten  heben  sich  aus  dem  ärmlichen  Quartier  erst  die  mächtigen  Mauer- 
massen der  sog.  Substruction  der  Caligulabrücke,  (vgl.  S.  1  42)  dann  der  gleichfalls 
hinsichtlich  seines  Ursprunges  nicht  völlig  gesicherte  Rundbau  von  S.  Teodoro,  wäh- 
rend zur  Linken  in  malerischem  Gemisch  alles  denkbaren  Materials  vom  Quaderbau 
bis  zum  betonartigen  Gusswerk  und  von  Constructionen  der  romulischen  bis  auf  die 
neuere  Zeit  die  entblösste  und  vielfach  geborstene  Plateausubstruction  sich  hinzieht. 
(VII).    Wer   sich  antiquarischen  Träumereien  hingeben  will,  mag  hier  die  Reste  der 


»Varro  L.  L.  V.  34,  46.  p.  164  VI.  3,  58.  p.  205  (Spengel.)  2  fest.  s.  v.  Romanam  portani.  3  H.  Jor- 
dan, Forma  U.  R.  tab.  VII.  37.  *  A.  Trendelenburg,  Zwei  zusammengehörige  Fragmente  des  capitolinischen 
Stadtplanes.     Archäol.  Zeitung  1876.  S.  52.  53.         «II.  Jordan  1.  c.  II.  3. 


gtyg  Der  Palati nus.  - 

Porticus  suchen,  die  Catulus  nach  seinem  Cimbernsi'ege  erbaute,  oder  die  Spuren  des 
an  diese  sich  anschhessenden  Hauses  des  Cicero.  Die  vielfachen  Brechungen,  Vor- 
sprünge und  Winkel,  welche  die  ganze  Terrassenverkleidung  zeigt,  beweisen,  dass 
diese  keineswegs  ein  einheitliches  Werk  etwa  der  Kaiserzeit  war,  sondern  d.ass  sie 
allmälig  aus  einer  Anlage  entsprungen  sei ,  welche  noch  die  Formation  des  hier 
ziemlich  schroff  abfallenden  Hügel  ökonomisch  festhielt,  und  es  ist  daher  die  Annahme 
keineswegs  gewagt,  dass  im  Wesentlichen  der  Mauerzug  der  palatinischen  Stadt 
bestimmend  geblieben  sei.  An  verschiedenen  Punkten  (beiVHI)  scheinen  auch  die 
Spuren  derselben  in  vereinzelten  Blöcken  zu  Tage  zu  treten,'  während  in  den  le- 
benden Fels  gebrochene ,  vielleicht  auch  theilweise  natürliche  Höhlengänge  (IX)  an 
Favissä,  namentlich  aber  an  das  Lupercal  denken  lassen,  welches,  wie  oben  darge- 
than  wurde,  in  dieser  Gegend  gesucht  werden  muss. 

Unmittelbar  vor  der  südwestlichen  der  beiden  wie  nebenan  vor  der  West- 
ecke des  Hügels  finden  sich  die  schönsten  und  sichersten  Mauerstücke  der  Roma 
quadrata  (X.  XI).  An  der  einen  Stelle  bis  zu  15  Meter  lang  ununterbrochen  und 
in  5  Lagen  übereinander  erhalten  zeigen  sie  die  Gonstruction  in  einer  Deutlichkeit, 
die  nichts  zu  wünschen  übrig  lässt.  Die  Lagen  wechseln  nach  dem  Läufer-  und 
Bindersystem  und  zeigen  am  Hügel  selbst  gebrochene  Tufblöcke  mit  einer  Länge 
von  1,10  bis  1,20  Meter  bei  einer  Breite  und  Höhe  von  0,53  und  0,53  Meter;  doch 
vermindern  sich  die  Blöcke  nach  oben  um  je  0,o3  Met.  an  Breite,  wodurch  eine 
leichte  Verjüngung  der  Mauer  nach  oben  entsteht,  welche  übrigens  im  Ganzen,  je 
nachdem  sie  an  den  Fels  angelehnt  ist  oder  sich  frei  erhebt  zwischen  1,20  und 
3  M.  an  Dicke  wechselt.  Die  systematische  Regelmässigkeit  des  servischen  Mauer- 
werks findet  sich  noch  nicht,  namentlich  treffen  die  Stossfugen  einer  oberen  Reihe 
häufig  auf  solche  der  nächstunteren,  was  eine  geringere  Technik  verräth.  Uebrigens 
sitzen  die  Blöcke  sehr  exakt  auf-  und  nebeneinander,  und  von  einem  Bindemittel 
findet  sich  keine  Spur.  Bei  XI  beugt  die  Mauer  in  stumpfem  Winkel  gegen  Süden 
ab  und  bildet  so  die  abgestumpfte  Westecke,  welche  jedoch  durch  Anbauten  aus 
der  Kaiserzeit  sehr  entstellt  und  nur  theilweise  sichtbar  ist. 

Hat  man  die  Ecke  umschritten,  so  fällt  unterhalb  des  Weges  ein  Altar  auf, 
welcher  aus  der  durch  die  moderne  Bodenerhöhung  gebildeten  Verschüttung,  inner- 
halb welcher  er  blossgelegt  ist,  nur  wenig  hervorragt  (XII).  Er  wurde  bereits  vor 
einem  halben  Jahrhundert  entdeckt  und  ist  an  seiner  ursprünglichen  Stelle  geblieben. 
VonTravertinund  ziemlich  roh  gearbeitet  zeigt  er  einen  an  etrurische  Vorbilder  gemah- 
nenden Archaismus  in  den  wulstigen  schwerfälligen  Schmiegen  wie  in  den  voluten- 
artigen Polsterenden  der  Oberfläche  (vgl.  die  beifolgende  lithographische  Abbildung). 
Die  an  der  Südseite  befindliche  und  noch  leicht  lesbare  Inschrift  lautet: 


(0 

a. 


(1) 


Ww  liuiiien  an  den  Abhängen  der  Nordwesthälfte  des  Pidatin.  377 

SEI    DEO    SEI  •  DEIVAE    SAC 

C    SEXTIVS    C    F    CALVINVS    PR 

DE    SENATI    SENTENTIA    RESTITVIT 

Man  kennt  zwei  G.  Sextius  Galvinus:  Vater  und  Sohn;  der  ersteie  war  Consul  i.  J. 
630  d.  St.,  der  letztere  bewarb  sich  654  d.  St.  um  die  Prätur.  ^  Der  Zusatz  C.  F. 
und  der  Wurdemangel  lassen  hier  zunächst  an  den  Sohn  denken,  wonach  das  Denk- 
mal in  das  letzte  Jahrhundert  v.  Ch.  zu  setzen  wäre,  das  übrigens,  wie  die  Inschrift 
besagt  und  durch  ihren  Archaismus  andeutet,  nur  ein  schon  vorhandenes  älteres  er- 
setzte. Der  Fundort  macht  indess  wenig  geneigt ,  es  wie  Mommsen  gewollt  mit 
dem  Altar  in  Verbindung  zu  bringen,  der  »in  imma  nova  via«  beim  Vestatempel  aus 
Anlass  des  geheimnissvollen  Warnungsrufes  bei  Annäherung  der  Gallier  errichtet 
worden  ist,  da  dieser  überdiess  seinen  Namen  (Ajus  Locutius)  hatte.  Ueberhaupt 
dürfte  es  schwer  sein  zu  ergründen,  welcher  Veranlassung  dieser  »der  unbekannten 
Gottheit«  errichtete  Altar  seine  Entstehung  verdankte.  Denn  erstlich  war  der  Fall 
nicht  selten,  dass  man,  wenn  die  Competenz  des  einen  oder  andern  Gottes  zweifel- 
haft war,  sich  einer  allgemeinen  Formel  bedient,  um  sich  vor  einem  Verstoss  und 
der  damit  zusammenhängenden  göttlichen  Ungnade  zu  bewahren.  Dann  war  auch 
nicht  jede  Localgottheit  mit  einem  besonderen  Namen  begabt,  wie  aus  einer  Formel 
der  Arvaltafeln  »Sive  deo  sive  deae  in  cujus  tutela  hie  lucus  locusque  est«"  her- 
vorgeht. Sollte  daher  vielleicht  an  die  Schutzgottheit  dieser  Ecke  des  Pomoerium 
zu  denken  und  an  jeder  Ecke  ein  ähnlicher  Altar  vorauszusetzen  sein? 

Die  Mauern  des  südwestlichen  Hügelrandes  zeigen  noch  an  zwei  Stellen 
muthmassliche  Reste  der  Roma  quadrata,  nemlich  an  den  mit  XIII  und  XIV  be- 
zeichneten Punkten.  Den  ersteren  ziemlich  nahe  und  unmittelbar  rechts  neben  dem 
modernen  Magazin  mit  der  Büste  Bianchini's  befindet  sich  der  (1877)  noch  nicht 
völlig  blossgelegte  steile  Aufgang  zum  Palatin,  der  in  seinem  oberen  ganz  aufge- 
deckten Ende  später  noch  näher  betrachtet  werden  soll  (Scala  Caci  XV).  Das 
Mauerstück  XIV  aber  ist  von  besonderem  Interesse  durch  seine  Lage;  statt  sich 
nemlich  an  die  Linie  des  südwestlichen  Abhanges  zu  halten,  ist  es  perpendiculär 
auf  dieselbe  gerichtet,  als  ob  die  Befestigung  hier  eine  Ecke  gebildet  und  sich  dann 
ungefähr  in  der  Richtung  des  obenerwähnten  den  Palatinus  theilenden  Thaleinschnittes 
nordöstlich  gegen  Porta  Mugonia  gewendet  hätte.  Verbindet  man  jedoch,  um  sich 
diess  zu  vergegenwärtigen  die  erhaltenen  Mauerfragmente  der  Westecke  mit  dem 
äusseren  Ende  des  fiaglichen  Mauerstückes,  so  ergiebt  sich  ein  so  spitzer  Winkel, 
wie  er  für  antike  Fortificationen  kaum  angenommen  werden  darf,  so  dass  man  viel- 
mehi-,  wenn  überhaupt  das  Stück  zur  Roma  quadrata  gehörte,  annehmen  muss,  die 

1  Cic.  Brut.  34.  de  orat.  2.  60.         ^  Marini,  Atti  dei  trat.  Arv.  tav.  XXXII.  p.  370  sq. 
F.  Hkiikk,  Rom.  48 


378  ^^^  Palalinus. 

von  der  Westecke  her  sich  an  den  Htigehand  hallende  Mauer  habe  sich  an  das 
innere  Ende  des  Fragmentes  XIV  angeschlossen,  wodurch  sich  dieses  als  zur  Be- 
festigung eines  Hügelvorsprunges,  deren  Stirnseite  mit  der  Rückwand  des  sogleich 
zu  schildernden  Hauses  identisch  wäre,  gehörig  erweisen  würde.  In  diesem  aller- 
dings wahrscheinlicheren  Falle  wird  die  Annahme,  dass  die  Roma  quadrata  nur  die 
nordwestliche  Hälfte  des  Berges  eingenommen,  grundlos. 

Waren  aber  wohl  zumeist  Privatgebäude  der  republicanischen  wie  der  Kai- 
serzeit, nachmals  gewöhnlich  den  Erweiterungsbauten  der  Residenzen  einverleibt, 
an  die  Hügelsubstruction  angelegt,  so  fanden  sich  diese,  soweit  die  bisherigen  Aus- 
grabungen reichen,  nirgends  in  solcher  Erhaltung  wie  hier,  wo  der  herabrollende 
Schutt  der  an  dieser  Stelle  besonders  steilen  Höhe  frühzeitig  schützend  gewirkt  hat. 
Erhalten  ist  freilich  nur  der  dem  Hügel  nächstliegende  Theil,  in  einer  Flucht  von 
Gemächern  (XVI)  bestehend,  welche  eine  Seite  eines  Hofoblongums  bildete.  Dieses 
scheint  ein  Peristyl  gewesen  zu  sein,  wenigstens  wurde  noch  eine  Säule  gefunden, 
die  jetzt  unter  den  modernen  Pfeilern  steht,  welche  zum  Zweck  der  Anbringung 
von  hier  gefundenen,  vielleicht  aber  vom  Palatin  herabgestürzten  Marmorgebälken 
aufgerichtet  worden  sind.  Schon  vor  dem  Eingang  zu  diesem  Complexe  sieht  man 
der  obenerwähnten  (XIV)  Quadermauer  entlang  etliche  Gemächer  geringerer  Erhal- 
tung, die  vielleicht  zu  demselben  Hause,  möglicherweise  aber  zu  einem  benach- 
barten gehört  haben.  Die  Gemächerreihe  innen  (XVI)  aber,  von  welcher  der  Mittel- 
raum exedrenförmig  ist,  zeigen  noch  ihren  farbigen,  freilich  ziemlich  rohen  und 
einfachen  Wandschmuck  in  guter  Erhaltung,  welcher  durch  jene  Wandkritzeleien 
der  Bewohner,  die  man  Sgraffiti  nennt,  ein  aussergewöhnliches  Interesse  erlangt 
hat.  Zunächst  lassen  mehre  Inschriften  der  Art,  die  sonst  interesselosen  Namen 
mit  dem  Zusätze  (MI)  V.  D.  N  (Miles  veteranus  Domini  nostri)  verbindend,  oder  eine 
andere,  welche  zwei  PEREGRIni  (Angehörige  der  Fremdenlegion)  nennt,  schliessen, 
dass  wir  es  hier  mit  einem  Soldaten-  wenn  nicht  Wachequartier  zu  thun  haben, 
welches  nach  dem  Zusätze  DE  PAEDAGOGIO  bei  anderen  eingekratzten  Namen 
vielleicht  mit  einer  Art  von  Pagenhause  in  Zusammenhang  stand.  Von  noch  grösserer 
und  mehr  culturhistorischer  Bedeutung  aber  sind  andere  Kritzeleien,  in  welchen 
müssige  und  rücksichtslose  Hände  Scherz  und  Spott  mit  Kameraden  trieben,  na- 
mentlich das  seit  der  Auffindung  im  Gemache  rechts  von  der  Exedra  in  weitesten 
Kreisen  berühmt  gewordene  Spottbild,  (jetzt  von  der  Wand  abgenommen  und  ins 
Museum  Kircherianum  gebracht).  Es  ist  eine  in  jedem  Sinne  ungemein  rohe  bild- 
liche Darstellung  verbunden  mit  erklärenden  Worten.  Die  erste  zeigt  eine  in  den 
einfachsten  Linien  gezeichnete  Kreuzform  mit  zwei  Querhölzern,  das  obere,  überragt 
von  dem  aufgesteckten  Täfelchen,    zum  Anheften  der  Hände,  das  untere  zum  Auf- 


Die  Ruinen  an  den  Abhängen  der  Nordwesthälfte  des  Palatin.  379 

stellender  Füsse  bestimmt.  Eine  nur  in  den  allgemeinsten  Umrissen  gezeichnete  Figur 
scheint  mit  ausgebreiteten  Armen  an  dasselbe  geheftet,  aber  statt  des  menschlichen 
Hauptes  wendet  sich  ein  Eselskopf  zu  dem  seitwärts  gezeichneten  Verehrer,  welcher 
einen  Arm  wie  zur  Ansprache  oder  Adoration  zum  Gekreuzigten  emporhebt.  Zwi- 
schenhinein  und  unterhalb  sind  folgende  trotz  der  rohen  Hand  mit  Sicherheit  zu 
entziffernde  Worte  geritzt:  ^I^ES^MENO::^  GEBETE  QEQN  {Äle^äf-ievog  oeßetai  ^eov 
Alexamenos  verehrt  [seinen]  Gott).  Dass  es  sich  hier  um  Spott  gegen  einen  christ- 
hchen  Genossen  handelt,  war  unschwer  zu  erkennen,  noch  ehe  (i  870)  eine  andere 
halbgriechische  Inschrift  in  einem  der  dreieckigen  Räume  hinter  der  Exedra  „^yiE- 
BAMENO:^  FIDELI8''  zu  Hülfe  kam.  Die  rohe  Schreibweise  erlaubt  keinen  Schluss 
auf  das  Alter  dieser  merkwürdigen  Denkmäler,  die  Summe  aller  Sgraffiti  in  diesen 
Räumen  aber,  worunter  schön  und  zierlich  geschriebene,  lässt  vermuthen,  dass  das 
Spottbild  nicht  über  das  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  herabzurücken  sei.  ^  Jedenfalls  da- 
tiren  alle  Kritzeleien  aus  der  Zeit,  in  welcher  das  Gebäude  bereits  Annex  des 
kaiserlichen  Palastes  war,  was  aber  die  ursprüngliche  Bestimmung  desselben  betrifft, 
so  muss  dahin  gestellt  bleiben,  ob  es  die  domus  Gelotiana  war,  welche  gegen  den 
Circus  sah  und  später  zu  dem  Palastkomplexe  gezogen  ward.  ^ 

71.  Die  Ruinen  des  nordwestlichen  Plateau's. 

Von  der  sog.  Domus  Gelotiana  zurückkehrend  steigen  wir  nun  den  anmuthig 
gewundenen  Pfad  am  Südwestabhang  empor  zur  Höhe  der  ehemaligen  farnesischen 
Gärten,  welche  zur  Zeit  nur  mehr  zum  geringen  Theile  die  Gestalt  ihrer  letzten 
Bestimmung  bewahrt,  im  Uebrigen  aber,  soweit  es  Plünderung  und  Zerstörung  von 
mehr  als  einem  Jahrtausend  geschehen  Hessen,  ihren  antiken  Plan  wieder  gewonnen 
haben.  Welche  Fülle  von  topographischen  Entdeckungen,  aber  auch  welche  Fülle 
von  noch  ungelösten  und  auf  den  ersten  Blick  verwirrenden  Räthseln  haben  uns 
hier  die  Ausgrabungen  vorgelegt!  Freilich  Jiess  das  Neben-  und  Uebereinander  einer 
zwölfhundertjährigen  Bauthätigkeit  von  der  Gründung  Roms  bis  zum  Untergange  des 
Kaiserreichs  wie  die  verwüstende  Gewaltthätigkeit  einer  darauf  folgenden  nicht 
kürzeren  Periode  diess  auch  nicht  anders  erwarten.  Die  abgeplünderten  verstüm- 
melten Reste  muthen  uns  an  wie  ein  verwittert  zerfallenes  Skelett  eines  Riesenleibes, 
jetzt  ein  Object  des  architektonischen  und  historischen  Paläontologen,   welcher  die 


1  P.  Garrucci,  II  Crocifisso  graffito  nel  palazzo  dei  Cesari.  Roma  4857.  — Fd.  Recker,  Das  Spottcrucifix 
der  römischen  Kaiserpaläste.  Breslau  1866.  —  C.  L.  Visconti  Di  un  nuovo  graffito  palatino.  Giorn.  Arcad.  Vol. 
LXII.  —  F.  X.  Kraus.  Das  Spottcrucifix  vom  Palatin  und  ein  neuentdecktes  Graffito.  Freiburg  1872.  ^  Sueton. 
Cafig.  8.  Gruter  DXCVIII.  7  cf.  C.  L.  Visconti  1.  c.  und  Guide  du  Patatin.  p.  75. 

48* 


330  Per  Palatinus. 

Gerippe  wieder  zusammenzufügen  strebt,  oder  wie  ein  oft  überschriebenes  Palimp- 
sest,  dessen  Schriftschichten  nur  mit  Mühe  zu  sondern  und  zu  entziftern  sind.  Im- 
merhin aber  wird,  wer  Sinn  für  historische  Landschaft  besitzt,  diesem  Schauplatz 
nicht  ohne  Ergriffenheit,  wer  nicht  historischer  Empfindung  bar,  dieses  aufgedeckte 
Grab  nicht  ohne  ehrfurchtvollen  Schauder  betreten. 

Hin  wandelnd  am  Rande  der  steilabfallenden  Höhe,  deren  ursprüngliche  Gränze 
stellenweise  gewichen  und  mit  den  darauf  ruhenden  Gebäuden,  von  welchen  noch 
die  Reste  eines  Hypokaustum  sichtbar  sind  (XVII) ,  in  die  Tiefe  gestürzt  ist,  suchen 
wir  zunächst  nach  dem  antiken  Aufgange  von  dieser  Seite,  der  sich  bald  in  dem  von 
allen  altrömischen  Strassen  her  wohlbekannten  Basaltpavimente  zu  erkennen  giebt, 
das  von  zwei  mächtigen  zum  Theil  in  Tufquadern  aufgeführten  Parallel  mauern  ein- 
geschlossen unverkennbar  vom  Circusthale  emporführt  (XV).  Nur  ein  kleiner  Theil 
des  Pflasters  ist  erhalten,  der  ziemHch  jähe  Absturz  lässt  sonst  wohl  grösstentheils 
Stufen  voraussetzen  und  berechtigt  so  zu  der  bereits  oben  ausgesprochenen  Ver- 
muthung,  dass  wir  hier  den  mit  dem  Namen  Scala  Gaci  bezeichneten  Zugang  vor 
uns  haben.  In  der  That  kann  am  sonstigen  Hügelrande  der  Westecke  keine  Stelle 
gefunden  werden ,  welche  der  zwischen  Velabrum  und  Gircus  liegenden  ^  Treppe 
wie  dem  von  Solinus  genannten  Supercilium  scalarum  Gaci  passender  entspräche. 
Mächtiges  Quaderwerk  in  Tuf,  anscheinend  unregelmässige  kleine  Kammern  bildend 
drängt  sich  von  links  her  an  den  oben  angelangten  Glivus  (XVIII),  während  sich 
anderes  ähnlicher  Construction  aber  von  rechtwinkliger  Gestalt  (XIX)  umittelbar  voi' 
die  Mündung  legt,  beides  fortificatorischen  Zweck  verrathend,  ohne  jedoch  bei  der 
niedrigen  Erhaltung  die  ursprüngliche  Gestalt  noch  erkennen  zu  lassen.  Zur  Rechten 
für  den  Aufsteigenden  ist  der  Hügelrand  beträchtlich  abgestürzt,  links  dagegen 
schhessen  sich  den  älteren  Tuf-  und  Travertinresten,  von  welchen  eine  arkadenver- 
bundene Pfeilerreihe  hervorragt  (XX),  Wohngebäude  unbekannter  Entstehungszeit 
an,  durch  den  Absturz  der  Aussenwände  etwas  verringert,  während  namentlich  an 
der  Westecke  die  erhaltenen  Mosaikböden  in  einsturzdrohender  Schwebe  ihrem 
weiteren  Ruine  entgegensehen. 

Auf  dem  Plateau  der  Westecke  erhebt  sich  eine  beträchtliche  Substruction, 
hochragend  nach  Art  der  römischen  Tempelanlagen  und  so  situirt,  dass  die  vier 
Ecken  den  vier  Himmelsgegenden  entsprechen  (XXII).  Sie  erhob  sich  in  Mitte  einer 
besonderen  ihrer  Situation  rechtwinklig  entsprechenden  Area,  deren  Stufen  unmittelbar 
an  der  Mündung  der  muthmasslichen  Scala  Gaci  noch  sichtbar  sind,  und  in  der  Mitte 
einen  kleinen  Vorsprung  bilden  (XXIII).    Woraus  Rosa  entnimmt  dass  dieser  Unterbau 


»  Dionys  I.  79.     Plut.  Romul.  20. 


Die  Ruinen  des  nordwestlichen  IMaleau's.  381 

nicht  bestimmt  gewesen  sein  könne,  Säulen  zu  tragen  i,  ist  um  so  weniger  ersicht- 
lich, als  derselbe  zweifellos  mit  besserem  Material  verkleidet  war,  auf  welcher 
Aussenwand  dann  die  Säulen  ruhen  konnten  (wie  am  Tempel  des  Castor).  Doch 
lässt  die  Substruction ,  welche  sich  ziemlich  deuthch  in  einen  Freitreppenvor- 
bau, in  eine  Cella  mit  Götterbildpodium  und  in  eine  bankartige  Verstärkung  der 
Rückwand  ghedert,  hinsichtlich  ihres  Hochbaues  am  wahrscheinlichsten  als  Templum 
in  antis  erklären.  Bei  tempelartiger  Gestalt  ist  aber  wohl  auch  am  nächsten  an 
einen  der  in  der  Geschichte  des  Palatin  genannten  Tempel  und  weniger  (mit  Rosa^) 
an  das  Auguratorium  zu  denken,  welches  vom  Regionär  in  einer  keineswegs  zu 
dieser  Annahme  zwingenden  Reihenfolge  zwischen  den  Kaiserpalästen  und  dem  Ju- 
piter (Victor ?)tempel  genannt  wird.  Welcher  Gottheit  aber  der  Tempel  geweiht  war 
ist  unsicher,  nicht  abzuweisen  die  Vermuthung  C.  L.  Visconti's^,  dass  der  Bau 
mit  dem  vom  Regionär  zwischen  der  Hütte  des  Romulus  und  dem  augusteischen 
Apollotempel  genannten  Heiligthum  der  Mater  Deum  (der  pessinuntischen  Cybele) 
zu  identificiren  sei.  Denn  die  Reihenfolge  des  Regionars,  der  mit  der  casa  Romuli 
(an  der  Westecke)  beginnt,  ist  sicher  die,  dass  erst  die  Gebäude  der  Nordwestseite 
bis  an  die  Nordecke,  dann  eines  der  Nordostseite  (aedes  Jovis)  darauf  die  Ostecke 
(Curia  Vetus)  ferner  ein  Gebäude  der  Südostseite  (Fortuna  respiciens)  und  dann  die 
Südecke  (Septizonium)  endlich  aber  ein  Punkt  der  Südwestseite  Victoria  (Germani[ciJ- 
ana)  und  wieder  die  Westecke  (Lupercal)  genannt  werden.  Der  Casa  Romuli  er- 
scheint aber  zunächstliegend  die  aedes  Matris  Deum ,  was  ganz  auf  unsere  Stelle 
passen  würde,  neben  dieser  der  Apollotempel,  dann  verbunden  die  beiden  Kaiser- 
paläste, nemlich  der  augusteische  (wohl  Domitians  Neubau  der  kaiserlichen  aedes  publica) 
und  der  tiberianische  Wohnpalast,  in  zwingender  Gonsequenz  aber  an  der  Nordecke 
das  Auguratorium,  während  die  folgende  Aedes  Jovis  des  Curiosum  im  Statortempel 
ein  passendes  Mittelstück  der  Nordostseite  fände,  wenn  nicht  die  Notitia  den  Bei- 
namen Victoris  gäbe,  der  entweder  missverständlich  ist,  oder  dazu  zwingt  einen 
zweiten  Jupitertempel  östlich  von  der  Porta  Mugonia  anzunehmen. 

Ganz  unbekannt  ist  auch  die  Bestimmung  der  Baulichkeiten,  welche  östlich 
an  die  Tempelarea  stossen  (XXIV),  ohne  in  ihrer  Situirung  mit  der  Situation  des 
Tempels  zu  stimmen.  Die  vorkommenden  Tufquadern  lassen  wieder  auf  ein  hohes 
Alter  schiiessen,  doch  erscheint  es  unzulässig,  hiebei  an  Reste  des  Hauses  des  Ro- 
mulus zu  denken.  Der  Regionär  nennt  einen  »pentapylus«  (Fünfthorbau)  zwischen 
dem  Apollotempel  und  den  beiden  Palästen,  allein  möglicherweise  ist  pentapylus  zu 
ApoUinis  Ramnusi,  mithin  als  Prädicat  zum  Apollotempel  zu  beziehen,  auch  würde 


1  P.  Rosa,  Scavi  dcl  Palatino.     Ann.    d.   1.   d.  c.   a.  1865  p.  360  sq.  '^  \d.  p.  362.  3  Guide  du 

Palatin.  p.  132. 


382  ^^''  P^latinüs. 

ein  Fünfthorbaii  kaum  in  der  Ruine  gesucht  werden  können.  Sonst  wissen  wir 
nur,  dass  ein  Bacchusheiligthum  in  der  Nähe  des  Cybeletempels  lag. '  Bemerkenswerth 
ist  an  derselben  ein  Rundbrunnen  unzweifelhaft  hohen  Alters,  selbst  als  der  Eck- 
stein für  die  Biegung  einer  Strasse  dienend,  deren  Pavimentreste  stellenweise  noch 
zu  Tage  treten. 

Nicht  minder  unsicher  ist  die  Bestimmung  eines  anderen  überdiess  sehr  be- 
trächtlichen Tempelbaues,  welcher,  nur  in  seinen  massiven  Substructionen  erhalten, 
östlich  von  der  muthmasslichen  Scala  Gaci  und  in  seiner  Längsaxe  nach  Nordost 
gerichtet,  in  imponirender  Mächtigkeit  dem  Auge  sich  aufdrängt  (XXV).  Schon  die 
vorliegende  und  dem  jetzigen  Hügelrande  ziemlich  nah  gerückte  Area,  zu  welcher 
eine  schmale  zweiflügelige  Treppe  geführt  zu  haben  scheint,  ist  dem  Abfall  des 
Plateau's  zu  Folge  namhaft  erhöht.  Eine  hohe,  in  zwei  Theile  gespaltene  Treppe 
führte  zum  Naos  selbst.  Die  Ruine  gibt  hinsichtlich  der  Bestimmung  so  viel  wie 
keine  Anhaltspunkte,  denn  die  Reste  von  opus  quadratum  an  derselben  sind,  als 
ursprünglich  im  Innern  verborgen,  für  die  Entstehungszeit  ebenso  unbezeichnend,  wie 
das  an  der  Areasubstruction  vorkommende  opus  incertum  oder  die  Ziegelstempel 
aus  der  Antoninenzeit,  welche  unter  den  Backsteinen  gefunden  wurden,  da  auch 
Restaurationen  aus  verschiedenen  Epochen  in  Rechnung  gezogen  werden  müssen. 
Rosa  hat  a.  a.  0.  die  Behauptung  aufgestellt,  dass  die  Ruine  dem  Tempel  des  Ju- 
piter Victor  zuzuschi'eiben  sei,  den  Fabius  Maximus  im  Samniterkriege  gelobte,  ^  und 
welcher  von  der  Notitia  genannt  wird,  allein  diese  Annahme  ist  nach  der  obenbe- 
rührten Aufzählung  der  Notitia  die  unwahrscheinlichste  von  allen.  Stützen  wir  uns 
aber  auf  den  Regionär,  so  müssen  wir  festhalten,  dass  der  Cybele-  und  der  Apollo- 
tempel sich  nahe  und  beide  südwestlich  von  den  beiden  Kaiserpalästen  gewesen 
seien,  und  dann  erscheint  es  allerdings  als  das  wahrscheinlichste,  die  umfängliche 
Ruine  mit  dem  augusteischen  Prachtheiligthum  des  Apollo,  dem  anscheinend  bedeu- 
tendsten des  ganzen  Hügels  zu  identificiren.  Das  jetzt  auf  der  Höhe  der  Substruc- 
tion  aufgestellte  Altar-  oder  Basenfragment  cylindrischer  Form  mit  der  Inschrift: 
DOMITIVS  MF  CALVINVS  |I  PONTIFEX  ||  COS  ITER  IMPER  ||  DE  MANVBEIS 
gehört  nicht  zum  Tempel,  wurde  vielmehr  hinter  demselben  auf  dem  Platze  zwischen 
der  domus  Tiberiana  und  der  aedes  Domitiana  gefunden.  Da  Domitius  Calvinus 
i.  J.  36  V.  Chr.  triumphirte,  so  kann  der  Altar  oder  die  Votivstatue  erst  nach  dieser 
Zeit  errichtet  worden  sein. 

An  die  Nordwestseite  des  Tempels  stösst  eine  Privatanlage  (XXVI)  von  sehr 
geringer  Erhaltung,  deren  ursprüngliche  Bestimmung  desshalb  auch  sehr  problematisch 


1  Val.  Max.  II.  1,  6.         a  Livius  X.  29. 


Difi  Ruinen  des  nordweslliclien  Platean's. 


383 


ist.  Eine  in  der  Nähe  gefundene  Inschrift  ^  die  von  einem  Priestercollegium  spricht, 
das  »in  aede  Jovis  Propugnatoris«  auf  dem  Palatin  seine  Zusammenkünfte  hatte,  be- 
rechtigt gewiss  noch  nicht,  mit  Rosa  diese  Reste  für  jenes  Collegium  zu  vindiciren. 
Ueberdiess  entsteht  die  Frage,  ob  wir  den  Jupiter  Propugnator  dieser  Inschrift  mit 
dem  Jupiter  Victor  der  Notitia  identificiren  dürfen? 

Sind  aber  alle  diese  Reste  noch  nicht  sicher  aufgeklärt,  so  tritt  uns  im 
weiteren  Vorschreiten  nordwärts  ein  Privatgebäude  entgegen,  welches  sich  jenseits 
einer  den  muthmasslichen  Apollotempel  wie  das  angebliche  CoUegiathaus  nordöstlich 


q  l    "^  s  '^ö   6  1   ap^io^ 


Fig.  36.    Plan  des  sog.  Hauses  der  Livia.    (F.  R.) 

abgränzenden  wohlerhaltenen  Strasse  befindet,  und  zur  Hälfte  (XXVII)  in  einem 
tiefer-  im  Uebrigen  in  einem  höher  gelegenen  Theile  besteht.  Der  erstere  gehört 
zu  den  erhaltensten  antiken  Wohngebäuden  überhaupt  und  erfordert  desshalb  eine 
genauere  Beschreibung. 

Den  Zugang  bildet   ein  besonderer   Vorbau  an  der  Nordecke  (a  des  beifol- 
genden Holzschnittes  36)  welcher  mit  den  nordöstlich  und  südwestlich  vorbeiziehenden 


1  Henzen  bei  Orelli  n"  6057. 


384  l^pr  Palatiniis. 

Strassen  beweist,  dass  hier  das  Hügelplateaii  bei  der  ursprünglichen  Anlage  dieses 
Hauses  eine  nicht  unbedeutende  Einsenkung  hatte,  welche  man  bei  dem  zu  Anfang 
der  christlichen  Aera  hergestellten  Umbau  nur  äusserlich  aufhohte,  während  man  im 
Innern  bei  dem  alten  Niveau  blieb.  Denn  dieser  Zugang  (prothyron),  seinem  ein- 
fachen Mosaikpavimente  und  seiner  farbigen  Wand-  und  Gewölbe-Ausstattung  nach 
gleichzeitig  mit  den  Pavimenten  und  Malereien  des  Innern  führt  stark  geneigt  und 
zum  Theil  gestuft  schräg  abwärts,  und  ohne  weiteren  Vorraum  in  ein  Atrium  (b). 
Dieses,  ein  Rechteck  von  13, so  Meter  Breite  und  10  Meter  Tiefe  muss,  weil  sich 
keine  Vorrichtungen  für  den  Wasserabzug  im  Pavimente  gefunden  haben,  wohl  be- 
deckt angenommen  werden,  doch  herrscht  Zweifel  über  die  Art  der  jetzt  natürlich 
gänzlich  fehlenden  Bedeckung.  An  ein  Gewölbe  dürfte  bei  der  zu  geringen  Mauer- 
stärke kaum  zu  denken  sein,  eher  noch  an  Flachdeckung  mit  leiser  Neigung  nach 
Aussen,  wobei  freilich  am  oberen  Wandende  metopenartige  Fensterschlitze  wegen 
dei"  Lichtzufuhr  angenommen  werden  müssten.  Nach  vitruvischer  Belehrung  bleibt 
es  jedoch  am  wahrscheinlichsten,  dass  hier  die  Deckungsform  der  cavaedia  displu- 
viata  oder  testudinata  angewendet  war,  welche  bei  sparrenartig  schräg  aufwärts 
und  nach  der  Mitte  gerichteten  Deckbalken  eine  Hypäthralvierung  offen  Hess,  die 
vielleicht  durch  ein  überhöhtes  eigenes  Dach  geschützt  war,  so  dass  Licht  und  Luft 
eindringen  konnte,  während  die  Traufe  ganz  nach  aussen  geleitet  war.  Wahrschein- 
lich der  bei  stürmischer  Witterung  nicht  völlig  abzuwehrenden  Einflüsse  wegen  ist 
der  genannte  Hausaltar,  dessen  Reste  sich  links  seitwärts  (c)  finden,  nicht  in  die  Mitte 
unter  das  Hypäthrum  gesetzt.  Die  Wände  sind  in  opus  reticulatum  hergestellt,  das 
die  Eckenbildung  in  Backstein  noch  nicht  zeigt,  wie  es  seit  dem  Anfang  unserer 
Zeitrechnung  in  Aufnahme  kam  und  blieb,  was  auf  etwas  höheres  Alter  der  Wände 
deutet.  Der  feine  Verputz  ist  einfach  bemalt,  der  Fussboden  mit  einfachem  weissen 
Mosaik  belegt. 

Höchst  bemerkenswerth  sind  aber  die  drei  Säle,  von  welchen  das  beschrie- 
bene Atrium  den  gemeinsamen  Vorraum  bildet,  gegen  den  sie  sich  an  einer  ihrer 
Schmalseiten  öffnen.  Der  mittlere  misst  4, 70  M.,  jeder  der  beiden  Seitensäle  3, 70  M. 
in  der  Breite  bei  einer  allen  gemeinsamen  Tiefe  von  7,5o  Metern.  Die  Wände  sind 
mit  Fresken'  geschmückt,  deren  ungewöhnliche  Erhaltung  nur  durch  frühzeitige  Ver- 
schüttung des  tiefgelegenen  Hauses  erklärbar  ist. 

Im  linkseitigen  Raum  (d)  sind  die  Wände  geghedert  durch  aufgemalte  Säulen 


^  Cr.  Perrot,  Les  peintures  du  Palatin.  Revue  arch.  N.  S.  t.  XXI.  1870  p.  326  so.  387.  sv.  pl.  U.  -15. 
t.  XXII.  p.  47  SV.  193  SV.  pl.  20,  21,  wiederabgedruckt  in  G.  Perrot's  Memoires  d'arcli.  1875  p.  84—140  pl. 
5—8.  Copien  besitzen  die  Ecole  des  beaux  arts  in  Paris  und  das  Arcli.  Institut  in  Ron).  Die  beifolgende  Tafel 
ist  nach  einem  Originalaquarell  von  Ronci. 


'iCCOj.]iiani  tjez. 


VerLiq  v/r.0.VVeit)e1  n;  Leip'/.jq. 


'•l:  t\n-j\  V  W  Loeillot  111  Berln: 


Mittcisaal  des  sog. Hauses  der  Livia  (Palatin.) 


Die  Ruinen  des  nordwestlichen  Piateau's.  385 

compositer  Ordnung,  die  auf  einem  marmorartig  gemalten  Sockel  aufsitzend  und  von 
Schlinggewächsen  umrankt,  noch  nicht  die  pompeianische  Schlankheit  zeigen.  Die 
nach  der  Höhe  getheilten  Felder  lassen  den  unteren  gelbgetonten  Abschnitt  ohne 
figürlichen  Schmuck  erkennen,  der  obere  zeigt  geflügelte  auf  Blumenkelchen  gaukelnde 
Genien. 

Der  mittlere  Saal  (e),  von  welchem  die  beifolgende  chromolithographische 
Abbildung  eine  Vorstellung  geben  wird,  zeigt  eine  ähnliche  gemalte  Säulengliederung, 
die  Felder  zwischen  den  Säulen  aber  schliessen  umfänglichere  Frescogemälde  my- 
thologischen Inhalts  ein.  Die  linkseitige  Wand  ist  zerstört,  das  Gemälde  an  der 
Schlusswand  des  Saales  stellt  Polyphem  dar,  der  halb  aus  den  Fluthen  eines  Meer- 
busens hervorragend,  als  des  Schwinimens  unkundig  vergeblich  der  Galatea  nach- 
stellt, welche  auf  einem  Hippokamp  durch  die  Wogen  zieht  \  Zwei  Nereiden  be- 
gleiten die  Gruppe,  ein  aufPolyphems  linker  Schulter  stehender  und  ihn  mit  einem 
Bande  zügelnder  Amor  aber  deutet  auf  den  Liebesbann  des  rohen  Verehrers.  — 
Auf  der  erhaltensten  rechtseitigen  Wand  des  Saales  befindet  sich  der  Verbindungs- 
thüre  mit  dem  anstossenden  rechtseitigen  Gemache  symmetrisch  entsprechend  wie 
sich  diess  in  der  antiken  Wandmalerei  nicht  selten  findet,  ein  gemalter  Thüraus- 
schnitt  mit  einem  Strassenprospect.  Eine  Frau  von  einer  kleinen  Dienerin  gefolgt 
scheint  sich  einer  Hausthüre  zu  nähern  oder  eine  andere  zu  verlassen,  beobachtet 
durch  mehre  Personen,  die  sich  über  Altanen  und  Mauerbrüstungen  höherer  Stock- 
werke beugend  herabsehen.  Die  Darstellung  ist  entschieden  realistisch  und  völlig 
frei  von  der  phantastisch-decorativen  Art  der  pompeianischen  Architekturmalerei.  — 
Das  Mittelbild  dieser  Wand  aber  stellt  die  Befreiung  der  lo  dar.  Die  Heldin  sitzt 
am  Fusse  einer  das  Standbild  der  Juno  tragenden  Polygonalsäule,  bewacht  von 
einer  kräftigen  nackten  männhchen  Gestalt,  welche  die  Chlamys  über  dem  linken 
Arm,  das  Schwert  in  der  linken  und  einen  Speer  über  die  linke  Schulter  gelehnt  zeigt 
(Argus),  während  von  der  andern  Seite  (links)  her  Hermes  mit  Flügelhut  und  Caduceus, 
feider  die  einzige  Figur,  deren  Namensbeischrift  sich  erhalten  hat,   herbeischleicht. 

Bildeten  diese  grösseren  Gemälde  den  Schmuck  der  unteren  Wandflächen, 
so  erscheinen  in  den  oberen  kleinere  Tafeln  in  die  sonst  reichere  Decoration  einge- 
setzt. Zwei  davon  sind  erhalten,  die  eine  an  der  Schlusswand  rechts  über  dem 
Galateabilde,  die  andere  an  der  rechtseitigen  Wand  oberhalb  zwischen  dem  Strassen- 
prospecte  und  dem  lobilde.  Es  sind  mystische  Opferscenen  im  Hause,  vielleicht 
aus  dem  Gebiete  der  Hydromantie  und  der  Pyromantie,  worüber  Perrot  eingehen- 
der spricht^. 


»  cf.  Theocrit  XI.  9  sq.  Ovid.  Met.  XUI.  745  sq.  2  Memoires  d'archöologie  1.  c.  p.  \i6  sv. 

F.  Hedei!,  Rom.  49 


386  t*^*"  Palati nus. 

Von  besonderer  Schönheit  ist  die  Decoration  des  dritten  Saales  (f),  rechts 
von  dem  beschriebenen.  Auch  hier  finden  wir  wieder  gemalte  Säulen,  aber  durch 
prachtvolle  Blumen-  und  Früchtefestons  verbunden,  die  in  der  Mitte  von  verschie- 
denen Götterattributen  und  musikahschen  Instrumenten  behängt  sind.  Während 
diese  in  natürhcher  Grösse  und  in  bewundernswerth  flotter  Frische  gemalt  sind, 
zeigen  nahezu  miniaturartige  Feinheit  die  in  dem  bekannten  Genregeschmack  römi- 
scher Friesmalereien  hergestellten  Friesstreifen  mit  Hunderten  von  Figuren,  Thieren 
und  phantastischen  Gebäuden,  die  Plinius  als  römische  Domäne  des  Ludius  bezeichnet.  ^ 
Die  Farbe  ist  hier  auf  gelbe  Schattirungen  beschränkt. 

Ein  vierter  Saal  (g)  ist  abseits  zur  Rechten  vom  Atrium  gelegen.  Hier  waren 
die  Felder  zwischen  den  gemalten  architektonischen  Gliederungen  ausgefüllt  mit 
Prospecten  ganz  besonderer  Art,  von  welchen  sich  zwei  erhalten  haben ^.  Die 
Scenerie  erinnert  an  Parke  mit  Baumgruppen,  Teichen,  Brücken,  Stegen,  Treppen, 
Monumenten,  Statuen  und  Heiligthümern,  belebt  von  Vögeln  und  weidenden  Thieren. 
Das  Arrangement  ist  phantastisch,  ohne  Anspruch  auf  naturwahre  Verhältnisse,  wie 
z.  B.  Papageien  in  zehnfacher  Naturgrösse ,  oder  im  Vorgrunde  Miniaturziegen  auf- 
treten. Die  loscanische  von  einem  Baume  umrankte  Säule  des  einen  Bildes  trägt 
eine  Vase,  deren  Henkel  auf  etrurische  Vorbilder  zurückgehen,  und  ist  mit  einer 
Tänia  umwunden,  während  an  ihrem  Fusse  an  den  Baumstamm  gelehnt  ein  Bündel 
mystischer  Tafeln  und  anderseits  ein  Bucranium  sich  befindet.  Die  Säule  des 
andern  Bildes  ist  ganz  unarchitektonisch  und  zeigt  den  Schaft,  dessen  unteres  Ende 
stark  gebaucht  ist,  mit  anscheinend  herauswachsenden  Thierköpfen  (Eber,  Ziege  und 
Hirsch  geschmückt,  während  das  fast  spitz  zulaufende  Obertheil  durch  eine  horizontal 
angebrachte,  reich  behängte  Scheibe  gesteckt  erscheint.  An  ihrem  Fusse  sieht  man 
einen  Stierschädel  und  (halbzerstört)  eine  auf  den  Hinterbeinen  aufrecht  gestellte 
Ziege,  daneben  ein  riesiges  Metalldiadem  mit  herabhängenden  Tänien;  im  Hinter- 
grunde aber  auf  einer  exedrenartigen  Brüstung  drei  weibhche  Statuen  mit  Fackeln 
in  beiden  Händen.  Das  Ganze  scheint  auf  den  Dianenkult  hinzuweisen,  wenn  abeV 
auch  für  manche  Einzelheiten  wirklich  vorhandene  Cultobjecte  die  Vorbilder  geliefert 
haben  mögen,  so  dürfte  das  Ganze  doch  nur  als  ein  ziemlich  loses  Spiel  decorativer 
Phantasie  zu  betrachten  sein.  Die  Ausführung  ist  geschickt,  aber  flüchtiger  als  in 
den  drei  obenbeschriebenen  Sälen,  welche  durch  ihre  Composition  wie  seltene  Schön- 
heit des  Einzelnen  und  des  Ganzen  die  zeitliche  Priorität  vor  den  pompeianischen 
Wandgemälden  nicht  verkennen  lassen. 

Zwischen  diesem  ohne  genügenden  Grund  als  Triclinium  bezeichneten  8,10  zu 

iPlin.  H.  N.  XXXV.  37.         2  j.  Schreiber,    Duo  pitture  del  Palatino.  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1875  p.  211  — 
221   tav,  d'agg.  K.  L. 


Die  Ruinen  des  nordwestlichen  Plateau's.  387 

4,0  Meter  messenden  Gemache  und  dem  vorherbeschriebenen  Complexe  führt  eine 
schmale  Treppe  (h)  empor  zu  dem  andern  beträchthch  höher  hegenden  Theile  des 
Hauses,  und  zunächst  zu  einem  nur  1 ,05  Meter  breiten  Corridor.  Rechts  von  diesem 
belindet  sich  eine  Reihe  von  Gemächern  (i),  zum  Theil  ihre  Bestimmung  als  Bade- 
zimmer verrathend,  zum  Theil  lediglich  von  der  aussen  vorbeiziehenden  Strasse  aus 
zuganglich  und  dadurch  den  ursprünglichen  Tabernenzweck  nach  Art  der  ähnlich 
situirten  in  Pompeji  anzeigend.  Links  vom  Corridor  breitet  sich  ein  ziemlich  normal 
angelegtes  Wohnhaus,  dessen  ursprünglicher  Hauptzugang  jedoch  jedenfalls  von  der 
Südostseite  her  war,  aus.  Jetzt  führen  enge  Fauces  (1  Meter  breit)  (k)  vom  Cor- 
ridor her  durch  die  Gemächerlinie  der  Südwestseite  in  das  längliche  Atrium,  welches 
durch  den  massiven  Treppenbau  (1)  an  der  Stelle  des  sonstigen  Impluviums  auf  ein 
Obergeschoss  schliessen  lässt.  Die  ziemlich  gleichen  Kammern  der  Nordwest-  und 
Nordostseite  sind  sehr  klein  und  ihre  Wände  jetzt  ganz  schmucklos.  Südöstlich  (m) 
führt  eine  Crypta  mehrfach  im  Winkel  gebogen  unter  der  Area  palatina  und  dem 
noch  zu  beschreibenden  domitianischen  Palaste  weg,  zuletzt  sich  ansehnlich  erweiternd, 
wo  sie  unzweifelhaft  die  Stelle  alter  Steinbrüche  und  die  Senkung  des  Plateau's  zu 
der  mehrerwähnten  Thalspalte  anzeigt.  Die  Mündungen  von  zwei  Latomien  (XXVHI) 
gestatten  noch  jetzt  den  Eintritt  und  den  Blick  in  die  ehrwürdigen  Aushöhlungen, 
die  wohl  in  die  Königszeit' gesetzt  werden  müssen. 

Für  die  Bestimmung  des  merkwürdigen  Doppelhauses  fallen  zunächst  die  in- 
schriftlichen Funde  ins  Gewicht,  die  sich  aber  leider  auf  die  üblichen  Stempel  der 
bleiernen  Wasserleitungsröhren  beschränken.  Der  eine  Stempel,  lediglich  den  Namen 
lulia  Aug.  gebend,  lässt  an  die  nach  ihrer  Vermählung  lulia  genannte  Kaiserin 
Livia,  Gemahlin  des  Augustus,  aber  auch  an  lulia  Titi  denken,  auf  deren  Zeit  auch 
eine  zweite  Bleiinschrift: 

IMP  •  DOMITIANI    CAESAR     AVG    SVB  CVRA 
EVTYCHI  •  L  (iberti)  PROC  (uratoris)  FEC  HYMNVS   CAESAR  (is)  N  •  (oslri)  SER(vus) 

hinweist.  Ein  dritter  Stempel  nennt  bloss  den  Namen  Pescennius  Eros,  welcher  durchaus 
nicht  zwingt,  seinen  Ursprung  in  die  Zeit  des  Sept.  Severus  zu  setzen.  Lage  und 
Ausstattung  aber  lässt  auf  die  erste  Kaiserzeit  schliessen,  und  w^enn  unter  der  oben- 
genannten luha  die  Kaiserin  Livia,  die  Mutter  des  Tiberius  zu  verstehen,  so  liegt 
es  nahe,  an  das  väterliche  Haus  des  Kaisers  Tiberius  zu  denken,  der  am  Palatin 
geboren  war  \  indem  es  sich  dann  am  leichtesten  begreift,  dass  er  das  Haus  seiner 
Wiege,  vielleicht  auch  den  Witwensitz  der  Mutter",  schonte,  als  er  unmittelbar  ne- 


1  Suet.  Tib.  5.  2  l.  Renier,  La  maison  de  Livio.    Rev.  arch.  1.  c.  p.  337  sv.  entwickelt  aus  jener 

Röhroninschrift  den  ursprünglichen  Besitz   der  Livia  ohne  die  Bestimmung  des  ,, väterlichen  Hauses  des  Ti- 
berius" gelten  zu  lassen. 

49* 


388  ^^^  Palatinus. 

benan,  wie  wir  noch  sehen  werden,  seinen  Palast  erbaute.  Diese  Annahme  wird 
auch  von  einem  Umstände  unterstützt ,  auf  den  Ch.  L.  Visconti  hingewiesen  ^  Die 
Beschreibung  der  Ermordung  des  Cahgula ,  wie  sie  Flavius  Josephus  ^  und  Sueton  ^ 
geben,  lässt  nämhch  als  den  Schauplatz  der  That  mit  aller  Wahrscheinlichkeit  jenen 
Gryptocorridor  erkennen,  welchen  wir  an  der  Südostseite  des  Palastes  des  Tiberius 
finden  werden  (XXIX).  Wenn  nun  berichtet  wird,  dass  die  Verschworenen  sich 
nach  vollbrachter  Blutarbeit  ans  andere  Ende  jenes  Corridors  in  das  Haus  des  Ger- 
manicus  flüchteten,  so  ist  der  Schluss  kaum  abzuweisen,  dass  jene  Zufluchtstätte 
der  beschriebene  Hauscomplex  sei,  wie  dann  auch  nichts  näher  liegend  ist  als  die 
Annahme,  die  aus  der  vorkaiserlichen  Zeit  stammende  Domus  sei  damals  jener  prinz- 
lichen Familie  überwiesen  gewesen,  welche  ausser  dem  Kaiser  selbst  den  meisten  An- 
spruch auf  das  grossväterliche  Besitzthum  gehabt  habe.  Es  mag  daher  vorläufig  bei 
der  Bezeichnung  als  Haus  des  Tiberius  sein  Bewenden  haben. 

Das  Haus  war  aber  nur  mehr  ein  aus  Pietät  erhaltener  Annex,  als  Kaiser 
Tibei'ius  seinen  Palast  erbaute,  der  sich  vom  väterlichen  Hause  aus  bis  an  den 
nordwestlichen  Hügelrand  und  in  ähnlicher  Ausdehnung  auch  gegen  Nordost  erstreckte. 
Von  diesem  ist  jedoch  zur  Zeit  noch  nichts  aufgedeckt  als  die  südwestliche  und 
südöstliche  Begränzung  sammt  einer  Piscina  an  der  Südecke  (XXX).  Als  erstere 
(XXXI)  finden  wir  eine  Reihe  von  tonnengewölbten  Kammern,  die  nach  etlichen 
Sgraffiti  angeblich  für  die  kaiserlich  Garde  bestimmt^,  vom  Eingange  zum  alten 
tiberianischen  Hause  nordwestlich  sich  erstreckten  und  sich  zumeist  nach  der  erst- 
beschriebenen Area  öfl'neten,  als  die  andere  südösthch  den  obenberührten  halb- 
unterirdischen Gorridor  (XXXIX) ,  welcher  durch  spärliche  in  das  Tonnengewölbe 
eingeschnittene  Lacunarien  erhellt  war.  Noch  jetzt  sieht  man  an  manchen  Stellen 
des  letzteren  Reste  des  einfachen  in  weiss  und  schwarz  hergestellten  Mosaikpavi- 
ments  wie  der  feinen  Stuccaturen,  welche  freilich  durch  Versinterung  einem  raschen 
Untergange  entgegen  gehen. 

Kurz  bevor  aber  dieser  Gorridor  das  väterliche  Haus  des  Tiberius  erreicht, 
zweigt  links  ein  unterirdischer  Gang  im  rechten  Winkel  ab  (XXVII)  und  führt  süd- 
östlich von  dem  tiberianischen  Gomplexe  unter  dem  freien  Platze,  den  wir  wohl  als 
die  area  palatina  ^  (vielleicht  identisch  mit  dem  Forum  palatinum  des  Anonymus  von 
Einsiedeln)  zu  betrachten  haben,  nach  dem  sogleich  zu  beschreibenden  domitianischen 
Palaste,  dessen  Platform  er  vermittelst  einer  schmalen  Treppe  erreicht.  Die  Zweckmäs- 
sigkeit einer  solchen  abgeschlossenen  Verbindung  zwischen  dem  tiberianischen  ohne 
Zweifel  von  vielen  Kaisern  als  Wohnraum  benutzten  Palaste  und  dem  wie  wir  sehen 


1  Ch.  L.  Visconti,  Guide  du  Palatin,      api.  Jos.  Ant.  Ind.  XIX.  U,  25.       3  Sueton.   Calig.  58.     *  P.  Rosa. 
Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1865  p.  365.  s  a.  Gellius  N.  A.  XXI.  cf.  Notitia  Reg.  X. 


Die  Ruinen  des  nordwestlichen  Plateau's.  389 

werden  bis  in  die  späteste  Zeit  öffentlichen  Repräsentationspalaste  des  Domitian  liegt 
auf  der  Hand. 

So  umfänglich  aber  auch  die  tiberianische  Residenz  war,  so  fühlte  sich  doch 
Caligula  gedrängt,  sie  nach  Nordost  und  gegen  die  Sacra  via  hin  zu  erweitern. 
Der  hier  schon  ziemlich  beträchtliche  Abfall  des  Plateau's  zwang  zu  mächtigen  Sub- 
structionsbauten,  welche  sich  in  den  gewaltigen  Ruinenmassen  erhalten  haben,  die 
gegen  die  Nordecke  hin  grösstentheils  vor  uns  aufgedeckt  liegen  (XXXIII).  Dass 
und  wie  man  die  düstern  Gewölberäume  auch  wohnlich  benutzte  ist  keineswegs 
klar,  und  umsoweniger,  als  der  nicht  zu  beseitigende  schiefe  und  gebrochene  Strassen- 
zug  des  Clivus  Victoriae  zu  mancher  Unförmlichkeit  und  die  Benutzung  störenden 
constructiven  Massregel  zwang.  Etliche  Pavimentreste  im  Erdgeschosse  gehören 
wie  einige  unter  abweichendem  Winkel  beiderseits  von  der  Strasse  angelegte  Theile 
möglicherweise  vorcaligulanischen  Privatgebäuden  an,  Stuckverzierungen  feiner  Arbeit, 
marmorne  Geländerfragmente  u.  s.w.  im  Obergeschosse  dagegen  wohl  dem  Erweiterungs- 
bau des  Cahgula,  der  sich  am  unteren  Ende  des  Clivus  auch  über  diesen  weg  nach 
der  Nordspitze  des  Hügels  fortsetzte.  ^  Das  Backsteinmauerwerk  ist  wie  überhaupt 
in  dieser  Zeit  vortrefflich  und  erklärt  die  herrliche  Erhaltung  der  Gewölberäume, 
welche  (wie  die  vor  der  Ausgrabung  gezeichnete  und  der  Einleitung  beigegebene 
Ansicht  zeigt)  dachlos  den  Jahrhunderten  getrotzt  haben.  Vielleicht  wird  in  nicht 
zu  ferner  Zeit  die  Aufdeckung  des  ganzen  tiberianisch-cahgulanischen  Complexes 
durch  den  Zusammenhang  und  das  gegenseitige  Verhältniss  die  jetzt  unmögliche 
Erklärung  des  Ganzen  liefern. 

Die  Area  palatina  trennt  den  besprochenen  Complex  von  einer  mächtigen, 
grossentheils  aufgedeckten  Palastanlage,  welche  nicht  völlig  im  Gebiete  der  ehema- 
ligen farnesischen  Gärten  liegend,  ungefähr  die  Mitte  des  Hügels  einnahm.  Schon 
der  massive  Unterbau  war  ein  colossalcs  Werk,  denn  um  den  nöthigen  Raum  zu 
gewinnen,  musste  die  Thalspalte  geebnet  werden,  welche  wie  mehrfach  erw^ähnt 
worden  ist,  hier  den  Hügel  in  zwei  Plateau's  theilte.  Den  Massstab  für  die  Höhe 
der  Auffüllung  geben  die  12  Meter  tief  unter  dem  Pavimente  des  muthmasslichen 
Tricliniums  liegenden  schon  von  Bianchini  17216  entdeckten  und  mit  dem  ganz  aus 
der  Luft  gegriff'enen  Namen  der  Bäder  der  Livia  belegten  Gemächer  (XXXIII),  zu  welchen 
jetzt  eine  moderne  Treppe  hinabführt.  Der  Ausstattung  und  den  Resten  der  Malerei 
nach  wohl  aus  dem  Ende  der  vorchristlichen  Zeit  stammend ,  bieten  sie  zur  Er- 
kenntniss   ihrer  Entstehung  und    Bestimmung  keine    weiteren   Anhaltspunkte,    doch 


*  Ein  modernes  an  diesen  Theil  sicli  anlehnendes  Gebäude  umschliesst  jetzt  ein  kleines  Museum,  das 
die  inschriftlichen  und  plastischen  Funde,  eine  Materialien-  und  Kostbarkeitensammlung  u.  a.  der  palatini- 
schen  Ausgrabungen  enthält. 


390  •  ^^^r  Palatinos. 

geht  aus  deren  Vorhandensein  die  eigentlich  selbstverständliche  Thatsache  hervor, 
dass  auch  die  Senkung  vordem  von  Wohngebäuden  besetzt  war,  unter  welchen, 
wie  schon  oben  berührt  wurde,  wahrscheinlich  auch  das  ererbte  Haus  des  Augu- 
stus,  mithin  ein  Theil  des  augusteischen  Palastes  sich  befand. 

Der  Palast  scheint,  ähnlich  der  constantinischen  Basilika,  zwei  Fronten  gehabt 
zu  haben,  eine  gegen  Nordost  in  der  Richtung  gegen  den  Jupiter  Statortempel  und 
die  Porta  Mugonia,  die  andere  an  der  nordwestlichen  Langseite  gegen  die  Area 
palatina  und  den  tiberianischen  Palast.  Obwohl  sich  die  Disposition  der  Säle  aus- 
schliessend  nach  der  ersteren  richtete,  scheint  diese  doch  überwiegend  auf  eine 
prunkhafte  Erscheinung  berechnet,  die  letztere  dagegen  für  den  eigentlichen  Verkehr 
bestimmt  gewesen  zu  sein.  Denn  während  diese  in  der  Mitte,  da  wo  das  ansteigende 
Plateau  keine  hohe  Treppe  mehr  nöthig  machte  den  Unterbau  einer  solchen  deutlich 
erkennen  lässt,  haben  sich  an  der  nordwestlichen  Fronte,  wo  wegen  der  beträchtlichen 
Höhe  eine  Riesenfreitreppe  erforderhch  gewesen  wäre,  keine  sicheren  Spuren  einer 
solchen  gefunden.  Freilich  muss  die  noch  näher  zu  begründende  Vermuthung  wie- 
derholt werden,  dass  die  aufgedeckte  Anlage  vielleicht  nur  einen  Flügel  eines 
grösseren  Palastcomplexes  bildete,  und  dass  dann  der  nordöstliche  Aufgang  mög- 
licherweise an  einer  andern  Stelle,  etwa  da  wo  jetzt  der  Zugang  zu  Villa  Mills 
von  der  Via  di  S.  Bonaventura  aus,  gewesen  sei. 

Die  nordöstliche  Fronte  (XXXIV)  des  aufgedeckten  Saalbaues  war  mit  einer 
Säulenreihe  geschmückt,  welche  sich  auf  einer  vor  den  Sälen  hinlaufenden  Terrasse 
erhob.  Da  letztere,  den  drei  Haupteingängen  zu  den  anstossenden  Sälen  entsprechend, 
die  Spuren  von  drei  Risaliten  zeigt,  so  waren  wahrscheinlich  auch  die  Säulen  nicht 
in  eine  Linie  gestellt,  sondern  an  den  Risaliten  etwas  weiter  hinausgerückt.  Diese 
aber  trugen  wohl  Giebelbekrönung ,  während  die  übrige  Porticus  sich  auf  ihr  hori- 
zontales Gebälke  beschränkt  zu  haben  scheint.  Von  den  Säulen  haben  sich  dürftige 
Reste  gefunden,  die  an  der  Nordecke  zusammengefügt  aufgestellt  sind,  sie  waren 
von  Cipollin  und  uncannellirt. 

Tritt  man  von  der  Vorhalle  aus  in  den  Mittelsaal  (XXXVI),  so  zeigen  die 
wuchtigen  Backsteinpfeilermassen  echt  römischer  Construction  sofort  an,  dass  wir 
hier  ein  Gewölbe,  wahrscheinlich  tonnenförmig,  zu  denken  haben.  Die  Nischenglie- 
derung der  Wände,  natürlich  einst  plastisch  belebt  und  durch  Pilaster  und  vorge- 
setzte Säulen  umrahmt  erlaubt  es  die  Gestalt  der  Wände,  welche  unter  dem  Gewölbe- 
ansatz ein  reiches  über  den  Säulen  verkröpftes  Gebälk  abschloss  zu  reconstruiren. 
Von  der  prachtvollen  Ausstattung  fand  sich  bei  den  letzten  Ausgrabungen  nur  noch 
wenig:  an  der  Hauptnische  der  Schlusswand  korinthische  Basen  von  Halbsäulen, 
und  Fragmente  von  Pavonazetto   am  Hauptportal  wie  stellenweise   am  Sockel   der 


Die  Ruinen  des  nordwestlichen  Plateau's.  39 1 

Wände.  Ungleich  mehr  war  noch  zur  Zeit  der  Ausgrabungen  Bianchini's  erhalten, 
welche  ergaben,  dass  die  sechzehn  korinthischen  Säulen  des  Innern,  von  welchen 
einzelne  vollkommen  erhalten  waren  in  ihren  Schäften  von  phrygischem  und  numidi- 
schem  Marmor  waren,  während  Gapitäle  und  Gebälke  aus  weissem  Marmor  in  ihrer 
Arbeit  eine  seltene  Gediegenheit  mit  höchstem  Reichthum  verbunden  zeigten.  Von 
den  in  den  Nischen  aufgestellten  Golossalstatuen  fanden  sich  damals  noch  zwei  in 
Basalt  ausgeführte  vor :  ein  Hercules  und  ein  Bacchus.  Das  Meiste  von  den  Funden 
kam  nach  Neapel,  zwei  Säulen  von  Giallo  (in  numidischem  Marmor)  wurden  für  2000 
Zechinen  verkauft,  ein  Theil  der  Architekturfragmente  aber  bildet  noch  jetzt  die 
malerische  Ausstattung  des  Vestibüls  in  Palazzo  Farnese  zu  Rom.  Was  die  einstige 
Bestimmung  dieses  Saales  betriift,  so  ist  dessen  frühere  Bezeichnung  als  Bibliothek 
des  Augustus  entschieden  falsch,  doch  auch  die  neuere  als  Aula  regia  oder  Tablinum 
willkürlich.  Wahrscheinlich  aber  ist  es,  dass  er  zu  Senatsitzungen  und  Empfängen 
wie  zu  Solemnitäten  anderer  Art  bestimmt  gewesen  sei,  wie  auch,  dass  er  mit 
dem  von  einem  späteren  Chronisten  (Chron.  Gass.)  erwähnten  Solium  augustale  zu 
identificiren  sei,  in  welchem  die  Krönung  des  Kaisers  Heraclius  stattgefunden.  Die 
Hauptnische,  jetzt  mit  der  Erinnerungsschrift  an  Bianchini's  Ausgrabungen  geschmückt, 
war  dann  ohne  Zweifel  der  Platz  für  den  kaiserlichen  Thron. 

Sicherer  aber  ist  die  Bestimmung  des  in  manchem  Betrachte  interessanten 
Saales  zur  Rechten  an  der  Ecke  gegen  die  Area  palatina  (XXXVH).  Dieser  war 
dreischiffig,  nemlich  durch  zwei  in  der  Längsrichtung  laufende  Säulenreihen  gelheilt, 
so  dass  der  Mittelraum  beträchtlich  breiter  war,  als  die  Seitenschiffe.  Die  Verhält- 
nisse und  Abstände  der  Säulen,  von  welchen  übrigens  nur  sehr  dürftige  CipoUin- 
fragmente  gefunden  wurden,  die  auf  einen  Durchmesser  von  0,6o  Meter  schliessen 
lassen,  machen  es  wahrscheinlich,  dass  die  Nebenschilfe  ,doppelgeschossig  waren. 
An  das  innere  Ende  dieses  Oblongums  setzt  sich  eine  grosse  halbkreisförmige  Apsis 
an,  welche  noch  das  erhöhte  Podium  zeigt,  zu  dem  man  auf  etlichen  an  den  bei- 
derseitigen Enden  angebrachten  Stufen  emporstieg,  während  das  Uebrige  durch  eine 
Balustrade  von  weissem  Marmor  abgegränzt  war,  die  der  Form  nach  Imitation  von 
Stabgeländer,  zum  Theil  noch  auf  dem  ursprünglichen  Platze  zu  sehen  ist.  Wie  von 
der  Apsis,  so  haben  sich  auch  im  Mittelschiff  noch  Spuren  des  Paviments  erhalten, 
namentlich  eine  kreisförmige  Platte  aus  grauem  Granit  von  1,10  Meter  Durchmesser. 
—  Der  den  älteren  und  einfacheren  Basiliken  vollkommen  gleichartige  Plan  dieses 
Saales  lässt  keinen  Augenblick  zweifeln,  dass  wir  es  hier  mit  einer  Basilika  zu  thun 
haben,  welche  Vitruv  als  einen  Bestandtheil  der  römischen  Domus  nennt;  die  von 
den  forensen  Basiliken  mit  ihren  ringsum  geführten  Seitenräumen  abweichende  und 
sich  an  die  christlichen  Basiliken  anschliessende  Gestalt  aber  konnte  dem  Verfasser 


392  ^^^  Palatinus. 

dieses  durchaus  nicht  auffallend  sein ,  da  derselbe,  bevor  er  diesen  Sachverhalt  an 
der  palatinischen  Doraus  kennen  konnte,  aus  conslructiven  Gründen  die  Behauptung 
vertreten,  dass  gerade  diese  in  der  durchgeführten  Dreischiffigkeit  liegende  Abwei- 
chung durch  die  Einfügung  der  basilikalen  Anlage  in  die  Domus  bedingt  war  und 
durch  diese  auf  ihre  baukünstlerische  und  wie  Messmer  gezeigt  hat,  geschichtliche 
Nachfolgerin,  die  christliche  Basihka  überging  \  Das  hier  vorliegende  Beispiel  aber 
ist  von  umso  grösserem  Interesse,  als  es  das  ältest  erhaltene  einer  Privatbasilika  und 
somit  der  älteste  Typus  jener  Basilikalform  ist,  welche  sich  dann  in  der  christlichen 
Basilika  erhalten  hat'^.  Die  von  Rosa^  aufgestellte  Bezeichnung  des  Saales  als  Ba- 
silica  lovis  ist  unsicher. 

Lediglich  Vermuthung  war  dann  die  von  Bianchini  stammende  Bezeichnung 
des  der  Basilika  gegenüber  an  der  andern  Seite  des  Mittelsaales  liegenden  Raumes 
(XXXVIIl)  als  Lararium.  Doch  leitet  ein  in  demselben  gefundenen  Altarrest  auf 
religiösen  Zweck  und  es  ist  in  der  That  sehr  entsprechend  anzunehmen,  dass  wäh- 
rend der  Mittelsaal  für  die  Functionen  des  Kaisers  als  Senatsprüsidenten,  und  die 
Basilika  für  jene  als  Prätor  gedient  habe,  dieser  Saal  zur  Ausübung  seiner  Würde  als 
Pontifex  beabsichtigt  war.  Bemerkenswerthes  bietet  der  Raum  weiter  nichts;  die  an 
denselben  angränzenden  Räume  dienten  wohl  zu  Treppen  und  andern  Communicationen. 

Von  den  nun  beschriebenen  Räumen  führen  vier  Ausgänge  in  den  grossen 
Säulenhof  (Peristyl)  (XXXIX).  Der  Raum  ist  ganz  gewaltig,  und  bei  einer  Länge  von 
59  Meter  auf  eine  Breite  von  52  zu  veranschlagen,  wenn  eine  erhaltene  Spur  an 
der  Böschung  bei  Villa  Mills  nicht  teuscht.  Der  einfache  Plan  als  Säulenhof  mit 
Pfeilern  statt  der  Ecksäulen  ist  völlig  gesichert,  wenn  auch  die  Reste  sehr  dürftig 
sind.  Doch  beweisen  die  gefundenen  Fragmente  eine  ausserordentliche  Pracht,  so 
die  auserlesenen  Marmorarten  von  der  Wandverkleidung,  dem  Paviment,  wie  von 
den  Säulen,  welche,  nach  den  cannellirten  Resten  0,8o  Meter  im  Durchmesser  stark, 
den  schönen  Portasanta-  (carischen  oder  iassensischen)  Marmor  zeigen,  während 
man    am   Sockel    der  Wände   noch   gelegentlich   den   afrikanischen  Giallo   vorfindet. 

An  der  Nordwestseite  des  Peristyls  reihen  sich  drei  hemicyclisch  endende 
Räume  mit  einigen  durch  die  aneinanderstossenden  Halbkreise  gebildeten  Zwischen- 
kammern an  (XL),  die  man  wohl  dem  Vestibülzweck  zuschreiben  und  mit  Wachen 
und  Dienern  gefüllt  denken  darf.  Vor  diesen  aber  läuft  und  zwar  in  der  ganzen  ■ 
Länge  des  Gebäudes  mit  Ausschluss  der  Stelle  an  welcher  der  angebliche  Jupiter 
Victortempel  anstösst  ein  Corridor,  aussen  von  Pfeilerarkaden  getragen,  die  ihrerseits 


'  F.  Reber,  Die  Urform  der  römischen  Basilika.  Mittheilungen  der  k.  k.  Centralcommission  zur  Erhaltung 
der  Baudenkmale.  Wien,  1869  S.  35  fg.  2J.  A.  Messmer,  Ueber  den  Ursprung  der  christl.  Basilika.^  Quast 
u.  Otte's  Zeitschrift  für  christl.  Archäologie  u.  Kunst.     Lpz.  1859  p.  212  fg.  ^  \.  c.  p.  252. 


vorlag  v.T.Ü.Weijel  in.  Leipzig . 


Der  Palatin. (Nordwesthälfte) 


lij _L'_lJ 

Lith.Anst.v.W.LoeillotittBerlin 


Die  Ruinen  des  nordwestlichen  Plateaii's.  385* 

wieder  eine  Säulenreihe  vor  sich  hatten.  Die  gegenüberstehende  Südostseite  liegt 
unter  dem  Areal  von  Villa  Mills,  lässt  aber  nur  einen  Corridor  ohne  alle  Gemächer 
annehmen. 

Südöstlich  schliessen  an  das  Peristyl  Saalbauten  von  ähnlicher  Disposition  w^ie 
wir  sie  an  der  gegenüberliegenden  Seite  beschrieben  haben,  von  welchen  jedoch 
nicht  viel  mehr  als  die  Hälfte  blosgelegt  werden  konnte.  Der  ungefähr  quadratische 
und  mit  einer  leichten  Curve  an  der  südwestlichen  Schlusswand  versehene  Mittel- 
saal (XLI)  liess  einen  Speisesaal  (Triclinium)  vermuthen.  Einige  Fragmente  von 
Granitsäulen,  die  nach  den  Basenspuren  nahe  an  die  Wand  gerückt  standen,  und 
Pavimentreste  aus  Porphyr,  Serpentin,  Giallo  und  anderen  Gesteinarten,  welche  sich 
in  jenem  Apsiden-Segment  finden,  sind  die  einzigen  Ueberreste  der  jedenfalls  pracht- 
vollen Ausstattung.  In  dieser  Beziehung  reicher  ist  das  nordwestlich  anstossende 
Gemach  (XLII)  welches  sich  durch  einen  eliptischen  Fontänenbau  in  der  Mitte,  der 
von  einem  schmalen  Bassin  umzogen  wird,  als  Nymphäum  erwiesen  hat.  Während 
der  Fussboden  orientalischen  Alabaster  zeigt,  war  der  in  zwei  Absätzen  mit  Nischen 
geschmückte  Fontänenkörper  wohl  mit  Statuen  und  anderem  Schmuck,  oben  vielleicht 
mit  einem  Becken  für  lebende  Pflanzen  versehen,  und  selbst  der  Boden  des  Bassins 
zeigt  noch  Reste  von  weissem  Marmor.  Hier  wurde  auch  der  schönste  plastische 
Fund  der  ganzen  Ausgrabung  gehoben,  nemlich  jener  jetzt  im  Louvre  befindliche 
geflügelte  Eros  griechischer  Arbeit,  der  zugleich  von  so  guter  Erhaltung  war,  dass 
man  an    eine  vollständige  Restauration  (von  Steinhäuser  ausgeführt)  denken  konnte. 

Obwohl  das  Ganze  dem  Plane  des  römischen  Wohnhauses  folgt,  verräth  doch 
die  Abwesenheit  der  eigentlichen  Wohn-  und  Schlafräume  wie  der  unvermeidlichen 
Räumlichkeiten  für  den  Haushalt,  dass  wir  es  hier  nicht  mit  einem  zum  gewöhn- 
lichen Aufenthalte  bestimmten  Palaste,  sondern  mit  einem  Repräsentationsgebäude 
(Festsaalbau)  zu  thun  haben.  Damit  stimmen  auch  die  unfehlbar  auf  diesen  Com- 
plex  bezüglichen  Bezeichnungen,  welche,  seit  Plinius  d.  I.  von  den  »aedes  publicae« 
des  Nerva  spricht  \  begegnen.  So  »aedes  aulicae«  und  »aedes  imperatoriae«  ^. 
Das  Gebäude  aber,  das  Nerva  zur  aedes  publica  machte,  wie  es  Augustus  früher 
mit  seiner  Domus  gethan,  war  das  von  Domitian  erbaute,  das  Plutarch  ungeftihr  in 
dieser  Lage  bestimmte  ^  und  Statins  so  sehr  bewundert  ^  Damit  steht  auch  Ma- 
terial, Construction  und  architektonische  Ausstattung  im  Einklänge,  welche  allent- 
halben, wonicht  spätere  Restaurationen  ersichtlich  sind  auf  die  Periode  der  Flavier 
verweisen  (vgl.  oben  367). 

Es  erübrigt   noch   zweier  Saalbauten  (XLIII  u.  XLIV)  sammt   eines   Porticus 


iPanegyr.  47.  2  Script.  H.  A.  (Lamprid.)  Elagabal.  3  Plut.  Poplic.  25.  <  Silv.  IV.  H.  18. 

F.  Reber,  Rom.  49« 


386*  Der  Palalinus. 

von  Säulen  aus  Cipollino  zu  gedenken,  welche  sich  südlich  zwar  ausserhalb  des 
durch  den  besonderen  Unterbau  bestimmt  abgegränzten  domitianischen  Gomplexes 
befinden,  auch  in  ihren  Maueilinien  nicht  mit  jenem  übereinstimmen,  aber  doch  in 
einem  gewissen  Zusammenhange  mit  dem  öffentlichen  Palaste  stehen.  Beide  Säle 
werden  von  segmentförmigen  Exedren  abgeschlossen  und  tragen  die  Spuren  einstiger 
prachtvoller  Ausstattung,  doch  ist  nichts  vorgefunden  worden,  was  über  deren  Be- 
stimmung belehrte  und  die  Bezeichnungen  »Akademie«  und  »Bibliothek«,  welche  ihnen 
ohne  ausreichenden  Anhalt  gegeben  worden  sind,  sicher  begründete.  Doch  muss 
man  in  erster  Linie  an  die  Bibliotheken  denken,  welche  einen  Theil  des  augusteischen 
Gomplexes  ausmachten,  und  beim  domitianischen  Neubau  vielleicht  geschont  wor- 
den sind?  Sicherheit  darüber,  wenn  sie  überhaupt  noch  zu  erlangen  ist,  könnten 
nur  systematische  Forschungen  in  Villa  Mills  gewähren. 

72.  Die  Ruinen  der  südlichen  Höhe  des  Palatin. 

An  Villa  Mills,  dem  nunmehrigen  Kloster  der  Salesianerinnen ,  über  deren 
angebliche  topographische  Bedeutung  oben  gesprochen  worden  ist,  während  eine 
weiter  mögliche  sogleich  berührt  werden  soll,  müssen  wir,  da  sie  unzugänglich  ist  und 
ihre  antiken  Ueberreste  unter  dem  modernen  Boden  wie  unter  Neubauten  begraben 
liegen,  vorübergehen.  Verfolgen  wir  nun  den  Südwestabhang  entlang  den  Pfad  zu 
den  noch  übrigen  Palastanlagen,  so  gelangen  wir  zu  den  gewaltigen  Bauresten  der 
Südseite,  von  welchen  übrigens  mit  Ausnahme  der  dem  Septimius  Severus  zuge- 
schriebenen Gebäude  der  Südecke  keine  classische  Erwähnung  zu  Gebote  steht. 
An  der  Südecke  von  Villa  Mills  nimmt  uns  zunächst  ein  sehr  ansehnlicher  Raum 
auf,  der  schon  durch  seine  Umfassung  keinen  Zweifel  übrig  lässt,  dass  wir  eine 
Rennbahn  vor  uns  haben.  Die  Längserstreckung  beträgt  bei  einer  Breite  von  62  M. 
1 65  Meter,  was  den  Dimensionen  eines  Stadiums  entspricht,  wofür  auch  der  Raum 
zu  halten  ist.  Denn  während  für  einen  Hippodrom  die  Bedingungen,  wie  z.  B.  die 
Spina,  fehlen,  passt  Alles  für  gymnische  Spiele,  besonders  die  Art  der  breiten  bas- 
sinartigen Meten,  von  welchen  die  südwestliche  ganz  biosgelegt  ist,  und  welche  für 
Gespanne  zu  wenig  Bahn  gelassen  hätte.  Als  Zuschauerraum  lief  ein  Gorridor  um 
das  Ganze,  dessen  Obergeschoss  von  einei*  Pfeilerreihe  getragen  war,  welche  durchj 
Bogen  verbunden  und  nach  der  Arena  zu  mit  marmorverkleideten  Halbsäulen  ge- 
schmückt war.  Erhalten  haben  sich  von  diesen  wohl  viele,  blosgelgt  aber  sind 
am  segmentförmigen  Südwestende  und  unweit  davon  sieben,  drei  an  der  nordwest- 
lichen Langseite,  fünf  an  der  Nordecke  und  vier  in  der  Mitte  der  südöstlichen] 
Langseite. 


Die  Ruinen  der  südlichen  Höhe  des  Palatin.  387* 

Einige  Backsteinstempel  weisen  auf  die  Periode  der  Flavier  als  erste  Ent- 
stehungszeit, und  dieser  Umstand  und  das  parallele  Verhältniss  des  Stadiums  zu 
der  oben  beschriebenen  aedes  publica  des  Domitian  reizt  zur  Verfolgung  einer 
schon  oben  ausgesprochenen  Vermuthung.  Da  wie  bemerkt  wurde,  jener  domitia- 
nische  Bau  den  Wohnzweck  ausschiiesst ,  hat  man  angenommen,  dass  diesem  der 
tiberianisch-caligulanische  Complex  immer  entsprochen  habe.  Sollte  sich  nun  nicht 
dem  Repräsentationsbau  Domitians,  wenn  nicht  dessen  Privatresidenz  so  doch  die 
Palastthermen  und  Räumlichkeiten  für  Spiele  angeschlossen  haben?  Dass  kaiserliche 
Gärten  wie  die  Adonaea  sich  an  die  südöstliche  Langseite  der  aedes  publica  an- 
reihten, ist  bereits  als  sehr  wahrscheinlich  erwähnt  worden,  es  darf  nun  vielleicht 
auch  angenommen  werden,  dass  die  angebliche  Domus  Augustana  am  Südwestrande 
der  ehemaligen  Villa  Mills  vielmehr  als  die  kaiserlichea  Thermen  zu  erklären  sei, 
während  die  Gebäude  für  Spiele  den  Complex  südöstlich  abschlössen. 

Wir  müssen  jedoch  an  dem  Stadium  einige  nachträgliche  Aenderungen  con- 
statiren.  Die  mächtige  Exedra  an  der  südöstlichen  Langseite  des  Stadiums,  eines 
der  besterhaltenen  Stücke  des  ganzen  Hügels  lieferte  Backsteinzeichen  aus  Hadriaus 
Zeit,  während  mancherlei  Details  namentlich  der  Stuccoausschmückung,  an  welcher 
noch  ein  grosser  Theil  der  Gewölbemalereien  erhalten  ist,  auf  die  Zeit  des  Septimius 
Severus  schliessen  lassen.  Andere  inschriftliche  Unterstützung  als  durch  Backstein- 
oder Marmormarken  findet  sich  jedoch  nicht,  denn  der  an  der  Meta  gefundene 
Cippus  mit  der  Inschrift  der  Vestale  Coelia  Glaudiana  ist  ohne  Zweifel  später  hieher 
verschleppt  worden. 

Die  Baulichkeiten  südlich  vom  Stadium  sind  als  von  Septimius  Severus  her- 
rührend durch  classische  Nachrichten  wie  durch  Ziegelstempel  bezeugt.  Das  Haupt- 
werk dieses  Kaisers  zwar,  der  unter  dem  Namen  Septizonium  hergestellte  Fa^aden- 
bau  oder  Terrassenschmuck  der  Südecke,  wovon  in  der  historischen  Beschreibung 
des  Hügels  gesprochen  worden  ist,  in  seinem  unteren  Theile  ziemHch  weit  über 
den  natürlichen  Hügelrand  vorgeschoben,  ist  leider  zerstört,  oder  in  geringen 
vielleicht  noch  erhaltenen  Theilen  unter  dem  modernen  Boden  begraben.  Die  noch 
erhaltenen  mächtigen  Gewölbe  aber,  welche  sich  labyrinthisch  neben  und  über- 
einander thürmen,  müssen  zum  grössten  Theil  als  Substructionen  betrachtet  werden, 
bestimmt,  das  Hügelplateau  nach  dieser  Seite  zu  ergänzen  und  zu  erweitern  und 
erst  auf  ihrem  Scheitel  die  bewohnbaren  Räume  aufzunehmen,  wesshalb  es  ganz 
unmöglich  ist,  eine  verlässige  Vorstellung  von  diesem  Palastbau  zu  gewinnen. 
Am  meisten  verständlich  sind  noch  die  Reste  unmittelbar  hinter  der  Exedra  des 
Stadiums,  wo  ein  hinter  derselben  laufender  Corridor  noch  ein  Stück  des  cassettirten 
Tonnengewölbes   zeigt,   und   ^einzelne    Räume    auf  Badezwecke    schhessen    lassen. 

49** 


388*  ^^^  Palatinus. 

Sonst  überwiegt  trotz  bedeutender  Ausgrabungsarbeiten  aus  letzter  Zeit  wie  vorher 
der  pittoreske  Charakter  dieser  in  der  Ansicht  wie  durch  die  von  ihnen  aus  zu  ge- 
winnende Aussicht  herrh'chen  Ruinen ,  an  welche  sich  auch  in  den  vergangenen 
Jahrhunderten  der  Name  der  Kaiserpaläste  vorzugsweise  geknüpft  hatte. 

In  'den  anstossenden  Gärten  aber  sieht  man  nur  noch  sehr  vereinzelte  Ruinen, 
welche  der  vielhundertjährigen  und  noch  bestehenden  Wein-  und  Gemüsekultur 
getrotzt  haben,  vorab  die  stattlichen  Reste  eines  Aquäducts,  der  einst  als  über  den 
Caelius  geleiteter  Zweig  der  Aqua  Claudia  einen  Strom  von  Wasser  auf  die  jetzt  was- 
serarme Höhe  geleitet  hatte. 


VIII.  Die  Velia  und  das  Thal  des  Oolosseum. 

Während  der  Palatin  an  den  übrigen  Seiten  ziemlich  schroff  abfällt,  läuft  er 
im  Norden  in  einen  sanft  abdachenden  Arm  aus,  welcher  die  Thäler  des  Forum  Ro- 
manum  und  des  Colosseum  mit  seinem  Rücken  trennt.  Dieser  Hügelarm  hatte  den 
besonderen  Namen  Velia  ^  und  verdankte  den  grössten  Theil  seiner  Bedeutung  der 
Sacra  via,  welche  über  ihren  Rücken  führte.  Diese  begann,  wie  wir  aus  doppelten 
Zeugnissen  wissen,  ^  an  der  Kapelle  der  Strenia  in  den  Carinen  (mithin  wahrschein- 
lich zwischen  dem  nachmaligen  Colosseum  und  den  Esquilien)  und  endigte  auf  dem 
Capitolium.  Ob  das  auch  schon  die  ursprüngliche  Ausdehnung  der  heiligen  Strasse 
war,  deren  Anlage  (ä.  a.  0.)  mit  Romulus  und  Tatius  in  Verbindung  gebracht  wird, 
ist  nicht  klar,  doch  wissen  wir  aus  beiden  Angaben,  dass  im  Munde  des  Volkes  nur 
derjenige  Theil  den  Namen  trug,  welcher  an  der  Velia  selbst  lag,  nemlich  nur  die 
verhältnissmässig  kurze  Strecke  von  der  Regia  am  Vestaheiligthum  bis  zum  Hause  des 
Rex  sacrificulus.  Wie  aber  die  Regia,  an  der  Gränze  des  Forum  und  am  Fusse 
der  Velia  lag,  so  muss  das  Haus  des  Rex  sacrificulus  weiter  südöstlich  und  auf  der 
Höhe  der  Velia  oder  wenigstens  dem  Scheitel  nahe  gestanden  sein,  ^  vielleicht  an 
der  Stelle  einer  der  Königswohnungen  auf  der  Höhe  der  Velia,  wo  sowohl  Tullus 
Hostilius  ^  als  Ancus  Marcius, '"  vielleicht  auch  Tarquinius  Superbus,  der  letzte  König  ^ 


>  I.  68.  2Varro  L.  L.  V.  8,  U.  p.  52  sq.  (Speng.).  Fest.  s.  v.  Sacram  viam.  3  liv.  27.  Man  ver- 
gleiche hierüber  die  vorzügliche  Abhandlung  Becker's  De  Romae  veteris  muris  atque  portis.  Lps.  i842. 
p.  23  sq.  Hdb.  d.  röm,  Alterth.  Bd.  1.  S.  219  fg.  246  fg.  «  Cic.  de  rep.  II.  31.  s  Solin.  1,  23.  6  Plin. 
N.  XXXIV.  6,  13,  29. 


Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum.  389* 

ihren  Wohnsitz  aufgeschlagen  haben  sollen.  —  Bei  diesen  Königswohnungen  auf  der 
Höhe  der  Velia  befanden  sich  auch  zwei  alte  Tempel,  die  Kapelle  der  Laren  ^  und 
der  Tempel  der  Penaten,  ^  welche  nicht  identificirt  werden  dürfen ,  weil  sie  beide 
unter  den  von  Augustus  wiederhergestellten  genannt  werden.^ 

Die  Sacra  via  aber  hiess  da,  wo  sie  den  Scheitel  der  Velia  überschritt,  die 
Summa  sacra  via,  ein  Punkt,  den  der  Titusbogen  genau  gibt,  während  die  von  hier 
abwärts  gegen  die  Meta  Sudans  gerichtete  Linie  der  Strasse  nicht  die  ursprüngliche 
zu  sein  scheint,  da  ihr  Lauf  durch  die  Anlage  des  hadrianischen  Venus-  und  Ro- 
matempels vermuthlich  eine  Aenderung  erfuhr.  Auch  ihre  Richtung  im  Thale  des 
Colosseum,  wie  wir  sie  aus  der  Notitia  entnehmen  können,  nach  welcher  sie  zwischen 
dem  Piedestal  des  Sonnenkolosses  und  dem  Colosseum  sich  dem  Fusse  der  EsquiHen 
nabelte,  ist  sicher  durch  die  neronischen  und  flavischen  Anlagen  alterirt. 

Aus  der  republikanischen  Zeit  wissen  wir  von  der  Velia  wenig.  Gleich  am 
Anfange  derselben  erbaute  Poplicola  auf  der  Höhe  jenes  Haus,  welches  er,  durch 
das  argwöhnische  Missvergnügen  des  Volkes  bewogen,  wieder  niederriss,  um  am 
Fusse  des  Hügels  an  einer  minder  beherrschenden  Stelle  ein  anderes  zu  errichten.  ^ 
Die  Höhe  des  Hügels  aber  war  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein  der  Obst-  und  Blumen- 
markt, ^  wie  überhaupt  die  Sacra  via  von  Geschäftsleuten  viel  besucht  und  ohne 
Zweifel  grossentheils  von  Privatgebäuden  und  Tabernen  begränzt  war. 

Die  Palasterweiterungen  des  Nero  mussten  die  ganze  bauliche  Gestalt  der  Velia 
verändern.  Die  Höhe  derselben  wurde  in  ein  weitläufiges  Vestibulum  umgestaltet, 
in  welchem  das  Kolossalbild  des  Nero,  wovon  bei  den  erhaltenen  Ueberresten  seines 
Piedestals  besonders  die  Rede  sein  wird,  aufgestellt  ward.  Das  Thal  des  Colosseum 
aber,  von  dessen  früherer  Bedeutung  ausser  dem  partiellen  Localnamen  »Cerohensis« 
nichts  bekannt  ist,  ward  in  einen  grossen  Teich  umgewandelt. 

Die  neronische  domus  aurea  aber  wurde  durch  die  Flavier  wieder  gänzlich 
aufgelöst,  der  Verbindungsbau  auf  der  Veha  dem  Erdboden  gleichgemacht,  der 
Teich  im  Thale  durch  den  Riesenbau  des  Amphitheaters  ersetzt,  die  Gärten  auf  dem 
Esquilinus  theils  dem  Privatbesitze  zurückgegeben,  theils  für  die  Anlage  der  Titus- 
thermen  verwendet.  Zum  Amphitheater  kamen  in  dem  Thal  zwischen  Esquilin  und 
Caelius  und  an  den  beiderseitigen  Abhängen  bis  gegen  S.  Clemente  (einem  Mithras- 
heiligthume  der  Kaiserzeit)  einige  Gebäude,  welche  der  Regionär  in  der  HL  Reg. 
nennt:  die  kaiserliche  Münze  (bei  S.  Clemente),  der  durch  ein  capitolinisches  Frag- 
ment^ auch  der  Gestalt  nach  theilweise   bekannte  Ludus   magnus  oder  die  Gladia- 


»  Solin.  1.  c.  2Varro  L.  L.  V,  s,  47.    (p.  60.   Speng.)    Non.  XII.  51.     Liv.  XLV.  H.  Solin.  1,  22. 

»Monum.   Ancyr.    (Chish.  p.    174.)  <  Cic.  de  rep.  II.  31.      Dionys.    V.   19.   Liv.  II.   7.   Plut.   Popl.   10. 

^Varro,  r.  r.  I,  2.  Ovid.  ars  am.  II.  v.  266.  Fast.  VI.  v.  791  sq.  6  Jordan,  F.  U.  Romae  1,  4. 


390*  D'6  V^''3  u"tl  das  Thal  des  Colosseum. 

torenkaserne  (näher  am  Colosseum  wahrscheinlich  an  der  Gaeliusseite),  das  Summuui 
choragium  oder  das  Magazin  für  die  Ausstattung  und  die  Geräthe  des  Colosseum 
(wahrscheinlich  in  der  Tiefe  des  Thaies  nebenan)  und  endlich  die  Castra  Misenatium,  die 
Caserne  der  im  Amphitheater  verwendeten  Marinesoldaten  (nach  Inschriftfunden 
zwischen  der  Via  Labicana  und  dem  Kreisbogen  der  Cavea  der  Titusthermen).  ^ 
Ueber  der  Summa  sacra  via  aber  erhob  sich  in  bescheidenen  Dimensionen  ein 
kleines  Denkmal  eines  grossen  weltberühmten  Erfolges,  der  Triumphbogen  des  Titus. 
Die  Kunstschätze  des  goldenen  Palastes  wurden  in  dem  nahen  Tempel  und  Tempel- 
hofe der  Pax  aufgestellt,  welches  Heiligthum  dem  gleichen  Anlasse,  wie  der  genannte 
Triumphbogen,  seine  Entstehung  verdankt.  Domitian  legte  bei  dem  Forum  Pacis 
und  zwar  an  der  Stelle  zwischen  SS.  Gosma  e  Damiano  und  S.  Francesca  Romana 
Gewürzmagazine  an,  welche  jedoch  in  Commodus'  Zeit  sammt  dem  Paxheiligthume 
und  den  Gebäuden  an  der  Nordwestecke  des  Palatin  ein  Raub  der  Flammen  wurden. 
Glänzender  als  Domitian  benutzte  Hadrian  den  östlichen,  dem  Colosseum  zugewandten 
Abhang  der  Velia  zum  Bau  seines  prachtvollen  Tempels  der  Venus  und  Roma,  dessen 
Ueberreste  unten  genauer  betrachtet  werden  sollen.  Der  Bau  hatte  eine  Erweite- 
rung des  Hügels  durch  eine  massive  Substruction ,  die  Veränderung  der  Linie  der 
Sacra  via,  welche  wahrscheinlich  vormals  vom  Titusbogen  aus  mehr  östlich  Hef, 
und  namentlich  die  Versetzung  des  Sonnenkolosses  zur  Folge,  der  nun  auf  dem 
Platze  zwischen  dem  Doppeltempel  der  Venus  und  Roma  und  den  flavischen  Am- 
phitheater aufgestellt  wurde,  wo  wir  noch  namhafte  Reste  seines  Piedestals  finden 
werden. 

Wenn  die  unter  Commodus  abgebrannten  Gewürzmagazine  wieder  aufgebaut 
wurden,  so  waren  sie  in  Maxentius'  Zeit  wieder  zu  Grunde  gegangen  oder  abge- 
tragen worden,  denn  damals  erbaute  dieser  an  deren  Stelle  jene  Basilica,  welche 
einzuweihen  und  zu  benennen  seinem  Ueberwinder  Constantin  vorbehalten  blieb 
(vgl.  die  Beschreibung).  Unter  Maxentius  war  auch  der  Venus-  und  Romatempel 
ein  Raub  der  Flammen  und  von  demselben  wieder  hergestellt  worden.  Eine  weitere 
Aenderung  der  baulichen  Gestalt  der  Velia  im  Alterthume  ist  nicht  bekannt,  die 
Schicksale  der  einzelnen  Bauwerke  aber  werden  bei  der  Beschreibung  im  Einzelnen 
ihre  Besprechung  finden. 

74.  Der  Roniulustempel.  (SS.  Cosma  e  Damiano.) 

Wandeln  wir  nun,  um  das  Erhaltene  zu  betrachten,  vom  Forum  Romanum 
die  sanft  ansteigende  Höhe  der  Velia   hinan,  so  ist  der  erste  Ueberrest,    dem  wir 

1  G.  Henzen,  Sulla  posizione  delle  castra  Misenatium  e  di  alcuni  altri  punti  della  terza  regione  di  Roma. 
Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1862  p.  60—67. 


Der  Romulustempel, 


391 


begegnen,  die  Rotunde,  welche  jetzt  die  Vorhalle  der  Kirche  SS.  Cosma  e  Damiano 
bildet,  wie  wir  schon  im  vorhinein  aus  Form  und  beschränkten  Dimensionen  ver- 
muthen  können,  ein  Rundtempel  von  eben  nicht  hervorragender  Bedeutung.  Sowie 
wir  den  Tempel  jetzt  sehen,  hat  er  von  aussen  seine  ursprüngliche  Gestalt  fast  ganz 
verloren.  Der  antike 
Eingang  war  dem 
Forum  zugewandt, 
mithin  an  der  West- 
seite, wie  man  noch 
aus  vorhandenen  Spu- 
ren erkennt;  der 
moderne  Eingang  ist 
mehr  südlich.  Der 
Ziegelbau  ist  aus  sehr 
später  Zeit ,  ebenso 
die  Marmorornamen- 
tik der  Thürpfosten. 
An  der  Seite  sieht 
man  noch  zwei  Säu- 
len       von       GipollinO  37.     Der  Romulustempel.     (SS.  Cosma  e  Damiano.)     (F.  H.) 

(caristischem  Marmor),  welche  vielleicht  zum  Pronaos  der  Rotunde  gehört  hatten, 
halb  verschüttet  aus  der  Erde  hervorragen.  Woher  die  beiden  Porphyrsäulen  des 
gegenwärtigen  Portals  stammen,  ist  schwer  zu  sagen,  der  ganze  Aufbau  darüber 
sammt  dem  Gebälk  ist  modern.  Von  reicher  Arbeit  und  antik  ist  jedoch  der  Thür- 
rahmen  und  ein  seltenes  Beispiel  der  Erhaltung  von  Bronzegegenständen  an  öffent- 
lichen Gebäuden  die  zwar  sehr  und  gewaltsam  beschädigte,  aber  schön  gearbeitete 
Bronzethüre.  Pfosten  und  Thüre  scheinen  nach  ihren  Verhältnissen  dem  Tempel 
selbst  angehört  zu  haben,  sind  aber  gleichwohl  versetzt  und  insbesondere  bedeutend 
höher  angebracht  worden.  Der  innere  Durchmesser  des  Rundgebäudes  beträgt 
14,80,  der  äussere  17, 50  Meter. 

lieber  die  Bestimmung  dieser  Rotunde  sind  verschiedene  Meinungen  aufge- 
stellt worden.  Doch  ist  jetzt  ^  wohl  kein  Zweifel  mehr  möglich,  dass  nach  einer 
Notiz  im  Liber  Pontificalis  -  und  einer  Erwähnung  bei  Joannes  Diaconus  ^  die  Rotunde 
dem  Romulus,  d.  h.  des  Maxentius  Sohn,  zuzuschreiben  sei,  womit  auch  der  etwa 
constantinisch   scheinende   Ziegelbau    und   eine   Münze  mit  einem    einfachen   Rund- 


1  G.  B.  de  Rossi,  Bull.  d.  arch.  crist.  1867  p.  61  sq. 
Paris  1649.  p.  36.  3  Vita  S.  Gregorii 


2  Anastas.  Biblioth.  de  vit.  Pontif.  Felic.  IV, 


392^  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

tempel  ohne  Säulen  und  dem  Namen  des  Romulus,  des  Maxentius  Sohn,  überein- 
stimmt. Jedenfalls  wurde  dieser  Rundtempel  ebenso  wie  Maxentius'  Basilica  später 
dem  Constantin  geweiht  wie  aus  der  noch  von  Panvinius  und  Ligorius  gelesenen 
Inschrift  Imp.  Caes.  Fl.  CONSTANTINo  MAXIMO  iriuMPhatori,  die  sich  auf  dem  Portal- 
epistyl  befand  hervorgeht,^  und  zwar  erst  nach  315  p.  Chr.  da  erst  in  diesem 
Jahre  Constantin  den  Beinamen  Maximus  annahm. 

Die  Basihca  von  SS.  Cosma  e  Damiano,  noch  eine  der  interessanteren  Roms, 
wurde  von  Papst  Felix  IV.  (536  —  530)  erbaut  und  die  Rotunde  als  Vorhalle  be- 
nutzt. 2  Die  seitherigen  Veränderungen  sind  unbedeutend,  doch  machte  es  der  sich 
ringsumher  immer  mehr  erhöhende  Schutt  endlich  unerlässlich ,  das  Paviment  der 
Kirche  und  Vorhalle  beträchtlich  zu  erhöhen,  was  durch  Papst  Urban  VIII.  im  J. 
1632  vermittelst  Unterwölbung  geschah. 

Besonders  merkwürdig  aber  wurde  die  Nachbarschaft  der  Kirche  durch  den 
Fund  der  Fragmente  des  antiken  Planes  der  Stadt  Rom,  die  jetzt  in  26  Tafeln  an 
den  beiden  Wänden  der  Treppe  des  capitolinischen  Museums  eingelassen  zu  sehen 
sind.  Ueber  diese  so  wichtigen  Reste,  neuerlich  durch  Nachträge  nicht  blos  an- 
sehnlich erweitert  sondern  auch  hinsichtlich  des  vorher  zweifelhaften  Fundortes 
vollkommen  gesichert  zudem  kürzlich  durch  eine  mustergültige  wissenschaftliche 
Behandlung^  zu  weiterer  Bedeutung  erhoben,  wird  im  einleitenden  Vorworte  beson- 
ders zu  sprechen  sein. 

75.  Die  Basilica  des  Constantin. 

Den  Abhang  der  Velia  weiter  hinansteigend,  erbhckt  man  eine  gewaltige  aus 
drei  grossen  Tonnengewölben,  dem  nordöstlichen  Dritttheile  eines  im  Uebrigen  nur 
noch  in  den  Grundmauern  sichtbaren  Gebäudes,  bestehende  Ruine.  Die  drei  noch 
erhaltenen  Bogen,  welche  vermittelst  2  Meter  breiter  gewölbter  Durchgänge  mit- 
einander verbunden  sind,  messen  24,5o  Met.  in  der  Höhe,  20, 50  in  der  Breite  und 
1 7,25  in  der  Tiefe.  Die  Tonnengewölbe  zeigen  abwechselnd  achteckige  und  rhombische 
Cassettonen.  Die  beiden  Seitenhallen  sind  nordöstlich  von  geraden  Wänden  be- 
gränzt,  von  denen  jede  sechs  gewölbte  Fenster  in  zwei  Reihen  zeigt,  die  jetzt 
grösstentheils  vermauert  sind;  die  Mittelhalle  jedoch  läuft  in  eine  grosse  halbkreis- 
förmige (Radius  von  10  Meter)  Tribüne  aus,  welche  durch  16  rechteckige  Blenden 
von  schwacher  Vertiefung  in  zwei  Reihen  übereinander,  ohne  Zweifel  zur  Aufstel- 
lung von  Statuen  bestimmt,  gegliedert  ist.  Vor  der  etwas  grösseren  mittleren  Blende, 
bei  welcher  auch  noch  kragsteinförmige  Vorsprünge  mit  rohgearbeiteten  Victorien 
zu  sehen  sind,   befindet  sich  ein  tribunalartiges  Suggestum.     Die  Kragsteine  trugen 

1  Jordan,    Sylloge  inscriptionum  Fori  Romani  n»  22,    Die  Ergänzung  ist  nachi  de  Rossi.  ^  Vgl.  die 

Mosaikinschrift  in  der  Apsis.  ^  jor,jan,  Forma  Urbis  Romae  Regionum  XIV.  ßerol.  4874. 


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Die  Basilica  des  Constanlin. 


393 


Säulchen  oder  Pilaster,  wie  aus  dem  Gürtelgebälke  hervorgeht,  von  welchem  noch  einige 
Stücke  am  Boden  Hegen,  und  dessen  Ornamentik  auf  eine  späte  Kunstepoche  hinweist. 


9oMet. 


38.     Grundriss  der  Basilica  des  Constanlin.  (Nach  Knapp.) 


Die  Tribünenwölbung ,  welche  sich  an  das  Tonnengewölbe  des  Mittelbogens  anschloss, 
jetzt  aber  durch  den  Einsturz  eines  grossen  Theiles  getrennt  ist,  zeigt  an  dem  noch  er- 
haltenen Theile  sechseckige  Cassetten  abwechselnd  mit  kleinen  Rhomben.  Die  Tribüne 
aber  war  nach  innen  nicht  völlig  frei  und  offen ;  man  sieht  vielmehr  in  der  Linie  der 
Rückwand  der  beiden  Seitenhallen  laufend  noch  die  Reste  von  zwei  Pfeilern  mit  vorste- 
henden Säulen,  von  welchen  sich  sogar  noch  eine  Base  erhalten  hat. 

^  Wie  schon  erwähnt,  bildeten  die  drei  mächtigen  Bogenhallen,  welche  billigerweise 
zuvörderst  unsere  Aufmerksamkeit  in  Anspruch  nahmen,  nur  den  dritten  Theil  des  gan- 
zen sowohl  nach  der  Länge  als  nach  der  Breite  dreischiffigen  Gebäudes.  An  den  vier 
Pfeilern  sieht  man  auch  noch  die  Ansätze  von  Kreuzgewölben ,  welche  sich  mehr  als  die 
erhaltenen  Tonnenbogen  erhoben  und  nach  ihrer  Krümmung  auf  eine  bedeutende  Höhe 
schliessen  lassen.  Es  entstanden  dadurch  die  drei,  jedoch  gegeneinander  olTenen  Gewölbe 
des  Hauptschiffes,  jedes  2ö  Met.  breit,  20  tief  und  annähernd  35  hoch.  An  diese  schlös- 
sen sich  südwestlich  ursprünglich  noch  drei  Tonnengewölbe  an,  welche  nach  ihren 
Pfeilerresten  dieselben  Dimensionen,  wie  die  correspondirenden  erhalten  haben  mussten 


I".  Kebeu  ,  die  Ruinen  Roms. 


50 


394  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

und  so  das  Ganze  symmetrisch  schlössen.  Von  dem  Allen  aber  sind  nur  die  Pfeiler  in 
verschiedener  Höhe  übrig;  der  höchsterhaltene  darunter  zeigt  in  den  Nischen  dieselbe 
Constniction  wie  die  Pfeiler  der  beschriebenen  Tonnengewölbe.  Das  zerstörte  Mittelschiff' 
bildete  an  der  Nordwestseite  eine  ähnliche  Tribüne,  wie  wir  sie  an  dem  mittleren  der  drei 
Tonnengewölbe  beschrieben  haben,  doch  sind  die  dürftigen  Reste  der  halbzirkeligen 
Mauer  jetzt  durch  ein  Magazin  eingeschlossen.  Man  sieht  aus  diesen  zwei  Tribünen  das 
Charakteristische  der  Anlage,  eines  Dreischiffsystems  nach  zwei  Richtungen  hin,  wodurch 
denn  auch  das  Gebäude  organisch  zwei  Fagaden  erhielt,  die  eine  an  der  Lang-,  die  an- 
dere an  der  Schmalseite.  Die  Mauern  zu  beiden  Seiten  der  nordwestlichen  Tribüne  sind 
von  ausserordentlicher  Dicke  (6  Met.),  und  enthalten  im  Innern  Wendeltreppen,  von  denen 
die  zur  Rechten  noch  theilweise  erhalten  ist.  Auf  der  südöstlichen  Seite  führen  der  Tri- 
büne gegenüber  drei  Eingänge  in  das  Mittelschiff,  je  einer  in  die  beiden  Seitenschiffe,  vor 
diesen  Eingängen  aber  bildete  ein  7, 50  Met.  breiter  Corridor  eine  Art  von  Vorhalle,  deren 
Gestalt  aus  dem  Plane  ersichtlich  ist.  Wir  haben  an  dieser  Vorhalle  ohne  Zweifel  ein  Bei- 
spiel eines  Chalcidicum,  über  dessen  Bedeutung  schon  so  viele  grundlose  Vermuthungen 
aufgestellt  worden  sind.  Auf  nichts  anderes  könnten  nemlich  jene  oft  besprochenen  Worte 
Vitruv's,^  »wenn  der  Raum  in  der  Länge  über  den  Bedarf  (einer  Basilica)  hinausgeht,  so 
lege  man  am  Rande  Chalcidiken  an«,  besser  passen,  als  auf  diesen  Corridor,  der  auch 
in  der  That  nicht  bloss  hier,  sondern  selbst  bei  den  meisten  christlichen  Basiliken  an  der 
Schmalseite  sich  findet,  welche  der  Tribüne  gegenüberliegt  und  desshalb  auch  zum  Ein- 
gange dient.  Hier  aber  war  der  Haupteingang  nicht  an  dieser  Schmalseite ,  sondern  an 
der  dem  Palatin  und  der  Sacra  via  zugewendeten  Langseite,  wodurch  auch  die  Richtung 
der  Tonnengewölbe  wesentlich  bedingt  ward.  Der  Tribüne  des  Mittelbogens  gegenüber 
fand  man  auch  noch  die  Spuren  einer  Treppe,  wie  einer  Art  von  Pronaos  mit  Porphyr- 
säulen, von  deren  Schäften  zwei  gefundene  Stücke  in  den  Hof  des  Conservatorenpalastes 
gebracht  worden  sind.  Die  Eingänge  an  der  Schmalseite  aber  haben  nicht  einmal  einen 
directen  Zugang,  denn  die  Strasse  nordöstlich  von  dem  Tempel  der  Venus  und  Roma 
mündet  nicht  in  der  Linie  des  mittleren  Einganges,  sondern  weiter  nordöstlich  aus.  Da 
der  Abhang  der  Velia  bei  der  Anlage  dieses  Gebäudes  erst  geeignet  geebnet  werden 
musste,  so  kann  es  auch  nicht  befremden,  zu  bemerken,  dass  man  von  der  antiken  Strasse 
zu  dem  Chalcidicum  auf  drei  Stufen  hinabsteigt.  In  der  äusseren  Mauer  dieser  Vorhalle 
ist  eine  auf  die  Höhe  des  Corridors  führende  Treppe  angebracht ,  welche  sich  von  da 
durch  eine  in  dem  nordöstlichen  Pfeiler  befindliche  Wendeltreppe  auf  die  jetzt  terrassen- 
förmige Höhe  der  drei  Tonnengewölbe  fortsetzt. 

Das  beschriebene  Gebäude  galt  sonderbar  genug  bis  auf  dieses  Jahrhundert  fiir 

*  Vitruv.  V.l. 


Die  Basilica  des  Constanlin.  ,  395 

den  Tempel  der  Pax,  obwohl  die  Gestalt  der  Ueberreste  schlechterdings  nicht  an  einen 
Tempel  hätte  denken  lassen  sollen.  Der  hauptsächlichste  Grund  für  diese  Annahme  scheint 
gewesen  zu  sein,  dass  die  Mirabilien^  diesen  Tempel  als  »hinter  SS.  Cosma  e  Damiano« 
befindlich  bezeichneten,  was  leicht,  nachdem  mittlerweile  die  Reste  des  Paxheihgthums 
verschwunden  waren,  zu  dem  Irrthum  Veranlassung  werden  konnte,  und  zwar  um  so  mehr, 
als  auch  die  anderen  Angaben  zu  passen  schienen,  denn  jener  Tempel  war  in  der  That  un- 
mittelbar nahe,  doch  nicht  östhch,  sondern  vielmehr  nordwestlich  von  SS.  Cosma  e  Da- 
miano (vgl.  S.  1 69).^  Im  vorigen  Jahrhundert,  in  welchem  die  antiquarische  Forschung 
doch  schon  einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen  hatte,  fühlte  nurPiranesi,  der 
freilich  ohne  philologische  Kenntnisse  und  mehr  als  Künstler  mit  stumpfen  Waffen  kämpfte, 
die  Unmöglichkeit ,  die  Ruine  für  einen  Tempel  anzusehen,  und  zog  sie  daher  zu  den 
neronischen  Palastbauten,  womit  er  allerdings  bei  den  Gelehrten  keinen  Anklang  finden 
konnte.  Das  Verdienst,  diesem  Baudenkmale  als  Basilica  des  Constantin  den  richtigen 
Namen  gegeben  und  nach  schwerem  Kample  mit  einem  sonst  verdienstvollen ,  hier  aber 
sehr  zur  Unzeit  höchst  leidenschaftlichen  Gegner^  zur  allgemeinen  Geltung  erhoben  zu 
haben,  gebührt  dem  gelehrten  und  thätigen  A.  Nibby.*  Dass  die  Anlage  mit  ihren  Tribü- 
nen im  Allgemeinen  einer  Basilica  entspricht,  wird  von  keinem  Kenner  in  Abrede  gestellt 
werden  können.  Was  aber  die  Zeit  der  Entstehung  betritft,  so  weisen  sowohl  der  Ziegel- 
bau, welcher  dem  der  diocletianischen  Thermen  ganz  ähnlich  ist,  als  die  Reste  der  rohen 
Marmorarbeit,  der  Ornamentik  und  der»  Victorien  in  den  beschriebenen  Kragsteinen,  be- 
stimmt auf  die  constantinische  Kunstepoche.  Ueberdiess  ward  in  einem  im  J.  1828  her- 
abgestürzten Gewölbestücke  im  Mörtel  eine  Silbermünze  gefunden,  welche  auf  der  Kopf- 
seite den  Namen  iviaxentivs  p  •  f  avg  und  auf  der  Kehrseite  die  Umschrift  conserv  vrb  ■ 
SVAE  trug,^  eine  Münze,  die  einen  neuen  schlagenden  Beweis  für  die  neun  Jahre  vorher 
aufgestellte  Behauptung  Nibby's  lieferte.  Wenn  nun  schon  daraus  abzunehmen  ist,  dass 
der  Bau  nicht  vor  Maxentius,  wahrscheinlich  sogar  unter  diesem  Kaiser,  dem  Vorgänger 
Constantin's,  ausgeführt  wurde,  so  gewinnt  diess  durch  die  weiteren  Umstände  unzwei- 
felhafte Gewissheit.  Die  Basilica,  die  Maxentius  zugleich  mit  der  Wiederherstellung  des 
Tempels  der  Venus  und  Roma  erbaute,  und  welche  nach  Maxentius'  Tode  unter  Constan- 
tius'  Namen  eingeweiht  wurde,  stand  nemlich  an  der  Stelle  der  von  Domitian  erbauten 
Gewtirzmagazine,^  welche  von  dem  Brande  des  Tempels  der  Pax  unter  Commodus  er- 
griffen und  vernichtet  worden  waren. '   Aus  der  Richtung  dieses  Brandes  von  dem  Fo- 


'  Montfaucon,  Diar.  Ital.  Par.  1702.  p.  295.  *  Dort  hat  sich  leider,  nach  wiederholt  richtiger  Bezeich- 

nung, Zeile  25  das  sinnstörende  Versehen  «Basilica  lulia«  statt  »Basilica  des  Constantin«  eingeschlichen. 
*  C.  Fea,  La  Basilica  di  Costantino  sbandita  dalla  Via  Sacra.  Lettera  al  S.  .4nt.  Nibby.  R.  4  819.  Diesem  folgte 
N.  Ratti,  Sil  le  rovine  del  tenipio  della  Pace.  R.  1823.  *  A.  Nibby,  Del  tempio  della  Pace  e  della  Basilica  di  Costan- 
tino. R.  1819.  *  id.  Roma  neu'  anno  1838.  P.  II.  ant.  p.  248.  *  Catalog.  Imp.  Vienn.  (Roncalli,  Vet.  Script. 
Chron.  tom.  II.  col.  24.S.)         ^  Dio  Cass.  L.XXII.  24.     Galen,  de  comp.  med.  I.  1. 

50* 


396  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

rum  Pacis  gegen  den  Palatin  hin  ist  ersichtlich ,  dass  diese  Magazine  zwischen  beiden, 
also  an  der  Velia  lagen.  In  der  That  haben  sich  auch  in  geringer  Tiefe  im  Boden  des 
Mittelschiffes  wie  auch  bei  der  Eingangstreppe  Kammern  domitianischen  Ziegelbaues  ge- 
funden, die  jedoch,  da  sie  kein  weiteres  Interesse  boten,  wieder  verschüttet  wurden. 
Dieser  Platz  der  auf  dem  Räume  der  ehemaligen  Gewürzmagazine  erbauten  Basilica  des 
Constantin  wird  auch  durch  die  Notitia  ^  bestätigt,  in  welcher  die  Basilica  nova ,  wie  sie 
als  die  letzte  heidnische  genannt  werden  konnte,  unweit  von  der  Sacra  via  zwischen  dem 
Tempel  der  Roma  und  dem  Forum  Romanum  und  in  der  vierten  Region,  die  sich  nord- 
östlich von  der  Sacra  via  befand,  genannt  wird. 

Was  die  weiteren  Schicksale  dieser  Basilica  betrifft,  so  fehlt  es  uns  gänzlich  an 
Nachrichten.  Nach  dem  Bestand  der  Reste  scheint  sie  niemals  durch  Brand  gelitten  zu 
haben,  vielmehr  nach  Hinwegnahme  der  Bedachung,  der  Säulen  und  der  Bekleidung  all- 
mälig  eingestürzt  zu  sein.  Es  knüpfte  sich  auch  im  Mittelalter  an  diess  Gebäude  die  Sage, 
dass  es  in  der  Nacht,  in  welcher  Christus  geboren  wurde  (!).  grösstentheils  eingestürzt 
und  dass  seitdem  in  jeder  Ghristnacht  ein  weiteres  Stück  davon  herabgebrochen  sei.^ 
Zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  stand  noch  eine  Säule  von  prokonnesischem  Marmor 
und  canellirt,  mit  Base  und  Capital,  19,25  Met.  messend,  links  von  dem  zweiten  Pfeiler 
des  Mittelschiffes. 3  Diese  Hess  jedoch  Paul  V.  im  J.  1613  wegnehmen,  vor  S.  Maria 
Maggiore  aufstellen  und  den  Gipfel  mit  der  Statue  der  h.  Jungfrau  schmücken.  Bis  zum 
Anfange  dieses  Jahrhunderts  ward  der  Schutt  so  hoch,  dass  er  fast  bis  an  den  Wölbungs- 
ansatz reichte,  und  in  diesem  Zustande  diente  die  Ruine  als  Schutz  und  Futterort  für  die 
Karrenrinder  der  Campagna,  welche  noch  jetzt  einen  Theil  des  Forum  und  den  anlie- 
genden Abhang  der  Velia  als  Campo  vaccino  in  ererbtem  Besitze  haben.  Die  Ausgrabun- 
gen begannen  zur  Zeit  der  Franzosenherrschaft  im  J.  1812,  wurden  aber  zwei  Jahre 
darauf  wieder  eingestellt,  doch  wenigstens  die  Einsturz  drohenden  Theile  durch  Ver- 
mauerung  der  Fenster  und  angebrachte  Strebepfeiler  solidirt.  Die  unter  Fea's  Leitung  im 
J.  1818  wieder  aufgenommenen  Arbeiten  wurden  ebenfalls  schon  in  einem  Jahre  wieder 
unterbrochen.  Im  J.  1828  stürzte  ein  grosses  Stück  von  der  Wölbung  der  Tribüne  des 
Mittelschiffes  herab  und  der  donnerähnliche  Schlag  erweckte  zu  neuer  Arbeit ,  worauf 
unter  Aufsicht  Nibby's  der  ganze  Bau  bis  zum  antiken  Boden  blossgelegt  wurde.  Von 
dem  Pavimente  fand  man  nur  mehr  wenige  und  unbedeutende  Reste,  kleine,  dünne  Plat- 
ten von  theilweise  kostbaren  Marmorarten ;  doch  auch  diese  wenigen  sind  von  Jahr  zu 
Jahr  sich  verringernd  jetzt  schon  fast  vollständig  verschwunden. 


*  Curios.  U.  R.  Reg.  IV.  *  L.  Fauno,  dell'  anlichitä  di  Roma.  fol.  61.  =*  Du  Perac,  I  vestigj  dell'  an- 

tichitä  di  Roma.  R.  1674.  tav.  5.   (Die  Zeichnungen  sind  demnach  jedenfalls  weit  älter.) 


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Der  Triumphbogen  des  Titus.  397 

76.   Der  Triumphbogen  des  Titus. 

Von  der  Südwestseite  der  Basilica  des  Constantin  erreicht  man,  südlich  zu  der 
dem  Nordostabhange  des  Palatin  zunächstliegenden  Höhe  der  Velia  zum  Theil  auf  anti- 
kem Polygon -Pflaster  hinansteigend  wieder  die  Linie  der  Sacra  via  und  zugleich  den 
Triumphbogen  des  Titus,  eine  Reliquie,  nicht  minder  als  geschichtliches,  wie  als  Kunst- 
denkmal bedeutend  und  bewunderftswerth.  Er  ist  15,4o  M.  hoch,  13, so  breit  und  4,75 
tief  und  hat  nur  einen  Durchgangsbogen.  Von  dem  ursprünglichen  Bau  ist  jedoch  nur 
der  mittlere  Theil  erhalten ,  das  Uebrige  moderne  Ergänzung.  Man  kann  indess  leicht 
den  antiken  Theil  von  dem  restaurirten  unterscheiden ,  denn  jener  ist  von  pentelischem 
Marmor,  dieser  von  Travertin. 

Das  an  seiner  Aussenseite  grösstentheils  neu  ergänzte  Basament  ist  2,75  Met. 
hoch  und  schmucklos.  Die  beiden  Pfeiler  waren  auf  jeder  Seite  mit  je  zwei  canellirten 
Halbsäulen  compositer  Ordnung,  die  korinthische  Base  mit  Plinth  0,6o,  der  Schaft  5, 20, 
das  Capital  0,75  Met.  hoch,  geschmückt,  von  denen  jedoch  nur  die  innern  sich  er- 
halten haben,  während  die  äusseren  moderne  Ergänzung  und  nicht  canellirt  sind. 
Zwischen  den  Säulen  sind  fensterähnhche  Vertiefungen  mit  einfachen  Rahmen  umgeben 
angebracht,  von  denen  die  nordöstliche  als  Thüre  dient,  durch  welche  man  vermittelst 
einer  Treppe  zum  Innern  der  Attika  und  auf  die  Plattform  derselben  gelangt.  Der  Bo- 
gendurchgang  hat  eine  Breite  von  5,36  Met.  und  eine  Höhe  von  8,30.  Die  Bogenwinkel 
sind  mit  Victorien  in  Basrelief  ausgefüllt,  welche  zwar  sehr  verstümmelt  sind,  aber 
durch  die  Schönheit  ihrer  Ausführung  sich  von  denen  der  beiden  anderen  Triumph- 
bogen wesentlich  unterscheiden.  Die  feinen  Formen,  die  Leichtigkeit  der  Bewegung 
und  der  gewählte  Wurf  des  Gewandes  bekunden  einen  Höhepunkt  römischer  Kunst. 
Auf  dem  Bogenschlüssel  an  der  Seite  gegen  das  Colosseum  sieht  man  die  Roma,  auf 
der  andern  Seite  den  Genius  populi  Romani  oder  eine  Fortuna  mit  dem  Füllhorn  dar- 
gestellt ;  beide  Figuren  sind  jedoch  sehr  beschädigt.  Im  Innern  des  Durchganges  be- 
finden sich  zu  beiden  Seiten  herrhche  Hochreliefs  mit  der  Darstellung  des  Triumphes 
des  Titus  nach  der  Einnahme  und  Zerstörung  von  Jerusalem,  leider  ebenfalls  in  einem 
beklagenswerthen  Zustande.  Das  nördliche  zeigt  den  Triumphwagen  des  Imperators 
mit  vier  Rossen  bespannt  und  von  lorbeerbekränzten  Rittern  und  Lictoren  umgeben. 
Die  Pferde  sind,  soweit  diess  die  arge  Verstümmelung  erkennen  lässt,  von  hervor- 
ragender Schönheit:  ihr  ungeduldig  langsamer  Schritt,  der  fein  modellirte  Rumpf  wie 
der  gedrungene  Hals  athmen  Leben  und  Bewegung.  Die  noch  sichtbaren  Köpfe  der 
Umgebung  sind  Ideale,  wie  die  ganzen  Gestalten.  Der  Wagen  selbst  ist  sehr  ver- 
stümmelt, und  auch  die  Gestalt  des  Triumphators  nur  mehr  wenig  erkennbar,  etwas 
mehr  die  Victoria,  die  ihm  den  Kranz  über  das  Haupt  hält,    und  Roma,  welche  die 


398 


Die  Velia  und  das  Thal  des  Colossoum. 


Zügel  führt.  Von  noch  grösserem  Interesse  ist  das  gegenüberstehende  Relief,  das  den 
Aufzwig  der  jüdischen  Gefangenen  und  der  Tempelbeute  darstellt,  und  von  welchem 
ich  eine  Zeichnung  beifüge.    Besonders  merkwürdig  ist  hier  die  Abbildung  des  sieben- 


39.  Rf^Iief  vom  Tiiusbogen.  {F.  R.) 


armigen  Leuchters ,  wie  des  freilich  fast  bis  zur  Unkenntlichkeit  verstümmelten  goldenen 
Tisches  ,  welche  Tempelgeräthe  leicht  getreu  abgebildet  werden  konnten,  da  sie  in  dem 
nach  der  Unterjochung  von  Palästina  und  der  Zerstörung  Jerusalems  erbauten  Tempel 
der  Pax  aufgestellt  waren.  ^  Der  Zug  ist  eben  im  Begriffe  unter  dem  Schalle  der  Tuba 
in  einen  perspectivisch  schräg  dargestellten  Triumphbogen  einzutreten.  Die  Composition 
und  Ausführung,  die  Schönheit  der  Gestalten,  des  abwechselnden  Ausdruckes,  der  Be- 
wegung und  des  Gewänderfalles  ist  von  hoher  Vollendung.  Doch  ist  die  Darstellung 
etwas  zu  gehäuft  und  gedrängt,  die  vordersten  Figuren  sind  durch  das  Uebereinander 
über  die  Schranken  des  Reliefs  herausgetrieben,  kurz  es  fehlt  das  klare,  flache  Ueber- 
einander und  die  behagliche  Ruhe  der  hellenischen  Reliefbildung.  —  Die  Wölbung  des 
Durchgangs  ist  durch  Cassetten  mit  reichen  Rosetten  und  Ornamentleisten  belebt ;  an 
dem  Wölbungsscheitel  aber  ist  die  Apotheose  des  Kaisers,  d.  h.  dieser  von  einem  schwe- 
benden Adler  in  einer  keineswegs  besonders  ansprechenden  Art  rittlings  getragen  dar- 
gestellt. Von  dem  auf  den  Halbsäulen  ruhenden  Gebälke  ist  nur  mehr  ein  Theil  auf  der 
dem  Colosseum  zugewendeten  Seite  erhalten.  Der  0,48  M.  hohe  Architrav  ist  schön  und 
reich  ornamentirt,  im  0,52  M.  hohen  Friese  befindet  sich  ein  Relief,  das  die  auf  den 
Triumphzug  folgende  Opferpompa  darstellt,  aber  so  verstümmelt  ist,  dass  es  eine  Be- 
urtheilung  der  Arbeit  nicht  mehr  zulässt,  ja  den  Gegenstand  selbst  kaum  mehr  erkennen 


'  Flav.  losepli.  de  bell.  ludaic.  VII.  5,  7. 


Der  Triumphbogen  des  Titiis.  399 

lasst.  Auf  einer  Bahre  scheint  ein  Greis  (der  Fluss  Jordan)  getragen  zu  werden,  vor  ihm 
sieht  man  Opferstiere  führen.  Der  ebenfalls  sehr  beschädigte  Carnies  mit  den  schönen 
Kragsteinen  misst  0,65  M.  in  der  Höhe.  Ueber  dem  Gebölke  erhebt  sich  die  4,4o  M.  hohe 
Attika,  von  welcher  jedoch  ausser  der  aus  mehren  Stücken  zusammengesetzten  Inschrift- 
tafel auf  der  Colosseumseite  wenig  mehr  antik  ist.  Die  Inschrift,  deren  Buchstaben,  wie 
man  noch  aus  den  Nietlöchern  sieht ,  mit  Metall  ausgelegt  waren ,  lautet : 

SENATVS 
POPVLVSQVE  ROMANVS 
dIvo  TITO  dIvI  VESPASIANI  F 
VESPASIANO  AVGVSTO 
Auf  der  gegenüberliegenden  Seite  befand  sich  ursprünglich,  wie  bei  den  anderen 
Triumphbogen,   eine  gleichlautende  Inschrift,   an  deren  Stelle  jedoch  jetzt  eine  auf  die 
Restauration  des  Denkmals  unter  Pius  VII.  bezügliche  getreten  ist.   Die  angeführte  antike 
Inschrift  enthält  zwar  keine  Zeitangabe  über  die  Erbauung  des  Bogens,  doch  geht  aus  ihr 
hervor,  dass  er  erst  nach  Titus'  Tode  erbaut  oder  wenigstens  vollendet  worden  sei,  da 
der  Triumphator  bereits  »Divus«  zubenannt  wird.  Dasselbe  erhellt  aus  der  in  der  Bogen- 
wölbung  dargestellten  Apotheose.  Die  Reliefs  aber  lassen  mit  Sicherheit  annehmen,  dass 
der  Bogen  in  Folge  des  Triumphes  über  die  Juden  und  der  Einnahme  Jerusalems  durch  Titus 
errichtet  war,  wenn  auch  erst  längere  Zeit  nach  dem  Triumphe  selbst.    Ein  etwas  frühe- 
rer Triumphbogen,  der  noch  zu  Lebzeiten  des  Kaisers  Titus  errichtet  worden  war,  stand 
noch  im  9.  Jahrh,  am  Circus  Maximus  ^  und  ward  wahrscheinlich  wegen  der  besonderen 
Feier  der  circensischen  Spiele  nach  dem  Falle  Jerusalems  daselbst  errichtet.  Die  Inschrift 
jenes  Bogens,  jetzt  ebenfalls  verloren  und  eine  Zeitlang  fölschlich  der  Forumseite  unseres 
Titusbogens   zugeschrieben,  von  Orelli^  aber  merkwürdigerweise  für  unächt  gehalten, 
während  sie  sich  doch  schon  im  Einsiedler  Anonymus  findet,  lautet  ^ : 

SENATVS  POPVLVSQVEROMANVS 

IMPTITO  CAESARI  Divl  VESPASIANI     F 

VESPASIANO  AVGPONTIFICIIVIAXIIVIO 

TRIB  POT  X  IMP  XVTi  COS  viirPPPRINCIPISVO 

QVOD  PRAECEPTIS  PATRIS  CONSILIISQVE  ET 

AVSPICIIS  GENTEM  IVDAEORVM  DOMVIT  ET 

VRBEM  HIEROSOLYIVIAIVI  OIVINIBVS  ANTE  SE 

DVCIBVS  REGIBVS  GENTIBVSQVE  AVT  FRVSTRA 

PETITAIYI  AVT  OIVININO  INTENTATAIVI  DELEVIT 

Dieser  Triumphbogen  am  Circus  wurde  demnach  i.  J.  80  n.  Chr.  errichtet  und 
sieht  wohl  mit  den  glänzenden  Spielen  in  Verbindung,  welche  damals  Titus  bei  Ein- 


*  Anonym.  Einsiedlens.  ed.  Hänel.  Arch.  f.  Philol.  u.  Paed.  Suppl.  B.  V.  S.  4  23.  *  Inscript.  Lat.  select. 
Vol.  I.  No.  759.  ^  Gruteri  Inscr.  p.  CCXLIV.  No.  6.  (Ich  habe  die  Inschrift  nach  der  Abschrift  des  Anonymus 
etwas  geändert.) 


% 


400  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

weihung  seines  Amphitheaters  und  Bades  gab,  ^  denn  Jerusalem  war  schon  zehn  Jahre 
früher  gefallen,  und  ein  eigentliches  Triumphdenkmal  hätte  etwas  früher  entstehen  müssen. 
Die  Errichtung  des  auf  der  Höhe  der  Velia  erhaltenen  Bogens  aber  föllt  nach  der  oben 
angeführten  Inschrift  wahrscheinlich  in  das  nächstfolgende  Jahr  (81  n.  Chr.)  das  erste  der 
Regierung  Domitians.  und  hing  wohl  mit  dem  Consecrationsdecrete  zusammen,  da  später 
für  die  Errichtung  eines  solchen  Denkmals  kein  vernünftiger  Anlass  gedacht  werden  kann. 
Schon  im  frühen  Mittelalter  erhielt  der  Bogen  den  Namen  »ad  Septem  lucernas« 
von  dem  siebenarmigen  Leuchter ,  welcher  sich  auf  dem  beschriebenen  Relief  abgebildet 
findet,  welchen  Namen  wir  von  dem  9.  bis  17.  Jahrhundert  lesen.  Wie  alle  Denkmäler 
der  Art ,  so  musste  auch  dieses  im  Mittelalter  dazu  dienen ,  einen  Thurm  zu  tragen ,  den 
die  Frangipani,  welche  diese  Gegend  von  Rom  in  ihre  Gewalt  gebracht  hatten,  der  Attika 
aufbürdeten,  und  welcher,  ohne  Berücksichtigung  des  Schwerpunktes  erbaut,  dem  Denk- 
male verderblich  werden  musste.  Die  elf  konischen  Stücke  des  Bogens  wichen  aus  den 
Fugen  und  hatten  sich  allmälig  so  gesenkt,  dass  es  im  J.  1 822  zur  Verhütung  des  Einsturzes 
nothwendig  wurde,  vorerst  die  Ruine  des  Thurmes  zu  beseitigen  und  dann  auch  den 
Bogen  abzutragen.  2  Der  Wiederaufbau  hatte  eine  vielleicht  allzu  umfassende  Herstellung 
des  Denkmals  zur  Folge ,  welche  übrigens  die  ursprüngliche  Gestalt  anerkennenswerth 
veranschaulicht.  Mit  gutem  Rechte  Hess  man  an  dem  Ergänzten  die  Ornamentik,  wie  sie 
der  antike  Theil  zeigt,  weg,  da  sie  das  angewandte  Material  (Travertin)  nicht  auszuführen 
erlaubte,  wodurch  sich  auch  die  Restauration  von  dem  Ueberreste  deutlich  unterscheidet. 

77.  Der  Tempel  der  Venus  und  Roma. 

So  fesselnd  auch  von  der  Höhe  der  Velia  aus  für  den  nordwestlich  gewendeten 
Beschauer  der  Anblick  des  römischen  Forum  ist ,  so  ist  er  doch  ohne  allen  Vergleich  mit 
demjenigen,  welcher  sich  dem  überraschten  Auge  in  südöstlicher  Richtung  eröffnet.  Nir- 
gends in  Rom  ist  die  Ausgrabung  umfassender  und  vollständiger  gediehen ,  nirgends  sind 
die  Ueberreste  klarer,  zusammenhängender  und  imposanter !  In  gerader  Linie  senkt  sich 
die  Via  sacra  wieder  in  die  Tiefe ,  theilweise  noch  mit  den  antiken  Polygonen  gepflastert 
und  noch  jetzt  als  Fahrstrasse  dienend,  zur  Linken  von  der  gewaltigen  Substruction  eines 
Riesentempels,  zur  Rechten  von  den  Unterbauten  der  Nordostspitze  des  Palatin  begränzt. 
Die  geräumige  Tiefe  aber  füllt  zum  grössten  Theile  der  Riesenbau  des  unter  dem  Namen 
Colosseum  weltbekannten  flavischen  Amphitheaters,  der  Krone  unter  den  Ruinen  Roms, 
welcher  der  schöne  Constantinbogen ,  der  besterhaltene  und  reichste  unter  den  Triumph- 
bogen Italiens,  zur  Seite  steht.  Doch  wir  wollen  diese  einander  unmittelbar  nahe  stehen- 
den Baudenkmale  im  Einzelnen  betrachten. 


*  Dio  Cass.  LXVI.  25.         '  G.  Valadier,  Narrazione  del  ristauro  dell'  Arco  di  Tito.  R.  1822. 


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Der  Tempel  der  Venus  und  Roma. 


40  t 


Wandelt  man  vom  Titusbogen  die  Sacra  via  entlang  gegen  das  Colosseum  hinab, 
so  sieht  man  zur  Linken  die  bei  absteigendem  Wege  stets  an  Höhe  zunehmende  Sub- 
struction  eines  mit  seiner  Umfriedung  sehr  umfangreichen  und  ohne  Zweifel  höchst  be- 
deutenden Tempels.  Die  Substruction  beginnt  ganz  nahe  an  der  Nordostseite  des  Titus- 


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40.  Grundriss  des  Tempels  der  Venus  und  Roma. 


bogens  südlich  von  der  Basilica  des  Constanlin  und  ist  167  M.  lang,  i03M.  breit.  Dieser 
gewaltige  Unterbau  besteht,  wie  alle  Tempelsubstructionen ,  in  seinem  Kerne  aus  Guss- 
masse und  war  an  den  Seiten  mit  Travertinquadern  bekleidet,  von  denen  man  jedoch  nur 
mehr  einen  neben  der  Sacra  via  am  unteren  Ende  liegen  sieht.  An  der  gegen  das  Forum 
gewendeten  Seite  südwestlich  von  der  Kirche  S.  Francesca  Romana  haben  sich  noch 
ziemlich  bedeutende  Reste  von  sechs  bis  sieben  Stufen,  welche  hier  vormals  in  der  gan- 
zen Breite  der  Substruction,  um  auf  die  von  dieser  Seite  geringe  Höhe  derselben  zu  führen, 
hinliefen,  die  aber  jetzt  durch  die  genannte  Kirche  unterbrochen  sind ,  erhalten.  Die  bei- 
den Langseiten  hatten  keine  Stufen;  die  8,5o  Met.  hohe  Breitseite  jedoch  zeigt  nur  an 
den  beiden  Ecken  die  Kernmasse  von  zwei  verhältnissmässig  schmalen  Treppen.  Zwischen 
diesen  beiden  sieht  man  noch  den  Backsteinbau,  welcher  innerhalb  der  jetzt  verschwun- 


F.  Rebeh,  die  Ruinen  Roms. 


51 


402  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

denen  Travertinbekleidung  an  dieser  Seite  des  Unterbaues  angebracht  war ,  und  Bogen- 
sprengungen  zur  Solidirung  derselben. 

Oben  am  Rande  dieser  Substruction  lief  ringsum  eine  Porticus,  von  der  sich  am 
Boden  nur  mehr  wenige  Spuren,  aber  mehre  Säulenschäfte  von  grauem  Granit  mit  einem 
Durchmesser  von  etwas  über  1  Met.  erhalten  haben,  welche  an  den  beiden  Langseiten 
am  Fusse  der  Substruction  liegen.  Diese  Umfriedungsporticus  scheint  nur  an  den  beiden 
Schmalseiten  doppelsäulig  und  offen  gewesen  zu  sein,  während  an  den  Langseiten  blos 
die  innere  Linie  von  Säulen,  die  äussere  aber  von  einer  Mauer  gebildet  gewesen  zu  sein 
scheint.  Der  innenliegende  Tempel  erhob  sich  wieder  um  sieben  bis  acht  Stufen,  von  wel- 
chen jedoch  kaum  mehr  eine  Spur  übrig  ist,  über  die  Plattform  der  Substruction,  und 
war,  wie  man  aus  der  Gestalt  der  Doppelcella,  aus  der  Entfernung  derselben  vom  Rande 
der  Tempelsubstruction,  aus  den  Dimensionen  im  Allgemeinen,  wie  nach  den  erhaltenen 
Gebälk-Fragmenten  im  Besondern,  und  aus  einigen  Münzen  ^  schliessen  kann,  einPseudo- 
dipteros  dekastylos,  das  heisst  ringsum  mit  einer  Säulenreihe  umgeben,  die  an  den  beiden 
zehnsäuligen  Fronten  gedoppelt  war;  den  zehn  Säulen  der  Stirnseite  aber  entsprechen 
nach  den  gegebenen  Maassverhältnissen  zwanzig  in  der  Länge.  Von  den  Säulen  hat 
sich  nichts  mehr  erhalten,  wohl  aber  von  deren  Gebälke,  von  welchem  ein  gewaltiges 
Marmorstück  im  Pronaos  der  Kirche  S.  Francesca,  ein  anderes  aber  neben  der  dem 
Colosseum  zugewendeten  Cella  zu  sehen  ist. 

Während  demnach  die  Ueberreste  der  ganzen  äusseren  Ausschmückung  der  gross- 
artigen Anlage  nur  sehr  spärhch  sind,  haben  sich  von  der  Cella  selbst  so  bedeutende  und 
zugleich  deutliche  Reste  erhalten,  dass  die  Gestalt  des  Baues  aus  ihnen  vollkommen  er- 
klärt werden  kann :  der  Tempel  war  nemlich  doppelt,  und  so  angelegt,  dass  die  Tribünen 
der  beiden  Cellen  an  ihrem  Scheitel  zusammenstiessen  und  der  Eingang  des  einen  Tem- 
pels dem  Forum ,  der  andere  dem  Colosseum  zugewendet  war.  Die  Cella  des  ersteren 
umschliesst  jetzt  ein  kleines  Gärtchen  des  zur  Kirche  S.  Francesca  gehörigen  Klosters  und 
ist  mehr  erhalten ,  als  die  andere  dem  Besucher  offenliegende  Cella.  Von  beiden  steht 
noch  die  Tribüne,  deren  Wölbung,  in  einer  ursprünglichen  Höhe  von  15  Met.  beginnend, 
in  Rhomben  cassettirt  ist,  die  Verbindungsmauern  derselben  mit  den  Seitenwänden  und  die 
südwestliche  Langseite,  auf  dieser  abersieht  man  noch  an  der  ersteren  Cella  —  was  an  der 
südöstlichen  fehlt  —  den  Ansatz  des  mit  grossen  quadratischen  Cassettonen  geschmück- 
ten Tonnengewölbes.  Die  Tribünen,  welche  einen  Radius  von  5,5o  M.  haben,  zeigen  zu 
beiden  Seiten  schwach  vertiefte  rechtwinklige  Blenden,  die  Seitenwände,  die  23, so  M.  in 
der  Länge  messen ,  je  fünf  grössere ,  abwechselnd  halbkreisförmig  und  rechtwinklig  ver- 
tieft, 2  M.  breit,  1,85  hoch  und  0,9o  tief,  zur  Aufstellung  von  Statuen  bestimmt.  Die  Wöl- 


'  Eckhel,  Doctr.  num.  vet.  P.  II.  Vol.  VI.  p.  509. 


Der  Tempel  der  Venus  und  Roma.  403 

bungen  waren  mit  vergoldetem  Stuck,  die  Wände  mit  kostbarem  Marmorgetäfel  bekleidet, 
von  welchem  bei  der  Ausgrabung  einige,  zu  Ende  des  16.  Jahrhunderts  aber  noch  sehr 
bedeutende  Reste  ^  gefunden  wurden.  Die  Seiten  der  beiden  Tempel  waren  durch 
zwei  fortlaufende  Mauern  von  Marmorquadern  verbunden,  welche  zugleich  die  Winkel  am 
Zusammenstoss  der  beiden  Tribünen  verbargen.  In  dem  einen  dieser  Winkel  war  eine 
Treppe  angebracht,  die  auf  die  Höhe  des  Tempeldaches  führte. 

Ueber  den  Namen  dieser  eigenthümlichen  Tempelanlage  kann  kein  Zweifel  obwal- 
ten. Schon  die  Doppelgestalt  der  Gellen  weist  nemlich  auf  den  Prachttempel  der  Venus  und 
Roma  hin,  und  dies  wird  durch  locale  Umstände  bestätigt.  Dass  nemlich  dieser  Tempel  an 
der  Sacra  via  lag,  erhellt  aus  den  Berichten  vom  neronischen  Koloss,  dessen  ausführliche 
Besprechung  unten  folgen  wird,  sowie  auch  aus  der  Lage  des  neronischen  Atrium, 
in  welchem  der  Tempel  erbaut  ward,  namentlich  aber  aus  einem  Berichte  des  Dio 
Cassius ,  ^  nach  welchem  er  überdiess  dem  flavischen  Amphitheater  ganz  nahe  gewesen 
sein  musste.  Auch  die  Notitia^  nennt  ihn  in  der  vierten  Region  an  einer  passenden 
Stelle.  Dennoch  kam  dieser  Name  erst  durch  Nardini*  in  Aufnahme,  nachdem  die 
Ruine  vorher  die  Namen  Castoris  et  Pollucis,  ^  Concordiae  et  Aesculapii,  ^  Isidis  et  Se- 
rapidis,'  Sohs  et  Lunae^  getragen  hatte. 

Der  Tempel  der  Venus  und  Roma  wurde  im  J.  135^  (132)<o  n.  Chr.  von  dem 
kunstliebenden  Kaiser  Hadrian  an  der  Sacra  via  und  an  der  Stelle  erbaut,  wo  sich 
vorher  das  Atrium  vom  goldnen  Palaste  des  Nero  befunden  hatte. ''^  In  der  That  fand 
sich  auch  auf  den  Ziegeln  desjenigen  Gemäuers,  das  noch  vom  ursprünghchen  Bau 
herrührt,  die  Consulatsbezeichnung  des  Apronianus  und  Petinus  (123  n.  Chr.)  und 
insbesondere  an  einer  Cloake  am  Fusse  der  Substruction  auch  des  Servianus  III.  und 
Varus  (134). ''2  Hadrian,  bekanntlich  als  Künstler  und  besonders  als  Architekt  gebildet, 
entwarf  selbst  den  Plan  zu  diesem  Prachtbau ,  für  welchen  er  auch  so  eingenommen 
ward ,  dass  er  damit  alle  Werke  seiner  Vorgänger  übertroffen  zu  haben  wähnte.  Dess- 
halb  schickte  er  auch  den  Entwurf  an  den  berühmten  Architekten  Apollodorus  von 
Damascus,  der  die  traianischen  Bauten  und  insbesondere  das  Traianforum  ausgeführt 
hatte ,  von  Hadrian  aber  wegen  seines  Hochmuthes  verbannt  worden  war,  in  der  Ab- 
sicht, ihm  durch  den  Entwurf  Bewunderung  zu  entlocken  und  ihm  auch  gleichsam 
seine  Entbehrlichkeit  vor  Augen  zu  legen.    Der  Kaiser  erreichte  jedoch  seinen  Zweck 


*  Fl.  Vacca,  Mem.  No.  73.  (Fea,  Miscell.  p.  LXXXV.)  '  Dio  Cas.s.  LXIX.  4.  »  Ciirios.  Urh.  Rom.  Reg.  IV. 
*  Romavet.  acrec.  (Graev.  Thes.  ant.  Rom.  tom.  IV.  p.  -1034  sq.)  '  Poggii  Florent.  de  fortunaevarietateetc.  (1440) 
Basil.  s.  a.  p.  134.  «  Albertini,  Opusculum  de  Mirabilibus  etc.  R.  1515.  Fol.  46.  '  A.  Fulvii  AntiquitatesUrb. 
R.  1527.  Fol.  LXXXVII.  *  L.  Fauno,  Antich.  di  Roma.  Ven.  1548.  Fol.  61.  »  Cassiodor.  Chron.  (Rone.  II. 
col.  201 .)  *•*  Hieron.  Chron.  (Rone.  I.  col.  455.)  "  Dio  Cass.  1.  c.  Script.  H.  A.  (Spartian.)  Hadr.  1 9.  cf.  Martial. 
de  spectac.  epigr.  2.         *-  A.  Nibby,  Roma  n.  a.  1834.  P.  II.  ant.  p.  725,  732. 

51* 


404  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

nicht,  Apollodorus  nahm  sich  viehnehr  heraus,  das  Eine  zu  tadeln,  das  Andere  zu 
bewitzeln ,  bemerkte  unter  Anderem,  dass  leider  die  sitzenden  Kolossal-Götterbilder  zu 
gross  wären,  um  aufstehen  und  hinausgehen  zu  können  und  dergleichen  mehr.  Der 
theilweise  gerechte  Tadel  und  der  Spott  des  Baukünstlers  reizte  den  enttäuschten  Kaiser 
zu  dem  Befehle,  den  Apollodor  aus  dem  Wege  zu  räumen. 

Da  der  Tempel  demnach  für  Hadrian  selbst  eine  Ehrensache  geworden  war, 
so  können  wir  wohl  annehmen,  dass  er  alle  früheren  Tempel  wenigstens  an  Pracht 
übertrofFen  habe.  In  der  That  bestand  auch  die  Aussenseite  ganz  aus  prokonnesischem 
Marmor,  während  zur  Bekleidung  des  Innern  nur  die  kostbarsten  farbigen  Marmor- 
arten verwendet  waren.  Ob  Hadrian,  der  diesen  Bau  erst  in  der  letzten  Zeit  seines 
Lebens  unternahm,  denselben  noch  vollendete,  ist  sehr  zweifelhaft,  und  es  scheinen 
vielmehr  Münzen  des  Antoninus  Pius,  welche  das  Bild  eines  Dekastylos  mit  der  Um- 
schrift ROiviAE  AETERNAE  und  VENER  viCTRici  zeigen ,  ZU  belegen,  dass  die  Einweihung 
erst  unter  dem  Adoptivsöhne  Hadrians  stattgefunden  habe.  Der  Venustempel  wurde 
später  mit  den  silbernen  Bildsäulen  des  M.  Aurel  und  der  Faustina  und  einem 
Altare,  auf  welchem  fürder  jedes  römische  Brautpaar  opfern  sollte,  geschmückt,^  der 
Romatempel  aber,  wenn  meine  oben  bei  Beschreibung  des  Penatentempels  ausge- 
sprochene Vermuthung  richtig  ist,  unter  Septimius  Severus  mit  einem  den  Plan  der  Stadt 
darstellenden  Pavimente.  Von  nun  an  besitzen  wir  über  den  Doppeltempel  keine  weite- 
ren Nachrichten  bis  zur  Regierung  des  Maxentius,  unter  welcher  der  Tempel  (307  n.  Chr.) 
ein  Raub  der  Flammen ,  sofort  aber  wieder  aufgebaut ,  jedoch  erst  nach  seinem  Tode 
unter  Constantins  Namen  geweiht  wurde.  ^  Der  grösste  Theil  der  noch  stehenden  Tri- 
bünen und  Seitenmauern  mit  den  Stuccaturen  und  Gebälkstücken  ist  von  diesem  Wieder- 
aufbau, wie  man  namentlich  aus  dem  der  Basilica  des  Constantin  gleichartigen  Ziegelbau 
ersieht.  Doch  gehörte  auch  nachher  noch  der  Tempel  zu  den  prächtigsten  Gebäuden 
Roms.^  In  der  späteren  Kaiserzeit  überwog  der  Name  der  Roma  den  ihrer  Tempel- 
genossin Venus  und  wir  finden  bei  späteren  Schriftstellern  den  Doppeltempel  nur  mehr 
unter  dem  Namen  templum  Romae^  und  templum  Urbis.  ^  Ais  nach  Theodosius  die  Gult- 
stätten  des  Heidenthums  geschlossen  wurden,  stand  er  noch  lange  unversehrt,  bis  zu 
Anfang  des  7.  Jahrhunderts  Papst  Honorius  I.  den  Anfang  der  Zerstörung  damit  machte, 
dass  er  sein  Dach  mit  Genehmigung  des  byzantinischen  Kaisers  Heraklius  der  Bronzeziegeln 
berauben  Hess  und  diese  zur  Bedeckung  der  Basilica  des  h.  Petrus  verwendete,^  von 
welcher  sie  jedoch   im  J.    846   durch    die    Saracenen   abgenommen    und   weggeführt 


'  Dio  Cass.  LXXI.  31.         *  Catalog.  Imp.  Vienn.  (Rone.  II.  col.  248.)  Aurel.  Vict.  deCaess.  4  0.         '  Ammian. 
Marcellin.  XVI.  10.         *  Aurel.  Vict.  1.  c.  Notitia.  Reg.  IV.  °  Script.  H.  A.  (Spartian.)  Hadr.  19.  Ammian.  1.  c. 

Cassiod.  Chron.  (Rone.  II.  col.  201.)         ®  .\nastas.  Bibliothec.  vit.  Pont.  Par.  1649.  V.  Hon.  p.  46. 


Das  Piedestal  des  neronischen  Kolosses.  405 

wurden J  Seit  der  Tempel  die  Bedachung  verloren,  musste  er  in  kurzer  Zeit  den  Ein- 
flüssen der  Witterung,  noch  mehr  aber  der  dadurch  autorisirten  Plünderungssucht  der 
Römer  erliegen.  Auf  der  Substruction  selbst  erhob  sich  in  den  ersten  Jahren  des  8.  Jahr- 
hunderts unter  Johann  VII.  eine  Kirche  der  h.  Maria,  ^  um  760  unter  Paul  I.  eine  andere, 
welche  den  Aposteln  Petrus  und  Paulus  geweiht  war.  ^  Beide  Kirchen  wurden  später 
vereinigt ,  unter  dem  Namen  S.  Maria  Nova  (jetzt  S.  Francesca  Romana)  neu  aufgebaut 
und  mit  einem  Kloster  verbunden,  welches  noch  mit  der  Kirche  fast  die  ganze  nordwest- 
liche Hälfte  des  Tempelgebietes  einnimmt.  Bei  Anastasius  (a.  d.  a.  St.)  schwanken  auch 
bereits  die  Namen  templum  Roma  und  Romuli,  woraus  zu  entnehmen  ist,  dass  schon 
damals  die  ursprüngliche  Bestimmung  der  Ruine  sich  in  der  Erinnerung  verwischte.  Als 
der  Marmor  des  Tempels  wohl  grossentheils  zur  Gewinnung  des  Kalkes,  wie  die  im 
J.  1819  bei  der  Treppe  neben  dem  Titusbogen  aufgegrabenen  Kalkbrandstätten  gezeigt 
haben,  erschöpft  war,  wendete  sich  die  Plünderung  zu  dem  minder  kostbaren  Bau- 
material und  bemächtigte  sich  der  Travertin-  und  Peperinblöcke  von  der  Aussenseite  der 
Substruction.  So  ward  besonders  im  1 5.  und  1 6.  Jahrhundert  bis  zum  Kerne  des  Unter- 
baues hineingewühlt,  dessen  ursprüngliche  Gestalt  sich  dadurch  allmälig  in  dem  rings 
sich  anhäufenden  Schutte  verlor. 

Im  Jahre  1819  begann  man  die  Blosslegung  der  Ueberreste  mit  der  Treppe  an 
der  Nordwestseite  der  Substruction.  Vom  November  1827  bis  December  1 829  ward 
unter  Leitung  Nibby's  sowohl  die  Tempelruine  selbst,  als  auch  die  ganze  Substruction 
aufgedeckt  und  sorgföltig  untersucht.  Auch  die  Republikmonate  des  Jahres  1849  thaten 
das  Ihrige  an  diesem  Baudenkmale  durch  das  Fällen  des  herrlichen  Lorbeerbaumes  am 
Klostergärtchen ,  welcher  die  Mauern  seit  langer  Zeit  so  freundhch  beschattet  hatte  und 
dem  Maler ,  wie  dem  Alterthumsfreunde  wohlbekannt  und  lieb  gewesen  war.  *  Der  An- 
blick der  dürftigen  Reste,  besonders  aber  der  entblössten  Substruction  ist  jetzt  kahl  und 
trauriger  als  der  irgend  einer  anderen  Ruine  Roms ,  wie  überhaupt  das  Biossiegen  der 
Ueberreste  und  die  Entfernung  der  Vegetation  von  denselben ,  so  förderlich  es  auch  für 
die  Wissenschaft  sein  mag ,  den  Reiz  der  Ruinen  nur  zu  häufig  zerstört ,  was  besonders 
dann  zu  beklagen  ist,  wenn  die  Ergebnisse  zu  dem  Geopferten  in  keinem  befriedigenden 
Verhältnisse  stehen. 

78.   Das  Piedestal  des  neronischen  Kolosses. 

An  dem  östlichen  Ende  der  eben  beschriebenen  Substruction  und  auf  dem  Platze 
vor  dem  Amphitheater  sieht  man  die  kaum  1  Met.  hohen  Reste  eines  Ungeheuern  quadra- 


'  loann.  Diac.  Chron.  Episc.  Neap.  (Muratori ,  R.  I.  S.  Tom.  I.  p.  II.  p.  390.)         *  .\nastas.  Bibliothcf.  Vit. 
loannis  VIT.  p.  63.         *  Vit.  Pauli,  p.  90.         *  Archäologischer  Anzeiger.  März  1850.  No.  15. 


406  '^'ß  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

tischen  (die  Seite  zu  8  M.)  Piedestals,  welche  bei  der  Blosslegung  des  Zwischenraumes 
zwischen  der  Tempelsubstruction  und  dem  Colosseum  entdeckt  wurden.  (Vgl.  den 
oben  beigefügten  Plan  des  Tempels  der  Venus  und  Roma.)  Der  Kern  derselben  be- 
steht aus  der  bei  Massivbauten  gewöhnlichen  Gussmasse  [fartura) ,  welche  von  einer 
schönen  Backsteinmauer  umschlossen  ist,  die  ohne  Zweifel  ursprünglich  mit  Marmor 
bekleidet  war. 

Wie  aus  einer  Münze  des  Alexander  Severus^  ersichtlich  ist,  welche  den  Ko- 
loss  des  Nero  unmittelbar  vor  dem  Amphitheater  darstellt,  diente  diese  Substruction 
derselben  Kolossalstatue  als  Piedestal.  Diesem  Zwecke  entsprechen  auch  Gestalt  und 
Grösse  vollkommen,  und  die  classischen  Angaben  über  die  verschiedenen  Schicksale 
und  den  letzten  Aufstellungsort  bestätigen  diese  Lage.  NachSueton^  errichtete  Nero  dieses 
sein  Kolossalbild  im  Vestibulum  seines  goldenen  Palastes,  es  gleichsam  zu  seinem  Thür- 
hüter  bestimmend.  Das  Vestibulum  befand  sich  jedenfalls  an  der  Velia,  und  vielleicht 
war  es  dasselbe,  welches  Martial  dichterisch  die  Atria  Neronis^  nennt.  Möglich  ist 
allerdings,  dass  der  Koloss  schon  zu  Domitians  Zeit  nicht  mehr  auf  dem  ursprünglichen 
Platze  stand,  denn  Dio  Cassius  erwähnt  —  jedoch  ohne  weitern  erklärenden  Zu- 
satz —  dass  ihn  Vespasian  an  der  Sacra  via  aufgestellt  habe.  ^  Vielleicht  war  der 
Tempel  der  Pax  an  die  Stelle  jenes  Vestibulum  getreten,  was  dann  wohl  schon  unter 
Vespasian  eine  Versetzung  des  Kolosses  nöthig  gemacht  hätte.  Allein  wahrscheinlich 
verwechselte  der  in  dieser  Sache  nicht  gut  unterrichtete  Dio  hier  den  Vespasian  mit 
Hadrian,  welcher  —  was  eine  sichere  Thatsache  ist  —  bei  der  Anlage  des  Tempels 
der  Venus  und  Roma  das  Kolossalbild  wegnehmen  und  im  Thalgrund  vor  dem  Amphi- 
theater aufstellen  Hess.  Die  Versetzung  geschah  unter  Leitung  des  Architekten  Dextria- 
nus  (?),  welcher  sich  dazu  wohl  nicht  ohne  die  Sucht,  damit  das  grösstmögliche  Aufsehen 
zu  machen,  der  Zugkraft  von  24  Elephanten  bediente.^ 

Die  Bildsäule  war  aus  Bronze  und  von  Zenodoros^  gefertigt;  die  Höhenangaben 
schwanken  zwischen  30  und  36  Met.  (100,'  102V2,^  107, ^  110^«  und  120^^  röm. 
Fuss).  Die  Porträtähnlichkeit  des  Bildes  mit  Nero  war  nach  Plinius,  der  selbst  das 
Modell  unter  seinen  Augen  entstehen  sah  (a.  a.  0.),  bewundernswerth,  wonach  Nero 
und  Titus  sich  von  Angesicht  sehr  ähnlich  gewesen  sein  müssen,  da  die  einen  den 
Kopf  als  Porträt  des  Nero,  die  andern  als  den  des  Titus  betrachteten,  wie  Dio  Cassius 
(a.  a.  0.)  sich  ausdrückt,  der  übrigens  die  Sache  kaum  richtig  verstanden  hat,  denn 
nach  Nero's  Tode  wurde  das  Bild  zum  Sonnenkoloss  umgewandelt,  ^  ^  was  ausser  der 


*  Eckhel,  Doctr.  num.  vct.  P.  II.  tom.  VII.  p.  271.  '  Nero.  3i.  *  Mart.  de  spect.  epigr.  2.  v.  3. 

*  Dio  Cass.  LXVI.  \ö.  Hieron.  Chron.  (Rone.  I.  col.  439.)  "  Script.  H.  A.   (Spartian.)  Hadr.  19.   Vgl.  H.  Brunn, 
Geschichte  d.  griech.  Künstler.  Bd.  II.  Stuttg.  1839.  S.  334.         *  Plin.  H.  N.  XXXIV.  7,  18,  45.         ^  Dio  1.  c. 

*  Curios.  U.  R.  Reg.  IV.         »  Hieron.  Chron.  I.  c.         **  Plin.  1.  c.         "  Sueton.  1.  c.         '*  Plin.  1.  c. 


Das  flavische  Amphitheater  (Colosseum). 


407 


Anbringung  eines  Kranzes  von  mehr  als  6V2  Met.  (22V2  röm.  Fuss)'  hohen  Strahlen  sicher 
auch  eine  Aenderung  des  Kopfes  zur  Folge  hatte.  Commodus  nahm  das  Haupt  des  Ko- 
losses, das  kaum  mehr,  wie  Lampridius  glaubt,  das  neronische  war,  ab,  indem  er  seinen 
Porträtkopf  an  dessen  Stelle  setzte ,  gab  dem  Kolosse ,  um  ihn  zum  Hercules ,  für  wel- 
chen er  sich  selbst  hielt ,  umzugestalten ,  eine  Keule  in  die  Hand  und  legte  ihm  einen 
ehernen  Löwen  zu  Füssen.^  Doch  nach  der  Ermordung  dieses  wahnsinnigen  Wütherichs 
wurde  dem  Bilde  wieder  die  vorige  Gestalt  gegeben.  Im  6.  Jahrhundert  scheint  die  Bild- 
säule nach  den  Ausdrücken  des  Hieronymus  und  Cassiodor  noch  gestanden  zu  haben, 
fiel  aber  wahrscheinlich  bald  darauf  als  eine  Beute  der  Gothen  unter  Totilas. 


79.    Das  flavische  Amphitheater  (Colosseum). 

Das  Thal  zwischen  dem  Palatinus,  der  Velia,  den  Esquilien  und  dem  CäHus,  in  wel- 


15  100 

41.  ürundriss  des  (lavischen  Amphitheaters. 


•  Curios.  U.  R.  1.  c.         "  Dio  Cass.  LXXII.  22.  —  Script.  H.  A.  (I.amprid.)  Commod,  17. 
Hieron.  Chron.  Cassiodor.  Chron.  (Rone.  I.  col.  465.  II.  col.  205.) 


408  Die  Yelia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

chem  wir  uns  jetzt  befinden,  füllt  grossentheils  eines  der  merkwürdigsten ,  grossartigsten 
und  wohlerhaltensten  Denkmäler  des  Alterthums,  das  grosse  Amphitheater.  Dieses  ist 
von  elliptischer  Form  mit  1  83  M.  im  grössern  und  1  56  im  kleineren  Durchmesser.  Die 
Aussenseite  misst  48V2  Met.  in  der  Höhe  und  besteht  aus  vier  Geschossen.  Auf  einer 
Substruction  von  zwei  Stufen  schlingt  sich  ähnlich  dem  beschriebenen  Theater  des  Mar- 
cellus  als  Erdgeschoss  eine  Arkadenreihe,  deren  Pfeiler  2,4o  M.  breit  und  2,7o  M.  tief  sind 
mit  einer  Bogenweite  von  4, 20  und  einer  Bogenhöhe  von  7, 03.  An  diese  Pfeiler  lehnen 
sich  aussen  Halbsäulen  dorischer  Ordnung,  die  Base  mit  Plinth  0,5o,  der  Schaft  7, 20  und 
das  Capital  0,65  Met.  hoch.  Ueber  diesem  läuft  ein  Gebälke,  das  jedoch  nichts  von  den 
dorischen  Eigenthümlichkeiten  an  sich  trägt,  sondern  aus  ganz  schmucklosem,  dreifach 
gestreiftem  Architrav,  Fries  und  Carnies  0,6o,  0,65,  0,8o  M.  hoch  besteht,  und  sich  schon 
dadurch  von  der  Aussenseite  des  Marcellustheaters  unterscheidet ,  wo  das  von  den  dori- 
schen Halbsäulen  getragene  Gebälk  auch  in  seiner  ganzen  dorischen  Eigenthümlichkeit 
ausgebildet  ist.  Unter  diesem  Gebälke  sind  die  Eingangsnumern  für  die  ursprüngHch 
achtzig  Bogen  des  ganzen  Umkreises  noch  theilweise  zu  lesen,  die  Numern  erreichten  je- 
doch, da  die  vier  Haupteingänge  an  dem  grossen  und  kleinen  Diameter,  als  nicht  für  das 
Publicum  bestimmt,  unbezeichnet  sind,  nur  die  Zahl  76.  Ueber  dem  Gebälke  dieser 
ersten  Arkadenellipse  läuft  ein  2,05  M.  hoher  Gürtel  (Attika)  mit  Vorsprüngen,  die  den 
Halbsäulen  entsprechen.  Auf  diesem  erhebt  sich  das  zweite  Geschoss,  Arkaden  von  der- 
selben Art  und  Dimension,  wie  am  ersten,  doch  sind  die  Bogen  etwas  niedriger 
(6,45  M.)  und  mit  einer  1  Met.  hohen  Geländerbrüstung  versehen.  Die  Halbsäulen  dieses 
zweiten  Stockwerkes  sind  ionischer  Ordnung,  die  attische  Base  mit  Plinth  0,55,  der  Schaft 
6,75,  das  Capital  0,45  M.  hoch.  Das  letztere  ist  durch  die  Art  der  Behandlung  interessant; 
in  Voraussicht  dessen  nemlich,  dass  man  von  unten  aus  die  ornamentalen  Details  nicht 
mehr  werde  unterscheiden  können,  beschränkte  man  sich  darauf,  die  Voluten  mit  Weg- 
lassung der  Spirallinie  nur  einfach  anzuzeigen,  wodurch  sich  die  bei  fortgesetztem  Massen- 
bau unvermeidliche  Verflachung  der  Architektur ,  die  noch  am  Marcellustheater  in  dieser 
Beziehung  tadellos  erscheint,  deutlich  manifestirt.  Das  Gebälke ,  ohne  den  hierhergehöri- 
gen Zahnschnitt  und  wie  das  erste,  aus  ganz  schmucklosen  Leisten  bestehend,  misst  zu- 
sammen 2,10  Met.  in  der  Höhe.  Auf  diesem  ruht  wieder  eine  vermittelnde  Attika,  1,95  M. 
hoch,  über  welcher  sich  ein  drittes  Stockwerk  erhebt  mit  6,40  M.  hohen  Bogen.  Die 
Halbsäulen  sind  korinthischer  Ordnung,  die  Basis  (ein  einfacher  Wulst  mit  einem  Plinth 
0,40,  der  Schaft  6,35,  das  Capital  0,95  hoch.  Wie  die  Spiralen  der  ionischen  Capitäle,  so 
sind  auch  die  Akanthosblätter  der  korinthischen  hier  nur  angezeigt,  und  ohne  alle  Aus- 
zackung  nur  aus  dem  Rohen  herausgearbeitet.  (Die  Gestalt  der  drei  Capitäle  ist  in  bei- 
folgender Abbildung  zusammengestellt  und  veranschaulicht.)  Das  darauf  ruhende  Gebälke, 
wie  das  erste  und  zweite  ohne  ornamentale  Zierde,  hat  eine  Höhe  von  i,90  Met.    Ueber 


E  ■ 

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x>^ 


Das  flavische  Amphitliealer.    (Colosseum. 


400 


diesem  läuft  wieder  eine  2,6o  Meter  hohe  Attika,  auf  welcher  sich  das  vierte  Stockwerk 
erhebt,  das  jedoch  selbst  keine  Bogen  und  nur  über  jedem  zweiten  Bogen  der  übrigen 


-t i 1 H 1        I 


3  Md. 


42.     Capiiale  und  Basen  von  den  Halbsäiilen  des  Colosseum.    (Nach  Canina.) 

Geschosse  ein  rechteckiges  Fenster,  1,75  M.  breit,  2,55  M.  hoch,  zeigt.  Kleinere  Fenster 
sind  abwechselnd  in  der  Attika  unterhalb  angebracht ,  um  den  sonst  lichtleeren  oberen 
Corridor  zu  erhellen.  Statt  der  Halbsäulen  finden  sich  hier  schwach  erhobene  Pilaster 
korinthischer  Ordnung,  die  attische  Base  0,55,  der  Schaft  6,6o,  das  Capital  1,io  M.  hoch. 
Das  Gebälke  darüber  hat  eine  Höhe  von  2,2o,  während  der  darauf  ruhende  letzte  Mauer- 
gürtel 1.50  M.  misst.  Zwischen  den  Pilastern,  in  geringer  Höhe  über  den  Fenslern 
springen  einfache  Consolen  vor,  denen  in  dem  Gebälke  senkrecht  oberhalb  Ausschnitte 
von  gleichen  Dimensionen  entsprechen.  Diese  trugen  die  Balken  [mali),  welche,  senkrecht 
stehend,  noch  etwas  über  den  ganzen  Bau  emporragten  und  dazu  dienten,  das  ungeheure 
Zeltdach  [vela  oder  velaria)  zum  Schutze  gegen  Sonnenhitze  und  Regen  über  das  Innere 
des  Amphitheaters  zu  spannen. 

Diese  äussere  Umfassungsmauer,  welche  an  den  Pfeilern  des  Erdgeschosses 
2,70  Met.  dick  ist,  zeigt,  sich  stetig  verjüngend,  im  vierten  Stockwerke  nur  mehr  eine 
Dicke  von  2,i5  Met.  Jetzt  ist  von  ihr  noch  fast  die  Hälfte  erhalten,  nemlich  von  den 
achtzig  Bogen  noch  die  dreiunddreissig  von  dem  XXHI,  bis  LHH.  mit  dem  Hauptein- 
gange auf  der  Seite  gegen  die  Esquilien.  Die  übrigen  siebenund vierzig  (die  drei  anderen 
nicht  numerirten  Haupteingänge  mitgerechnet)  sind  vollständig  verschwunden.  Inner- 
halb beschreiben  ein  zweiter  und  ein  dritter  Ring  von  Bogen  derselben  Art,  jener  von 
dem  äussersten  o,8o,  und  der  innere  von  dem  zweiten  4,5o  Met.  entfernt,  dieselbe 
Ellipse  mit  entsprechend  verringerten  Durchmessern.  Von  dem  zweiten  Ringe  fehlen 
noch  vierundvierzig  Bogen  auf  derselben  dem  Cälius  zugewendeten  Seite ,  der  dritte 
ist  vollständig.  Diese  dr,ei  Ringe  bilden  zwei  im  Kreuz  gewölbte  Corridore  {ambulacra), 
die  nach  oben  wegen  der  Verjüngung  der  Ringpfeiler  an  Breite  zunehmen,  von  denen 


F.  RüBKK,    die  Ruinen  Korns. 


52 


^IQ  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

jedoch  nur  das  erste  und  zweite  Geschoss  des  äusseren  und  das  erste  des  inneren  ganz 
frei  von  Stufen  sind;  die  übrigen  sind  je  nach  dem  Bedürfnisse  für  Treppen,  Zugänge 
und  Substructionen  theilweise  geschlossen,  wahrend  im  vierten  Stockwerke  die  Sitz- 
reihen selbst  bis  an  die  Aussenwand  reichten.  Die  drei  ersten  Geschosse  des  äusseren 
und  die  zwei  ersten  des  inneren  Corridors  zeigen  die  Kranzleisten  am  Bogenansatz 
der  Aussenseite  ringsum  fortgesetzt ;  ausseidem  sieht  man,  entsprechend  den  Halbsäu- 
len der  Aussenseite  in  den  beiden  Corridoren  des  Erdgeschosses  wie  in  dem  äusseren 
des  zweiten  Stockwerks  an  den  Pfeilern  schw^ach  vorspringende  dorische  Pilaster  mit 
einem  Architrav,  über  welchem  die  Gewölbebogen  beginnen.  Die  Pfeiler  des  zweiten 
Ringes  haben  selbstverständlich  schon  etwas  geringere  Breite  und  Dicke.  An  den  drit- 
ten Pfeilerring  sich  anschliessend,  richten  sich  massive  Substructionsmauern,  (als  Nor- 
malen) senkrecht  auf  der  Curve  der  Ellipse  stehend,  nach  innen,  um  in  drei  Abschnitten, 
der  äussere  15,  der  mittlere  10, öo  und  der  innere  2, so  Met.  tief,  die  Stütze  für  die 
Sitzreihen  zu  bilden  und  unterhalb  Raum  für  Treppen  und  Verbindungsgänge  zu  ge- 
währen. Die  elliptischen  Zwischenräume  zwischen  diesen  Abschnitten,  der  äussere  6, 
der  innere  2,4o  Met.  breit,  waren  ebenfalls  zu  Corridoren  benutzt,  von  welchen  aus 
Treppen  zu  den  unteren  Sitzreihen  führten. 

Während  man  durch  die  76  mit  Zahlen  bezeichneten  Eingänge  des  Erdge- 
schosses zu  den  in  einer  gewissen  künstlichen  Ordnung  abgetheilten  Treppen  und 
Gängen  der  verschiedenen  Geschosse  gelangte,  führten  die  zwei  Haupteingänge  an  den 
Endpunkten  des  grösseren  Durchmessers  unmittelbar  zu  der  Arena,  und  waren  dem- 
nach sowohl  für  die  Züge  der  Gladiatoren,  wie  auch  zur  Herbeischaffung  der  Maschinen 
und  Thiere  bestimmt.  Die  beiden  anderen  nicht  numerirten  Eingänge,  welche  sich  an 
den  Endpunkten  des  kleineren  Durchmessers  befanden ,  hatten  wahrscheinlich  später 
^ne  ihrem  Zwecke  entsprechende  Verkleidung  erhalten,  eine  Art  von  Portal  mit  Säulen 
von  griechischem  Marmor,  deren  Schäfte  an  dem  erhaltenen  Haupteingange  auf  der 
Esquilinusseite  noch  gebrochen  liegen,  mit  einem  Gebälke  von  weissem  Marmor,  während 
sonst  die  ganze  Aussenseite  von  Travertin  war.  Hier  scheinen  auch  die  beiden  um  die 
ganze  Ellipse  laufenden  Stufen  einen  kleinen  Vorsprung  gebildet  zu  haben.  Dieser 
Haupteingang  der  Esquilinseite  führt  in  einen  von  den  übrigen  Corridoren  isolirten 
Saal,  dessen  Wölbung  noch  Stuckverzierung  zeigt.  Von  diesem  führte  eine  besondere 
Treppe  zu  dem  unteren  Theile  der  Sitzreihen  {podium),  deren  Regelmässigkeit  dadurch 
eine  Unterbrechung  erlitt,  die  man  noch  an  den  erhaltenen  Grundmauern  wahrnimmt. 
Hier  war  nemlich  die  Kaiserloge  {pulvinar),  welche  von  den  übrigen  Sitzreihen  des 
Podium  abgesondert  war,  und  dieselben  an  Höhe  etwas  überragte.  Dieselbe  Einrich- 
tung, jedoch  weniger  erhalten,  da  die  äusserste  und  die  zweite  Ellipse  hier  fehlt, 
findet  sich  auf  der  gegenüberliegenden  Seite  (gegen  den  Cälius) ;  die  eine  Loge  scheint  für 


Das  flavische  Amphitheater.   (Colosseum.)  411 

den  Kaiser  und  dessen  Familie,  die  andere  für  den  Präfecten  der  Stadt  oder  diejenige 
obrigkeitliche  Person  bestimmt  gewesen  zu  sein,  welche  die  Spiele  veranstaltete. 

Der  innere  Raum  ist  sehr  entstellt  und  verwüstet  und  zeigt  nur  mehr  theil- 
weise  die  Stützmauern  der  Sitzreihen.  Letztere  {gradus)  sind  sämmthch  verschwunden: 
denn  die  wenigen  Marmorblöcke,  welche  noch  unten  um  die  Arena  herumliegen  — 
allerdings  sehr  schatzbar  zur  Bestimmung  der  Höhe  und  Tiefe  der  Sitzstufen,  sind  in 
Anbetracht  der  ungeheuren  Masse  der  Sitzplätze  keine  namhaften  Reste.  Marmorstufen, 
schon  in  Quaderform  behauen,  gewährten  allerdings  ein  nur  zu  bequemes  Baumaterial 
für  die  Paläste  und  Kirchen  der  Feudalzeit !  Wie  wir  an  den  noch  vorhandenen  Stücken 
sehen,  welche  die  Inschriftfragmente  EQVITI  und  ib  in  theatro  lege  pl  •vm  p  -xi].. 
zeigen,  waren  die  unteren  Rangabtheilungen  den  bevorrechteten  Ständen  namentlich 
zugetheilt  und  besonders  überschrieben.  Die  Abschnitte  der  Sitzreihen  sind  noch  mehr 
oder  weniger  deutlich  zu  erkennen ,  so  dass  sich  noch  mit  Sicherheit  fünf  Rangord- 
nungen imterscheiden  lassen,  deren  Gestalt  und  gegenseitiges  Verhältniss  der  beifol- 
gende restaurirte  Durchschnitt  klar  machen  wird.  Die  unterste  Rangabtheilung  {podium) 
hat  bis  zur  Unkenntlichkeit  gelitten,  von  der  Mauer  gegen  die  Arena  hin  sieht  man 
nur  noch  schwache  Spuren.  Zu  diBsem  Podium  gelangte  man  durch  den  inneren  der 
unter  den  Sitzreihen  angebrachten  elliptischen  Corridore  iitinera)  vermittelst  kleiner  zu 
den  Eingängen  [vomitoria)  ftihrender  Treppen,  welche  durch  den  Gürtel  {halleus)  über 
dem  Podium  selbst  einmündeten.  Ausser  dem  Kaiser  und  seiner  Familie  wurden  die 
Plätze  des  Podium  nur  von  den  höchsten  Obrigkeiten  und  den  vestalischen  Jungfrauen 
besetzt.  Hierauf  erhoben  sich  erst  die  eigentlichen  Stufenordnungen  (praecinctiones).  Die 
erste  von  diesen,  welche  sich  auf  etwa  zwanzig  Gradus  berechnet,  und  an  Höhe  das 
Erdgeschoss  nach  der  äusseren  Abtheilung  um  drei  Meter  überragte,  bot  den  Rittern 
und  Magistratspersonen  je  nach  ihrem  Range  Platz  und  war  nach  oben  durch  einen 
zweiten  Gürtel  von  der  nächsten  Abtheilung  abgegränzt.  Sowohl  in  diesem  Balteus, 
wie  auch  in  der  Präcinction  selbst,  die  Gradus  unterbrechend,  befanden  sich  Yomito- 
rien.  Von  derselben  Beschaffenheit  war  die  zweite  Präcinction,  welche,  obwohl  nur 
etwa  1 6  Gradus  hoch  und  das  äussere  zweite  Stockwerk  nur  wenig  überragend,  doch 
durch  die  wachsende  Vergrösserung  der  Ellipse  einer  weit  beträchtlicheren  Anzahl  von 
Zuschauern  Raum  bot.  Diese  war  für  die  römischen  Bürger  bestimmt.  Ein  5  Met.  hoher 
Balteus,  welcher  auf  der  Esquilinseite  noch  grösstentheils  erhalten  ist,  und  zwischen 
den  Vomitorien  mehre  Fenster  zeigt,  welche  sowohl  zur  Erhellung  des  innenlaufenden 
Corridors,  als  auch,  die  kahle  Gürtelwand  unterbrechend,  zur  Zierde  dienen  sollten, 
trennte  die  zweite  Präcinction  von  der  dritten.  Die  Stufen  dieser  aber  mussten  be- 
trächtlich steiler  als  die  der  beiden  Hauptordnungen  gewesen  sein  und  scheinen  die 
geringeren  Stände  aufgenommen  zu  haben,  lieber  diesen,  deren  Anzahl  sich  auf  etwa 

52* 


412 


Die  Velia  und  das  Thal   des  Colosseum. 


zehn  berechnet,  erhob  sich  durch  einen  niedrigen,    nicht  durch  Vomitorien  unterbro- 
chenen Balteus  getrennt,  noch  eine  vierte  Präcinction,  deren  Stufen  jedoch  wegen  der 


//  20  Z5 

43.     Restaurirler  Durchschnill  des  Colosseum, 


'soMet: 


nach  aussen  hin  angebrachten  Fenster  nicht  viele  sein  konnten.  Diese  waren  von  einer 
Porticus  tiberdeckt,  deren  korinthische  Säulen  auf  dem  letztgenannten  Balteus  ruhten 
und  deren  Bedachung  bis  zur  Gesammthöhe  des  Gebäudes  reichte.  Die  Höhe  dieser 
letzten  Präcinction  ist  noch  zugänglich  (Esquilinseite)  und  wurde  neuerlich  unter  Ca- 
nina's  Leitung  als  Plattform  hergestellt.  Noch  erkennt  man  den  Platz ,  wo  die  Säulen 
standen,  und  die  von  Bunsen  nach  Lucangeli  angenommene  Versetzung  der  Porticus 
auf  den  nächstniederen  Gürtel,  welche  überdiess  die  Aussicht  versperrend  den  letzten 
Rang  und  somit  auch  den  grossen  Umfang  des  Ganzen  zwecklos  macht,  ist  daher 
bestimmt  irrig.  Von  den  Säulen  dieser  Porticus  sieht  man  noch  einige  an  den  Seiten 


Das  flavische  Amphilheafer.    (Colosseum.)  4  1  3 

der  Arena  liegen;  die  Granitschafte  sind  6,62,  die  ganz  rohgearbeiteten  Marmorcapitäle 
],nMei.  hoch.  Die  von  dieser  Porticus  bedeckte  Präcinction  scheint  der  Platz  für  die 
Frauen  gewesen  zu  sein;  aus  einer  Beschreibung  der  oberen  Räume  möchte  man  al- 
lerdings entnehmen,  dass  sie  hier  mit  Leuten  aus  dem  gemeinen  Volke  untermischt 
sassen,''  doch  ist  diess  jedenfalls  unwahrscheinlich.  Auf  dem  Dache  dieser  Porticus  ope- 
rirten  die  Leute,  wahrscheinlich  Matrosen  {classiarii),  welche  mit  der  Ausspannung  des 
Zeltdaches  {velariiim)  betraut  waren.  Jedenfalls  war  an  jedem  der  obenbeschriebenen 
240  Masten  oder  Balken,  welche  über  die  äussere  Umfangsmauer  emporragten,  wenig- 
stens einer  davon  aufgestellt.  Der  Mechanismus  der  Ueberspannung  lässt  sich  nicht 
nachweisen;  am  wahrscheinlichsten  bestand  das  Zeltdach  nicht  aus  einem  einzigen 
grossen  Tuche,  sondern  aus  mehren  Theilen,  so  dass  je  nach  der  Richtung  der  Son- 
nenstrahlen nur  ein  Theil  des  inneren,  für  die  Zuschauer  bestimmten  Raumes  {cavea} 
bedeckt  werden  konnte. 

Die  Arena,  deren  grössere  Axe  77,  die  kleinere  aber  46, 50  Met.  betrug,  deren 
jetziger  Umfang  jedoch  durch  die  Beseitigung  der  unteren  Podiummauer  beträchtlich 
grösser  geworden,  ruht  auf  elliptischen  Grundmauern,  welche  durch  gerade,  der 
grösseren  Axe  parallele  Mauern  verbunden  werden,  deren  Untersuchung  aber  gezeigt 
hat,  dass  sie  mit  dem  Bau  des  Amphitheaters  nicht  gleichzeitig  entstanden  seien,  son- 
dern aus  einer  viel  späteren  Zeit  herrühren.  Ueber  den  Zweck  dieser  Substructionen 
ist  man  nicht  einig ;  die  meisten  glauben,  sie  hätten  für  die  Spiele  selbst  eine  gewisse 
Bedeutung  gehabt.  Doch  vermittelst  dieser  Souterrains  ein  überraschendes  Maschinen- 
spiel auszuführen,  scheint  mir  zu  sehr  der  Vorstellung  von  modernen  Theaterapparaten 
entlehnt,  auch  müssten  dazu  diese  Unterbaue,  die  meistens  nur  einen  schmalen  Raum 
darboten,  am  unzweckmässigsten  erscheinen.  Bedenkt  man  dagegen,  dass  der  kolos- 
sale Bau  an  die  Stelle  des  neronischen  Teiches  (stagna  Neronis)  getreten  war,^  dass  zur 
Ableitung  des  Wassers  eine  grössere  Anzahl  von  Abzugskanälen  erbaut  ward,  von 
denen  man  noch  bei  den  Nachgrabungen  unterbrochene  Züge  gefunden,  dass  jedoch 
in  Folge  mancherlei  Störungen  dieser  Abfluss  später  gelitten  habe,  und  so  die  Feuch- 
tigkeit des  Teiches  in  dem  tiefstgelegenen  Theile,  nemlich  in  der  Arena,  wieder  zu  Tage 
getreten  sei,  so  dürfte  als  das  Wahrscheinlichste  erscheinen,  dass  diese  Substructionen 
unter  der  Arena  aus  dem  Grunde  erbaut  worden  seien,  um  die  letztere  vor  Versum- 
pfung zu  bewahren.  In  der  That  erwähnt  auch  eine  noch  vorhandene  Inschrift  aus 
der  Zeit  des  Theodosius  und  Valentinian,  die  bei  der  Geschichte  des  Baues  angeftlhrt 
werden  soll,  Herstellungen  dieser  Arena. 

Ueber  die  Geschichte  der  Spiele  des  Amphitheaters  und  de^  letzteren  selbst  sind 


'  Calpurn.  Ecl.  VII.  v.  26  sq.  *  Martial.  De  spectac.  epigr.  II.  v.  6. 


414  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

wir  ziemlich  genau  unterrichtet.  Wie  schon  erwähnt,  erstand  fast  gleichzeitig  mit  der 
Gründung  Roms,  in  dem  Thale  zwischen  Palatin  und  Aventin,  der  römische  Circus. 
Dieser,  in  seiner  Einrichtung  dem  griechischen  Hippodrom  analog,  doch  keineswegs 
gleich,  genügte  für  die  damals  üblichen  Spiele,  Rennen  zu  Pferd  und  zu  Wagen.  Die 
Wettkämpfe  des  Stadion,  wie  dieses  selbst,  kamen  bei  den  Römern  erst  spät  in  Auf- 
nahme, und  als  die  Ringspiele  auch  in  Rom  auftauchten,  bestanden  sie  zunächst  in 
blutigen  Kämpfen  mit  Waffen  aller  Art,  welche  jedoch  nicht  den  ehrenvollen  Charakter 
hatten,  wie  die  Ringkämpfe  in  Griechenland,  und,  von  dem  Circus  ganz  ausgeschlos- 
sen, ursprünglich  einer  besonderen  Localität  entbehrten.  Yon  solchen  blutigen  Spielen, 
den  Gladiatorenkämpfen,  lesen  wir  zum  erstenmale  um  das  Jahr  490  d.  St.,  und  diese 
wurden  von  Marcus  und  Decimus  Brutus  zu  Ehren  ihres  verstorbenen  Vaters  auf 
dem  Forum  Boarium  gegeben.''  Später  finden  sich  die  Fechterspiele,  aus  ähnlichen 
Anlässen  und  meist  von  Privaten  veranstaltet  (daher  munera  gladiatoria),  auf  dem  Forum 
Romanum  als  allgemein  üblich  angeführt.  So  wird  vom  J.  547  d.  St.  erwähnt,  dass  bei 
der  Abhaltung  dieser  Spiele  (?)  zum  erstenmale  das  Comitium  bedeckt  gewesen  sei,^ 
worunter  man  nur  eine  Zeltbedeckung  in  der  beim  Theater  übhchen  Weise  verstehen 
kann,^  so  wie  sie  auch  später  vorübergehend  über  das  ganze  Forum  und  über  die  Sacra 
via  ausgespannt  wurde.^  Im  J.  569  d.  St.,  als  Mänius  sein  am  Forum  Romanum  liegen- 
des Haus  ^  an  den  Censor  Cato  zur  Erbauung  der  ersten  römischen  Basilica  verkaufte,^ 
bedang  er  für  sich  und  seine  Nachkommen  das  Recht,  bei  den  jemaligen  Fechterspielen 
sich  eine  Schaubühne  über  eine  der  Säulen  hinauslegen  zu  dürfen,'^  woher  solche  später 
allgemein  übliche  ungeföhr  unseren  Balcons  entsprechend,  über  die  Säulen  vorspringende 
Schaubühnen  den  Namen  »Mäniana«  erhielten. ^  Die  beiden  letzten  Nachrichten  zeigen 
unverkennbar,  dass  sich  im  6.  Jahrhundert  d.  St.  die  Fechterspiele  am  Forum  Romanum 
concentrirt  hatten.  Später  wurden  auch  Ringspiele  nach  griechischer  Art  [athletorum  cer- 
tamina)  gegeben,  von  welchen  die,  welche  M.  Fulvius  Nobilior  im  J.  568  wahrscheinlich 
im  Circus  gab,  ausdrücklich  als  die  ersten  bezeichnet  werden.^  Diese  scheinen  jedoch 
keine  besonders  beifällige  Anerkennung  gefunden  zu  haben ,  und  wurden  selbst  in  der 
Kaiserzeit,  auch  nachdem  sich  seit  Domitian  ein  ständiges  Stadium  im  Marsfelde  befand, 
mehr  in  den  Stadien  der  Thermen  zur  Belustigung  der  Badenden  und  zur  Uebung  der 
Jugend ,  denn  als  öffentliche  Spiele  veranstaltet.  Mehr  Eingang  hatte  ein  drittes  Spiel  ge- 
funden, nemlich  die  Thierhatze  [venatio).  Dieses,  in  Griechenland  bis  zur  Zeit  der  römischen 
Kaiserherrschaft  völlig  fremd,  erscheint  in  Rom  zuerst  im  J.  502  d.  St.,  in  welchem  L.  Cä- 
cilius  Metellus  die  in  der  Schlacht  bei  Panormus  in  Sicilien  den  Carthagern  abgenommenen 


'  Liv.  Epit.  XVI.    Val.  Max.  II.  4,  7.    Augustin.  civ.  Dei.  III.  17.         *  Liv.  XXVII.  36.         *  Piale,  del  Foro 
Romano.  R.  1832.  p.  15  sq.  *  Plin.  H.  N.  XIX.  1,  6,  23.  ^  Schol.  Cruq.  ad  Horat.  Sat.  I.  3,  21.  «  Liv. 

XXXIX.  44.         ^  Pseudo-Ascon.  in  Cic.  Divin.  in  Q.  Caec.  16.         *  Vitruv.  V.  1.      ^  Liv.  XXXIX.  22. 


Das  flavische  Amphitheater.   (Colosseum.)  415 

über  hundert  Elephanten  nach  Rom  brachte  und  wahrscheinHch  im  Circus  tödten  liess;^ 
sowohl  um  den  Ruhm  des  Feldherrn  als  Ueberwinder  dieser  vorher  von  den  Römern  so 
gefürchteten  Thiere  zu  erhöhen,  als  auch  um  das  Volk  an  den  Anblick  derselben  zu  ge- 
wöhnen und  ihm  die  Furcht  vor  ihnen  zu  benehmen.  Die  Thierhatzen  im  Circus  kamen 
von  dieser  Zeit  an  in  Aufnahme ^  und  eifreuten  sich  so  der  Gunst  des  Volkes,  dass  die 
Festgeber  in  der  Anzahl  und  Auswahl  der  Thiere  südlicher  Zonen  einander  überboten 
und  öfters  mehre  Hundert  an  einem  Tage  erlegt  wurden,  Elephanten,  africanische  Löwen, 
Bären,  Panther,  Leoparden,  Krokodile,  Nilpferde,  Giraffen  u.  s.  w.  —  L.  Aemilius  Paullus 
wusste  den  blutigen  Reiz  dieses  Schauspiels  noch  dadurch  zu  erhöhen,  dass  er  nach  der 
Unterjochung  Macedoniens  in  den  Siegesspielen  die  gefangenen  UeberlSufer  und  Flücht- 
linge im  Circus  den  Elephanten  vorwerfen  liess,^  zu  welcher  Unmenschlichkeit  Carthago 
das  Beispiel  gegeben  zu  haben  scheint,*  wie  überhaupt  die  Venatio  africanischen  Ur- 
sprunges sein  dürfte.  Die  schreckhche  Execution  scheint  auch  bei  den  Zuschauern  An- 
klang gefunden  zu  haben,  denn  Scipio  Africanus  der  Jüngere  ahmte  nach  der  Zerstörung 
von  Carthago  das  Beispiel  seines  Vaters  nach.^  —  Eine  weitere  Art  von  römischen  Spie- 
len wurden  grössere  Gefechte,  die  von  den  Einzelkämpfen  der  Gladiatoren  ganz  verschie- 
den waren.  Diese  wurden  ebenfalls  im  Circus  ausgeführt  und  zu  diesem  Zwecke,  v/ie 
auch  zu  den  Thiergefechten  in  voraugustischer  Zeit  die  Spina  weggenommen.^  Das  Alter 
dieser  Kämpfe,  an  welchen  sich,  soweit  es  Scheingefechte  waren ,  bei  besonderen  Anläs- 
sen die  vornehme  Jugend  selbst  betheiligte  {Indus  Troiae),  ist  nicht  bekannt. 

Da  jedoch  die  Anlage  des  Circus  entschieden  für  Rennspiele  berechnet  und  so- 
wohl die  Spina  als  auch  die  überlange  Form  für  die  Fechterspiele  und  Thierhatzen  minder 
geeignet  war,  letztere  für  die  Zuschauer  sogar  gefahrdrohend  schienen,'  kam  endlich 
G.  Curio  im  J.  695  d.  St.  auf  den  Gedanken,  für  die  beiden  genannten  Spiele  ein  beson- 
deres, zweckmässigeres  Gebäude  aufzuführen  und  diess  nach  der  Idee  von  zwei  mit  der 
Höhlung  aneinanderstossenden  Theatern,  also  in  rundlicher  Form  zu  erbauen. ^  Diese 
von  Plinius  (a.  a.  0.)  gebührend  bewunderte  Construction  schuf  die  Amphitheater,  welche 
sich  in  kurzer  Zeit  über  alle  Provinzen  des  römischen  Reiches  verbreiteten.  Das  erste 
steinerne  Amphitheater  errichtete  dem  Wunsche  des  Augustus  gemäss  im  J.  724  d.  St. 
T.  Statilius  Taurus  auf  dem  Marsfelde  an  einer  nicht  näher  bestimmbaren  Stelle.^ 
Augustus  selbst  beabsichtigte  ein  grösseres  zu  erbauen, ^^  seine  Absicht  ward  jedoch  erst 
durch  Vespasian  und  Titus  verwirklicht:  das  Werk  dieser,  das  Amphitheatrum  Flavium. 
steht  noch  vor  uns  in  der  staunenerregenden  Ruine ,  dem  gewaltigsten  Ueberreste  eines 
römischen  Unternehmens.  Der  Bau  wurde  von  Vespasian  nach  Beendigung  des  Juden- 


'  Liv.  Epit.  19.    l-'lor.  I.  18.  (II.  2.)    Plin.  H.  N.  VIII.  6,  6,  16.  *  Vgl.  S.  4U.  Anm.  9.     I.iv.  XLIV.  18. 

^  Liv.  epit.  LI.     Val.  Ma\.  II.  7,  13  &  U.         *  Polyb.  I.  84.         *  Vgl.  Aura.  3.         «  Sueton.  Caes.  39.  '  Plin. 

H.  N.  VIII.  7,  7.  21.  «  id.  XXXVI.  15,  24,  117.         *••  Dio  Cass.  LL  23.         *•  Sueton.  Vesp.  9. 


4  1  ()  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseuni. 

krieges  begonnen,^  und  dafür  das  Thal  gewählt,  in  welchem  sich  vorher,  wie  schon  er- 
wähnt wurde,  der  zu  dem  goldenen  Palaste  des  Nero  gehörige  Teich  ausbreitete.  Titus 
weihte  ihn  noch  unvollendet  im  J.  80  n.  Chr.,  nicht  lange  vor  seinem  Tode.^  Aus  der 
Construction  des  Gebäudes  geht  aber  hervor,  dass  die  Aussenbauten  den  inneren  der 
Cavea  immer  etwas  voranschreiten  müssen ,  und  desshalb  können  Münzen  des  Titus  von 
dessen  YIII.  Consulatsjahr  =  80  n.  Chr.  bereits  die  ganze  Aussenseite  so  vollendet  zei- 
gen, wie  wir  sie  auch  auf  Münzen  der  Gordiane  wieder  finden ,  während  doch  ausdrück- 
lich berichtet  wird,  dass  Vespasian  den  Bau  bis  zu  den  ersten  drei  Stufenabtheilungen 
(das  Podium  offenbar  mitgerechnet)  fortführte,  Titus  die  nächsten  zwei  Präcinctionen  hin- 
zufügte, während  erst  Domitian  den  Bau  bis  zu  den  Schilden  {iisque  ad  clypea)  vollen- 
dete,^ welche  Schilde  wahrscheinlich  unter  dem  letzten  Kranzleisten  angebracht  waren. 

In  dem  ungeheuren  Prachtbaue,  welcher  bald  Circus  und  Theater  an  Anziehungs- 
kraft übertraf,  mussten  auch  die  für  denselben  gehörenden  Spiele,  welche  bisher  nur  in 
unregelmässigen  Zeitabschnitten  und  zumeist  auf  Kosten  von  Privatmännern  veranstaltet 
wurden,  nunmehr  als  Staatsspiele  eine  ständige  Gestalt  bekommen ,  und  eine  grosse  An- 
zahl von  Leuten  in  ganz  zunftmässiger  Organisation  dauernd  beschäftigen.  In  allen  Thei- 
len  des  Reiches,  namentlich  aber  in  Africa  sammelten  besoldete  Thierfänger  (venalores) 
die  verschiedensten  Thiere,  welche  wieder  von  besonderen  Bediensteten  (mansiieiores) 
transportirt  und  in  Rom,  wie  in  allen  bedeutenderen  Städten,  die  sich  nach  dem  Vorbilde 
der  Hauptstadt  ein  Amphitheater  gebaut  hatten,  in  weitläufigen  Geföngnissen  {vivaria  oder 
in  scherzhaftem  Euphemismus  nach  den  Hasengehegen  der  Villen  leporaria  genannt)* 
aufbewahrt  wurden,  um  von  hier  aus  unmittelbar  vor  den  Spielen  in  besonderen  Käfigen 
in  die  Arena  abgeführt  zu  werden.  Zu  Rom  befand  sich  das  Vivarium  bei  der  Porta  Prae- 
nestina  an  der  aurelianischen  Mauer.^  Die  Thierspiele  waren  verschiedener  Art;  nicht 
immer  blutig,  manchmal  wurden  harmlose  Scenen  zwischen  gezähmten  Thieren  und  sol- 
chen, welche  wie  Hirsche  und  Hasen  von  Natur  friedlichen  Charakters  sind,  dargestellt, 
doch  waren  diese  seltener :  öfters  wurden  reissende  Thiere  gegen  einander  gehetzt ,  oft 
von  Menschen  [hestiarii)  ^  angegriffen  und  erlegt,  beides  im  Einzelkampfe  oder  in  Rotten. 
Oft  auch  verbluteten  in  dem  Amphitheater  Verurtheilte ,  namentlich  Christen ,  wovon  die 
Acta  Martyrum  leider  nur  zu  viele  Beispiele  geben,  in  den  Zeiten  ihrer  Verfolgung  wehr- 
los den  w^uthgereizten  Thieren  gegenübergestellt.  —  Noch  systematischer  hatten  sich 
die  Spiele  der  Gladiatoren  ausgebildet.  Die  Fechter  bildeten  zahlreiche,  eidlich'^  einem 
Herrn,  zumeist  dem  Kaiser  verpflichtete  Schaaren  {familiae)  und  hatten  ihre  besonderen 
Quartiere  [ludi),  von  denen  durch  die  Notitia*^   und  die   capitolinischen  Planfragmente 


*  Sueton.  Vespas.  9.  *  Sueton.  Tit.  7.     Cassiod.  Chron.    (Rone.  II.  col.  4  96.)  *  Catalog.  Imp.  Vienn. 

(Rone.  II.  col.  243.)  *  Gell.  N.  A.  II.  20.  ^  Procop.  b.  Goth.  I.  22.  ^  Cic.  p.  Sext.  64.  ad  Q.  Fr.  H.  6. 

'  Petron.  Satiricon  fgm.  H7.  »  Curios.  U.  R.  Reg.  II.  III. 


Das  flavische  Amphitheater.   (Colosseum.)  417 

mehre  bekannt  sind,  wie  der  ludus  Matutinus,  Magnus,  Mamertinus,  Galliens  und  Dacicus, 
alle  innerhalb  der  zweiten  und  dritten  Region,  mithin  in  der  Nähe  des  Amphitheaters. 
Hier  lebten  sie  in  militärischer  Verfassung  unter  einem  Oberhaupte  [curator)  und  wurden 
von  älteren  Meistern  [lanistae)  eingeübt.  Die  Fechter  selbst  unterschieden  sich  je  nach 
den  Kampfarten ,  denen  sie  sich  zugewandt.  Die  Kämpfer  zu  Wagen  [essedarii)  waren 
gefangene  GaUier  oder  Dritten ,  welche  nach  Landessitte  von  einem  nationalen  Wagen 
(essedum)  herab  kämpften.''  Die  Kämpfer  zu  Pferde  hiessen  equites,  wenn  sie  nach  Ritter- 
art bewaffnet  waren  2;  wahrscheinlich  waren  auch  die  laqueatores,  welche  eine  Schlinge,^ 
die  dimachaeri,  die  zwei  Schwerter  trugen,*  und  die  andahatae,  deren  bei  verbundenen 
Augen  ausgeführter  Kampf  mehr  auf  eine  komische  Wirkung  berechnet  schien,^  beritten. 
Am  zahlreichsten  und  beliebtesten  waren  die  Fechter  zu  Fuss :  diese  theilten  sich  nach 
Bewaffnung  in  hoplomachi,^  Samnites'^  und  cruppellarii,^  welche  alle  bis  an  die  Zähne  be- 
bewaffnet waren,  aber  durch  die  national-griechische,  samnitische  und  keltische  Bewaff- 
nungsart sich  unterschieden,  und  in  Leichtbewaffnete,  welche  zum  Kampfe  herausforder- 
ten [veliles  oder  provocatores),^  wozu  auch  die  Thraces,  die  fast  nackt  und  nur  mit  einem 
kleinen  halbcylinderförmigen  Schilde  (parma  thracidica)  und  einem  krummen  Messer  be- 
waffnet waren, ^0  ^[q  meridiani,^  ^  welche,  um  die  Mittagszeit  auszufüllen,  wahrscheinlich 
nur  einen  Scheinkampf  mit  stumpfen  Waffen  ausführten,  und  die  mirmillones,^^  welche 
wahrscheinlich  gallischer  Herkunft  sind,  deren  Namen  jedoch  nicht  näher  erklärt  werden 
kann,  zu  rechnen  sind.  Eine  besondere,  sehr  beliebte  und  desshalb  sehr  zahlreiche  Classe 
bildeten  noch  die  retiarii  und  die  secutores,^^  von  welchen  die  ersteren  nur  mit  einem 
Wurfnetz  {iacidum)  und  einer  dreizackigen  Gabel  [fiiscina)  ausgerüstet  waren  und  mit 
dem  ersteren  ihren  mit  Schild,  Schwert  und  Harnisch  bewaflheten  Verfolger  durch  einen 
geschickten  Wurf  zu  umstricken  suchten.  Gelang  diess ,  so  war  ihre  ungeschickte  Waffe, 
die  fiiscina,  ausreichend  für  den  Todesstoss,  ging  aber  der  Netzwurf  fehl ,  so  musste  der 
retiariiis  fliehend  eine  neue  Gelegenheit,  sein  iaculnm  zu  schleudern,  erspähen.  Alle  diese 
im  Einzelkampfe  auftretenden  Gladiatoren  hiessen  die  ordinarii ,  im  Gegensatze  zu  den 
catervarii,^ '^  welche  truppweise  im  Massenkampfe  sich  begegnend  der  speciellen  Schule 
nicht  bedurften.  —  Obwohl  in  dem  geordneten  Zustande  der  Zunftverfassung  der  Gla- 
diatoren und  ihrer  Ueberwachung  eine  staatsgefährliche  Meuterei,  wie  die  unter  Spartacus 
zu  Capua,  nicht  mehr  stattfinden  konnte,  so  ist  doch  sicher,  dass  die  grosse  und  mäch- 
tige Anzahl  der  Fechter  namentlich  in  der  Kaiserzeit  manchmal  von  gewichtigem  Einflüsse 


•  Sueton.  Cal.  35.    Claud.  21.  *  OrelM,  Inscr.  n".  2569.  2577.  ^  Isid.  Orig.  XVIII.  56.  *  Orelli, 

n».  2584.         '  Cic.  fam.  VII.  10.     Hieron.  adv.  lov.  I.  36.         *  Suet.  Cal.  I.  c.    Mart.  VIII.  74.         '  Cic.  Sext.  64. 
"  Tacit.  .4nii.  III.  43.  »  Cic.  1.  c.     Oreiii,  n».  2566.  '»  Senec.  Q.  N.  IV.  1 .  "  Suet.  Claud.  34.     Senec. 

ep.  7  &  95.     Orelli,  n".  2587.  '*  Cic.  Phil.  VI.  5.    Suet.  Domit.  10.    luven.  VIII.  v.  200.         '»  Sueton.  Cal.  30. 

luven.  1.  c.  sq.     Dio  Cass.   (Xiphilin.)  LXXII.  19.     Fest.  s.  v.  retiarius.         '*  Sueton.  Aug.  45. 

I'.  Rebeu,  die  lluinen  lloms.  53 


4^3  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

war.  Die  catervarii ,  deren  oft  eine  grosse  Anzahl  gleichzeitig  auftrat ,  gehörten  jedoch 
gemeiniglich  der  Kaste  der  Gladiatoren  gar  nicht  an ;  diese  Truppen  wurden  gewöhnlich 
aus  Gefangenen  constituirt,  oft  wurden  auch  Sclaven  von  ihren  Herren  zur  Betheiligung 
daran  gezwungen.  Solche  Gefechte  waren  meistens  zu  Fuss ,  seltener  zu  Pferde ;  See- 
kämpfe, welche  im  Allgemeinen  nicht  hierher  gehören ,  doch  durch  mehre  Zuflusskanale, 
welche  man  aufgefunden  hat,  auch  im  Amphitheater  bewerkstelligt  werden  konnten,  in 
der  an  sich  sumpfigen  Lage  desselben  aber  nicht  ohne  Nachtheil  für  das  Gebäude  sein 
konnten,  scheinen  nach  den  von  Domitian  veranstalteten  Spielen  *  nicht  mehr  im  Amphi- 
theater stattgefunden  zu  haben. 

Alles,  was  sich  von  dem  Gebäude  bis  jetzt  erhalten ,  ist  fast  durchaus  von  seiner 
ursprüngHchen  Anlage.  Des  Antoninus  Pius  Herstellungen  ^  waren  nicht  von  grossem 
Belange.  Von  grösserem  Interesse  ist  uns  die  Anlage  des  unterirdischen  Weges  vom 
Cähus  nach  dem  kaiserhchen  Suggestum  am  Podium  und  unmittelbar  nach  der  Arena, 
den  Commodus,  der  leidenschaftliche  Liebhaber  der  amphitheatralischen  Spiele,  an  denen 
er  sich  selbst  und  zwar  mit  rühmenswerther  Geschicklichkeit  zu  betheiligen  pflegte,^  er- 
baute, und  in  welchem  er  selbst  einem  mörderischen  Angriffe  nur  mit  Mühe  entging.* 
Dieser  unterirdische  Gang  ward  bei  den  Ausgrabungen  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
entdeckt  und  ist  von  der  Arena  aus  zugänglich.  Doch  von  den  schönen  Stuckreliefs,  die 
Thorwaldsen  noch  ziemlich  unversehrt  sah  und  copirte,  ist  nur  mehr  ein  geringer  Theil 
sichtbar.  Die  auf  dem  Grunde  stagnirende  Wassermasse ,  die  sich  oft  bis  zur  Unzugäng- 
Hchkeit  des  Cofridors  steigert,  wird  wohl  in  wenigen  Jahren  durch  die  sich  an  den  Wän- 
den hinaufziehende  Feuchtigkeit  und  deren  Sohn,  den  stets  mehr  um  sich  greifenden 
Moosfilz,  auch  den  letzten  Rest  vertilgen.  —  Nach  Antoninus  Pius  machten  sich  beson- 
ders Elagabalus  ^  und  Alexander  Severus  ^  nach  einem  bedeutenden  durch  einen  Blitz- 
strahl veranlassten  Brande  im  Innern  des  Gebäudes  unter  Macrinus  '^  um  die  Herstellung 
desselben  verdient.  In  dem  furchtbaren  Erdbeben  des  Jahres  442  n.  Chr.,  welches  eine 
grosse  Anzahl  römischer  Bauten  sehr  beschädigte,^  scheint  auch  der  innere  Theil  des 
Amphitheaters  gelitten  zu  haben.  Diess  bezeugt  die  Inschrift  der  sogleich  darauf  erfolg- 
ten Restauration,  welche  im  J.  1814  gefunden  ward  und  in  der  Arena  neben  dem  süd- 
östhchen  Ausgange  zur  Rechten  aufgestellt  wurde.  Sie  lautet  nach  Fea's  auch  auf  den 
Stein  selbst  übertragener  Ergänzung :  ^ 

SALVdS  DD)  NN  THEODOSIO  ET  PLACIDO  V(ALENTINIANO  AVGG) 
RVFVS  CAECINA  FELIX  LAMPADIVS  VC  ET   (INL  PRAEF  VRBI) 
'  HARENAIVI  AIVIPHITEATRI  A  NOVO  VNO  CVm  PO(DIO  ET  PORTIS) 
OSTICIS  SED  ET  REPARATIS   SPECTACVLI  GRADIBVS  (RESTITVIT) 

*  Sueton.  Domit.  4.  *  Script.  H.  A.  (Capitolin.)  Antonin.  P.  8.         ^  Dio  Cass.  LXXII.  17  sq.    Herodian. 

I.  15  sq.     Script.  H.  A.  (Lamprid.)  Commod.  11.         *  Dio  Cass.  LXXII.  4.  *  Script.  H.  A.   (Lamprid.)  Helio- 

gab.  17.  8  id.  Alex.  Sev.  24.  '  Dio  Cass.  (Xiphilin.)  LXXVIII.  25.  *  Paul.  Diac.  de  gest.  Long.  IV.  47. 
'  C.  Fea,  Notizie  degli  Scavi  nell'  Anfiteatro  Flavio  e  nel  Foro  Traiano.  Roma  1813.  p.  5. 


Das  flavische  Amphitheater.  (Colösseum.)  419 

Der  Präfect  Lampadius  wird  zwar  sonst  nirgends  erwähnt ,  doch  finden  sich  unter  der 
Regierung  des  Theodosius  II.  und  Valentinian  III.  (von  425—450  n.  Chr.)  in  der  Reihe 
der  Präfecten  grössere  Lücken,  besonders  427 — 433,  433—439  und  446 — 449,^  welche 
für  die  Präfectur  des  Lampadius  Raum  geben.  Schon  einige  Jahre  vorher  aber  (1810) 
hatte  man  zwei  andere  mit  Inschriften  versehene  Cippen  ausgegraben  und  in  der  Arena 
zu  beiden  Seiten  des  nordwestlichen  Einganges  aufgestellt.  Beide  Inschriften  sind  des- 
selben Inhalts,  jedoch  die  Schrift  auf  dem  Steine  zur  Rechten  für  den  Eintretenden  besser 
erhalten.  Bei  der  gegenüberliegenden  wurde  dafür  die  Kehrseite  eines  schon  mit  einer 
nicht  hierhergehörigen  Inschrift  des  Carinus  beschriebenen  Cippus  benutzt,  wie  diess  in 
der  materialarmen  späteren  Zeit  häufig  geschah.  Die  Restaurationsinschrift  aber  lautet: 

DECIVS   IVIARIVS  VENANTIVS 
BASILIVS  VC    ET  TlSIL  PRAEF 


VRB   PATRICIVS  CONSVL 

ORDINARIVS  ARENAIVl  ET 

PODIVIVl    QVAE  ABOIVII 

NANDI  TERRAE  MO 

TVS  RVINA  PROS 

TRAVIT  SVMPTV  PRO 

PRIO   RESTITVIT 

Decius  Marius  Venantius  Basilius  findet  sich  in  den  Fasten  als  Consul  des  Jahres  380 
n.  Chr.  verzeichnet,  aus  welcher  Zeit  ungefähr  auch  diese  Inschrift  stammt.  Sie  beurkun- 
det eine  abermalige  Herstellung  der  Arena  und  des  Podium  nach  einem  Erdbeben.  Die 
Inschrift  bietet  zugleich  ein  Beispiel  der  Verderbtheit  der  Marmorschrift  am  Anfange  des 
6.  Jahrhunderts  und  der  Geringschätzung,  mit  welcher  man  solche  monumentale  Zeugen 
behandelte.  Die  blutigen  Gladiatorenspiele  hatten  indess  längst ,  doch  nicht  unmittelbar 
mit  der  Einführung  des  Christenthums  als  Staatsreligion,  ihr  Ende  gefunden.  Das  von 
Constantin  im  J.  325  n.  Chr.  erlassene  Verbot^  blieb  im  Abendlande  fast  unbeachtet; 
ebenso  das  zweite  des  Constantius  und  lulianus  im  J.  357  und  das  dritte  des  Arcadius 
und  Honorius  im  J.  397.  —  Da  reiste  etwa  fünf  bis  sechs  Jahre  darauf  ein  Mönch,  Na- 
mens Telemachos,  von  Syrien  nach  Rom  und  stürzte  sich  von  glühendem  Eifer  für  die 
durch  das  blutige  Spiel  vor  seinen  Augen  geschändete  Religion  beseelt,  in  die  Arena,  die 
Kämpfenden  mit  Gewalt  zu  trennen.  Die  in  ihrem  Vergnügen  gestörten  Zuschauer  ge- 
riethen  über  diesen  kühnen  Eingriff  des  Mönches  so  in  Wuth ,  dass  sie  von  allen  Seiten 
Steine  auf  ihn  schleuderten.  Telemachos  fiel  und  ward  den  heiligen  Märtyrern  beigezählt; 
in  Folge  dieses  Auftrittes  jedoch  wurden  die  Fechterspiele  factisch  und  für  immer  abge- 
schafft. Die  Thiergefechte  dauerten  jedoch  noch  fort,  und  überlebten  selbst  den  Fall  des 


*  Gorsini,  Series  Praefectorum  Urbis.  Pis.  1766.  p.  34  5  sq.         *  Cod.  Theodos.  Hb.  XV.  tit.  XII.  I.  1. 

53* 


420  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

abendlandischen  Kaiserthums,  wenn  auch  die  Pracht  bei  der  Feier  derselben  sich  allmä- 
lig  verringerte. 

Im  achten  Jahrhundert  erscheint  zum  erstenmale  der  jetzt  herrschende  Name 
Coliseus^  (Colosseum,  Coliseo),  welcher  jedoch  kaum,  wie  gewöhnlich  angenommen  wird, 
aus  dem  schon  längere  Zeit  beseitigten  Koloss  des  Nero,  entstanden  ist ,  sondern  wohl  in 
den  riesigen  Dimensionen  des  Gebäudes  selbst  seinen  Grund  hat.  Vom  11. — 13.  Jahr- 
hundert finden  wir  es  bereits  als  Zwingburg  und  in  der  Gewalt  der  Frangipani,  welchen 
es  zwar  im  J.  1130  gelang,  eine  wüthende  Belagerung  durch  den  jüngeren  Pierleone 
zurückzuschlagen,  die  aber  doch  12  Jahre  darauf  dem  römischen  Volke  ihre  Besitzungen 
räumen  mussten ;  ^  bald  darauf  kehrte  indess  diese  mächtige  Familie  wieder  in  den  Be- 
sitz des  Colosseum  zurück.^  Zu  Anfang  des  1 3.  Jahrhunderts  gelang  es  den  Annibaldi 
mit  Hülfe  des  Kaisers  Friedrich  IL,  dem  sie  sich  gegen  P.  Innocenz  IV.  angeschlossen 
hatten,  die  Frangipani  zu  zwingen,  ihnen  erst  die  Hälfte,  und  später,  nach  mancherlei 
Zwischenföllen,  das  ganze  Colosseum  zu  überlassen.  Kaiser  Heinrich  VII.  nahm  diesen 
im  J.  1312  das  Colosseum  mit  ihren  übrigen  Burgen  wieder  ab,'*  seit  welcher  Zeit  es  den 
Charakter  einer  Zwingburg  für  immer  verlor.  Bei  der  Anwesenheit  des  Kaisers  Ludwig 
des  Bayers  zu  Rom  wurde  daselbst  ein  grosses  Stiergefecht  veranstaltet  und  von  den 
Vornehmen  der  Stadt  eine  grosse  Anzahl  Thiere  erlegt :  ein  fränkisch-spanisches  Ritter- 
spiel, ohne  Zweifel  ein  Ueberrest  der  amphitheatralischen  Thiergefechte ,  auf  den  classi- 
schen  Ursprungsort  zurückverpflanzt!  Es  hat  sich  eine  ausführliche  Beschreibung  dieses 
Stiergefechtes  erhalten,  in  welchem  sich  die  prahlerischen  Devisen  der  Kämpen  mit  ängst- 
licher Vollzähligkeit  aufgeführt  finden.^  Die  marmornen  Sitzreihen  waren  bereits  ver- 
schwunden ;  für  die  Damen  hatte  man  hölzerne  Schaugerüste  aufgeschlagen  und  diese 
mit  rothen  Tüchern  ausgelegt. 

Seit  diesem  Ritterspiele  wird  das  Colosseum  weder  als  Burg  noch  als  Arena  mehr 
erwähmt.  Es  war  die  Zeit  gekommen,  in  welcher  man,  nachdem  der  Marmor  der  Sitz- 
reihen erschöpft  war,  auch  zu  den  Travertinblöcken  der  Umfangsmauer  griff.  Ein  gewal- 
tiger Steinbruch!  Die  Ausbeutung  war  bequem,  man  fand  die  Blöcke  schon  wohl  be- 
hauen und  ohne  Schwierigkeit  erhoben  sich  aus  ihnen  die  Paläste  des  modernen  Rom. 
Zu  Ende  des  1 4.  Jahrhunderts  war  die  Aussenseite  gegen  den  Cälius  hin  schon  gefallen, 
wie  man  aus  den  Wappen  von  1381  ersieht,  welche  auf  den  Bruch  eines  eingestürzten 
Bogens  des  Erdgeschosses  gemalt  sind.  Ein  Theil  des  Gebäudes  war  ftir  ein  Hospital 
eingerichtet,  als  Zweig  des  Ospedale  Lateranense,  wie  aus  den  Urkunden  dieses  hervor- 


*  Beda,  Collectanea  Col.  1612.  Tom.  III.  p.  483.     Ganz  erstaunlicher  Unsinn  darüber  findet  sich  in  hand- 
schriftUchen  Mirabiiien.    So  Cod.  Mon.  516.  fol.  200  sq.  *  Gort,  De  Senatu  Romano,  üb.  VIII.  c.  1.  §.  168. 

*  C.  de  Aragonia,  Vit.  Alexandri  III.  (Muratori,  R.  I.  S.  Tom.  III.  P.  I.  col.  459.)  *  Alb.  Mussati,  De  gest.  Hen- 

rici  VII.   (Muratori,  R.  I.  S.  Tom.  X.  col.  454.)         *  Monaldesco,  Fgm.  Ann.  Rom.   (Muratori,  R.  I.  S.  Tom.  XII. 
col.  535  sq.) 


Das  flavische  Amphitheater.    (Colosseum.)  421 

geht.  Gegen  die  Mitte  des  1 5.  Jahrhunderts  wird  das  Colosseum  » ob  slultitiam  Romano- 
runn(  grösstentheils  abgetragen  genannt.^  Bald  darauf  suchte  das  Kloster  di  S.  Maria 
Nova  (jetzt  S.  Francesca  Romana)  die  Riesenruine  zu  seinem  Garten  zu  ziehen  und 
schloss  es,  von  P.  Eugen  IV.  dazu  veranlasst  und  ermächtigt,  mit  einer  Mauer  ein:  doch 
das  Volk  erhob  sich  gegen  die  Besitzergreifung  und  riss  die  neugebaute  Mauer  nieder.^ 
Die  angegriffene  Aussenseite  des  Gebäudes  musste  sich  nun  von  selbst  allmälig  auflösen 
und  die  Bausteine,  von  der  Höhe  herabstürzend,  sammelten  sich  in  bedeutender  Anzahl 
am  Fusse  des  Cälius.  Mit  diesen  erbaute  Papst  Paul  II,  am  Ende  des  1  5.  Jahrhunderts 
den  Palazzo  di  S.  Marco  (jetzt  di  Venezia).  Gleichzeitig  erhob  sich  der  Palast  der  Can- 
celleria  und  am  Anfange  des  nächsten  Jahrhunderts  der  Palazzo  Farnese  aus  dem  Mate- 
rial des  Colosseum.  Vom  Anfang  des  1 6.  Jahrhunderts  an  ward  die  Arena  zu  drama- 
tischen Darstellungen  der  Leidensgeschichte  des  Herrn  benutzt,  aus  welcher  Periode 
noch  ein  Gemälde  übrig  ist,  das  sich  an  dem  westlichen  Eingange,  innerhalb  des  zweiten 
Corridors  über  dem  Bogen  befindet,  nemlich  eine  auf  den  Leidensweg  bezügliche  Plan- 
abbildung von  Jerusalem.  Der  Aberglaube  dieser  Zeit  füllte  die  dunklen  Hallen  mit 
nächtlichen  Gespenstern ,  die  wahrscheinlich  mit  dem  Raubgesindel ,  welches  hier  sein 
Quartier  aufgeschlagen  hatte  und  die  Gegend  ringsum  beunruhigte,  im  engsten  Zusam- 
menhange standen.  Um  diesem  Unwesen  zu  steuern,  liess  Clemens  IX.  am  Anfange  des 
18.  Jahrhunderts  die  Hallen  des  Erdgeschosses,  die  zu  den  trefflichsten  Schlupfwinkeln 
gedient  hatten,  vermauern  und  füllte  sie  dann  mit  Dünger,  um  Salpeter  für  seine  nahe 
Pulvermühle  zu  gewinnen,  welchem  Zwecke  sie  bis  zum  Jahre  181  I  dienten.  In  der 
Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  weihte  Papst  Benedict  XIV.  die  Arena  zu  Ehren  der 
h.  Märtyrer,  die  dort  ihr  Blut  vergossen,  zum  Kreuzwege.  Diese  Bestimmung  hat  die 
Arena  noch :  ringsum  stehen  die  vierzehn  Stationen  des  Leidensweges  und  in  der  Mitte 
erhebt  sich  ein  einfaches  hölzernes  Kreuz ;  an  der  Nordseite  aber  befindet  sich  eine  Kan- 
zel für  die  Freitagsvorträge  der  Ordensbrüder  des  h.  Franciscus. 

Als  im  J.  1805  ein  grosser  Theil  der  Aussenmauer  an  der  Ostseite  mit  Einsturz 
drohte,  liess  Pius  VJI.  den  gewaltigen  Strebepfeiler  daselbst  errichten,  von  welchem,  ob- 
wohl er  wegen  der  drängenden  Gefahr  nicht  die  gekrümmte  Gestalt  der  Mauer  selbst 
erhalten  hat,  doch  sowohl  der  herrliche  Backsteinbau  als  auch  das  kühne  Unternehmen, 
den  —  wie  man  noch  sieht  —  bereits  höchst  bedenklich  aus  den  Fugen  gewichenen 
Bogen  entgegenzuarbeiten,  gleiche  Bewunderung  verdient.  Die  Arbeit  geschah  unter  der 
Leitung  des  verdienten  Archäologen  C.  Fea.  Hierauf  begann  man  im  J.  1811  die  Bloss- 
legung  des  antiken  Bodens ;  die  von  Clemens  XI.  angeordnete  Vermauerung  ward  wie- 


'  Poggü  Florent.  de  fortunae  varietate  Urbis  Romae  &c.    Opp.   Basil.  s.  a.    p.   137.  *  Flam.  Vacca, 

Mem.  72.    (Fea,   Misceü.  I.  p.  LXXXIV.) 


422  '^•®  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

der  beseitigt  und  nach  dreijähriger  Arbeit,  bei  welcher  fast  durchgängig  500  Personen 
beschäftigt  waren,  der  Grundplan  so  vollständig  hergestellt,  wie  wir  ihn  jetzt  sehen.  Im 
Jahre  1813  stiess  man  auf  die  unterirdischen  Kanäle  und  deckte  auch  die  Untermauerung 
der  Arena,  über  deren  wahrscheinlichste  Bedeutung  schon  oben  gesprochen  wurde, 
grösstentheils  auf.  Jetzt  sind  alle  hohlen  Räume  dieser  Hypogäen  mit  Wasser  angefüllt, 
welches,  wenn  auch  die  Oberfläche  hin  und  wieder  einigen  Wechsel  zeigt,  doch  in  den 
meisten  mehr  abgeschlossenen  Räumen  nahezu  stagnirt.  Man  hat  zwar  allgemein  einge- 
sehen, dass  diese  Versumpfung  von  fieberhauchendem  Einflüsse  auf  die  Umgebung  sein 
müsse:  doch  scheint  die  von  C.  Fea^  vorgeschlagene  Abhülfe,  die  Zuflüsse  zu  verstopfen 
und  die  Räume  auszupumpen,  zwar  theilweise,  doch  nie  vollkommen  ausführbar.  Denn 
bei  der  Schwierigkeit,  die  Fäden  der  Kanalisirung  wieder  vollkommen  ausfindig  zu 
machen,  dürfte  auch  die  in  der  angegebenen  Schrift  (p.  11)  brieflich  versicherte  Ent- 
deckung eines  Zuflusses  noch  nicht  genügen.  Der  Vorschlag ,  den  nach  dem  Tiber  füh- 
renden Abfluss,  der  in  beträchtlicher  Tiefe  liegen  muss,  wieder  herzustellen ,  wäre  mit 
riesigen  Kosten  verbunden,  und  mit  Pumpen  könnte  nach  vieler  Arbeit  nur  eine  theil- 
weise Trockenlegung  und  diese  nur  für  einige  Zeit  erzielt  werden.  Als  das  Einfachste 
und  Zweckmässigste  dürfte  es  vielleicht  erscheinen,  die  Hypogäen  gänzhch  auszufüllen, 
und  so  das  Wasser  an  einer  anderen  Stelle  an  die  Oberfläche  zu  treiben ,  wo  jedenfalls 
leichter  ein  Abfluss  ermittelt  werden  könnte.  —  Im  Jahre  1815,  nach  vollständiger  Bloss- 
legung,  schritt  man  zur  Restauration  des  Gebäudes  selbst.  Darin  ist  seit  dieser  Zeit  bis 
zum  Jahre  1850  mit  Aufwand  von  ungeheuren  Kosten  vielleicht  zu  viel  geschehen. ^ 
Es  ist  jedoch  schwer,  eine  sichere  Gränze  zu  ziehen ,  worauf  sich  die  Herstellung  eines 
antiken  Gebäudes  zu  beschränken  habe.  Im  Allgemeinen  aber  sollte  man  sich  an  den 
Grundsatz  halten,  dass  so  viel  —  aber  auch  nicht  mehr  —  geschehen  solle ,  als  zur  Be- 
wahrung vor  weiterem  Einsturz  nöthig  ist. 

80.    Die  Meta  Sudans. 

Kehrt  man  vom  Amphitheater  wieder  zurück  gegen  die  Velia,  so  erblickt  man  zur 
Linken  von  der  Substruction  des  Tempels  der  Venus  und  Roma  und  der  Sacra  via,  dem 
Piedestal  des  neronischen  Kolosses  gegenüber,  einen  Backsteinkegel  von  der  Form  einer 
Meta,  5  Met.  im  unteren  Durchmesser  und  9  M.  in  der  Höhe  messend.  Die  Seite  gegen 
das  Colosseum  hin  ist  sehr  beschädigt  und  zeigt  in  der  Mitte  nach  der  Richtung  der  Axe 
des  Kegels  eine  cylindrische  Höhlung ;  die  Aussenseite  ist  dreimal  abgestuft ,  was  wohl 
an  der  ehemaligen  Bekleidung  von  Marmor  oder  vielleicht  vergoldeter  Bronze  noch  mehr 


'  Nuove  Osservazioni  dell'  avvocato  D.  Carlo  Fea  intorno    all'  arena  dell'  Anfiteatro  Flavio,  coli'  acqua, 
che  ora  la  ricopra.  Roma  1814.  p.  4.         *  Archäologischer  Anzeiger,  März  1850.  Jahrg.  VIII.  N".  15. 


Die  Meta  Sudans.  Der  Triumphbogen  des  Constantin.  42l3 

hervortrat.  Ringsum  zeigen  sich  die  Spuren  eines  kreisförmigen  Bassins,  von  21  M.  in- 
nerem Durchmesser,  dessen  niedrige  Brüstung  jedoch,  zwar  auf  antiker  Grundlage  ruhend, 
im  Uebrigen  modern  ist.  Die  Backsteine  des  Kegels  sind  den  übrigen  Bauten  der  Flavier 
homogen,  die  Ueberreste  der  Brüstung  jedoch  erwiesen  sich  als  constantinisch. 

Ueber  die  Bedeutung  dieser  Ruine  kann  kein  Zweifel  sein ,  denn  ein  theilweise 
zerstörter  Zuflusskanal,  der  von  der  Seite  des  Esquilinus  her  in  den  Kegel  ausmündend 
entdeckt  ward,  erhebt  es  zur  Gewissheit,  dass  wir  hier  eine  Fontäne  vor  uns  haben,  was 
übrigens  schon  aus  der  cylindrischen  Höhlung  in  der  Axe  des  Kegels  und  von  dem 
ringsum  befindlichen  Becken  abgenommen  werden  konnte.  Die  Metagestalt  des  Kegels 
musste  auch  daraufhinweisen,  in  der  Ruine  die  Meta  Sudans  zu  erkennen,  welche  von 
der  Notitia  neben  dem  neronischen  Kolosse  an  der  südlichen  Gränze  der  vierten  Region 
angegeben  wird.^  Der  Name  erklärt  sich  durch  das  Schäumen  des  von  den  drei  Abstu- 
fungen im  Herabfallen  dreifach  abgestossenen  Wassers.  Dieser  Brunnen  ist  auch  auf  den 
Münzen  des  Alexander  Severus,^  auf  welchen  das  Amphitheater  dargestellt  ist,  zu  sehen, 
doch  lässt  sich  natürlich  aus  den  undeutlichen  Umrissen  der  Münzen  nicht  auf  die  Be- 
schaffenheit desselben  schliessen.  Auf  den  zahlreichen  Münzen  des  Titus,  welche  das 
Amphitheater  zeigen,^  findet  sich  jedoch  die  Meta  Sudans  noch  nicht  dargestellt,  wodurch 
sich  die  Angabe  der  Chronisten*  zu  bestätigen  scheint,  dass  sie  erst  unter  Domitian  und 
zwar  im  J.  95  n.  Chr.  erbaut  worden  sei.  Allein  eine  andere  Erwähnung  der  Meta  Sudans 
findet  sich  schon  bei  Seneca,^  der  sich  über  den  Lärmen  beklagt,  welchen  ein  Trompe- 
tenbläser bei  diesem  Brunnen  zu  verursachen  pflege ,  wonach  dieser  sich  schon  in  den 
Anlagen  Neros  befunden  haben  muss  und  von  Domitian  nur  wiederhergestellt  worden 
sein  kann.  An  die  Klage  des  Philosophen  aber  wird  sich  noch  heute  derjenige  lebhaft 
erinnert  fühlen,  welcher  in  den  Morgenstunden  das  Colosseum  besucht.  Denn  Seneca's 
Tubicen  scheint  sich  hier  vervielfältigt  zu  haben,  da  der  öffentliche  Garten  südlich  vom 
Colosseum  ganz  besonders  zur  Uebung  der  militärischen  Signale  mit  Trompete  und 
Trommel  ausersehen  worden  ist. 


81.    Der  Triumphbogen  des  Constantin. 

Wendet  man  sich  von  der  Meta  Sudans  südlich,  so  steht  man  vor  dem  besterhal- 
tenen und  zugleich  schönsten  Triumphbogen  Roms  und  Italiens.  Dieser  hat  eine  Höhe 
von  21,  eine  Breite  von  25,7o  und  eine  Tiefe  von  7,4o  Met.  und  bildet  drei  Durchgänge, 


'  Curiosum  U.  R.  Reg.  IV.  *  Eckhel,  Doctr.  Num.  vet.  P.  II.  Vol.  VII.  p.  270  sq.  »  id.  P.  II. 

Vol.  VI.  p.  357  sq.         *  Cassiod.  Chron.  Catal.  Imp.  Vienn.   (Rone.  II.  col.  <97  &  243.)         '  Senec.  cp.  56. 


424 


Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 


von  welchen  der  mittlere  in  der  Breite  und  Höhe  6,58  und  11, so  und  jeder  der  beiden 
äusseren  3,36  und  7,4o  Met.  misst.  Die  beiden  Fronteseiten  sind  durch  je  vier  Säulen,  die 
sich  auf  vorspringenden  3,65  M.  hohen,  1,8o  breiten  und  ebenso  tiefen  Piedestalen  erhe- 
ben, gegliedert.  Die  drei  Seiten  der  letzteren  sind  mit  Reliefs  geschmückt,  Victorien  mit 

Gefangenen  zu  deren  Füssen  an  der  Stirnseite,  wovon  die 
angefügte  Abbildung  ein  Beispiel  gibt,  und  gefesselt  aufge- 
führte Barbaren  an  den  beiden  anderen  Seiten  darstellend, 
welche  dem  Beschauer  ein  recht  deutliches  Bild  von  dem 
Kunstverfall  im  Anfange  des  vierten  Jahrhunderts  gewähren. 
Die  Formen  sind  ungeschmeidig ,  die  Contouren  tief  geschnit- 
ten und  ohne  Uebergänge,  die  Gewandfalten  rinnenförmig 
nebeneinander,  kurz  die  ganze  Arbeit  roh  und  kantig.  Von 
den  Säulen  ist  der  doppelte  Plinth  0,36,  die  attische  Base 
0,34  M.  hoch.  Die  Schäfte  von  numidischem  Marmor  (giallo), 
der  untere  Theil  in  umgekehrten  Canelluren  (in  Rundstäben) 
gearbeitet,  die  oberen  zwei  Dritttheile  in  den  gewöhn- 
lichen Hohlkehlen  vertieft,  sind  7, 20  M.  hoch  mit  0,56  im  un- 
teren, 0,79  im  oberen  Durchmesser.  Die  korinthischen  Capi- 
täle  messen  0,96  M.  in  der  Höhe.  Von  den  acht  Säulen  ist  die 
äusserste  der  Meta  Sudans  gegenüberstehende  in  ihrem  un- 
teren Dritttheile  moderne  Ergänzung  und  von  weissem  Mar- 
mor. Den  Säulen  entsprechend  sind  Pilaster  derselben  Art  an  die  Pfeiler  angelehnt.  Die 
Bogenschlüssel  des  mittleren  Durchganges  zeigen  eine  sitzende  Roma ,  die  Bogenwinkel 
desselben  sind  mit  überaus  schlecht  gearbeiteten  Victorien  mit  dacischen  Trophäen,  unter 
welchen  sich  vier  Genien  mit  den  Attributen  der  vier  Jahreszeiten  von  derselben  Arbeit 
befinden,  ausgefüllt.  Unter  diesen,  an  dem  Pfeiler  selbst,  der  sich  durch  einen  reichen 
Carnies  von  dem  Bogenansatz  absondert ,  sieht  man  die  Nietlöcher  einer  Bronzeverzie- 
rung, welche,  nach  der  Anordnung  der  Löcher  zu  schliessen,  wahrscheinlich  die  gewöhn- 
liche, nemlich  von  römischen  Feldzeichen  war.  Im  Innern  des  Durchganges  befinden  sich 
zu  beiden  Seiten  zwei  1,90  M.  hohe,  3  M.  lange  Reliefs  von  vorzüglicher  Arbeit.  Sie  sind 
unverkennbar  aus  einer  ganz  anderen  Epoche  als  das  Denkmal  selbst  und  vielmehr  dem 
Styl  der  traianischen  Zeit  entsprechend,  auf  welche  auch  die  Bekleidung  der  Soldaten, 
die  zu  Constantins  Zeit  sich  schon  ganz  verändert  hatte,  hinweist.  Von  derselben  Art 
und  Kunstepoche  ist  ausser  diesen  beiden  noch  eine  grössere  Anzahl  von  Reliefs  an  die- 
sem Bogen,  die  ich  der  örtlichen  Reihenfolge  nach  sogleich  erörtern  werde  und  welche 
ihren  traianischen  Ursprung  noch  deutlicher  zeigen.  Was  aber  die  beiden  Reliefs  im  Mit- 
telbogen betrifft,  so  ist  aus  den  Enden  leicht  ersichtlich ,   dass  sie  nicht  ursprünglich  von 


44.     Piedestalrelief  <\es  Constanlin- 
bogens.  (F.  R.) 


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Der  Triumphbogen  des  Constantin.      ^r^  425 

derselben  Gestalt  waren.  Doch  hat  erst  Rossini  *  erkannt  und  nachgewiesen,  dass  beide 
zugleich  mit  den  zwei  grossen  Reliefs ,  welche  oben  an  den  beiden  schmalen  Seiten  der 
Attika  angebracht  sind ,  ursprünglich  zu  Einem  langen  Relief  gehörten ,  und  sie  in  ent- 
sprechender Zusammensetzung  abgebildet.  Dasjenige  der  vier  Stücke ,  welches  sich  im 
Mittelbogen  auf  der  Colosseumseite  befindet,  erscheint  nach  dieser  Anordnung  als  das 
erste.  Der  Kaiser  im  Kriegsgewande ,  unbärtig  und  den  sonstigen  Abbildungen  Traians 
ähnlich,  wird  als  Sieger  in  die  Stadt  eingeführt.  Roma  mit  Speer  und  Schwert  geht 
voran,  eine  leicht  vom  Boden  aufschwebende  Victoria  krönt  den  Kaiser  mit  einem  Kranze. 
Hinter  dem  letzteren  geht  ein  Lictor  mit  zierlichem  Stabbündel  und  Beile ,  ein  unmänn- 
licher Jüngling,  welcher  zeigt,  wie  sich  die  in  der  Republik  so  schrecklichen  Lictoren  in 
der  Kaiserzeit  in  liebliche  Pagen  verwandelten.  Neben  dieser  Gruppe  sieht  man  das 
Schlachtgewühl:  Römer  zu  Pferde,  im  Vernichtungskampfe  mit  überwundenen  Barbaren 
mit  langen  Barten,  Beinkleidern,  Aermeltuniken  und  dacischen  Mützen  dargestellt.  Die 
Fortsetzung  dieses  Kampfes  befindet  sich  auf  der  dem  Cälius  zugewendeten  Seite  und 
der  Schluss  auf  dem  Relief  im  Mittelbogen  an  der  Palatinseite ,  wo  der  Kaiser  zu  Pferde 
auf  einen  zu  Boden  stürzenden  Barbaren  eine  Lanze  schleudernd  erscheint.  Auf  dem 
vierten  Theile  des  Reliefs  an  der  dem  Palatin  zugewendeten  Schmalseite  der  Attika  ist 
die  Huldigung  der  Barbaren  dargestellt,  welche  zum  Zeichen  ihrer  Unterwerfung  mit  der 
Linken  ihr  Haar  fassen ;  vor  dem  Kaiser  selbst  steht  ein  gebundener  Barbar  mit  der  ge- 
fransten Chlamys  und  auch  sonst  ganz  denen  gleich,  von  welchen  man  Fragmente  bei 
der  Ausgrabung  des  Forum  Traianum  gefunden ,  und  wie  man  sie  noch  an  der  Traian- 
säule  sieht.  Die  vier  Reliefs  sind  ohne  besondere  Wahl  nur  nach  dem  Bedürfnisse  der 
Länge  auseinandergesägt.  —  lieber  den  beiden  im  Mittelbogen  befindlichen  Reliefs  liest 
man  die  auf  Constantin  bezüglichen  Inschriften :  LIBERATORI  VRBIS  und  FVNDATORI 
QVIETIS,  jene  auf  der  Palatin-,  diese  auf  der  Cäliusseite.  Die  Wölbung  ist,  was  unge- 
wöhnlich ist,  nicht  cassettirt,  ebenso  an  den  Seitenbogen.  —  Im  Innern  dieser  letzteren 
sind  kleine  Reliefs  mit  Brustbildern,  wahrscheinlich  der  Cäsaren,  auf  jeder  Seite  zwei, 
mithin  zusammen  acht,  die  jedoch  fast  bis  zur  Unkenntlichkeit  verstümmelt  sind.  In  den 
Bogenwinkeln  der  Seitendurchgänge  sind  Flussgötter  dargestellt,  wo  möglich  noch  un- 
correcter,  verschobener  und  härter  gearbeitet,  wie  die  Victorien  über  dem  Mittelbogen, 
und  unverkennbar  der  Kunstepoche  des  vierten  Jahrhunderts  angehörend.  Von  den  Bo- 
genschlüsseln  lässt  einer  noch  einen  stehenden  Mars  erkennen. 

Ueber  den  Seitenbogen  läuft  rings  um  das  ganze  Denkmal,  nur  von  den  Pilastern 
und  dem  Mittelbogen  unterbrochen,  ein  0,9o  M.  breiter  Reliefgürtel  von  ebenfalls  constan- 
tinischer  Arbeit.  Es  sind  zumeist  Darstellungen  aus  Constantins  Kriegen,  Heerzüge,  durch 


*  L.  Rossini,  Gli  Archi  trionfali,  onorarii  e  funebri  degli  antichi  Romani.  Roma  1836.  fol.  69. 

F.  Reber  ,  die  Ruinen  Roms.  54 


J-. 


426 


18.. 


i# 


Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 


die  Verschiedenheit  der  Bewaffnungsart  von  der  früher-römischen  sehr  bemerkenswerth ; 
in  der  Richtung  gegen  S.  Gregorio  an  der  Cäliusseite  lässt  sich  des  Constantin  Sieg  über 
Maxentius  an  der  milvischen  Brücke  erkennen.  Ueber  dem  Seiteneingang  aber,  welcher 
dem  Colosseum  zugewendet  ist,  befindet  sich  jene  interessante  Darstellung  der  Nord- 
westseite des  Forum,  auf  welche  schon  früher  bei  der  Bestimmung  der  Ruinen  am  Clivus 
Capitolinus  Bezug  genommen  wurde. 


45. 


Giirtelrelief  vom  ConstantiQbogen.  (F.  R.) 

lieber  diesem  befinden  sich  zehn  Rundreliefs  von  1,93  M.  Durchmesser,  zwei  über 
jeder  Seite  der  Mittelbogen  und  je  eines  an  den  beiden  Schmalseiten  des  Denkmals.  Die 
Flächen  über  den  Seitenbogen,  in  welchen  sie  angebracht  sind ,  waren  mit  Porphyr  be- 
legt, von  welcher  Bekleidung  sich  noch  Reste  an  der  Seite  gegen  das  Colosseum  zur  Lin- 
ken erhalten  haben.  Acht  von  den  Rundreliefs  sind,  wie  die  beschriebenen  grossen  des 
Mittelbogens  und  der  Schmalseite  der  Attika,  aus  traianischer  Zeit  und  die  Bildnisse  der 
Hauptfigur  wie  die  Darstellungen  (Jagd  und  Opfer)  stimmen  auch  damit  überein.  Wenn 
man  mit  der  Betrachtung  auf  der  Colosseumseite  zur  Linken  beginnt,  so  zeigt  das  erste 
eine  Eberjagd;  das  Thier  flüchtet,  vom  Kaiser  überholt,  in's  Wasser.  Das  zweite  stellt 
ein  Opfer  dar ;  die  männliche  Figur  des  Gottes  wird  wohl  Apollo  sein ,  der  Kaiser  er- 
scheint vor  dem  Altare,  das  Haupt  mit  dem  Nimbus  umsäumt,  jenem  kreisförmigen  Rande, 
welcher  ursprünglich  zur  Bezeichnung  der  Hauptfigur  des  Reliefs  und  zum  Schutze  des 
Kopfes  angebracht  wurde,  später  aber  in  den  ausschliessenden  Besitz  der  Heiligen  über- 
gegangen ist.  Wir  fügen  von  diesem  eine  Abbildung  bei.  Das  dritte  Relief  zeigt  wieder 
eine  Jagdscene  :  ein  erlegter  Löwe  liegt  zu  den  Füssen  des  Kaisers,  welcher  wieder  mit 
dem  Nimbus  erscheint.  Das  vierte  stellt  ein  dem  Hercules  Victor  dargebrachtes  Opfer 
dar;  neben  dem  Bilde  der  Gottheit  liegt  ein  grosser  bärtiger  Kopf;  der  opfernde  Kaiser 
hat  das  Haupt  halb  verhüllt.  Das  erste  gegenüberliegende  Bild  (gegen  S.  Gregorio  auf 
der  Palatinseite)  zeigt  wieder  den  Kaiser  mit  verhülltem  Haupte  opfernd;  hinter  dem 
Altare  steht  die  Bildsäule  der  Diana  und  auf  einem  Baumaste  steckt  der  Kopf  eines  Ebers. 
Auf  dem  zweitfolgenden  Relief  sieht  man  den  Kaiser  zu  Pferde,  seinen  Speer  auf  einen 
Bären  schleudernd.  Das  dritte  zeigt  wieder  ein  dem  Hercules  dargebrachtes  Opfer ;  der 
Gott  trägt  in  der  Linken  eine  Keule,  in  der  Rechten  ein  abgeschlagenes ,  grosses  Haupt ; 
ein  ähnlicher  noch  grösserer  Kopf  steckt  auf  einem  Baume  über  der  Gottheit.  Die  Haupt- 


Der  Triumphbogen  des  Constanlin. 


427 


figur  (Kopf,  Brust  und  das  linke  Bein  fehlen)  opfert  mit  der  Patera,   eine  andere  setzt 
dem  Bilde  des  Gottes  einen  Kranz  auf  das  Haupt.  Das  vierte  Bild  dieser  Seite  zeigt  einen 

Jagdzug;  die  Haupt- 
figur (der  Kopf  fehlt) 
hält  ein  Pferd  am 
Zaume,  zur  Rechten 
führt  ein  nackter  Jüng- 
ling einen  Hund ;  die 
Gruppe  verlässt  eben 
ein  Bogenthor. —  Die 
zwei  übrigen  Rund- 
reliefs an  den  Schmal- 
seiten verrathen  wie- 
der den  Meissel  der 
constantinischen  Zeit. 
Das  auf  der  Ostseite 
dem  Cälius  gegenüber 
befindliche  stellt  den 
aus  dem  Meere  auf- 
steigenden Sol  auf 
einer  Quadriga  dar, 
voran  schwebt  Luci- 
fer.  Auf  der  Westseite, 
dem  Palatin  gegen- 
über, sieht  man  die  Luna  auf  einer  Biga ,  von  Hesperus  begleitet ,  im  Begriffe ,  in  den 
Ocean  zu  tauchen. 

Ueber  diesen  Medaillons  sind  auf  beiden  Seiten  Epigraphe  angebracht  und  zwar 
auf  der  Colosseumseite  zur  Unken  VOTIS  X,  zur  Rechten  VOTIS  XX  und  auf  der  ent- 
gegengesetzten (Südseite)  links  SIC  X,  rechts  SIC  XX.  Diese  Inschriften  stammen  aus 
dem  zwanzigsten  Jahre  der  Regierung  Constantins,  können  jedoch  für  die  Erbauung  des 
Bogens  selbst  nicht  als  Anhaltspunkt  dienen.  Seit  Augustus ,  um  den  gehässigen  Schein 
einer  ausgeprägten  Tyrannis  zu  vermeiden,  die  Vorsicht  gebrauchte,  sich  von  zehn  zu 
zehn,  zeitweise  sogar  von  fünf  zu  fünf  Jahren  das  Imperium  neuerdings  übertragen  zu' 
lassen,  war  es  für  alle  nachfolgenden  Kaiser  üblich  geblieben ,  die  zehnjährige  Verlänge- 
rung oder  Erneuerung  der  Herrschaft,  welche  an  sich  factisch  längst  veraltet  war,  durch 
eine  Art  von  Jubelfest  mit  feierlichen  Opfern  und  Spielen  zu  begehen.^    Diese  Feste 

'  Dio  Cass.  LIII.  13,  16.     Norisii  de  Votis  decennalibus  dissert.  chronol.  Opp.  Ver.  1729.  T.  II,  p.  1177  sq. 

54* 


46.    Medaillonsrelief  vom  Constantinbogen.    (F.  R.) 


428  Die  Velia  und  das  Thal  des  Colosseum. 

wurden  decennalia,  vicennalia  u.  s,  w.  genannt,  und  zwei  derselben  finden  sich  auf  der 
Nordseite  dieses  Bogens,  wahrscheinlich  mit  Bezug  auf  die  beiden  sich  durch  den 
Triumpbogen  bewegenden  Festzüge,  bezeichnet.  Die  auf  der  Südseite  befindlichen  Worte 
SIC  X  — SIC  XX  sind  als  die  Acclamationsformel  des  Volkes  erklärt  worden.  Von  den  Vi- 
cennalien,  deren  heidnische  Feier  zu  Rom  dem  Kaiser  Constantin  (der  doch  damals  noch 
kein  erklärter  Christ  war)  höchlich  missfallen,  soll  die  Versetzung  des  Kaisersitzes  nach 
Byzantion  herrühren  :  ^  doch  bezweifelt  heutzutage  Niemand,  dass  der  Kaiser  mehr  aus 
strategischen  und  politischen  Rücksichten  dazu  bestimmt  worden  sei. 

Ueber  diesen  Inschriften  läuft  das  den  Säulen  und  Pilastern  entsprechende  Ge- 
bälke  rings  um  das  Denkmal,  der  einfache  Architrav  0,74,  der  Fries  0,59  und  der  Carnies 
0,85  M.  hoch ;  der  letztere  ist  mit  Zahnschnitt ,  Eierstab ,  Kragsteinen  und  anderer  Orna- 
mentik reich  geschmückt,  jedoch  von  verschiedener  Arbeit.  Auf  den  durch  die  acht  Säu- 
len bedingten  Gebälkvorsprüngen  ruhen  1,6o  Met.  hohe  Piedestale,  die  sich  an  die  über 
dem  Gebälke  sie  erhebende  6,65  M.  hohe  Attika  anlehnen  und  acht  3,o4  M.  in  der  Höhe 
messende  schön  gearbeitete  Standbilder  von  gefangenen  Barbaren  mit  dacischen  Mützen, 
gegürteten  Aermeltuniken ,  am  Knöchel  gebundenen,  weiten  Beinkleidern,  Bundschuhen 
und  befransten  Mänteln  tragen.  Sie  sind  von  phrygischem  Marmor  (dem  schönen  purpur- 
geaderten  Pavonazetto)  und  gleichen  in  jeder  Beziehung  denen ,  von  welchen  man  Frag- 
mente bei  der  Ausgrabung  des  Forum  Traianum  gefunden  hat,  welche  jedoch  um  ein 
Geringes  kleiner  sind.  ^  Alle  Köpfe  dieser  Standbilder  sind  modern,  waren  aber  auch 
früher,  wie  die  Hände,  von  weissem  Marmor.  Es  wird  erzählt ,  dass  Lorenzo  de'  Medici, 
um  die  Wachsamkeit  der  Regierung  zu  verhöhnen ,  sie  unvermerkt  in  einer  Nacht  abge- 
nommen habe.  Einen  der  Köpfe  fand  man  jedoch ,  und  zwar  ziemlich  unversehrt ,  bei 
der  Ausgrabung  des  Denkmals  im  J.  1733  wieder,  nach  welchem  alle  in  w^eissem  Mar- 
mor ergänzt  wanden ;  das  Original  aber  wurde  in  das  vaticanische  Museum  gebracht. 
Eine  der  acht  Bildsäulen ,  welche  sich  auf  der  Seite  gegen  S .  Gregorio  zur  Rechten  vom 
Mittelbogen  befindet,  ist  ganz  modern  (von  weissem  Marmor)  und  wurde  im  J.  1734  an 
die  Stelle  eines  halben  Rumpfes  gesetzt,  der  jetzt  im  capitoHnischen  Museum  links  am 
Ende  des  Corridors  im  Erdgeschosse  zu  sehen  ist. 

Die  Attika  ist  mit  zehn  grösseren  Rehefs ,  in  deren  Mitte  sich  auf  beiden  Seiten 
die  Inschrift  befindet,  ausgefüllt.  Arbeit  und  Darstellungen  sind  wieder  aus  Traians  Zeit 
und  lassen  sich  auch  als  auf  dessen  Geschichte  bezüglich  erklären.  Von  den  beiden  an 
den  Schmalseiten  wurde  schon  oben  bei  Beschreibung  der  beiden  Reliefs  im  Innern  des 
Mittelbogens  gesprochen ;  von  den  übrigen  acht  stehen ,  wie  die  Medaillons,  je  zwei  über 


*  Zosim.  II.  29.  *  C.  Fea,  Notizie  degli  scavi  nell  Anfiteatro  Flavio  e  nel  Foro  Romano.  R.   1813.  p. 

-13  u.  25. 


Der  Triumphbogen  des  Constantin.  429 

einem  Seitenbogen  und  sind,  jedoch  rechteckiger  Form,  1,9o  M.  breit,  3,io  hoch  und  von 
einem  starken  Rahmen  umschlossen.  Wenn  wir  bei  dem  zunächst  am  Golosseum  befind- 
lichen (an  der  Nordseite  links)  unsere  Betrachtung  beginnen ,  so  erblicken  wir  hier  den 
Einzug  des  Kaisers  in  die  Stadt :  Roma  schreitet  voran,  Mars  (?)  folgt  dem  Kaiser ;  über 
dem  Letzteren  schwebt  ein  Genius,  im  Begriffe ,  ihm  einen  Kranz  um  das  Haupt  zu  win- 
den. Das  zweite  Relief  stellt  die  Anlage  einer  Strasse  dar  (durch  die  pontinischen 
Sümpfe  und  hauptsächlich  von  Beneventum  nach  Brundisium ,  ein  Werk  Traians).  ^  Die 
Strasse  selbst  ist  durch  ein  auf  dem  Boden  liegendes  halbentblösstes  Weib ,  das  sich  mit 
der  Linken  auf  ein  Rad  stützt  und  die  Rechte  dem  Kaiser  reicht,  symbolisirt ;  ein  bärtiger 
Mann  aus  des  Kaisers  Umgebung  wird  für  den  Baumeister  Apollodorus  gehalten.  Das 
dritte  Relief  zeigt  den  Kaiser  unter  anderen  Personen  auf  einer  geräumigen  Erhöhung ; 
unterhalb  stehen  Eltern  mit  ihren  Kindern  vor  ihm.  Das  vierte  stellt  den  Kaiser  auf  einem 
Suggestum  sitzend  dar,  vor  ihm  wird  ein  reich  gekleideter  B arbaren fürst ,  schwach  auf 
einen  Jüngling  gestützt,  geführt.  —  Auf  der  entgegengesetzten  Seite  (Südseite)  zeigt 
das  erste  Bild  den  Kaiser  wieder  auf  einem  Suggestum ,  wie  es  scheint ,  den  Barbaren 
einen  aus  ihrer  Mitte  gewählten  Mann  als  ihren  Fürsten  bezeichnend;  das  zweite  das 
kaiserliche  Urtheil  über  einen  herbeigeschleppten  Barbarenfürsten ;  das  dritte  eine  Anrede 
des  Kaisers  an  das  Heer.  Das  vierte  stellt  den  Kaiser  opfernd,  die  Weihrauchschale  in 
der  Hand  haltend,  dar;  die  drei  von  den  Knaben  herbeigeführten  Opferthiere,  ein 
Schwein,  ein  Schaf  und  ein  Stier,  deuten  auf  das  Fest  der  Suovetaurilien.  Im  Hinter- 
grunde sieht  man  römische  Soldaten  mit  Trompeten  und  einen  Jüngling  mit  der  Doppel- 
pfeife. So  dürftig  auch  leider  die  Züge  sind,  welche  uns  von  der  Geschichte  des  grossen 
Traian  erhalten  sind,  so  bleibt  doch  mit  Bezug  auf  das  von  ihm  Bekannte ,  namentlich 
aus  seinen  dacischen  Kriegen ,  nichts  von  dem  hier  Dargestellten  unerklärt ,  wenn  auch 
die  Namen  fehlen.  (Eben  jetzt  ist  man  damit  beschäftigt,  die  in  kunstgeschichtlicher  Be- 
ziehung so  interessanten  Reliefs  in  Gyps  abzuformen,  womit  M.  Malgieri,  von  dem  bereits 
die  Reliefs  der  Traiansäule  nachgebildet  wurden,  kürzlich  betraut  worden  ist ,  ^  wodurch 
die  Besichtigung  der  Sculpturen  in  grösserer  Nähe  ermöglicht  wird.)  Zwischen  diesen  Reliefs 
der  Attika,  im  Mittelbogen,  findet  sich  folgende  an  beiden  Seiten  gleichlautende  Inschrift: 

IMP     CAES     FL     CONSTANTINO  •  MAXIMO 

PF    AVGVSTO     S     P  •  Q  •  R 

QVOD  .  INSTINCTV     DIVINITATIS     MENTIS 

MAGNITVDINE     CVM     EXERCITV     SVO 

TAM     DE     TYRANNO    QVAM     DE    OMNI     EIVS 

FACTIONE     VNO     TEMPORE     IVSTIS 

REMPVBLICAM     VLTVS  •  EST  •  ARMIS 

ARCVM     TRIVMPHIS  •  INSIGNEM     DICAVIT 


*  Dio  Cass.  (Xiphilin)  LXVm.  15.         '  Augsb.  Allg.  Ztg.  Beilage  zu  No.  112.   12.  April  1862.  S.  1683. 


^30  D'^  Velia  und  das  Tlial  des  Colosseum. 

Aus  dieser  Inschrift  geht  hervor,  dass  der  Triumphbogen  dem  Kaiser  Fl.  Con- 
stantinus  als  Denkmal  seines  Sieges  über  Maxentius  bei  der  milvischen  Brücke  und  der 
dadurch  herbeigeführten  Beendigung  des  Zwiespaltes  der  Gegenkaiser  errichtet  worden 
sei.  Seiner  Bedeutung  nach  scheint  demnach  der  Bau  in  die  ersten  Jahre  der  Allein- 
herrschaft Constantins  gesetzt  werden  zu  müssen ,  womit  jedoch  einige  Worte  der  In- 
schrift im  Widerspruch  zu  stehen  scheinen.  Denn  der  Zuname  Maximus  findet  sich  auf 
den  Münzen  dieses  Kaisers  erst  von  dem  Jahre  315  an  und  auch  die  Worte  instinctu  di- 
vinilatis  geben  zu  erkennen,  dass  Constantin  in  der  Zeit ,  als  man  die  Inschrift  schrieb, 
mit  seiner  Hinneigung  zum  Christenthume  schon  mehr  zu  Tage  getreten  sei ,  als  diess 
unmittelbar  nach  seinem  Siege  über  Maxentius,  wenn  man  von  der  legendarischen  Ueber- 
lieförung  absieht,  der  Fall  war.  Man  glaubt  indess  bemerkt  zu  haben,  dass  die  ersten 
drei  Zeilen,  welche  die  erwähnten  Schwierigkeiten  enthalten,  aus  spaterer  Zeit,  und  die 
Marmorplatten,  auf  welchen  sie  eingegraben  sind ,  erst  nachtraglich  eingelassen  worden 
seien,  um  an  die  Stelle  einer  mehr  heidnisch  klingenden  Phrase  zu  treten,  wogegen  ich 
jedoch  erinnern  muss,  dass  die  Buchstaben  der  dritten  Zeile  noch  in  die  älteren  Marmor- 
platten unterhalb  hereinragen,  ohne  dass  man  an  den  letzteren  die  Nietlöcher  einer  vor- 
maligen anderslautenden  Inschrift  wahrnehmen  kann. 

Von  der  monumentalen  Zierde  auf  der  Höhe  der  Attika  haben  wir  weder  Reste 
noch  Nachrichten ;  wahrscheinlich  war  auch  dieser  Triumphbogen ,  wie  die  meisten ,  mit 
einer  ehernen  Quadriga  gekrönt.  Zum  Innern  des  Denkmals  und  zur  Plattform  über  der 
Attika  führt  eine  Treppe,  welche  wie  gewöhnlich  in  beträchtlicher  Höhe  über  dem  Boden 
auf  der  gegen  den  Palatin  gewendeten  Schmalseite  beginnt.  Das  Innere  zeigt,  dass 
der  ganze  Bau  aus  Marmorstücken ,  die  schon  einmal  für  einen  anderen  Zweck  gedient, 
besteht. 

Wie  im  Laufe  der  Beschreibung  mehrfach  erwähnt  wurde ,  sind  die  Sculpturen 
dieses  Denkmals  aus  zwei —  schärfere  Augen  wollen  sogar  drei  unterscheiden  —  verschie- 
denen Epochen.  Betrachtet  man  von  diesen  die  Reliefarbeiten  der  constantinischen  Zeit,  so 
kann  es  nicht  befremden,  wenn  die  Unternehmer  des  Baues  in  gerechter  Missachtung  des 
Meisseis  ihrer  Epoche  so  viel  wie  möglich  schon  vorhandene  Sculpturen  einer  besseren 
Zeit  zur  Ausschmückung  des  Bogens  verwendeten.  Aus  der  Gleichheit  der  Barbaren- 
standbilder mit  den  am  Forum  Traianum  gefundenen  Resten ,  ihrer  Kleidung  mit  der  an- 
erkannt dacischen,  wie  wir  sie  an  der  Traiansäule  so  vielfach  sehen,  aus  der  Ueberein- 
stimmung  der  Reliefdarstellungen  mit  der  Geschichte  Traians  und  aus  der  Porträtähnlichkeit 
der  bekannten  Büsten  Traians  mit  der  kaiserlichen  Hauptfigur  auf  diesen  Reliefs  geht  un- 
zweifelhaft hervor,  dass  die  leicht  zu  unterscheidenden  nicht  constantinischen  Sculpturen 
zu  einem  Denkmal  des  Kaisers  Traian  gehörten.  Und  ob  nun  die  Sculpturen  wirklich 
von  einem  Triumphbogen  dieses  Kaisers  und  zwar  demjenigen  waren,  welcher  zu  dem 


Der  Triumphbogen  des  Constantin.  431 

Forum  Traianum  führte,  was  indess  sehr  zweifelhaft  ist  (vgl.  S.  1 87)  oder  von  einem  an- 
deren prachtvollen  Gebäude  des  Traian  herrührten,  die  Plünderung  desselben  gibt  ein 
gleiches  Zeugniss  von  dem  tiefen  Verfall  des  Römersinnes  und  von  der  Missachtung 
gegen  einen  der  gefeiertsten  und  verdientesten  ihrer  Cäsaren,  der  Schamlosigkeit  nicht 
zu  gedenken,  mit  welcher  man  so  viele  marmorne  Lügen  auf  das  Triumphdenkmal  Con- 
stantins  zu  heften  wagte.  —  Auch  der  Plan  desselben,  der  den  des  Severusbogens  an 
Schönheit  bei  weitem  übertrifft,  scheint  nicht  aus  der  constantinischen  Periode  zu  stam- 
men und  ist  wahrscheinlich  mit  einem  Theile  des  architektonischen  Materials  einem  uns 
nicht  mehr  erhaltenen  älteren  Vorbilde  entlehnt. 

Der  hochverehrte  Name  des  Constantin  scheint  diess  Denkmal,  welches  unter 
allen  römischen  Triumphbogen  am  unversehrtesten  auf  uns  gekommen  ist ,  mehr  als  die 
übrigen  geschützt  zu  haben.  Doch  wurde  im  Mittelalter  auch  seine  Höhe  durch  die 
Frangipani,  in  deren  Besitz  die  ganze  Gegend  war,  befestigt.  Im  J.  1733  unternahm 
daran  Clemens  XII.  eine  verdienstliche  Herstellung  und  ergänzte,  wie  schon  erwähnt 
wurde,  die  Köpfe  der  Barbarenstatuen,  von  denen  er  eine  ganz  neu  herstellen  Hess,  eine 
Ecksäule  und  anderes;  die  Gedenktafel  dieser  Restauration  befindet  sich  an  der  dem 
Palatin  zugewandten  Schmalseite  neben  der  Treppenthüre.  Die  von  ihm  unternommene 
Ausgrabung  des  Denkmals  und  Aufdeckung  des  antiken  Bodens  aber  war  nicht  von 
bleibendem  Erfolge,  und  im  J.  1805  reichte  der  nachgerollte  Schutt  wieder  bis  zur 
Hälfte  der  Piedestale,  als  Pius  VII.  das  Denkmal  neuerdings  ausgraben  und  in  der 
Weise,  wie  jetzt  beim  Triumphbogen  des  Septimius  Severus,  den  aufgedeckten  Raum 
mit  einer  Mauer  umgeben  Hess.  Bei  der  im  J.  1 829  unter  P.  Leo  XII.  ausgeführten 
Blosslegung  des  ganzen  Platzes  vor  dem  Colosseum  wurde  die  Mauer  tiberflüssig  und 
wieder  abgetragen,  der  Bogen  aber  neuerdings  zugänglich  und  als  Durchfahrt  an  der 
Einmündung  der  Via  di  S.  Gregorio  in  die  Piazza  del  Coliseo  hergestellt.  Ursprüng- 
lich war  der  mittlere  Durchgang  mit  Marmorplatten  belegt,  wie  aus  den  aufgefundenen 
Resten  ersichtlich  war,  wurde  jedoch  bei  der  mit  der  letzten  Ausgrabung  gleichzeiti- 
gen Pflasterung  der  Via  di  S.  Gregorio  ebenfalls  mit  Polygonen  belegt  und  der  Boden 
dadurch  um  etwa  0,i5  Met.  erhöht.  Zuverlässig  entspricht  die  Linie  der  Via  di  S.  Gre- 
gorio einer  antiken  Strasse,  und  zwar  der  ohne  Zweifel  sehr  bedeutenden,  welche 
von  der  alten  Porta  Capena  (in  der  Gegend  von  S.  Gregorio)  nach  der  Velia  und 
nach  dem  Esquilin  ftihrte,  doch  ist  der  Name  derselben  nicht  bekannt,  und  die  Be- 
zeichnung der  Via  Triumphalis  blosse  Vermuthung. 


^32  ^^^  Aventin  und  der  Cälius 

IX.  Der  Aventin  und  der  Cälius. 

Das  Gebiet,  welches  in  diesem  Abschnitte  zusammengefasst  und  beschrieben 
werden  soll,  obwohl  weit  umfönglicher  als  die  Gebiete  der  drei  vorhergehenden,  ist 
nichtsdestoweniger  nicht  so  reich  an  hervorragenden  Gebäuden  und  bezüglichen  Nach- 
richten, noch  ärmer  aber  an  Ueberresten.  Wenn  wir,  zunächst  von  den  letzteren 
ganz  absehend,  vorerst  nur  die  Gestalt  des  mehr  als  ein  Viertheil  des  alten  Rom  nach 
der  aurelianischen  Abgränzung  betragenden  Raumes  ganz  im  Allgemeinen  betrachten, 
so  lässt  uns  die  Ueberlieferung  schon  in  wesenthchen  Punkten  im  Stiche :  weder  die  Aus- 
dehnung des  Aventinus  noch  die  des  Cälius  ist  sicher,  ungewiss  ist,  wo  der  mehr- 
erwähnte Caeliolus  zu  suchen  sei,  ganz  unbekannt  und  namenlos  sind  ferner  die  ausser- 
halb der  servischen  Mauern  befindlichen  Höhen ,  links  von  der  Via  Latina  und  rechts  von 
den  antoninischen  Thermen. 

Als  Aventinus  ist  jedenfalls  der  Hügel  zu  betrachten,  welcher  durch  das  Thal  des 
Circus  maximus  von  dem  Palatin  getrennt  und  dem  Tiber  unmittelbar  nahe  ist,  jetzt  vor- 
zugsweise eingenommen  von  den  an  der  Flussseite  nebeneinander  liegenden  Klöstern  und 
Kirchen  S.  Sabina,  S.  Alessio,  S.  Maria  und  der  auf  der  Ostseite  befindlichen  Kirche 
S.  Prisca,  im  Uebrigen  von  Vignen  und  Gärten  bedeckt.  Südöstlich  aber  wird  er  durch 
ein  ziemlich  tiefes,  breites  und  deutlich  markirtes  Thal  von  einem  anderen  Hügel  getrennt, 
welcher  etwas  mehr  als  den  halben  Umfang  des  Aventin  hat  und  von  den  Klöstern  S. 
Balbina  und  S.  Saba  beherrscht  und  benannt  wird.  Ob  nun  dieser  Hügel  ebenfalls  unter 
dem  Namen  Aventin  verstanden  wurde,  oder  ob  er  wenigstens  in  soferne  zu  demselben 
gerechnet  ward ,  als  er  keinen  besonderen  Namen  hatte ,  und  ob  ihn  die  servische  Mauer 
ganz  einschloss,  das  sind  Fragen,  welche  sicher  zu  beantworten  unmöglich  sein  wird. 
Das  erstere  ist  nicht  wahrscheinlich,  sowohl  wegen  der  schroffen  Sonderung,  als  weil  die 
Thore  der  servischen  Mauer,  welche  unzweifelhaft  zwischen  der  Südspitze  des  Aventin 
und  dem  Südabhange  des  Caelius ,  mithin  nahe  an  irgend  einer  Seite  jenes  namenlosen 
Hügels  (SS.  Balbina  e  Prisca)  liegen  mussten,  nicht  mehr  zur  Region  des  Aventinus  (XIII.), 
sondern  zur  XII.,  welche  Piscina  pubhca  hiess,  gehörten.  ^  Auch  zur  Bejahung  der  bei- 
den anderen  Fragen  gibt  es  keine  zureichenden  Gründe ,  und  ohne  diese  sind  wir  kaum 
berechtigt,  den  Hügel  von  S.  Balbina  und  S.  Saba  der  servischen  Stadt  zuzuschreiben. 
Becker 2  hält  zwar  ftir  unzweifelhaft,  »dass  die  servische  Bevölkerung  auf  der  Höhe  des 
Berges  bis  S.  Saba  gegenüber  sich  hinzog«,  allein  um  von  dem  durch  S.  Maria  del  Prio- 
rato  bezeichneten  Punkte  des  Aventin  nach  S.  Saba  zu  kommen,  musste  die  Mauer  in 


*■  Basis  Capitolina  (Grut.  Inscr.  p.  CGXLIX.  No.  8.  CCLI.  Orelli,  Inscr.  No.  5).         '^  Hdh.  d.  röm.  Alterth. 
Bd.  I.   S.  163. 


Der  Aventin  und  der  Cälius.  433 

das  zwischenliegende  Thal  sich  senken,  wodurch  Becker's  Ausdruck  schon  zur  Un- 
richtigkeit wird.  Trotzdem  hat  es  mehr  Wahrscheinlichkeit  für  sich,  den  Pseudoaventin 
(SS.  Balbina  und  Saba)  in  den  servischen  Stadtumfang  zu  ziehen.  Denn  erstlich 
sind  an  verschiedenen  Punkten  desselben,  so  an  der  Westseite  von  S.  Saba,  in  der 
Mauer  zwischen  dem  Klostergarten  und  der  Vigna  Codini  wie  in  der  Vigna  zwischen 
S.  Saba  und  der  Vigna  di  Porta  S.  Paolo  Mauerreste  gefunden  worden,  die  mit  den 
gesicherten  Fragmenten  der  servischen  Mauer  Aehnlichkeit  haben.  Dann  würde, 
wenn  die  Mauerlinie  etwa  in  der  Richtung  von  Via  di  Porta  S.  Paolo  angenommen 
werden  sollte,  die  Schwierigkeit  beinahe  unlöslich,  auf  der  kurzen  Strecke  zwischen 
Porta  Trigemina  und  Porta  Capena  drei  oder  vielleicht  sogar  vier  Thore,  (die  Navalis) 
die  Lavernalis,  Raudusculana  und  Nävia,  über  deren  muthmassliche  Vertheilung  in 
der  einleitenden  Baugeschichte  gesprochen  worden  ist  \  unterzubringen. 

In  augusteischer  Zeit  wurde  das  ganze  aventinische  Hügelgebiet  in  zwei 
Regionen  geschieden,  in  die  XIII  des  eigentlichen  Aventmus  und  in  die  XII  den 
Hügel  von  SS.  Sabina  und  Saba  umfassende,  welche  ihren  Namen  „Piscina  publica" 
von  einem  alten  in  der  Kaiserzeit  aber  eingegangenen  Volksbadeteich  hatte,  der 
wohl  an  der  Südseite  des  Hügels  innerhalb  der  Porta  S.  Paolo  angenommen  werden 
muss  ^.  Auffallend  dagegen  ist  ein  anderes  eigenthümliches  Verhältniss,  in  welchem 
der  Aventin  zur  übrigen  Stadt  stand,  indem  dieser  Hügel  einerseits  durch  die  ge- 
meinsame Mauer  zur  Stadt  gezogen,  anderseits  aber  acht  Jahrhunderte  lang  vom 
Pomörium  ausgeschlossen  war.  Wenn  sonst  das  Pomörium  ein  die  Stadt  selbst 
einschliessender,  von  aller  baulichen  wie  landwirthschaftlichen  Benutzung  freigehal- 
tener Landstreifen  war,  in  dessen  Mitte  oder  vielleicht  mehr  an  dessen  innerer 
Grenze  sich  die  Mauer  selbst  hinzog,  so  dass  ein  Theil  jenes  Grundes  ausserhalb, 
ein  Theil  aber  innerhalb  des  Mauerrings  lag,  ^  so  musste  hier  das  Pomörium  an 
einer  älteren  Mauerlinie  haften,  und  diese  konnte  keine  andere  sein,  als  die  an  der 
Südwestseite  des  Palatin  sich  hinziehende  der  Roma  quadrata,  wonach  etwa  der 
Circus  Maximus  das  Pomörium  selbst  einnahm. 

Woher  der  Aventin  seinen  Namen  erhalten  habe,  war  schon  im  Alterthume 
unklar:  die  einen  leiteten  ihn  von  aves  (Vögel),  die  anderen  von  adventus^  dem  Zu- 
sammentrömen  zu  dem  latinischen  Heiligthume  der  Diana,  oder  von  odvectm  (Lan- 
dung), andere  von  einem  sabinischen  Flusse  Avens,  wieder  andere  von  Aventinus, 
einem  hier  geborenen  Sohne  des  Hercules  und  der  Rhea  *  ab,  die  meisten  aber  von 


1  S.  43.           2  Amin.  Marc.  XVII.  4.  Cic.  ad.  Quint.  ir.  III.  7.    Hcnzen,  Scavi  nel  bosco  dei  fr.  arv.  p. 

400.            3Liv.  I.  44.  Gell.    XIII.  14.  Varro  L.  L.  V:  32,  40  p.  U5.  (Speng.).  "  Varro  L.  L.  1,  U  p.  48. 
(Speng.)  —  Virgil.  Aen.  VII.  v.  656.  Serv.  ad  1.  c, 

F.  Reber,  Rom.  §5 


434  ^^^  Aventin  und  der  Cälius. 

dem  angeblich  auf  dem  Hügel  begrabenen  Albaner-  oder  Aboriginerkönige  Aventinus.  *^ 
In  Numa's  Zeit  noch  ganz  unbewohnt  und  als  Weideland  benutzt,^  wurde  der  Hügel 
durch  Ancus  Marcius  nach  der  Einnahme  der  Städte  Politorium,  Tellenä  und  Ficana 
den  Bewohnern  derselben  als  Wohnsitz  angewiesen.^  Die  Colonie  scheint  jedoch  nicht 
gediehen  zu  sein,  da  wir  den  Hügel  noch  nach  zwei  Jahrhunderten  grösstentheils 
unbewohnt  und  als  Ager  publicus  finden,  wesshalb  er  auch,  obwohl  ummauert,  doch 
nicht  in  das  Pomörium  eingeschlossen  wurde.  Die  Mauer  aber  umfriedete  die 
Cultstätten,  und  fügte  sie,  was  namentlich  hinsichtlich  des  Nationalheiligthums  der 
Diana  wichtig  war,  zu  Rom. 

Aeltere  Heiligthümer  waren  die  Altäre  des  Evander,  *  des  lupiter  Inventor,  den 
Hercules  für  das  Wiederfinden  seiner  Rinder  errichtet  haben  soll,^  und  die  Höhle  des 
Gacus,^  welche  sämmtlich  am  nördlichen  Fusse  des  Hügels  sich  befanden,  die  Stelle 
Remuria,  wo  Remus  die  Auspicien  genommen  d.  h.  nach  den  Geiern  gesehen  haben 
und  nachher  auch  begraben  worden  sein  soll,^  und  das  Lauretum,  ein  das  Grab  des 
von  den  Laurentern  erschlagenen  Tatius  umschliessender  Lorbeerhain,**  welche  mythi- 
schen Königsgräber  im  Zusammenhalt  mit  dem  ganz  unbegründeten  des  Aventinus 
jedoch  noch  nicht  berechtigen,  in  dem  Hügel  eine  Nekropolis  im  etruskischen  Style 
zu  sehen  und  dadurch  den  Ausschluss  vom  Pomörium  zu  erklären. 

Merkwürdig  ist,  dass  wir  nicht  einmal  in  den  Stand  gesetzt  sind,  die  Lage 
und  Stellung  des  den  Hügel  hauptsächlich  beherrschenden  Tempels  der  Diana,  welchen 
Servius  Tullius  als  Heiligthum  und  geraeinsamen  Mittelpunkt  des  latinischen  Bundes 
erbaute,  genauer  nachzuweisen.  Doch  ist  wenigstens  so  viel  wahrscheinlich,  dass 
er  nicht  weit  von  der  Porta  Trigemina  am  oberen  Ende  des  Glivus  Publicius,  jedoch 
nicht  unmittelbar  am  westlichen  Hügelrande  gelegen  habe. ''  Von  seiner  Gestalt  und 
Ausdehnung  wissen  wir  nichts,  denn  die  Angabe,  dass  man  die  Idee  dem  panioni- 
schen Artemistempel  zu  Ephesus  entnommen,  ist  wohl  nur  Fiction  hellenisirender 
Geschichtschreiber.  ^"^  Der  Tempel  hat  jedenfalls  mit  dem  Aufgehen  des  latinischen 
Bundes  in  der  unmittelbaren  römischen  Herrschaft  an  Bedeutung  sehr  verloren,  und 
obwohl  er  sich  bis  in  die  späteste  Kaiserzeit  ^^  erhielt,  bis  Augustus  sogar  mit  den 
ursprünglichen  Monumenten,  von  welchen  Dionys  ^^  noch  die  Bronzestelen  erwähnt, 
auf  welchen  die  latinische  Bundesformel  und  die  lex  IciUa  de  Aoenllno  publicando 
eingegraben  waren,  so  haben  wir  doch  nur  eine  überdiess  unbestimmte  Notiz  von 


1  Varro  1.  c.  Liv.   I,  3.  Paul  Diac.  s.  v.  Aventinus.  Hieron.  Chron.  {Roncalli  I.  col.  265.)  2  piut. 

Num.  15.  3  Dionys.  m.  44.  Liv.  I.  33.  «  Dionys.  I.  32.  ^  jd.  i.  39.  6  Solin.  I.  8.  ^  Paul. 

Diac.  s.  V.  Remurinus.  —  Dionys.  I.  87.  8  Varro  L.  L.  V.  32,  42.  p.  151.    (Speng.)  9  Preller  Aus- 

gewählte Aufsätze  S.  513,  lo  Dionys.  IV.  25.  Liv.  l.  45.  "  Curios.  U.  R.  Reg.  XIH,  12  Dionys. 

IV.  26.  X.  32. 


1 


ßer  Aventin  und  der  Cälius.  435 

einer  Restauration  des  Tempels,  welche  L.  Cornificiiis  unter  Augustus  ausgeführt  zu 
haben  scheint.  ^  Noch  weniger  wissen  wir  von  dem  nächstbedeutenden  Tempel 
dieses  Hügels,  dem  der  vejentischen  luno  Regina,  welche  etrurische  Göttin  nach 
der  Zerstörung  von  Veji  neben  der  latinischen  Diana  ein  Asyl  fand,  das  Camillus 
vier  Jahre  nach  dem  Falle  ihrer  tuskischen  Heimath  weihte.  Auch  dieser  Tempel 
war  unter  den  vielen  Gebäuden,  welche  Augustus  ,, aus  Ziegeln  oder  Landstein  be- 
stehend vorfand  und  in  Marmor  zurückliess."  -  Der  Diana  nahe,  vielleicht  weiter  öst- 
lich, lag  der  wenigstens  schon  im  6.  Jahrh.  d.  St.  bestehende  Tempel  der  Minerva,  ^ 
wenn  man  das  Fragment  des  capitolinischen  Planes,  welches  einen  Tempel  mit  der 
Inschrift  MINERBAE  und  eine  anliegende  Porticus  mit  dem  Namen  CORINFICI 
zeigt,  in  der  Weise  hierher  beziehen  darf,  dass  man  den  Namen  des  Cornificius, 
mit  dessen  Neubau  des  Dianentempels  in  Verbindung  bringen  will.  ^  Von  dem  Tempel 
des  Jupiter  Dohchenus  haben  wir  ausser  einer  inschriftlichen  Kunde, ''  deren  Fundort 
S.  Alessio  ist,  (neuerlich  wieder  entdeckt)  nur  das  Wort  Dolocenum  im  Regions- 
verzeichniss.  Ebenso  spärlich  sind  die  Nachweise  für  den  von  Ti.  Sempronius 
Gracchus  dem  Aelteren  erbauten  Tempel  der  Libertas  *'  und  den  Tempel  der  Bona  dea 
{subsaxana),  welcher  wohl  am  nördlichen  Abhänge  des  Hügels  von  SS.  Sabina  und 
Saba  sich  befand,  da  er  nach  der  Notitia  bei  der  Region  ,, Piscina  publica"  ungefähr 
an  dieser  Stelle  genannt  wird,  ^  wie  für  den  des  Vortumnus  im  Loretum  maius.  ^ 
Von  Tempeln  so  ziemlich  besetzt  musste  der  nordöstliche,  dem  Circus  zugewendete 
und  zugleich  die  Gränze  der  XI.  Region  (Circus  Maximus)  bildende  Abhang  gewesen 
sein,  wo  die  Tempel  des  Sol,  der  Luna,  des  Mercur,  der  Magna  mater  deum  und 
des  lupiter  nebeneinander  lagen,  welche  jedoch  ausser  der  Aufzählung  der  Notitia 
nur  wenige  Erwähnung  gefunden  haben.  Der  Tempel  des  Sol  wird  als  „altes 
Heiligthum"  neben  dem  Circus  vonTacitus, "  der  Lunatempel  von  Livius  "^  „am  Aventin" 
erwähnt,  was  jedoch  nicht  nach  Becker  ^^  mit  Bezug  auf  die  Notitia,  welche  den 
Tempel  in  der  Region  „Circus  Maxiraus"  nennt,  zur  Annahme  von  zwei  Heilig- 
thümern  der  Luna  veranlassen  kann,  denn  das,  was  südwestlich  vom  Circus  Maximus 
lag,  musste  am  Abhänge  des  Aventin  liegen  und  Livius  bezeichnete  die  Locahtät 
und  nicht  die  allerdings  in  seiner  Zeit,  doch  vielleicht  erst  etwas  später  gebildete 
Region  Aventinus,  welche  den  dem  Circus  zugewendeten  wie  auch  den  östlichen 
Abhang  ausschloss.     Dass  der  im  J.  258  d.  St.  (496  v.  Chr.)  geweihte  Tempel  des 


•  Sueton,  Aug.  29.  2  Monum.  Ancyr.    (ChishuU  p.  <74.)    cf.  Sueton.   Aug.   29.   Dio   Cass.   LVI.  30. 

"Fest.  s.  V.  Scribas.  *  L.  Canina,  Indicazione  topogr.  di  Roma  ant.  4.  Ediz  4850.  p.  532.  »  Muratori, 

nov.  thes.  426.  K.  G.  B.  de  Rossi.    Ann.    d.  I.  d.  c.  a.  4859.  p.  281.  »  Liv.  XXIV.  16.  Paul.  Diac.  s.  v. 

Libertatis.  7  Ovid.  Fast.  V.  148  sq.  Propert  IV.  6.  Script.  H.  A.  (Spart.)  Hadr.  19.  8  past.  Amit.  & 

l'ast.  Capran.  Eid.  Aug.  (Foggini.  F.  R.  1779  f.  112.)  »Ann.  XV.   74.  i"  XL.  2.  n  Hdb.  d.  rüni. 

Alterth.  I.  S.  470. 

55* 


436  .  ^^^  Aventin  und  der  Cälius. 

Mercur  gegen  den  Gircus  hin  sah,  wird  auch  durch  eine  classische  Angabe  be- 
stätigt. ^  Dieser  ist  übrigens  nächst  dem  erwähnten  des  lupiter  Dolichenus  der  ein- 
zige Tempel  des  Aventin,  der  mit  ziemHclier  Sicherheit  genauer  locahsirt  werden 
kann,  denn  im  1 7.  Jahrhundert  wurden  in  der  jetzigen  Vigna  Carridoro  die  Ueber- 
reste  eines  Tempels  mit  einem  Altar,  auf  welchem  unter  Anderem  ein  Caduceus 
(der  Mercurstab)  gemeisselt  war,  ausgegraben,"^  welche  wahrscheinlich  auf  diesen 
Tempel  zu  beziehen  sind.  Ein  Tempel  der  grossen  Göttermutter  am  Aventin  wird 
sonst  nicht  erwähnt,  der  lupitertempel  aber,  welcher  nach  der  Reihenfolge  der 
Aufzählung  der  Notitia  dem  Ceres-,  Liber-  und  Libera-Tempel ,  mithin  dem  Forum 
Boarium  schon  ziemlich  nahe  gewesen  sein  musste,  ist  vielleicht  derselbe,  welchen 
das  Monumentum  Ancyranum  ^  als  lupiter  Liberatas  unter  den  von  Augustus  res- 
taurirten  Werken  am  Aventinus  nennt. 

Der  Grund,  warum  die  Topographie  des  Aventinus  so  in  Dunkel  gehüllt  ist, 
hegt  ohne  Zweifel  in  der  späten  Golonisirung  desselben,  sowie  in  dem  Umstände, 
dass  die  lew  Icilia  ihn  den  Plebejern  zur  Niederlassung  überwies,  wodurch  dem 
Quartiere  ein  gewisser  ignobler  Charakter,  der  sich  auch  durch  das  spätere  Nivelliren 
der  Stände  nicht  ganz  verlor,  besonders  da  der  neronische  Brand  den  Aventin  ver- 
schonte, aufgeprägt  wurde.  Desshalb  sind  uns  auch  die  meisten  Namen,  welche 
die  capitolinische  Basis  ^  und  die  Notitia  von  dieser  Region  verzeichnen,  sonst  völlig 
unbekannt,  zum  grossen  Theile  nicht  einmal  erklärbar.  Von  Profangebäuden  aus 
der  republicanischen  Zeit  wissen  wir  nur,  dass  Ennius  hier  in  altvaterischer  Be- 
scheidenheit gewohnt  habe ;  ^  doch  erregt  sein  Häuschen  mehr  Interesse  als  der 
Palast  des  Licinius  (?)  Sura,  des  Traian  Vertrauten,  der  auch  von  diesem  Kaiser 
unterstützt  Bäder  unweit  des  Dianatempels  anlegte.  ^  Das  Bruchstück  des  capito- 
linischen  Planes  mit  der  fragmentirten  Inschrift  BAL  SVRAE  '  gehört  jedenfalls  zu 
dieser  Anlage,  gibt  jedoch  über  die  Lage  derselben  keinen  nähern  Aufschluss,  und 
Canina's  ^  Identificirung  des  Planfragments  mit  den  Mauerresten  bei  S.  Prisca  ist 
ganz  unzuverlässig.  Mit  mehr  Anspruch  auf  Glaubwürdigkeit  hat  man  neuerlich 
Bäderruinen  die  man  da  wo  die  Vigna  Torlonia  und  Vigna  Vaselli  bei  S.  Prisca 
sich  begränzen,  gefunden,  mit  den  Bädern   des  Sura  in  Zusammenhang  gebracht.  ^ 


1  Ovid.  Fast.  V.  v,  669.  Liv.  II.  21.  2  Nardini  Roma  vet  Lib.  VII.  (Graev.  Thes.  A.  R.  tom.  IV.  p. 

1363.)  3  Der  lat.   Text  heisst  ET  lOVIS  LIBERTATIS,  der  griechische  JIOS  EAET0EPIOT.     Die 

Vermuthung,  dass  dieser  Tempel  mit  jenem  der  Minerva  und  der  Juno  Regina,  mit  welchen  zusammen  ihn 
das  Monumentum  Ancyranum  nennt,  ein  dreiceUiges  Heiligthum  nach  Art  des  capitolinischen  Tempels  war, 
erscheint  nicht  genügend  begründet.  Mommsen,  Res  gestae  Divi  Augusti.  1863  p.  54.  ■*  Grut.  Inscr.  p.  LCC. 
5  Hieron.  Chron.  (Rone.  I.  col.  369.)  ßMartial.  VI.  Epigr.   64.  v.   12.   sq.   Dio  Cass.  LXVIII.  15.    Aurel. 

Vict.  Caes.  13.  Epit.    13.  ^  ßellori  Fragm.   etc.    tab.   IV.    (Graev.    Th.  A.  R.  tom.  IV.)  8  jndicaz. 

topograf.  4a  Ediz.  1850.  p.  533.  ^A.  Pellegrini,  Le  terme  Snriane  e  Deciane  e  la  casa  privata  di  Traiano. 

Scavi  di  Roma.  Bull.  1868.  p.  177—183. 


Der  Aventin  und  der  Cälius.  437 

Unfern  davon,  wahrscheinlich  aber  mehr  westHch,  müssen  die  im  Regionsverzeichniss 
damit  verbundenen  Thermen  des  Decius  gewesen  sein,  welche  auch  durch  classische 
Erwähnungen  beglaubigt  werden.^  Ferner  befand  sich  in  demselben  Gebiete  wahr- 
scheinlich das  Haus  des  Traian,  welches,  als  privata  Traiani  von  der  Notitia  genannt, 
als  domus  Ulpiorum  in  einer  Inschrift  ^  erscheint.  Häufige  Ziegelstempel  mit  Traians 
Namen,  vor  einigen  Jahren  in  der  Vigna  Torlonia  entdeckt,  lassen  ihre  Zugehörigkeit 
vermuthen ,  wie  auch  eine  bei  S.  Alessio  gefundene  Bleiröhre  mit  dem  Namen 
dieses  Kaisers,  ^  die  Funde  aber  wie  die  Gruter'sche  Inschrift  lassen  die  Lage  bei 
S.  Prisca  vermuthen. 

Zwischen  dem  Aventin  und  dem  Fluss  erstreckte  sich  das  zur  Region 
Aventinus  gehörige  Hafengebiet  mit  grossen  Magazinanlagen.  Zunächst  vor  Porta  Tri- 
gemina  darf  das  von  dem  Regionär  erwähnte  Forum  pistorum  angenommen  werden, 
an  der  Stelle  des  alten  mit  dem  Denkmal  des  L.  Minucius  geschmückten  Getreide- 
marktes. Wie  sich  zu  diesem  die  aemiHschen  Portiken*  verhielten,  ist  schwer  zu 
sagen.  Jedenfalls  aber  stellten  sie  die  Verbindung  mit  dem  eigentlichen  weiter 
südwärts  gelegenen  Emporium,  wie  mit  den  Getreidemagazinen,  von  welchen  wir 
die  Horrea  Galbiana  et  Lolliana  kennen ,  hei*.  Von  diesen  wie  von  dem  Marmor- 
lagerplatz wird  noch  bei  den  Ueberresten  zu  sprechen  sein. 

Wenig  wissen  wir  von  dem  Gebiete  des  Hügels  von  SS.  Sabina  und  Saba, 
der  augusteischen  Region  »Piscina  Publica«.  Denn  die  vom  Regionär  als  deren 
Grenzpunkte  angegebenen  Baulichkeiten  sind  zumeist  sonst  unbekannt.  So  ist  un- 
erfindlich, was  wir  unter  der  erstgenannten  Area  radicaria ''  zu  verstehen  haben, 
wenn  auch  das  bezügliche  capitolinische  Planfragment  wie  die  Reihenfolge  des  Regio- 
när keinen  Zweifel  lassen,  dass  wir  sie  am  Fusse  der  Nordspitze  des  Hügels  SS.  Saba 
und  Sabina  anzunehmen  haben ,  da  wo  noch  einige  antike  Backsteinkammern 
erhalten  sind.  Von  da  ab  bis  zu  den  antoninischen  Thermen  folgten  noch  Kapellen 
der  Fortuna ,  der  Isis  und  der  auch  sonst  genannte  ^  Tempel  der  Bona  dea  subsa- 
xana.  —  Von  den  übrigen  Anlagen  sind  ausser  den  Thermen  nur  noch  die  Privat- 
besitzung Hadrians  (privata  Hadriani)  nennenswerth ,  welche  nach  dem  Gang  der 
Gränzbeschreibung  am  nordwestlichen  Abhänge  bei  S.  Balbina  angenommen  wer- 
den muss,  und  endlich  die  Horti  Serviliani^ 

Etwas  mehr  Nachrichten  haben  wir  von  der  beiderseits  von  der  Via  Appia 
befindlichen,   und  (südlich   vom  Cälius)  von  der  Porta  Capena  bis  zur  Porta  Appia 


lEutrop.  IX.  4.  Cassiod.  Chron.   (Rone.  II.  col.  212.)  2  Gruter  XLV.  10.  3  R.  A.  Lanciani, 

Recenti  scoperte  in  Roma  e  nelle  vicinanze.  Bull.  d.  I.  d  ca.  1870.  p.  74—90.  ••  Liv.  XXXV.  10.  41. 

^  Auch  am  capitolinischen  Plan  neben  dem  zur  Region  Porta  Capena  gehörigen  Mutatorium  genannt.       6  Vgl.  S.  435. 
Anm.  7.  7  h.  stark. Die  Horti  Servlliani  und  ihre  Begründer.  Denkm.  und  Forschungen  1866.  p.  224. 


438  ^^^  Aventin  und  der  Cäliiis. 

(P.  S.  Sebastiano)  reichenden,  1.  Region  »Porta  Gapena«,  wenn  auch  die  Ueberreste 
daselbst  nur  sehr  spärlich  sind.  Schon  in  republicanischer  Zeit  werden  die  Tempel 
des  Honos  und  der  Virtus,  wie  der  Tempel  des  Mars,  viel  genannt;  von  welchen 
jedoch  der  letztere  schon  ausserhalb  des  aurelianischen  Mauerringes  kam,  was  aller- 
dings Becker,  welcher  ihn  bei  S.  Sisto  sucht,  ^  aus  ganz  unhaltbaren  Gründen  in  Ab- 
rede stellt.  Denn  wenn  Ovid  ^  den  Tempel  angesichts  der  Porta  Gapena  nennt,  so 
fordert  diess  umsoweniger  ein  Nebeneinander,  als  der  Marstempel  auf  einer  An- 
höhe lag,  und  wenn  Becker  die  Notiz  des  Servius,  ^  dass  der  Tempel  ausserhalb  der 
Stadt  neben  dem  Thore  lag,  auf  die  Stadt  der  Königszeit  und  die  Porta  Gapena  be- 
zieht, so  ist  dabei  nicht  bedacht,  dass  zu  Servius'  Zeit  bereits  die  aurelianische 
Mauergränze  bestand ,  während  die  ältere  verschwunden  war,  und  der  Gommen- 
tator  sich  nur  auf  die  erstere  beziehen  konnte.  Es  wurden  aber  in  der  That  un- 
mittelbar ausserhalb  der  Porta  S.  Sebastiano  auf  dem  Hügel  zur  Linken  für  den 
Hinausgehenden  (Vigna  Marini)  die  Reste  eines  bedeutenden  Marmortempels  gefun- 
den, *  namentlich  aber  in  der  Nähe  (Vigna  Nari)  eine  Inschrift,  welche  von  dem 
GlivusMartis  spricht  (Vatican.  Sammlung):  SENATVS  POPVLVSQVE  •  ROMANVS 
CLIVOM  MARTIS  PECVNIA  PVBLICA  IN  •  PLANITIAM  REDIGENDVM  CV- 
RAVIT-  ^  Es  kann  nicht  bezweifelt  werden ,  dass  der  Glivus  Martis  der  Theil  der 
Via  Appia  selbst  war,  welcher  die  vom  Marstempel  beherrschte  Höhe  überschritt, 
und  so  kann  auch  der  vielbesprochene  Inhalt  der  Inschrift  nicht  anders  als  dahin 
erklärt  werden,  dass  man  nicht  den  Hügel  selbst  abgrub,  sondern  nur,  um  die  Strasse 
zu  ebnen,  durchschnitt  oder  abböschte,  wie  diess  bei  römischen  Strassen  gar  nicht 
selten  geschah.  Nur  durch  eine  entsprechende  Entfernung  des  Marstempels  von  der 
Porta  Gapena  bekommen  die  Nachrichten  Sinn,  nach  welchen  im  J.  457  d.  St. 
(297  V.  Ghr.)  der  Fussweg  und  sieben  Jahre  darauf  auch  die  Fahrsti  asse  von  der 
Porta  Gapena  bis  zum  Tempel  des  Mars  gepflastert  wurde, "  was  bei  einer  kurzen 
Strecke  kaum  der  geschichtlichen  Erwähnung  werth  gewesen  wäre.  Wenn  aber  der 
Regionär  den  Tempel  in  die  erste  Region  einschliesst,  so  kann  dies  nicht  als  ein 
Grund  dafür  genommen  werden,  dass  der  Tempel  innerhalb  der  aurehanischen 
Mauer  lag,  denn  dasselbe  Verzeichniss  nennt  unmittelbar  daneben  den  Fluss  Almo, 
(jetzt  Aquataccio)  welcher  sogar  noch  weiter  ausserhalb  des  Thores  vorbei  und  ohne 
die  Stadt  zn  berühren  dem  Tiber  zufliesst;  wahrscheinlich  war  vielmehr  hier  der  Re- 
gionär über  das  Ziel  hinausgelangt,  denn  die  Region  selbst  musste  mit  den  Gräbern, 
d.  h.  vor  dem  Scipionengrab  und  den  Golumbarien  der  Vigna  Godini  aufhören.  — 
Jedenfalls   nahe    an  der  servischen  Porta  Gapena  lag  der  Doppeltempel  des  Honos 


'Hdb.   d.  röm.  Alterth.   I.   S.   542.  2  Fast.   VI.    191.   sq.  ^ad.   Virg.   Aen.   I.  v.  295.  (292) 

<  Canina,  Indicaz.  topograf.  4»  Ediz.  1850.  p.  60.  s  Orelli,  Inscr.  No.  3.  «  Liv.  X.  23.  XXVVIII.  28. 


Der  Aventin  und  der  Cälius.  439 

und  der  Virtus,  welcher  an  der  Stelle  des  einfachen  von  Q.  Fabius  Verrucosus  im 
J.  520  d.  St.  erbauten  Tempels  des  Honos  durch  Marcellus  errichtet  und  von  Ves- 
pasian  wiederhergestellt  worden  war.  ^  An  der  Marrana  aber,  in  dem  Thale  zwi- 
schen dem  Calius  und  dem  Hügel  nördlich  neben  der  Via  Latina  vermuthe  ich  den 
Hain  der  Camenen  und  die  Quellgrotte  der  Egeria,  wo  Numa  mit  der  Nymphe  seine 
geheimen  Zusammenkünfte  gehabt  haben  soll,  '^  welche  Grotte  man  jetzt  gewöhnlich 
in  dem  Nymphäum  am  Almo  in  Valle  Caffarelli  zu  erkennen  glaubt,  denn  die  Nähe 
des  Thaies  der  Egeria  an  der  Porta  Capena  wird  durch  mehie  Angaben  unzweifel- 
haft. ^  In  derselben  Region  befand  sich  auch  nach  dem  Verzeichnisse  der  Notitia 
jener  Tempel  der  Tempestas,  welchen  L.  Cornelius  Scipio,  der  Sohn  des  Barbatus, 
in-Sturmesnoth  vor  Corsica  gelobt  hatte  und  von  welchem  sich  eine  Erwähnung 
in  der  schönen  jetzt  im  vaticanischen  Museum  befindlichen  Grabinschrift  desselben 
findet.  (Vgl.  unten  No.  88.)  Die  Kaiserzeit  fügte  noch  die  Thermae  Gommodianae 
und  Severianae  hinzu,  von  welchen  wir  zwar  kurze  Erwähnungen,^  aber  keine 
Spur  mehr  besitzen.  Von  den  drei  ebenfalls  von  der  Notitia  verzeichneten  Triumph- 
bogen des  Verus,  Traianus  und  Drusus,  welche  jedenfalls  über  der  Appia  standen, 
werden  wir  noch  einen  bei  Porta  S.  Sebastiano  finden.  Die  Strasse  selbst  aber 
war  seit  früher  Zeit  mit  Grabdenkmälern  besäumt,  von  welchen  das  des  Scipio, 
1780  wieder  entdeckt,  vorzüglich  reiche  und  interessante  Ausbeute  gewährte;  von 
anderen  Grabmälern,  den  sogenannten  Columbarien  wurden  in  den  Weinbergen 
zwischen  Via  Appia  und  Via  Latina  erst  in  neuerer  Zeit  mehre  vollständig  erhaltene 
blossgelegt,  welche  wie  das  Scipionengrab  besonders  beschrieben  werden  sollen. 
Was  endlich  den  Cälius  betrifft,  so  wurde  schon  in  der  einleitenden  Bau- 
geschichte (S.  7.  8)  von  der  Entstehung  des  Namens  desselben  gesprochen.  Die 
lang  und  vielfach  ausgezackte  Form  des  Hügels  macht  es  erklärlich,  dass  man  sich 
eines  besonderen  Namens,  Caeliolus,  für  einen  Theil  desselben  bediente,  doch  ist 
trotz  wiederholter  Erwähnung  nicht  klar,  welcher  von  den  vielen  Ausläufern  dafür 
zu  halten  sei.  Der  lange  östliche  Arm,  welcher  noch  weiter  über  S.  Giovanni  in 
Laterano  hinausreicht,  gehörte  jedoch  nicht  mehr  zur  servischen  Stadt  und  kann 
desshalb  für  den  Caeliolus  nicht  in  Betracht  kommen,  da  gerade  dieser  in  früher 
Zeit  colonisirt  worden  war.  ^  Der  Hügel  wird  aber  durch  einen  Thaleinschnitt, 
welchen  die  Via  della  Navicella  bezeichnet,  mit  Ausnahme  der  nicht  breiten  Höhen- 
verbindung bei  Piazza  della  Navicella  in  zwei  Theile  getheilt,  und  es  ist  nicht  un- 


1  Curios.  U.  R.  Reg.  I.  Liv.  XXV.  40.  XXVII.  25.  Cic.  de  nat.  deor.  11.  23.  Valer.  Max  I.  4,  8. 
2Plut.  Num.  13.  Liv.  I.  21.  s  Curios.  U.R.  Reg.  I.  luvonal.  III.  v.  10  sq.  Symmach.  ep.  I.  21.  <  Curios. 
1.  c.  Script.  H.  A.  (Lamprid.)  Comm.  17.  Herodian.  I.  12.  Hieron.  Chron.  —  Cassiodor.  Chron.  — Catal.  Imp. 
Vienn.  (Rone.  I.  col.  465.  469.  II.  col.  205.  306.  244.)  »  Varro  L.  L.  8,  14.  p.  52.  (Speng.) 


440  D^s  Emporium. 

möglich,  dass  der  östliche  Theil  durch  den  Namen  Caeliolus  unterschieden  wurde. 
Die  zweite  Region  der  augusteischen  Eintheilung  fasste  jedenfalls  beide  Theile  unter 
dem  Namen  Caelimontium  zusammen.  Dass  der  Hügel  in  der  republicanischen 
Zeit,  und  seit  Tullus  Hostihus  hier  zu  wohnen  pflegte,  ^  dicht  besetzt  gewesen  sei, 
ist  unzweifelhaft.  Doch  ist  uns  von  P.  Capena  (bei  S.  Gregorio)  her  nur  ein  ser- 
visches  Thor  für  die  bedeutende  Mauerstrecke  bekannt,  nemlich  die  Porta  Caeli- 
montana,  und  auch  von  öffentlichen  Gebäuden  haben  wir  wenig  Kunde.  Grosse 
Bedeutung  können  auch  die  Kapellen  der  Dea  Carna,  -  der  Minerva  Capta,  ^  der 
Diana,  *  die  Tempel  der  Isis,  ^  und  des  lupiter  Redux  mit  den  etwas  räthselhaften 
Castra  peregrinorum  ^  nicht  gehabt  haben.  Nur  die  Lage  des  letztern  Tempels  ist 
nach  dem  Fundorte  der  ihn  erwähnenden  Inschrift  (bei  S.  Maria  in  Domnica)  an- 
nähernd bestimmbar.  Zwei  bedeutendere  Anlagen  aus  der  Kaiserzeit  sind  der 
Tempel  des  Claudius  und  das  Macellum,  von  welchen  beiden  besonders  gesprochen 
werden  soll.  Auch  von  dem  neronischen  Zweigaquäduct  werden  wir  noch  be- 
deutende Reste  finden.  Nicht  minder  hervorragend  waren  ohne  Zweifel  die  auf 
dem  Cälius  befindlichen  Paläste,  namentlich  des  Mamurra,  welcher  das  erste  Bei- 
spiel von  Marmorbekleidung  an  seinem  prachtvollen  Hause  gab,  "^  der  Laterani,  der 
durch  Schenkung  Gonstantins  nachmalige  päpstliche  Palast,  das  Haus  des  Annius 
Verus,  ^  der  vectiUanische  Palast,  den  vorzugsweise  Commodus  bewohnte,*^  und 
einige  andere. 

Das  ganze  Gebiet  des  Aventinus,  Cälius  und  des  zwischen  beiden  und  der 
aurelianischen  Mauer  liegenden  Raumes  gehört  jetzt  nicht  mehr  zur  eigentlichen 
Stadt.  Denn  die  Gärten  und  Weinberge  dieser  Gegenden  werden  nur  mehr  ganz 
sporadisch  von  einsamen  Kirchen  und  Klöstern  oder  den  ärmlichen  Winzerbe- 
hausungen unterbrochen,  und  in  den  öden  staubigen  Wegen  begegnet  dem  Wanderer 
selten  ein  lebendes  Wesen. 


82.     Das  Emporium. 

Die  antiken  Ueberreste  des  Aventin  sind  überaus  spärlich,  insbesondere  auf 
der  Höhe  selbst.  Sumptuose  Nachgrabungen  würden  wohl  nicht  ohne  Ergebnisse 
sein  können,  allein  der  römische  Grundbesitzer  ist  in  der  Regel  nicht  geneigt, 
seinen  Ackerboden  zu  verwüsten,  um  Ruinen  ans  Licht  zu  fördern,  wenn  er  nicht 


iLiv.  I.  30.  2Macrob.  Sat.  I.  \2.  3  Ovid.  Fast,  m.  v.  837.  <  (Gic.)  de  har.  resp.  15. 

^Script.  H.  A.  (Treb.    Poll.)    XXX  tyr.   25.  6  Orelli,    Inscr.   No.    1256.  ^Plin.   XXXVI.   6,    7,  48. 

8  Script.  H.  A.  (lul.  Capit.)  M.  Ant.  1.  »  (Lampiid.)  Gommod.  16.  (lul.  Cap.)  Pertin  5, 


Das  Emporium.  44/| 

die  Hoffnung  hegt,  durch  bewegUche  und  verkäutliche  Kunstobjecte  für  Mühe  und 
Aufwand  reichliche  Entschädigung  zu  finden.  So  müssen  wir  uns  denn  im  All- 
gemeinen mit  den  wenigen  und  unbedeutenden  Resten  begnügen,  welche  den  Schutt 
überragen. 

Umgeht  man  den  Aventinus  an  der  Flussseite,  so  werden  am  Flusse  ge- 
legentlich antike  Quaimauern  sichtbar,  meist  in  Backstein  hergestellt  und  besonders 
da  deutlich,  wo  die  antiken  Salinen  vermuthet  werden.  *  Da  jedoch,  wo  der 
Aventin  vom  Flusse  zurücktritt,  und  dadurch  die  Flussebene  sich  zu  verbreitern  be- 
ginnt, finden  sich  die  deutlichsten  Spuren  des  antiken  Landungsplatzes,  welcher  sich 
jedoch  in  grösserer  Ausdehnung  an  500  Schritt  südwärts  erstreckt  zu  haben  scheint. 
Zunächst  fanden  sich  1868  an  der  Stelle,  welche  durch  Marmorfunde  seit  dem  16. 
Jahrhundert  den  noch  anhaftenden  Namen  Marmorata  erworben,  noch  fünf  Aufgänge 
vom  Tiber  her,  die  aber  nicht  stufenförmig,  sondern  in  schiefen  Terrassen  an- 
gelegt und  von  in  den  Fluss  vorspringenden  Wangen  getrennt  wsren.  Die  letztern 
zeigten  am  äusseren  Ende  durchbohrte  vorspringende  Quadern,  welche  zur  Be- 
festigung jener  Schilfe  bestimmt  waren,  die  zu  löschen  hatten.  Man  fand  noch  die 
Bedeckung  der  Terrassen  in  grossen  Backsteinplatten  theilweise  vor.  Von  der  West- 
ecke des  Aventin  ab  scheint  aber  die  Landungsstelle  für  überseeisches  Baumaterial 
gewesen  zu  sein,  denn  trotz  einer  mehrhundertjährigen  Ausbeutung  sind  selbst  in 
neuester  Zeit  die  Funde  des  hier  im  Alterthum  aufgestapelten  Marmormateriales 
noch  ausserordentlich  gewesen,  wie  denn  die  von  Erc.  Visconti  geleiteten  Ausgra- 
bungen von  1868  allein  493  Stücke  Marmor,  darunter  200  Serpentin  und  140  Giallo- 
blöcke  ergaben.  ^  Diese  Ausbeute  war  auch  in  wissenschaftlicher  Beziehung  durch 
die  eingemeisselten  oder  mit  Mennig  geschriebenen  Steinmalzeichen  nicht  unbedeutend. 
Diese  bewiesen  nemlich,  dass  die  Steinbrüche  zumeist  kaiserlich  waren,  dass  der 
afrikanische  Marmor  meist  von  den  Flaviern,  der  Cipollin,  Pavonazetto  und  parische 
Marmor  vorwiegend  von  Hadrian,  der  Giallo  zumeist  von  M.  Aurel  importirt  ward 
und  dass  nach  den  Consulatsdaten  der  Import  von  67 — 206  unsrer  Zeitrechnung 
hier  stattfand.  ^  Auch  die  aufgefundenen  sog.  Anticaglien  in  Bein-  und  Glasarbeit, 
in  Münzen,  Gewichten,  Prägeformen  und  Thonstempeln  gaben  der  antiquarischen 
Forschung  manchen  bemerkenswerthen  StolT.  ^ 

Eigentlich  bauliche  Reste  des  Emporiums  befinden  sich  noch  in  der  schwer 
zugänglichen  Vigna  Cesarini  (jetzt  Torlonia).  Sie  müssen  übrigens  bis  zum  vorigen 
Jahrhundert  weit  bedeutender   gewesen    sein,    wie   aus   der   bezüglichen  Notiz  von 


>  Liv.  XXIV.  47.  Frontin.  de  aquaeduct.  I.  5.    Solin.  1.  8.  2  a.  Peliegrini ,   II  portico  Emilio  coli 

cmporio.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  -1868  p.  145— 152.  ^  P.  Bruzza.  Scavi  nella  Marmorata.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a. 

1869  p.  9.  *P.  Bruzza,  Varj  oggetti  rinvenuti  nell'  emporio  Romano.  Bull.  1872  p.  134. 

F.  Reber,  Rom.  5g 


442  ß^^  Avenlin  und  der  Cälius. 

einer  grossen  Qiiaderumfassung  mit  Innenwänden  von  opus  incertum  hervorgeht.  ^ 
Das  Gebäude  hatte  lang  gestreckte  (nach  Fabretti  in  einer  Ausdehnung  von  über  300  Met.) 
Stufen  vor  sich.  Wahrscheinlich  hängen  diese  Reste  mit  mächtigen  Magazinbauten 
zusammen,  von  welchen  drei  ausdrücklich  erwähnt  werden,  die  horrea  Galbiana,  Ani- 
ciana  und  LoUiana.  Die  erstgenannten,  ausser  den  Regionsverzeichnissen  auch 
inschriftlich  aufgeführt  und  wahrscheinlich  mit  dem  capitoHnischen  Planfragment 
•  •  ALB  -zu  indentificiren ,  werden  als  Gründung  des  Kaisers  Galba  ausdrücklich 
genannt.  ^  Auf  sie  bezieht  sich  auch  wahrscheinlich  eine  Notiz  aus  dem  1 2.  Jahrh. 
von  dem  »Schloss  des  Königs  Galbia  ausserhalb  der  Stadt  mit  einem  Umfange  von 
3  Meilen  und  mit  360  Fenstern  gleich  den  Tagen  des  Jahres«.^  Die  Horrea  Lolliana 
aber  werden  in  einer  Inschrift  genannt,  ^  aus  welcher  zugleich  hervorgeht ,  dass 
ihr  Gründer  vor  Claudius  gelebt  haben  müsse,  der  also  vielleicht  derselbe 
M.  Lollius  M.  F.  (Gonsul  i.  J.  733  d.  St.)  welcher  mit  M.  Lepidus  die  fabricische 
Brücke  restaurirte.  ^ 


83.    Reste  der  servischen  Mauer  an  der  Westseite  des  Aventinus. 

Wieder  in  die  Via  della  Marmorata  zurückkehrend  und  diese  eine  kurze  Strecke 
weiter  nördlich  verfolgend,  durchschreitet  man  einen  sehr  verstümmelten  Backstein- 
bogen, dessen  Bedeutung  und  ursprüngliche  Bestimmung  zu  ermitteln  alle  Anhalts- 
punkte fehlen.  Unmittelbar  neben  diesem  jetzt  Arco  di  S.  Lazzaro  genannten 
Bogen  zur  Linken,  am  Abhänge  des  Aventinus,  sieht  man  noch  einen  kleinen  Rest 
einer  Tufmauer,  nur  mehr  aus  1 0  Blöcken  bestehend,  welche  sowohl  nach  Material 
und  Fügung  als  nach  ihrer  Lage  möglicherweise  zu  der  servischen  Ummauerung 
gehört  haben  können.  Weit  mehr  von  dieser  Mauer  und  jedenfalls  auch  einen 
gewisseren  Ueberrest  findet  man,  wenn  man  von  der  Via  della  Marmorata  um 
Bastione  di  Paolo  III.  herum  gegen  S.  Alessio  den  Aventin  hinansteigt  und  dann  in 
das  Dominicanerkloster  von  S.  Sabina  tritt.  Im  Klostergarten,  welcher  reich  an 
überraschenden  Ansichten  des  Stromes  und  der  Stadt  den  hier  etwas  steilen  Ab- 
hang des  Hügels  an  der  Flussseite  einnimmt,  sieht  man  unten  die  Reste  von  einer 
Gemächerreihe  mit  schlechten  Malereien  und  Graphitinschriften,  ähnlich  den  am 
Südwestabhange  des  Palatin.  Diese  aber  lehnen  sich  an  ein  theilweise  blossliegendes 
ziemlich  grosses  Stück  der  servischen  Mauer,  welches  jedenfalls  zeigt,  dass  hier  der 


iRaph.  Fabretti  de  aquis  et  aquaeductibus  III.  H.   Piranesi  Antich.  R.  IV.  t.  XLVIII.  cf.  T.  t.  XX.  1. 
2  Chronogr.  ai.  354  Mommsen  p.  646.  21.  3  ßenjam.  Tud.  ed.  A.  Asher  I.  p    89.  -» jyiurat.  Incr.  891.  2, 

5  Jordan,  Topographia  II.  68.  Forma  U.  R.  n«  43. 


Die  servische  Mauer  in  der  Vigna  Torlonia, 


443 


Mauerring,  ebenso  wie  diess  bei  der  Roma  quadrata  der  Fall  war,  und  wie  wir  es 
auch  noch  an  den  Resten  des  Quirinalis  sehen  werden,  nicht  auf  dem  Höhenrande, 
sondern  fast  am  Fusse  des  Hügels  geführt  war.  Der  Garten  ist  für  den  Alter- 
thumsfreund  auch  durch  mehre  Kanäle  interessant,  welche  ebenfalls  dem  er- 
wähnten des  Palatin  ähnlich  in  den  Tuf  des  Hügels  gewühlt  sind,  und  wohl  ur- 
sprünglich für  den  Abtluss  der  Hügelquellen  und  Brunnen,  mithin  als  Zweigcloaken 
dienten.  Ein  Kanal,  zu  dem  man  auf  einer  Wendeltreppe  gelangt,  wird  wohl  mit 
Unrecht  der  Aqua  Appia  zugeschrieben.  Bei  anderen  Nachgrabungen,  ungefähr  in 
der  Mitte  des  Abhanges,  stiess  man  auf  schöne  Marmorpavimente,  deren  Bestimmung 
jedoch  nicht  zu  ermitteln  ist. 


84.    Die  servische  Mauer  in  der  Vigna  Torlonia. 

Den  schönsten  und  bedeutendsten  Ueberrest  der  servischen  Mauer  findet 
man,  wenn  man  von  S.  Sabina  durch  die  Via  di  S.  Prisca  an  die  gleichnamige 
Kirche  gelangt,  und  dieser  ungefähr  gegenüber  in  die  aus  der  Vigna  de  Gesuiti  und 
Maccarani  vereinigte  Vigna  Torlonia 
tritt.  Etwa  in  der  Mitte  des  hier 
ziemlich  sanft  ablaufenden,  Porta  S. 
Paolo  zugewendeten  Abhanges  steht 
noch  ein  in  den  letzten  Jahren  in 
seiner  ganzen  Höhe  blossgelegtes 
Mauerstuck  von  33  Met.  Länge,  an 
den  höchsterhaltenen  Stellen  über 
13  Meter  Höhe  und  fast  5  Met.  Dicke. 
Die  beigefügte  Abbildung,  vor  der 
neuesten  Ausgrabung  hergestellt,  ver- 
anschaulicht keineswegs  das  Ganze 
sondern  nur  ein  Dritttheil  zum  Zweck 
der  Darstellung  der  Construction.  Die 
nicht  ganz  gleich  langen,  oblongen 
Tufblöcke,  welche,  soviel  die  Verwitterung  erkennen  lässt,  rustik  behauen  waren, 
wechseln  in  regelmässigen  Lagen  nach  dem  Läufer-  und  Bindersystem  ab.  Jetzt 
sind  an  den  höchsten  Stellen  noch  24  Lagen  in  der  Höhe  erhalten;  die  Dimensionen 
der  Blöcke,  durchschnittlich  0,48:1,10,  sind  dieselben  wie  an  den  übrigen  servischen 
Mauerresten.  Die  Mauer  war  vorher  mit  theilweise  bemalten  Ziegelbauten  aus  der 
Kaiserzeit  bedeckt,  deren  Abbruch  zu  der  interessanten  Entdeckung  führte,  welche 

56* 


47.    Servisches  Mauerslück  am  Aventin.  (F.  l\.) 


444  D^'*  Aventin  und  der  Cälius. 

jedoch  leider  die  Zerstörung  eines  bedeutenden  Theils  der  Mauer  selbst  zur  Folge 
hatte.  Denn  es  war  bereits  ein  grosses  Stück,  —  angeblich  sogar  der  Rest  eines 
Thores,  —  in  der  Absicht,  die  Quadern  zu  verkaufen,  abgebrochen  worden,  als  man 
endlich  die  Bedeutung  der  Ruine  ahnte,  und  die  Demolirungsarbeiten  einstellte.^ 
Der  auf  der  Höhe  der  Mauer  ruhende  Bogen  aber  dürfte  aus  spaterer  Zeit  stammen, 
als  die  Stadtmauer  zu  anderen  und  zumeist  Privatzwecken  benutzt  werden  konnte.  — 
Unweit  von  dem  beschriebenen  Mauerstück,  westlich,  befindet  sich  noch  ein  Stück 
der  Fortsetzung,  einen  rechtwinkligen  Vorsprung  bildend,  aber  leider  nur  in  einer 
Länge  von  4  Met.  und  in  einer  Höhe  von  1 1   Lagen  erhalten. 

Darauf  beschränken  sich  alle  namhaften  Reste  des  Hügels  und  der  Region 
Aventinus;  von  der  in  die  aurelianische  Mauer  eingeschlossenen  Grabpyramide  des 
Cestius  wie  von  dem  etwas  räthselhaften  Monte  Testaccio  wird  bei  Beschreibung 
der  Stadtmauer  die  Rede  sein. 


85.     Die  Reste  der  Höhe  von  S.  Saba  und  S.  Balbina. 

Wo  möglich  noch  spärlicher  als  auf  dem  Aventinus  sind  die  antiken  Ueber- 
reste  des  angrenzenden  kleineren  Hügels ,  den  wir  in  Ermangelung  eines  antiken 
Namens  nach  den  beiden  einzigen  Gebäuden  auf  dem  sonst  völlig  verlassenen  Berg- 
rücken als  die  Höhe  von  S.  Saba  und  S.  Balbina  bezeichneten.  Steigt  man  zu- 
nächst zu  S.  Saba  empor ,  so  findet  man  dort  in  der  Umfriedungsmauer  des  Vor- 
hofes aussen  rechts  vom  Eingange  ein  Stück  von  der  Art  der  servischen  Mauer, 
freilich  nur  in  wenigen  sichtbaren  Blöcken  bestehend,  in  der  modernen  Mauer  benutzt. 
Reste  derselben  Mauer  sollen  auch  in  den  angränzenden  Vignen  gefunden  worden  sein. 
Unverkennbar  antiken  Ursprunges  ist  auch  die  Substruction  des  Plateau's  von  S.  Bal- 
bina, doch  erscheint  das  Vorkommen  von  Stücken  der  servischen  Mauer  ^  in  derselben 
sehr  problematisch,  besonders  an  der  Nordwestseite  (Vigna  Modetti)  wo  ein  grö- 
sseres Fragment  jenes  Quaderbaues  schon  der  Lage  nach  nicht  zur  Mauerlinie  der 
Königszeit  gehören  kann.  —  Sonst  sind  nur  noch  die  jetzt  halb  unterirdischen 
Kammern  in  der  genannten  Vigna  (Eingang  Via  di  S.  PaoloNo.  i)bemerkenswerth,  deren 
einstige  Bestimmung  übrigens  jetzt  sehr  unsicher  ist.  Unweit  von  diesen  muss  die 
von  den  Regionsverzeichnissen  genannte  Area  radicaria  gewesen  sein,  vor  welcher 
dann  die  Prachtstrasse  Via  Nova  vorbeizog,  durch  welche  Caracalla^  den  Anfang 
der  Via  Appia  zwischen  dem  Gircus  und  seinen  Thermen  ersetzt  zu  haben  scheint. 


1  Th.  Mommsen,   Römische  Geschichte,    2.  Aufl.    Berlin.  1856.    Bd.  I.    S.   216   f.  ^  w.  Gell,  The 

Topography  of  Rome  and  its  vicinity.    Lond.  1834.    Vol.  II.  p.  405  sq.  3  Script.  H.  A.  (Spartian.  Carac.  9.) 


Die  Thermen  des  Caracalla. 


44  5 


86.    Die  Thermen  des  Caracalla. 

Von  S.  Balbina  aus  hat  man  eine  imposante  Ansicht  einer  ausgedehnten 
Trümmermasse,  welche  einen  grosen  Theil  der  bis  an  die  Porta  Appia  sich  erstre- 
ckenden Tiefe  einnimmt,  nemHch  der  Ruinen  eines  der  grössten  Prachtgebäude  Roms, 
der  Thermen  des  Antoninus  (Caracalla).  lieber  diesen  Namen  selbst  kann  kein  Zwei- 
fel obwalten:  denn  einerseits  geben  sich  die  Ruinen  selbst  mit  Sicherheit  als  Ther- 
men zu  erkennen,  und  als  die  antoninischen  erweisen  sie  sich  anderseits  durch  den 
Ziegelbau   und   durch  die   Angabe   derselben   in   der  XII.  Region   {Piscina  publica). 


IXHartl 


MillllllllWlllllWilll  lIllWlIinMlililllUM 

48.     Grundiiss  der  antoninischen  Thermen.  (Nach  Paliadio.) 

Die  Thermen  haben  überdiess  traditionsweise  immer  den  Namen  getragen,  so  dass 
die  an  der  Gegend  haftende  Erinnerung  sogar  dem  Wege,  welcher  zu  den  Ther- 
men führt,  den  Namen  Via  di  Antonino  und  einem  anderen,  näher  an  Porta  S.  Se- 
bastiano  den  Namen  Via  della  Antoniniana  gegeben  hat.  Wenn  wir,  durch  die 
Via  di  S.  Balbina  zu  der  Via  di  S.  Sebastiano  herabsteigend,  zur  Rechten  in  den 
erstgenannten  Weg  (di  Antonino)  einbeugen,  so  gelangen  wir  durch  den  hier  unter- 
brochenen Umfriedungsbau  sogleich  zum  Innern  der  Anlage. 


446  Der  Aventin  und  der  Cälius. 

Der  Gesammtbau  der  Thermen  bestand  nemlich  —  und  dies  war  in  ganz 
analoger  Weise  auch  bei  den  zwei  erhaltenen  anderen  Anlagen  der  Art,  den  Ther- 
men des  Titus  und  des  Diocletian,  der  Fall  —  aus  zwei  Theilen,  dem  innenliegen- 
den Hauptbau  (den  eigentlichen  Baderäumen),  und  einem  fast  quadratischen  aus 
einer  Menge  anderer  Hallen  und  Gemächer  bestehenden  Umfriedungsbau ,  welcher 
ohne  baulichen  Zusammenhang  mit  dem  inneren  Gebäude  dasselbe  in  einer  ziemlich 
beträchtlichen  Entfernung  umgab.  Der  innere  Bau  misst  220  Met.  in  der  Länge 
und  11 4  in  der  Breite,  der  äussere  337  und  328  mit  Ausschluss  der  Exedren,  d.  h. 
der  nach  aussen  vorspringenden  Curven,  welche  die  gegebene  Länge  noch  etwas 
überschreiten.  Auf  die  Räume  des  Umfangsbaues,  soweit  sie  erhalten  sind,  wird  die 
Beschreibung  noch  zurückkommen,  wir  wollen  vorerst  das  Hauptgebäude  betrachten. 

Eingänge  zu  diesem  befanden  sich  auf  allen  vier  Seiten,  auf  der  nordöst- 
lichen Fronte  zu  den  kalten  Baderäumen,  auf  der  südwestlichen  zu  den  warmen, 
womit  auch  die  Disposition  bei  Vitruvius  übereinstimmt.  ^  Der  moderne  Zugang  (/") 
befindet  sich  an  der  nordwestlichen  Schmalseite;  da  indess  das  Verständniss  der 
ganzen  Anlage  erfordert,  von  den  mittleren  Räumen  auszugehen,  so  durchschreiten 
wir  vorläufig  die  Säle  und  Gemächer  bis  zu  den  grossen  Saale  [t).  Dieser,  wel- 
cher 56  M.  in  der  Länge,  23  M.  in  der  Breite  misst,  vv^ird  nordöstlich  von  der 
äusseren  Mauer  des  Hauptbaues  begränzt,  welche  nach  innen  eine  doppelte  Reihe 
von  je  neun  Blenden  zeigt,  die  abwechselnd  halbzirkelig  und  rechteckig  und  so 
gruppirt  sind,  dass  zwischen  je  dreien  sich  ein  etwas  grösserer  Zwischenraum  be- 
findet; die  Blenden  waren  sicher  mit  Sculpturwerken  ausgefüllt.  Die  beiden  Schmal- 
seiten waren  gegen  die  anstossenden  Nebensäle  hin  offen,  d.  h.  nur  durch  Säulen 
abgesondert,  und  die  gegen  das  Innere  liegende  Langseite  bildete  drei  Vertiefungen, 
von  welchen  die  innere  rechtwinkelig,  die  beiden  äusseren  halbkreisförmig  waren. 
Dass  dieser  Saal  bedeckt  gewesen  sei,  wird  durch  keine  Spuren  bezeugt;  der  Zweck 
desselben  scheint  auch  keine  Decke  erfordert  zu  haben.  Denn  der  beckenartig  ver- 
tiefte Boden  zeigt,  dass  diess  der  Schwimmteich  {natatio),  das  kalte  Bad  {frigidarium) 
gewesen  sei.  An  den  beiden  schmalen  Seiten  hat  man  noch  die  Spuren  von  den 
Stufen,  welche  zu  dem  Becken  hinabführten,  gefunden  und  ergänzt.  —  An  diesen 
Schwimmbadraum  stösst  südwestlich  ein  Saal  von  ungefähr  gleichen  Dimensionen  [li), 
der  jedoch  durch  die  Ausweitungen  an  beiden  Langseiten  noch  geräumiger  wird. 
Der  Boden  dieses  Centralsaales,  mit  Recht  für  das  Tepidarium  (Laubadsaal)  gehalten, 
war  mit  einem  kostbaren  Marmorpavimente  belegt,  das  sich  besonders  in  den  ni- 
schenförmigen  Ausweitungen,   von  welchen  die  beiden  mittleren  rechtwinkelig  und 


I 


>  Vitruv.  V,  iO. 


Die  Thermen  des  Caracalla.  447 

die  vier  anderen  fast  kreisförmig  sind,  erhalten  hat.  Diese  Exedren  waren  durch  je  ein 
Säulenpaar  von  dem  Saalraume  selbst  abgetrennt,  wovon  sich  noch  Schaftfragmente 
aus  grauem  und  rothem  (Porphyr)  Granit,  wie  mehre  Compositcapitäle  mit  schönem 
figürlichem  Schmuck  (Diana,  Mars,  Bacchus,  Hercules,  Genien  mit  Kränzen  oder 
Muscheln  u.  s.  w.)  in  grösserer  Zahl  neuestens  gefunden  haben.  Die  beiden 
mittleren  Ausweitungen  hatten  in  der  Mitte  zwei  grosse  Porphyrschalen,  von  denen 
die  eine  (zerbrochen)  gefunden  und  in  das  Museum  zu  Neapel  gebracht  wurde. 
Das  Kreuzgewölbe  war  von  acht  mächtigen  Granitsäulen  von  1,5o  Met.  Durch- 
messei-  unterstützt,  von  welchen  die  einzige  erhaltene  von  Papst  Pius  IV.  dem 
Herzoge  Gosimo  I.  geschenkt  und  auf  Piazza  di  Trinitä  in  Florenz  aufgestellt  wurde. 
Wie  das  Frigidarium,  so  stand  auch  das  Tepidarium  mit  zwei  nur  durch  Säulen- 
stellungen abgesonderten  kleineren  Sälen  in  Verbindung,  welche  wahrscheinlich 
ebenfalls  für  warme  Bäder  oder  die  hiezu  gehörigen  Dienstleistungen  bestimmt  waren ; 
daran  aber  stiessen  drei  abgeschlossene  Kammern  (m.  n.  o.),  welche  zum  Theil  durch 
complicirte  Oefen,  deren  Maueransätze  man  noch  sieht,  zur  Erhitzung  des  Wassers 
in  den  veischiedenen  Wärmegraden ,  zum  Theil  zur  Vertheilung  desselben  in  die 
entsprechenden  Baderäume  eingerichtet  waren.  —  Südwestlich  reihen  sich  an  den 
Centralsaal  drei  Gemächer  an,  von  welchen  das  mittlere  zur  Verbindung  diente, 
während  die  beiden  grösseren  und  unregelmässigen  zu  beiden  Seiten  sich  am  wahr- 
scheinlichsten als  Requisiten-  und  Diener-Räume  erklären.  An  diese  aber  schliesst 
sich  eine  Rotunde  (/)  von  fast  50  M.  äusserem  Durchmesser  an,  von  welcher  aller- 
dings nur  mehr  sehr  wenig  und  namentlich  von  dem  über  den  Körper  des  Haupt- 
baues vorspringenden  Theile  nichts  mehr  sichtbar  ist.  Lage  und  Form  im  Allgemeinen 
lassen  bezüglich  der  Bestimmung  dieses  Rundbaues  zunächst  an  ein  Laconicum,  das 
Schwitzbad  denken,  welches  man  nach  Vitruv  (a.  a.  0.)  neben  dem  Tepidarium  und 
als  Rotunde  zu  bauen  pflegte,  doch  scheint  diese  nach  allen  Seiten  hin  offen,  d.  h. 
durch  mehre  Fenster  oder  Thüren  durchbrochen  gewesen  zu  sein,  was  wohl  dem 
Zwecke  des  trockenen,  nur  mit  erhitzter  Luft  gefüllten  Schwitzbades,  welches  ähnlich 
dem  Pantheon  ausser  einer  Thüre  nur  an  dem  Scheitel  der  Kuppel  eine  Oefifnung 
haben  sollte,  die  je  nach  dem  gewünschten  Grade  der  Hitze  durch  eine  Bronzeplatte 
mehr  oder  minder  verschliessbar  war,  nicht  entsprechen  dürfte.  Die  Blosslegung 
des  Pavimentes  und  Nachforschungen  wegen  des  Hypokaustum,  des  Ofenraumes  unter 
dem  Boden  würden  darüber  völlige  Gewissheit  geben  können.  In  den  beiden  er- 
haltenen Pfeilern  dieser  Rotunde  waren  Wendeltreppen  angebracht,  welche  zum 
zweiten  Stockwerke  der  Nebengemächei'  führten. 

Die  beiderseits  an  diesen  Mitteltheil  sich  anschliessenden  Säle  sind  vollkommen 
symmetrisch,  wesshalb  die  Beschreibung  der  erhalteneren  wie  grösstentheils  blosge- 


|~|g  Der  Aventin  und  <iler  Cälius. 

legten  Südostseite  genügt.  An  das  Frigidarium  stossen  mehre  Gemächer,  welche  als  Apo- 
dyterien  (Garderoberäiime)  dienten,  und  einfache  Mosaikmuster  in  dunkelgrün  (Serpentin), 
weiss,  gelb  und  blassroth  zeigen.  In  dem  sowohl  dem  Frigidarium  als  auch  dem  Tepi- 
darium  zunächstliegenden  Gemache  {t)  befindet  sich  in  dem  beiden  Sälen  gemeinsamen 
Hauptpfeiler  eine  in  Rechtecken  gebrochene  Treppe,  welche  wieder  hergestellt  und  zu- 
gänglich gemacht  worden  ist.  Man  gelangt  durch  diese  in  beträchtlicher  Höhe  auf 
eine  Art  Terrasse,  die  noch  Reste  eines  groben  Mosaik  in  weiss  und  dunkelgrün  zeigt. 
Eine  Masse  von  lose  gewordenen  keilförmigen  Musivstückchen  bedecken  den  Boden. 
Man  kann  hier  einige  Gemächer  übersteigen,  von  welchen  die  kleineren  in  zwei  Stock- 
werken bestanden,  und  gelangt  so  zu  verschiedenen  interessanten  Ansichten  der 
Thermenanlage  wie  der  Umgebung.  Die  Treppe  in  dem  Pfeiler  des  entsprechenden  Ge- 
maches der  nordwestlichen  Hälfte  (/i),  ist  nicht  mehr  zugänglich.  Die  oberen  Geschosse, 
von  welchen  jedoch  wenig  erhalten  ist,  dienten  wahrscheinlich  als  Bibliothek,  Pina- 
kothek und  für  andere  Sammlungen.  —  Tritt  man  von  dem  Gemache  {()  in  das 
östlich  zunächstliegende  (/),  so  sieht  man  hier  wie  in  den  anstossenden  kleineren  Räumen 
schöne  Pavimente  in  einfachen  aber  höchst  wirksamen  Mosaikmustern.  Durch  diese 
Gemächer  gelangt  man  in  einen  grossen  länglichen  Raum  (/?),  welcher  einschliesslich 
der  äusseren  Seitengemächer  42  M.  breit  und  66  M.  lang  ist.  Er  war,  wie  es 
scheint,  in  der  Mitte  hypäthral,  d.  h.  unbedacht  mit  zwei  Tribünen  an  den  beiden 
Langseiten,  einer  kleineren  nach  Aussen  und  einer  grösseren  nach  Innen.  Die  erstere 
hatte  noch  Säle  zu  beiden  Seiten,  welche  wie  die  Tribünen  selbst  durch  Säulen 
von  dem  Hauptraume  getrennt  waren.  Der  die  drei  anderen  Seiten  umziehende  Neben- 
raum, welcher  ebenso  wie  der  Mittelraum  Mosaikpavimente  der  oben  beschriebenen 
einfachen  Art  mit  einem  breiten  Band  in  Rankenornament  zeigt,  war,  wie  man  an 
den  Spuren  der  Umfangsmauer  sieht,  in  zwei  von  Säulen  und  einigen  Pfeilern  ge- 
tragene Geschosse  gegliedert.  Am  Boden  liegen  grosse  wahrscheinlich  zum  zweiten 
Geschosse  der  Seitenschiffe  gehörige  und  herabgestürzte  Pavimentstücke  mit  einer 
Tritonen  und  Seeungeheuer  darstellenden  Musivarbeit  in  weiss  und  schwarz.  In  der 
grossen  Tribüne  {(/)  der  inneren  Langseite  aber  fand  man  das  schöne  und  interessante 
Pavimentmosaik  der  Athleten,  welches  grösstentheils  —  Fragmente  liegen  noch  an  ihrer 
ursprünglichen  Stelle  —  in  den  lateranischen  Palast  versetzt  worden  ist.  ^  Dieses 
ist  in  63  oblonge  Felder  eingetheilt:  von  welchen  die  an  den  vier  Ecken  befind- 
lichen sowie  drei  Felder  aus  der  mittleren  der  sieben  Reihen  Siegeszeichen  und  Ge- 
fässe,  die  übrigen  abwechselnd  Brustbilder,  deren  26  sind,  und  Athletengestalten 
zeigen,  viele  mit  Preisen  in  den  Händen,  andere  die  Arme  zum  Faustkampf  um- 
riemt  oder  auch  mit  einer  Art  an  den   Gelenken  gebundener   Stulphandschuhe  be- 

1  G.  P.  Secchi,  II  Musaico  Antoniniano.    Roma  <843.  fol. 


Die  Thermen  des  Caracalla.  449 

kleidet,  andere  mit  dem  Diskos,  einer  mit  drei  kurzen  Wurfspiessen  —  alles  in  ziem- 
lich feiner,  bunter  Darstellung.  Bei  den  meisten  Athleten  sieht  man  einen  Haarbüschel 
am  Hinterkopfe,  über  zweien  der  gefeiertsten  steht  der  Name,  lovinus  Alumnus  trägt 
einen  Kranz  mit  fünf  gebogenen  Spitzen  und  die  Palme.  Diess  Mosaik  weist  auf  die 
auch  sonst  nnchstliegende  Annahme,  dass  dieser,  wie  der  entsprechende  Saal  der 
anderen  Seite  (vielleicht  bei  ungünstiger  Witterung)  als  Palästren  oder  Sphäristerien 
(Ballspielsäle)  gedient  haben ,  wobei  man  das  zweite  Geschoss  der  Seitenschiffe  als 
Zuschauerraum  denken  kann.  Jedenfalls  war  der  Boden  der  Tribüne  auf  dem  anderen 
Flügel  mit  einem  ähnlichen  Mosaik  geschmückt,  welches  noch  —  wenigstens  ist  von 
einer  Ausgrabung  und  Herausnahme  desselben  nichts  bekannt  —  wie  so  viele  andere 
Kunstwerke  unter  dem  Schutte  der  eingestürzten  Gewölbe  begraben  liegt.  —  Welchen 
Zweck  die  jetzt  nur  von  der  Vigna  del  Collegio  Romano  aus  zugänglichen  Gemächer- 
reihen am  südwestlichen  Rande  des  Hauptbaues  zu  beiden  Seiten  der  Rotunde  hatten, 
ist  nicht  kenntlich.  Sie  hatten  alle,  als  gegen  Südwest,  der  sonnigen  und  warmen  Seite, 
gewendet,  keine  Thüren,  sondern  breite  Eingänge  mit  Säulenstellungen,  wodurch  jeden- 
falls der  Gedanke  an  Lakoniken  ausgeschlossen  wird.  Auch  die  Eläothesien  oder  Uncto- 
rien  (Salbezimmer)  scheinen  nach  Vitruv  (a.  a.  0.)  beim  Frigidarium,  mithin  an  der 
Nordostseite  gesucht  werden  zu  müssen.  Am  wahrscheinlichsten  ist,  diese  Säle  eben- 
falls als  Badesäle  (Tepidarien)  anzunehmen,  deren,  nach  den  IGOO  Badesitzen,''  jeden- 
falls mehre  gewesen  sein  müssen;  gewiss  aber  entbehren  die  Erklärungen  jedes  ein- 
zelnen Raumes,  wie  wir  sie  bei  Bleuet  und  Bunsen  finden,  aller  sicheren  Begründung. 
Von  dem  äusseren  Umfangsbau  ist  die  nordöstliche  Seite  am  besten  erhalten. 
Um  die  Reste  zu  sehen,  trete  man  von  der  Via  di  S.  Sebastiano  aus  und  nordwestlich 
von  der  Kirche  SS.  Nereo  e  Achilleo  in  die  Vigna  Gavotti.  Hier  sieht  man  eine  lange 
Reihe  von  Kammern  gleicher  Gestalt  und  Grösse  (a),  wie  die  ganze  Anlage  überhaupt 
von  Backstein,  nach  der  Strasse  hin  oifen,  mehre  sogar  noch  überwölbt  und  mit  Spu- 
ren eines  zweiten  Geschosses,  womit  auch  die  sechs  Doppeltreppen,  deren  Ansätze 
man  noch  erkennt,  übereinstimmen.  In  der  Mitte,  wo  sich  die  Parallelmauern  der  Kam- 
mern etwas  ferner  stehen,  befindet  sich  der  Haupteingang  zu  den  Thermen  selbst. 
Die  noch  übrigen  Gewölbe  sind  jetzt  theilweise  mit  Wasser  gefüllt  und  befinden  sich 
desshalb  in  einem  sehr  herabgekommenen  Zustande,  lieber  den  Zweck  dieser  Kam- 
mern hat  man  verschiedentlich  geurtheilt.  Gewiss  mit  Unrecht  hielten  sie  einige  für 
(he  Gemächer  der  Thermendiener  oder  der  Wachen,  denn  für  beide  hätte  man  kaum 
einen  so  umfangreichen  Bau  aufgeführt,  welcher  auch  für  eine  übergrosse  Anzahl  der 
dabei  Bediensteten  noch  zu  gross  erscheint;  wahrscheinlicher  ist,  dass  die  gegenseitig 

'  Phot.  Bibl.  (Olympiod.)  80.  p.  63.  (Bekk.) 

1'.  Reber,  die  Ruinen  Roms.  57 


450  0^''  Aventin  und  der  Cälius. 

verbindungslosen  Kammern  zu  Einzelbädern  (vielleicht  für  Frauen)  gedient  haben.  An 
der  Südostseite  ist  in  der  Vigna  del  Collegio  Romano ,  zu  welcher  man  durch  die  Via 
della  Antoniniana  gelangt,  nur  mehr  ein  nach  Innen  abgerundeter  massig  grosser  Saal  (c) 
erhalten,  das  Uebrige  erhebt  sich  nur  sehr  spärlich  über  den  modernen  Boden.  Desto 
mehr  linden  wir  aber  auf  der  ebenso  angelegten  Nordwestseite,  zu  welcher  man  von 
der  Via  di  Antonino  aus,  dem  modernen  Eingange  zu  den  Thermen  fast  gegenüber 
(Vigna  Agatucci),  gelangt.  Die  Umfriedung  bildet  nemlich  hier  eine  segmentförmige  Aus- 
beugung, welche  von  einem  überwölbten  Corridor  derselben  gekrümmten  Gestalt,  des- 
sen Wölbungsansätze  an  den  erhaltenen  Pfeilern  und  Mauern  noch  theilweise  sichtbar 
sind,  umsäumt  war,  und  drei  Säle  (b)  enthielt,  die  wahrscheinHch  für  die  geistige  Un- 
terhaltung, die  rhetorischen,  poetischen  und  philosophischen  Vorträge  und  Discussionen 
bestimmt  waren.  — '■  Die  vierte  Seite  der  Umfriedung  (Südwest)  gehört  wieder  gröss- 
tentheils  zu  dem  schon  erwähnten  Weingarten  des  Collegio  Romano,  dessen  Reben 
jedoch,  von  Jahr  zu  Jahr  schwächer,  mit  dem  Schilfrohr  der  etwas  sumpfigen  Fläche 
einen  in  ungleicher  Weise  begünstigten  Kampf  zu  bestehen  haben.  Zwischen  vier  wahr- 
scheinlich zur  Vorbereitung  für  gymnische  Uebungen  und  auch  für  diese  selbst  be- 
stimmten Sälen  (Apodyterien,  Eläothesien,  Conisterien),  von  denen  zwei  ((/)  sehr  geräu- 
mig waren  und  schön  ausgestattet  gewesen  zu  sein  scheinen,  befand  sich  ein  grosser 
Wasserbehälter  in  vielen  Zellen  (e)  und  vor  diesem  gegen  das  Innere  gewendet  die 
Cavea  eines  Stadium;  die  Reste  dieser  Seite  überragen  den  modernen  Boden  nur  mehr 
in  geringer  Höhe.  Den  grossen  Zwischenraum  zwischen  dem  Stadium  und  dem  Haupt- 
bau nahmen  ohne  Zweifel  grüne  mit  Wandelgängen  durchschnittene  Anlagen,  von  den 
Griechen  ne^idfjöf-uöat,  von  den  Römern  xysti  genannt,  ein,  deren  Unerlässlichkeit  hier  aus 
Vitruv^  sicher  hervorgeht.  Wie  wesentlich  auch  Rasenplätze,  deren  niedriges  Gebüsch 
Platanen,  Pinien  und  Cypressen  überragten,  wohl  von  Fontänen  belebt  und  gekühlt, 
die  Schönheit  und  den  Reiz  des  Ganzen  erhöhen  mussten,  braucht  nicht  besonders 
hervorgehoben  zu  werden.  Wahrscheinlich  umgaben  die  Anlagen  den  ganzen  Mittel- 
bau und  wir  haben  desshalb  nicht  nöthig,  mit  A.  Rich^  rings  herum  eine  Säulenhalle 
anzunehmen,  von  welcher  man  keine  Spur  gefunden  hat. 

Diese  Thermen  wurden  im  Consulatsjahre  des  Sabinus  und  Venustus,^  21 G  v.  Chr.,'^ 
erbaut,  doch  nicht  vollendet.  Die  Einweihung  nahm  Elagabal  vor,  während  erst  Alexan- 
der Severus  die  Porticus  (wohl  die  Umfriedung)  vervollständigte.^  Wir  begreifen  leicht 
aus  den  Ruinen,  obwohl  die  düsteren  Wände  jetzt  alles  Marmorschmuckes  beraubt  sind, 
wie  diese  Bäder  »grossartig  und  prächtig«  genannt  werden  konnten.^   Als  Hauptmerk- 


*  V.  11.  *   lUustrirtes  Wörterbuch   d.   röm.  Alterth.    Par.  und  Lpz.  1862.    S.  621  fg.  '  Cassiod. 

Chron.   (Rone.  II.  col.  208.)         *  Hieron.  Chron.   (Rone.  T.  col.  472.)         "  Script.  H.  A.   (Lamprid.)  Heliogab.  17. 
Alex.  Sev.  25.         "  (Spartian.)  Sept.  Sever.  21.  Carac.  9. 


Die   Columbarien  der  Vigna  Codini.  45^) 

Würdigkeit  wird  an  der  letztangezogenen  Stelle  erwähnt,  dass  die  ungeheure  Wölbung 
der  Cella  Solearis  (Miltelsaal  kF)  von  einem  ehernen  Netze  getragen  wurde.  Die  weit- 
läufigen Räume  enthielten  1600  Badesitze,''  wonach  jedenfalls  der  grösste  Theil  des 
Erdgeschosses  für  Baderäume  benutzt  sein  musste.  Auf  diese  wenigen  und  kurzen 
Notizen  beschränken  sich  die  classischen  Nachrichten;  dass  jedoch  die  Thermen  sogar 
noch  zu  Anfang  des  6.  Jahrhunderts  im  Gebrauche  waren,  erhellt  aus  den  Restaura- 
tionen des  Theodorich,  von  welchen  man  noch  Ziegel  mit  dessen  Namen  entdeckt  hat. 
Bald  nachher  aber  müssen  sie  in  Verfall  gerathen  sein. 

In  der  Mitte  des  1 G.  Jahrhunderts,  unter  P.  Paul  III.,  veranstalteten  die  Far- 
nese  eine  Ausgrabung,  bei  welcher  eine  grosse  Anzahl  kostbarer,  meist  fragmentirter 
Sculpturwerke,  darunter  aber  namentlich  der  berühmte  Herakles  des  Glykon^  und  die 
Gruppe  des  farnesischen  Stieres  gefunden  ward,  der  zahlreichen  Relief-  und  Säulen- 
fragmente von  kostbarem  Marmor,  Bronzestatuetten,  Lampen,  Cameen  und  Münzen ^ 
nicht  zu  gedenken ;  aus  diesen  Thermen  stammen  auch  die  beiden  Porphyr-Brunnen- 
becken auf  Piazza  Farnese.*  Im  J.  1564  wanderte  die  letzte  der  kolossalen  Säulen 
des  Mittelsaales  (zu  Anfang  desselben  Jahrhunderts  scheinen  noch  mehre  gestanden  zu 
sein  2)  nach  Florenz,  wo  sie,  mit  einer  Victoria  geschmückt,  zur  Erinnerung  an  Cosimo's 
Sieg  über  Pietro  Strozzi  aufgestellt  wurde.  —  Papst  Paul  V.  schenkte  die  Ruine  dem 
Seminarium  Romanum,^  in  dessen  Besitz  sich  jedoch  der  grösste  Theil  nicht  mehr  be- 
findet; der  Mittelbau  ist  Eigenthum  der  Regierung.  Die  Ausgrabungen,  welche  Conte 
E.  di  Velo  im  Jahre  1 823  unternahm,  ergaben  nur  unbedeutende  Sculpturreste,  hatten 
aber  eine  genaue  Planaufnahme  mit  Beschreibung  von  De  Romanis  und  Blouet  zur 
Folge. '^ 

87.     Die  Columbarien  der  Vigna  Codini. 

Das  spitze  Dreieck,  welches  einerseits  von  der  Via  Appia  (di  P.  S.  Lorenzo), 
anderseits  von  der  Via  Latina  und  an  der  Grundlinie  von  der  aurelianischen  Mauer 
begränzt  wird,  war  ursprünghch,  wie  diess  neben  allen  Strassen  zunächst  der  Stadt 
(nach  dem  servischen  BegriÜe)  und  besonders  an  der  Appia  der  Fall  war,  mit  Grab- 
mälern  dicht  besetzt.  Die  Zerstörung  der  einen  verschüttete  die  andern,  und  so  kömmt 
es,  dass  man  fast  überall,  wo  man  Nachgrabungen  veranstaltet,  auf  zerstörte  Gräber 
stösst.    Dass  aber  auch  von  erhaltenen  Grabdenkmalen  noch  viele  unter  dem  moder- 


'  Vgl.  S.  449.  Anm.  1.  *  Aldroandi,  Raccolta  delle  Statue  di  Roma.  R.  1554.    id.  Memorie  1556.  n».  18. 

(Fea,  Miscell.  I.  p.  CCXI.)        ^  Bartoli,  Mem.  n«.  78.   (Fea,  Miscell.  I.  p.  CCXLl  sq.)        *  Fl.  Vacca,  Mein.  n".  23. 
(Fea,  p.  LXV.)         *  Albertini  Opusc.  de  Mirabilibus  nov.  et  vet.  U.  R.  1515.  fol.  20.  «  Donati  de  IJrlje  Roma 

L.  III.  c.  19.   (Graev.  Th.  A.  R.  tom.  III.  p.  776.)         ^  G.  A.  Biouet,  Restauration  des  thermes  d'Antonin  Cara- 
caila  ä  Rome.   Par.  1828. 

57* 


452 


Der  Aventin  und  der  Cälius. 


nen  Boden  ruhen,  mag  daraus  erhellen,  dass  man  vier  derselben  in  und  unmittelbar 
an  einer  einzigen  Vigna  (Codini)  fand,  welche  nicht  bloss  zugänglich  gemacht,  sondern 
auch  durch  neue  Gewölbe  und  Bedachungen  geschützt  wurden.  Es  sind  diess  jedoch 
insgesammt  Libertengraber  ohne  persönliches  Interesse,  in  culturgeschichtlicher  Beziehung 
aber  wegen  ihrer  vorzüglichen  Erhaltung  von  grossem  Werthe.  Sie  werden  Columbarien 
genannt,  w  eil  die  Aehnlichkeit  der  kleinen  Nischen ,  in  welchen  sich  in  einer  doppelten 
Vertiefung  am  Boden  die  Aschentöpfe  befinden  und  welche  die  Wände  innen  ringsum 
von  oben  bis  unten  durchbrechen,  mit  den  Taubenlöchern  an  Taubenschläge  erinnern 
musste.  Diese  Löcher  sind  in  der  Regel  ganz  schmucklos,  die  eingelassenen  irdenen  Töpfe 
mit  ebenfalls  irdenen  Deckeln  bedeckt,  und  nur  ein  kleines  dabei  angebrachtes  Mar- 
mortäfelchen enthält  die  Namen  des  in  den  Doppeltöpfen  beigesetzten  Paares.  Der  eine 
oder  andere  Beigesetzte  wurde  durch  eine  kleine  Aedicule  in  Stuck,  welche  seine  Nische 
schmückte,  oder  durch  eine  marmorne  Aschenkiste  ausgezeichnet.  Manche  Columbarien 
sind  durchaus  mit  grösserem  Aufwände  angelegt,  und  gliedern  sich  schon  in  mehr  oder 
minder  reich  ausgeschmückte  Familiengräber, 

Zwei  sehr  einfache  Columbarien  findet  man,  wenn  man  in  die  Via  di  P.  S.  Lo- 
renzo  No.  I  4  eintretend  die  Vigna  Codini  bis  nahe  an  die  Via  und  Porta  Latina  durch- 
schreitet. Das  eine  davon  wurde  im  J.  1840  entdeckt.*  Eine  schmale  und  steile  Back- 
steintreppe   von    20  Stufen  führt    der   einen  Wand    entlang   hinunter   in    ein    länglich 

viereckiges  Gemach,  dessen  (moderne) 
Decke  durch  einen  massiven  ebenfalls 
oblongen  Pfeiler  in  der  Mitte  gestützt 
wird.  Die  Anlage  der  Grabstellen  ist 
hier  überaus  einfach;  denn  die  vier 
Wände  und  der  Pfeiler  selbst  sind  mit 
der  grössten  Raumersparniss  ganz  mit 
den  halbkreisförmigen  Nischen,  welche 
den  Columbarien  ihren  Namen  gaben, 
bedeckt,  und  zwar  in  9  Reihen  über- 
einander, so  dass  sich  die  Summe  von 
425  Nischen  berechnet,  welche,  da 
jede  zwei  Aschentöpfe  aufnahm,  mit 
den  einzelnen  an  den  Bodenbänken 
angebrachten    Grabstellen    Raum    für 


i'-i.     Innere  Ansicht  eines  Columbariuin.  (F.  R.) 


'  Cav.  G.  P.  Campana,  Di  due  sepolcri  Romani  del  secolo  di  Augusto  scoperti  tra  la  via  Latina  e  I'Ap- 
pia  presso  la  tomba  degli  Scipioni.    R.  1840. 


Die  Columbarien  der  Yigna  Codini. 


453 


Gruniii'iss  eines  Golutnbui'iuii 


909  Verstorbene  enthielten.  An  den  Wänden  sind  die  Grabstellen  von  fast  durchweg  gleicher 
Beschaffenheit ;  einige  jedoch  sind  viereckig  ausgeweitet  und  enthalten  marmorne  Aschen- 
kisten, von  welchen  eine  unten 
abgebildet  ist,  was  besonders 
am  Pfeiler  häufiger  der  Fall  ist, 
der  überhaupt  zur  Aufnahme  der 
hervorragenderen  Persönlichkei- 
ten bestimmt  gewesen  zu  sein 
scheint.  Die  so  erweiterten  Höh- 
len sind  meist  mit  einem  von 
Halbsäuichen  getragenen  Giebel 
in  bemaltem  Stuck  geschmückt. 
In  den  vier  grossen,  fast  2  Met. 
hohen  Nischen ,  welche  an  den 
vier  Seiten  des  Pfeilers  unten 
angebracht  sind,  fand  sich  eine 
/(/Ak/  Urne,  eine  Aschenkiste  und  eine 
Büste,  unter  welcher  letzteren 
man  den  Namen  p  •  valerivs  •  creticvs  liest.  An  den  beiden  längeren  Seiten  des  Pfeilers 
reichen  die  Columbarlöcher  bis  zur  Decke,  an  den  beiden  schmäleren  wird  der  obere 
Theil  von  je  vier  durch  Gesimse  getrennte  Fresken  eingenommen,  welche  ein  bekränztes 
Bildniss  eines  Mannes,  einen  Pfau,  Hahn,  ein  Kaninchen,    Tauben  und  andere  Vögel, 

Früchte,  Geräthschaften  und  Rosengewinde 
—  ziemlich  roh  gearbeitet  darstellen.  Die  In- 
schriften sind  ohne  namentliches  Interesse;  sie 
nennen  meistens  Freigelassene  und  Hofbedien- 
stete aus  der  Zeit  der  drei  ersten  Kaiser. 

Nicht  weit  davon  befindet  sich  ein  anderes 
im  J.  1847  entdecktes^  Columbarium  von  ähn- 
licher Gestalt  und  Einrichtung ,  doch  ohne  den 
Mittelpfeiler ,  mit  einer  Treppe  derselben  Con- 
struction  und  Stufenzahl.  Auch  die  Columbar- 
höhlen  befinden  sich  in  neun  regelmässigen 
Reihen  übereinander,  sind  aber  häufig  mit  Gie- 
beln,  in  rolh  und  blau  roh  gemalt,   verziert.    Hier   wurden    mehre  Aschengefässe   in 


Muniionie  Aschunkisic   uus   einem  Coluinl)arium.    (i\a<-h 
Canipaiiii.) 


'  Bulletino  d.  Inst.  d.  Corrisp.  arch.  1847.  IM.  6.  Marzo.  p.  4  9— 51.   (Colombario  detto  di  famiglia  dl  Pompeo.) 


454  ^er  Aventin  und  der  Cälius. 

Marmor  und  Terracotta,  an  400  Marmorepigraphe  zum  Theil  noch  an  ihrer  ursprünglichen 
Stelle  und  andere  Gegenstande  gefunden,  auch  drei  Büsten  befinden  sich  noch  an  ihrem 
Platze,  In  dem  Fussboden  sieht  man  eine  in  Stuck  mosaicirte,  theilweise  unleserliche  In- 
schrift, aus  welcher  hervorzugehen  scheint,  dass  Freigelassene  aus  der  letzten  Zeit  der 
Bepublik  diese  Grabstätte  errichteten: 

C  •  MEIVIIVIIVS    OL-  ALEXAN 

DROS  •  SEXPOIVIPEI     DSPD-D 

CVRATORIS  ....  NimENT 

In  diese  Zeit  bis  Tiberius  gehören  auch  die  Epigraphe. 

Unferne  von  diesen  beiden  Columbarien  in  der  benachbarten  Vigna  Sassi  und 
ganz  nahe  an  der  Porta  Latina  befindet  sich  ein  drittes ,  bei  weitem  schöneres ,  schon  im 
J.  1831  entdeckt.^  Eine  moderne  Treppe  führt  zu  dem  noch  erhaltenen  antiken  Ein- 
gange, welcher  von  einem  schon  zerstört  gefundenen  Vorgemach  in  das  untere  Grab 
hinabführt,  lieber  dem  Eingange  befindet  sich  eine  Musivinschrift : 

CN  •  POIVIPONI/ 

HYLAE 

POIVIPOIMIAE  •  CN  •  L 

VITALINIS 

unter  welcher  zwei  Greife  zu  beiden  Seiten  eines  Dreifusses  gemalt  sind.  Oberhalb  be- 
findet sich  eine  rechtwinkelige  Blende,  deren  Gewölbe  grottesk  mit  Muscheln  bekleidet 
war.  Steigt  man  nun  die  antike  Backsteintreppe  ganz  hinunter,  so  gelangt  man  an  ein 
fast  quadratisches  Gewölbe,  welches  ursprünglich  halb  unterirdisch  war  und  in  seinem 
unteren  Theile  in  den  lebenden  Tuf  selbst  gehauen  ist.  Das  noch  erhaltene  Tonnenge- 
wölbe ist  mit  Rebengewinden  in  grossen,  anmuthigen  Verschlingungen  bemalt ;  auf  den 
Zweigen  derselben  tanzen  und  ruhen  Genien  in  mannigfachen  Stellungen,  mit  Vögeln 
u.  dgl.  abwechselnd.  Die  Grabstätten  an  den  Wänden  herum  sind  nach  Familien  durch 
Doppelädiculen  gegliedert ,  welche  von  verschiedener  Gestalt  sind ,  gewöhnlich  aber  im 
unteren  Geschosse  Pilaster,  im  oberen  dorische  Gebälke  und  Giebel  tragende  Halbsäulen 
zeigen.  Die  beiden  durch  Gesimse  geschiedenen  Geschosse  dieser  Aediculen  enthalten 
je  eines  der  Columbarlöcher  mit  doppelten  Aschentöpfen,  Von  besonderer  Schönheit  und 
reich  an  Stuck-  und  Marmorornamentik  sind  die  zwei  Aediculen  unmittelbar  bei  der 
Treppe,  und  das  Hauptdenkmal  in  der  grossen  2, so  M.  weiten  und  ebenso  hohen  halb- 
kreisförmigen Nische.  Das  letztere  enthält  acht  Aschentöpfe,  vermuthlich  von  sechs  Kin- 
dern und  den  beiden  Eltern,  deren  Bildnisse  über  der  Hauptvertiefung  gemalt  sind  und 
deren  Namen  die  Inschrift  unterhalb  nennt: 

Q     GRANIVS  •  NESTOR     FEC 

SIBI  •  ET     VINLEIA  •  HEDONE 

CONIVGI  •  BENE  •  m 


*  Bulletino  d.  I.  d.  C.  a.  VII.  1 831 .  Luglio,  Columbario  d'Ottavia  nelia  via  Latina.  p.  97.  98.  &  1 832.  Gennaro.  p.  5. 


Diis  Grabmal  der  Scipionen.  435 

Auch  Fries  und  Giebelfeld  dieses  Hauptgrabes  sowie  die  Wölbung  der  grossen  Nische 
sind  mit  heiteren  Gestalten  und  Laubgevvinde  bemalt.  Merkwürdig  ist  noch  von  den  übri- 
gen Aediculen  der  Hauptnische  die  Verbin(|ung  von  je  zwei  durch  einen  gemeinsamen 
Giebel,  dessen  Spitze  jedoch  unterbrochen  ist ,  um  einem  halbkreisförmigen  Mitteltheile 
Platz  zu  machen,  eine  Geschmacklosigkeit,  welche  der  Barockstyl  mit  besonderer  Vorliebe 
nachgeahmt  und  in  Anwendung  gebracht  hat.  An  der  Treppenseite  befinden  sich  in  acht 
Reihen  übereinander  die  ärmlichen  Columbarlöcher  ohne  weitere  Ausschmückung.  Ausser 
einer  grossen  Anzahl  von  Namentafelchen  fand  man  mehre  schön  gearbeitete  Aschen- 
kisten, Reliefs  und  Reste  von  Statuetten  in  Marmor  und  Terracotta,  verschiedenes  Ge- 
räthe,  Lampen,  eine  goldene  Nadel,  eine  Krystallvase  u.  a.  m.  Die  Inschriften  sind  ohne 
besonderes  Interesse  und  meistens  von  Freigelassenen  und  Bediensteten  des  Augustus, 
wesshalb  man  diess  Grabmal  dem  Gesinde  {familia)  dieses  Kaisers  und  überhaupt  seines 
Hauses  zugeschrieben  hat. 

Neben  diesem  Grabmale  stiess  man  noch  auf  mehre  kleinere  Columbarien,  die 
man  jedoch  bereits  geplündert  und  zerstört  fand. 

Ein  viertes  Columbarium  ebenfalls  von  der  reicheren  Art  befindet  sich  in  der 
westlich  anstossenden  Vigna,  ganz  nahe  an  der  Via  Appia.  Dieses  besteht  in  einem  ziem- 
lich schmalen  dreiseitigen  und  in  rechten  Winkeln  gebrochenen  Corridor.  Die  Mauern 
von  Netzfach  sind  mit  schönen  Festonen  und  anderer  Ornamentik  bemalt,  sonst  aber  an 
allen  Seiten  für  Columbarhöhlen  benutzt,  von  welchen  die  grösseren  zur  Aufnahme  von 
Aschenkisten  cubisch  ausgeweitet  sind.  Hier  fand  man  mehre  Sarkophage  und  von  den 
Gerippen  noch  wohl  erhaltene  Schädel.  Die  Inschriften,  ebenso  wie  in  den  zwei  anderen 
kaiserliche  Liberten  der  augusteischen  und  unmittelbar  nachfolgenden  Zeit  nennend,  sind 
ohne  Namensinteresse,  doch  geben  einige  nicht  unwichtige  Aufschlüsse  über  die  Hof- 
chargen, wie  von  Aufsehern  an  den  beiden  Apollo-Bibhotheken  auf  dem  Palatin  u.  a.  m. 
Auch  ein  Lieblingshündchen  war  unter  den  Liberten  beigesetzt  worden.  Das  erst  vor  fünf 
Jahren  blossgelegte  Grab  harrt  noch  der  Publication  und  wird  desshalb  nur  auf  sehr 
nachdrückliches  Verlangen  gezeigt. 

88.    Das  Grabmal  der  Scipionen. 

Wenn  wir  die  beschriebenen  vier  Columbarien  als  Curiositäten  untergeordneter 
Art  ohne  historisches  Interesse  und  ohne  Sympathie  für  die  Tausende ,  deren  Staub  sich 
grossentheils  noch  in  den  irdenen  Aschenkrügen  befindet ,  betrachteten ,  so  werden  wir 
wohl  die  südöstlich  nächstanstossende  Vigna  (No.  1 3),  über  deren  unansehnlichem  Ein- 
gange sich  die  Aufschrift  »Ingresso  al  Sepolcro  degli  Scipioni«  befindet,  mit  ganz  anderen 
Gefühlen  betreten.     Gibt  es  doch  wenige  Gräber  in  der  Welt,  an  denen  eine  grössere 


456 


Der  Aventin  und  der  Cälius. 


Erinnerung  weltgeschichtlich  ruhmvoller  Vergangenheit  haftet,  als  die  Grabstätte  der  Sci- 
pionen,  wenn  auch  manches  Columbarium  reicher  geschmückt  und  mit  grösserem  Auf- 
wände hergestellt  war.  In  der  That  bewegte  auch  den  Verfasser  dieses,  als  er  vor  dem 
modernen  und  ziemlich  geschmacklos  decorirten  Portale  des  Grabmales  selbst  sass,  um 
die  Zeichnung  anzufertigen,  nach  welcher  das  Titelbild  dieses  Buches  ausgeführt  ist,  mehr 
Empfindung,  als  vor  manchem  grossartigen  Bau,  den  der  Stolz  der  Cäsaren  hatte  er- 
stehen lassen ! 

Hier  eintretend,  gelangt  man  bei  Fackelschein  durch  einen  kurzen ,  ebenfalls  mo- 
dernen ,  unterirdischen  Corridor  zu  der  unregelmässig  in  den  -weichen  Tuf  gewühlten 
Gruft,  die  aus  mehren  schmalen  und  niedrigen  einander  durchschneidenden  Gängen  be- 
steht. Die  jetzige  Gestalt  derselben  ist  jedoch  leider  von  der  antiken  sehr  verschieden, 
sowohl  in  Folge  der  zu  wenig  sorgsamen  und  beaufsichtigten  Ausgrabungen  als  auch  der 
vielen  Substructionsmauern ,  welche  der  drohende  Einsturz  einzelner  Gänge  erforderte ; 
und  selbst  der  Plan,  welcher  gleich  nach  der  ersten  Ausgrabung  im  J.  1780,  dem  Jahre 
der  Entdeckung,  angefertigt  wurde  und  sich  in  der  Form  eines  Modells  im  Besitze  des 
Herrn  Vincenzo  Titoli''  befinden  soll,  lässt  sich,  zuverlässig  schon  an  sich  von  der  ur- 
sprünglichen Anlage  verschieden,  auch  in  dem  gegenwärtigen  Zustande  kaum  wieder 
erkennen. 

Die  Gruft,  welche  nach  zwei 
Seiten  zugänglich  war,  westhch 
von  einer  Strasse  aus,  welche  die 
Latina  und  Appia  verband  und 
südlich  von  der  Appia  selbst, 
nimmt  an  jener  Seite  einen  Raum 
von  etwa  26,  an  dieser  von  etwa 
17  Met.  ein.  Der  antike  Ein£:an^ 
an  der  Verbindungsstrasse ,  jetzt 
ebenfalls  unterirdisch,  ist  in  sei- 
ner Aussenseite  noch  theilweise 
sichtbar,  dient  jedoch  jetzt  nicht 
mehr  seinem  ursprünglichen 
Zwecke,  denn  der  moderne  Ein- 
gang ward  an  einer  andern  Stelle, 
von  der  Via  Appia  aus,  hineinge- 
brochen. Von  jenem  antiken  Eingange  aber  bildet  der  Tuffelsen  selbst,  sorgfältig  behauen. 


Gi-uridriss  des  Scipioiieiigrabes.  (Nacli  Cotlafavi.) 


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'  Eine  Abbildung  davon  bei  Nibby,  Roma  nell'  anno  1838.  Parte  II.  ant.  tav.  XXII.  a. 


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Das  Grabmal  der  Scipionen. 


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457 


die  Wand.  Ueber  dem  aus  wenigen  Tufblöcken  construirten  Eingangsbogen  läuft  ein 
einfacher  Gürtel  und  über  diesem  waren  Halbsäulen  ionischer  Ordnung  mit  attischen  Ba- 
sen angebracht,  von  welchen  noch  eine  zur  Linken  theilweise  sichtbar  ist.  Das  Uebrige 
der  Wand  ist  mit  Stuck  bekleidet,  der  in  wenigen  Resten  noch  Spuren  rother  Bemalung 
zeigt.  Von  diesem  Eingange  aus  verzweigen  sich  zur  Linken  die  in  den  Tuf  gebrochenen 
Gänge,  während  sich  zur  Rechten  drei  in  Backstein  gemauerte  und  gewölbte  Kammern 
befinden.  An  verschiedenen  Stellen  sind  die  Inschrifttafeln  der  hier  bestatteten  Mitglieder 
der  berühmten  Familien  und  einige  schmucklose  Reste  der  in  den  Tuffelsen  eingelassenen 
Steinsärge  angebracht.  Doch  letztere,  roh  in  grauem  Tuf  gearbeitet,  sind  fast  bis  zur  Un- 
kenntlichkeit zerstört,  und  jene  sind  nur  Copien  der  hier  gefundenen  Inschriften ,  selbst 
diese  nicht  vollzählig  und  ganz  willkürlich  da  angebracht,  wo  sich  eben  ein  passender 
Platz  fand,  wesshalb  sie  auch  keine  besondere  Beachtung  verdienen.  Jedenfalls  aber 
bleibt  es  sehr  beklagenswerth,  dass  dieses  Grabmal  des  in  der  Geschichte  unsterblichen 
Geschlechtes  der  Scipionen  nicht  mit  mehr  Schonung  und  Pietät  behandelt  worden  ist. 
Alles  Erhaltene  aber,  was  man  gefunden,  wurde  im  vaticanischen  Museum  in  der  Ro- 
tunde des  Torso  von  Belvedere  aufgestellt ,  wesshalb  es  besser  sein  wird ,  es  dort  im 
Originale  zu  betrachten. 

Das  älteste  und  hervorragendste  Denkmal  aus  dieser  Sammlung  ist  der  Sarkophag 
des  Corn.  Luc.  Scipio  Barbatus.  Dieser  ist  von  grauem  Tuf  (Peperino)  und  mit  Attributen 
des  dorischen  und  ionischen  Styls,  mit  Triglyphen,  verschiedenartigen  Rosetten  in  den 
Metopen  und  dem  ionischen  Zahnschnitt  ornamentirt.  Der  Deckel,  welcher  zur  Hälfte  er- 
gänzt ist,  zeigt  an  den  Ecken  die  Spiralen  des  ionischen  Capitäls.    Von  dem  ganzen  Sar- 


llililllliiül  I  i!ll!ili!ll!p)!!JP|'iW#|!!|!|l|!!!!lii!lli!H\ia.^        mä  I\ 


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illlliiii!lllii!!l!illllllliiiil!;li!i!iiiillliillliiiiiiiy 


53.     Saikophu';  des  (Idi-ii.   Lucius  Scipio  Haihalus.   ;l'.  U.) 


F.  Ukhek,  die  Ruinen  Roms. 


58 


•  '■^i, 


458  f^^'"  Aventiii   und  der  Cälius. 

kophage  ist  jedoch  nur  die  eine  Langseite  und  von  den  beiden  Schmalseiten  nur  ein 
kleines  Stück  so  ausgeziert,  da  der  übrige  Theil  in  den  Tuffelsen  des  Grabgewölbes  ein- 
gelassen war.  Der  mit  Menig  auf  den  Deckel  gemalte  Name,  wie  die  durch  den  Styl 
(saturnin.  Verse)  und  die  gegebenen  Nachrichten  höchst  interessante  auf  den  Sarkophag 
selbst  eingegrabene  Inschrift  ist  auf  der  beifolgenden  genauen  Abbildung  (S.  457)  deut- 
lich und  selbst  mit  der  Eigenthümlichkeit  der  alten  Buchstaben  zu  ersehen. 

Das  Wort  Samnio  der  vierten  Zeile  ist  Ergänzung ,  wahrscheinlich  stand  an  der 
Stelle  desselben  ein  anderer  Stadtnamen.  Die  Archaismen  Gnaivod  für  Gnaeo,  quoius  für 
cums,  virtutei  statt  virtute,  quei  für  qiii,  die  Abkürzungen  Tmirasia,  Cisauna  für  Taurasiam 
und  Cisaunam,  omne  Loucana  für  omnem  Lucaniam,  sowie  abdoiicit  für  ahducit  u.  a.  wer- 
den kaum  befremden,  die  inschriftlichen  Angaben  aber  geben  Thatsachen  von  den  unter- 
italischen Kriegen,  die  wir  sonst  aus  der  Geschichte  nicht  im  Einzelnen  kennen.^  Das 
Consulat  dieses  Scipio  fällt  in  das  Jahr  456  d.  St.  (298  v.  Chr.),  wonach  der  Sarkophag 
zu  den  ältesten  noch  erhaltenen  römischen  Monumenten  gehört. 

Eine  in  ähnhcher  Weise  abgefasste  Lobesinschrift  fand  sich  auch  von  dem  gleich- 
namigen Sohne  dieses,  welcher  im  J.  d.  St.  495  (259  v.  Chr.)  Consul  war,  und  wie  sein 
Vater  im  Samniterkriege,  so  in  Corsica  seinen  Kriegsruhm  erwarb,  worauf  er,  wie  auch 
anderwärts  erzählt  wird,^  in  der  L  Region  (Porta  Capena)  ^  den  Tempestates  einen  Tem- 
pel weihte.  Diese  Inschrift,  schon  im  J.  1616  ausgegraben,  befindet  sich  jetzt  in  der  bar- 
berinischen  Bibliothek  an  der  Mauer  links  vom  Eingange  und  lautet  also : 

HONC  •  OINO     PLOIRVME     COSENTIONT  •  R.  • . . 

DVONORVIVl  •  OPTVmO  •  FVISE     VIRO 

LVCIOlVI     SCIPIONE     FILIOS     BARBATI 

CONSOL  •  CENSOR  •  AIDILIS  •  HIC  •  FVET     A. . . 

HEC  •  CEPIT     CORSICA    ALERIAQVE  •  VRBE 

DEDET  •  TEMPESTATEBVS  •  AIDE  •  IVIERETO 

Der  hiezu  gehörige  Titel  war  wieder  bloss  mit  rother  Farbe  gemalt  (gefunden  1780. 
Mus.  Vatic.  No.  1 7) : 

CORNELfO     L     F    SCIPIO 
'    AIDILES  •  COSOL     CESOR 

Von  den  Archaismen  dieser  Inschrift  bedürfen  nur  das  Wort  diionorum  flir  bonorum  und 
die  Formen  oplumo  viro  lAiciom  Scipione  für  optimum  viriirn  Luciiim  Scipionem,  filios  für 
filius  nebst  den  anderen  accusativischen  Abkürzungen  der  Erwähnung.  —  Eine  dritte 
Inschrift  der  Art  nennt  den  etwa  ein  halbes  Jahrhundert  später  lebenden  Sohn  des  be- 
rühmten Scipio  Africanus,  welcher  nur  die  Würde  eines  Flamen  Dialis  bekleidete,  den- 
selben,  welcher  als  kinderlos  den  nachher  unter  dem  Namen  Scipio  Africanus  Minor 


'  Liv.  X.  12.  13.     Frontin.  Strateg.  I.  6    11.         *  Ovid.  Fast.  VI.  v.  193  sq.         '  Notitia  dign.  Reg.  I. 


#* 


* 

Das  Grabmal  der  Scipionen.  459 

bekannten  Sohn   des  Aemilius  Paullus   adoptiite^   (gefunden   1780  in  2  Platten.  Mus. 

Vat.  No.  22): 

QVEI     APICE     INSIGNE  •  DIALIS  •  FLAIVIINIS  •  GESISTEI 

mORS  •  PERFEcit  •  TVA    VT  •  ESSENT  •  OIVINIA 

BREVIA  •  HONOS  •  FAIVIA  •  VIRTVSQVE 

'^  GLORIA     ATQVE  •  INGENIVIVl     QVIBVS    SEI 

IN    LONGA    LiCVISETTIBEVTlER    VITA 

FACILE     FACTEIS  •  SVPERASES  ■  GLORIAIYI 

MAlORViVI  •  QVARE  •  LVBENS  •  TE  •  IN  •  GREMIV 

SCIPIO  •  RECIPIT  •  TERRA     PVBLI 

PROGNATVm  •  PVBLIO  •  CORNELI 

Die  drei  angeführten  Inschriften,  von  welchen  besonders  die  letzte  von  hoher  poetischer 
Schönheit,  sind  metrisch  und  aus  der  Classe  der  saturninischen  Verse,  deren  Ende  zu- 
weilen durch  kleine  horizontale  Striche  angezeigt  ist.  Aus  der  Form  derselben  vermuthet 
Niebuhr  mit  Recht,  dass  wir  in  ihnen  theilweise  oder  ganze  Nänien  besitzen, ^  jene  Lob- 
lieder, welche  bei  Leichenbegängnissen  zur  Flöte  abgesungen  zu  werden  pflegten.^  — 
Ungeftihr  derselben  Zeit  gehört  der  fragmentirte  Titel  der  Gemahlin  des  Cn.  Cornehus 
Scipio  Hispallus,  welcher  in  seinem  Consulate  (578  d.  St.)  starb,  an  (Mus.  Vat.  No.  21): 

AVLLA     CORNELIA  •  CN     F     HISPALLI 

Ebenso  der  Stein  des  L.  Corn.  Scipio,  des  Asiaticus  Sohn  (Mus.  Vat.  No.  19),  und  ein 
anderer  fragmentirter  von  einem  Enkel  des  Asiaticus,  der  nur  ein  Alter  von  16  Jahren 
erreichte  (Mus.  Vat.  No.  1 8) :  H 

L  •  CORNELI     L     F     P     n  RNELIVS     L     F     L     N 

SCIPIO  •  QVAIST  *  O     ASIAGENVS 

TR     IVIIL  •  ANNOS  OMATVS    ANNORV 

GNATVS  •  XXXIII  GNATVS  •  XVI  * 

IVIORTVOS  •  PATER 

REGEIVI    ANTIOCO 

SVBEGIT 

Die  folgenden  Inschriften  gehören  dem  7.  Jahrhundert  der  Stadt  und  die  Namen 
derselben  dem  Zweige  der  Hispalli  an.  Die  erste  nennt  den  L.  Corn.  Scipio ,  den  Sohn 
des  Cneius,  des  Eroberers  von  Spanien,  welcher  im  J.  578  als  Consul  gestorben  war.  — 
Dieser  hatte  die  Prätur  im  J.  615  und  vertrieb  die  Astrologen  und  die  Verehrer  des  lupi- 
ter  Sabazius  aus  Rom  ^  (Mus.  Vat.  No.  24.  3  Platten) : 

CN  •  CORNELIVS  •  CN  •  F  •  SCIPIO  •  HISPANVS 

PR  •  AID  •  CVR  •  Q     TR  •  miL     II     X  •  VIR     SL     IVDIK 

X     VIR  •  SACR  •  FAC 

VIRTVTES  •  GENERIS  •  MIEIS     IVIORIBVS  •  ACCVMVLAVI 

PROGENIEIVI  •  GENVI  •  FACTA  •  PATRIS  •  PETIEI 

MAIORVM  •  OPTENVI  •  LAVDEIVI  •  VT  •  SIBEI     IVIE  •  ESSE  ■  CREATVM 

LAETENTVR     STIRPEIVl  •  NOBILITAVIT  •  HONOR 

'  Cic.  Cat.  mai.  M.        "  Niebuhr,  Rom.  Gesch.  I.  S.  285.  Vgl.  Mommsen,  Rom.  Gesch.  L  Bd.  2.  Aufl.  S.  426. 
*  Cic.  legg.  II.  24.         *  anni  583.  Liv.  XLV.  44.         *  Val.  Max.  L  3,  3  &  4. 

68* 


460  Der  Aventin  und  der  CUliiis.  * 

Die  Inschrift  bezeichnet  den  Gefeierten  als  Prätor,  AediHs  Curulis,  Quästor,  Tribunus 
Mih'tum,  Decemvir  Litibiis  iudicandis  und  Sacris  faciundis.  Die  beiden  schönen  Distichen 
werden  dem  Ennius  zugeschrieben,  sind  jedoch  wahrscheinhch ,  wie  der  ganze  Stein, 
aus  etwas  späterer  Zeit.  —  Eine  andere  Inschrift  bezieht  sich  wahrscheinlich  auf  des 
Genannten  Bruder,  der  jung  starb  (Mus.  Vat.  No.  23): 

L  •  CORNELIVS  •  CN  •  F  ■  CN  ■  N  •  SCIPIO  •  MAGNA  •  SAPIENTIA 

mVLTASQVE  •  VIRTVTES  •  AETATE  •  QVOlVI  •  PARVA 

POSIDET  •  HOC  •  SAXSVm  •  QVOIEI  •  VITA  •  DEFECIT  •  NON 

HONOS  •  HONORE     IS  •  HIC  •  SITVS  •  QVEI  •  NVNQVAIVI 

VICTVS  •  EST  •  VIRTVTEI  •  ANNOS  •  GNATVS     XX  •  IS 

♦  DATVS     NE  •  QVAIRATIS     HONORE 

QVEI  •  miNVS  •  SIT  •  IVIAND 

Alle  bisher  angeführten  Inschriften  sind  in  grauen  Tuf  (Peperin)  gegraben ;  zwei  andere, 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  8.  Jahrhunderts  d.  St.  befinden  sich  auf  Marmortafeln.  Die 
eine  von  diesen  nennt  die  Cornelia  Gätulica,  Tochter  des  Corn.  Gossus  Lentulus,  welcher 
um  d.  J.  759  d.  St.  nach  der  Unterwerfung  der  Gätuler  die  Triumphalinsignien  und  den 
Beinamen  Gätulicus  erhielt.^  Die  andere  bezeichnete  die  Grabstätte  des  M.  lunius  Sila- 
nus  Lutatius  Catulus,  des  Sohnes  des  Decimus  lunius,  welcher  durch  Adoption  in  die 
Familie  der  Cossier  und  durch  diese  in  das  Geschlecht  der  Cornelier  gelangt  war,^  Enkel 
des  Gätulicus,  Urenkel  des  Cossus  (Mus.  Vat.  No.  32) : 

CORNELIA  IVl     IVNIVS  •  SILANVS 

GAETVLIC!  •  F  D  •  SILANI     F     GAETVLICI 

GAETVLICA  NEPOS  •  COSSl  •  PRON 

LVTATIVS  •  CATVLVS    X     VIR 

STILITIB  •  IVDIC  •  SALIVS  •  COLLIN  •  VIXIT 

ANNIS  •  XX  •  lYIENSIBVS     VMlT 

In  demselben  Saale  des  vatican.  Museum  befinden  sich  noch  mehre  Inschriften 
von  Freigelassenen  des  Hauses  der  Scipionen ,  welche  bei ,  nicht  in  dem  Grabmale  ge- 
funden wurden  und  einige  andere  Fragmente.  Nicht  uninteressant  ist  eine  dort  gefun- 
dene, einen  jugendlichen  Kopf  darstellende  Büste  von  Peperin,  welche  mit  Unrecht  dem 
Dichter  Ennius  zugeschrieben  wird.  Denn  dieser  scheint  zwar  im  Grabmale  der  Scipio- 
nen beigesetzt  worden  zu  sein,^  allein  an  diese  Büste  wird  doch  kaum  gedacht  werden 
dürfen,  wenn  Livius  *  von  einer  Statue  des  Ennius  daselbst  spricht.  —  Das  Epitaphium 
des  grössten  der  Scipionen,  des  Scipio  Africanus  Maior,  suchte  man  vergeblich :  eine  theil- 
weise  Bestätigung  der  allerdings  von  Livius  selbst  unbestimmt  gegebenen  Nachricht,^  dass 
er  auf  seinem  Landgute  zu  Liternum  beigesetzt  worden  sei,  gegen  welche  Angabe  doch 
die  Fabel  eines  Scholiasten^  von  der  Grabpyramide  des  Africanus  im  vaticanischen  Gebiete 


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'  Dio  Cass.  LV.  28.     Tacit.  Ann.  IV.  46.         *  Tacit.  Ann.  111.  24.         '  Hieron.  Chron.   (Rone.  1.  col.  379.) 
XXXVin.   36.         »  id.   53.  36.        «  Acron.   ad  Uor.   Epod.  9.   v.  23. 


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Der  muthmassliche  Bogen  des  Drusus:  461 

kein  Gewicht  haben  kann.  Bei  den  Scipionen  herrschte  noch  der  traditionell. in  der  Fa- 
milie der  Cornelier  bis  Sulla  ^  festgehaltene  altlatinische  Brauch,  die  Leichen  nicht  zu  ver- 
brennen, sondern  zu  begraben.  Der  Sarkophag  des  Scipio  Barbatus  enthielt,  als  man  ihn 
entdeckte,  noch  die  in  Staub  zerfallenden  Gebeine,  diese  aber  wurden,  als  man  das 
Denkmal  in  das  Museum  brachte,  aus  einem  unbekannten  Grunde  herausgenommen  und 
blieben  unbeachtet  liegen,  bis  der  Lombarde  Quirini,  Senator  von  Padua,  sie  mit  sich 
nahm  und  in  seiner  Villa  Altichiero  bei  Padua  bestattete. 

Eine  ausführliche  und  mit  zahlreichen  Illustrationen  ausgestattete  Besprechung 
des  Scipionengrabes  hat  der  gelehrte  Visconti  geliefert.^ 

89.     Der  muthmassliche  Bogen  des  Drusus. 

Ganz  nahe  an  der  Porta  Appia  (P.  d.  S.  Sebastiano)  erhebt  sich  über  der  Via 
Appia  oder  Via  di  P.  S.  Sebastiano  ein  sehr  verstümmeltes,  einthoriges  Bogendenkmal. 
Dieses  ist  in  seinem  Kerne  von  Travertin  und  war,  wie  man  noch  an  beträchtlichen 
Resten  sieht,  mit  Marmor  bekleidet ;  ganz  von  Marmor  jedoch  ist  die  Bogenwölbung  mit 
den  Imposten.  Der  Bogendurchgang  ist  7, 21  M.  hoch,  5,7ö  tief  und  0,50  M.  weit.  Von 
den  Säulen,  deren  ursprünglich  acht  gewesen  sein  müssen ,  haben  sich  nur  zwei  an  der 
Seite  gegen  das  Thor  (Südost)  erhalten;  diese  stehen  auf  2,6o  M.  hohen  Piedestalen,  der 
Schaft  von  numidischem  Marmor  (giallo)  ist  4,98  M.  hoch,  die  korinthische  Base  0,4o,  das 
Composit-Capitäl  0,9o;  die  beiden  letzteren  sind  von  weissem  Marmor.  Auch  der  ihnen 
entsprechende  Gebälkvorsprung  ist  noch  erhalten,  ausser  diesem  und  den  undeutlichen 
Spuren  eines  Giebels  auf  der  anderen  Seite  von  architektonischem  Schmucke  nichts  mehr. 

Auf  dem  Bogen  lasten  die  Ueberreste  eines  Baues  aus  Ziegeln  und  kleineren 
Bruchsteinen,  welche  häufig  mit  dem  Zweigaquäducte  in  Verbindung  gebracht  werden, 
den  Antoninus  Caracalla  von  der  Aqua  Marcia  weg  nach  seinen  Thermen  leitete  und 
allerdings  über  diesen  Bogen  führte,  wie  man  aus  der  Richtung  der  nordöstlich  nahelie- 
genden Backsteinpfeiler  und  Bogen  sowie  aus  deren  Fortsetzung  auf  der  gegenüberiie- 
genden  Seite  entnehmen  kann.  Doch  der  Aufbau  auf  unserem  Bogen  zeigt  keine  Aehn- 
lichkeit  mit  dem  Backsteinbau  der  antoninischen  Thermen  und  der  nahen  Aquäductbogen 
selbst  und  gehört  vielmehr  in  eine  schlechte  Bauzeit  des  Mittelalters  (sog.  opera  sarace- 
nesca)  und  zu  einem  Thurme,  der  auf  diesem,  wie  auf  den  übrigen  Bogen  der  Stadt  er- 
richtet war. 

Die  Kostbarkeit  des  bei  dem  Bogen  selbst  angewendeten  Materials  macht  es  auch 
nicht  wahrscheinlich,  dass  dieses  Denkmal  als  Strassen übergangsbogen  eines  Aquäducts 


*  Cic.  legg.  II.  22.   Plin.  H.  N.  VII.  12,  10,  54.        *  E.  Q.  Visconti,  Opere  varie  racc.  dal  Df«  G.  Labus.  Mil. 
1827.  Vol.  I  p.  1—70.  er.  Orelli  (Henzen)  Inscr.  I  &  III.  No.  550—360. 


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462  D^^  Aventin  und  der  Cälius. 

erbaut  worden  sei,  und  es  ist  weit  natürlicher,  dass  Caracalla  einen  schon  vorhandenen 
Bogen  benutzt  habe,  um  über  die  Attika  seinen  Kanal  zu  führen.  Nun  aber  nennt  die 
Notitia  in  der  Region  Porta  Capena  drei  Triumphbogen,  des  Verus,  Traianus  und  Drusus, 
und  wir  haben  zunächst  zwischen  den  dreien  schwere  Wahl.  Wenn  aber  auch  die  com- 
positen  Capitäle  einerseits  veranlassen,  an  eine  etwas  vorgerückte  Periode  zu  denken,  so 
legt  es  anderseits  eine  Münzabbildung  vom  Triumphbogen  des  Drusus ,  der  auch  nach 
einer  anderen  Angabe  ^  sich  über  der  Via  Appia  befand ,  durch  die  Aehnlichkeit  nahe ,  in 
der  Ruine  das  Denkmal  des  Drusus  zu  vermuthen.^  Durch  den  Bogen  wird  überdiess 
gewiss,  dass  die  Via  Appia  schon  vor  Caracalla  in  der  Linie  lief,  welche  auch  jetzt  noch 
durch  die  Via  di  P.  S.  Sebastiano  eingehalten  wird,  wenn  auch  weiter  nach  Innen  ihr 
Lauf  ursprünghch  nicht  so  geradlinig  war,  wie  er  wahrscheinlich  erst  durch  Antoninus, 
um  ihn  mit  den  Thermen  in  Einklang  zu  bringen,  als  Via  (Appia)  nova,  wie  der  Name  in 
der  Notitia  heisst,  geschaffen  wurde.  Der  alten  Appia  gehörte  wahrscheinlich  das  Stück  an, 
welches  hinter  dem  Hause  No.  7  erst  unlängst  aufgedeckt  wurde,  wonacli  sich  die  ältere 
Strasse  näher  an  den  CäHus  hielt  und  mehr  gegen  S.  Gregorio  zu  laufend,  wo  auch  die 
Porta  Capena  angenommen  werden  muss,  einen  Theil  der  starken  Krümmung  von  der 
Via  di  S.  Sebastiano  in  die  Via  di  S.  Gregorio  vermied,  dafür  aber  einige  Unebenheiten 
mit  in  den  Kauf  nahm. 

90.    Der  lateranische  Obelisk. 

Nach  Besichtigung  der  Ueberreste  der  Region  Porta  Capena  zur  nächstliegenden, 
dem  Caelimontium  übergehend,  erreichen  wir,  nachdem  wir  von  der  Via  di  S.  Sebastiano 
aus  bei  S.  Sisto  die  Via  della  Ferratella  betreten  und  diese  der  ganzen  Ausdehnung  nach 
verfolgt  haben ,  die  östlichen  Ausläufer  des  Cälius  und  den  Lateransplatz.  Diesen 
schmückt  ein  imposanter  Obelisk ,  der  älteste ,  schönste  und  höchste  der  vielen  in  Rom 
befindlichen,  von  blassrothem  Granit,  32, 4o  Met.  in  der  Höhe  messend.  Seine  schön  ge- 
arbeiteten Hieroglyphen  sollen  nach  der  Erklärung  von  Kennern  in  den  Königsringen  den 
Namen  des  Thoutmes  IV.  enthalten,  welcher  ihn  um  die  Mitte  des  1 8.  Jahrhunderts  v.  Chr. 
vor  dem  grossen  Sonnentempel  in  Theben  errichtete.  Kaiser  Constantin  nahm  ihn  von 
seinem  Platze  und  Hess  ihn  auf  dem  Nil  nach  Alexandria  schaffen,  wie  es  scheint  in  der 
AbsicTit,  ihn  von  da  nach  Byzanz  (Ammianus  nennt  allerdings  Rom  als  den  beabsichtig- 
ten Bestimmungsort)  zu  bringen. ^  Doch  während  der  Vorbereitungen  zur  Ueberfahrt 
über  das  Meer  starb  Constantin,  und  sein  Nachfolger  Älaxentius  brachte  ihn  nur  bis  drei 
römische  Meilen  vor  Rom,  wo  er  an  der  Via  Ostiensis  ausgeschifft  wurde  und  liegen 

Suelon    Claud.  -1 .  *  Veteres  Arcus  Augustorum  notis  I.  P.  Bellorii  illustr.  delin.  e  sculpt.  a  P.  S. 

Bartolo.  R.  1690.  tab.  LH.    Eckhel,  Doctr.  Num.  vet.  P.  H.  Vol.  VI.  p.  4  76  sq.        *  Ammian.  Marcellin.  XVII.  4. 


♦ 


Der  lateranische  Obelisk.  463 

blieb.  Erst  Constantius,  Conslantins  Sohn,  schaffte  ihn  in  die  Stadt  und  liess  ihn  auf  der 
Spina  des  Circus  Maximus  neben  dem  des  Augustus  aufstellen.  Am  Ende  des  16.  Jahr- 
hunderts lagen  beide  2  Met.  tief  unter  dem  modernen  Boden  des  Circus ;  der  erstere 
wurde  in  drei  Stücke  zerbrochen  gefunden,  unter  Sixtus  V.  ausgegraben  und  durch  Dom. 
Fontana  hier  aufgestellt,''  nachdem  man  von  dem  unteren  Theile  ein  sehr  beschädigtes 
Stück  von  fast  1  Met.  Länge  abgenommen  hatte.  (Der  andere  des  Augustus  erhielt ,  wie 
wir  unten  sehen  werden,  auf  Piazza  del  Popolo  seinen  neuen  Platz.)  Das  antike  Granit- 
piedestal  wurde  zersägt  und  zu  den  nöthigen  Ausbesserungen  verwendet ,  die  auf  den 
vier  Seiten  desselben  angebrachten  metrischen  Inschriften  aber  nicht  bloss  abgeschrie- 
ben,^ sondern  auch  im  Gypsabdruck  im  vaticanischen  Museum  niedergelegt,  wo  sie  noch 
zu  sehen  sind.  Die  Inschriften  lauten : 

PATRIS  •  OPVS  •  mVNVS  •  suum  •  TIBI  •  ROIVIA  •  DICAVIT 

AVGVSTVS     loio  .  ConsiaiiTIVS  •  ORBE  •  RECEPTO 

ET  •  QVOD  •  NVLLA  •  TVLIT  •  TELLVS     NEC  •  VIDERAT  •  AETAS 

COIMDIDIT  •  ET     CLARIS  •  EXA,quET  •  DONA  •  TRIVMFIS  ^ 

HOC  •  DECVS  •  ORNATVm  •  GENITOR  •  COGNOiVIINIS  •  VRBIS  ^ 

ESSE  •  VOLENS  •  CAESA  •  THEBIS  •  DE  •  RVPE    REVELLIT 

SED  •  GRAVIOR  •  DIVVfVl  .  TANGEBAT  •  CVRA  •  VEHENDI 
QVOD  •  NVLLO  •  INGENIO  •  NISVQVE  •  iVIANVQVE  ■  IVIOVERI 
CAVCASEAIVI  •  lYlOLEIVI  •  DISCVRRENS  •  FAMA  •  iVIONEBAT 
AT  •  DOIYIINVS  ■  iVIVNDI  •  CONSTANTIVS  •  OMNIA  •  FRETVS 
CEDERE     VIRTVTI     TERRIS  •  INCEDERE     IVSSIT 
HAVT  •  PARTEM  •  EXIGVAIVl  •  MONTIS  •  PONTOQVE  •  TVMENTI 

CREDIDIT  •  ET       PLACIDO  •  vexerunt  •  acqunra  •  FLVCTV 

LITVS     AD  •  HESPERIVm  •  Tibeti  •  IVIIRANTE  •  CARINAIVI 
INTEREA  •  ROmAm     TApoRO  •  VASTANTE  •  TYRANNO 
AVGVSTI  •  lACVIT  •  DONVIVI  •  STVDIVIVIQVE  •  LOCANDI 
NON     FASTV  •  SPRETI  •  SED     QVOD     NON  •  CREDERET  •  VLLVS 
TANTAE  •  lYlOLIS  •  OPVS  •  SVPERAS  •  CONSVRGERE  •  IN  •  AVRAS 

NVNC     VELVTI  •  RVRSVS  •  RVfis  •  AVVLSA     iVIETALLIS 
EmiCVIT     PVLSATQ  •  POLOS  •  HAEC  •  GLORIA  •  DVDVIVl 
AVCTORI     SERVATA     SVO  •  CVm     CAEDE     TVRANNI 
REDDITVR     ATQVE     ADITV     ROmae  •  VIRTVTE     REPERTO 
VICTOR  •  OVANS  •  VRBIQue  •  locat  •  sublime  •  TROPAEViVl 
PRINCIPIS  •  ET  •  mVNVS  •  CONDIgnis  •  usQVE     TRIVMFIS 

Sixtus  V.  leste  ein  neues  grosses  Piedestal  unter ,  das  er  wieder  auf  den  vier  Seiten  mit 
Inschriften,  die  sich  auf  die  Geschichte  des  Denkmals  beziehen ,  schmücken  liess.  Der 
Gipfel  ist  mit  dem  Wappenzeichen  Sixtus  V.,  den  vier  Löwen  und  dem  Symbol  der 
sieben  Hügel,  von  Stern  und  Kreuz  überragt,  gekrönt. 


'  Fl  am.  Vacca,  Mem.   n».  5.   (Fea,  Mis^ell.  I.  p.  LIII.)         *  Grut.  Inscr.  p.  CLXXWI.  no.  3. 


'M  • 

464  Der  Aventin  und  der  Cälius. 

91.    Der  neronische  Zweigaquäduct. 

Der  Lateranplatz  unterbricht  den  einzigen  innerhalb  der  Mauern  noch  grossen- 
theils  erhaltenen  Bogenaquäduct,  welcher  von  Porta  Maggiore  nach  dem  Cähus  führt 
und  dessen  Lauf  bis  an  den  Westabhang  des  Cälius  verfolgt  werden  kann.  Er  ist  ganz 
aus  Ziegeln  gebaut,  deren  Fügung  eine  vorzügliche  Bauperiode  verrathen,  zweigt  südlich 
von  dem  genannten  Thore  von  der  Aqua  Claudia  ab,  und  besteht  an  den  niedrigeren 
Stellen  aus  doppelt  übereinandergestellten  Bogen,  deren  schönsterhaltene  man  in  der  von 
Porta  Maggiore  nach  S.  Croce  in  Gerusalemme  führenden  Yia  di  S.  Croce  sieht.  Die 
exacte  Fügung  der  flachen  Ziegel  namentlich  an  den  Bogen  ist  sehr  beachtenswerth ; 
auch  sieht  man  noch  die  Vertiefung  von  einer  vormals  hier  (als  einem  Strassenübergang) 
befindlichen  Inschrifttafel.  Von  hier  führt  der  Aquäduct  durch  die  Villa  Conti  und  die 
Vigna  Falcone,  wird  bei  S^'ala  Santa  unterbrochen ,  beginnt  dann  nach  einzelnen  Pfeilern 
zu  beiden  Seiten  der  Via  Merulana  endlich  in  der  Via  di  S.  Stefano  wieder,  und  zieht 
sieb  die  Strasse  entlang  mit  Unterbrechungen  bis  zu  dem  Bogen  des  Dolabella  und  Sila- 
nus  (s.  den  folgenden  Artikel),  auf  welchem  er  die  Via  di  S.  Giovanni  e  Paolo  überschrei- 
tet, um  sich  etwas  nordwestlich  zu  wenden  und  dann  zu  endigen.  Der  letzte  Theil  könnte 
dem  Backstein  nach  etwas  späteren  Ursprunges  sein.  Ueber  Namen  und  Bedeutung  die- 
ser Wasserleitung  kann  kein  Zweifel  herrschen.  Denn  wir  wissen  aus  Frontin,  dass  Nero 
von  der  Claudia  aus  einen  Arm  nach  dem  Cälius  leitete,  und  dass  diese  neronischen  Bo- 
gen, welche  bei  dem  Tempel  des  Claudius  endigten,  hauptsächlich  den  Cähus,  in  einzel- 
nen Zweigen  aber  auch  den  Palatin,  Aventin  und  die  transtiberinische  Region  speisten.'' 
Der  Lauf  der  Leitung,  der  Anschluss  derselben  an  die  Claudia  und  der  Ziegelbau  selbst 
bestätigen  es  auch  in  unwiderleglicher  Weise,  dass  wir  in  den  Resten  diesen  neronischen 
Zweigaquäduct  vor  uns  haben.  Der  Endpunkt  ist  allerdings  nicht  sicher,  die  Stelle  beim 
Tempel  des  Claudius,  welche  Frontin  angibt,  kann  übrigens  jedenfalls  nur  auf  die  gemein- 
same neronische  Leitung  bezogen  werden ,  und  gibt  wohl  nur  das  Hauptcastell  an ,  wo 
die  Vertheilung  des  auf  den  Cälius,  den  Aventinus  und  Palatinus  trefienden  Antheils  vor 
sich  ging,  wo  sich  auch  vielleicht  eine  Hauptfontäne  befand.  Von  der  Fortsetzung  auf 
den  Palatin  hinüber  sieht  man  noch  einige  Bogen  im  Thale  neben  der  Via  di  S.  Gregorio, 
von  derjenigen  aber,  welche ßen  Aventin  versorgte ,  haben  wir  ausser  den  bestimmten 
Angaben  bei  Frontin  keinen  Nachweis. 

92.    Der  Bogen  des  Dolabella  und  Silanus. 

Wie  eben  erwähnt ,  überschreitet  der  neronische  Zweigaquäduct  auf  der  Höhe 
des  Cähus  vermittelst  eines  entschieden  älteren  Strassendenkmals  die  Via  di  S.  Giovanni 


'  Frontin.   de  aquaed.   I.  20.    II.   76.   87. 


"a^ASäT?.-'«'" 


Gezv.  E  Reber 


Verlag  v.  T.  O.Weigel  in  Leipzig 


Lith  Allst  vW  i.oeiliot  111  üsriu 


Bo^en  des  Dolabella  und   Silanus. 


Das  angebliclie  Macellum.  463 

e  Paolo,  welche  demnach  sicher  an  die  Stelle  eines  antiken  Clivus  getreten  ist.  Dieses 
Denkmal  besteht  in  einem  einfachen,  einthorigen  Bogen  von  Travertin ,  welcher  auf  der 
Westseite  noch  fast  ganz  von  dem  neronischen  Ziegelbau  bedeckt  ist,  an  der  Ostseite  aber, 
welche  die  beifolgende  Abbildung  zeigt,  wahrscheinlich  durch  die  Zerstörung  der  Zeit 
von  dieser  Verhüllung  grösstentheils  befreit  worden  ist.  Auf  dem  schmucklosen  Fries  be- 
findet sich  eine  Inschrift,  welche  also  lautet : 

P    CORNELI VS   PF.  DOLABELLA 

C   I VN I VS  •  C  F .  SILANVS   FLAMEN   MARTI  AL 

EX   S    C 

FACIVNDVM    CVRAVERVNT   IDEMQVE   PROBAVERVNT 

Das  Gonsulat  der  in  der  Inschrift  genannten  Erbauer  Mt  in  das  Jahr  763  d.  St.  {10 
n.  Chr.),  mithin  in  die  Zeit  der  Regierung  des  Augustus,  und  da  der  Bogen  in  diesem 
Jahre  erbaut  ward,  so  musste  er  ursprünglich  einem  anderen  Zwecke  dienen,  als  die 
neronische  Leitung  zu  tragen.  Doch  kann  hier  an  kein  Ehrendenkmal  gedacht  werden, 
da  sich  keinerlei  Zierden  finden,  auch  die  Inschrift  auf  ein  solches  nicht  hinweist,  viel- 
mehr auf  eine  öffentliche  auf  Senat sbeschluss  hin  geschaffene  Anlage  schliessen  lässt. 
Welcher  Art  aber  diese  gewesen  sei,  dürfte  schwerlich  zu  ermitteln  sein ,  möglich  ist  es 
indess,  dass  der  Bogen  schon  ursprünglich  eine  Wasserleitung  trug,  da  schon  vor  der 
neronischen  die  Aqua  Marcia  und  luha  den  Cälius  versorgten,  mit  Beiziehung  der  Clau- 
dia durch  Nero  aber  aufß:efi;eben  worden  waren. ^ 


93.    Das  angebliche  Macellum.  (S.  Stefano  Rotondo.) 

Zu  den  antiquarischen  Räthseln  des  Cälius  gehört  namentlich  der  schöne  Rund- 
bau von  S.  Stefano  Rotondo,  nicht  weit  östlich  von  dem  ebenbeschriebenen  Bogen  des 
Dolabella  und  Silanus.  Es  herrscht  zwar  darüber  kein  Zweifel  mehr,  dass  die  Kirche 
selbst  fast  vom  Grund  auf  aus  christlicher  Zeit  stamme ,  und  in  der  zweiten  Hälfte  des 
5.  Jahrhunderts  (geweiht  468  durch  Papst  Simplicius)  erbaut  wurde;  was  sowohl  die 
Ziegel  als  auch  die  verschiedenartigen  56  Säulen,  die  von  mehren  antiken  Gebäuden  ent- 
lehnt sind,  beweisen.  Doch  die  ganze  Anlage  erscheint  einem  christlichen  Kirchenbau 
dieser  Zeit  so  durchaus  fremd,  dass  man  allen  Grund  hat  anzunehmen ,  man  habe  Plan, 
Grundmauern  und  Material  eines  antiken  Gebäudes  zum  christlichen  Neubau  benutzt. 
Der  in  seiner  Anlage  wirklich  imponirende  Bau  besteht  in  einer  ziemlich  hohen,  von  Säu- 
len getragenen  und  darüber  in  Ziegeln  aufgemauerten  Rotunde,  welche  eine  etwas  nied- 
rigere, von  einem  zweiten  Säulenkreise  gestützte  Halle  umgibt.    Diese  ist  jedoch  jetzt  in 


*  Frontin.  de  aquaeduct.  I.  <9.   II.  76.  83.  87. 
F.  Rebbr,   die  Buinen  Roms.  59 


4(36  Der  Avenlin  und  der  CUlius. 

Kapellen  abgetheilt  und  der  äussere  Säulenring  wurde  grösstentheils  vermauert,  wodurch 
allerdings  der  Eindruck,  den  das  Gebäude  ursprünglich  machen  musste ,  wesentlich  be- 
einträchtigt wird.  Noch  mehr  benachtheiligen  das  gegenwärtige  Aussehen  die  zwei 
grossen  Säulen,  welche  durch  Bogen  verbunden  das  Dach  der  Rotunde  stützen,  der 
gräulichen  Martergemälde  an  den  Wänden  und  des  geschmacklosen,  übertünchten  Haupt- 
altars in  der  Mitte  nicht  zu  gedenken,  wie  denn  überhaupt  die  sehr  herabgekommene 
Kirche  in  jeder  nur  möglichen  Weise  entstellt  ist.  Wenn  wir  aber  auch  annehmen  müs- 
sen, dass  dem  Bau  dieser  Kirche  eine  Ruine  ähnlicher  Gestalt  zu  Grunde  lag,  so  ist  es 
doch  schwer,  die  ursprüngliche  Bedeutung  derselben  zu  errathen.  Die  localen  Nachrich- 
ten über  die  Gebäude  des  Cälius  sind  sehr  mangelhaft,  und  wenn  wir  auch  aus  inschrift- 
lichen Funden  ^  und  mehren  in  dieser  Gegend  entdeckten  marmornen  VotivschifTchen,  von 
welchen  eine  auf  Befehl  des  Papstes  Leo  X.  angefertigte  Copie  noch  die  danach  benannte 
Piazza  della  Navicella  schmückt,  darauf  schliessen  dürfen,  dass  sich  in  dieser  Gegend  die 
Castra  peregrina  und  der  Tempel  des  lupiter  Redux  befanden ,  so  ist  doch  damit  kein 
passendes  Gebäude  gefunden,  da  der  letztgenannte  Tempel  auf  keinen  Fall  so  bedeutend 
war,  und  eine  Rotunde  für  die  Castra  peregrina ,  deren  Entstehung ,  Gestalt  und  Zweck 
übrigens  ganz  unklar  ist,^  noch  weniger  passend  sein  würde.  Die  ganz  sinnlose  bei  den 
älteren  Topographen  ^  übliche  Bezeichnung  der  Kirche  als  eines  Tempels  des  Faunus 
übergehend,  können  wir  nur  noch  den  Tempel  des  Claudius  und  das  Macellum  Magnum 
in  Betracht  ziehen,  welche  beide  von  der  Notitia  nebeneinander  genannt  werden ,  und 
sich  allerdings  auf  der  Westseite  des  Hügels  befunden  haben  müssen ;  und  unter  diesen 
würde  der  Anlage  nach  das  letztere  mehr  entsprechen.  Denn  für  eine  grosse  Victualien- 
und  zunächst  Fleischerhalle  würde  der  leicht  auf  Säulen  stehende  und  von  einem  dop- 
pelten Hallengang  umschlossene  Raum  sich  wohl  geeignet  haben,  und  dass  man  die 
Macella  überhaupt  gerne  als  Rundgebäude  anlegte ,  geht  sowohl  aus  einer  Münze  des 
Nero*  als  auch  aus  einer  Notiz  des  Varro^  hervor.  Zu  der  Gewissheit  jedoch,  wie  sie 
die  moderne  italienische  Topographie  in  ihrer  überhaupt  leicht  befriedigten  Art  (Nardini, 
Nibby,  Canina)  auch  in  diesem  Punkte  gefunden ,  kann  man  auf  diese  Gründe  hin  nicht 
gelangen. 


94.    Der  Obelisk  in  der  ehemaligen  Villa  Mattei. 

Die  Umwandlung  der  Villa  Mattei  in  einen  Nonnenconvent  hat  leider  den  schönen 
durch  seine  herrliche  Aussicht  über  die  Campagna  und  das  Albanergebirge  berühmten 


'  Orelli,  Inser.  n».  9  &  <256.  *  Ammian.  Marcell.  XVl.  12.  »  A.  Fulvii  Antiquit.  Urb.  R.  1527. 

fol.  XXII.  —  L.  Fauno,  Antich.  della  c.  d.  Roma.  Ven.  1548.  fol.  98.  —  Gamucci,  Libri  IV  dell"  antichitä  di  Roma. 
Veu.  1565.  p.  92.         *  Eckhel,  Doctr.  Num.  vet.  Tom.  II.  Vol.  VI.  p.  273.         *  Non.  VI.  2. 


Die  Arcaden  bei  SS.  Giovanni  e  Paolo.  467 

Garten  für  Männer  unzugänglich  gemacht,  und  damit  auch  den  in  demselben  befindlichen 
Obelisk  der  Besichtigung  entzogen.  Das  letztere  mögen  diejenigen  sehr  beklagen,  welche 
eben  grossen  Werth  auf  ein  nicht  sehr  bedeutendes  Bruchstück  eines  Obelisken  später 
Arbeit  legen,  das  jedenfalls  unter  den  vielen  der  Hauptstadt  an  die  letzte  Stelle  gehört. 
Der  Obelisk  war  bis  zum  Ende  des  IG.  Jahrhunderts  auf  dem  Capitolsplatze  neben  der 
Einmündung  der  Via  dell'  Arco  di  Settimio  Severo  gelegen,  wesshalb  man  auf  die  Er- 
wähnung von  Isispriestern  auf  dem  Capitole  hin^  glaubte,  er  habe  dort  ein  Heiligthum 
dieser  ägyptischen  Gottheit  geschmückt,  welches  Heiligthum  jedoch  durch  keine  andere 
Notiz  eine  bestimmte  Bestätigung  erhält.  Das  Volk  machte  ihn  dem  Ciriaco  Mattei  zum 
Geschenke  und  dieser  stellte  ihn  im  J.  1582  nach  der  am  Piedestal  angebrachten  In- 
schrift in  seiner  Villa  an  einer  Stelle  auf,  wo  man  ihn  in  der  Via  di  S.  Sebastiane  schon 
von  ferne  erblickt. 


95.   Die  Arcaden  bei  SS.  Giovanni  e  Paolo. 

Unter  den  vielen  Ungereimtheiten  der  älteren  Topographen  gibt  es  kaum  eine 
grössere,  als  die,  welche  sich  an  einen  schwerbestimmbaren  Ueberrest  bei  SS.  Giovanni 
e  Paolo  geknüpft  hat.  Es  befinden  sich  nemlich  dort  doppelte  Reihen  pilastrirter  Traver- 
tinbogen,  von  welchen  noch  ein  geringer  Theil  auf  dem  kleinen  Platze  vor  der  genann- 
ten Kirche  sichtbar,  das  Uebrige  von  modernen  Magazinen  verbaut,  doch  unter  dem  Kloster 
noch  in  drei  Stockwerken  erhalten  ist,  mithin  Corridore ,  wie  sie  in  der  römischen  Bau- 
kunst sowohl  im  Privatbau  als  bei  öffentlichen  Gebäuden,  Theatern,  Basiliken  u.  a.  häu- 
fig wiederkehren.  Es  kann  demnach  gar  nichts  willkürlicheres  geben,  als  einen  solchen 
Ueberrest  einem  in  Tempelform  angelegten  Gebäude  zuzuschreiben,  besonders  wenn  die- 
ses notorisch  in  einer  ganz  anderen  Gegend  sich  befunden  haben  musste ,  wie  diess  bei 
der  Curia  Hostilia  der  Fall  war,  einem  der  sichersten  Punkte  am  Comitium  und  Forum 
Romanum !  Doch  ist  es  in  gewisser  Beziehung  nicht  unbelehrend  zu  sehen ,  wie  von  den 
alten  Antiquaren  einer  dem  anderen  getrost  nachschrieb ,  was  der  Vorgänger  selbst  bei 
ganz  geringem  Aufwände  von  Gelehrsamkeit  einmal  ausgeklügelt  hatte,  und  wie  so  die 
Curia  Hostilia  übereinstimmend  auf  den  Cähus  gesetzt  und  mit  einer  ganz  unpassenden 
Ruine  in  Verbindung  gebracht  wurde. ^ 

An  ein  selbständiges  Gebäude  wird  man  überhaupt  bei  diesen  Ueberresten  kaum 
denken  dürfen,  um  so  weniger,  als  sie  ofl'enbar  mit  der  übrigen  oblongen  Substruction 
des  gegen  das  Colosseum  zu  etwas  vorspringenden  Cälius  in  offenbarem  Zusammenhange 

*  Sueton.  Domit.  1.  "Fl.  Biondi  Roma  instaurata.  Ven.  -1503.  Lib.  I.  §  63.     Albertini  Opnsc.  de  Mira- 

bilibus  vet.  et  nov.  U.  R.  R.  1515.  fol.  29.  —  A.  Fulvii  Antiquit.  U.  R.  1527.  fol.  XXII.  —  L.  Faune,  Aiitichitä  di 
Roma.  Ven.  -1548.  fol.  98.  —  Gamucci,  Antichitä  d.  c.  di  Roma.  Ven.  4565.  p.  91,  u.  a. 

69* 


468  Der  Aventin  und  der  Ciilius. 

Stehen.  Die  neueren  Topographen  betrachten  sie  desshalb  als  den  Rest  der  Verkleidung 
der  Substruction  an  der  dem  Palatin  gegenüberliegenden  Seite ,  das  Werk  selbst  dem 
Vespasian  und  die  Substruction  dem  Tempel  des  Claudius  zuschreibend,  welcher  sich  auf 
dem  Calius  befand.  Die  erstere  Ansicht  ist  kaum  zu  bestreiten ,  um  so  unentschiedener 
aber  die  andere  topographisch  wichtigere  Frage,  ob  die  Substruction  wirklich  das  Areal  des 
Claudiustempels  gebildet  habe,  welche  Frage  sogleich  in  Betracht  gezogen  werden  soll. 


96.    Der  angebliche  Tempel  des  Claudius. 

Der  Garten  des  Passionistenklosters  von  SS.  Giovanni  e  Paolo  wird  an  der  West-, 
Nord-  und  Ostseite  durch  stellenweise  sehr  beträchtliche  Substructionen  abgegränzt, 
welche  den  dadurch  eingeschlossenen  Raum  zu  einer  rechtwinkeligen  Ebene  machen. 
Dass  diese  antiken,  sumptuosen  Substructionsbauten  zu  dem  Zwecke  unternommen  wur- 
den, um  für  irgend  ein  bedeutendes  Gebäude  ein  Areal  zu  schaffen,  springt  in  die  Augen, 
und  je  mehr  diess  einleuchtete,  um  so  ansprechender  musste  der  Gedanke  sein,  dass 
auf  diesem  Areal  eines  der  hervorragendsten  Gebäude  des  Cälius ,  der  Tempel  des  Clau- 
dius, sich  befunden  habe.  Allein  wenn  man  auch  bei  Bestimmung  des  Umfangs  jenes  von 
Agrippina  begonnenen ,  durch  Nero  zerstörten ,  von  Vespasian  aber  neugebauten  Tem- 
pels^ den  höchsten  Massstab  anlegt,  so  wird  man  finden,  dass  die  Dimension  dieses 
Areals  im  Vergleich  zu  den  ähnlichen  Substructionen  eines  der  grössten  Tempel  der 
Stadt,  des  Heiligthums  der  Venus  und  Roma,  ganz  unverhältnissmässig  gross  sein  würde, 
und  über  den  Bedarf  selbst  für  einen  riesigen  Tempel  weit  hinausreichte.  Der  Annahme 
des  Claudiustempels  an  dieser  Stelle  stehen  aber  auch  positive  Gründe  entgegen.  Fron- 
tin nemlich  berichtet,  dass  die  neronische  Leitung  bei  diesem  Tempel  ihren  Endpunkt 
gehabt  habe,  worunter  wohl  nur  das  Castell  verstanden  werden  kann ,  von  wo  aus  der 
Cälius  selbst,  der  Aventin  und  der  Palatin  in  einzelnen  Zweigen  gespeist  wurde. ^  D 
aber  die  neronische  Leitung  hauptsächlich  für  den  Cälius  berechnet  war,  und  ihn  aifc 
lange  Zeit  allein  versorgte, ^  so  ist  nicht  anzunehmen,  dass  sich  das  Hauptcastell  am 
Westrande  des  Hügels  befunden  habe ,  welches  vielmehr ,  überdiess  in  Berücksichtigung 
der  Fortsetzung  jener  Leitung  nach  dem  Aventinus,  unmittelbar  bei  dem  Bogen  des  Do- 
labella  und  Silanus  gewesen  sein  muss,  so  dass  vielleicht  die  über  diesen  fortgeführte 
Leitung  gar  nicht  mehr  zum  gemeinsamen  Aquäduct  gehörte.  Dann  aber  müsste  auch 
der  Tempel  nicht  am  Nordwestrande,  sondern  vielmehr  bei  der  Kirche  S.  Maria  in  Navi- 
cella  oder  bei  der  Kapelle  S.  Tommaso  oder  überhaupt  in  der  ehemaligen  Villa  Mattei 
angenommen  werden,  eine  LocaUtät,  welche  übrigens  zu  den  imposantesten  der  alten 


Ml 


*  Suelon.  Vespas.  9.         "  Frontin.  de  aquaed.  II.  76.         ^  id.  11.  87. 


Der  angebliche  Tempel  des  Claudius.  469 

Stadt  gehört  haben  musste.  Es  scheint  auch  in  der  That  eine  andere  Combination  mehr 
auf  die  Südwestseite  des  Hügels  hinzuweisen ;  denn  Frontin  sagt  einerseits ,  dass  Nero 
für  die  Aqua  Claudia  am  Cälius  keine  neuen  Castelle  erbaut  habe,  sondern  sich  der  alten 
von  der  Aqua  Marcia  und  lulia  bediente J  während  er  anderseits  den  Endpunkt  der  Mar- 
cia,  mithin  das  Hauptcastell  als  über  Porta  Capena  liegend  bezeichnet.^ 

Ueber  die  Bedeutung  des  substruirten  Areals  des  Gartens  von  SS.  Giovanni  e 
Paolo  aber  hat  Bungen  ^  die  entschieden  wahrscheinlichste  Vermuthung  ausgesprochen. 
Commodus  bewohnte  nemlich  in  den  letzten  Jahren,  weil  ihn  sein  unruhiges  Gemüth  in 
den  Räumen  des  Palatium  keinen  Schlaf  mehr  finden  Hess,  den  vectilianischen  Palast  auf 
dem  Cälius,^  in  welchem  er  auch  ermordet  wurde. ^  Die  Vectiliana  werden  noch  von  der 
Notitia^  erwähnt,  und  müssen  jedenfalls  eine  weitläufige  Anlage,  etwa  ein  Mittelding 
zwischen  Palast  und  Villa  gewesen  sein.  Wer  aber  die  Ueberreste  der  römischen  Villen 
im  Sabiner-  und  Albanergebirge  besieht,  wird  sich  durch  ihre  oblongen  terrassenförmigen 
Substructionen,  durch  welche  an  allen  Abhängen  erst  ein  passendes  Areal  geschaffen  zu 
werden  pflegte,  lebhaft  an  die  Substructionen  dieses  Gartens  erinnert  fühlen,  und  da  wir 
nur  von  zwei  bedeutenden  Anlagen  der  Art  auf  dem  Cälius ,  den  lateranischen ,  deren 
Lage  gewiss  ist,  und  den  vectilianischen  wissen,  so  dürfen  wir  kaum  Bedenken  tragen, 
die  letzteren  mit  unseren  Ueberresten  in  Verbindung  zu  bringen.  Diess  wird  auch  noch 
durch  den  Umstand  unterstützt,  dass  wir  den  Lieblingsaufenthalt  des  Gladiatorenkaisers 
am  wahrscheinlichsten  in  möglichster  Nähe  des  Schauplatzes  seiner  Thätigkeit,  des 
Amphitheaters  zu  suchen  haben,  und  dass  namentlich  auch  der  von  Commodus  zum 
Amphitheater  angelegte  und  benutzte  unterirdische  Corridor,  in  welchem  er  bekannthch 
einem  meuchelmörderischen  Ueberfalle  einmal  nur  mit  Mühe  entging,  nach  seiner  Rich- 
tung hieher  führt  und  innerhalb  dieses  Raumes  gemündet  haben  musste.  Und  während 
man  sonst  nicht  einsehen  würde,  was  die  vom  Bogen  des  Dolabella  aus  nordwestlich 
gerade  nach  diesem  Räume  sich  richtende,  wahrscheinlich  erst  nachneronische  Zweiglei- 
tung des  neronischen  Aquäducts  mit  dem  Tempel  des  Claudius  zu  schaffen  gehabt  habe, 
erklärt  sich  die  Richtung  dieser  Leitung  durch  das  Bedürfniss  von  Brunnen ,  Fontänen 
und  Piscinen,  von  welchen  letzteren  man  noch  auf  Reste  stiess,  in  einer  sumptuosen  Pa- 
lastanlage oder  Villa  auf  eine  höchst  befriedigende  Art. 

*  id.  II.  76.  *  id.   I.  ■lO.  *  Beschreibung  der  Stadt  Rom.    Bd.  III.  Abth.  1.  S.  «76.  *  Script. 

11.  A.  (Lamprid.)  Gomm.  4  6.  •'  (lul.  Capit.)  Pertin.  5.  Catalog.  Imp.  Vienn.  (Rone.  II.  col.  24  4.)  "  Curios. 
ü.  R.  Reg.  II. 


470  .  ^^^  Esquilien. 

X.    Die  Esquilien. 

Vom  Gälius  durch  ein  in  der  Gegend  des  Colosseum  ziemlich  breites  und  tiefes, 
weiterhin  gegen  Osten  aber  sich  immer  mehr  hebendes  und  verengendes  Thal  nördUch 
getrennt,  erstreckt  der  Esquilinus,  nach  aussen  erst  in  grösserer  Ferne  sich  allmälig  ver- 
lierend, seinen  breiten  Rücken  mit  den  zwei  Armen  in  die  Stadt.  Die  etwas  unklare  Ge- 
stalt und  die  zügigen,  dichtbesetzten  und  sich  nicht  genau  abgränzenden  Abhänge  des- 
selben erschweren  die  topographische  Grftnzbestimmung  nicht  wenig  und  um  so  mehr, 
als  sich  ausser  dem  allgemeinen  mehre  besondere  Localnamen  finden ,  deren  Verhültniss 
und  Ausdehnung  theil weise  schwer  zu  bestimmen  ist. 

Dass  man  unter  Oppius  den  südlichen  breiteren  Arm  und  unter  Cispius  den  nord- 
westlichen schmäleren  zu  verstehen  habe,  ist  zwar  nach  Varro^  kaum  zu  bezweifeln, 
ebensowenig,  dass  man  unter  der  vielgenannten  Bezeichnung  Subura  die  Tiefe  verstand,  in 
welche  die  ringsum  sich  gruppirenden  Zungen  des  Oppius,  Cispius ,  Viminahs  und  Quiri- 
nalis  ausliefen,  da  der  noch  an  der  LocaUtät  haftende  Name  Subura  uns  sowohl  am  An- 
fange der  Via  di  S.  Lucia  in  Selci  als  auch  weiter  nördhch  bei  der  alten  Kirche  S.  Agata 
alla  Suburra  begegnet ,  mit  welcher  Lage  auch  die  Erwähnungen  übereinstimmen.  Um 
so  schwieriger  aber  ist  die  Bestimmung  dessen ,  was  man  unter  dem  Namen  Carinae  be- 
griff. Das  zwar  ist  aus  Festus  (a.  a.  0.)  sicher,  dass  die  Carinen  sich  da  befanden,  wo 
auch  der  Oppius  war,  welcher  letztere  Name  zugleich  mit  dem  des  Cispius  immer  mehr 
erlosch,  jemehr  die  Bezeichnung  Carinae  in  Aufnahme  kam.  Einerseits  aber  werden  uns 
die  Carinen  als  die  Höhe  selbst  bezeichnet,^  während  anderseits  auch  die  Tiefe  des  Cero- 
liensis,  welche  sich  unstreitig  als  das  Thal  zwischen  Esquilinus  und  Cälius  darstellt,  als 
zu  den  Carinen  gehörig  genannt  wird.^  Demnach  sind  sie  jedenfalls  südlich  zu  suchen, 
doch  für  die  Nordgränze  und  für  ihr  Verhältniss  zu  dem  Esquilinus  haben  wir  keinen 
Anhalt.  Möglich  ist  indess,  dass  die  Notiz  des  Livius,*  nach  welcher  das  römische  Heer 
bei  einem  Durchmarsche  durch  die  Stadt  von  Porta  Capena  durch  die  Carinen  [per  Carl- 
nas)  nach  den  Esquilien  und  zum  esquilinischen  Thore  marschirt  sei,  so  verstanden 
werden  müsse,  dass  nur  der  Abhang  des  Hügels,  der  freilich  durch  die  Anlage  der  Titus- 
thermen  wesentlich  verändert  werden  musste ,  den  Namen  Carinä  getragen ,  und  dass 
man  mit  der  Höhe  auch  die  EsquiUä  erreicht  habe. 

Die  Erklärungsversuche  aller  dieser  Namen,  EsquiHä  von  excuhiae  oder  excolere,^ 
Oppius  von  dem  Tusculaner  Oppius ,  und  Cispius  von  dem  Anagniner  Cispius ,  welche 
zum  Schutze  der  Stadt  herbeieilend  diese  Punkte  besetzt  hatten, ^  Subura  von  siib  iirbe 


'  Fest.  s.  V.  Septimontio.  Cf.  Anastas.  Bibl.  Vit.  Pontif.  Pii  I.  Par.  -1649.  8.5.  *  Dionys.  III.  22.  *  Varro 
L.  L.  V.  8,  15.  p.  52.  (Speng.)  *  XXVI.  10.  *  Varro  L.  L.  V.  8,  15.  p.  54.  (Speng.)  —  Ovid.  Fast.  III.  v.  245  sq. 
"  Fest.  1.  c. 


Die  Esquilien.  471 

oder  von  succurrere,*  Carinae  von  den  in  der  Form  von  SchifiFskielen  [carinae)  gebauten 
Häusern  rings  um  den  Tempel  des  Tellus  ^  haben,  wie  die  meisten  der  Art,  wenig  Werth ; 
einen  verlässigen  historischen  Aufschluss   wenigstens  können  wir  darin  nicht  suchen. 
Thatsache  ist  vielleicht,  dass  der  Esquilinus  von  Servius  Tullius  zur  Stadt  gefügt  wurde, ^ 
welcher  König  überhaupt  das  Stadtgebiet  nach  der  Nordostseite  hin  vervollständigte  und, 
da  hier  die  natürliche  Gestalt  der  Hügel  nicht  unterstützte,  durch  den  Wall  sicherte,  wel- 
chen noch  Plinius  *  unter  die  hervorragendsten  Werke  zählt.    Dieser  Wall  begann  südhch 
da,  wo  der  durch  die  Yia  Merulana  bezeichnete  Thaleinschnitt  endigte ,  bei  dem  einzigen 
Thore  dieses  Hügels,  der  Porta  Esquilina,  etwas  innerhalb  des  Gallienusbogens.  Am  süd- 
lichen Abhang  des  Hügels,  den  Carinen,  befand  sich  jedoch  noch  die  Porta  Querquetu- 
lana  beim  Fagutal.^    Servius  Tullius  wohnte  auch  auf  dieser  Höhe,^  und  in  der  Nähe  sei- 
nes Hauses  ging  auch  die  Greuelscene  vor  sich,  die  dem  Vicus  Sceleratus  den  Namen 
gab,  in  welchem  bekanntlich  die  ruchlose  Gemahlin  des  Tarquinius  Superbus  über  die 
Leiche  ihres  erschlagenen  Vaters  Servius  Tullius  hinwegfuhr,  eine  Scene,  die  Livius''  mit 
erschütternder  Meisterschaft  geschildert  hat.    An  öffentlichen  Gebäuden  verhältnissmässig 
arm,  war  dagegen  der  Hügel  mit  seinen  Thaleinschnitten  grösstentheils  mit  gemeinen 
Leuten  dicht  bevölkert  und  namentlich  die  Subura  eines  der  lebhaftesten  Quartiere  Roms, 
berüchtigt  durch  den  bedeutenden  Lärmen  der  Kleingewerbe  und  Schenken,  wie  durch  die 
dort  heimische  Prostitution.  Auf  den  Höhen  befanden  sich  indess  mehre  Haine,  wie  derLucus 
Fagutalis  (Fageus),  Esquilinus,  PoeteUus,  Mefitis  und  derLucus  lunonis  Lucinae ,  welche 
alle  Altäre  oder  Kapellen  umschlossen. ^    Diese  müssen  gegen  die  servische  Mauer  hin 
angenommen  werden,  wo  allerdings  die  Nähe  des  Campus  Esquilinus  ausserhalb  vor  der 
Ansiedlung  abschrecken  musste.  Denn  dieses  ursprünglich  den  breiten  Rücken  des  Esqui- 
linus bis  über  die  nachmahge  aurelianische  Mauer  hinaus  einnehmende  esquilinische  Feld 
diente  nicht  bloss  als   allgemeiner  Begräbnissplatz,  wo  vorzugsweise  die  Armen  und. 
Sclaven^  an  bestimmten  Plätzen  verscharrt  wurden,  sondern  auch  als  Richtstätte  be- 
sonders für  Sclaven ,  deren  an  den  Kreuzen  hängen  bleibende  oder  in  die  offenen  Gru- 
ben geworfene  Leichen  den  Wölfen  und  Geiern  wie  der  Fäulniss  überlassen  blieben,  ^  ^ 
um  die  Umgebung  zu  verpesten  (woher  der  Name  Puticuli)^^  und  endlich  das  Gefilde  durch 
ihre  bleichenden  Gebeine  zu  entstellen.'' ^ 

Von  den  wenigen  Tempeln,  welche  sich  in  republicanischer  Zeit  auf  dem  Esqui- 
linus befanden,  war  wohl  der  von  P.  Sempronius  Sophus  im  picentinischen  Kriege  484 


*  Varro  L.  L.  V.  8,  1 5.  p.  53  sq.  (Speng.)  Fest.  s.  v.  Suburam.       *  Serv.  ad  Virg.  Aen.  Vlll.  v.  361 .       '  Strabo 
V.  3,  §  7.  p.   234.     Liv.   I.   44.  *   Plin.   H.  N.   III.  5,  9,  67.  —    Liv.  I.  44.  »  Plin.  H.  N.  XVI.  10,  15,  37. 

*  Dionys.  IV.  39.  ^  Liv.  I.  48.  "  Varro  L.  L.  V.  8,  15.  p.  54.  32,  42.  p.  152.  Fest.  s.  v.  Septimontio.  Paul. 
Diac.  s.  V.  Fagutal.  Plin.  XVI.  10,  15,  37.  "  Horat.  Sat.  I.  8.  v.  8.  '"  Tacit.  XV.  60.  Plaut.  Mil.  II.  4.  v.  6. 
(V.  359.)  Horat.  Epod.  V.  V.  99  sq.  "  Varro  L.  L.  V.  5,  12.  p.  42.  Schol.  Cruq.  ad  Hör.  Sat.  1.  8,  v.  10.  '"Ho- 
rat. Sat.  I.  8,  V.  16. 


472  D'^  Esquilien. 

d.  St.  (270  V.  Chr.)  gelobte  Tempel  der  Tellus,  welcher  auf  der  lange  öde  liegenden  Statte 
des  niedergerissenen  Hauses  des  Sp.  Cassius  in  den  Carinen  errichtet  ward ,  der  bedeu- 
tendste.^ Sehr  entlegen  und  bei  Porta  Maggiore  befand  sich  die  Spes  Vetus,^  Die  Tem- 
pel der  Fortuna  Seia,^  der  von  einem  der  Haine  eingeschlossenen  luno  Lucina  und  der 
Diana*  dürften  kaum  mehr  als  Kapellen  gewesen  sein,  was  sich  vom  Sacellnm  Streniae, 
dem  am  Fusse  der  Carinen,  mithin  in  dem  Thaleinschnitte  hinter  dem  nachmaligen  Golos- 
seum  liegenden  Ausgangspunkte  der  Sacra  via  von  selbst  versteht.^  In  den  Carinen  befand 
sich  auch  das  nachmals  von  Antonius  in  Besitz  genommene  und  ohne  Zweifel  glänzende 
Haus  des  Pompeius.^  Ausser  mehren  traditionellen  Cultorten,  wie  das  Tigillum  soror'mm, 
jener  Querbalken,  an  welchen  sich  die  Reminiscenz  an  den  Schweslermord  des  Horatiers 
und  dessen  Jochstrafe  knüpfte,'  die  Tabernola^  u.  a.  scheint  in  den  ersten  sieben  Jahr- 
hunderten nur  ein  Prachtdenkmal  auf  dem  Hügel  erstanden  zu  sein,  die  Trophäen  des 
Mari  US,  von  welchen  noch  besonders  gesprochen  werden  wird. 

In  der  Kaiserzeit  veränderte  sich  die  Gestalt  des  Hügels  vollständig.  Die  Gärten 
des  Mäcenas  nahmen  einen  grossen  Theil  zu  beiden  Seiten  des  servischen  Agger  in  An- 
spruch und  drängten  namentlich  das  esquiHnische  Leichenfeld  weiter  ostwärts,^  was  für 
den  städtischen  Esquilin  von  grossem  Vortheile  sein  musste.  Diese  Anlage,  wie  auch  die 
benachbarten  lamianischen  Gärten, ''^  nobilisirten  auch  den  Stadttheil,  der  indess  durch  die 
Wohnung  des  VirgiM^  und  das  Grab  des  Horatius  kaum  weniger  geehrt  wurde. ^^  In 
eine  fortgesetzte  Prachtanlage  aber  wurde  der  Hügel  durch  Nero  verwandelt,  welcher 
die  nach  Mäcenas'  Tode  in  kaiserlichen  Besitz  tibergegangenen  Gärten  durch  seine  domus 
transiloria  mit  dem  Palatium  verband,  aus  welcher  Verbindung  nach  dem  Brande  der 
goldene  Palast  hervorging,  von  welchem  noch  besonders  gesprochen  werden  soll.  Auf 
den  Ruinen  dieses  erstanden  die  Thermen  des  Titus,  von  welchen  ebenfalls  noch  ansehn- 
liche Reste  zu  beschreiben  sind,  wie  denn  von  vielen  anderen  einzelnen  Werken  der  Kai- 
serzeit, dem  Amphitheatrum  Castrense  mit  dem  naheliegenden  Vivarium,  dem  Tempel 
der  Minerva  Medica,  dem  Nvmphäum  des  Alexander  Severus,  dem  Sessorium ,  dem  Bo- 
gen des  Gallienus  u.  a.  eine  besondere  Besprechung  der  Beschreibung  der  Ueberreste 
vorbehalten  werden  muss.  Das  ganze  Gebiet  aber  war  seit  Augustus  drei  Regionen  zu- 
getheilt,  der  dritten,  Isis  und  Serapis,  nördlich  vom  Cälius,  welche  jedenfalls  einen  ägypti- 
schen Tempel  voraussetzt,  der  vierten,  in  Augustus'  Zeit  Sacra  via,  später  Templum  Pa- 
cis  genannt,  welche  die  ganze  Tiefe  vom  Esquilinus,  Viminalis  und  Quirinalis  bis  zum 
Forum  Romanum  und  dem  des  Augustus,  mithin  auch  die  Subura  umfasste,  und  der 

*  Dioriys.  VIII.  79.    Liv.  II.  4i.       *  Fionlin.  de  aquaecl.  I.  19—21.       =•  Plin.  H.  N.  XXXVI.  22,  46,  163.  — 
üb  identisch  mit  der  Fortuna  Redux  bei  Plut.  de  fort.  Rom.  10.  (?)  '         *  Plut.  Quaest.  Rom.  3.  *  Varro  L.  L. 

V.  8,  <5.  p.  53.  (Speng.)  «  Vell.  Fat.  II.  77.     Flor.  II.  4  8.  ^  Dionys.  III.  22.    Liv.  I.  26.  *  Varro  I.  c. 

*  Hör.  Sat.  I.  8,  v.  U.    Schol.  Cruq.  ad  1.  c.  *"  Phil,  de  virt.  II.  (p.  597.  Mang.)  "  Donat.  Vit.  Virg.  6. 

'*  Sueton.  Vit.  Horat.  frg.  (p.  298.  Roth.) 


Die  Thermen  des  Tilus.  473 

fünften,  welche  den  Namen  Exquiliae  trug,  und  nördlich  von  der  dritten  sogar  noch  über 
den  Viminalis  sich  erstreckt  zu  haben  scheint. 

Wollen  wir  nun  die  esquilinischen  Ueberreste  im  Einzelnen  betrachten. 


97.    Die  Thermen  des  Titus. 

Die  Via  della  Navicella  mündet  neben  der  letztbesprochenen  Substruction  der 
Höhe  de'  Passionisti  stelig  absteigend  in  das  Thal  zwischen  dem  Cälius  und  Esquilinus 
vor  dem  Ostende  des  Colosseum.  Umgeht  man  nun  die  Südostseite  des  Gebäudes  bis  an 
die  Via  Labicana,  welche  von  hier  in  östlicher  Richtung  abzweigt,  und  verfolgt  diese  eine 
kurze  Strecke,  so  gelangt  man  an  einen  Thorweg  zur  Linken  mit  der  halbverlöschten 
Aufschrift  »Ingresso  alle  Terme  di  Tito«.  Hier  eintretend,  erblickt  man  neun  grosse  Ton- 
nengewölbe von  Backstein,  deren  parallele  Wände  einen  Halbkreis,  senkrecht  auf  dessen 
Durchmesser  gerichtet,  in  neun  verschieden  lange  Corridore  theilen.  Diese  Gewölbe  dien- 
ten ohne  Zweifel  als  Substruction  eines  halbkreisförmigen  Baues,  und  zwar,  wie  aus  dem 
Gesammtplane  der  naheliegenden  Ruine  hervorgeht,  der  Cavea  einer  Art  von  Theater, 
verrathen  auch  ausser  dieser  keine  besondere  Bestimmung  und  waren  muthmasslich  ur- 
sprünglich geschlossen.  Der  Backsteinbau  gehört  in  die  Zeit  der  Flavier.  Dieser  Halb- 
kreis aber  war  nur  ein  geringer  Theil  einer  sehr  bedeutenden  Anlage ,  von  welcher  wir 
im  weiten  Umkreise  der  rückwärts  anstossenden  Vigna  der  Canoniker  von  S.  Pietro  in 
Vincoli  noch  zerstreute  Reste,  namentlich  von  zwei  symmetrischen  Exedren  und  anderen 
Mauern  derselben  Zeit  erblicken.  Die  Ueberreste  sind  gleichwohl  nicht  von  der  Art,  dass 
ohne  bedeutende  Nachgrabungen  ein  vollständiger  Grundplan  hergestellt  werden  könnte, 
doch  besitzen  wir  einen  solchen  noch  aus  früherer  Zeit,  in  welcher  beträchtlich  mehr  er- 
halten war,  was  seither  dem  allzugeschäftigen  Karste  der  Winzer  weichen  musste,  nem- 
lich  von  der  kundigen  Hand  des  Palladio.^  Die  Richtigkeit  dieser  Aufnahmen  im  Allge- 
meinen fand  durch  ein  von  Canina^  beigezogenes  Fragment  des  capitolinischen  Planes 
(tab.  XIV)  eine  erwünschte  Bestätigung,  und  wir  können  so  viel  wenigstens  mit  Sicher- 
heit erkennen,  dass  die  Disposition  im  Grossen  den  antoninischen  Thermen  sehr  ähnlich 
war.  Der  Umfriedungsbau  trat  jedoch  hier  an  der  Fronteseite  ganz  nahe  an  den  Mittel- 
bau und  zeigte  auch  nicht  die  vielen  Gemächer,  welche  bei  den  antoninischen  Thermen 
als  Einzelbäder  vorzugsweise  für  Frauen  erklärt  worden  sind.  Dieser  fehlende  Theil  war 
nemlich  durch  eine  andere  mit  dieser  verbundene  Thermenanlage  vertreten,  welche  nach 


'   La  Terme  dei  Romani  disegnate  da  A.  Palladio  e  ripiibblicate   da  0.  B.  Scamozzi   giusta    l'esemplare 
del  Lord  Conte  di  Burlington  impresso   in  Londra  l'anno  1732.  Vic.  4  797.  tav.  VII.  *  Indicaz.  topograf.  di 

Roma  ant.   R.  ISS'..  4.  Ediz.   p.  102. 

F.  Rf.beI!  ,  die  Ruinen  Roms.  60 


474  Die  Esqullien. 

Palladio,  der  sie  jedoch  fölschlich  dem  Vespasian  zuschrieb,  in  schräger  Stellung  sich  an 
die  erstbeschriebene  anschloss,  und  von  beträchtlich  kleinerer  Dimension,  sonst  von  ahn- 
licher Gestalt  war. 

lieber  die  Entstehung  dieser  Doppelthermen  kann  noch  Weniger  ein  Zweifel  ob- 
walten, wie  über  ihre  Disposition.  Denn  Sueton^  nennt  die  von  Titus  erbauten  Bader 
»neben«  dem  Amphitheater,  und  die  Notitia  verzeichnet  sie  in  der  hauptsächlich  die  Carinen 
umfassenden  dritten  Region ,  und  zwar  zusammen  mit  den  traianischen  Thermen.  Diese 
Bezeichnungen,  verbunden  mit  einer  dritten  des  Martial,^  welche  die  Titusthermen  an  die 
Stelle  der  neronischen  Palastanlagen  getreten  nennt,  passen  so  vollkommen  auf  die  be- 
sprochenen Ruinen,  dass  wir  uns  aller  Bedenken  füglich  entschlagen  können.  Die  traia- 
nischen Thermen  aber  werden  sowohl  vom  Anonymus  von  Einsiedeln  bei  S.  Pietro  in 
Vincoh,  als  auch  von  Anastasius  Biblioth.^  bei  der  Kirche  S.  Martino  de'  Monti  erwähnt, 
neben  welcher  Kirche  im  16.  Jahrhundert  auch  eine  Inschrift  gefunden  wurde,  welche 
diese  Thermen  nennt  (jetzt  im  Museum  zu  Neapel) : 

IVLIVS  •  FELIX     CAIVIPANIANVS 

VC  •  PRAEFECTVS  •  VRBI 

AD  •  AVGENDAIVI  •  THERIVIARVIVI 

TRAlANARVm  •  GRATIAIVl  •  COLLOCAVT 

Dass  aber  der  Name  der  traianischen  Thermen  nicht  dieselben  Bäder  bezeichnete,  welche 
Titus  anlegte,  aber  wahrscheinlich  noch  nicht  ganz  vollendet  eröffnete,  das  geht  aus  dem 
Nebeneinander  in  der  Notitia,  besonders  aber  aus  der  Inschrift  des  Ursus  Togatus,'*  in 
welcher  die  Traiansthermen  von  denen  des  Titus  getrennt  verzeichnet  werden  ••••theriviis- 
TRAiANi  •  THfeRmis  •  AGRiPPAE  •  ET  TiTi  ••  hervor.  Es  Würde  uns  aber  unerklärlich  sein  ,  wie 
Traian  unmittelbar  neben  den  grossartigen  Bädern  des  Titus  neue  anlegen  konnte, 
welche  tiberdiess,  wie  der  Plan  des  Palladio  zeigt,  von  viel  kleineren  Dimensionen  waren, 
wenn  nicht  ein  Chronist^  darüber  eine  kaum  zu  bezweifelnde  Aufklärung  gäbe,  dass 
nemlich  Traian  seine  Thermen  als  ein  Frauenbad  errichtete ,  so  nahe  verbunden ,  wie  es 
die  Zweckmässigkeit  wegen  gemeinsamer  Speisung,  und  doch  wieder  so  getrennt,  wie 
es  der  Anstand  erforderte.  Wie  jedoch  eine  andere  Angabe  der  Chronisten  ^  zu  verstehen 
sei,  dass  die  Titus-  und  Traiansthermen  gleichzeitig  und  zwar  unter  Domitian  im  J.  90 
oder  92  n.  Chr.  erbaut  worden  seien,  ist  mir  nicht  völlig  klar,  wenn  ich  aber  auch  diese 
Notiz  einerseits  durch  die  Vollendung  der  Titusanlage  unter  Domitian  beziehe,  so  möchte 
ich  doch  anderseits  wegen  dieser  offenbar  summarischen  Angabe  nicht  mit  Becker'^  an- 
nehmen, dass  Traian  seine  Thermen  schon  vor  seinem  Regierungsantritte  erbaut  habe, 
was  ein  Domitian  kaum  gestattet  haben  würde. 

*  Tit.  7.  *  de  Spect.  2.  «  Vit.  Pontif.  Symmach.  Par.  1649.  p.  32.  *  Orelli,  Inscr.  n".  2591. 

*  Catal.  Imp.  Vienn.   (Rone.  tom.  II.  col.  243.)  "  Hieron.  Chron.    Cassiod.  Chron.    (Rone.  I.  col.  443.  11.  col. 

197.)         ^  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  I.  S.  687. 


üeberreste  der  iieroiiischen  Aurea  Domus. 


475 


Von  der  weiteren  Geschichte  der  Thermen  haben  wir  keine  Kunde.  Es  ist  aber 
zu  vermuthen,  dass  sie  mit  der  Zerstörung  der  Aquäducte  durch  Yitiges  und  Totilas  ausser 
Gebrauch  kamen ,  und  seitdem  verfielen.  Die  Zerstörung  der  letzten  Jahrhunderte  war 
leider  ebenso  beträchtlich  als  in  der  Zeit  der  tiefsten  Barbarei,  und  von  den  jetzt  noch 
übrigen  Ruinen  sind  die  zur  Substruction  verwendeten,  von  welchen  sogleich  gesprochen 
werden  soll,  entschieden  bedeutender,  als  die  der  Thermen  selbst. 


98.    Üeberreste  der  neronischen  Aurea  Domus. 

Die  ebenbeschriebene  und  durch  parallele  Gewölbe  gegliederte  halbkreisförmige 
Ausbeugung  der  Umfriedung  der  Thermen  des  Titus  ruht  auf  einer  ausgedehnten  Anlage 
eines  Privatgebäudes  mit  zahlreichen  Gemächern  und  Gängen,  welche  bei  dem  Bau  der 
Thermen  mit  Schutt  angefüllt,  und  so  als  künstliche  Terrasse  benutzt  wurde,  in  den  letz- 
ten drei  Jahrhunderten  aber  grossentheils  wieder  ausgegraben  und  zugänglich  gemacht 
ward.  Die  ausgedehnte  Anlage  zieht  sich,  wie  aus  dem  beifolgenden  Plane,  auf  welchem 


'"""»"W/A 


Giuixiriss  iler  Souterrains  unter  den  TilusiliiM'meu  (Aurea  Doniiis).  (iN'acli  Cauiiia.) 


jedoch  die  Mauerlinien  im  Halbkreise  («)  mit  den  diesen  parallelen  zur  Rechten  als  zum 
Bau  der  Titusthermen  selbst  gehörig  und  ihrem  Liniensystem  entsprechend  gedacht  wer- 
den müssen,  ersichtlich  ist,  in  schräger  Richtung  unter  der  erwähnten  Cavea  und  unter 
dem  südlichen  Theile  der  übrigen  äusseren  Thermenräumlichkeiten  hin,  und  besteht,  so 
weit  sie  blossgelegt  ist  (was  auf  dem  Plan  durch  den  weissen  Grund  angezeigt  wird), 
grösstentheils  aus  parallel  nebeneinanderliegenden,  von  Ost  nach  West  gerichteten  läng- 
lichen Gemächern  {d — /(;),  die  durch  Scheidewände  unter  sich  abwechselnder,  im  ganzen 


60* 


476  ^''^  Esquilien. 

Plane  jedoch  symmetrischer  Form  in  je  zwei  getheilt  werden,  von  welchen  die  einen  von 
Süden,  die  anderen  von  Norden  Licht  und  Zugänge  hatten.  An  beiden  Seiten  dieser  Ge- 
macherreihe öffneten  sich  länglich  viereckige  Platze,  um  welche  Säulenhallen  herumliefen. 
Von  diesen  freien  Plätzen  wurde  der  nördliche  später  durch  parallele  Mauern  für  die 
Substruction  tauglich  gemacht,  zeigt  aber  noch  in  dem  aufgedeckten  Theile  nördlich  von 
dem  Mittel z immer  (g)  die  Spuren  eines  in  der  Mitte  liegenden  Brunnenbassins  und  eines 
Piedestals,  während  der  südliche,  welcher  später  von  den  Gewölben  des  Halbkreises  (o)  ein- 
genommen wurde  und  auf  der  Südseite  von  einer  Reihe  kleiner  Kammern ,  deren  Reste 
für  die  Custodenwohnung  benutzt  worden  sind,  begränzt  war,  selbst  noch  die  Ueberreste 
einer  Porticus  zeigt.  Man  gelangt  zu  diesen  und  überhaupt  zur  ganzen  bisher  bloss- 
gelegten  unterirdischen  Anlage  durch  das  westlich  äusserste  Tonnengewölbe  des  Halb- 
kreises, in  welchem  man  3 — 4  Meter  unter  das  äussere  Niveau  hinabsteigt.  Hier  sieht 
man  eine  korinthische  Base  von  0,n  Met.  noch  an  ihrem  Platze  und  als  Beweis,  dass  hier 
das  westliche  Ende  der  Porticus  war,  daneben  eine  Pilasterbase ,  beide  von  weissem 
Marmor.  Die  beträchtlichen  Intercolumnien  lassen  auf  die  für  eine  solche  Porticus  nach 
Vitruv  sehr  passende  Säulenstellung  Araeostylos  schliessen.  Neben  der  Pilasterbase  zur 
Linken  sieht  man  noch  einen  Theil  der  Porticuswand  mit  Spuren  von  Malerei ,  Palmen 
und  Vögel  auf  lichtblauem  Grunde  darstellend.  Von  hier  aus  in  nördlicher  Richtung  fort- 
schreitend, gelangt  man  in  einen  Corridor.  Dieser  und  alle  übrigen  zur  Rechten  folgen- 
den Gemächer  (d — k)  sind  in  Tonnenform  überwölbt,  ihre  wechselnde  Breite  beträgt 
zwischen  3,io  bis  8,6o  M.,  die  Tiefe  von  je  zwei  ihrer  Länge  nach  aneinanderstossenden 
Gemächern  18, so  M.,  die  Höhe  10, 4o.  Die  Wände  waren  grösstentheils  mit  Malereien  der 
Art,  welche  wir  die  pornpeianische  zu  nennen  pflegen,  bedeckt,  welche  jedoch ,  wie  die 
Marmorbekleidung,  die  in  verschiedener  Höhe  vom  Boden  sich  erhob ,  bis  auf  dürftige 
Spuren  verschwunden  ist.  Doch  besitzen  wir  noch  Aufnahmen  der  Malereien^  aus  einer 
Zeit,  in  der  noch  mehr  erhalten  war,  aus  welchen  sich  die  Art  der  Bemalung  ersehen 
lässt,  die  phantastische  Hallen  und  Aediculen  mit  dünnen  Säulchen  in  perspectivischer 
Zeichnung ,  die  Giebel  mit  Festonen  und  Draperien  behangen ,  und  die  inneren  Felder, 
wie  die  Quadrate,  Rhomben  und  Ellipsen  an  den  Wölbungen  mit  Fip;uren  sowohl  von 
Menschen  als  Göttern,  mit  tanzenden  Bacchanten  einzeln  und  in  Gruppen,  mit  Vögeln, 
Vasen  und  anderen  Ornamenten  ausgefüllt,  zum  Vorwurfe  hat.  Von  vielem  sind  noch 
Spuren  kenntlich,  namentlich  an  der  Wölbung  der  mit  d,  i,  k  bezeichneten  Gemächer, 
welche  eine  ungemeine  Pracht  und  Zartheit  der  Malerei  verrathen :  das  Uebrige  ist  zu- 
meist durch  die  Feuchtigkeit  fast  gänzlich  zerstört.  Die  nächstfolgenden ,  nicht  mehr  dem 


*  Bellorii  et  Caussei  Picturae  antiquae  cryptarum  Romanarum  delineatae  a  P.  e  F.  S.  Bartoli.  R.  1738. 
Mirri  e  Carletti,  Le  antiche  camere  delle  Terme  di  Tito.  Roma  1776.  —  Poncc,  Description  des  bains  de  Titus. 
Par.  1786.  —  A.  de  Romanis,  Le  anticlie  camere  Esquiline  dette  comunemente  delle  Termi  di  Tito.  Roma  1822. 


¥> 


Ueberresle  der  neronisclien  Aurea  Doraiis.  477 

symmetrischen  System  angehörigen  Gemächer  zeigen  keine  Spur  ihrer  vormaligen  Aus- 
schmückung, interessant  aber  ist  ein  Badezimmer  [m),  zu  welchem  man  durch  einen 
etwas  schrägen  Corridor  (/)  gelangt.  Dieses,  erst  in  den  letzten  Jahren  ganz  blossge- 
legt,  misst  13, so  M.  in  der  Länge,  6,90  in  der  Breite.  Durch  eine  grosse  Nische  im 
Süden,  welche  halbkreisförmig,  beim  Eingange  jedoch  rechtwinkelig  vertieft  ist,  ein- 
tretend, sieht  man  zur  Rechten  ein  kleines  oblonges  Becken,  2,i5  M.  lang.  1,i5  breit; 
im  Uebrigen  zeigt  der  Boden  gemauerte  Erhöhungen,  ohne  Symmetrie  und  nur  nach 
der  Bequemlichkeit  ihres  Gebrauches  angebracht.  An  der  Nordseite  sieht  man  noch 
deutlich  eine  Wasserrinne,  0,65  M.  breit,  sowie  noch  ein  grösseres  Becken,  das  4,6o  M. 
lang  und  1  M.  breit  ist.  Vom  Schmuck  der  Wände  ist  nichts  mehr  übrig ,  selbst  der 
Anwurf  ist  grösstentheils  abgefallen,  und  das  theilweise  eingestürzte  Gewölbe  gestat- 
tet, von  herabwuchernden  Schlinggewächsen  umstrickt,  dem  Tageslichte  einigen  Zu- 
gang. —  Von  hier  aus  erstrecken  sich  die  Gemächer  und  Corridore  des  ausgedehnten 
Gebäudes  noch  in  mehr  als  doppelter  Länge  der  ebenbeschriebenen  gegen  Osten,  und 
man  kann  diese  noch  theilweise  durchkriechen,  ohne  jedoch  ausser  dem  Abenteuer 
eine  andere  und  besonders  scientifische  Ausbeute  zu  gewinnen. 

Kehrt  man  durch  die  beschriebenen  Gemächer  zurück  bis  zu  dem  Corridor,  bei 
dem  wir  begonnen,  und  geht  dann  in  nördlicher  Richtung  diesem  und  der  angebau- 
ten Thermensubstructionsmauer  entlang,  so  sieht  man  zur  Linken  eine  Reihe  von  Kam- 
mern (flf),  die  sowohl  nach  den  Linien  des  Grundrisses  als  nach  dem  Ziegelbau  zu 
derselben  Anlage  gehörten.  Es  sind  deren  elf,  mit  Hinzurechnung  der  beiden  noch 
ausserhalb  des  darübergebauten  Halbkreises  liegenden  Kammern.  Diese  zeigen  jedoch 
nicht  die  Spuren  jener  Pracht,  welche  man  an  den  anderen  Gemächern  beobachtete: 
so  sind  noch  die  Ansätze  von  drei  hölzernen  Treppen  zu  sehen,  die  jedenfalls  niedrige 
Stockwerke  voraussetzen  lassen,  und  die  Bemalung  war  durchaus  so  roh  und  schmuck- 
los, dass  wir  kaum  zweifeln  können,  diese  Kammern  seien  dem  Dienstpersonal  ange- 
wiesen gewesen.  Am  nördlichsten  Ende  dieser  Kammern  zur  Rechten,  unmittelbar  vor 
dem  Eintritt  in  einen  langen  Corridor,  sieht  man  ein  anderes  Gemach  (w)  mit  einem 
Mosaikpaviment  in  weissen  und  schwarzen  Feldern,  welches  jedoch  nicht  in  dem  Li- 
nienverhältnisse der  übrigen  steht,  auch  um  ein  Meter  tiefer  liegt  und  beim  Aufgraben 
nur  mehr  niedrige  Mauerspuren  zeigte:  mithin  augenscheinlich  nicht  zu  der  übrigen 
Anlage,  sondern  zu  einem  früheren  Gebäude  gehörte,  welches  jener  weichen  musste. 
Die  geringschätzige  Verschüttung  eines  Mosaikbodens  (der  sich  leicht  herausnehmen 
und  versetzen  Hess!)  ist  zwar  auffallend,  doch  durch  die  Persönlichkeit  des  Baunach- 
folgers wohl  zu  erklären. 

Von  hier  aus  führt  in  östlicher  Richtung  ein  60  Met.  langer,  3  M.  breiter  Cor- 
ridor [h) ,    der   auch   ursprünglich   durch  keine  Fenster  in  den  Wänden ,  sondern  nur 


478 


Die  Esquiüen. 


durch  1  5  quadratische  OefFnungen  im  Tonnengewölbe,  welche  jedoch  beim  Thermen- 
bau geschlossen  wurden,  sein  Licht  empfing.  Dieser  bildet  die  nördliche  Begränzung 
der  Area,  die  im  Norden  der  erstbeschriebenen  Gemächer  liegt  und  wahrscheinlich  die 
südliche  einer  grösseren  Gartenanlage,  welche  kurz  vor  Erbauung  der  Titusthermen 
den  Esquilinus  einnahm.  Die  Wände  dieses  Corridors  sind  jetzt  fast  ganz  entblösst  und 
scheinen  vormals  theilweise  mit  Marmor  bekleidet  gewesen  zu  sein;  das  Gewölbe 
jedoch  war  mit  schönen  Malereien  bedeckt,  welche  sich  noch  zu  Anfang  dieses  Jahrhun- 
derts in  ziemlich  wohl  erhaltenem  Zustande  befanden,  jetzt  aber  von  der  durchsickern- 
den Feuchtigkeit  und  einem  allmäligen  Filz-  und  Salpeteransatz  nach  und  nach  vernichtet 
zu  werden  scheinen.  Von  den  noch  sichtbaren  einzelnen  Stücken  füge  ich  eines  in 
Abbildung  bei,  welche  jedoch  bei  mangelnden  Farben  nur  von  der  Disposition  einigen 


55.     Fresko  aus  den  Souteriaiiis  der  'l'heriiieu  des  'l'clus.  (lN'iicIi   Du   Kumauis.) 

Begriff  geben  kann.  Auch  diese  wenigen  Ueberreste  erblassen  stets  mehr  und  mehr 
und  leiden  auch  nicht  wenig  unter  der  Besichtigung  der  Besucher,  d.  h.  unter  der 
rücksichtslosen  Beleuchtung  des  sonst  wohlunterrichteten  Custoden.  Ungefähr  in  der 
Mitte  des  Corridors  sieht  man  zur  Rechten  unten  an  der  Wand  ein  rohes  und  ohne 
Zweifel  späteres  Gemälde,  zwei  ineinandergewundene  Schlangen,  die  aus  einer  auf 
einem  Altare  stehenden  Opferschale  nippen,  mit  der  schlecht  gemalten  Inschrift : 

DVODECP  DEOS  IIT  DEANA*'   ET  lOVElYI 
OPTVIVIv""  MAXVMV  •  HABEAT  IRATOS 
QVISQVIS  HIC  lYlIXERIT  AVT  CACARIT 

Dass  es  überhaupt  in  Rom  üblich  war,  statt  des  Verbotes  der  Verunreinigung  eines 
Platzes  oder  zu  demselben  zwei  Schlangen  zu  malen,  erhellt  aus  Persius.''  Im  Uebri- 
gen  scheint  diese  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  Rom  beispiellos  schlecht  gehandhabte 
Art  von  Polizei  den  zwölf  Göttern  anheimgegeben  gewesen  zu  sein. 

Kehrt  man  nun  aus  den  unterirdischen,  grösstentheils  bei  Fackelschein  durch- 
wanderten Räumen  zurück,    so  ist  noch  eine  kleine  Sammlung  aufgefundener  Gegen- 


'  Satyr.  I.  v.  126  —  128. 


Ueberreste  der  neronischen  Aurea  Domus.  479 

Stände  im  zweiten  Gewölbe  des  Halbzirkelbaues  {p)  zu  besehen.  Hier  finden  sich  mehre 
in  den  Souterrains  ausgehobene  Ziegel  {matloni)  mit  ihren  Stempelzeichen  [hollii)  zusam- 
mengestellt, welche  sich  auch  bei  De  Romanis ^  schön  und  verlässig,  wie  überhaupt 
alle  Kupfer  dieses  mit  seltener  Sorgfalt  behandelten  Werkes,  dargestellt  finden.  Beson- 
dere Beachtung  verdient  auch  ein  dreieckiges  Piedestal  eines  marmornen  Candelabers, 
auf  welchem  Ceres,  Apollo  und  ein  bärtiger  Priester  mit  einer  Schale  in  Relief  darge- 
stellt sind, 2  ein  ionisches  Capital  mit  einem  Stücke  des  marmornen  Säulenschaftes,  zwei 
Basen, ".darunter  eine  reich  verzierte  ionische,  ein  Fragment  eines  korinthischen  Pila- 
stercapitäls  u.  dergl.  Merkwürdig  ist  auch  eine  grosse  irdene  Vase,  welche  noch  am 
Boden  Reste  von  einer  gelben  Farbe  enthält,  welche  für  Ocker  angesehen  wird. 

Um  einen  weiteren  Theil  der  eben  betrachteten  Anlage  zu  besichtigen,  verfolge 
man  die  Via  Labicana  noch  weiter  in  östlicher  Richtung  und  beuge  dann  zur  Linken 
in  die  Via  delle  Sette  Säle.  In  der  zur  Linken  von  dieser  Strasse  gelegenen  Vigna 
befindet  sich  jener  eigenthümliche  Ziegelbau,  der  unter  dem  von  seiner  früheren  Ge- 
stalt hergenommenen  Namen  Sette  Säle  bekannt  ist,  und  sich  namentlich  bei  den  älte- 
ren Topographen  einer  grösseren  Berühmtheit  erfreute,  als  er  sie  zu  verdienen  scheint. 
Statt  der  vormaligen  sieben  wurden  durch  wiederholte  Nachgrabungen  neun  längliche 
Hallen  blossgelegt,  die  in  der  Richtung  nach  der  Breitseite  des  ganzen  Gebäudes  par- 
allel nebeneinander  liegend  unter  sich  30  Verbindungen  und  10  Ausgänge  haben.  Gegen 
Osten  weitet  sich  der  Bau  curvenförmig  aus  bis  zur  höchsten  Breite  von  44  M. ;  die 
Länge  (Süd  nach  Nord)  beträgt  59  Met.  Man  hat  dieses  Gebäude  mit  Recht  für  einen 
grossen  Wasserbehälter,  doch  irrthümlich  bis  auf  die  neuere  Zeit  als  ursprünglich  zu 
den  Thermen  gehörig  betrachtet;  denn  da  es  vielmehr  genau  in  derselben  Richtung 
wie  die  beschriebenen  unterirdischen  Gemächer  steht,  so  gehörte  es  offenbar  zu  die- 
ser primären  Anlage.  Allerdings  konnte  ein  Wasserbehälter  der  Art  für  die  Thermen 
nur  erwünscht  erscheinen  und  so  später,  als  man  alles  Uebrige  unter  der  neuen  An- 
lage begrub,  für  dieselben  benutzt  worden  sein. 

Für  die  Benennung  dieser  unterirdischen  Ruinen  haben  wir  nur  eine  Wahl.  Wir 
wissen  nemlich,  dass  Nero  durch  umfängliche  Bauten  und  Anlagen  die  Kaiserburg  auf 
dem  Palatium  mit  den  Gärten  des  Mäcenas  (am  servischen  Walle)  verband,  und  müssen 
schon  desshalb  annehmen,  dass  der  Raum,  welchen  nachmals  die  Thermen  des  Titus 
einnahmen,  von  den  weitläufigen  Anlagen  der  Aurea  Domus  eingenommen  gewesen 
sei.  Diess  wird  auch  in  bestimmter  Weise  von  MartiaP  bestätigt,  welcher  die  Titus- 
thernien  als  an  die  Stelle  der  neronischen  Gefilde  getreten  nennt.  Wollte  man  den 
nsuperbus  agem  des  Dichters  buchstäblich  verstehen,  so  müsste  man,  woran  allerdings 

•  tav.  V.  Vgl.  S.  476.  Anm.  1.  "  Geiiach,  Archaeolog.  Anzeiger.  X*.  8  &  9.  Aug.  u.  Sept.  1849.  S.  94  f. 

^  de  spectac.  2. 


480  ^'6  Esquilien. 

nichts  hindert,  annehmen,  dass  nördhch  vom  Corridore  (/)  sich  ein  freier,  vielleicht 
parkähnlicher  Raum  befand,  in  dessen  Mitte  sich  nachmals  der  Hauptbau  der  Thermen 
erhob.  Auf  keinen  Fall  ist  aber  dadurch  die  Möglichkeit  ausgeschlossen,  dass  der  Um- 
friedungsbau der  Thermen  auch  noch  bauliche  Anlagen  des  neronischen  Palastes  in 
Anspruch  nahm ,  welche  man  überdiess  nicht  zu  demoliren  brauchte,  da  der  Abhang 
der  Carinen  an  dieser  Seite  eine  ziemlich  bedeutende  Substruction  zur  Gewinnung  eines 
horizontalen  Thermenareals  nöthig  machte,  wozu  die  schon  bestehenden  Mauern,  mit 
neuen  ergänzt,  die  besten  Dienste  leisten  mussten. 

Dass  aber  die  erhaltenen  Souterrains  wirklich  zu  keiner  anderen  als  der  nero- 
nischen Anlage  gehören  konnten,  erhellt  noch  aus  dem  Umstände,  dass  der  esquilinische 
Theil  derselben  in  Vespasians  Zeit  nachweislich  noch  bestand.  Nachdem  Otho  noch 
eine  bedeutende  Summe  zur  Vollendung  der  Aurea  Domus  bewilligt  hatte,^  war  erst 
Vespasian  dem  Unwillen  der  Bevölkerung  gerecht  geworden,  indem  er  das  Vestibulum 
demolirte,  d.  h.  die  Velia  wieder  freigab,  und  namentlich  an  der  Stelle  des  neronischen 
Teiches  das  Amphitheater  zu  bauen  begann,  während  die  südlichsten  und  westlichsten 
Enden  der  Palastanlage  durch  die  Tempel  des  Claudius  und  der  Pax  verdrängt  wur- 
den. Dadurch  waren  jedenfalls  die  esquilinischen  Anlagen  vom  Palatium  abgeschnit- 
ten, doch  lesen  wir  nichts  von  Veränderungen  jener  selbst.  Es  erscheint  zwar  bei  den 
Topographen,  und  selbst  bei  Nibby^  und  Becker^  als  eine  sichere  Thatsache,  dass 
Vespasian  den  esquilinischen  Theil  der  Aurea  Domus  dem  Volke  geöffnet  und  tiberlas- 
sen habe,  doch  ist  mir  ein  classischer  Nachweis  dafür  nicht  erinnerlich.  Die  an  sich 
nicht  unwahrscheinliche  Annahme  aber  wird  durch  Verunreinigungsverbote ,  wie 
die  oben  angeführten,  welche  einerseits  in  dem  kaiserlichen  Palaste  und  anderseits 
nach  dem  Bau  der  Titusthermen  undenkbar  wären,  wesentlich  unterstützt.  Ein  solches 
Verbot  mag  übrigens  bei  dem  Grimme  und  der  Geringschätzung,  welche  sich  nach 
Nero's  Tode  gegen  diesen  Luft  machte,  in  dessen  ehemaligem  Palaste  doppelt  veran- 
lasst gewesen  sein.  Titus  aber  konnte  bei  seinem  Regierungsantritte  die  Grundlosig- 
keit der  Befürchtungen,  dass  man  von  ihm  einen  zweiten  Nero  zu  erwarten  habe,* 
nicht  sprechender  widerlegen,  als  dass  er  den  Rest  des  goldenen  Palastes  niederriss 
und  an  dessen  Stelle  eines  der  beliebtesten  gemeinnützigen  Werke,  Thermen,  erbaute, 
welche  dasjenige,  was  sich  als  Substruction  verwenden  Hess  und  desswegen  der  Zer- 
störung entging,  wenigstens  für  mehr  als  ein  Jahrtausend  begruben.  Doch  scheint 
Titus  neben  den  Bädern  sich  selbst  ein  Haus  reservirt  oder  wahrscheinlicher  neu  ge- 
baut zu  haben. ^ 

Erst  vom  Anfange  des  1 6.  Jahrhunderts  wissen  wir,  dass  in  der  Tiefe  wieder 

*  Suet.  Oth.  7.  «  Roma  nell'  anno  1838.  P.  II.  ant.  p.  446.  ^  Hdb.   d.   röm.  Alterth.  Bd.  I.   S.  433. 

*  Sueton.  Tit    7.         =>  Plm.  H.  N.   XXXVI.  5,  4,  37. 


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Der  Bogen  des  Gallienus.  481 

gegraben  wurde ,  und  dass  namentlich  Raphael  und  Giovanni  da  Udine  die  bloss- 
gelegten  Gemächer  besuchte,  um  die  damals  noch  frischen  Wandmalereien  zu 
Studiren.  Epochemachend  war  die  Entdeckung  der  Laokoongruppe  in  der  Vigna 
des  Feiice  de  Fredis  bei  den  sog.  Sette  Säle  (1506)  \  ein  Fund,  welcher  auf  die 
Nähe  des  von  Phnius  (a.  a.  0.)  erwähnten  Hauses  des  Titus  schliessen  lässt.  In 
der  zweiten  Hälfte  des  1 7.  Jahrhunderts  wurden  in  der  Nähe  der  genannten  Kirche 
des  h.  Petrus  mehre  athletische  Inschriften  ausgegraben,^  welche  sich  neuerlich 
dahin  erklärt  haben,  dass  im  4.  Jahrhundert  ein  Athletencollegium  in  den  Traian- 
thermen  seinen  Sitz  hatte.  ^  Die  Nachforschungen  der  französischen  Regierung 
(1811 — 1814)  veranlassten  die  schätzbare  Beschreibung  des  A.  de  Romanis,  welcher 
eine  freilich  ganz  fehlgreifende  wissenschaftliche  Abhandlung  folgte.^  Im  Jahre  1849 
wurden  die  Arbeiten  wieder  aufgenommen,  doch  ohne  besondere  Ausdehnung;  die 
Neigung  zur  Fortsetzung  der  Arbeit  ward  aber  dadurch  nicht  wenig  abgeschwächt, 
dass  die  nächsten  Gemächer  sich  als  schon  durchwühlt  und  geplündert  erwiesen. 
Von  den  unzweifelhaft  in  der  Nähe  befindlichen  Castra  Misenatium  oder  der 
durch  ein  neugefundenes  Fragment  des  capitolinischen  Planes  der  Gestalt  nach  be- 
kannten Porticus  Liviae^  ist  keine  Spur  gefunden  worden,  dagegen  wurde  in  beträcht- 
licher Tiefe  unterhalb  der  Unterkirche  von  S.  demente,  einem  der  wichtigsten  Punkte 
der  christlichen  Archaeologie ,  1 870  ein  Mithrasheihgthum  entdeckt,  von  welchem 
jedoch  Verfasser  nur  Berichte  kennt,  da  es  seit  1875  mit  Wasser  gefüllt  ist.  Ob 
die  gewölbte  Kammer  noch  jemals  davon  wird  befreit  werden  können,  ist  zu  be- 
zweifeln, wenn  er  aber  auch  gelingen  sollte,  werden  Stuccaturen  und  Bemalungen 
voraussichtlich  zerstört  sein. 

99.    Der  Bogen  des  Gallienus. 

Steigen  wir  die  Via  della  Polveriera  zu  S.  Pietro  in  Vincoli  empor  und  verfolgen 
von  dem  Platze  dieses  Namens  die  gleichnamige  Strasse  ostwärts,  so  gelangen  wir 
in  die  Via  in  Merulana,  und  von  dieser  rechts  in  die  Via  di  S.  Vito.  Diese  führt  durch 
einen  einfachen,  ganz  aus  Travertin  gebauten  antiken  Bogen.  Von  dem  doppelt- 
abgestuften Basament  der  beiden  Pfeiler  ist  der  untere  Theil  verschüttet,  die  Bogen- 
weite  7,30.   die  Höhe   8,8o  Met.;   die  Pfeiler   sind   1,4o  breit,    3,5o  tief.     Zu  beiden 


'  Aldroandi,  Mem.  No.  10.  (Fea,   Mise.  I.  p.  CCVIII.)  2  falconieri,  Inscriptiones  athleticae  nuper 

repertae.  R.  1868.     Ficoroni,  Notizie.    No.  3.    (Fea.  p.  CXIX.)  ^   jg  Rossi,  Bull,  crist.  1867.  p.  86.  fg. 

*  Fiale,  delle  Terme  Traiane  dette  dal  volgo  erronemente  di  Tito,  della  domus  aurea  di  Nerone  e  della  Titi 
domus.  R.  1832.         5  Wäre  westlich  von   den  Titusthermen  zwischen  der  Via  del  Coliseo  und  der  Via  della 
polveriera  zu  suchen.    Mon.  d.  I.  d.  c.  a.  Vol.  VIII.  tv.  XL VIII.  a.  G.  Honzen  Scavi  di  SS.  Cosnia  e  Damiano. 
Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1867  p.  416—423.  Jordan  Forma  U.  R.  p.  27.    Klügmann,  Philol.  XXVII.  493. 
F.  Reber,  Rom.  gl 


482  Die  Esquilien. 

Seiten  derselben  springen  Pilastei-  vor,  mit  rohgearbeiteten  korinthischen  Capitälen, 
zusammen  7,9o  M.  hoch;  unter  dem  Bogenansatz  läuft  ein  einfaches  Gesimse ;  ebenso 
einfach  ist  das  auf  den  Pilastern  ruhende,  2  Meter  hohe  Gebälke,  dessen  einzigen 
Schmuck  die  in  kleinen  Charakteren  in  den  bloss  zweifach  abgestuften  Architrav 
eingegrabene  zweizeilige  Inschrift  bildet: 

GAULIENO  CLEMENTISSIMO  PRINCIPI  CVIVS  •  INVICTA  VIRTVS  SOLA 
PIETATE  SVPERATA  EST  ET  SALONINAE  SANCTISSIMAE  AVG  i|  M  • 
AVRELIVS  •  VICTOR      DEDICATISSIMVS     NVMINI     MAIESTATIQVE     EORVM 

M.  Aurelius  Victor,  der  nach  der  Inschrift  diesen  Bogen  errichtete,  war  Prae- 
fectus  Urbi  im  J.  262  n.  Chr.  ^  in  welche  Zeit  ungefähr  auch  die  Errichtung  des 
Denkmals  zu  setzen  ist.  Es  entstand  nicht  als  Triuraphdenkmal,  wozu  jeder  Anlass  fehlte; 
sondern  vielmehr  aus  persönlichen  Motiven  und  aus  Privatmitteln.  Die  Worte  der 
Inschrift  enthalten  daher  auch  nur  leere  Schmeicheleien,  die  im  schroffsten  Contraste 
zu  den  historischen  Nachrichten  stehen.  So  wird  er  hier  der  ,, mildeste  Herrscher 
genannt,  und  anderwärts  seine  unerhörte  Grausamkeit  hervorgehoben,  die  oft  3 — 4000 
Opfer  an  einem  Tage  verlangte.^  Im  Gegensatze  zur  ,, unbesiegten  Tapferkeit"  der 
Inschrift  erzählt  derselbe  Berichterstatter,^  dass  er,  während  das  Reich  von  den 
sogenannten  dreissig  Tyrannen  an  den  Rand  des  Verderbens  gebracht  war,  in 
schwelgerischer  Zurückgezogenheit,  seinen  Lüsten  lebte.  Seine  „Pietät"  endlich,  die 
hier  noch  über  seine  Tapferkeit  gesetzt  wird,  charakterisirt  die  bekannte  Thatsache, 
dass  er  seinen  greisen  Vater  Valerian  in  der  schimpflichen  Gefangenschaft  des  per- 
sischen Königs  Sapor  sterben  Hess,  ohne  sich  während  der  langen  Zeit  dieser  Schmach 
um  die  Befreiung  desselben  oder  um  die  Klagen  des  Volkes  in  anderer  Weise  zu 
bekümmern,  als  dass  er  fingirte  Triumphzüge  über  die  Perser  hielt.  In  neuerer 
Zeit  hat  der  Bogen  erhöhte  Bedeutung  dadurch  erhalten,  dass  er  sich  als  in  der 
Linie  der  servischen  Mauer  und  überdiess  an  der  Stelle  eines  alten  Stadtthores 
(Porta  Esquilina)  befindlich  erwiesen  hat.  *  Dieses  Umstandes  wird  noch  bei  Behand- 
lung des  Agger,  dessen  südliches  Ende  die  Porta  Esquilina  gebildet  hat,  zu  ge- 
denken sein. 

Der  Bogen,  im  Mittelalter  wegen  der  westlich  anstossenden  Kirche  Arco  di 
S.  Vito  genannt,  war  zu  Ende  des  15.  Jahrhunderts  nach  einer  Zeichnung  Sangallo's 
noch  weit  mehr  erhalten  und  zeigte  noch  Reste  eines  Giebels  kleinerer  Seitenbogen, 
oder  Durchsichten.  ^     Die  noch  sichtbaren  Spuren  davon  sind  gering. 


1  Corsini,  Series  Praefectoium  Urbis.    Pis.  ■ITGö.  p.  -142.  ^  gd-ipt.    H.   A.    (Trebell.   Poll.)   Gallieni 

duo.  48.  3  id.  c.  16.  ^  Vgl.  p.  11.  5  Veteres  Arcus  Augustorum  noUs  lo.    P.  Bellorii  illustrati 

delin.  et  sculpt.  a  P.  Santi  Bartolo.  Romae  1690. 


Das  muthmassliche  Nymphäum  des  Alexander  Severus. 


483 


100.    Das  muthmassliche  Nymphäum  des  Alexander  Severus. 

Die  Via  di  S.  Vito  führt  durch  die  breite  von  S.  Maria  Maggiore  aus- 
gehende Via  di  Carlo  Alberto,  von  welcher  jedoch  eben  jetzt  (1877)  ausser  der  um- 
fassenden Tieferlegung  und  einigen  Neubauten  noch  wenig  zu  sehen  ist,  zu  der 
Piazza  Vittorio  Emanuele,  künftig  wohl  dem  umfänglichsten  Platze  Roms,  jetzt  noch 
volle  Wüstenei,  seit  die  ehemaligen  Vignen  rasirt  sind.  Auf  diesem  Platze,  zur  Linken 
von  der  Einmündung  der  Via  di  Carlo  Alberto  erhebt  sich  eine  nicht  unbedeutende 
Ruine  aus  Backstein,  welche  unten 
eine  Breite  von  23,  in  der  Mitte 
eine  Tiefe  von  1 3,5o  und  vom  an- 
tiken Boden  aus  eine  Höhe  von  22 
Met.  hat.  Da  die  Ruine  an  der  Süd- 
ostseite mit  einem  Aquäduct  in  Ver- 
bindung steht,  so  ist  es  wohl  nicht 
zu  bezweifeln,  dass  wir  hier  einen 
der  vielen  Hauptbrunnen  vor  uns 
haben,  welche  das  wasserreiche 
alte  Rom  schmückten.  Die  im 
vorigen  Jahrhundert  vorgenom- 
menen Nivellirungen  ^  schienen 
darzuthun,  dass  sowohl  die  Zweigleitung  als  auch  unsere  Ruine  selbst  mit  der  Aqua 
Julia  in  gleicher  Höhe  stehen  und  desshalb  zu  dieser  gehörten,  doch  später  wurde 
nachgewiesen,^  dass  die  mit  unserer  Ruine  in  Verbindung  stehende  Wasserleitung 
ein  Theil  des  von  Alexander  Severus  angelegten  Aquäducts  sei.  Die  Ruine  besteht 
aus  einem  ziemlich  complicirten,  doppelt  abgestuften  Unterbau  mit  je  sechs  oder 
sieben  Mündungen,  aus  welchen  das  Wasser  in  ein  Bassin  strömte.  Darüber  ist  in 
der  Mitte  noch  eine  grosse  Nische  erhalten  und  von  den  beiden  Seitenbogen  noch 
ein  Theil  des  nördlichen.  In  diesen  Seitenbogen  standen  bis  zum  Jahre  1585  die 
beiden  Trophäen  (die  angeblichen  Trophäen  des  Marius),  welche  seitdem  auf  der 
Balustrade  an  der  Capitolstreppe  stehen,  wohin  sie  Sixtus  V.  versetzte.  Die  Ziegel 
der  Ruine  wie  die  Sculptur  der  Trophäen  widersprechen  der  Zeit  des  Alexander 
Severus  keineswegs,  und  so  wird  es  mit  Bezugnahme  auf  die  das  Brunnendenkmal 
vormals  speisende  Aqua  Alexandrina  ziemlich  wahrscheinhch,  dass  die  Ruine  dem 
Nymphäum  des  Alexander  Severus  (dem  Hauptbrunnen  der  Leitung),  welches  auch 


56. 


^  io  io  SoMtt. 

Grundriss  des  muthmasslichcn  Nymphäum   des  Alexander  Severus. 
(Nach  Caniiia.) 


1  Piranesi,  Le  Rovine  del  Castello  dell'  Acqua  Giulia  in  Roma.  R.  1761.  2  Lenormant,  Revue  numis- 

raatique.  1842.     Bull.  d.  I.  d.  C.  a.  1844.  p.  39.     Gerhard,  Arch.  Zeit.  1844.  S.  320. 

61* 


484 


Die  Esquilien. 


in  der  esquilinischen  Region  an  einer  nicht  unpassenden  Stelle  genannt  wird,  ^  zu- 
zuschreiben sei. 

Alexander  Severus  erbaute  seine  Wasserleitung ,  welche  1 3  Mgl.  vor  Rom 
zwischen  dem  alten  Gabii  und  dem  See  Regillus  gefasst  wurde,  ^  um  das  Jahr  225 
n.  Chr.  ^  Vitiges'  Zerstörung  der  AqiiUducte  im  J.  537  n.  Chr.  scheint  mit  der  Leitung 
auch  dem  Brunnen  ein   Ende   gemacht   zu  haben.     Im  Munde   des  Volkes   galt  die 


57.     Das  mulhmassliche  Nymphänm  dos  Alexander  Severus.  (F.  R.) 

Ruine  nun  forthin  als  Cimbrum,  welcher  Name,  nachdem  der  Anonymus  von  Ein- 
siedeln ^  wahrscheinlich  dafür  zwischen  S.  Vito  und  S.  Bibiana  richtiger  das  „Nym- 
pheum"  verzeichnete,  sich  schon  im  12.  Jahrhundert  findet,^  woraus  sich  später 
der  Name  ,,Trofei  di  Mario"  bildete.  ^  Dass  nun  dieser  irrthümlich  von  einem  nahen 
Siegesdenkmal  oder  Trophäen -Sacellum  des  Marius  auf  diese  Ruine  übertragen 
wurde,  ist  schwer  zu  behaupten.    Denn  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  dem  Alexander 


'  Curios.  U.  R.  Reg.  V.  2  r.  Fabretti,  de  Aquis  et  Aquaeductibus  veteris  Romae.  (Graev.  Thes.  A.  R. 

tom.  IV.  p.  1680.  sq.)  3 Script  H.  A.  (Lamprid.)  Alex.  Sev,  25.  ■»ed.  Haenel,  Archiv,  f.  Philol.  u.  Paed. 

Suppl.-Bd.  V.  p.  434.  5  Ord.  Rom.  (Mabillon,  Mus.  Ital.  tom.  II.  p.  141.  Not.)  Lib.  de  Mirabilibus  Romae. 

(Montfaucon,  Uiar.  Ital.  p.  295.)  6  Vgl.  Abbildung  bei  Gamucci,   Antichitä  di  Roma.    Ven.   1565.  p.  100. 


Q. 

E 


Der  angebliche  Tempel  der  Minerva  Medica. 


485 


Severus  gerade  die  Stelle,  an  welcher  sich  das  übrigens  schon  von  Cäsar  wieder- 
hergestellte ^  Siegesdenkmal  des  Marius  befand ,  für  seinen  Hauptbrunnen  passend 
schien,  und  dass  er  dessen  Trophäen  erneut  auf  dem  letzteren  einen  Platz  anwies. 


101.    Der  angebliche  Tempel  der  Minerva  Medica. 

Beugt  man  von  der  beschriebenen  Brunnenruine  aus  zur  Linken  entweder 
durch  die  Via  Mamiani  oder  durch  die  Via  Ricasoli  (beide  zur  Zeit  nur  auf  den 
Plänen  benannt)  in  die  dei  Bahnlinie  parallele  Strasse,  die  den  Namen  Principessa 
Margherita  trägt,  so  erblickt  man 
an  deren  südöstlichem  Ende  die 
malerische  Ruine  eines  grossen 
Kuppelbaues,  im  inneren  Durch- 
messer 23,  im  äusseren  34  und  in 
seiner  ursprünglichen  Höhe  33  Met. 
messend.  Ringsum  befinden  sich, 
den  Seiten  des  Dekagons  ent- 
sprechend, neun  Nischen  und  an 
der  Stelle  der  zehnten  der  Ein- 
gang. Der  Anwurf  der  Wände 
weist  auf  eine  bis  zum  Gesimse 
über  den  rundbogigen  Fenstern 
hinaufreichende  Marmorbekleidung, 
während  oberhalb  und  namentlich 


-^ 


JoMei. 


58.    Giundriss  des  angebl.  Tempels  der  Minerva  Medica.  (Nach  San  Gallo.) 


an  dem  noch  erhaltenen  Theile  der 
Wölbung  Spuren  von  Stuckbekleidung  sichtbar  sind.  Von  dem  Pavimente  hat  man 
noch  Porphyrplatten  entdeckt :  das  Badebassin  in  derMitte  jedoch  ist  modern.  Der 
Saal  war  auf  drei  Seiten  von  anderen  Gemächern  umgeben,  von  denen  man  noch 
die  Ansätze  sieht,  von  welchen  aber  in  des  älteren  San  Gallo  Zeit  noch  mehr 
sichtbar  war.     Der  Backsteinbau  weist  auf  das  dritte  Jahrhundert  n.  Chr. 

Im  Mittelalter  trug  das  Gebäude  den  auffallenden  Namen  le  terme  di  Gal- 
luccio ^  und  le  Galluzze,^  von  welchem  man  fälschlich  die  Bezeichnung  Thermen 
oder,  weil  solche  classisch  nicht  nachweisbar  waren,  eine  Basilica  des  Gaius  und 
Lucius  abgeleitet  hat.  Nicht  minder  unpassend  ist  der  im  18.  Jahrhundert  entstan- 
dene  und  bis  jetzt  üblich   gebliebene  Name  Tempel  der  Minerva  Medica  (welcher 


*  Sueton.  Caes.  \\.  2  ßlondi  Flavii  de  Roma  Instaurata.    Ven.  4503.  Lib.  II.  §  24.    L.  Fauno,  delle 

Antichitä  di  Roma.    Ven.  1548.  fol.  i09.  3  A.  Fulvii  Antiquitates  Urbis.  R.  <527.  fol.  XXV.  Gamucci,  Anti- 

chitä  di  Roma.    Ven.  ises.  p.  iOO. 


486  I^'ß  Esquilien. 

allerdings  in  der  Nähe  angenommen  werden  muss  ^),  von  der  angeblich  ^  (nicht  sicher  ^) 
hier  gefundenen  Pallas  Giustiniani  (Braccio  nuovo  des  Vatican).  Der  Rundbau  gehörte 
jedentalls  einem  grösseren  Gomplexe  an ,  welchen  einem  öffentlichen  Gebäude  zu- 
zuschreiben wir  durch  den  Grundplan  keinen  Anlass  haben,  doch  müssen  wir  wohl 
an  einen  sehr  hervorragenden  Besitzer  denken,  welcher  sowohl  die  Dimensionen 
als  auch  die  dabei  verwendete  Pracht,  wozu  die  zahlreichen  bei  der  Ruine  gefun- 
denen^ Statuen,  der  Pomona,  des  Aesculap,  des  Adonis,  der  zwei  Luperci,  der  Venus, 
eines  Faun,  des  Hercules,  des  Antinous  u.  a.  gehören,  rechtfertigen  kann.  Ganina  ^ 
hat  daher  angenommen,  dass  die  Ruine  zu  den  heinischen  Gärten  des  Gallienus  ge- 
hört habe,  deren  sonst  nicht  local  bestimmte  ^  Existenz  auf  dem  Esquihn  und  zwar 
sehr  passend  bei  S.  Bibiana  als  Palatium  Licinianum  vom  Liber  pont.  ^  bezeugt  wird. 
Einfacher  ist  es,  mit  Jordan,  welcher  indess  geltend  macht,  dass  dieser  Name  im 
Mittelalter  zwischen  dem  Sessorium  und  unserer  Rotunde  schwankte  ^  anzunehmen, 
dass  dem  »Galluccio«  ein  uns  unbekannter  Eigenname  zu  Grunde  liege. 

102.    Das  Sessorium  und  einige  Columbarien. 

Verlässt  man  die  Vigna  Magnani  an  der  südöstlichen  Ecke  vor  Porta  Mag- 
giore,  so  findet  man  in  der  Nähe  des  Ausgangs  noch  drei  Columbariencomplexe. 
Der  erstere  ist  sehr  zerstört,  der  zweite  zeigt  ein  wohnhausartiges  Gemächeraggregat 
in  drei  Stockwerken,  von  welchen  das  oberste  im  Niveau  des  modernen  Bodens 
hegt  und  nur  mehr  wenig  erhalten  ist,  das  mittlere  dagegen  einen  grossen  Raum 
mit  einem  starken  die  Treppe  umschliessenden  Pfeiler  in  der  Mitte  enthält.  Der  dritte 
Complex  lässt  noch  zwei  kleine  fast  isolirte  Columbarienhäuschen  erkennen,  von 
welchen  das  eine  noch  sein  Tonnengewölbe  und  leichten  Wandschmuck  zeigt. 

Wendet  man  sich  nun  südlich  die  Via  di  Porta  Maggiore  entlang  gegen  die 
Basilika  S.  Croce,  so  findet  man  zunächst  in  der  Vigna  zur  Rechten  die  Ueberreste 
eines  kleinen  Wasserbehälters  für  Bäder,  welche  auf  eine  in  der  Nähe  gefundene 
sehr  fragmentirte  Inschrift  hin,  die  ganz  zusammenhangslos  die  Worte  HELENA 
und  THERM A..  darbietet,  (jetzt  im  valicanischen  Museum'^),  als  die  Bäder  der 
Helena  bezeichnet  werden.  Zur  Linken  von  S.  Croce  aber  in  die  anstossende 
Vigna  des  Klosters  tretend,  sieht  man  eine  beträchtliche  Ruine,  bestehend  aus  einer 
grossen  Apsis  mit  einigen  Rundbogenfenstern  und  zwei  geradlinig  sich  anschhessen- 
den  Mauern.    Der  Backsteinbau  scheint  dem  3.  Jahrhundert  n.Chr.  zu  entsprechen; 


1  Gurios.  U.  R.  Reg.  V.  Grut.  Inscr.  p.  MLXVII.  No.  5.  2  Ficoroni,  Le  vestigia  e  raritä  di  Roma  an- 

tica.  R.  1774.  p.  119.  3  P.  Santi  Bartoli,  Memorie.     No.  112.  (Fi,  Meascell.  I.  p.  GGLIV.)  *  Fl.  Vacca, 

Mem.  No.  17.   (Fea,  pLXI.)  s  indicaz.  topogr.  4.  Ediz.  R.  1850.  p.   160  sq.  «Script.  H.  A.  (Treb.  PoII.) 

Gallien.  17.       ^  Vit.  Pont.  Simplic.  (Par.  1649.)  p.  29.       8  Jordan  Topographie  II.  S.  131.       »  Orelli  Inscr.  n«  20. 


Das  Sessorium  und  einige  Columbarien.  487 

einen   Grundplan   herzustellen,   aus  welchem  vielleicht  die  ehemalige  Bestimmung 
der  Ruine  ersichtlich  wäre,  ist  ohne  Nachgrabungen  unmöglich. 

Die  früheren  Bezeichnungen  der  Ruine  als  Tempel  der  Venus  und  Cupido 
nach  einer  hier  gefundenen  Statue  der  Venus  oder  als  Spes  Vetus  nach  der  Nähe 
der  Ruine  an  dem  Anfange  der  neronischen  Zweigleitung,  bei  welchem  jener  Tem- 
pel lag,^  sind  grundlos.  Auch  die  Identificirung  mit  dem  obenerwähnten  Nymphäum 
des  Alexander,^  wie  Becker^  gezeigt  hat.  Das  Wahrscheinlichste  ist,  dass  man  in 
der  Ruine  Ueberreste  jenes  Sessorium  zu  erkennen  habe,  welches  von  einem  Scho- 
liasten  bei  den  Gemeingräbern  der  Armen  und  Verbrecher  auf  dem  Esquilinus  er- 
wähnt^ und  als  Palatium  Sessorianum  vom  Liber  pont.  bei  S.  Croce  bezeichnet 
wird.  ^     Zweck  und  Bedeutung  des  Sessorium  ist  dunkel. 

Von  dem  nahen,  jedoch  schon  in  die  aurelianische  Mauer  eingeschlossenen 
Amphitheatrum  Castrense  wird  bei  Beschreibung  dieser  Mauer  die  Rede  sein,  da- 
gegen fügen  wir  hier  noch  die  Notiz  von  einem  schönen  Columbarium  an,  welches 
unweit  davon  i  866  in  der  Villa  Wolkonsky  gefunden  worden  ist.  **  An  der  Süd- 
seite einer  muthmasslich  von  der  Porta  Caelimontana  gegen  Porta  Maggiore  führen- 
den Strasse,  welche  6,,.^  M.  unter  dem  modernen  Boden  entdeckt  ward,  gelegen, 
erhob  sich  der  Grabbau  in  zwei  Stockwerken  über  das  antike  Strassenniveau,  wäh- 
rend ein  drittes  Gelass  schon  im  Alterthum  unterirdisch  war.  Die  Fagade;  4,^^  M. 
lang  und  4,2o  hoch ,  ist  höchst  schlicht  in  unverputztem  Ziegelwerk  aufgeführt  und 
ausser  einfachen  Terracottagesimsen,  nur  durch  eine  schmucklose  1 ,45  M.  hohe  Thüre 
und  zwei  Fensterchen  gegliedert.  In  der  Mitte  aber  ist  eine  umrahmte  Marmortafel 
eingelassen,  welche  folgende  Inschrift  enthält: 

Tl     CLAVDIO  •  Tl    F    VITALI  ||  Ti    CLAVDIVS    VITALIS    ARCHITEC  ||  CLAV- 
DIA  •  Tl  •  L  •  PRIMIGENIA  ||  CLAVDIA     Tl  •  E    O     L    OPTATA  •  F  |1  Tl    CLAV- 
DIVS   AVG    L  II  EVTYCHVS    ARCHITECTVS 

Der  Eingang  führte  zu  einem  kleinen  Podest,  von  welchem  aus  nur  drei  0,55  M. 
breite  Backsteinstufen  zur  mittleren  empor,  ebensoviel  in  die  untere  Kammer  führen. 
Die  erstere  zeigt  einen  Mosaikboden  mit  geometrischen  Mustern  in  weiss  und  schwarz, 
in  der  Mitte  jeder  Seite  mit  Ausschluss  der  Treppenseite  ist  eine  Nische  angebracht, 
in  einigen  Resten  einstigen  Musivschmuck  verrathend.  Sonst  waren  Wände  und 
Kreuzgewölbe  auf  Verputz  bemalt.  Aehnlicher  Art  war  das  untere  Gelass,  nur 
einfacher  behandelt;  ausser  den  Bestattungsplätzen  in  den  Wandlöchern  waren  auch 
Särge  aufgestellt.     Das  oberste  Geschoss  scheint  später  hinzugefügt  worden  zu  sein 

1  Frontin.  I.  19—21.       2  Beschreibung  d.  St.  Rom.  Bd.  m.  Abth.  I.  S.  568.  Vgl.  Bd.  I.  S,  181.  (Bunsen.) 
3  Hdb.   d.  röm.  Allerth.   Bd.  I.  S.   547  fg.  *   Schol.    Cruq.   ad  Hör.    Epod.  V.  v.  100.  Sat.   I.  8.  v.  11. 

5  Vit.  Pontif.  Silvestr.  Par.  1649.  p.  16.        6  r,  ßergau,  Sepolcro  antico  scoperto  nella  villa  Wolkonski.  Bull.  d. 
J.  d.  c.  a.  1866.  p.  112—117. 


488  ^^**^  Esquilien. 

und  zeigt  Wände  von  opus  reticulatuni.  Die  Zeit  der  Entstehung  des  älteren  Thei- 
les  aber  ist  durch  die  angeführte  Inschrift  nach  Inhalt  und  Schriftform  unzweifel- 
haft claudisch,  wie  auch  die  Besitzer  des  Grabmales  als  Architecten  des  Kaisers 
Claudius  genannt  werden.  Vielleicht  darf  sogar  der  unmittelbar  nahe  claudische 
Aquaeduct  und  der  imposante  Strassenübergang  der  jetzigen  Porta  Maggiore  mit 
ihnen  in  Zusammenhang  gebracht  werden. 

103.    Das  angebliclie  Auditorium  des  Mäcenas/ 

Kehrt  man  von  der  Villa  Wolkonsky  durch  die  Via  in  Merulana  zurück,  so 
gelangt  man  an  antiken  Hügelsubstructionsmauern  in  den  links  anstossenden  Gärten 
vorüber,  da  wo  die  neuabgesteckte  Via  Leopardi  rechts  gegen  die  zur  Zeit  nur  an 
den  sog.  Trofei  di  Mario  erkennthchen  Piazza  Vittprio  Emanuele  abzweigt  zu  einer 
höchst  bemerkenswerthen,  erst  in  neuester  Zeit  (1874)  gefundenen  Ruine. 

Sie  besteht  in  der  Hauptsache  aus  einem  seit  1 876  unter  ein  Schutzdach  ge- 
brachten im  Alterthume  zur  Hälfte  unterirdischen  oblongen  Saal  von  i9,jQ  M.  Länge 
und  1 0,g(,  M.  Breite  an  dessen  nordwestlicher  Schmalseite  sich  eine  halbkreisförmige 
5,3Q  M.  im  Radius  messende  Exedra  anschloss.  Die  letztere  zeigt  eine  an  den  Zu- 
schauerraum eines  antiken  Theaters  erinnernde  concentrische  Terrassirung ,  deren 
sieben  Stufen  ursprünglich  mit  caristischem  (Cipollino)  Marmor  bekleidet  waren  und 
deren  Schlusswand  durch  fünf  Nischen  gegliedert  ist,  welche  halb  so  tief  als  breit 
und  oben  geradlinig  abgeschlossen  sind.  Die  Längswände  werden  der  Exedra  zu- 
nächst durch  je  sechs  Nischen,  welche  von  der  Art  der  erstgenannten,  jedoch  an- 
nähernd so  tief  als  breit  sind,  und  sich  ganz  nahe  stehen,  belebt,  bleiben  aber  gegen 
die  Schlusswand  hin  ohne  anderen  gebauten  Schmuck  als  den,  welchen  die  Ein- 
gänge beiderseits  etwa  dargeboten  haben  mochten. 

Das  Mauerwerk  zeigt  die  Technik  das  opus  reticulatum  als  Innen-  wie  Aussen- 
verkleidung  der  zwischenliegenden  Gussmasse  (fantura).  Wie  das  Netzwerk  so  sind 
auch  die  an  den  Kanten ,  Bogen  u.  s.  w.  nöthigen  ziegeiförmigen  Stücke  in  Tuf 
hergestellt.  Die  Wände  sind  grossentheils  bis  zum  Gesimse  einschliesslich,  d.  h. 
in  einer  Höhe  von  7,4o  Met.  erhalten;  die  Bedeckung  aber  war  im  Oblongum  un- 
zweifelhaft durch  ein  Tonnengewölbe  der  Exedra  wahrscheinlich  durch  eine  Halb- 
kuppel erwirkt,  wie  diess  auch  an  ähnlich  geplanten  Terapelcellen  (Venus  und 
Roma)  der  Fall  war.     Das  Licht   konnte   nur  hypäthral  besorgt  gewesen  sein,  weil 


^  Vespignani  e  G.  L,  Visconti,  Antica  sala  da  recitazioni,  ovvero  auditoro,  scoperto  fra  le  ruine  degli 
orti  mecenanziani  sull'  Esquilino.     Bull,  della  comm.  arch.  mun.     1874.  p.  137— i  74.  Tav.  XI— XVm. 


Das  angebliche  Auditorium  des  Mäcenas. 


489 


der  Bau  mehr  als  zur  Hälfte  unterirdisch  war,  und  sonach  die  Fensterausschnitte 
des  Saales  (mit  Ausschluss  der  Exedra)  unter  dem  äussern  Niveau  lagen,  mithin  selbst- 
verständlich von  vorneheiein  geblendet  sein  mussten.     Man  wird  annehmen  dürfen, 


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58*^.     Plan  und  Durchschnitt  des  angeblichen  Auditorium  des  Mäcenas.  (Nach  C,  Mariani.) 

dass  die  Hypäthren  im  Gewölbescheitel  in  der  Weise  angebracht  waren,  wie  diess  dei- 
ähnliche  Saal  der  Villa  der  Livia  Augusta  in  Prima  porta  zeigt.  Fragmente  von 
ij;rossen  Glasplatten,  die  man  im  Schutte  des  Innern  fand,  Hessen  sogar  vermutlien, 

F.  Reber,  Hom.  62 


490  Die  Esquilien. 

dass  die  Lichtausschnitte  einst  (ob  urspr'ünglich?)  verglast  waren.  Als  Paviment  fand 
sich  feines  weisses  Mosaik  mit  einem  rothen  Einfassungsstreifen  unterhalb  den  Resten 
eines  späteren  Marmorpflasters.  Die  Wände  waren  auf  rothem  Grunde  leicht  orna- 
mentirt;  die  Nischen  dagegen  zeigen  von  Vögeln  belebte  Vegetation,  Bäumchen, 
Gesträuche  und  Blumen ,  gleichsam  als  Ersatz  für  die  fehlenden  Fenster  und  die 
Aussicht  in  die  benachbarten  Gärten.  Sonst  ziehen  sich  0,27  Met.  hohe  Figurenfriese 
auf  schwarzem  Grunde  unter  den  Exedra-    wie  über  den  Saalnischen  hin. 

Einiges  Bemerkenswerthe  bietet  auch  Lage  und  nächste  Umgebung  dar.  Es 
ist  schon  gesagt  worden,  dass  der  Saal  beträchtlich  (7  Met.)  unter  dem  antiken 
Niveau  lag,  weit  mehr  als  unter  gegenwärtig  bedeutend  vertieftem  Boden.  Da  nun 
der  Erbauer  einen  Treppenzugang  vermeiden  wollte,  so  legte  er  an  der  linken  Seite 
des  Saales  einen  sanft  abwärtsführenden  in  zwei  Läufe  gebrochenen  Corridor  an, 
welcher,  in  opus  spicatum  gepflastert,  an  der  das  Suggestum  enthaltenden  Schluss- 
wand mündete.  Ein  Ausgang  an  der  diesem  Eingange  gegenüberliegenden  Seite 
bewerkstelligte  die  Gommunication  auch  an  dieser  und  führte  zu  angebauten  jedoch 
nicht  weit  erhaltenen  Gemächern,  aus  deren  Resten  sich  indess  wenigstens  ergab, 
dass  der  Saal  nicht  isolirt  für  sich  stand,  sondern  einem  grösseren  Complexe  an- 
gehörte. Wichtiger  aber  war  die  Entdeckung  der  servischen  Mauer,  welche  bei 
der  durch  die  esquilinische  Stadterweiterung  nothwendig  gewordenen  Tiefer- 
legung des  Niveaus  unter  dem  Boden  der  Kaiserzeit  beiderseits  zum  Vor- 
schein kam.  Der  Plan  No.  58*  giebt  in  der  schrägen  Punktirung  die  Linie  derselben, 
welche  den  Saal  theilweise  durchschnitt,  in  dessen  Innenraum  aber  bei  seiner  Er- 
bauung demolirt  werden  musste.  Das  nördlich  an  den  Saal  anstossende  Stück  ist 
noch  16  Met.  lang  in  5  Lagen  erhalten,  die  ursprüngliche  Gesammtdicke  von  3,(5o 
Met.  zeigend,  die  zwei  kleineren  Stücke  an  der  Südecke  des  Saales  dagegen  bieten 
nur  3  Lagen  dar.  Da  sie  sämmtlich  auf  einen  ursprünglich  höheren  Grund  gebettet 
waren,  so  mussten  sie,  zum  Theil  schon  im  Alterthum,  substruirt  werden.  Die  Stein- 
zeichen sind  A  und  H.  Die  Reste  fallen  in  den  Trakt  zwischen  Porta  Esquilina 
und  Querquetulana  und  bieten  das  anschaulichste  Stück  der  normalen  Ummauerung 
dar,  da  die  grösseren  gänzlich  blossgelegten  Stücke  jenseit  der  Porta  Esquilina  schon 
der  Aggerverstärkung  angehören. 

Dass  der  Saal  aus  der  ersten  Kaiserzeit  stammt,  ist  durch  Construction  wie 
Gemäldeslyl  ausser  Zweifel.  Denn  es  ist  nicht  blos  durch  Vitruv  (IL  8)  ziemlich  sicher, 
dass  das  opus  reticulatum  (Netzwerk)  erst  mit  Augustus  das  opus  antiquum  oder 
incertum  verdrängte,  sondern  die  neueren  Forschungen  lassen  auch  vermuthen, 
dass  mit  dem  opus  reticulatum  sich  nur  kurze  Zeit  die  Herstellung  von  Bogen  und 
Kanten  in  ziegeiförmigen  Tufsteinen  verband,   an  deren  Stelle  bald  die  bequemere 


Das  angebliche  Auditorium  des  Mäcenas.  491 

Ziegelconstiiiction  trat,  bis  endlich  unter  Hadrian  der  Ziegelbau  das  opus  reticulatum 
ganz  verdrängte.  ^  Auch  ist  die  Aehnlichkeit  der  gemalten  Vegetation  mit  dem 
bereits  angezogenen  Gemache  in  Primaporta  überraschend  und  überhaupt  der  Deco- 
lationsstyl  noch   nicht   so   manirirt  wie   in    der    flavischen  Epoche  (Pompeii). 

Was  aber  den  Zweck  des  Gebäudes  betrifft,  so  schienen  die  theaterförmigen 
Sitzstufen  der  Exedra  auf  einen  Zuschauer-  oder  Zuhörerraum  zu  weisen.  Dabei  dachte 
man  zunächst  an  jene  Vorlesungen  in  den  Häusern  hochgestellter  Literaturfreunde, 
welche  zu  Anfang  der  Kaiserzeit  sich  keiner  geringeren  Verbreitung  erfreuten,  wie  heut- 
zutage,^ für  welche  man  eigene  Säle,  auditorium  genannt,^  einrichtete,  die  ungefähr 
die  Gestalt  des  vorliegenden  Saales  haben  mochten.  *  So  ansprechend  sich  aber 
auch  diese  Bestimmung  namentlich  mit  Rücksicht  auf  den  Besitzer  des  Raumes  in 
der  Phantasie  darstellen  mag,  so  ist  sie  doch  von  Sicherheit  weit  entfernt.  Noch 
mehr  der  Gedanke  an  ein  Gewächshaus,  wofür  zwar  die  Gestalt  und  namentlich  die 
lialbunterirdische  Lage  nicht  aber  die  Beleuchtung  passen  würde. 

In  Bezug  auf  Bestimmung  und  Besitzer  geben  die  gefundenen  Inschriftfrag- 
mente keinen  Aufschluss.  Doch  unterliegt  es  keinem  Zweifel,  dass  der  Saal  in  das 
Gebiet  fällt,  über  welches  sich  die  Gärten  des  Mäcenas  erstreckten.  Denn  dass 
diese  auf  der  Höhe  des  Esquilinus  von  der  Stelle  der  nachmaligen  Thermen  des 
Traian  bis  über  die  Porta  Esquilina  diessseits  wie  jenseits  der  servischen  Mauerlinie 
sich  ausdehnten  ist  durch  Horaz  wie  dessen  Scholiasten^  trotz  einiger  Verwech- 
selung bei  den  letzteren  bezüglich  der  äusseren  und  inneren  Gärten  unzweifelhaft. 
Minder  gewiss  dagegen  ist  der  Antheil,  den  Caligula  oder  Nero  an  dem  Gebäude 
hatten;  denn  nachdem  die  Gärten  in  Augustus'  Besitz  gekommen  waren,  finden  wir, 
dass  Caligula  diese  mit  den  angränzenden  vormals  lamischen  Gärten  wenigstens 
vorübergehend  bewohnte ,  ^  während  Nero  unter  grossartigen  Umbauten  dieselben 
sogar  zu  seinem  bevorzugten  Aufenthalte  (domus  aurea)  umschuf. 

104.    Der  Agger  des  Servius  Tullius. 

Verfolgt  man  die  Linie  des  am  sog.  Auditorium  des  Mäcenas  erhaltenen 
Restes  der  servischen  Mauer  über  das  in  Folge  der  modernen  Tracirungsarbeiten 
jetzt  völlig  öde  esquilinische  Gebiet  nordwärts,  so  findet  man  jenseits  des  Gallienus- 
bogens  bis  zum  Bahnhofe  ausser  mehren  unansehnlichen  Resten  ein  grösseres  Be- 
festigungsstück an  der  Stelle  der  projectirten  Piazza  Manfrede  Fanti.  Es  hat  eine 
Länge  von  22  Met.,  ist  in  5  Steinlagen  erhalten  und  bildet  einen  stumpfen  Winkel, 
dessen    Spitze  nach   aussen  gekehrt   ist.     Im  Winkel   innen   ist   eine   bogenförmige 

1  V.  Vespignani  e  C.  L.  Visconti  1.  c.  p.  147.      2  pün.  Ep.  III.  i8.       3  Sueton.  Octav.  85.  Plin.  Ep.  V.  3. 
■•  Juvenal.  Sat.  VII.  39.  49.       »  Acron  et  Sehol.  Grucq.  ad  Hör.  Sat.  I.  8.       «Philon.  Ind.  opp.  VI.  p.  143  (Lps.) 

62* 


492 


Die  Esquilien. 


Verstärkung  angebracht,  deren  Construction  in  keilförmigen  Steinen  aus  der  beifol- 
genden Abbildung  (Fig.  58b)  ersichtlich  ist.  Die  Mauerstärke  beträgt  4,3o  Met.;  die 
Dimensionen  der  in  der  üblichen  Weise  nach  Läufer  und  Binder  geschichteten  Steine 
sind  die  gewöhnlichen,  nemlich  0,57 — 0,59  Met.  nach  Breite  und  Höhe  bei  einer  mehr 
variirenden  Länge  bis  zu  1 ,8o  Met.  Das  Stück  musste  schon  dem  Agger  angehören,  d. 
h.  jenem  stärker  gehaltenen  ßefestigungstheile,  welchen  Servius  Tullius  an  der  nicht 
durch  die  natürliche  Beschaffenheit  des  Terrains  unterstützten  Hochebene  gegen  Nord- 
osten für  erforderlich  hielt,  denn  wir  wissen,  dass  sich  diese,  die  Porta  Viminalis  in 
die  Mitte  nehmend,  von  Porta  Esquilina  (Gallienusbogen)  bis  Porta  GoUina  (Nordeckc 
des  Finanzministeriums)  erstreckte.  ^ 


SSI»'     Mauerstuck  vom  Agger  des  Servius  TuUius.     (F.  R.) 

Belehrt  aber  dieses  Stück  nicht  weiter  über  die  Gestalt  der  ganzen  Befesti- 
gung, so  haben  die  weiter  nördlich  auftretenden  Stücke  beim  Bau  des  Bahnhofes 
durch  die  hierbei  nothwendig  gewordene  Demohrung  Gelegenheit  zu  gewissermassen 
anatomischer  Erforschung  derselben  dargeboten.  ^  Andere  Unterstützung  gewähren 
dann  die  erst  in  den  letzten  Jahren  aufgefundenen  fünf  Stücke  östlich  vom  Bahn- 
stationsgebäude bis  hinterhalb  der  Thermen  des  Diocletian,  welche  zwar  schon  in 
das  viminalische  Gebiet  gehören,  aber  des  Zusammenhanges  wegen  doch  hier  zur 
Besprechung  herangezogen  werden  müssen. 


1  Strabo  V.  3 ,  1  u.  7  u.  9  p.  228.  234.  237.  2  r.  Bergau  u.  E.  Pinder,   gli  avanzi  dell'  aggere  e 

del  muro  di  Servio  TuUio  scoperti  nella  villa  Negrnni.    Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  -1862  p.  126—137  tav.  d'agg.  J.  K. 
—  R.  Lanciani,  SuUc  mure  e  porte  di  Servio.     Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1871.  p.  61  sq. 


Der  Agger  des  Servius  TuUius.  493 

Der  Wall  fieilicli,  d.  h.  die  Erdaufschüttung,  ist  jetzt,  obwohl  er  sich  bis  auf 
die  neueste  Zeit  vollkommen  deutlich  von  der  Via  di  Porta  Pia  (Venti  Settembre) 
bis  zur  Piazza  di  S.  Maria  Maggiore  erhalten  hat,  in  Folge  der  Tracirungsarbeiten 
zum  Zweck  der  viminahschen  Stadtanlage  gänzlich  verschwunden,  in  seinen  letzten 
Stücken  nordöstlich  vom  Stationsgebäude  erst  i.  J.  1877.  Der  Graben  vor  dem- 
selben, aus  welchem  das  Material  für  den  Wall  genommen  ward  und  worüber  das 
Nöthige  schon  in  der  Baugeschichte  (S.  11)  vorgetragen  worden  ist,  war  schon  in 
der  Kaiserzeit,  völlig  zugeschüttet.  Dagegen  stehen  noch  etliche  Mauerstücke,  wenn 
auch  durch  den  Anbau  des  neuen  Stadtviertels  taglich  bedroht.  Sie  gehören  zu  den 
Substructionswänden,  von  welchen  der  Erdwall  aussen,  stellenweise  innen  und  aussen, 
gehalten  war,  wonach  der  Agger  den  Charakter  einer  Wallmauer  hatte.  Die  Breite 
des  ganzen  Walles,  nicht  überall  gleich,  scheint  an  der  schmälsten  Stelle  unten 
24  Met.,  an  der  breitesten  über  30,  Met.  betragen  zu  haben,  die  Höhe  von  der 
Tiefe  des  Grabens  aus  über  9  Met.  Das  Material  der  Futtermauern,  welche  in  Ab- 
ständen von  etwa  5,5o  Met.  Lisenenverstärkung  zeigen,  ist  zwar  in  den  Maassen  der 
Quadern  den  übiigen  Resten  der  servianischen  Mauern  gleichartig,  nicht  aber  hin- 
sichtlich der  Herkunft,  denn  an  der  Stelle  der  sonstigen  Blöcke  von  gelbrothem 
römischem  oder  grauem  Peperintuf  zeigt  sich  hier  ein  abweichend  graulicher  Tuf 
verwendet,  von  welchem  nach  Lanciani's  Bericht  1872  die  alten  Brüche  in  der 
Vigna  Gigli,  jetzt  Quirini  links  von  der  Via  Tiburtina,  ein  Kilometer  von  der  Stadt 
entfernt  gefunden  worden  sind. 


XI.  Die  CoUes.   Viminalis,  Quirinalis  und  Collis  Hortorum 

(Pincius). 

Von  dem  schmalen  und  unbedeutenden  Viminalis,  der  nur  durch  ein  enges 
Thal  vom  Esquilin  getrennt  sich  in  südwestlicher  Richtung  herabzieht,  und  dessen 
Name  von  dem  ihn  vormals  bedeckenden  Weidengehölz  {salix  viminalis)  abgeleitet 
wird,^  wissen  wir  nur  wenig,  und  auch  von  diesem  ist  nur  das  von  Plinius  ■  wegen 
seiner  Pracht  hervorgehobene  Haus  des  Ritters  G.  Aquilius  bestimmt.  Weit  mehr 
Bedeutung  hatte  der  etwas  grössere  Quirinahs,  welcher  von  dem  Viminalis  ebenfalls 
nur  durch  ein  schmales  Thal  getrennt,  bis  nahe  an  den  Capitolinus  sich  herabzieht, 
und  sogar  ursprünglich  den  Fuss  des  letzteren  berührte,  wie  bei  Beschreibung  des 
Traianforum  erwähnt  worden  ist.   Schon  in  vorromulischer  Zeit  von  einer  sabinischen 


1  Varro   L.  L.  V.  8,   16.   p.  57   (Speng.)   Fest.   s.  v.  Viminalis,  luvenai.  111.    v.  71.  2  XVII.   i,  2. 


494  Die  Colles.   Viminalis,  Quirinalis  und  Collis  Horlorum  (Piiicius) 

Colonie  besetzt,  erhielt  er,  angeblich  vorher  Agonalis  genannt,^  seinen  Namen  von 
dem  uralten  Heiligthum  des  sabinischen  Gottes  Quirinus,  welches  dadurch  zum 
römischen  Nationalheiligthum  wurde,  dass  Numa  den  Romulus  mit  dem  Quirinus  identi- 
ficirte.^  Numa  war  es  auch,  der  den  sabinischen  Gau  durch  eine  Mauer  zur  städtischen 
Ansiedlung  machte,^  und  auch  selbst  auf  dem  Hügel  —  wie  es  scheint  abwechselnd  mit 
der  Regia  an  der  Velia  —  Wohnung  nahm.^  Von  dem  Agger  des  Servius  Tullius 
und  dessen  neuerlich  aufgefundenen  Ueberresten  sammt  Thoren  desselben  wie  von 
dem  Mauergang  und  den  Thoren  von  der  Nordspitze  der  servischen  Stadt  bis  zum 
Slidfusse  des  Quirinals  wurde  früher  (p.  10.  11   u.  anderw.)  gesprochen. 

Der  sabinische  Charakter  der  quirinalischen  Ansiedlung  prägt  sich  namentlich 
in  den  ältesten  Cultstätten  aus,  die  auf  dem  Hügel  erstanden.  Der  dem  Numa  zu- 
geschriebene Tempel  des  Quirinus  war  wahrscheinlich  von  dem,  der  neu  gebaut 
im  J.  461  d.  St.  (213  v.  Chr.)  von  L.  Papirius  Cursor  geweiht^  und  im  J.  738  d. 
St.  (16  V.  Chr.)  durch  Augustas  in  prachtvoller  Weise  umgebaut  wurde,"  verschieden, 
und  vielleicht  jenes  Sacellum  Quirini,  das  bei  Porta  CoUina  (quirinalis)  genannt  wird,  ^ 
während  der  grosse  Tempel  nach  der  Notitia  weiter  südlich  und  in  der  Nähe  der 
constantinischen  Thermen  lag.  Nahe  dabei  befand  sich  der  kleine  ^  Hypäthraltempel 
des  Semo  Sancus  oder  Dens  Fidius  angeblich  in  romulischer  Zeit  von  Tatius  gegründet, 
von  Tarquinius  Superbus  neugebaut  und  in  republikanischer  Zeit  geweiht. "  Unweit 
davon  bei  Palazzo  Barberini  ^^  befand  sich  auch  das  Capitolium  vetus,  älter  als  das 
capitolinische  Nationalheiligthum,  ^^  aber  klein  und  unansehnlich,  und  desshalb  nach 
Erbauung  des  letzteren  alle  Bedeutung  verlierend.  Diess  Capitolium  vetus  aber  war 
dem  Tempel  der  Flora  benachbart  ^^,  und  beide  werden  mit  den  Tempeln  des  Quirinus 
und  des  Semo  Sancus  am  südlichen  Theile  des  Quirinals  liegend  noch  von  der  Notitia 
genannt.  Weiter  nördlich  befand  sich  der  im  J.  450  d.  St.  (304  v.  Chr.)  von  C. 
Junius  Bibulcus  geweihte  und  durch  Fabius  Pictor  ausgemalte  Tempel  der  Salus,  ^^ 
während  die  drei  Tempel  der  Fortuna  der  Porta  Collina  nahe  waren,  ^*  und  zwar  wie 
wahrscheinlich  auch  die  Venus  Erycina  ^^  vielleicht  ausserhalb  derselben,  was  aus  dem 
Fund  einer  Altarinschrift  (1 873)  wenigstens  für  die  von  P.  Semp.  Sophus  gelobte  und 
von  Q.  Marcius  geweihte  Fortuna  Primigenia  hervorzugehen  scheint. ^"^  An  der  Porta 
Collina  aber  ^"^  befand  sich  ein  Honostempel,  von  welchem  sich  bei  Anlage  des  Finanz- 


1  Fest  s.  V.  Quirinalis.  2  Dionys.  63.     II.  Ovid  Fast.  11.  v.  509  sq.  3  Dionys.  II.  62.  *  Plut. 

Num.  U.     Solin.  I,  21.  5  Liv.  X.  46.  Plin.  Vit.  60,  213.  6  Dio.  LIV.  19.  ^  paul.  Diac.  s.  v. 

Quirinalis.  8  Varro  L.   L.  V.   10,  20.  p.  72.  (Speng.)  9  Dionys  IX.    60.     Tertull.  ad  nat.  II.  9.   Vgl. 

Becker,  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  I.  S.  576  fg.  10  S.  Bartoli  Mem.  Fea.  Mise.  230,  10.  G.  I.  L.  I.  41,  630,  638. 

i>  Varro  L.  L.  V.  32,  44.  p.   158.   (Speng.)  12  Varro  1.  c    Mart.  Ep.  V.  22.  4.  '3  Paul.   Diac.    s.    v. 

Salutaris.     Liv.   X.    1.     Plin.   H.   N-   XXXV.   4,    7,   19.  i^   Vitruv.   III.    1,  16.  is  Ovid.  Fast.  IV.  v. 

871.     Am.  V.  549.  16  C.  L.   Visconti,  Due  monumenti  del  culto  della  Fortuna  sul  Quirinalc.  Bull.  mun.  I. 

1873  p.  206.  n  cic.  legg.  II.  23.  58.  Strabo  V.  3  p.  228. 


Die  Collis,     Viminalis,  Quirinalis  und  Collis  Hortorum  (Pincius).  495 

ministeriums  unter  der  Via  del  Maccao  35  Met.  vom  servischen  Wall  ein  nach  der 
auf  die  Zeit  vor  520  d.  St.  weisenden  Schreibart  sehr  alter  Votivcippus  gefunden  hat.  * 

Den  Anfang  der  kaiserlichen  Prachtbauten  auf  dem  Quirinal  hatte  schon 
Salustius  mit  seinen  sumtuosen  Gärten  gemacht,  von  w^elchen  besonders  gesprochen  wer- 
den soll.  Unter  Domitian  erstand  an  der  Stelle  seines  Geburtshauses  das  Heroon 
des  flavischen  Geschlechtes,^  ein  Tempel  und  Giabmal,  zu  welchem  vielleicht  der 
vor  Porta  Collina  gefundene  Colossal-Kopf  des  Vespasian  gehörte.  ^  Jedenfalls  prächtig 
waren  auch  die  beiden  Werke  des  unsinnigen  Elagabal,  der  Tempel  des  Serapis  ^  und 
dasSenaculum  mulierum.'^  Von  einem  Triumphbogen  desGordian  in  der  Nähe  des  praet. 
Lagers  wahrscheinlich  über  der  Via  Viminalis,  der  noch  im  späten  Mittelalter  ge- 
standen zu  haben  scheint,  fanden  sich,  jedoch  nicht  in  situ  neuerlich  bedeutende 
Reste.  ^  Mit  allen  früheren  Bauten  dieses  Hügels  aber  gar  nicht  zu  vergleichen 
waren  die  grossartigen  Anlagen  der  diocletianischen  und  der  constantinischen  Thermen, 
welche  nahezu  die  Hälfte  des  ganzen  Hügels  in  Anspruch  nahmen.  Von  beiden 
wird  besonders  gesprochen  werden.  Ausserhalb  des  Agger  wurden  meist  Privat- 
anlagen gefunden.  So  die  1 872  entdeckten  Gemächer  mit  den  Ziffern  im  Paviment, 
welche  Lanciani  und  Visconti '  als  auf  die  praetorianischen  und  urbanen  Cohorten  be- 
züglich, Rosa '^  alsPlannumerirung,  Jordan  dagegen"  am  zutreffendsten  als Erstreckungs- 
maasse  eines  musivischen  Hausplanes  erklärte.  Oder  die  schon  1862  bei  Anlage  des 
Bahnhofes  gefundenen  Bäder  oder  Nymphäumsreste  aus  antoninischer  Zeit,  deren 
Hauptraum,  ein  Octogon  mit  einer  Brunnenapsis  und  vier  halbkreisförmigen  Nischen, 
drei  Statuen,  eine  überlebensgrosse  Faustina  sen.  (jetzt  im  capitolinischen  Museum), 
eine  Diana  (jetzt  im  Braccio  nuovo  des  Vatican)  und  ein  Apoll  (noch  unrestaurirt 
in  den  vaticanischen  Magazinen)  enthalten  hatte.  ^" 

Was  endlich  den  dritten  und  nördlichsten  der  drei  Golles,  den  Gärtenhügel 
oder  Pincius,  welcher  erst  durch  die  aurelianische  Ummauerung  zur  Stadt  kam,  betrifft, 
so  wissen  wir  nur,  dass  er  wenigstens  in  der  Kaiserzeit  mit  Villen  und  Gärten  be- 
deckt war.  Am  berühmtesten  waren  die  lucullischen  Gärten,  ^^  die  Messalina,  des 
Claudius  Gemahlin,  mit  einer  Begierde  anstrebte,  die  dem  damaligen  Besitzer  Valerius 
Asiaticus  das  Leben  kostete,  und  in  welchen  sie  nicht  bloss  ihre  schamlose  Hochzeit 


1  Henzen,  Miscellanea  epigrafiche.   Bull.   d.   I.  d.  c.   a.    <873.  p.  89.  2  Sueton.  Dom.    i.   5.  ^5.  17. 

3  R.  Lanciani,  delle  scoperte  principali    nei  colli  Quirinale  e  Viminale.  Bull  mun.   1873  p.  229.  *  Curios 

U.  R.  Reg.  VI.  Grut.  Inscr.  p.  LXXXV.  No.  6.  »  Script.  H.  A.  (Lamprid.)  Heliogab.  4.  «  Virg.  Ves- 

pignani,  Frammenti  di  colossale  cornice  rinvenuti  sul  Viminale.  Bull.  mun.  4873,  p.  103 — 110.  tv.  II.  —  R. 
Lanciani.  Bull.  mun.  1873.  p.  234  sg.  ^  Delle  scoperte  avvenute  nel  nuvo  quartiere  detto  del  Castro  pret. 

Bull.  mun.  1872.  p.  12.  §  Relazione  sulle  scoperte   etc.  R.  1873.  p.  76.  »  Arch.  Zeitung  1873  p.  76. 

'"  Bergau  und  Finder,  gli  avanzi  dell  aggere  e  del  muro  di  Servio  Tullio  scoperti  nella  villa  Negroni.  Ann.  d. 
I.  d.  c.  a.  1862  p.  126—137  tav.  I.  K — C.  L.  Visconti.  Dei  rilievi  di  un'  aretta  e  di  un  gruppo  di  statue  esprimenti 
il  concetto  della  etcrnita.  Bull.  mun.  1875  p.  225  sg.  "  Plut.  Luculi.  39. 


496  Die  CoUis.  Viminalis,  Quirinalls  unü  CoUis  Hortum  (Pincius). 

mit  Silius  feierte,  sondern  auch  ihren  Tod  fand.  ^  Die  Lage  dieser  Gärten  bestimmt 
sich  durch  die  sie  durchschneidende  Leitung  der  Aqua  Virgo,  ^  ungefähr  nordöstlich 
von  S.  Trinitä  de  Monti  bis  zur  Villa  Ludovisi.  Weniger  bezeugt  sind  die  Gärten  der 
Domitier,  zu  deren  Annahme  die  Erwähnung  ihres  Grabdenkmals  auf  dem  Hügelrande  ^ 
noch  nicht  berechtigen  dürfte,  und  ebenso  verhält  es  sich  mit  den  angeblichen 
Besitzungen  der  Pincier,  von  welchen  der  Name  des  Hügels  abgeleitet  wird.  Denn 
der  von  Cassiodor^  erwähnten  und  von  Belisar  bewohnten  y^domus  Pinciana^i  steht 
der  später  "^  vorkommende  Name  »palatium  in  P'mds((  entgegen.  Dagegen  sind  Horti 
Acilii  auf  dem  Pincio  durch  Inschriftfunde  unzweifelhaft  geworden,  welche  1742  und 
1868  gemacht  wurden,  und  schliessen  lassen,  dass  die  lucuIHsche  Besitzung  mehr 
südlich,  die  der  Acilii  Glabriones  mehr  nördlich  lag,  vielleicht  getrennt  durch  das 
Intermontium,  welches  auch  den  Pincio  in  zwei  Hälften  theilte '' 

Wollen  wir  nun  die  mit  Ausnahme  der  diocletianischen  Thermen  ziemlich  dürfti- 
gen Ueberreste  der  drei  Hügel  betrachten. 


105.    Die  Thermen  des  Constantin. 

Von  den  Ruinen,  woraus  Palladio  ^  seinen  instructiven  Plan  dieser  Thermen- 
anlage und  den  vierfachen  Durchschnitt  entwerfen  konnte,  hat  sich  ausser  den  für 
die  Substruction  des  Palazzo  Rospigliosi  verwendeten  Mauern  nichts  mehr  erhalten, 
denn  die  Anlage  dieses  Palastes  Hess  den  Abbruch  des  grössten  Theiles  und  die 
Verschüttung  des  Uebrigen  nothwendig  erscheinen.  Der  Plan  giebt  jedoch  nur  den 
Mittelbau,  von  dem  bei  keiner  der  übrigen  Anlagen  der  Art  fehlenden  Umfriedungs- 
oder Aussenbau  aber  bloss  den  Theil,  welcher  eine  auch  bei  den  Titus-  und  Dio- 
cletianthermen  ganz  ähnlich  vorkommende  Cavea  enthält.  Wenn  wir  nun  erwägen, 
dass  der  ganze  Hügel  hier  nur  eine  Breite  von  220  Met.  hat,  und  die  Thermen  des 
Diocietian ,  welche  die  antoninischen  nur  um  weniges  übertreffen ,  eine  Breite  von 
mehr  als  520  Met.  zeigen,  so  werden  wir  kein  Bedenken  tragen,  diesen  Um- 
friedungsbau uns  in  einer  Weite  zu  denken,  w^ie  sie  die  Breite  des  Hügels  nur 
immer  zulässt,  indem  auch  dann  noch  die  Ausdehnung  der  Anlage  bedeutend  hinter 
jener  der  diocletianischen  Thermen  zurücksteht.    Diese  für  die  Anbringung  des  Umfrie- 


1  Tacit.  Ann.  XI.  \.  32.  37.  2  Frontin.  de  aquaed.  I.  22.  3  Sueton.  Ner.  50.  *  Variar.  III. 

iO.  cf.  Vit.  Pontif.  Silver.  Par.  4649.  p,  39.  5  jd.  i.  c.  &  al.  ^  Mai  Script.  Vett.  nova  coli.  v.  V.  p. 

288.  R.  Lanciani,  Sugli  orti  degli  Acilii  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1868.  p.  419—128.  "'  Le  Terme  dei  Romani  disegnate 
da  Andrea  Palladio  e  ripubblicate  da  0.  Bert.  Scamozzi  giusto  Tesemplare  del  Lord  Conte  di  Burlington  im- 
presso in  Londra  1732.  Vic.  1797  tav.  XIV.  XV. 


Die  Thermen  des  Cotistanlin.  497 

dungsbaues  unerlässliche  Annahme  aber  löst  zugleich  ein  topographisches  Räthsel  einer 
Ruine,  über  deren  Bedeutung  schon  zu  viel  gefabelt  worden  ist.  Wenn  ilemlich  die  Ther- 
men vom  Ostabhang  des  Quirinalis  bis  zum  Westrande  reichten ,  so  können  jene  gewal- 
tigen Treppensubstructionen  hinter  der  päpstlichen  Scuderia  nebst  den  erhaltenen  noch 
imposanteren  Gebälkresten  in  Giardino  Colonna  keinem  anderen  Gebäude  zugeschrieben 
werden,  als  eben  den  constantinischen  Thermen  oder  vielmehr  dessen  Umfriedungsbau, 
und  es  formt  sich  daraus  in  der  passendsten  Weise  ein  prachtvoller  Aufgang  und  Eingang 
zu  dieser  letzten  kaiserlichen  Anlage  der  Art  in  Rom. 

Die  Behauptung  dieser  Zusammengehörigkeit  wird  in  jeder  Weise  unterstützt. 
Die  Südseite  des  Hügels  bot ,  wie  aus  der  in  der  Umfriedung  angebrachten  Cavea  zu 
schliessen  ist,  keinen  Zugang,  und  an  der  Nordseite  war  dieser,  da  nur  mehr  ein  gerin- 
ger Theil  der  Stadt  nördlich  lag,  unangemessen.  Zweckmässiger  musste  er  an  der  Ost- 
seite und  noch  mehr  an  der  Westseite  gewesen  sein ,  welche  den  Kaiserforen  und  dem 
Marsfelde  zunächst  lag,  und  hier  erforderte  der  Zugang  zu  der  hochgelegenen  Prachtan- 
lage wegen  des  steilen  Abhanges  auf  dieser  Seite  unbedingt  eine  Haupttreppe.  Von  die- 
ser sind  auch  die  riesigen  Substructionsmauern  noch  zum  grossen  Theil  in  den  modernen 
Heumagazinen  der  päpstlichen  Stallungen  auf  dieser  Seite  des  Hügels  erhalten.  Zur  Ein- 
gangshalle aber  gehörte  sicher  jene  räthselhafte  Ruine,  welche  unter  dem  sinnlosen  Na- 
men »Thurm  des  Mäcenas«  und  dem  kaum  klügeren  »Frontispiz  des  Nero«  in  den  ver- 
gangenen Jahrhunderten  bekannt  war  und  deren  Gestalt  glücklicherweise  in  mehren 
Abbildungen  überliefert  worden  ist.^  Wenn  schon  Gamucci  richtig  erkannte,  dass  diese 
auf  keinen  Fall  einem  Tempel  entsprechen  könne,  so  ist  es  nur  durch  Palladio's^  Vorgang, 
der  bloss  nach  den  Gebälkresten,  wie  auch  beim  Tempel  der  Venus  Genitrix  am  Forum 
lulium  seinen  angeblichen  lupitertempel  reconstruirte ,  die  Localität  aber  nicht  genauer 
gewürdigt  zu  haben  scheint,  zu  erklären,  wie  auch  noch  heutzutage  bedeutende  Autori- 
täten 3  auf  dem  Irrthum  beharren  konnten,  dass  die  nur  auf  einer  Seite  pilastrirte  Ecke, 
wie  sie  uns  die  Abbildung  deutlich  gibt ,  und  welche  noch  ein  bedeutendes  Stück  von 
Gebälk  und  Giebel  trug,  ohne  von  Säulen  eine  Spur  zu  verrathen ,  zu  einem  Tempel  und 
zwar  zu  dem  aurelianischen  des  Sonnengottes  gehört  habe.  Das  setzte  schon  vom  archi- 
tektonischen Standpunkte  voraus,  dass  der  Tempel,  welcher  nach  den  Resten  einer  der 
kolossalsten  der  Stadt  gewesen  sein  müsste,  nicht  bloss  an  den  Langseiten,  sondern  auch 
an  der  Fronte  ohne  Säulen  gewesen  sei,  wenn  man  nicht  zu  der  lächerlichen  Aushilfe 
greifen  wollte,  aus  dem  Riesenbau  ein  lemplum  in  antis  zu  machen ;  denn  wie  konnte  der 
völlig  ausgebildete  Giebel  auf  der  Mauer  ruhen ,  wenn  der  Pronaos  eine  Säulenstellung 


•  Du  Perac,  tav.  31.    Gamucci  p.  123.         *  I  Quattro  Libri  dell' Architettura.  Ven.  1570.  Libr.  IV.  c.  XII. 
l).  41  —  47.  ä  Urlichs,   Beschreib,  d.  St.   Rom.    Bd.  III.  Abth.  II.  S.  387.    Canina,  Gli  Edifizj.  di  Roma  antica. 

tom.  il.  tav.  L. 

F.  Reher,  die  Ruinen  Roms.  63 


498  Die  Colles.  Viminalis,   Quirinalis  und  Collis  Hortorum   (Pincius] . 

hatte!  Wer  aber  entweder  einen  grossen  Tempel  ohne  äusseren  Säulenschmiick ,  oder 
einen  Giebel  im  Innern  des  Pronaos  für  möglich  hält ,  für  den  habe  ich  keinen  Gegenbe- 
weis ,  welcher  ohnediess  sowohl  in  dem  Wesen  des  antiken  Tempelbaues  wie  in  den 
technischen  Bedingungen  desselben  liegt.  Wenn  indess  Canina  einerseits  die  Substructio- 
nen  als  den  Rest  einer  grossartigen  Treppe  anerkennt,  anderseits  aber  sie  zu  der  ganz 
kahlen  Rückseite  seines  Sonnentempels  führen  lässt,  so  muss  ich  mich  als  unschlüssig  be- 
kennen, ob  ich  diese  Anordnung  mehr  sinnlos  oder  mehr  geschmacklos  nennen  soll, 
da  ich,  selbst  wenn  die  Treppe  nicht  wäre,  unmöglich  glauben  kann ,  dass  ein  Architekt 
der  Welt  einem  Prachtbau  auf  einem  weithin  sichtbaren  Hügelrande  eine  so  kahle  Wand 
gegeben  hätte,  selbst  wenn  sie  die  Rückseite  gewesen  wäre,  die  sonst  bei  grösseren 
Tempeln  in  der  Regel  eine  der  Fronte  gleiche  oder  wenigstens  ähnhche  Säulenstellung 
hatte.  Es  ist  aber  überdiess  schon  durch  Becker^  überzeugend  nachgewiesen  worden, 
dass  der  Sonnentempel  des  Aurelian  überhaupt  nicht  auf  dem  Quirinal  gesucht  werden 
dürfe,  da  die  Notitia  ihn  in  der  VII.  Region  {Via  Lata)  und  die  Thermen  des  Constantin, 
wie  überhaupt  die  Gebäude  des  Quirinalis  in  der  VI.  {Alta  Semita)  verzeichnet. 

Während  demnach  die  Annahme  des  aurelianischen  Soltempels  in  oder  bei  Giar- 
dino  Colonna  aufgegeben  werden  muss,  bestätigt  sich  die  oben  ausgesprochene  Bedeu- 
tung der  Ruine  des  sog.  Frontispiz  des  Nero  als  Eingangshalle  des  Umfriedungsbaues  der 
constantinischen  Thermen  durch  einen  vergleichenden  Blick  auf  die  erhaltene  Eingangs- 
halle der  Porticus  der  Octavia.  Die  Ecken  konnten  für  eine  solche  Anlage  massiv  oder 
nur  pilastrirt  sein,  während  zwei  dazwischenliegende  Säulenreihen  den  Zugang  frei 
Hessen,  wie  das  bei  jener  Porticus  der  Fall  war.  Von  entsprechend  riesigen  Säulen 
(9  Palm  Durchmesser)  haben  sich  auch  in  der  That  im  16.  Jahrhundert  beim  Frontispiz 
des  Nero  Reste  gefunden.* 

Die  kolossale  Ruine  ist  jetzt  sammt  dem  angebauten  mittelalterlichen  Thurme,  der 
dem  Ganzen  den  Namen  Torre  mesa  gab,  bis  auf  zwei  riesige  Gebälkstücke  von  weissem 
Marmor,  welche  jetzt  in  Giardino  Colonna ,  Palazzo  Rospigliosi  gegenüber,  liegen,  ver- 
schwunden. Die  beiden  Blöcke,  von  welchen  der  eine  dem  Architrav  und  Fries,  der  an- 
dere dem  Carnies  angehörte,  haben  die  erstaunlichen  Dimensionen  von  5,  2, so,  1,6o  und 
3,70,  2,80,  3,90  in  Länge,  Höhe  und  Dicke  und  zeigen  ihre  architektonische  Ausschmückung 
noch  so  wohlerhalten,  dass  eine  Restauration  des  Gebäudes  hinsichtlich  der  decorativen 
Architektur  keinen  Schwierigkeiten  unterliegt.  Während  alle  Leisten  in  der  üblichen 
ionisch-korinthischen  Weise  ornamentirt  sind,  zeigt  namentlich  der  Fries  ein  reiches  und 
gross  angelegtes  Laubgewinde,  das,  aus  Halbfiguren  von  Genien  hervorzuwachsen  scheint. 
Die  Arbeit  gehört,  wie  von  allen  Kennern  bestätigt  wird ,  einer  sehr  späten  Kunstepoche 


•  Hdb.  d.  röm.  Alterth.  S.  587.         *  Fl.  Vacca,  Mem.  No.  78.   (Fea,  p.  L\ XXVII.) 


Die  Thermen  des  Constanlin.  499 

an,  und  widerspricht  demnach  nicht  der  constantinischen  Epoche  wie  der  Zusammenge- 
hörigkeit mit  dem  an  der  Stelle  von  Palazzo  Rospigliosi  anzunehmenden  Mittelbau  der 
Thermen. 

Nur  Aurelius  Victor^  gedenkt  der  Erbauung  der  constantinischen  Thermen,  doch 
ohne,  wie  auch  Ammianus  Marcellinus ^  sie  nur  flüchtig  erwähnt,  ihre  Localität  zu  be- 
zeichnen. Diese  wird  jedoch  durch  die  Notitia^  ziemlich  bestimmt  gegeben,  und  bis  in 
die  vorigen  Jahihunderte  herab  durch  die  Ruinen,  wie  namentlich  durch  eine  lange  Zeit 
hier  befindliche  und  von  den  alteren  Topographen  mehrfach  abgeschriebene ,  jetzt  aber 
leider  verschwundene  Inschrift  bestätigt,  welche  also  lautete :  * 

PETRONIVS  PERPENNA  IVIAGNVS  qvadraTianvs  VC  ET  üsTl  praeF  vrb 
consTanTinianas  Therivias  Longa  incvria  eT  aboLendae  civilis  veL 
PoTivs  FeRalis  cLadis  vasTaTione  vehementer  adFLicTas  iTa  vT  agni 

TlONEIVI  (?)  SVI  EX  OMNI  PARTE  PERDITA  DESPERATIONEM  CVNCTIS  REPA 

raTionis  adFerrenT  depvTaTo  ab  AMPLISSIMO  ordine  parvo 
svmpTv  qvanTvm  pvblicae  paTiebanTvr  angvsTiae  ab  exTremo 

VINDICAViT  OCCASV  ET  PROVISIONE  LARGISSIMA   IN   PRISTlNAM 

Faciem  spLendoremqve  resTiTviT 
Die  durch  diese  Inschrift  bezeugte  Restauration  fällt  in  das  Jahr  443,  in  welchem,  wenn 
Corsini's  etwas  schwache  Argumentation  richtig  ist,  Petronius  Perpenna  Präfectus  Urbi 
war.  Die  Inschrift  spricht  nicht  so  fast  von  Verfall  als  von  Zerstörung  bei  inneren  Un- 
ruhen, welche  man  allerdings  am  wahrscheinlichsten  mit  dem  Sturm  auf  des  Lampadius 
Haus  im  J.  366,  welches,  ausdrückUch  als  neben  den  constantinischen  Thermen  Hegend 
bezeichnet,  bei  einem  Volksauflaufe  in  Brand  gesteckt  worden  war,^  in  Verbindung  brin- 
gen würde,  wenn  nicht  nach  Corsini's  Bestimmung  der  Präfectur  des  Petronius  fast  ein 
Jahrhundert  dazwischenläge.  Die  nächste  Notiz  von  den  Thermen  bringt  im  9.  Jahrh. 
der  Anonymus  von  Einsiedeln, '^  welcher  sie  richtig  zwischen  S.  Agata  und  S.  Vitale  ver- 
zeichnet. Der  gelehrte  Florentiner  Poggio  ^  nennt  sie  ebenfalls  auf  dem  Quirinal  und  er- 
wähnt bereits  der  dort  befindlichen  ebenangeführten  Inschrift,  wie  auch  Albertini,  ^  wäh- 
rend diese  selbst  von  L.  Fauno^^  und  Gamucci^^  berichtet  wird.  Der  Hauptbau  der 
Thermen  musste  im  16.  Jahrhundert,  nachdem  Du  Perac  die  Ruinen  gezeichnet,  nach 
dessen  eigener  Notiz ^^  den  Palastbauten  daselbst  weichen,  von  den  daselbst  befind- 
lichen Marmorwerken  aber  kamen  zwei  Constantinstatuen ,  die  eine  mit  der  Inschrift 
CONSTANTINVS  CAESAR,  die  andere  constantinvs  avgvstvs  auf  die  Balustrade  des  Ca- 
pitolplatzes,  eine  dritte,  den  Kaiser  in  etwas  vorgeschrittenerem  Alter  darstellend,  in  das 


'  de  Caess.  40.  ""  XXVII.  3.  ^  Curios.  U.  R.  Reg.  VI.  *  Grut.  Inscr.  p.  CLXXVII.  No.  7.  "  Cor- 
sini,  Series  Praef.  Urb.  Pis.  1766.  p.  348.  "  Vgl.  Anra.  2.  ^  Arch.  f.  Phil.  u.  Paedag.  Suppl.-Bd.  V.  S.  132. 
*  De  fortunae  varietate  urh,  R.  et  de  ruina  eiusdem  descr.  Opp.  Bas.  s.  a.  p.  135.  *  fol.  20.  '"  foi.  117. 

"  p.  121.         »'^  tav.  32. 

'  63* 


500  D'6  Colles.   Viminalis,   Quirinalis  und  Collis  Hortorum   (Pincius). 

Atrium  von  S.  Giovanni  in  Laterano;  die  beiden  Dioskuren  aber,  von  welchen  sogleich 
besonders  gesprochen  werden  soll,  auf  den  Platz  vor  dem  päpstlichen  Palaste  auf  dem 
Quirinalis  selbst.^  Von  den  übrigen  hier  gefundenen  Statuen ^  ist  der  Ort,  wo  sie  sich 
gegenwärtig  befinden,  nicht  bekannt. 

Unter  den  beschriebenen  Substructionsmauern  am  Westabhange  des  Quirinal 
wurden  auch  zwei  Schichten  von  Tufquadern  entdeckt,  deren  Construction  den  übrigen 
bekannten  Resten  der  servischen  Mauer  entspricht.  Auch  ihre  Lage  hier  am  Fusse  des 
Quirinalis  entspricht  der  Gränzlinie  der  Hügelstadt  unter  Servius.^ 


106.     Die  Dioskuren  und  der  Obelisk  von  Monte  Cavallo. 

Vom  Eingange  zum  Giardino  Colonna  bringen  einige  Schritte  auf  die  Höhe  des 
Quirinalis  und  zu  dem  interessanten  marmornen  Dioskurenpaare ,  welchem  der  ganze 
Berg  seinen  vulgären  Namen  Monte  Cavallo  verdankt.  Sie  sind  über  6  Met.  hoch,  einan- 
der in  der  Anlage  wie  so  ziemlich  auch  in  der  Ausführung  ähnlich ,  in  ausschreitender 
Stellung  und  mit  dem  einen  erhobenen  Arme  das  nebenanstehende  nach  dem  natürlichen 
Verhältnisse  weit  kleinere  Pferd  am  Zaume  fassend.  Das  letztere  Missverhältniss  hat  sei- 
nen Grund  nicht  bloss  in  der  allgemeinen  Neigung  der  griechischen  Kunst,  die  Thiere  in 
den  Gruppen  gegen  die  Menschen  zurücktreten  zu  lassen,  sondern  auch  und  zwar  ins- 
besondere in  der  Absicht,  die  beiden  Heroengestalten  über  das  menschliche  Maass  hin- 
ausragen zu  lassen.  In  der  ganzen  Gruppe  die  Dioskuren  zu  erkennen,  bedürfte  es  in 
der  That  des  Beweises  nicht,  dass  man  in  den  Scheiteln  die  Löcher  bemerkte,  in  wel- 
chen die  bronzenen  Sterne  eingelassen  waren. 

Was  die  Kunstwerke  als  solche  betrifft,  so  ist  ihre  Conception  im  Allgemeinen 
vorzüglicher,  als  sie  im  Einzelnen  durchgeführt  ist.  Die  majestätische  Hoheit  der  ganzen 
Figuren,  die  heroische  Haltung  und  Bewegung  lässt  die  höchste  Blüthe  griechischer  Kunst 
ahnen  und  erinnert  an  jene  idealen  Schöpfungen  des  perikleischen  Zeitalters,  welche, 
durch  den  Genius  ihrer  Meister  selbst  belebt,  ein  künstliches  Formenspiel  zu  verschmähen 
schienen.  Gleich  als  ob  aber  die  Idee  aus  einer  besseren  Zeit  herübergenommen,  diese 
jedoch  schon  in  das  Gewand  einer  bereits  abnehmenden  Kunst  eingehüllt  wäre,  zeigt  die 
Ausführung  im  Einzelnen  bereits  grosse  Aehnlichkeit  mit  jenen  Erzeugnissen  der  rho- 
dischen  und  pergamenischen  Schule,  bei  welcher  schon  in  typisches  Detail,  so  zu  sagen 
in  den  Wellenschlag  der  Muskelbewegung  eine  Art  von  Virtuosenthum  gelegt  zu  werden 

'  Fl.  Vacca,  Mem.  No.  10.    (Fea,  Mise.  p.  LVIII.)  *  Pomp.  Laet.  de  vetust.  Urbis.  fol.  9.     Fabric.  Vai- 

rani,  De  ürbe  Roma  collect.  Bon.  1520.  fol.  5.  Fl.  Vacca,  Mem.  No.  41.  49.  (Fea,  p.LXXIII.  LXXV.)  ^  E.  Braun, 
Sülle  sostruzioni  anlichissime  del  Quirinale  e  del  Palatio.  Discorso  letto  nella  solenne  adunanza  della  fondazione 
di  Roma.   1852.     Ann.  d.  I.  d.  C.  a.  1852.  p.  324—338. 


Die  Dioskuren  und  der  Obelisk  von  Monte  Cavallo.  ÖOI 

begann,  wonach  die  Gruppe  auf  keinen  Fall  in  eine  frühere  Zeit  gesetzt  werden  kann. 
In  eine  entschieden  noch  spätere  dürften  überdiess  die  eingeschnittenen  Pupillen  und  die 
Form  des  zur  Solidirung  des  einen  Beines  dienenden  Panzers  verweisen. 

Wenn  demnach  auch  die  Inschriften  an  den  modernen  Piedestalen  den  einen 
Tyndariden  als  Opus  Phidiae  und  den  anderen  als  Opus  Praxitelis  bezeichnen,  so  ver- 
mögen doch  diese  Angaben ,  obwohl  sie  keineswegs  moderne  Erfindung  sind ,  sondern 
den  antiken  Piedestalen  abgeschrieben  wurden ,  die  begründeten  Bedenken  gegen  ihre 
Richtigkeit  durch  die  triumphirende  Grösse  ihrer  Buchstaben  nicht  zu  verscheuchen. 
Möglich  bleibt  indess,  dass  man  Vorbilder  der  grossen  athenischen  Kunstepoche  benutzte, 
welche  jedoch  nicht  so  copirt  sein  können,  dass  die  Originale  die  Eigenthümlichkeit  des 
nachahmenden  Künstlers  überwogen.  Wer  würde  aber  namentlich  in  den  Pferden  eine 
Schöpfung  des  Phidias  oder  auch  nur  eine  Copie  nach  einer  solchen  zu  erkennen  vermö- 
gen, wenn  man  sich  an  die  unvergleichlichen  Pferde  vom  Giebel  und  Fries  des  Parthenon 
aus  der  Schule  des  Phidias  erinnert !  Dazu  kömmt  noch  die  Schwierigkeit  zu  erklären, 
wie  erst  Praxiteles  ein  halbes  Jahrhundert  nach  Phidias  zur  Bearbeitung  der  einen  Hälfte 
der  Gruppe  schreiten  konnte  und  sich  dazu  hergab,  seinen  Vorgänger  zu  copiren.  Wir 
müssen  uns  entschliessen ,  selbst  wenn  wir  die  Möglichkeit  zugeben ,  dass  ein  Original 
eines  der  beiden  Meister  einem  späteren  Künstler  wenigstens  die  Idee  gegeben ,  die  In- 
schriften als  unwahr  und  als  eine  Fälschung  zu  bezeichnen,  welche  bei  dem  in  constan- 
tinischer  Zeit  herrschenden  Verfall  des  Kunstsinnes  fast  ebenso  leicht  als  in  den  Jahrhun- 
derten des  Mittelalters  gewagt  werden  konnte. 

Wo  die  Gruppe  vorher  stand,  ehe  sie  Constantin  zur  Auschmückung  seiner  Ther- 
men benutzte,  ist  nicht  bekannt.  Doch  ist  die  Tradition ,  welche  sie  ein  Geschenk  des 
Tiridates  an  Nero  nennt,  nicht  so  unbedingt  zu  verwerfen,  da  die  Notitia  (Curiosum) 
wirklich  » equi  Tiridatis «,  doch  auffallender  Weise  an  der  Gränze  der  VII.  Region ,  Via 
Lata,  verzeichnet,  welche  doch  nicht  als  Reiterstandbilder  des  armenischen  Königs  er- 
klärt werden  können.  Diese  Region  aber  reichte  nur  bis  an  den  Fuss  des  Quirinalis,  was, 
wenn  man  nicht  eine  spätere  Versetzung  der  Gruppe  annehmen  will,  die  Identificirung 
wieder  etwas  erschwert,  welche  sonst  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  in  der  muthmass- 
lichen  Dedicationsinschrift  ihre  Erklärung  und  Begründung  fönde.  Bufalini  verzeichnet 
auf  seinem  Stadtplane  von  1551  noch  den  Platz  an  den  Thermen,  auf  welchem  sich  die 
Gruppe  befand,  auch  besitzen  wir  noch  Abbildungen  aus  dieser  Zeit,  welche  namentlich 
auch  das  antike  Piedestal  anschaulich  machen.^  Zu  Ende  des  16.  Jahrhunderts  (1589) 
wurde  sie  durch  Sixtus  V.  vor  den  Quirinalpalast  versetzt ,  wobei  man  nicht  anstand, 
mit  derselben  Gedankenlosigkeit,  welche  die  M.  Aurelsäule  dem  Antoninus  Pius  zuschrieb, 


*  Speculum  Romanae  magnificentiae.  R.  s.  a.  (4575?)  tav.  88— 90. 


502  Die  Celles.  Viminalis,   Quirinalis  und  Collis  Hortorum   (Pinclus). 

durch  eine  neue  Inschrift  die  Dioskuren  für  Alexanderbilder  mit  dem  Bucephalus  zu  er- 
klären und  sie  zugleich  dem  Meissel  des  Phidias  und  Praxiteles  zuzuschreiben ,  obwohl 
beide  Künstler  das  Auftreten  des  macedonischen  Königs  nicht  erlebten.''  Urban  VIII. 
Hess  daher  diese  Inschrift  löschen  und  setzte  nur  mehr  die  Künstlernamen ,  welche  schon 
auf  dem  constantinischen  Piedestale  zu  lesen  waren,  auf  die  Fussgestelle,  Eine  neue 
Veränderung  der  damals  nebeneinanderstehenden  und  gegen  Porta  Pia  gewendeten  Mar- 
morbilder unternahm  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  Pius  VI.,  welcher  sie  trennte  und 
so  divergirend  stellte,  wie  sie  noch  stehen,  und  zwischen  ihnen  einen  Obelisk  errichtete, 
zu  welchem  sein  Nachfolger  Pius  VII.  noch  eine  Fontäne  fügte ,  eine  grosse  Schale  aus 
orientaHschem  Granit  benutzend,  die  im  1 6.  Jahrhundert  S.  Pietro  in  Carcere  gegenüber, 
wo  vormals  der  sog.  Marforio  stand,  ausgegraben  und  dann  für  einen  Brunnen  an  Campo 
Vaccino  verwendet  worden  war.^ 

Der  ObeHsk,  welcher  zugleich  mit  dem  vor  S.  Maria  Maggiore  im  J.  1527  vor 
dem  Mausoleum  des  Augustus  entdeckt  worden,  aber  noch  zweihundert  Jahre  länger  als 
der  letztere  an  seinem  Fundorte  liegen  geblieben  war,  wurde  erst  im  J.  1781  auf  Befehl 
des  Papstes  Pius  VI.  aus  dem  ihn  neuerdings  bedeckenden  Schutte  ausgegraben  und  aus 
drei  Stücken  zusammengesetzt  hier  aufgestellt.  Er  misst  unbedeutend  weniger  als  der 
von  S.  Maria  Maggiore,  nemlich  14,4o  Met.  Auf  der  Spitze  ist  das  Kreuz  aufgepflanzt; 
die  Hieroglyphen  sind  sehr  beschädigt. 


107.    Die  Thermen  des  Diocletian. 

Von  dem  Quirinalplatze  die  Via  del  Quirinale  und  di  Porta  Pia  nordösthch  ver- 
folgend, gelangt  man  endhch  an  die  Ausweitung  der  Strasse  vor  der  Fontana  di  Termini, 
und  durch  diesen  Platz  auf  die  grosse  Piazza  di  Termini,  wo  man  sich  schon  innerhalb 
des  Umfriedungsbaues  einer  der  grossartigsten  Thermenanlagen  Roms  befindet.  Obwohl 
kaum  mehr  die  Hälfte  davon  in  den  Backsteinmauern,  die  wir  hier  theilweise  unbenutzt, 
zum  grösseren  Theile  jedoch  für  moderne  Gebäude  verwendet  vor  uns  sehen ,  erhalten 
ist,  lässt  sich  doch  aus  den  mehr  oder  minder  erhaltenen  Trümmern  der  Grundplan  noch 
vollständig  herstellen.  Der  innere  Hauptbau  war,  wie  bei  den  meisten  anderen  Thermen, 
von  einem  fast  quadratischen  Umfriedungsbau  eingeschlossen ,  von  welchem  jedoch  nur 
mehr  ein  geringer  Theil  dem  Sturme  der  Zeiten  getrotzt  hat.  Am  meisten  davon  ist  noch 


*  Die  naive  mittelalterliche  Volkssage,  welche  (in  den  Mirabilien  [Montfauc.  p.  289]  umständlich  erzählt)  den 
Phidias  und  Praxiteles  zu  allwissenden  Philosophen  machte,  ist  höchst  charakteristisch  für  den  damaligen  Bil- 
dungsstand.        "  Fl.  Vacca,  Mem.  No.  69.   (Fea,  p.  LXXXIII.) 


Die  Thermen   des   Diocletian.  303 

auf  der  Sudwestseite  erhalten,  in  deren  Mitte  man  innerhalb  des  Klostergartens  von 
S.  Bernardo  noch  Reste  von  einer  halbkreisförmigen  Cavea  mit  einem  Radius  von  ßo  Met. 
sieht,  wie  wir  sie  auch  an  den  Thermen  des  Titus  gesehen  haben.  Von  den  Sitzreihen 
hat  sich  kaum  eine  Spur  erhalten.  Die  Rückwand  aber  war  im  Innern  mit  27  abwechselnd 
halbzirkeligen  und  rechtwinkligen  Nischen  versehen,  von  denen  noch  1 9  kenntlich  sind. 
Zu  beiden  Seiten  von  dieser  Cavea  (ob  Zuschauerraum  für  scenische  oder  gymnische 
Spiele  ist  ungewiss)  befanden  sich  rechteckige  Säle  mit  kleineren  Gemachern  und  an  den 
beiden  Enden  dieser  Seite  des  Umfangsbaues  Rotunden,  von  denen  die  nordwestliche, 
jetzt  in  die  Kirche  S.  Bernardo  umgewandelt  und  als  solche  modernisirt  und  übertüncht, 
noch  fast  vollständig  erhalten  ist,  22  Met.  im  Durchmesser  hat  und  besonders  durch  die 
schöne  mit  nach  oben  sich  verjüngenden  Octogonen  cassettirte  Kuppel  die  Aufmerksam- 
keit auf  sich  zieht.  Auch  ein  Stück  der  Rotunde  am  südöstlichen  Ende  ist  noch  erhalten 
und  zu  dem  angebauten  Gefängnisse  (Casa  di  forza)  gezogen.  Von  den  beiden  anliegen- 
den Seiten  des  Aussenbaues  ist  die  nordwestliche  fast  spurlos  verschwunden,  während 
an  der  südöstlichen  die  Grundmauern  von  zwei  Exedren  und  drei  rechtwinkeligen  Ge- 
mächern zu  einer  ärmlichen  Häuserreihe  an  der  Via  di  Strozzi  benutzt  sind.  Nahe  bei 
dieser  Seite,  doch  schon  in  dem  Gebiete  der  Villa  Massimi  (Negroni)  sind  noch  die  Reste 
des  Wasserbehälters  der  Thermen,  dessen  Grundplan  fast  die  Form  eines  rechtwinkligen 
Dreiecks  mit  einer  Basis  von  26  und  einer  Höhe  von  94  Met.  hat,  zu  sehen.  Der  innere 
Raum  war  durch  36  Pfeiler  gegliedert,  ist  jedoch  jetzt  völlig  verschüttet;  was  die  Form 
betrifft,  so  war  ihre  Unregelmässigkeit  wohl  durch  eine  vorbeiführende  Strasse  bedingt, 
welche  kaum  eine  andere  als  die  Via  Viminalis  gewesen  sein  kann.  Von  der  Nordostseite 
des  Umfriedungsbaues  ist  nur  mehr  ein  kleiner  in  zwei  halbkreisförmigen  Tribünen  mit 
einem  kleinen  rechteckigen  Gemache  bestehender  Theil  übrig. 

Von  dem  innern  eigentlichen  Thermenbau  jedoch  hat  sich  ein  grosser  Saal  mit 
den  an  drei  Seiten  anstossenden  Räumen  fast  vollkommen  erhalten.  Dieser  Saal,  jetzt  in 
die  Kirche  S.  Maria  degli  Angeh  umgewandelt,  befindet  sich  in  der  Mitte  des  ganzen  Ge- 
bäudes und  wird  nach  der  gewöhnlichen  Disposition  der  Thermen  kaum  mit  Unrecht  für 
das  Tepidarium  (laue  Bad)  gehalten.  Tritt  man  von  der  Piazza  di  Termini  durch  das  Por- 
tal der  modernisirten  Fagade,  so  gelangt  man  zuerst  in  einen  kleinen  runden  Vorsaal  von 
17  Met.  im  Durchmesser  mit  zwei  rechteckigen,  jetzt  für  Altäre  dienenden  Vertiefungen 
an  den  beiden  Seiten :  Gestalt  und  Lage  dieser  Rotunde  geben  der  Vermuthung  Raum,  dass 
in  ihr  das  Sudarium  oder  Laconicum  (Schwitzbad)  zu  erkennen  sei.  Von  da  gelangt  man 
durch  eine  rechteckige  Vertiefung,  welche  einer  gleichen,  jetzt  für  den  Hauptaltar  be- 
stimmten gegenübersteht,  in  den  für  die  Kirche  benutzten  Hauptsaal ,  dessen  kürzeres 
Querschiff  jedoch  von  anderen  in  Kreuzform  gebauten  Kirchen  abweichend  als  Haupt- 
schiff dient.  Das  Langschiff  aber  ist  von  drei  Kreuzgewölben  überdeckt,  deren  Ansätze 


504  Die  CoUes,    Viminalis,   Quirinalis   und   Collis  Hortorum   (Pincius). 

von  dem  Gebälke  grosser  Granitsäulen  ausgehen.  Diese  acht  Säulen  selbst  sind  jetzt  nicht 
mehr  in  ihrer  ganzen  Höhe  sichtbar,  denn  ihre  Basen  und  das  Schaftende  befinden  sich 
unter  dem  modernen  Boden,  und  die  jetzt  sichtbaren  Basen  sind  nur  eine  moderne  Wulst- 
überkleidung, die  am  Schafte  selbst  angebracht  ist.  Die  Schäfte  sind  11, eo  M.  hoch  und 
haben  unten  1,40,  oben  1,26  M.  im  Durchmesser.  Vier  davon  sind  von  korinthischen,  vier 
von  compositen  oder  römischen  Capitälen,  welche  alle  1,8o  M.  hoch  sind,  gekrönt.  Von 
dem  Gebälke  misst  der  reichverzierte  Architrav  1,io,  der  Fries  l,05,  und  der  etwas  über- 
ladene Carnies  1,25  M.  in  der  Höhe;  all  dieser  Schmuck  ist  von  Marmor,  leider  aber,  wie 
das  ganze  Innere  der  Kirche,  von  modernem  Weisswerk  überzogen.  Als  man  in  den 
Nischen  des  Hauptaltars  und  des  gegenüberstehenden  Einganges  je  vier  Säulen  von 
Backsteinen  erbaute  und  sie  in  Nachahmung  eines  besseren  Materials  übertünchte, 
glaubte  man  diess,  um  Gleichartigkeit  zu  erzielen,  auch  an  den  Granitsäulen,  wie  an 
den  Marmorcapitälen  und  dem  Gebälke  thun  zu  müssen.  Doch  trotz  dieser  Verunzie- 
rungen vom  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  und  der  Mangelhaftigkeit  des  Ornament- 
styles  der  damaligen  Zeit  gehört  diese  Kirche,  der  gewaltige  Thermensaal  mit  dem 
charakteristischen  Stempel  römischer  Erfindung,  zu  den  schönsten  und  imposantesten 
Roms.  Die  Vermauerung  der  vier  ehemals  offenen  Nebengemächer  zu  beiden  Seiten 
der  Eingangs-  und  der  Hauptaltar-Nische,  wie  die  Umwandlung  der  beiden  grösseren 
an  den  Enden  des  Langschiffes  in  Kapellen  für  die  beiden  Seitenalläre  muss  indess 
dem  Ganzen  viel  an  der  ursprünglichen  Grossartigkeit,  Leichtigkeit  und  durchsichtigen 
Gliederung  benommen  haben. 

Die  anderen  theilweise  erhaltenen  Ruinen  des  Thermen-Mittelbaues  bieten  einen 
unerquicklichen  Anblick  dar.  Der  Flügel  zur  Linken  von  der  Kirche  ist  in  eine  Armen- 
Industrie-Schule  umgewandelt,  an  deren  Nordseite  Oel-  und  Getreide-Magazine  stossen ; 
beides  hat  das  antike  Ansehen  gänzlich  verloren.  Mehr  ist  noch  an  der  Südspitze  sicht- 
bar: unbenutzte  Mauern  von  verschieden  geformten  Gemächern,  zumeist  bis  zur  Wöl- 
bung erhalten.  Hier  ist  auch  der  Eingang  zu  dem  vielbesuchten  Kloster  der  Karthäuser, 
dessen  schöner  hundertsäulige  Kreuzgang  rings  um  einen  grossen  Gartenraum,  in  dessen 
Mitte  sich  die  sogenannten  Cypressen  des  Michel  Angelo  erheben ,  mit  den  stillen  Grab- 
hügeln an  der  Südspitze,  für  einen  Augenblick  vergessen  macht,  dass  man  sich  hier  in 
Mitte  der  einst  so  geräuschvollen  Thermenanlage  befinde.  Die  südlichen  Klosterräume 
zeigen  noch  deutlich  Mauerreste  und  sogar  noch  vollständige  antike  Gemächer. 

Betrachtet  man  die  Backsteinbogen  der  Mauern  vor  dem  genannten  Kloster,  so 
wird  man  schon  durch  die  Unregelmässigkeit  der  Stellung  der  einzelnen  Ziegel  an  die 
analoge  Erscheinung  bei  der  Basilica  des  Constantin  erinnert.  In  diese  Zeit  ungeföhr 
gehören  auch  die  Backsteine,  die  Marmorornamentik  und  die  Bauart  überhaupt.  Bestimm- 
teren Aufschluss  über  Zeit  und  Urheber  der  Erbauung  aber  gibt  uns  eine  Inschrift,  die 


Die   Thermen  des  Diocletian.  -  505 

man  vor  zwei  Jahrhunderten  noch  in  den  Thermen  selbst  sah,  und  welche  aus  zwei 
stückweisen  Abschriften^  zusammengesetzt  nach  der  neuesten  Ergänzung ^  also  lautet: 

dd  •  iin  •  diocielianus  •  et  •  maxllVIIANVS  •  INVICTI 
SENIORES  •  AVGG     paires  •  ilVlPP  •  ET  •  CAESS  •  ET 
dD  •  NN    CONSTANTIVS  ei  niaximiaNVS    INVICTI  ■  AVGG  •  ET 
severus  •  ET  •  (IVlAXIIVIinus    •)    noBILISSIIVII  •  CAESARES 

THERIVIAS  •  FELICes    •    dioclETIANAS  •  QVAS 
(inAXIIVIIANVS   )  AVG  absenS     EX     AFRICA 

p.AESENTIA  •  IVtAIEsiaiis     •     DISPOSVIT  •  AC 
fiERI     IVSSIT  •  ET     DIocIciiani  •  AVG     FRATRIS  •  SVI 
nOIVIlNI  •  CONSECRAVit  coelVIPTOS  ■  AEDIFICIIS 

PRO     TANTI     OPERIS       magniiuDINE     OMNI  •  CVLTV 
pcrfeclas  ■  loniunis  •  suis  •  DEDICAVERVNT 

Drei  andere  Inschriften  desselben  Inhalts,  doch  minder  ausftihrlich  und  zum  Theil 
fragmentirt,  berichtet  Gruter  ^  mit  dem  Beisatze,  dass  zwei  davon  in  den  Thermen  selbst, 
die  dritte  unmittelbar  nahe  (bei  S.  Susanna)  gefunden  worden  seien.  Aus  allen,  nament- 
lich aber  aus  der  angeflihrten  erhellt,  dass  Maximian  als  Herrscher  von  Africa  und  Italien 
unter  dem  Namen  seines  Mitregenten  Diocletian  den  Bau  dieser  Thermen  unternahm,  und 
den  Befehl  dazu  in  seiner  Abwesenheit  von  Rom,  wahrscheinlich  während  er  in  den  letz- 
ten Jahren  des  3.  Jahrhunderts  in  Africa  mit  den  Mauren  kämpfte,  gab.  Die  Dedication 
f^llt  nach  den  Worten  der  obigen  Inschrift  in  die  Zeit  zwischen  der  Abdankung  des  Dio- 
cletian und  des  Maximianus  Heraklius,  nach  welcher  die  beiden  Cäsaren  Constantius  und 
Galerius  Maximianus  den  Titel  Augusti  erhielten  (1.  Mai  305),  und  dem  Tode  des  Con- 
stantius (25.  JuH  306).  Die  von  einem  Chronisten  überlieferte  Angabe  des  Jahres  302  für 
das  Jahr  der  Erbauung  dieser  Thermen  ist  zwar  richtig,  aber  nicht  genau.*  Da  jedoch 
der  Bau  in  die  Zeit  der  maximianischen  Christenverfolgung  föUt ,  so  kann  es  nicht  be- 
fremden, die  Ueberlieferung ^  zu  treffen,  dass  die  Christen  zum  Frohndienste  beim  Bau 
dieser  Thermen  verurtheilt  worden  seien,  welche  Betheiligung  diese  dadurch  verewigt 
haben  sollen,  dass  sie  in  die  ungebrannten  Ziegel  die  Kreuzform  einprägten. 

Was  die  innere  Ausstattung  betrifft,  so  wird  erzählt,^  dass  für  3200  Badende  Raum 
war,  das  Doppelte  der  Thermen  des  Caracalla,  und  dass  die  ulpische  Bibliothek  vom  Fo- 
rum des  Traian  hieher  versetzt  ward.'  Auch  war  der  weite  Raum  mit  zahlreichen  Bild- 
säulen geschmückt,  von  welchen  sich  noch  viele  Reste  gefunden  haben.  Aus  den  Erwäh- 
nungen am  Ende  des   5.  Jahrhunderts^  geht  hervor,  dass  diese  Bäder  damals  zugleich 


*  Grut.  Inscr.  p.  CLXXVill.  No.  8  (nach  Smetius).  Girolamo  Aleandro,  Cod.  Vatic.  71 1 3.  fol.  29.  «  Th.  Momm- 
sen,  Topographische  Analekten.  Archäolog.  Zeitg.  1846.  Febr.  No.  38.  S.  225—231.  »  1.  c.  cf.  Anonym.  Ein- 
siedl.  (Arch.  f.  Philol.  u.  Paed.  Suppl.-Bd.  V.  S.  121.)  *  Hieron.  Chron.  (Rone.  I.  col.  487.)  '  A.  Fulvii  An- 
tiq.  R.  1527.  fol.  XXXVII.  *  Olympiod.  ap.  Phot.  Biblioth.  80.  (p.  63.  Bekk.)  ^  Script.  H.  A.  (Vopisc.)  Prob.  2. 
"  Curios.  U.  R.  Reg.  VI.  Sidon.  Apoliinar.  ad  Consent,  v.  459  sq.  (495.) 

F.  Rbber,  die  Ruinen  Roms.  64 


506  Die  Colles.   Viminalis,    Quirinalis   und  Collis  Hortorum   (Pincius). 

mit  denen  des  Agrippa  und  des  Nero  noch  im  Gange  waren.    Der  Anonymus  von  Ein- 
siedeln ^  fand  sie  jedoch  ohne  Zweifel  schon  als  Ruine. 

Im  16.  Jahrhundert,  in  welchem  hier  mehre  Büsten  der  Kaiser  Diocletian,  Maxi- 
miah, Constantius  und  Galerius  ausgegraben  und  nach  dem  Capitole,  theilweise  nach 
Florenz  gebracht  wurden,^  zeichnete  Palladio  den  Grundriss  dieser  Thermen,^  welcher 
sich  auch  auf  Bufalini's  Stadtplan  (1551)  noch  frei  von  moderner  Benutzung  findet;  denn 
die  schon  aus  dem  5.  Jahrhundert  stammende  Kirche  des  h.  Cyriacus  in  den  Thermen 
war  damals  wieder  fast  spurlos  verschwunden.  Um  dieselbe  Zeit  brachte  der  französische 
Gesandte,  nachherige  Cardinal  und  Bischof  von  Albano,  Jean  Bellay,  den  weiten  Buinen- 
raum  in  seinen  Besitz  und  verwandelte  ihn  in  die  Horti  Belleiani.  Von  Bellay  gingen  diese 
Gärten  in  den  Besitz  des  Cardinais  von  S.  Prassede,  des  nachmals  heilig  gesprochenen 
Carolus  Borromeus,  und  von  diesem  an  Papst  Pius  IV.  über,  der  sie  den  Karthäusern 
schenkte  und  den  grossen  Mittelsaal  der  Ruine  nach  der  Zeichnung  des  Michel  Angelo  in 
die  Kirche  S.  Maria  degli  Angeli  verwandelte.  Der  Plan  derselben  erlitt  aber  im  J.  1749 
dadurch  eine  bedeutende  Veränderung,  dass  man  das  Langschiff  in  das  Querschiff  ver- 
wandelte und  desshalb  auch  den  Eingang  verlegte ,  welcher  Aenderung  namentlich  die 
Fagade  des  genialen  Meisters  weichen  musste.  —  Am  Ende  des  IG.  Jahrhunderts  hatten 
die  Karthäuser  den  westlichen  Theil  des  Thermengebietes  an  die  Gräfin  Caterina  Sforza'^ 
verkauft,  welche  mit  dem  Eigenthumsvorbehalt  aller  etwa  aufzufindenden  antiken  Kunst- 
werke ihn  den  Cisterziensern  des  h.  Bernhard  schenkte  und  das  kleine  Rundgebäude  an 
der  Nordwestspitze,  in  welchem  sich  früher  obscöne  Gemälde  befunden  haben  sollen ,  in 
eine  Kirche  umwandelte.  Mit  dem  Blei,  welches  man  bei  den  von  ihr  in  der  Nähe  veran- 
stalteten Ausgrabungen  auffand,^  und  welches  wohl  von  den  Wasserleitungsröhren  her- 
rührte, konnte  die  ganze  Kuppel  der  Kirche  eingedeckt  werden.  Damals  wurden  auch 
die  18  Philosophenbüsten  gefunden,  welche  sich  jetzt  in  der  farnesischen  Sammlung  be- 
finden. Zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  richtete  Papst  Urban  II.  den  nördlichen  Theil 
des  Hauptbaues  für  Speicher  ein ,  deren  westlicher  Theil  jetzt  die  Pia  casa  d'industria 
bildet.  Von  nun  an  erstanden  auch  allmälig  die  ringsum  liegenden  Häuser  und  Speicher. 

108.    Die  salustischen  Gärten. 

Geht  man  von  der  Piazza  della  Fontana  di  Termini  in  die  Via  di  S.  Susanna,  beugt 
dann  zur  Linken  in  den  Vicolo  di  Tolentino,  von  welchem  nach  wenigen  Schritten  rechts 
der  Vicolo  delle  Fiamme  abzweigt,  so  gelangt  man  an  der  Mündung  des  letztgenannten 


'  Arch.  f.  Philol.  u.  Paed.  Suppl.-Bd.  V.  S.  121.  132.  *  Albertini  Opiisc.  de  Mirabilibus  vet.  et  nov.  iirb. 
Romae.  R.  1515.  fol.  21.  *  Scamozzi,  Le  Terme  dei  Romani  disegnate  da  A.  Palladio.  Vic.  1797.  tav.  XI— Xm. 
'  Ratti,  Storia  della  famiglia  di  Sforza.  R.  1795.  P.  II.  p.  191.       »  P.  Santi  Bartoli,  Mem.  No.  34.  (Fea,  p.  CCXXX.) 


Die  salustischen  Gärten.  507 

in  die  Via  di  S.  Basilio  und  zum  Portale  der  Villa  Massimi,  welche  die  ehemalige  Villa 
Cesi  und  Mandosi  umfasst,  und  sich  desshalb  nicht  mit  Unrecht  in  der  Inschrift  über  dem 
Thorwege  als  die  Nachfolgerin  der  berühmten  salustischen  Gärten  bezeichnet.  Die  bau- 
lichen Ueberreste  dieser  Villa,  obwohl  nicht  unbedeutend ,  sind  jedoch  grösstentheils  auf 
Substructionen  beschränkt,  welche  sich  sowohl  zu  beiden  Seiten  des  zwischen  Quirinalis 
und  Pincio  nördlich  laufenden  Thaleinschnittes  hinziehen,  als  auch  den  südlichen  Hügel- 
abhang stützen.  An  die  Hauptmauer  lehnen  sich  allenthalben  Gewölbe  mit  Streben  an, 
deren  besonderen  Zweck  wir  um  so  weniger  zu  erkennen  vermögen,  als  die  weitern 
unzweifelhaft  sich  anschliessenden  Anbauten  verschwunden  sind.  An  der  Südseite  der 
Villa  sieht  man  noch  eine  Reihe  von  1 8  mehr  oder  weniger  erhaltenen  gleichartigen 
Kammern  mit  Tonnengewölben  in  der  Richtung  von  West  nach  Ost  sich  hinziehen.  Am 
nördlichen  Ende  der  Villa  aber  befinden  sich  weit  interessantere  Ruinen ,  von  welchen 
eine  wohlerhaltene  Rotunde  von  11, so  Met.  innerem  Durchmesser  mit  einer  octagonen 
Kuppel  am  meisten  hervorragt.  Die  1 1  Nischen,  von  welchen  7  halbkreisförmig,  die  an- 
deren rechtwinkelig  sind,  und  von  welchen  zwei  den  Eingang  und  drei  die  gegenüber- 
liegende 5,70  Met.  breite  Hauptnische  schmücken,  und  welche  ohne  Zweifel  Statuen  ent- 
hielten, wie  auch  die  Spuren  der  ehemaligen  Marmorbekleidung  lassen  auf  keine  geringe 
Pracht  schliessen ,  welche  sich  ohne  Zweifel  auch  auf  die  angebauten  Räume  erstreckte, 
deren  nur  mehr  zum  geringen  Theil  erhaltene  Wände  schönen  Backsteinbau  und  wahr- 
haft musterhaftes  Netzwerk  [opus  reticulatum)  zeigen.  Bei  verschiedenen  Nachgrabungen 
um  das  Rundgebäude  fand  man  auch  Säulen  von  Giallo  und  orientalischem  Alabaster, 
von  welchen  die  ersteren  zersägt  zur  Ausschmückung  einer  Kapelle  von  S.  Pietro  in 
Montorio  verwendet  wurden,  die  letzteren  aber  auf  der  Fahrt  nach  Portugal  zu  Grunde 
gingen.''  Auch  stiess  man  auf  Bleiröhren,  welche  geneigt  machen,  wenigstens  das  Rund- 
gebäude für  einen  Badesaal  zu  halten.  In  den  anstossenden  Gemächern  aber  wurden 
noch  Reste  von  Musivböden,  und  erst  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  ein  Theil  des  Mar- 
morbodens der  Rotunde  zu  Tage  gefördert,  jedoch  dann ,  wie  auch  die  zahlreichen  hier 
aufgefundenen  Sculpturen,  beseitigt. 

Dass  nicht  bloss  die  letztbeschriebenen  Ruinen ,  sondern  der  ganze  Raum  vom 
Fusse  des  Pincio  bis  zur  Via  di  Porta  Pia  zu  den  berühmten  salustischen  Gärten  gehör- 
ten, erhellt  aus  den  classischen  und  späteren  Angaben ,  wie  aus  der  Tradition ,  welche 
dieser  Gegend  noch  im  1 6.  Jahrhundert  den  Namen  Salustrico  gab,^  mit  ziemlicher  Sicher- 
heit. Schon  aus  der  Erzählung  von  Nero's  nächtlichen  Abenteuern,^  wie  noch  mehr  von 
dem  Strassenkampfe  zwischen  den  Vespasianern  und  den  Vitellianern  ^  ergibt  sich  die 
Lage  derselben  nördlich  zwischen  Porta  CoUina  und  den  lucullischen  Gärten  auf  dem 

*  Fl.  Vacca,  Mem.  No.  58.   (Fea,  p.  L.VXVIII.)         *  S..  Fulvii  Antiq.  l).  R.  1527.  fol.  XXilll.     L.  Fauno,  An- 
tich.  d.  c.  di  R.  Ven.  ■1548.   fol.  120.         ^  Tacil.  Ann.  Xlll.  47.         *  id.  Hist.  HI.  82. 

64*  ^ 


508  Die  CoUes.  Yiminalis,   Quirinalis  und  Collis  Hortorum   (Pincius) . 

Pincio,  welche  von  Procopius  ^  noch  genauer  innerhalb  der  Porta  Salaria  bestimmt  wird. 
Ganz  entsprechend  verzeichnet  auch  die  Notitia^  die  salustischen  Gärten  zwischen  dem 
Tempel  des  Quirinus  und  den  diocletianischen  Thermen. 

Ueber  die  Anlage  im  Einzelnen  sind  wir  mit  Ausnahme  der  Notiz  von  der  Porti- 
cus  milliarensis,  jener  geräumigen  Säulenhalle  (vielleicht  in  dem  Thale  des  angeblichen 
Circus),  in  welcher  Aurelian  seine  Pferde  zu  tummeln  pflegte,^  hauptsächlich  auf  spätere 
Nachrichten,  und  zumeist  auf  die  Acten  der  Märtyrer  angewiesen.  Am  wenigsten  beglau- 
bigt ist  das  angebliche  Forum,  welches  nur  bei  Baronius*  vorkömmt,  während  gleich  da- 
neben und  auch  in  einer  anderen  Redaction  der  Acta  S.  Susanna  von  aedes  oder  palatium 
Salustii  gesprochen  wird.  Die  Existenz  eines  Palastes  daselbst  ist  um  so  weniger  zu 
bezweifeln,  als  nach  Salust  mehre  Kaiser  in  den  salustischen  Gärten  zu  wohnen  pflegten, 
und  man  wird  kaum  irren,  mit  Urlichs  ^  die  beherrschende  Höhe  der  Villa  Barberini  und 
zunächst  des  Casino  wenigstens  als  den  Mittelpunkt  des  Palastbaues  zu  bezeichnen.  Dass 
aber  in  den  Ruinen  im  Thale  zwischen  Quirinal  und  Pincio,  nemlich  in  der  beschriebenen 
Rotunde  mit  den  anstossenden  Mauern  die  mehrfach  erwähnten  salustischen  Thermen  zu 
suchen  seien,  wie  Urlichs  glaubt  und  Becker^  billigt,  wird  zwar  durch  die  Aufzählung 
derselben  von  dem  Anonymus  von  Einsiedeln  wahrscheinlich,  jedoch  durch  eine  von 
jenen  beiden  Gelehrten  nicht  beachtete  Notiz  im  Martyrologium  des  h.  Adonis ,  welche 
diese  Thermen  »  ausserhalb  der  Mauern «  (foras  rnuros)  nennt ,  nicht  unbestreitbar.  —  In 
das  Gebiet  der  Gärten  war  auch  ein  Venustempel  eingeschlossen,'^  welcher  vielleicht  jener 
der  Venus  Erycina  war,  der  vor  Porta  Collina  lag.^  Bei  diesem  war  auch  ein  freier  Raum 
für  circensische  Spiele  und  kein  Circus,  wie  gewöhnlich  irrthümlich  angenommen  wird, 
wo  einmal  die  Apollinarspiele  gefeiert  werden  sollten,  als  der  Circus  Maxiraus  über- 
schwemmt war.9  Dieser  Raum,  welcher  möglicherweise  selbst  noch  ausserhalb  der 
aurelianischen  Mauer  und  wohl  nicht,  wie  mit  der  Annahme  eines  vollständigen  Circus, 
von  welchem  es  jedoch  keinen  classischen  Nachweis  gibt,  behauptet  zu  werden  pflegt,  in 
dem  Thale  der  Villa  Massimi  zwischen  Quirinal  und  Pincio  lag,  hat  kaum  jemals  eine 
bauliche  Gestalt  erhalten,  entbehrte  aber  jedenfalls  bis  Livius  der  Sitzplätze. 

Die  ebenso  ausgedehnte ,  als  glänzende  Besitzung  hatte  der  Geschichtschreiber 
Salustius  Crispus  mit  dem  in  Numidien  erpressten  Reichthume  an  sich  gebracht.  ^^  Wahr- 
scheinlich kamen  sie  schon  nach  dem  Tode  des  Salustius  Crispus,  des  Verwandten  und 
Erben  des  Geschichtschreibers, ^^  unter  Tiberius  in  kaiserhchen  Besitz,  in  welchem  wir 
sie  wenigstens  unter  Nero  finden,^ ^  wodurch  fast  der  ganze  Norden  des  jetzigen  Rom, 


*  de  bell.  Vand.  I.  2.  ^  Curios.  U.  R.  Reg.  VI.  '  Script.  H.  A.  (Vopisc.)  Aurel.  49.  *  Act.  S.  Su- 

sannae  anni  294.  *  Beschrbg.  d.  St.  R.  Bd.  III.  Abth.  II.  S.  382,  *  Hdb.  d.  röm.  Alt.  S.  586.  ^  Grut. 

Inscr.  p.  XXXIX.  4.     CIL   4.  «  Ovid.  Fast.  IV.  v.  871.     Remed.  am.  549.     Liv.  XXX.  38.  ^  id.  1.  c. 

'"  Pseudo-Cic.  in  C.  Salust.  7.         "  Tacit.  Ann.  III.  30.         "  id.  XIII.  47. 


Reste  der  servischen  Mauer  am  Quirinalis. 


>09 


vom  vaticanischen  Gebiet  bis  zur  Porta  Salaria  (denn  auch  den  Pincio  nahmen  zum  gröss- 
ten  Theile  die  ehemals  lucullischen  Gärten  ein)  aus  kaiserlichen  Gärten  bestand.  Die  sa- 
lustischen  Gärten  waren  der  Lieblingsaufenthalt  von  mehren  Kaisern,  so  von  Vespasian/ 
von  Nerva,  der  daselbst  starb, ^  und  von  Aurelian.^  Zu  Anfang  des  5.  Jahrhunderts  gin- 
gen die  prachtvollen  Anlagen  bei  Alarichs  Einnahme  der  Stadt  durch  Brand  zu  Grunde.* 


G'-i^''^^^-^ 


109.    Reste  der  servischen  Mauer  am  Quirinalis. 

Das  formlose,  meist  aus  Gussmasse  bestehende  Mauerwerk  der  Substruction  des 
Hügels,  auf  welchem  das  Gasino  Barberini  steht,  birgt  ohne  Zweifel  bedeutende  Ueber- 
reste  der  servischen  Ummauerung,  deren  Gang  um  den  Hügelrand  von  allen  Topographen 
in  der  noch  gegebenen  natürhchen  Linie  angenommen  wird.  Wenn  demnach  abgebroche- 
nes salustisches  oder  späteres  Mauerwerk  oder  Bogensprengungen  desselben  am  Hügel- 
abhang hinter  dem  späteren  Mauerwerk  eine  Mauer  zeigen,   welche  durch  Material, 

Fügung,  Gestalt  und  Grösse  der  Blöcke  den  anderen 
bekannten  ältesten  Mauerresten ,  namentlich  den  be- 
deutenden am  Aventin  homogen  ist,  so  dürfen  wir 
wohl  kaum  Bedenken  tragen,  in  diesen  Stücke  des 
servischen  Ringes  zu  erkennen.    Solche  Ueberreste 
können  wir  an  zwei  Stellen  beobachten :  den  ersten 
in  der  Villa  Massimi  selbst,  nahe  an  der  beschriebe- 
nen Rotunde,  namentlich  durch  den  untern  Ansatz 
der  Mauer,  welche  auf  dem  lebenden  Tuf  des  Hügels 
selbst  aufliegt,  der  dann  als  natürliche  Befestigung 
noch  weiter  und  gewiss  noch  mehre  Meter  unter  den 
modernen  Schutt  hinab  abgeschrofft  ist,  höchst 
interessant.    Den  zweiten  finden  wir,  wenn 
wir  in  die  Via  di  Porta  Pia  zurückkehren  und 
hier  in  den  Garten  des  Franziskanerklosters 
von  S.  Maria  della  Vittoria   treten,    welcher 
sich  südlich  unter  dem  Casino  Barberini  be- 
findet. Auch  hier  zeigt  sich  im  Grunde  eines 
offenen  Substructionsbogens   dieselbe  Mauer 
aus  länglichen,  in  ihrer  Höhe  nicht  ganz  glei- 
chen Tufblöcken  in  sechs  Lagen  übereinander,  und  wir  sehen  auch  hier,  dass  die  Um- 


.'i 1__ ? JMet. 

59.     Servischc  Mauer   in  der  Villa  Massimi  (Man- 
dosi).  (F.  R.) 


Servische   Mauer   im    Kloslergarten   von    S.   Maria  della 
ViUoria.  (F.  R.) 


'  Dlo  Cass.  LXVI.  10.        *  Hieron.  Chron.  (Rone.  I.  cd.  445.)        '  Vopisc.  1.  c.        *  Procop.  1.  c. 


5f0  Die  Colles.   Viminalis,  Quirinalis  und  Collis  Hortorum   (Pincius). 

niauerung  sich  nicht  an  die  oberste  Kante  des  Hügels  hielt,  sondern  schon  von  etwa  hal- 
ber Höhe  aus  begann,  sich  substructionsweise  an  den  Abhang  selbst  anlehnte  und  auch 
den  Rand  wohl  kaum  mehr  bedeutend  überragte.  Der  letztere  Ueberrest  scheint  wegen 
erschwerter  Zugänglichkeit  des  Klostergartens  bisher  noch  nicht  bekannt  gewesen  zu 
^ein  und  ist  desshalb  um  so  mehr  der  bestätigenden  Besichtigung  zu  empfehlen. 

HO.    Der  Obelisk  vor  S.  Trinitä  de  Monti. 

Während  demnach  der  Quirinalis  eine  nicht  unbedeutende  antiquarische  Ausbeute 
bot,  haben  wir  von  der  dritten  Höhe ,  dem  Gärtenhügel  oder  Mons  Pincius ,  schlechter- 
dings nichts  Bauliches  namhaft  zu  machen,  obwohl  man  häufig  auf  vereinzeltes  antikes 
Mauerwerk  stösst.  Es  bleiben  daher  der  Besprechung  nur  mehr  die  Obelisken  übrig, 
welche  überdiess,  wie  alle  in  Rom  befindlichen,  nicht  mehr  auf  ihrem  ursprünglichen 
Platze  stehen.  Wir  gelangen  zu  dem  ersten,  wenn  wir  die  Via  di  Porta  Pia  südwestlich 
bis  zur  Via  di  Quattro  Fontane  und  dann  diese,  welche  in  ihrer  den  Pincio  hinansteigen- 
den geradlinigen  Fortsetzung  die  Namen  Via  Feiice  und  weiterhin  Via  Sistina  trägt,  bis 
zur  imposanten  Höhe  von  Trinitä  de'  Monti  verfolgen.  Der  vor  der  gleichnamigen  Kirche 
und  über  der  grossen,  von  Piazza  di  Spagna  heraufführenden  Treppe  sich  erhebende 
Obelisk  misst  12,90  Met.  in  der  Höhe  und  soll  der  Arbeit  seiner  Hieroglyphen  nach  eine 
schlechte,  dem  2.  Jahrh.  n.  Chr.  angehörende  Copie  des  auf  Piazza  del  Popolo  stehenden 
Obelisken,  von  welchem  sogleich  gesprochen  werden  wird,  sein.  Er  lag  zerbrochen  in 
der  Villa  Ludovisi,  wo  ihn  sowohl  Fulvius  » in  colle  horlulorum  in  horlis  Salusiianis  «  er- 
wähnt,^ als  auch  Bufalini  auf  seinem  Stadtplan  (1351)  verzeichnet,  und  ist  wahrschein- 
lich derselbe,  welcher  schon  im  Alterthume  als  in  den  Gärten  des  Salust  befindlich  er- 
wähnt wird. 2  Clemens  XH.  erbat  ihn  von  dem  Fürsten  Ludovisi  und  schaffte  ihn  im 
J.  1733  zur  Scala  Santa,  um  ihn  auf  dem  Hauptplatze  vor  S.  Giovanni  Laterano  aufzu- 
stellen; doch  hier  blieb  er  liegen  bis  zum  J.  1788,  in  welchem  er  auf  Befehl  des  Papstes 
Pius  VI.  auf  den  Monte  Pincio  geschaöl  und  hier  vor  der  genannten  Kirche  aufgestellt 
ward.  Das  auf  seinem  Gipfel  aufgepflanzte  Kreuz  enthält  Reliquien  des  h.  Kreuzes,  der 
Apostel  Petrus  und  Paulus,  des  h.  Joseph,  Augustinus,  Pius  V.  und  Franciscus  von  Paula. 

111.     Der  Obelisk  im  Giardino  del  Pincio. 

Von  der  Höhe  des  Platzes  vor  S.  Trinitä  de'  Monti  führt  eine  Allee  zu  dem  nörd- 
lichsten Theile  des  Monte  Pincio,  der  seit  einigen  Jahrzehnten  in  einen  herrlichen  Garten 
umgewandelt  ist.  Dass  die  vulgäre  Meinung,  welche  diesen  Raum  den  domitischen  Gär- 


Antichita  di  Roma.  R.  1527.  fol.  LXXI.         *  Ammian.  Marceil.  XVII.  4. 


Der  Obelisk  auf  Piazza  del  Popolo.  51 1 

ten  zuschreibt,  eines  classischen  Beleges  entbehrt,  wurde  schon  oben  (S.  495)  erwähnt, 
wir  wissen  nur  von  dem  Grabmale  der  DomitierJ  Doch  lassen  die  zu  der  aurelianischen 
Mauer  gezogenen  Hügelsubstructionen  (von  welchen  unten)  bedeutende  Anlagen,  wahr- 
scheinlich durch  die  Kaiser,  als  die  Besitzer  des  Hügels,  vermuthen.  Sonst  haben  die 
schönen  modernen  Anlagen  die  bedeutenden  noch  übrigen  antiken  Reste  beseitigt,  so 
dass  sich  unsere  Betrachtungen  auf  einen  in  der  Mitte  des  Gartens  stehenden  Obelisken 
beschränken.  Dieser  ist  nur  9  Met.  hoch,  von  rothem  Granit;  seine  Königsringe  nennen 
die  Namen  Hadrianus  Caesar  und  Sabina  Augusta ,  an  zwei  Stellen  soll  auch  der  Name 
des  Antinous  zu  lesen  sein. 

Dieser  Obelisk  erfuhr  bereits  die  mannigfachsten  Schicksale.  Er  stammt  aus  dem 
Circus,  dessen  dürftige  Reste  neben  dem  Amphitheatrum  castrense  in  der  nächsten  Yigna 
ausserhalb  der  Stadt  zwischen  der  Porta  Maggiore  und  der  Porta  S.  Giovanni  noch  er- 
kennbar sind.  Hier  lag  er  unverschüttet  und  in  zwei  Stücke  zerbrochen  bis  zum  J.  1  570, 
in  welchem  er  von  den  Brüdern  Curzio  und  Marcello  Saccoccia  an  derselben  Stelle  wie- 
der aufgerichtet  ward,  wie  die  noch  erhaltene  Inschrift  an  einem  nahehegenden  Bogen 
der  Acqua  Feiice  besagt.  Dort  blieb  er  bis  zum  17.  Jahrhundert,  worauf  er,  in  die  Stadt 
gebracht,  im  Hofe  des  Palazzo  Barberini  am  Boden  lag,  bis  ihn  Pius  VI.  im  J.  1773  in 
den  Giardino  della  Pigna  des  Vatican  schleppen  Hess ,  wo  er  jedoch  ebenfalls  nicht  zur 
Aufstellung  kam.  Erst  Pius  VII.  Hess  ihn  im  J.  1 822  wiederhersteHen ,  auf  den  Monte 
Pincio  schaffen  und  schmückte  damit  die  Passeggiata  in  sehr  wirksamer  Weise. 

112.    Der  Obelisk  auf  Piazza  del  Popolo. 

Von  dem  Giardino  del  Pincio  führt  eine  prächtige ,  mit  modernen  Sculpturen  und 
architektonischer  Ausschmückung  aller  Art  ausgestattete  Auffahrt,  wohl  die  schönste 
aüer  städtischen  Anlagen  dieses  Jahrhunderts  in  Rom ,  zur  Piazza  del  Popolo  herab.  In 
der  Mitte  dieses  Platzes,  welcher  zwar  nicht  mehr  zu  dem  Hügelgebiete  gehört,  hier  aber 
wegen  der  localen  Reihenfolge  angemessener  als  beim  Marsfelde  in  Betracht  kömmt ,  er- 
hebt sich  ein  mächtiger,  23, 70  Met.  hoher  Obelisk,  dessen  Königsringe  den  Namen  des 
Ramses  III.,  des  sog.  Sesostris,  zeigen.  Er  steht  noch  auf  seinem  antiken  granitenen 
Piedestalwürfel,  das  auf  zwei  Seiten  folgende  Inschrift  zeigt : 

IMF    CAESAR   DI  VI    F 
AVGVSTVS 

PONTIFEX  •  MAXIMVS     

IMP   XTT  COS   XT  TRIB    POT.XIV 

AEGYPTO    IN    POTESTATEM 

POPVLI    ROMAN!    REDACTA 

SOLI    DONVM    DEDIT 


*  Sueton.  Ner.  50. 


5*12  ^^®  aurelianische  Mauer. 

Dieser  Obelisk  war  zugleich  mit  dem  schon  beschriebenen  auf  Monte  Citorio  durch 
Augustus  vom  Sonnentempel  zu  Heliopolis  in  Aegypten  weggenommen,  im  J.  744  d.  St. 
nach  Rom  gebracht  und  auf  der  Spina  des  Circus  Maximus  aufgestellt  worden.''  Doch 
Plinius  irrt  sowohl  in  Bezug  auf  die  Höhe  desselben,  welche  er  ohne  Piedestal  auf 
85V4  röm.  Fuss  (25,37  Met.)  angibt,  als  auch  auf  den  Namen,  indem  er  ihn  einem 
Semneserteus  oder  Spemetnepserphreus  (Cod.  Bamb.  &  Mon.)  zuschreibt,  und  während 
er  ihn  auch  aus  der  Zeit  der  Reise  des  Pythagoras  nach  Aegypten  herrührend  nennt,  ist 
uns  jetzt  bekannt,  dass  Sesostris  1 000  Jahre  früher,  nemlich  im  1 6.  Jahrhundert  v.  Chr. 
geherrscht  habe.  Ammianus  (a.  a.  0.)  schreibt  ihn  richtig  dem  Ramses  zu  und  bringt 
überdiess  unter  der  Autorität  des  Hermapion  eine  griechische  Uebersetzung  der  hiero- 
glyphischen Inschrift  bei,  welche  im  Allgemeinen  angemessen,  doch  etwas  ungenau 
gefunden  ward:  orientalisch  pomphafte  Phrasen  einer  Anrede  des  Sonnengottes  an 
seinen  Günstling  Sesostris. 

Im  16.  Jahrhundert  fand  man  diesen  Obelisk  in  zwei  Stücke  zerbrochen  und 
über  zwei  Met.  unter  dem  modernen  Boden  in  der  Arena  des  Circus  Maximus.  Nach- 
dem er  ausgegraben  und  ausgebessert  war,  Hess  ihn  Sixtus  V.  im  J.  1  587  mit  grossem 
Aufwände  hieher  bringen  und  durch  Fontana  auf  seinem  antiken  gleichfalls  granitenen 
Piedestal  aufstellen.  Das  Basament  unter  dem  Piedestal  wurde  zu  einem  Brunnen 
benutzt  und  an  den  Ecken  mit  vier  wasserspeienden  ägyptischen  Basaltlöwen  ge- 
schmückt. 


XII.    Die  aurelianische  Mauer. 

Nachdem  wir  nun  auf  unserer  Wanderung  durch  die  Ruinen  den  inneren  Kreis 
der  Stadt  vollendet,  stehen  wir  im  Begriffe,  eine  etwas  ausgedehntere  Kreislinie  be- 
schreibend, die  Mauern  und  Thore  mit  den  in  ihren  Gang  hineingezogenen,  ursprüng- 
lich nur  anderen  Zwecken  dienenden  Ruinen  zu  betrachten.  Fast  rings  um  die  Stadt, 
mit  Ausnahme  der  Seite  am  Flusse,  wo  jedoch,  wie  wir  theilweise  schon  gesehen 
haben,  die  Reste  derselben  grösstentheils  verschwunden  sind,  zieht  sich  aussen  um 
die  Mauer  ein  bequemer,  ausser  dem  bei  den  ungepflasterten  Strassen  Italiens  fast 
unvermeidlichen  massenhaften  Staube  oft  sehr  anmuthiger  Fahrweg.  Die  Strasse  flihrt 
neben  den  Villen,  an  Gärten  und  Weinbergen  vorüber,  deren  hohe  Mauern  zwar  leider 
selten  einen  Einblick  gestatten,  doch  öffnet  sich  an  höheren  Stellen  zuweilen  eine  ent- 


*  Strab.  XVII.  i,  27.  p.  805.     Plin.  H.  N.  XXXVI.  9,  14,  71.  —  Ammian.  Marc.  XVII.  4. 


Die  aurelianische  Mauer,  513 

Zückende  Fernsicht  über  die  weite  schwachgewellte  Campagna  zu  jenen  duftigen  Höhen, 
deren  Vorberge  Tivoli,  Palestrina,  Frascati  und  Albano  beherrschen. 

Was  die  Entstehung  dieser  Mauer   betrifft,    deren  Kreis   wir  jetzt   betrachten 
wollen,  so  ist  nicht  zu  bezweifeln,  dass  sie  aus  dem  Ende  des  3.  Jahrhunderts  n.  Chr. 
stammt.    Es  ist  bekannt  und  mehrfach  beglaubigt,  dass  Rom  seit  der  servischen  Um- 
mauerung,  welche  allerdings  nach  dem  gallischen  Brande  eine  umfassende  Erneuerung^ 
und  auch  später  Herstellungen  ^  erfuhr,  keinen  neuen  Mauerring  erhielt,  welcher  den 
bedeutenden  Vergrösserungen   der  Stadt   in    den   letzten   Jahrhunderten   der  Republik 
bis  zu  Anfang  der  Kaiserzeit  Rechnung  getragen  hätte.    Diese  Ausdehnung  aber  musste 
die  alte  Mauer,  deren  Bedeutung  sich  nun  darauf  beschränkte,  die  Altstadt  anzuzei- 
gen, zur  unbequemen  Fessel  machen,  welche  man  zunächst  dadurch  brach,  dass  man 
die  Thore  zur  bequemen  Verbindung  der  äusseren  und  inneren  Strassen  namhaft  ver- 
mehrte, so  dass  Plinius  ihre  Zahl  auf  nicht  weniger  als  37  angibt. ^  Ich  glaube  auch  nicht, 
dass  man  auf  die  Verlegung  und  Erweiterung  des  Pomörium  gewartet  habe,  um  sich 
für   bauliche  Zwecke   dieses   inaugurirten  Landstreifens   zu   bemächtigen,  welcher   zu 
beiden  Seiten  der  Mauer  einerseits  von  aller  baulichen,  anderseits  von  aller  landwirth- 
schaftlichen  Benutzung  frei  bleiben  sollte,  denn  schon  Dionys  v.  H.  sagt,*  dass  man 
zu  seiner,  d.  h,  in  augusteischer  Zeit  den  Gang  der  Mauer  wegen  der  vielfältig  sich 
anschliessenden  Gebäude  nur  schwer  nachweisen  könne;    und   dass    man   dann   auch 
die  Mauer  selbst,  wenn   sie    hinderlich  war,   nicht  verschonte,  wird,  wenn   es   auch 
sonst  von  den  Römern  etwas  befremdet,  doch  bei  demselben  Geschichtschreiber  durch 
den  Beisatz  sicher,  dass  man  stellenweise  noch  Reste  des  alten  Baues  sehe.  So  lange 
es  seit  dem  Falle   von  Carthago   keine  Macht  gab ,    die   den  Römern    geföhrlich    sein 
konnte,  war  auch  wegen  der  Undenkbarkeit  eines  Angriffs  eine  Mauer  ganz  entbehr- 
lich.    Mit   dem  Verfall   der  römischen  Macht   aber  wurde  auch  das  Bedürfniss  eines 
Mauerschutzes  wieder  fühlbar,  besonders  seit  die  germanische  Invasion  in  Oberitalien 
in  Gallienus  Zeit   zu  Rom   die   grösste  Bestürzung   erweckt   hatte.^    Aurelian   begann 
das  Werk  einer  neuen  umfassenden  Ummauerung  der  Stadt  kurz  nach  seinem  Regie- 
rungsantritte, da  er  jedoch  schon  im  fünften  Jahre   seiner  Regierung  starb,  führte  es 
erst  Probus  zu  Ende.*^    Hinsichtlich   des  Umfangs   aber   brachte  eine  verderbte  Stelle 
des  Vopiscus,^  welche  diesen  auf  fast  fünfzig  römische  Meilen  angibt,  einige  Verwir- 
rung unter  die  Topographen.     Denn  diese  Angabe  würde ,  wenn  man  sie  als  richtig 
annähme,  den  Umfang  der  aurelianischen  Mauer  fast  um  das  Fünffache  über  die  jetzige 
auf  der   linken  Flussseite   vergrössern,    und   doch    findet   sich    in    dem  Umjkreise   der 
Campagna  weder  eine  Spur  der  Mauer  selbst,    noch  von  den  Gebäuden,  welche  von 

'  Liv.  VI.  32.    VII.  20.         -  id.  XXV.  7.  *  H.  N.  III.  5,  9,  G6.         *  IV.  13.         »  Script.  H.  .\.  (Vopisc.) 

Aurel.  21.     .\urel.  Vict.  de  Caess.  35.     Zosimus  I.  37.         "  Zosim.  I.  49.         '  Aurel.  39. 
F.  Reber,  die  Buincn  Uoiiis.  65 


514  ^'ß  aurelianisclie  Mauer. 

dieser  eingebildeten  Riesenbefestigung  eingeschlossen  gewesen  wSren.  Desshalb  haben 
auch  die  neueren  Topographen  —  wenn  auch  nicht  ohne  Ausnahme^  —  die  Richtig- 
keit dieser  Zahl  verworfen  und  unter  mehren  anderen  Auskunftsmitteln  namentlich  das 
zu  grosser  Wahrscheinlichkeit  erhoben,  dass  zu  der  Angabe  y^ quinquaginta  prope  mil- 
Hau  des  Vopiscus  nicht,  wie  gewöhnlich,  passimm  (fünffüssige  Doppelschritte)  zu  den- 
ken, sondern  pcdum  zu  ergänzen  sei.^  Dadurch  kömmt  man  dem  Umfange  des  noch 
vorhandenen  Mauerringes,  welcher  an  1 1  Mgl.  misst,  ziemlich  nahe,  und  da  sich  von 
einem  anderen  nicht  die  geringsten  Reste  finden,  so  muss  die  aurelianische  Mauer  in 
der  Hauptsache  dieselbe  sein ,  welche  noch  die  Stadt  umschliesst.  Darin  kann  auch 
die  Angabe  Olympiodors,^  welche  den  Umfang  fälschlich  auf  21  röm.  Meilen  angibt, 
nicht  beirren,  und  spätere  Nachrichten  scheinen  sogar  das  Richtige  wiederzugeben, 
wie  die  Leipziger  Handschriften  des  Martinus  Polonus,'*  welche  der  Mauer  (einschliess- 
lich der  Flussseite)  eine  Länge  von  12  Mgl.  zuschreiben,  während  die  gewöhnliche 
Lesart, 5  wie  auch  die  des  mir  vorliegenden  Codex,^  dafür  22  Mgl.  gibt,  welche  Zahl 
sich  auch  in  den  Mirabilien,"^  der  Hauptquelle  jenes  topographischen  Abschnittes  bei 
Martinus  Polonus,  findet.  Irrthümer,  wie  diese,  können  aber  um  so  weniger  in  Ver- 
legenheit setzen,  als  sie  lange  nach  Honorius  entstanden,  dessen  Neubauten  an  der 
Mauer  auf  mehren  Thoren  inschriftlichen  Nachweis  und  selbst  die  Erwähnung  eines 
gleichzeitigen  Dichters^  finden.  Denn  125  Jahre  nach  dem  aurelianischen  Bau  war  die- 
ser, ohne  Zweifel  etwas  tumultuarisch  angelegt,  wieder  so  in  Verfall  gerathen,  dass 
eine  umfassende  Wiederherstellung  namentlich  der  meisten  Thore  nothwendig  wurde. 
Nicht  unbedeutenden  Schaden  scheint  die  Mauer  dann  durch  Totilas  erlitten  zu  haben, 
welcher  den  dritten  Theil  derselben  in  Ruinen  verwandelt  haben  soll.^  Becker  ^^  glaubt 
aus  einer  weiteren  Stelle  des  Procopius^^  herauszufinden,  dass  damals  auch  alle  Thore 
zerstört  worden  seien ,  allein  es  scheint  da  nur  von  den  hölzernen  Thorflügeln  die  Rede 
zu  sein,  wesshalb  die  bis  auf  dieses  Jahrhundert  erhaltenen  Thore  mit  den  Inschriften 
des  Honorius,  wie  die  anderen  gleichartigen  Thore  ohne  Inschriften  mit  Procopius  nicht 
im  Widerspruche  stehen.  Wenn  aber  der  Mauerring  schon  ursprünglich  durch  die  Be- 
nutzung von  verschiedenen  auf  dem  Wege  liegenden  anderen  Bauten,  des  prätoriani- 
schen  Lagers,  verschiedener  Wasserleitungen  und  mehrer  Grabmäler,  noch  mehr  aber 
durch  die  Verwendung  des  durch  Abbruch  nächstliegender  Gebäude  zu  Gebote  stehen- 
den .Materials  ein  ganz  ungleiches  Ansehen  erhalten   haben    musste,  so   mehrten   sich 


*  A.  Nibby,  Mura  di  Roma  p.  220  sq.  *  St.  Piale,  delle  Mura  Aureliane,  discorso  letto  1822.  impr.  1833. 
p.  9  S(i.  Becker,  De  Roinae  vet  mur.  atq.  port.  Lips.  1842.  p.  111.  ^  Phot.  Bibl.  80.  p.  63.  Bekk.  *  Becker, 
Hdb.  d.  röm.  Alterth.  Bd.  I.  S.  189.  *  Nibby,  Le  Mura  di  Roma,   disegnate  da  S.  W.  Gell.   R.  1820.  p    280. 

Not.  424.  *  Cod.  Ben.  273.  ;Moii.  4773.)  foi.  56.  '  Montfaucon,  Diar.  Ital.  p.  283.  *  Claudian.  Paiieg.  in 

VT.  Cons.  Hon.  v.  526  sq.  "  Procop    de  bell.  Goth.   HI.   22.  ">  Hdb.  d.  r.  Alt.   Bd.  I.   S.  190.  Anm.  289. 

"  HI.  24. 


Die  aurelianische  Mauer.  51  o 

tiie  Verschiedenheiten  durch  die  Wiederherstelhing  des  Honorius  und  besonders  auf- 
[fallend  durch  die  in  fünfundzwanzig  Tagen  ausgeführte  Herstellung  des  von  Totilas  Zer- 
störten durch  Belisar,''  so  dass  es,  ganz  abgesehen  von  den  vielen  Ausbesserungen 
der  Mauer  im  Mittelalter  bis  auf  die  neueste  Zeit,  von  welchen  zahlreiche  Marmor- 
tafeln mit  den  Namen  und  Wappen  verschiedener  Päpste  und  Senatoren  Zeugniss  geben, 
schwer  wird,  das  aurelianische,  honorische  und  behsarische  Werk  mit  Sicherheit  zu 
unterscheiden.  Doch  gibt  es  noch  einzelne  Züge  wohlerhaltener  und  verhältnissmässig 
guter  Backsteinarbeit,  welche  dem  aurelianischen  Bau  zugeschrieben  werden  können 
und  im  Laufe  der  Beschreibung  besonders  betrachtet  werden  sollen. 

Von  den  Thoren  haben  sich  die  meisten  wenn  auch  nicht  in  ihrem  antiken 
Zustande ,  so  doch  an  oder  bei  ihrer  ursprünglichen  Stelle  erhalten.  Nichtsdestowe- 
niger ist  der  Nachweis  mancher  Namen  nicht  ohne  Schwierigkeit,  obwohl  uns  darin 
namentlich  die  vortreflliche  Aufzählung  des  Anonymus  von  Einsiedeln  ^  vorzügliche 
Dienste  leistet.  Procopius^  aber  zählt  14  Thore  und  »einige«  Pförtchen,  von  welchen 
ersteren  1 3  mit  Sicherheit  nachzuzählen  sind :  die  Porta  Flaminia,  Salaria,  Nomentana, 
Tiburtina,  Praenestina,  Asinaria,  Metronis,  Latina.  Appia,  Ostiensis,  Portuensis,  Aurelia 
vetus  (Pancratiana)  und  Aurelia  nova  (S.  Petri).  Als  die  vierzehnte  würde  sich  aller- 
dings die  auch  vom  Anonymus  als  eines  seiner  13  Thore  aufgezählte  Pinciana  zu- 
nächst empfehlen,  allein  diese  wird  von  Procop  wiederholt,  wenn  auch  nicht  aus- 
schliessend,'^  als  Pförtchen  [nvXlc)  bezeichnet,  was  unten  seine  Erklärung  finden  wird. 
Wir  müssen  daher  dafür  nach  einem  anderen  Thore  suchen,  jedoch  nicht  bloss,  wie 
Becker  glaubt,  die  Ardeatina  südlich  zwischen  der  Appia  und  Ostiensis,  welche  in- 
(less  die  meiste  Wahrscheinlichkeit  für  sich  zu  haben  scheint,  sondern  auch  die  Vimi- 
nalis  (Porla  chiusa)  südlich  am  prätorianischen  Lager,  und  die  transtiberinische  Septi- 
miana  in  Betracht  ziehen,  zwischen  welchen  zu  wählen  ich  keinen  ausreichenden 
Anhaltspunkt  sehe.  Denn  die  drei  Thore  finden  sich  weder  in  den  gelegentlichen  Er- 
wähnungen des  Procop,  noch  in  der  systematischen  Aufzählung  des  Anonymus  von 
Einsiedeln,  von  welchem  letzteren  jedoch  anzunehmen  ist,  dass  er  die  Septimiana,  die 
jedenfalls  für  den  transtiberinischen  Verkehr  dringend  nothwendig  und  desshalb  kaum 
jemals  geschlossen  war,  tiberging,  weil  er  in  derselben  nicht  ein  Thor  als  solches, 
sondern  ein  dazu  benutztes  Bogendenkmal  erkannte,  während  er  die  Viminalis  und 
Ardeatina,  da  sie  geschlossen  waren,  ungenannt  Hess.  Die  nähere  Erörterung  wird 
sich  bei  der  Beschreibung  im  Einzelnen,  zu  welcher  wir  sogleich  übergehen,  finden. 


'  id.  ].  c.  '  Arch.   f.  riiil.   u.   Päd.  Suppl.-Bd.  V.  St  137  f-.  '  de  hello  Goth.   I.   19.  *  II.   10. 

•"'  11(11).   d.   r.  A.   S.  2U. 


63* 


5jß  Die  aurelianische  Mauer. 

113.    Die  Porta  Plaminia  (Porta  del  Popolo). 

Die  heutige  von  der  anliegenden  Kirche  S.  Maria  del  Popolo  sogenannte  Porta 
del  Popolo  trug  ehedem  von  der  flaniinischen  Heerstrasse,  welche,  an  die  Via  Lata 
des  Marsfeldes  sich  anschliessend,  über  die  milvische  Brücke  nordwärts  lief  und  in 
Ariminum  endigte,  den  Namen  Porta  Flaminia.  Von  dieser  selbst  in  ihrer  ursprüng- 
lichen Gestalt  ist  jedoch  keine  Spur  mehr  mit  Sicherheit  nachzuweisen,  so  dass  sogar 
die  Behauptung  viele  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,  dass  hier  gar  nicht  der  Platz 
der  Porta  Flaminia,  und  dieser  vielmehr  an  der  Stelle  der  Kirche  S.  Maria  del  Popolo 
zu  suchen  sei.  Denn  das  ebene  Terrain  hier  macht  die  Notiz  des  Procopius,''  dass  die 
Gothen  auf  das  flaminische  Thor  keinen  Versuch  machten,  weil  es,  als  auf  einer  steilen 
Stelle  liegend,  nicht  leicht  zugänglich  war,  unmöglich  und  diese  wird  nur  denkbar, 
wenn  das  Thor  etwas  gegen  den  Pincio  hinangerückt  war.  Damit  stimmt  auch  die 
Linie  nach  Ponte  Molle  überein ,  wie  auch  die  Via  Lata  wahrscheinlich  nicht  genau 
der  Strada  del  Corso  entsprach,  sondern  vielmehr  durch  die  östlichen  Ausweitungen 
von  Piazza  di  S.  Marcello  und  Sciarra  angezeigt  wird.  Bedeutend  konnte  jedoch  die 
Abweichung  nicht  sein,  wie  durch  den  erst  im  17.  Jahrh.  abgetragenen  Bogen  des 
M.  Aurel  und  andere  im  Corso  aufgefundene  Bogenreste  (vgl.  S.  277  fg.)  bewiesen 
wird.  —  Nach  der  Erbauung  des  jetzigen  Thores  durch  Pius  IV.  im  J.  1561  haben 
mehre  Herstellungen,  besonders  im  17.  Jahrhundert,  demselben  einen  widerlich  unhar- 
monischen Charakter  aufgeprägt. 

Verfolgen  wir  nun  unseren  Weg,  die  Mauer  zur  Linken  von  der  Porta  del 
Popolo,  welche  sich,  ohne  auf  dieser  Strecke  einen  Gegenstand  von  besonderem  In- 
teresse darzubieten,  an  den  nahen  Tiber  schliesst,  unerörtert  lassend,  von  dem  genann- 
ten Thore  aus  östlich  in  dem  hart  ausserhalb  der  Mauer  befindlichen  Thaleinschnitt 
zwischen  dem  hier  schroff  abfallenden  Pincio  und  dem  zur  Linken  massig  ansteigen- 
den und  in  einen  Park  verwandelten  Hügel  der  Villa  Borghese,  so  sehen  wir  rechts 
die  bedeutenden  Substructionen  des  Pincio,  die  jedoch  nur  mehr  theilweise  antik  sind, 
als  Stadtmauer  benutzt.  Schwachvorspringende,  oben  in  Bogen  verbundene  Strebe- 
pfeiler verleihen  der  hohen  Substruction  eine  erquickliche  Abwechselung;  doch  haben 
die  neueren  Restaurationen,  besonders  die  des  Jahres  18ö7,  welche  indess  an  Schön- 
heit der  Ausführung  aus  behauenen  Steinen  dem  alten  Bau  in  nichts  nachstehen,  das 
antike  Ansehen  fast  ganz  verwischt. 

An  der  Nordecke  der  Mauer,  dem  alten  Eingange  in  die  Villa  Borghese  gegen- 
über, ragt  ein  gewaltiger,  21  Met.  langer  Mauerklotz  aus  Gussmasse  und  mit  Netzfach 
bekleidet  über  die  Strasse  herein.  Das  bedenklich  im  halben  Falle  überhangende  Stück 

*  de  bell.  Golh.  I.  23. 


Die  Porta  Pinciana.  51  7 

möchte  es  als  unglaublich  erscheinen  lassen,  dass  es  in  diesem  Zustande  eine  dauernd 
feste  Lage  habe.  Und  doch  ist  es  mehr  als  wahrscheinlich,  dass  es  dasselbe  sei,  wel- 
ches schon  in  Procopius'  Zeit  den  Namen  murus  dirutus  {Sif^Qcoyög)  trug  und  schon 
damals  in  ähnlicher  Weise  einsturzdrohend  schwebte,  als  Belisar  die  Mauern  gegen 
die  Gothen  herstellte.  Der  fromme  Glaube  der  Römer,  dass  der  h.  Petrus  diese  Stelle 
beschütze,  hinderte  schon  damals  den  Belisar,  die  durch  diese  Ruine  unzureichend 
befestigte  Ecke  herzustellen,  und  in  der  That  versuchten  auch  die  Gothen  hier  keinen 
Angriff.^  Diess  Stück  gehört  weder  zu  des  Aurelian  noch  des  Honorius  Werk,  son- 
dern zu  den  früheren  Substructionen  des  CoUis  Hortorum.  Von  derselben  Art  ist  der 
nächstanliegende  Theil,  welcher  in  doppelter  Reihe  übereinanderstehende,  konische,  oben 
gewölbte  Nischen  zeigt,  und  ebenfalls  mit  opus  reticulatum  überkleidet  ist.  —  Die 
Fortsetzung  dieser  Mauer,  die  sich  erst  in  südöstlicher  Richtung  hinzieht,  dann  einen 
rechten  Winkel  bildend  sich  nordöstlich  wendet,  zeigt  grösstentheils  späteres  Mauer- 
werk aus  dem  6.  Jahrhundert,  wonach  man  diesen  Theil  nicht  mit  Unrecht  mit  der 
Herstellung  durch  Belisar  in  Verbindung  bringt.  Die  äussere  Beschaffenheit  und  Form 
dieser  Mauer  ist  dieselbe,  wie  überall,  wo  sich  der  antike  Bau  erhalten  hat :  die  Grund- 
mauern sind  grossentheils  aus  Quadern,  während  der  übrige  Theil  aus  etwas  unre- 
gelmässigen kleineren  Bruchstücken  aufgeführt  ist;  die  Mauer  aber  ist  in  nicht  überall 
gleichen  Zwischenräumen  von  rechteckig  vorspringenden  Thürmen  unterbrochen,  welche 
sie  jedoch  an  Höhe  nicht  überragen.  Die  späteren  Restaurationen  dieses  Theils  sind 
von  den  Päpsten  Julius  H.,  Gregor  XV.  und  Pius  IX. 

114.    Die  Porta  Pinciana. 

Nachdem  man  ungefähr  eine  römische  Meile  von  der  Porta  del  Popolo  an  zu- 
rückgelegt, gelangt  man  zu  der  Porta  Pinciana,  welche  im  Verhältniss  zu  dem  Mauer- 
zuge in  schräger  Stellung  und  gegen  Nordost  gew^endet,  von  zwei  runden  Backstein- 
Ihürmen  flankirt  ist.  Der  untere  Theil  des  Thores  selbst  mit  dem  Thorbogen  ist  von 
Quadern;  in  den  Bogenschlüssel  ist  in  einen  runden  Schild  von  0,3-.  M.  Durchmesser 
ein  griechisches  Kreuz  gemeisselt.  Nur  durch  eine  Lage  von  Quadern  von  dem  Bogen 
getrennt,  läuft  oberhalb  ein  schmaler  Carnies  mit  einem  schwachen  Sculpturversuch : 
verschiedenförmige  Rosetten  zwischen  kragsteinähnlichen  Stücken.  Darüber  ist  eine 
Mauer  in  Backstein  mit  Zinnen  von  der  Höhe  der  Thürme  und  der  übrigen  Mauer 
und  damit  verbunden  aufgeführt.  Jetzt  ist  das  Thor  als  ganz  entbehrlich,  weil  zu  kei- 
ner Hauptstrasse  führend,  geschlossen. 

*  Procop.  1.  c. 


5/)  H  Die  aurelianische  Mauer. 

Der  Umstand,  dass  Belisar  in  der  Domus  Pinciana  wohnte '  und  dass  Procop 
einmal  eine  Porta  Belisaria  nennt, ^  welche  sich  allerdings  an  der  Nordseite  der  Stadt 
befunden  zu  haben  scheint,  beweist  noch  nicht,  dass  dieses  Thor  es  war,  welches 
eine  Zeit  lang  den  Namen  des  Belisar  getragen.  Procopius  nennt  vielmehr  dieses  Thor 
ein  Pförtchen,  was  er  kaum  gethan  hatte,  wenn  der  jetzt  bestehende  vollständige 
Thorbau  schon  von  Belisar  herrührte.  Ich  glaube  desshalb  keinen  Widerspruch  befürch- 
ten zu  müssen,  wenn  ich  die  Sache  so  erkläre,  als  sei  erst  in  der  Zeit  des  Exarchats 
das  noch  zu  Procopius'  Zeit  bestehende  Pförtchen  in  ein  eigenthches  Thor,  als  wel- 
ches es  beim  Anonymus  von  Einsiedeln  erscheint,  umgewandelt  worden.  Denn  wel- 
chen Einfluss  auf  den  Namen  von  Thoren  ganz  gleicher  Beschaffenheit  die  Qualität 
der  aus  ihnen  führenden  Strassen  haben  soll,  ist  mir  unverständlich,  und  ich  kann  dess- 
halb dem  von  Nibby^  angeführten  und  von  Becker*  gebilligten  Grunde,  die  Pinciana 
habe  bei  Procop  desshalb  Pförtchen  geheissen,  weil  sie  keiner  Hauptstrasse,  sondern 
nur  einem  Verbindungswege  diente,  ebenso  wenig  beipflichten,  als  ich  glauben  kann, 
dass  man  heutzutage  ein  Stadtthor  aus  demselben  Grunde  Pförtchen  nennen  würde. 
Dass  die  ganz  grundlose  und  späte  Sage  von  Belisar,  welcher  hier  blind  gebettelt 
haben  soll,  der  angeblichen  Porta  BeHsaria  kein  weiteres  Gewicht  gibt,  braucht  kaum 
erwähnt  zu  werden. 

Von  hier  an  zieht  sich  die  Mauer  in  östlicher  Richtung  in  schwachen  Curven 
weiter.  Das  Mauerwerk  ist  dem  vor  der  Pinciana  beschriebenen  ähnlich;  der  vierte 
Thurm  von  dem  genannten  Thore  an  zeigt  sich  vollständiger,  als  die  anderen,  erhal- 
ten und  trägt  noch  seinen  Aufbau  mit  drei  Fenstern  in  der  Fronte  und  zweien  an 
jeder  Seite,  die  jedoch  jetzt  sämmtlich  vermauert  sind.  Noch  ein  anderer  Thurm  der- 
selben Strecke  ist  ebenso  erhalten.  Die  späteren  sehr  mangelhaften  Herstellungen  die- 
ser und  der  nächstfolgenden  Strecke  sind  von  P.  Julius  II. 


115.    Die  Porta  Salaria. 

Von  der  Porta  Pinciana  ungeföhr  eine  halbe  Miglie  entfernt  ist  die  Porta  Sala- 
ria (jetzt  Salara),  der  an  die  Stelle  der  servischen  CoUina  getretene  Ausgangspunkt 
der  salarischen  Heerstrasse,  deren  Namen  » Salzstrasse «  dadurch  erklärt  wird,  dass 
die  Sabiner  auf  dieser  das  vom  Meere  oder  den  römischen  Magazinen  bezogene  Salz 
am  linken  Ufer  des  Tiber  stromaufwärts  nach  Hause  zu  führen  pflegten.^  Dieses  Thor 
trägt  die  Kennzeichen  von  verschiedenen  Bauepochen :  der  untere  Theil  des  doppelten 


'  Anastas.  Biblioth.   vit.   Pontif.  Par.  1649.   Vit.  Silver.  p.  39.         *  Procop.   I.   18.         *  Le  Miira  di  Roma, 
p.  3 IS.         "  Hdb.  d.  r.  A.   Bd.  I.   S.  193.  Anm.  292.         "  Varro  r.  r.  I.  14,  3. 


Die  Porta  Noraentana.  519 

Thorbogens  besteht  aus  Quadern  und  gehört  zum  Bau  des  Honorius,  vielleicht  sogar 
des  Aurelian,  der  obere  Theil  dagegen  ist  sehr  schlechtes  Ziegelwerk,  augenscheinlich 
in  aller  Eile  auf  dem  Reste  des  zerstörten  Thores  wieder  aufgebaut.  Ebenso  sind  die 
beiden  rechteckigen  Thürme,  von  welchen  einer  sehr  verstümmelt  ist,  von  einer  spä- 
teren Herstellung  auf  einem  Unterbau  von  Quadern.  Diese  Erscheinung  stimmt  auch 
mit  der  Geschichte  überein  :  Durch  dieses  Thor  nemlich  drang  Alarich  im  J.  409  mit 
seinen  Gothen  ein,  nachdem  die  Wachen  von  der  bestochenen  römischen  Jugend  nie- 
dergemacht waren ,  und  wie  die  angränzenden  Gebäude  und  Gärten ,  so  ward  w  ohl 
auch  das  verrathene  Thor  durch  Brand  zerstört.  Der  eilfertige  Wiederaufbau  dürfte 
demnach  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  in  die  Zeit  nach  dem  Abzüge  der  Gothen  zu 
setzen  sein,  wofür  jedoch  keine  Gewissheit  vorliegt. 


116.    Die  Porta  Nomentana. 

Zu  beiden  Seiten  der  Porta  Salaria  ist  die  Mauer  eine  Strecke  weit  ohne  die 
sonst  ziemlich  regelmässigen  Thürme,  bietet  aber  im  Uebrigen  keine  Verschiedenheit 
von  der  vorigen  Strecke  dar.  In  fast  gerader  Richtung  südöstlich  gewendet,  wird  sie 
bald  von  der  kaum  400  Schritte  von  dem  salarischen  Thore  entfernten  Porta  Pia  un- 
terbrochen, welche  nach  dem  Entwürfe  Michel  Angelo's  von  Pius  IV.  im  J.  1564  von 
Grund  auf  neu  gebaut  wurde,  als  dieser  die  Strasse  Alta  Semita  beseitigte  und  dafür 
etwas  weiter  links,  doch  parallel  mit  der  ersteren  die  Via  Pia  anlegte.  Das  nach  /lern 
Geschmacke  der  Zeit  schön  zu  nennende  Thor  wurde  unter  der  gegenwärtigen  Re- 
gierung umfassend  restaurirt. 

Wie  aber  die  Via  Pia  etwas  weiter  nordwestlich  gerückt  wurde,  als  die  ihr 
im  Alterthume  entsprechende  Alta  Semita  sich  hinzog,  so  musste  auch  die  neue  Porta 
Pia,  wenn  man  dem  Laufe  der  Strasse  keine  Krümmung  geben  wollte,  an  eine  an- 
dere Stelle  und  zwar  nordwestlich  neben  das  alte  Thor  gesetzt  werden.  Dieses  letz- 
tere aber,  die  Porta  Nomentana,  durch  welche  die  nach  dem  nur  1  4  römische  Meilen 
entfernten  Nomentum  führende  gleichnamige  Strasse,  die  früher  zugleich  mit  der  sala- 
rischen an  der  servischen  Porta  Collina  begann,  ausmündete,  ist  jetzt  als  völlig  unnütz 
vermauert,  doch  an  den  runden  Thürmen  noch  deutlich,  von  welchen  jedoch  einer 
sehr  zerstört  ist.  Ueberhaupt  ist  an  dem  zum  grossen  Theile  für  den  Neubau  abge- 
tragenen und  misshandelten  Thore  schwer  zu  erkennen,  wie  Poggio  es  neben  Porta 
Maggiore  und  Porta  S.  Lorenzo  zu  den  drei  schönsten  antiken  Thoren  zählen  konnte. 


520  D'6  aurelianische  Mauer. 

117.    Das  prätorianische  Lager. 

Nicht  ferne  von  der  Stätte  der  alten  Porta  Nomentana  weitet  sich  die  Stadtmauer 
fast  quadratisch  gegen  Osten  aus,  eine  schon  vorhandene  Umfangsmauer  eines  anderen 
Baues  benutzend.  Um  die  Reste  dieses  zuerst  im  Innern  zu  besichtigen,  treten  wir  durch 
die  Porta  Pia  in  die  Strasse  gleichen  Namens  und  gelangen,  von  da  zur  Linken  in  die 
Via  del  Maccao  abbeugend,  durch  den  dritten  Eingang  links  zur  Vigna  del  Maccao, 
welche  sich  innerhalb  jener  fast  quadratischen  Ausweitung  befindet.  Der  Raum  selbst 
hat  keine  antiken  Reste  zurückgelassen,  obwohl  der  Pflug  nirgends  häufiger  als  hier  an- 
tike Münzen  zu  Tage  fördert,  doch  sieht  man  an  die  Umfangsmauer  angelehnt  noch  viele 
halbzerstörte  Kammern  von  4,4o  M.  Breite  und  Tiefe  und  4  M.  Höhe  aus  Netzfach  mit 
Spuren  von  bemaltem  Stuck.  Ueber  diesen  Kammern  lief,  wie  man  jedoch  nur  mehr  an 
den  Ansätzen  sieht,  ein  Corridor,  7,7o  M.  hoch,  dessen  einfache  Backsteinpfeiler  durch 
Bogen  sowohl  unter  sich  als  auch  mit  der  äusseren  Umfangsmauer  verbunden  waren. 
Jedem  Bogen  entsprach  eine  kleine  Nische  in  der  Aussenmauer,  in  deren  Grunde  sich 
eine  fensterarlige  Oeffnung  (jetzt  vermauert)  befand.  Ueber  der  Wölbung  des  Corridors, 
wovon  jedoch  ebenfalls  nur  stellenweise  der  Ansatz  an  der  Mauer  sichtbar  ist ,  war  eine 
dicke  Lage  von  jener  in  Kalk  gekneteten  Scherbenmasse,  welche  man  opus  Signinum 
nannte,  und  darüber  jenes  Backsteinpaviment ,  bei  welchem  die  aufgestellten  Ziegel  in 
der  Weise  der  Körner  einer  Aehre  aneinandergereiht  waren  (opus  spicatiim),^  wodurch, 
überdiess  durch  ein  grobes  Mosaik  verkleidet,  ein  dauerhaftes  Paviment  für  den  offenen 
Zinnengang  hergestellt  wurde.  An  der  Mauer  lassen  sich  noch  die  schwachen  Reste  von 
zwei  Thoren  an  der  Nord-  und  Ostseite ,  eine  der  beiden  principales  und  die  decumatia, 
erkennen,  die  aber  schon  in  antiker  Zeit  vermauert  wurden.  Sonst  ist  im  Innern  nichts 
Antikes  bemerkenswerth. 

Umgehen  wir  diese  Mauerausweitung,  an  welcher  die  Herstellungen  mit  Ein- 
schluss  der  nicht  hieher  gehörigen  Mauerstrecke  von  Porta  Nomentana  an  von  Cle- 
mens XL,  Pius  IV.,  Nicolaus  V.,  Gregor  XV.  und  Urban  VIII.  sind,  von  aussen,  so  erken- 
nen wir  auch  hier  noch  die  schwachen  Spuren  der  beiden  vermauerten  Thore,  doch  ohne 
wesentliche  architektonische  Kennzeichen.  Die  Mauer  aber,  welche  auf  der  Nordseite 
400  und  an  der  Ostseite  450  M.  misst,  unterscheidet  sich  wesentlich  von  der  übrigen 
bisher  beschriebenen  Stadtmauer.  Der  Backsteinbau  verräth  die  in  dieser  Beziehung 
beste  Zeit :  die  flachen  Ziegel  sind  in  einer  fehlerlos  horizontalen  Lage  und  denjenigen 
von  Gebäuden  der  ersten  Kaiserzeit  gleichartig;  doch  reicht  diese  schöne  Structur  nur 
wenig  über  die  mittlere  Höhe ,  der  übrige  Theil  ist  späterer  Aufbau.    Am  Anfange  der 


*  Vitruv.  de  architect.  VII.  i. 


Diis  prätorianische  Lager.  521 

nördlichen  Linie  ist  ein  Theil  ganz  von  der  späteren  Herstellung  und  mit  den  gewöhn- 
lichen Thiirmen  versehen;  sonst  sind  die  Thürme  selten  und  unregelmässig.  Die  drei 
nebeneinanderstehenden  auf  der  Nordseite  haben  unten  keilförmige  Vorsprünge,  wie  die 
■  Brückenpfeiler  auf  der  gegen  den  Strom  gewendeten  Seite.  Die  beiden  Ecken  der  Um- 
mauerung  sind  abgerundet,  eine  Eigenthümlichkeit,  die  sich  sowohl  von  Vitruv^  vorge- 
schrieben, als  auch  bei  Befestigungsbauten  zumeist  befolgt  findet.  An  dem  Südende  der 
Ostseite  endigt  die  Mauer  der  beschriebenen  Art  und  sie  erscheint  jetzt  wieder  von  spä- 
terer Anlage ,  von  verschiedenem  Material  und  in  öfters  gebrochener  Linie  von  Ost  nach 
West  laufend. 

Diese  grosse,  rechtwinkelige  Ummauerung ,  welche  erst  später  durch  Aurelian  in 
den  Befestigungsring  der  Stadt  gezogen  ward ,  wurde  fast  von  allen  Topographen  und 
mit  Recht  als  ein  Ueberrest  des  prätorianischen  Lagers  erkannt.  Dass  dieses,  welches 
auch  sonst  etwas  allgemeiner  »ausserhalb  der  Stadt «^  und  »an  die  äussersten  Häuser 
angränzend « ^  genannt  wird,  in  dieser  Gegend  lag,  erhellt  schon  aus  dem  Umstände,  dass 
Nero  auf  der  Flucht  nach  dem  Landgute  seines  Freigelassenen  Phaon,  welches  zwischen 
der  Via  Salaria  und  Nomentana  lag,  das  aufrührerische  Geschrei  der  Prätorianer  zu  Gun- 
sten Galba's  hörte;*  noch  genauer  aber  werden  die  Castra  praetoria  von  einem  Scho- 
liasten^  als  »neben  dem  Walle  und  über  die  diocletianischen  Thermen  hinausliegend« 
bezeichnet.  Ausserdem  fand  man  im  J.  1742  in  der  eingeschlossenen  Vigna  die  Bleiröhre 
einer  Wasserleitung,  auf  welcher  in  einer  Inschrift  aus  der  Zeit  des  Macrinus  die  Castra 
praetoria  genannt  werden.^ 

Was  die  Geschichte  dieses  Lagers  und  zunächst  der  prätorianischen  Cohorten  be- 
trifft, so  stammt  ihre  Einführung  schon  aus  der  Zeit  der  Republik.  Nachdem  der  Sage 
nach  bereits  in  der  ersten  Zeit  derselben  der  Diclator  Postumius  —  vermuthlich  nach 
dem  Beispiele  der  Königszeit  —  sich  eine  besondere  Cohorte  ausgelesen  hatte, '^  war 
nach  einer  bestimmteren  Erwähnung  Scipio  Africanus  der  erste ,  der  sich  als  Oberfeld- 
herr eine  Cohorte  der  Tapfersten  ausgewählt,  welche  er  immer  um  sich  haben  wollte 
und  welcher  er  höheren  Sold  gab.^  Seit  dieser  Zeit  erscheint  diese  Cohorte,  die  präto- 
rische  genannt,  gewöhnlich  bei  den  Feldherren.  Augustus  aber  machte  sie  zur  ständigen 
Miliz  und  vermehrte  sie  wahrscheinlich  bis  auf  neun  Cohorten ,  von  welchen  er  drei  zum 
Schutze  der  Stadt  {cohortes  urbanae),  wo  sie  jedoch  noch  kein  gemeinsames  Lager  erhiel- 
ten,^ und  drei  zur  Leibgarde  [cohortes  praeloriae)  bestimmte;  die  übrigen  waren  in  der 
Umgebung  stationirt.  Des  Augustus  Nachfolger  Tiberius  hielt  es  besonders  auf  des  Prä- 


M.  1.  *  Tacit.  Ann.  IV.  2.  «  Plin.  H.  N.  III.  5,  9,  67.  *  Sueton.  Ner.  48.  *  ad  luven.  Sat.  X. 
V.  94  sq.  "  Ficoroni,  Notizie.  No.  76.  (Fea,  p.  CLVI.)  ^  Liv.  II.  20.  *  Paul.  Diac.  s.  v.  Praetoria  cohors. 
'  .Sueton.  Aug.  49. 

r.  Rbbbr,   die  Ruinen  Roms.  66 


ggg  Die  aurelianische  Mauer. 

fecten  Seianus,  seines  Günstlings,  Vorstellungen  hin  für  nöthig,  diese  Truppen,  welche  er 
als  seine  Hauptstütze  betrachtete,  noch  mehr  an  sich  zu  fesseln,  und  erbaute  unter  dem 
Vorwande,  dass  in  den  zerstreuten  Quartieren  die  Mannszucht  nicht  gehörig  gehandhabt 
werden  könnte,  das  befestigte  und  standige  Lager,  welches  im  J.  23  n.  Chr.  vollendet 
ward.^  Tiberius  mag  vielleicht  dadurch  seinen  Zweck,  Sicherheit  seiner  Person  und  sei- 
nes Thrones  erreicht  haben,  doch  wie  mit  dem  bald  erwachenden  Machtbewusstsein  der 
PrStorianer,  welche  überdiess  bald  auf  10^  und  auf  16  Cohorten^  angewachsen  waren, 
diese  Zwingburg  der  Stadt  der  Heerd  der  Revolution  und  allen  dieser  Truppenkaste  miss- 
liebigen  Kaisern  verderblich  wurde ,  ist  aus  der  Kaisergeschichte  zur  Genüge  bekannt. 
Erst  Constantin  konnte  es  wagen,  nachdem  er  seinen  Gegner  Maxentius,  dem  die  Prato- 
rianer  anhingen,  an  der  milvischen  Brücke  besiegt  hatte,  diese  Cohorten  ganz  aufzulösen 
und  ihr  Lager,  soweit  nicht  dessen  Mauern  zu  der  aurelianischen  Ummauerung  benutzt 
worden  waren,  zu  zerstören.^  Da  nach  Constantin  die  Stadt  sich  auf  keinen  Fall  mehr 
ausdehnte,  so  scheint  auch  der  innere  Raum,  dessen  Zellen  zerstört  wurden ,  nicht  mehr 
zur  bewohnten  Stadt  gezogen  worden  zu  sein.  Die  Yigna  aber,  welche  seit  langer  Zeit 
den  Jesuiten  gehörte,  wird  eben  jetzt  wenigstens  zum  grossen  Theile  der  vormaligen 
Bestimmung  zurückgegeben,  nachdem  im  Juni  dieses  Jahres  der  Grundstein  zu  einer 
neuen  Kaserne  für  die  päpstlichen  Truppen  gelegt  worden  ist.^ 


118.     Die  Porta  clausa  und  die  Porta  Tiburtina  (di  S.  Lorenzo). 

Nachdem  uns  der  Umfang  des  prätorianischen  Lagers  um  mehr  als  eine  römische 
Meile  von  der  Porta  Pia  entfernt  hat ,  erreichen  wir  am  Endpunkte  der  Südseite  dieser 
eckigen  Ausweitung,  da  wo  sich  die  Mauer  wieder  fast  in  einem  rechten  Winkel  südlich 
wendet,  ein  schon  seit  langer  Zeit  vermauertes  Thor  ohne  Namen,  welches  demnach 
schlechtweg  als  Porta  chiusa  bezeichnet  wird.  Dieses  wird  nicht,  wie  die  übrigen,  von 
zwei  Thürmen  flankirt,  da  einen  solchen  Schutz  der  rechte  Winkel  der  Mauer  selbst  über- 
flüssig machte,  sondern  unterbricht  ohne  weitere  Anordnung  die  Mauer  selbst ;  der  Thor- 
bogen ist  aus  grossen,  ziemlich  schlecht  gefügten  Travertinblöcken,  und  nur  durch  sechs 
über  dem  Bogen  befindliche  jetzt  vermauerte  Bogenfenster  und  ein  ganz  schmuckloses 
Gesimse  gezeichnet :  sonst  zeigt  sich  keinerlei  Zierde. 

In  der  Benennung  dieses  Thores  sind  dem  Fabretti^  Piale,  Niebuhr  und  Bunsen 
gefolgt,  welche  es  alle  als  die  Porta  Tiburtina  bezeichnen,  während  Nibby^  und  Becker'' 


'  Dio  Cass.  LV.  24.         »  Tacit.  Hist.  II.  93.         »  .\iirel.  Vict.  de  Caess.  44.     Zosimus.  II.  M.         *  Augsb. 
AHgem.  Zeitg.  10.  Juni  1862.  No.  HO.  S.  2828.  *  de  aq.  et  aquaeduct.  §  248  sq.   (Graev.  Th.  A.  R.  tom.  IV. 

I».  1753.)        «  Mura  di  Roma.  p.  339  sq.         '  H.  d.  r.  A.  I.  S.  201  fg. 


Die  Porta  clausa  und  die  Porta  Tiburfina  (di  S.  Lorenzo),  523 

zur  vorher  allgemeinen  Annahme  zurückkehrend  in  dem  Thore  von  S.  Lorenzo  die  Tibur- 
tina  erkennen.  Ich  sehe  keinen  Grund,  der  mich  zum  Anschluss  an  die  ersteren  bestim- 
men sollte.  Denn  die  Via  Tiburtina  ging  von  der  servischen  Porta  Esquilina  aus,^  lief 
also  auf  keinen  Fall  in  so  nordöstlicher  Richtung,  denn  sonst  wäre  sie  viel  passender  von 
dem  viminalischen  Thore  in  der  Mitte  des  Walles  ^  ausgegangen.  Wenn  aber  im  Allge- 
meinen angenommen  w^erden  darf,  dass  die  aurelianischen  Thore  (allerdings  oft  verdop- 
pelt ,  wenn  die  Strassen  ausserhalb  der  servischen  Thore  auseinanderzweigten)  den  ser- 
vischen entsprachen,  so  muss  es  befremden,  während  wir  für  die  Collina  in  der  aurelia- 
nischen Mauer  zwei  Thore,  die  Salaria  und  Nomentana,  und  für  die  Esquilina  ebensoviele, 
die  Tiburtina  und  Pränestina  (Labicana)  haben,  die  zwischen  der  Collina  und  der  Esqui- 
lina liegende  Viminalis  in  der  aurelianischen  Mauer  nicht  berücksichtigt  zu  finden ,  umso- 
mehr  als  das  Bedürfniss  eines  Thores  in  der  fast  zwei  Miglien  langen  Strecke  zwischen 
Porta  Nomentana  und  P.  S.  Lorenzo  ursprünglich  fühlbar  gewesen  sein  musste.  Was 
aber  den  Namen  des  Thores  betrifft,  welches  der  Anonymus  von  Einsiedeln  ganz  uner- 
wähnt lässt,  weil  es  ohne  Zweifel  schon  zu  seiner  Zeit,  wie  jetzt,  vermauert  war,  so  lässt 
sich  kein  andei^er  als  eben  der  des  alten  servischen  Thores,  welchem  es  entsprach,  nem- 
lich  Porta  Viminalis  vermuthen.  Da  aber  keine  Hauptstrasse ,  sondern  nur  Verbindungs- 
wege, nach  der  Richtung  zu  schliessen  zunächst  mit  der  Tiburtina,  durch  dasselbe  führten, 
so  erschien  es  aus  demselben  Grunde  wie  die  Pinciana  frühzeitig  entbehrlich,  und  wurde 
desshalb  vermauert,  was  möglicherweise  schon  zu  Belisars  Zeil  geschehen  sein  kann, 
wonach  es  allerdings  nicht  zu  den  1  4  Thoren  des  Procop  zu  rechnen  wäre. 

Von  Porta  chiusa  an  beginnt  wieder  der  regelmässige  Gang  der  Ummauerung  in 
mehr  ursprünglicher  und  erhaltener  Gestalt ,  als  an  der  Nordseite  mit  den  rechteckigen 
Thürmen  in  regelmässigen  Zwischenräumen ,  ohne  bis  zum  nächsten  Thore,  ausser  einem 
unter  Julius  IL  hergestellten  Mauertheil,  etwas  Besonderes  darzubieten.  Das  nächste  von 
der  1  Mgl.  ausserhalb  liegenden  höchst  interessanten  Basilica  Porta  S.  Lorenzo  genannte 
Thor  aber,  etwa  eine  halbe  Miglie  von  Porta  chiusa  entfernt,  ist  in  Bezug  auf  den 
Thorbogen  dem  ebenbeschriebenen  sehr  ähnlich.  Es  besteht  aus  Travertinquadern  und 
zeigt  fünf  gewölbte  Fenster  über  dem  Bogen.  In  einiger  Höhe  darüber  läuft  ein  schwacher 
Carnies  und  über  diesem  befindet  sich  die  Inschrift  der  unter  der  Regierung  des  Hono- 
rius  und  Arcadius  ausgeführten  Erbauung  dieses  wie  der  übrigen  Thore  und  Mauern. 
Sie  ist  gleichlautend  mit  der,  welche  man  noch  bei  Porta  Maggiore  sieht,  und  welche 
dort  nach  Abtragung  des  honorischen  Thores  in  der  Nähe  wieder  aufgestellt  und  ge- 
reinigt wurde,  so  dass  man  sie  dort  sicherer  und  bequemer  lesen  kann,  wesshalb  ich  sie 
auch  nach  einer  dort  genommenen  Abschrift  mittheile : 


•  Liv.  IX.  30.     Ovid.  Fast.  VI.  v.  677.         *  Strab.  V.  3,  7.  p.  23^. 

66' 


524  -  ÜIjNM»  Die  aurelianische  Mauer.  '■J'*"» 


(1)     S       P       Q   .    R 
2)     IMP  CAESS  DD    NN     INVICTiSSIMIS    PRINCIPIB    ARCADIO    ET    HONORIO 

vicToRib  ac  TrivmFaTorib  semp  avgg  (3)    OB  insTavraTos   VRBI 

aeTernae  mvrosporTas  ac  Tvrres  egesTis  IMMENSIS  rvderibvs  ex 

SVGGESTlONE  VC  (4)  ET  INLVSTRIS  COM  ET  MAG  vTrIVSQVE  MILiTIAE 
STiLICHONIS    AD   PERPETviTaTEM    NOMINIS    EORVM  (5)     SIMVLACRA 

CONSTiTviT  (6)  CVRANTe  FL  MACROBIO  LONGINIANO  VC  PRAEF  VRB 
D  N  M  Q  EORVM 

Wo  die  in  dieser  Inschrift  erwähnten  Kaiserstatuen  standen,  ist  nach  der  Beschaffenheit 
des  Baues  nicht  nachzuweisen ,  am  wahrscheinHchsten  befanden  sie  sich  im  Thorwege 
oder  an  den  beiden  vierkantigen  Thürmen,  welche  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  aus  späterer  Zeit 
zu  stammen  und  sehr  alterirt  zu  sein  scheinen.  Nicht  mit  Unrecht  aber  setzt  Corsini^  die 
Präfectur  des  Macrobius  Longinianus  mit  Bezug  auf  die  schon  erwähnten  Verse  des  Clau- 
dianus  ^  in  das  Jahr  403  n.  Chr. 

Dass  in  diesem  Thore  kein  anderes  als  die  Tiburtina  zu  suchen  sei ,  ergibt  sich 
sowohl  aus  dem  Umstände ,  dass  die  Yia  Tiburtina ,  wie  oben  belegt  wurde ,  von  der 
Porta  Esquilina  ausging ,  als  auch,  dass  schon  im  9. — 12.  Jahrhundert  entschieden  die 
Porta  S.  Lorenzo  als  Tiburtina  bezeichnet^  wird,  wie  denn  auch  heutzutage  noch  die 
Strasse  nach  Tivoli  von  diesem  Thore  ausgeht.  Das  letztere  hätte  zwar  im  Zusammenhalt 
mit  der  Via  Appia  nova  wenig  Beweiskraft,  wenn  sich  die  Sache  nicht  schon  in  der  Zeit 
jenes  Mönches,  dessen  Büchelchen  als  Anonymus  von  Einsiedeln  schon  so  oft  erwähnt 
wurde,  ebenso  verhalten  hätte.  Als  eines  der  vornehmsten  Thore  erweist  sich  diess  auch 
durch  die  angeführte  Inschrift,  welche  an  den  Thoren  minderer  Bedeutung  fehlt. 


119.     Strassenbogen  der  Aqua  Marcia,  Tepula  und  Julia. 

Tritt  man  durch  das  eben  besprochene  Thor  ein,  so  findet  man  es  mit  zwei  an- 
deren Bogen  verbunden,  von  welchen  der  innerste,  grösstentheils  von  Travertin  und  mit 
einem  etwas  gedrückten  Bogen,  von  derselben  Zeit  zu  sein  scheint,  wie  der  äussere. 
Der  mittlere  jedoch,  zwar  ebenfalls  von  Travertin ,  ist  in  seiner  Construction  und  Arbeit 
ganz  und  gar  von  diesen  verschieden  und  weist  nach  der  Fügung  der  Quadern  auf  die 
beste  Bauperiode  Roms.  Die  Bogenweite  beträgt  5,38  Met.,  die  ursprüngliche  Höhe  an 
5,60 ;  doch  jetzt  ist  das  Denkmal  fast  bis  an  den  unter  dem  Bogenansatz  laufenden  ein- 


*  Series  Praef.  Urb.  Pis.  1766.  p.  314.  *  S.  514.  Anm.  8.  *  Anonym.  Einsiedl.  an  mehren  Stellen. 

De  Mirabilibiis  U.  R.  (Montfaucon,  Diar.  Ital.  p.  283.) 


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Strassenbogen  der  Aqua  Marcia,  Tepula  und  Iiilia.  325 

'  fachen  Carnies  verschüttet,  ein  Beweis,  wie  sehr  sich  die  Oberfläche  der  Stadt  an  man- 

chen Stellen  in  den  ersten  fünf  Jahrhunderten  unserer  Zeitrechnung  erhöht  haben  musste ; 
denn  die  Thorbogen  der  Porta  Tiburtina  selbst  erheben  sich  schon  auf  dem  Schutte.  Im 
BogenschUissel  lässt  sich  ein  sehr  verstümmelter  Stierkopf  in  Relief  erkennen,  welcher 
auch  dem  Denkmale  und  Thore  den  schon  in  den  Mirabilien  (1 2.  Jahrh.)  erscheinenden 
Namen  Taurina  gab;  zu  beiden  Seiten  befinden  sich  dorische  Pilaster,  ursprünglich  ^ 
0,60  M.  hoch,  jetzt  aber  grossentheils  unter  dem  modernen  Boden,  die  ein  l,7o  M.  hohes 
Gebälke  tragen,  von  welchem  Architrav  und  Fries  spater  in  eine  Fläche  gemeisselt  wur- 
den, um  eine  Restaurationsinschrift  aufzunehmen.  Ueber  dem  Gebälke  erhob  sich  ur- 
sprünglich ein  Giebel ,  von  welchem  man  jetzt  nur  mehr  die  Form  in  der  Lage  der  Qua- 
dern sieht,  da  er  ebenfalls  beseitigt  und  in   eine  2,43  Met.  hohe  Attika    umgewandelt 

I  wurde,  um  einer  zweiten  Herstellungsinschrift  Platz  zu  machen.    Darüber  erhebt  sich 

eine  zweite  (die  eigentliche)  Attika,  welche  die  ursprüngliche  Inschrift  zu  tragen  bestimmt 
war.  Diese  lautet : 

IMP  •  CAESAR     DivI     IVU     AVGVSTVS 

PONTIFEX     MAXIMVS     COS     XI I 

TRIBVNIC     POTEST     XIX     IMP     Xllll 

RIVOS  •  AQVARVM     OMNIVM     REFECIT 

Die  Restaurationsinschrift  unten  an  der  Stelle  des  Gebälkes : 

IMP  .  TITVS  ■  CAESAR  •  DIVI     F  •  VESPASIANVS     AVG     PONTIF     MAX 

TRIBVNICIAE  •  POTEST  •  IX     IMP     XV  •  CENS     COS  •  VTl     DESIG    VMl 

RIVOM  .  AQVAE  •  MARCIAE  •  VETVSTATE     DILAPSVM  •  REFECIT 

ET  .  AQVAM  •  QVAE  •  IN     VSV     ESSE  •  DESIERAT     REDVXIT 

Die  zweite  Herstellungsinschrift  an  der  Stelle  des  Giebels: 

IMPCAESMAVRELIVSANTONINVSPIVS  FELIX  AVG  PARTH   MAXIM 

BRIT  MAXIMVS   PONTIFEX    MAXIMVS 

AQVAM  MARCIAM. V ARMS  KASIBVS  IMPEDITAM  PVRGATO  FÖNTE  EXCIS  ET. PERFORATIS 

MONTIBVS    RESTITVT  A   FORMA  ADQVISITO   ETI  AM  FÖNTE   NOVO  ANTON  I N  lANO 

IN  .  SACRAM     VRBEM  •  SVAM     PERDVCENDAM     CVRAVIT 

Die  drei  Inschriften  beziehen  sich  auf  die  Herstellung  der  Wasserleitungen  und  zwar 
die  erste  im  Allgemeinen  auf  die  unter  Augustus  bereits  vorhandenen  Aquäducte,  die 
anderen  auf  spätere  Erneuerungen  der  Aqua  Marcia.  Dass  unser  Denkmal  selbst  zu 
einem  Aquäduct  gehörte,  zeigen  die  Ansätze  zu  beiden  Seiten,  auf  welchen  man  drei 
Kanäle  übereinander  wahrnimmt,  von  welchen  der  untere  den  inneren  Raum  des  Gebäl- 
kes ,  der  mittlere  den  des  Giebels  und  der  obere  den  der  eigentlichen  Attika  einnimmt. 
Was  die  Namen  dieser  drei  Leitungen  betrifft,  so  geht  aus  den  beiden  Herstellungsin- 


526 


Die  aiirelianisghe  Mauer. 


Schriften  von  Titus  und  Caracalla  hervor,  dass  eine  von  diesen  die  Marcia  war;  Fronti- 
nus  ^  aber  berichtet,  dass  die  Marcia,  Tepula  und  lulia ,  soweit  sie  über  der  Erde  geführt 

waren,  auf  gemeinsamen  Bogen  zur  Stadt  kamen,  und  zwar  die 
Marcia  als  die  älteste  unten ,  über  ihr  die  Tepula  und  als  die 
höchste  die  lulia.  Nach  dieser  Angabe  haben  wir  in  unserem 
Denkmale  den  Strassenübergang  dieser  drei  Leitungen  über  die 
Via  Tiburtina  unzweifelhaft  vor  uns. 

Die  Aqua  Marcia  war  die  drittangelegte  Leitung  der  Stadt 
und  von  dem  Prator  Q.  Marcius  Rex ,  welcher  zugleich  die  bei- 
den schon  vorhandenen ,  Appia  und  Anio  vetus ,  herstellte ,  im 
J.  608  d.  St.  (162  V.  Chr.)  erbaut.  Die  Quellen  derselben  wur- 
den 3  Mgl.  zur  Rechten  des  36.  Meilensteines  der  Via  Valeria 
(Strada  di  Arsoli)  gefasst,  wo  man  sie  noch  reichlich  fliessen 
sieht.  Die  Leitung  mass  mit  den  Umwegen  6OV3  röm.  Meilen, ^ 
grösstentheils  unterirdisch  bis  7  Meilen  vor  Rom ,  von  wo  sie 
V2  Meile  auf  Substructionnen,  im  Uebrigen  auf  Bogen  geführt, 
etwas  nördlich  von  Porta  Maggiore  an  die  Stadt  kömmt ,  und 
der  späteren  aurelianischen  Mauer  einverleibt,  sich  nördlich 
wendete ,  an  der  Stelle  des  beschriebenen  Bogens  die  Via  Ti- 
burtina überschritt  und  sich  dann  oberhalb  der  Porta  S.  Lorenzo 
westlich  gegen  das  Innere  der  Stadt  richtete.  Die  Marcia  galt 
als  besonders  reiner,  frischer  und  gesunder  Brunnen,  ein,  wie 
Plinius  sich  ausdrückt,  wahrhaft  »göttliches«  Geschenk  für  die  Stadt. ^  —  Die  Tepula 
ward  im  J.  627  von  den  Censoren  Cn.  Servilius  Cäpio  und  L.  Cassius  Longinus  zwei 
Mgl.  rechts  vom  10.  Meilensteine  der  Via  Latina  gefasst  und  über  der  Leitung  der  Mar- 
cia in  die  Stadt  geführt.  Doch  scheint  sie  ohne  Bedeutung  gewesen  zu  sein,  bis  sie 
Agrippa  im  J.  719  d.  St.  mit  einem  neuen,  2  Mgl.  rechts  vom  12.  Meilensteine  derselben 
Strasse  gefundenen  Quell,  der  Aqua  Tulia,  in  einem  gemeinsamen  Behälter  [caslellum]  am 
7.  Milliarium  der  Via  Latina  vereinigte  und  vermehrte.  Doch  von  da  theilte  er  sie  wieder 
ab  und  leitete  die  lulia  über  der  Tepula,  beide  natürhch  von  hier  an  gemischt  und  von 
gleicher  Qualität.  Die  drei  Leitungen  scheinen  den  gemeinsamen  Namen  Aqua  Marcia 
geführt  zu  haben,  wie  aus  den  Restaurationsinschriften  erhellt,  welche  nur  die  Marcia 
erwähnen,  die  als  die  unterste  bei  den  meisten  Beschädigungen  auch  die  beiden  über  ihr 
laufenden  Kanäle  in  den  Schaden  hineinziehen  musste.  Bei  der  ersten  durch  Augustus 
veranstalteten  Restauration  dieser  Leitung,  .bei  welcher  Gelegenheit  auch  die  übrigen 


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(il.     Üiiiciist;iiiiiii   oe>  Slrassenbo 
^ens  der  Aqua  Marcia. 


'  Frontin.  de  aquaed.  I.  7. 


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Plin.  H.  N.  XXXI.  3,  24,  41. 


Strassenbogon  der  Aqua  Marcia,   Tepula  und  lulia.  527 

bisher  bestehenden  gereinigt  wurden,  nach  der  erstangeführten  Inschrift  im  J.  d.  St.  749 
(5  V.  Chr.),  ward  die  Marcia  durch  einen  reiclien,  ungefähr  eine  röm.  Meile  ferner  hegen- 
den Quell  (Aqua  Augusta)  <  vermehrt,  und  von  dieser  Herstellung  scheint  auch  der  Ueber- 
gangsbogen  an  der  Porta  di  S.  Lorenzo  zu  stammen.  Die  Inschrift  des  Titus  v.  J.  832 
(79  n.  Chr.)  berichtet  eine  umfassende  Ausbesserung  der  ganz  in  Verfall  gerathenen  Lei- 
tung; die  dritte  von  Antoninus  Caracalla  bezeugt  die  Reinigung  der  verstopften  Kanäle 
wie  auch  die  Vermehrung  der  Marcia  durch  einen  neuen  Quell  (Aqua  Antoniniana),  welche 
Vermehrung  jedoch  nur  bis  1 V2  Mgl.  von  Rom  dauerte,  wo  ein  Zweig  dieser  Leitung  und 
zwar  ohne  Zweifel  mit  dem  grössten  Theile  des  Wassers  nach  den  antoninischen  Ther- 
men abbeugte.  Die  drei  Leitungen  versorgten  unter  Nerva  zehn  (Frontin.  1.  c),  unter 
Traian  sogar  zwölf  Regionen  mit  ihrem  vortrefflichen  Wasser:  doch  blieb  ihre  Ergiebig- 
keit nicht  immer  dieselbe.  Nachdem  schon  Antonin  einen  grossen  Theil  nach  seinen  Ther- 
men abgeleitet,  führte  Diocletian  fast  den  ganzen  Rest  nach  seinen  Bädern ,  woher  auch 
wenigstens  ein  Theil  der  Leitung  nach  dem  Beinamen  des  Kaisers  den  Namen  lovia 
(lopia  oder  lobia)  erhielt.^  Als  Vitiges  im  J.  537  die  Leitungen  ausserhalb  der  Stadt  ab- 
schnitt, ^  traf  diess  Schicksal  auch  diese  und  die  beiden  oberen  Leitungen  werden  nach- 
her nicht  mehr  erwähnt.  Die  Marcia  (lobia)  aber  erscheint  noch  im  achten  Jahrhundert 
als  eine  der  reichhaltigsten,  wahrscheinlich  von  Narses  nach  der  Zerstörung  durch  die 
Gothen  wiederhergestellt,  denn  nach  nur  zwanzigjähriger  Unterbrechung  brachte  sie 
P.  Hadrian  I.  wieder  in  Gang.*  Doch  nach  dem  wiederholten  Verfall  etwa  im  9.  Jahr- 
hundert unternahm  man  die  Herstellung  nicht  wieder.  Jetzt  ergiesst  sich  das  Wasser  der 
Marcia  bei  den  Mühlen  von  Arsoli  in  den  Anio,  wie  das  der  Tepula  und  lulia  in  den  Bach 
von  Grotta  Ferrata  (Marrana). 

Setzen  wir  nun  unseren  Weg  ausserhalb  der  Mauer  fort ,  an  welcher  die  recht- 
eckigen Thürme  in  der  obenbeschriebenen  Weise  wiederkehren ,  so  sehen  wir  ungefähr 
in  der  Mitte  des  Weges  die  Spuren  einer  wohl  frühzeitig  wieder  vermauerten  Neben- 
pforte, ohne  allen  Schutz  von  Thürmen  und  ohne  Vorsprung  in  der  gerade  fortlaufenden 
Mauer  angebracht ;  man  erkennt  noch  den  Backsteinbogen  mit  den  Imposten  von  Traver- 
tin.  Im  Innern  der  Mauer  laufen  die  Kanäle  der  ebenbeschriebenen  dreifachen  Leitung,  an 
welche  sich  eine  kurze  Strecke  weit  noch  vier  andere,  auf  welche  ich  sogleich  zurückkom- 
men werde,  anschlössen,  lieber  eine  halbe  Miglie  von  Porta  S.  Lorenzo  unmittelbar  vor 
dem  südlich  nächsten  Thore  gelangen  wir  zu  der  Stelle,  wo  die  Leitung  der  Marcia,  Te- 
pula und  lulia  mit  der  aurelianischen  Mauer  sich  verband ,  wovon  man  noch  die  ver- 
mauerten Kanalmündungen  der  hier  unterbrochenen  Leitung  sieht.  In  der  nächsten  Um- 
gebung ausserhalb  der  Mauern  sind  von  den  Bogen  des  Aquäducts  keine  Reste  vorhan- 

*  Frontin.  de  aquaed.  I.  12,  5.         *  Anonym.  Einsiedl.  (Arch.  f.  Philol.  Suppl.-Bd.  V.  S.  129.)       *  Procop. 
de  Bell.  Goth    I.  15.         *  Anastas.  Bibl.  vit.  Pontif.   (Par.  1649.)  Vit.  Hadr.  I.  p.  113. 


528  J^'ö  aurelianisclio  Mauer. 

den,  ebensowenig,  wie  innerhalb  der  Mauer  von  der  Stelle  an,  wo  sie  sich  von  der  Stadt- 
mauer entfernen.  Neben  diesem  Aquäducte  führten  auch  die  beiden  ersten  Leitungen 
in  die  Stadt,  die  Appia  (vom  J.  442  d.  St.)  und  der  Anio  vetus  (481  d.  St.).  Es  ist  höchst 
wahrscheinlich,  dass  zu  der  ersteren  jener  merkwürdige  unterirdische  Kanal  gehört, 
welcher  bei  den  Grundbauten  für  die  Bahnlinie  nach  Villa  Negroni  in  der  ersten  zwischen 
den  beiden  von  Porta  Maggiore  ausgehenden  Strassen  befindlichen  Yigna  im  J.  1 860 
aufgedeckt  wurde.  Dieser  Kanal  zeigt  namentlich  jene  primitive  dreieckige  Decke,  w^elche 
aus  je  zwei  auf  eine  Kante  gestellten  und  oben  giebelförmig  sich  gegeneinanderlehnen- 
den  Steinblöcken  gebildet  ist. 


120.   Die  Porta  Praenestina  (Labicana)  oder  der  Strassenübergang  der  Aqua 
Claudia  und  Anio  Nova  (Porta  Maggiore). 

Unmittelbar  neben  der  Einmündung  der  beschriebenen  Leitungen  in  die  aureha- 
nische  Mauer  erhebt  sich  ein  zweites  noch  weit  grossartigeres  doppeltthoriges  Strassen- 
tibergangsdenkmal  von  zwei  anderen  Wasserleitungen,  welches  ebenfalls  wie  das  der 
Marcia  an  der  Porta  S.  Lorenzo  zum  Thore  benutzt  ward,  während  die  übrige  Leitung 
eine  Strecke  weit  den  Gang  der  angebauten  Stadtmauer  bedingte.  Die  unter  Honorius 
erbaute  äussere  Hälfte  des  der  Porta  S.  Lorenzo  ähnlichen  Thores  mit  derselben  Inschrift 
über  dem  einen  (geschlossenen)  Thorbogen  ward  zugleich  mit  allen  anderen  entstellen- 
den Anbauten  innen  und  aussen  im  J.  1840 — 41  durch  P.  Gregor  XVL  abgetragen,  wie 
die  Inschrift  auf  der  Durchfahrt  zeigt.  Der  obere  Theil  desselben  Thorbogens  aber  sammt 
seinen  Fenstern  und  Zinnen  wurde  ausserhalb  zur  Linken  für  den  gegen  die  Stadt  ge- 
wendeten wieder  aufgestellt  und  lässt  die  oben  bei  der  Porta  Tiburtina  mitgetheilte 
nachlässig  und  ungleich,  ja  selbst  nicht  einmal  geradlinig  geschriebene  Inschrift  des  Ar- 
cadius  und  Honorius  deutlich  und  ganz  in  der  Nähe  lesen. 

Das  nun  ganz  freistehende  Aquäductdenkmal  selbst,  ganz  aus  Travertin  gebaut, 
dessen  Quadern  mit  Ausnahme  der  Inschriftflächen  rustik  (abgekantet  mit  rauhgelassener 
Aussenseite)  behauen  sind,  besteht  aus  zwei  nebeneinanderstehenden  Bogen,  welche  eine 
Weite  von  6,35,  eine  ursprüngliche  Höhe  von  1 4,  und  an  den  Basamenten  eine  Tiefe  von 
6,20  M.  haben.  In  der  Mitte  zwischen  den  beiden  Thoren  ist  ein  kleinerer,  5, 10  M.  hoher, 
1,80  M.  breiter  Durchgang,  der  jedoch  jetzt  zwar  blossgelegt ,  aber  grösstentheils  unter 
dem  modernen  Niveau  ist.  Darüber  befindet  sich  ein  jetzt  vermauertes  Bogenfenster  von 
derselben  Grösse,  ebenso  wie  an  den  beiden  äusseren  Pfeilern  des  Denkmals,  welche  mit 
Aediculen  geschmückt  sind,  die  auf  einem  etwas  vorspringenden  Basament  stehen  und 
sich  an  den  Bau  selbst  anlehnen.  Die  korinthischen  Halbsäulen  derselben  haben  einen 


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Die  Porta  Praeiiestina  oder  der  Strassenübergang  der  Aqua  Claudia  und  Anio  Nova.  529 

Würfel  unter  dem  hohen  Phnth  und  sind,  was  die  Renaissance  mit  Vorliebe  nachgeahmt 
hat,  in  den  einzelnen  Säulentrommeln  ebenfalls  rustik  behandelt ,  was ,  obwohl  an  sich 
hässlich,  mit  den  rohbehauenen  Blöcken  des  Uebrigen  wohl  im  Einklänge  steht,  und  nicht 
verfehlt,  die  cyklopisch-massige  Wirkung  des  grossartigen  Denkmales,  die  durch  zierliche 
Säulen  beeinträchtigt  worden  wäre,  zu  erhöhen.  Diese  Säulen  tragen  ein  regelmässiges, 
einfach  und  schön  gearbeitetes  Gebälke,  das  mit  einem  Giebel  geschmückt  ist,  der  jedoch 
an  den  beiden  Seitenädiculen  innen  zerstört  ist.  Die  mittlere  dieser  Aediculen  ist  etwas 
weiter,  als  die  beiden  äusseren,  und  ihr  Giebel ,  welcher  desshalb  auch  verhältnissmässig 
höher  ist,  ragt  fast  bis  zum  Leisten  der  unteren  Attika.  Drei  Attiken  übereinander  tragen 
die  Inschriften,  welche  die  ganze  Fläche  derselben  einnehmen.  Von  diesen  ist  die  erste 
2,75  M.  hoch  und  enthält  keinen  Kanal,  während  die  zweite  und  dritte,  welche  2,30  und 
4  M.  in  der  Höhe  messen,  die  Wände  zu  zwei  Kanälen  bilden.  Das  ganze  Denkmal 
hat  eine  Breite  von  32V2  M.  und  eine  Höhe  von  24, eo.  Die  drei  Inschriften,  welche, 
wie  die  gesammte  architektonische  Ausschmückung,  an  beiden  Seiten  gleich  sind, 
lauten : 


n  TI.CLAVDIVSDRVSIFCAISARAVGVSTVSGERMANICVSPONTIF  MAXIM 


(2)  TRIBVNICIAPOTESTATE.XII.COS  V  IMPERATOR  XXVII  PATER  PATRIAE 

(3)  AQVAS .  CLAVDI AM  EX  FONTIBVS  QVI  VOCABANTVR  C  AERVLEVS  ET 
CVRTIVS  AMILLIARIO  XXXXV  (4)  ITEM  ANIENEM  NOVAMA  MILLIARIO- 
LXI I  •  SVA  •  INPENSA    IN  VRBEM    PERDVCENDAS    CVRAVIT 

1)  IMP  CAESAR  VESPASIANVSAVGVSTPONTIF.  MAX  TRIBPOT.  IIIMP  VI- 
COS  III  DESIG  IM  P  P  (2)  AQVASCVRTIAM  ET  CAERVLEAM•PERDVCTAS• 
A  DIVO  CLAVDIO  ET  POSTEA  .  INTERMISSAS  DILAPSASQVE  (3)  PER- 
ANNOS   NOVEM  •  SVA  •  IMPENSAVRBI    RESTITVIT 

( I  IMPTCAESAR  DI  VI  •  FVESPASIANVS  AVGVSTVS  •  PONTIFEX  MAXIMVS 
TRIBVNIC  (2)  POTESTATE  X  •  IMPERATOR  XVI I  PATER  PATRIAE  CENSOR 
COS  VIII  (3)    AQVAS    CVRTI AM    ET  CAERVLEAM    PERDVCTAS   A   DIVO 

CLAVDIO     ET-  POSTEA  (i)     A     DIVO    VESPASIANO   PATRE   SVO   VRBI 

RESTITVTAS     CVM     A     CAPITE     AQVARVM     A  (5)     SOLO  VETVSTATE 

DILAPSAE    ESSENT-  NOVA  •  FORMA   REDVCENDAS   SVA  •  IMPENSA  CVRAVIT 

Diese  Inschriften  nennen  die  Aqua  Claudia  und  Anio  nova,  wie  sie  hier  genannt 
wird,  oder  Anio  novus  nach  Frontin  als  die  Wasser  dieses  Aquäductes.  Die  erste  berich- 
tet den  durch  Claudius  ausgeführten  Bau  der  beiden  Leitungen,  von  welchen  die  eine 
(Claudia)  aus  zwei  Quellen,  Cäriileus  und  Curtius,  in  der  Nähe  des  35.  Meilensteines  der 
Via  Sublacensis  gefasst  wurde  und  später  noch  den  Zuwachs  des  Albudinus  erhielt,  und 
die    andere,    Anio    nova,  welche  über  der  Claudia  geführt,    am    62.  Milliarium    der- 

r.  Reder,  die  Ruinen  Roms.  67 


530  l-*'^  aurelicinische  Mauer. 

selben  Strasse  vom  Anio  weggeleitet  und  beim  38.  Meilensteine,  unweit  des  Beginnes 
der  Claudia,  mit  dem  Rivus  Herculaneus  verbunden  ward.^  Die  Entfernungsangaben  auf 
diesem  Denkmale  differiren  mit  denen  des  Frontin,  wo  indess  leichter  ein  Versehen  an- 
genommen werden  kann,  als  bei  den  monumentalen  Angaben. 

Schon  Caligula  hatte  den  Bau  dieses  Aquäductes  im  J.  791  d.  St.  (38  n.  Chr.) 
begonnen,  doch  erst  1  4  Jahre  darauf  brachte  ihn  Claudius  zur  Vollendung. ^  Diese  Dop- 
pelleitung, welche  ganz  nahe  südlich  von  dem  Denkmale  zur  Stadt  kam ,  dann  über  das- 
selbe nordwärts  in  der  Richtung  der  nachmaligen  Stadtmauer  geführt  ward  und  zwischen 
Porta  Maggiore  und  Porta  S.  Lorenzo  nach  der  Stadt  abzweigte,  um  dieser  durch  die 
Claudia  das  reichlichste  und  nach  der  Marcia  beste  Wasser  zu  liefern ,  war  die  grossar- 
tigste und  längste  von  allen,  und  hatte  die  höchsten  Bogen ,  welche  ursprünglich  ganz 
aus  Travertinquadern  bestanden.  Den  Herstellungen  durch  Vespasian  und  Titus,  deren 
Gedächtniss  die  beiden  anderen  Inschriften  auf  dem  Strassendenkmal  bewahren,  werden 
einige  Strecken  in  schöner  Backsleinarbeit  zugeschrieben ,  welche  man  noch  ausserhalb 
der  Stadt  sieht.  Später  unternahm  auch  Traian  bedeutende  Herstellungsarbeiten:  von 
ihm  berichtet  namentlich  rrontin,^  dass  er  die  Anio  nova,  welche  trübe  ward,  noch  um 
etwas  (6  Mgl.)  verlängerte  und  aus  dem  See  oberhalb  der  Villa  Neroniana  Sublacensis 
oder  nach  moderner  Topographie  unterhalb  dem  Kloster  di  S.  Scolastica  von  Subiaco 
speiste.  Im  Jahre  537  ward  die  Leitung  von  den  Gothen  abgeschnitten,  aber  bald  wie- 
der hergestellt,  und  nachdem  sie  unter  P.  Hadrian  l.  wieder  fast  versiegt  war,  von  diesem 
abermals,  doch  kaum  für  lange  Dauer,  erneuert.*  Jetzt  sind  von  dieser  Leitung  an  der 
Via  Latina  noch  grosse  Strecken  in  Ruinen  zu  sehen,  die  einen  ebenso  imposanten  als 
malerischen  Anblick  bieten. 

Wie  schon  erwähnt,  benutzte  Aurelian  —  und  als  Wiederhersteller  Honorius  — 
die  Leitung  für  seine  Mauer  und  das  Strassendenkmal  zum  Thore.  Ueber  den  Namen 
dieses  finden  sich  die  verschiedensten  Ansichten,  von  welchen  jedoch  nur  die,  welche 
einige  Grundlage  haben ,  in  Betracht  gezogen  werden  können.  Vor  Allem  muss  dabei, 
wie  Nibby  ^  richtig  bemerkt,  wie  aber  die  deutschen  Topographen ,  namentlich  Niebuhr  ^ 
und  Becker,"^  nicht  zu  berücksichtigen  scheinen,  festgehalten  werden,  dass  der  Doppel- 
bogen des  Wasserleitungsdenkmals  in  Verbindung  mit  der  Trapezoidgestalt  des  Grabmals 
des  Eurysaces  unmittelbar  ausserhalb  die  Annahme  von  zwei  eine  geringe  Strecke  inner- 
halb auseinanderzweigenden  Strassen  unbedingt  erfordern.  Da  aber  Niemand  den  Ein- 
wurf machen  wird,  dass  die  eine  dieser  Strassen  vielleicht  irgend  ein  bedeutungsloser 
Feldweg  oder  Steig  gewesen  sei,  über  welchen  Claudius  einen  über  6  Meter  weiten  und 


'  Frontin.  I.  14.  15.  *  Sueton.  Calig.  21.  Claud.  20.  Frontin.  13.  Script.  H.  A.  (Lamprid.)  Alex.  Sev. 
30.  ^  II.  93.  *  Anastas.  Bibl.  vit.  Pontif.  Par.  1649.  p.  113.  =  Le  Mura  di  Roma.  p.  349.  ^  Beschreib, 
d.  St.  R.  I.  S.  657.  III.  S.  570  fg.         '  H.  d.  r.  A.  I.  S.  201  fg. 


Die  Porta  Praeneslina  oder  der  Strassenübergang  der  Aqua  Claudia  und  Anio  Nova,  531 

14  hohen  Bogen  mit  sumptuoser  Ausschmückung,  wie  über  die  Hauptstrasse  gebaut 
habe,  so  können  wir  eben  nur  an  die  Hauptstrassen  denken,  welche  in  dieser  Richtung 
ausgingen.  Von  der  servischen  Porta  Esquihna  aber  Hefen  drei  Strassen  aus,  von  wel- 
chen die  eine,  die  Tiburtina,  die  ohne  Zweifel  links  von  den  sog.  Trofei  di  Mario  abzwei- 
gend sich  gegen  die  Porta  S.  Lorenzo  wandte,  hier  nicht  in  Betracht  gezogen  werden 
kann,  wonach  keine  andere  Wahl  bleibt ,  als  die  Praenestina  und  die  Labicana  hier  zu 
suchen. 

Dieser  Annahme  aber  scheint,  wenigstens  nach  der  Niebuhr-Becker'schen  Inter- 
pretation, Strabo '  zu  widersprechen,  welcher  berichtet,  dass  die  labicanische  Strasse  mit 
der  pränestinischen  vom  esquilinischen  Thore  ausgegangen  sei,  und  dass  die  erstere  (La- 
bicana) sowohl  das  esquilinische  Feld  als  auch  die  Praenestina  zur  Linken  gelassen  habe. 
Die  beiden  genannten  Autoritäten  finden  nun  aus  dieser  Notiz  heraus,  dass  die  Trennung 
der  beiden  Strassen  unmittelbar  ausserhalb  der  Porta  Esquilina  stattgefunden  habe ,  in 
diesem  Gedanken  durch  die  Besorgniss  bestärkt,  dass  sonst  der  Campus  Esquilinus,  wel- 
cher zur  Linken  von  der  Via  Labicana  blieb,  nicht  mehr  von  der  Praenestina  durchschnit- 
ten werden  konnte,  welche  letztere  Behauptung  übrigens  in  der  Notiz  des  Strabo  auch 
nur  eine  schwache  Bestätigung  zu  finden  scheint.  Allein  abgesehen  davon  konnte  der 
Campus  nur  dann  nicht  mehr  von  der  Praenestina  durchschnitten  werden,  wenn  er  schon 
in  der  aurelianischen  Mauerlinie  seine  Begränzung  fand,  was  nicht  bloss  durch  nichts 
bezeugt  wird,  sondern  wegen  des  nur  schmalen  Striches  zwischen  dem  servischen 
Wall  und  der  noch  jetzt  bestehenden  aurelianischen  Mauer  sogar  höchst  unwahr- 
scheinlich ist. 

Es  steht  demnach  Nibby's  Annahme ,  dass ,  wie  schon  ursprünglich  die  Wasser- 
leitungsbogen  die  Durchgänge  von  zwei  Strassen,  der  Praenestina  und  der  Labicana, 
bildeten,  so  auch  das  doppelte  Thor  ursprünglich  keinen  anderen  Zweck  gehabt  haben 
könne,  kein  stichhaltiger  Grund  im  Wege.  Doch  musste  man  das  Ueberflüssige  des  einen, 
welches  die  Vertheidigung  nur  erschwerte ,  bald  einsehen ,  so  dass  es  kaum  lange  eine 
Porta  Praenestina  und  eine  Labicana  nebeneinander  gab ,  indem  man  die  Labicana ,  das 
Thor  zur  Rechten  für  den  Hinausgehenden,  abweichend  von  der  jetzigen  Einrichtung, 
bei  welcher  der  linke  Bogen  geschlossen  ist,  vermauerte.  Es  blieb  sonach  nur  die  Porta 
Praenestina  übrig,  welche  schon  bei  Procop  allein  erscheint ^  und  ebenso  im  neunten 
Jahrhundert  sich  allein  findet. ^  Da  jedoch  fortan  auch  die  Via  Labicana  von  diesem  Thore 
auslief,  so  tauchte  später  auch  der  Name  Porta  Labicana  wieder  auf,*  als,  wie  Becker^ 
sehr  ansprechend  vermuthet ,  die  lavicanische  Strasse  als  der  Weg  zur  h.  Helena  wich- 


'  V.  3,  9.  p.  237.  *  de  hell.  Goth.  I.  19.  *  Anonym.  Einsiedl.   fArcli.  f.  Philol.  Suppl.  V.  S.  138.) 

'  Lib.  de  Mirabilibus  R.   (Montfaucon,  Diar.  Ital.  p.  283.)     Martin.  Polon.   (Cod.   Ben.  273.  Mon.  4773.  fol.  56.) 
"  Hdb.  d.  r.  A.  I.  S.  205. 

67» 


I 


532  ^'^  aurelianische   Mauer. 

tiger  erschien,  als  der  pränestinische,  während  gleichzeitig  der  Name  Porta  Maior  in  Auf- 
nahme kam,  der  immer  mit  S.  Maria  Maggiore  in  Verbindung  gebracht  wird ,  aber  doch 
auch  in  der  Grösse  des  Thores  selbst  seinen  Grund  haben  kann.  Nicht  minder  früh  ist 
der  in  den  Acten  der  Märtyrer  und  bei  Anastasius  erscheinende  Name  Sessoriana ,  von 
dem  unmittelbar  nahen  Sessorium/  von  nur  kurzer  Dauer  aber  scheint  der  unerklärbare 
Name  Sirucrana  oder  Siracusana,  und  der  Name  Porta  della  Donna  gewesen  zu  sein. 

Seit  dßm  Abbruch  des  beiderseitigen  Thorvorbaues  und  der  angebauten  Häusei- 
geniesst  man  den  unverkilmmerten  Anblick  des  stattlichen  Denkmales ,  das,  durch  die 
massige  Anlage  den  Jahrhunderten  trotzend,  sich  ziemlich  unversehrt  erhalten  hat.  Der 
Thorschluss  und  Thorzoll  jedoch  machte  die  Yermauerung  des  einen  Bogens  und  die 
Verengung  des  anderen  nöthig. 


121.    Grabmal  des  Eurysaces  und  Ueberreste  anderer  Grabmäler. 

Ausserhalb  des  beschriebenen  Wasserleitungsdenkmales  und  ganz  nahe  an  dem- 
selben befindet  sich  ein  Grabmal,  das  offenbar  schon  vorher  an  dieser  Stelle  erbaut  war 
und,  obwohl  dem  claudischen  Monumente  einigermassen  hinderlich,  doch  aus  der  üblichen 
Pietät  gegen  die  Gräber  beim  Bau  desselben  nicht  beseitigt  wurde.  Die  Richtung  der  in 
schon  besprochener  Weise  auseinanderzweigenden  Strassen  und  das  Vorhandensein  an- 
derer Grabdenkmäler ,  von  denen  man  zahlreiche  Reste  gefunden ,  erlaubte  diesem  nur 
die  Form  eines  ganz  unregelmässigen  Vierecks,  dessen  Nord-  8,75,  Ost-  6,85,  Süd-  5,6o 
und  Westseite  4, 05  Met.  misst.  Die  Ostseite  ist  fast  ganz  zerstört  und  zeigt  als  Kern  nur 
die  gewöhnliche  Gussmasse ;  die  höchst  seltsame  äussere  Ausschmückung  aber  lässt  sich 
nur  durch  die  Beziehung  auf  das  Handwerk  des  hier  Beerdigten  erklären.  Auf  einem  ein- 
fachen Travertinbasament  sieht  man  nemlich  in  der  ersten  Abtheilung  eine  Art  stehender 
und  in  der  zweiten  eine  andere  Schicht  liegender  Röhren,  welche  letzteren  ihre  Höhlun- 
gen nach  Aussen  kehren,  in  Travertin  dargestellt.  An  den  Ecken  befinden  sich  Pilaster 
ohne  Basen  mit  einem  flachen  Phantasie-Capitäl ,  über  welchen  noch  ein  Theil  von  Fries 
und  Carnies  erhalten  ist.  Auf  jenem  sieht  man  ein  ringsumlaufendes,  doch  jetzt  verstüm- 
meltes Relief,  welches  das  Mahlen  von  Getreide,  die  Verarbeitung  des  Mehles  zu  Broden 
und  das  Wägen  und  den  Verkauf  der  letzteren  in  anschaulicher  und  belehrender  Weise 
darstellt.  Zwischen  der  zweiten  und  dritten  Abtheilung  läuft  ein  Gürtel  mit  der  theilweise 
zerstörten,  auf  den  drei  erhaltenen  Seiten  wiederholten  Inschrift : 

EST     HOC     MONIMENTVIVI  •  MARCEI  •  VERGILEI  •  EVRYSACIS 
PISTORIS  •  AC     REDEMTORIS  •  APPAREToium 

'   Vgl.  S.  487. 


Das  Amphitheafrum  Castrense. 


533 


Inschrift  und  Relief  bezeichnen  den  Stand  des  hier  bestatteten  Eiirysaces  als  den  eines 
Bäckers,  worauf  sich  auch  die  an  dem  Grabmale  dargestellten  Röhren  beziehen  müssen. 
Die  Zeit  der  Erbauung  ist  nicht  sicher  anzugeben ;  doch  verrathen  die  Reliefs  keine 
schlechte  Kunstepoche,  wenn  auch  keinen  bedeutenden  Künstler. 

Bei  der  Abtragung  des  honorischen  Thores  wurden  neben  diesem  Grabmale  noch 
andere  Gräberreste  gefunden,  deren  Inschriften,  welche  jedoch  kein  weiteres  Interesse 
darbieten,  jetzt  neben  der  Auffahrt  zu  dem  provisorischen  Südbahnhofe  eingemauert  sind. 
Sehenswerth  sind  jedoch  die  als  Ausschmückung  der  Cippen  dienenden  Darstellungen 
verschiedenformiger  Brode,  eines  Korbes  und  eines  concaven  Mühlsteines,  welche  zu  der 
Annahme  veranlassen,  dass  die  Bäcker  hier  ihre  gewissermassen  zunftmässige  Beerdi- 
gungsstätte hatten. 


122.    Das  Amphitheatrum  Castrense. 

Der  Porta  Praenestina  unmittelbar  nahe  und  mit  der  aurelianischen  Mauer  ver- 
bunden musste  das  Vivarium,  der  Zwinger,  gewesen  sein,^  wo  die  Thiere  für  die  amphi- 
theatralischen  Spiele  aufbewahrt  wurden.  Leider  wurde  der  Fundort  einer  in  dieser 
Gegend  ausgegrabenen  bezüghchen  Inschrift  aus  der  Zeit  der  Gordiane  ^  nicht  genauer 
verzeichnet ,  so  dass  sich  die  Localität  dieses  Thierzwingers  nicht  mehr  mit  Sicherheit 
bestimmen  lässt. 

Setzen  wir  aber  unseren  Weg  um  die  Mauer  von  Porta  Maggiore  an  fort,  von  wo 
sie  mit  der  Aqua  Claudia  eine  Strecke  weit  verbunden  eine  beträchtliche  südöstliche  Aus- 


G2.     Ansiclil  <lus  Ainpliidieatruiii  C;istrcase.  (F.  R 


*  Procop.  de  bell.  Goth.  1.  22.  23.         "  Orelli,  Inscr.  22. 


534 


Die  aurelianische  Mauer 


beugung  bildet,  und  mit  dem  Verlassen  des  Aquäducts  grosse  Unregelmässigkeit,  Be- 
nutzung von  älteren  Tufsubstruetionen ,  schlechte  Ausbesserungen  in  sog.  opera  sarace- 
nesca,  und  bessere  neuere  Restaurationen  von  Pius  VII.  und  IX.  zeigt,  so  gelangen  wir 
endlich  an  die  nicht  unbedeutenden  für  die  Mauer  benutzten  Ueberreste  des  äusseren 
Umfriedungsbaues  eines  Amphitheaters,  wie  die  Gestalt  der  Anlage  unzweifelhaft  zu  er- 
kennen gibt.  Von  dem  Ganzen  ist  fast  nur  der  von  Aurehan  benutzte  Theil  des  Erdge- 
schosses der  Aussenmauer  erhalten,  jedoch  zum  grossen  Theile  mit  seiner  architekto- 
nischen Ausschmückung.  Denn  wenn  man  die  Gurve  von  Ost  nach  West  umgeht,  bemerkt 
man  erst  1 1  Backsteinbogen,  und  an  die  Pfeiler  der  ersten  angelehnt  noch  drei  Halbsäu- 
len, und  dann  nach  einer  etwa  4  Bogen  betragenden  Unterbrechung  durch  eine  spätere 
Mauer  noch  fünf  Bogen,  welche  noch,  wie  die  beigefügte  Ansicht  zeigt,  mit  6  Halbsäulen 
und  ihrem  Gebälke  geschmückt  sind.  Auffallend  und  selten  ist,  dass  mit  Ausnahme  der 

Sockel  unter  den  Halbsäulen  und  einiger  Solidirungs- 
stücke  alles  Architektonische,  selbst  die  korinthischen 
Capitäle  und  das  daraufliegende  Gebälke  von  Ziegeln 
hergestellt  ist.  Der  Ziegelbau  verräth  die  beste  Periode 
dieser  Technik  und  ist  wohl  aus  der  Mitte  des  1 .  Jahr- 
hunderts n.  Chr. ;  die  Halbziegel  sind  von  gelblicher, 
die  ganzen  (doppelt  so  grossen)  quadratischen  Ziegelpiat- 
ten,  welche  die  Bogen  bildeten,  von  rother  Farbe,  was 
dem  Bau  ,  welcher  nie  beworfen  war ,  eine  angenehme 
Farbenwirkung  verliehen  haben  musste.  An  dem  süd- 
lichen Maueransatz  sieht  man  noch  Reste  eines  zweiten 
Stockwerkes  derselben  Art  mit  einem  verstümmelten 
Pilaster.  Sonst  ist  der  Maueraufbau  wie  die  Ausbesse- 
rung von  der  schlechtesten  Art. 

Das  jetzt  als  Nutzgarten  benutzte  Innere  des  Amphi- 
theaters, zu  welchem  sich  der  Eingang  zur  Rechten  von 
Kirche  und  Kloster  S.  Croce  in  Gerusalemme  befindet,  zeigt  ausser  dem  Umfange,  aus 
dem  sich  die  Maasse  von  105  für  die  grössere  und  80  Met.  für  die  kleinere  Axe  ergeben, 
nur  mehr  schwache  Spuren  von  den  radienförmigen  Substructionen  der  Sitzplätze.  Der 
moderne  Boden  bedeckt  übrigens  im  Innern  wie  an  der  Westseite  fast  das  ganze  Erd- 
geschoss. 

Nachdem  seit  langer  Zeit  das  beschriebene  Amphitheater  als  das  an  der  Gränze 
der  esquiiinischen  Region  genannte^  Amphitheatrum  Castrense  bezeichnet  worden  war, 


7i>  ^(,  M  /,0  JO 

\ 1 * ¥ 1 — I 

63.  Capil'äl  vom  Aniphithealruin  Castrense.  (F.R.) 


'  Cuiios.  U.  R.  Ree.  V. 


Die  Porta  Asinnria.  535 

suchte  Becker  ^  diesen  Namen  zu  beseitigen,  ohne  jedoch  genügende  Gründe  dafür  bei- 
zubringen, dass  die  esquilinische  Region  sich  nicht  so  weit  erstrecken  konnte.  Ich  glaube 
gerade  umgekehrt,  dass  jenes  Amphitheater,  deren  doch  nicht  zwei  einander  ganz  nahe 
angenommen  werden  können,  über  die  südliche  Ausdehnung  der  V.  Region  Aufschluss 
gibt,  um  so  mehr,  als  kein  materieller  Umstand  zum  Zweifel  an  der  Identität  der  Ruine 
mit  dem  Amphitheater  der  Prätorianer  Anlass  gibt,  denn  der  Ziegelbau  ist  dem  der  be- 
schriebenen Lagermauer  ganz  homogen  und  w^ahrscheinlich  mit  ihr  gleichzeitig.  Aller- 
dings haben  wir  über  das  Gebäude  in  den  classischen  Schriften  keine  Nachricht,  und  die 
Erwähnung  in  der  Notitia  bildet  den  einzigen ,  aber  desshalb  nicht  minder  unumstöss- 
lichen  Anhaltspunkt.  Die  Zerstörung  des  Lagers  durch  Constantin  hatte  wahrscheinhch 
auch  die  des  Amphitheaters  zur  Folge,  soweit  es  nicht  wie  jenes  von  Aurehan  zur  Stadt- 
mauer benutzt  worden  war.  Nachgrabungen  am  Anfange  des  1 8.  Jahrhunderts  brachten 
eine  grosse  Anzahl  von  thierischen  Knochen  zum  Vorscheine, ^  welche  man  lächerlicher 
Weise. mit  den  bei  den  Spielen  gefallenen  Bestien,  die  man  doch  nicht  hier  vermodern 
Hess,  in  Verbindung  brachte,  während  sie  wohl  von  später  hier  verscharrten  Thieren  her- 
rührten. 

Neben  dem  Amphitheater,  ausserhalb  der  Stadt  und  in  der  nächstgelegenen  Villa, 
sieht  man  noch  wenigstens  die  Form  eines  kleinen  Circus ,  welchen  man  wohl  wie  das 
Amphitheater  als  Castrensis  zu  bezeichnen,  nicht  unberechtigt  ist.  Von  der  Spina  dieses 
Circus  stammt  auch  der  kleine,  jetzt  im  Giardino  del  Pincio  befindliche  Obelisk,  welcher 
schon  oben  (S.  510)  besprochen  worden  ist. 


123.    Die  Porta  Asinaria. 

Zwischen  dem  Amphitheatrum  Castrense  und  der  Porta  S.  Giovanni  ist  die  Stadt- 
mauer in  fast  ganz  ursprünglichem  Zustande  erhalten  und  liegt  sowohl  von  aussen  als 
von  innen  ganz  frei  der  Besichtigung  offen.  Der  Backsteinbau  ist  gut  und  regelmässig, 
so  dass  mit  ziemlicher  Sicherheit  angenommen  werden  kann,  dass  dieser  Zug  dem  aure- 
lianischen  Bau  angehöre.  Die  ursprüngliche  Einrichtung  der  Mauer  aber  wird  unten  noch 
genauere  Betrachtung  finden. 

Die  moderne,  von  P.  Gregor  XIII.  im  J.  1574  erbaute  und  keinerlei  Interesse 
bietende  Porta  S.  Giovanni  entstand,  wie  die  Porta  Pia,  nicht  an  der  Stelle  eines  antiken 
Thores,  sondern  neben  demselben.  Wendet  man  sich  nemlich  noch  weiter  südlich,  so 
gelangt  man  zunächst  an  das  vermauerte,  namentlich  innen  sehr  zerstörte  und  verschüt- 
tete alte  Thor,  von  welchem  die  beiden  im  Halbzirkel  nach  Aussen  vorragenden  ThUrme 


*  Hdb.  d.  r.  A.  S.  549  fg.         "  Ficoroni,  Le  Vestigia  e  raritä  di  Roma  ant.  R.  1744.  p.  121. 


536  l^'G  aurelianische  Mauer. 

noch  ziemlich  wohl  erhalten  sind,  und  oben  die  Spuren  eines  Gesimses  und  drei  Fensler- 
reihen  in  drei  Stockwerken  zeigen.  Der  Name  dieses  Thores ,  Porta  Asinaria ,  erscheint 
zum  erstenmale  bei  Procopius,^  findet  sich  auch  noch  ausschliessend  im  9. ,2  zugleich  mit 
dem  Namen  Lateranensis  aber  im  12.  Jahrhundert,^  so  dass  über  die  Richtigkeit  der  Be- 
zeichnung kein  Zweifel  obwalten  kann.  Was  den  Namen  betrifft,  so  ist  zwar  möglich, 
dass  er  von  dem  des  Erbauers  herrühre,  doch  wird  dessen  Name  kaum,  wie  gewöhnlich 
angegeben  wird,  Asinius  gelautet  haben ,  da  in  diesem  Falle  das  Thor  Porta  Asinia  ge- 
heissen  hätte ,  und  da  Asinarius  als  Name  bedenklich  erscheint ,  so  könnte ,  wenn  eine 
Vermuthung  ausgesprochen  werden  soll ,  nur  der  Stamm  Asina  in  Vorschlag  gebracht 
werden.  Hinsichtlich  der  Bedeutung  scheint  das  Thor  zunächst  der  Porta  Caelimontana 
entsprochen  zu  haben ;  es  ging  aber  keine  besondere  Heerstrasse  von  ihm  aus,  sondern 
nur  ein  Verbindungsweg  mit  der  Via  Latina,  welcher  aber  jedenfalls  von  den  in  der  nörd- 
lichen Stadthälfte  Verkehrenden  viel  benutzt  worden  sein  muss.  Im  J.  1408  wurde  es 
mit  mehren  anderen  von  König  Ladislaus  vermauert''  und  erst  166  Jahre  später  dafür  die 
Porta  S.  Giovanni  erbaut,  durch  welche  damals  auch  die  Hauptstrasse  nach  dem  Süden, 
die  sog.  Via  Appia  nova,  gelegt  wurde. 


124.    Die  Porta  Metronis. 

Von  den  Thürmen  der  Porta  Asinaria  ab  hat  die  Fortsetzung  der  Mauer  wieder 
ein  ungleichförmiges,  verschiedene  Restaurationen  verrathendes  Ansehen ,  von  welchen 
einige  nach  den  Inschriftsteinen  aus  der  Zeit  der  Päpste  Benedict  XIV.,  Clemens  XL, 
Nicolaus  V.  und  Urban  VIII.  sind.  Auch  hat  die  Mauer  keine  sichere  Linie,  die  vorhan- 
denen Mauerreste,  von  welchen  namentlich  die  schönen  Backsteinsubstructionen  den 
Besitzungen  der  Laterani  zugeschrieben  werden,  übersorgsam  benutzend.  Nachdem  die 
Mauer  von  der  Porta  S.  Giovanni  her  fast  Vs  Mgl.  sich  südwestlich  gewendet,  bildet  sie, 
plötzlich  sich  südöstlich  beugend ,  einen  scharfen  Winkel ,  unter  welchem  ein  Bach ,  in 
alter  Zeit  aqua  crabra,  jetzt  Marrana  genannt,  durch  einen  niedrigen  Bogen  in  die  Stadt 
fliesst.  Hier  wird ,  wie  es  scheint ,  fussend  auf  Martinus  Polonus ,  der  den  Einfluss  des 
Baches  als  die  Stelle  des  Thores  bezeichnet,  die  Porta  Metronis,^ wie  sie  in  der  ersten 
bekannten  Erwähnung  vom  Ende  des  6.  Jahrhunderts,^  oder  Metroni  (Metronii),  wie  sie 
in  den  Mirabilien  und  bei  Martinus  Polonus  heisst,  angenommen,  obwohl  gerade  hier  die 
ziemlich  ursprünglich  erhaltenen  Mauern  mit  den  Gängen  im  Innern  die  Annahme  eines 
Thores  geradezu  unmöglich  machen.    Der  Stellung  der  Thürme  nach  dürfte  es  etwas 


•  de  bell.  Goth.  I.  14.  III.  20,         '  Anon.  Eins.  (Arch.  f.  Ph.  &c.  V.  S.  138.)         '  Lib.  de  Mirab.  U.     Marl. 
Polon.  1.  c.         *  Diarium  Romanum.   (Muratori,  R.  I.  Scr.  tom.  XXIV.  p.  992.)         *  Greg.  Magn.  Epist.  IX.  §  69. 


Die  Porta  Latina.  537 

weiter  nordöstlich  gesucht  werden,  wo  indess  späte  Restaurationen  die  ursprüngliche 
Gestalt  sehr  alterirt  haben. 

Ueber  die  Bedeutung  des  Namens  kann  um  so  weniger  etwas  ermittelt  werden, 
als  die  Bezeichnungen  so  verschieden  lauten  und  namentlich  aus  dem  9.  Jahrhundert  die  / 
sehr  abweichenden  Benennungen  Metrovia  ^  und  Metrobi^  vorliegen.  Die  Einziehung  des 
Thores  aber  scheint  ebenso  wie  bei  den  übrigen  später  geschlossenen  eine  Folge  des 
mangelnden  besonderen  Zweckes  gewesen  zu  sein. 


125.    Die  Porta  Latina. 

Von  hier  wendet  sich  die  etwas  besser  erhaltene  Mauer  zu  der  V2  Mgl.  entfernten 
Porta  Latina.  auf  welcher  Strecke  man  eine  ältere  Mauer  von  Travertinquadern  sehr 
schöner  Fügung  und  nahe  dabei  Reste  von  einem  älteren  Ziegelgemäuer,  wahrscheinlich 
von  einem  Wasserbehälter,  den  jetzt  die  Strasse  ausserhalb  durchschneidet,  in  die  Mauer- 
linie einverleibt  sieht. 

Die  Porta  Latina  steht  zwischen  zwei  auf  einem  jetzt  nur  mehr  wenig  sichtbaren 
achteckigen  Unterbau  ruhenden  halbrunden  Backstein-Thürmen ,  welche ,  in  der  erhalte- 
nen Höhe  vollständig  kahl,  weder  Fenster  noch  eine  äusserlich  sichtbare  Gliederung  der 
Stockwerke  zeigen.  Doch  der  aus  ungleichen  Travertinblöcken  bestehende  Thorbogen 
hat,  wie  auch  mehre  andere  der  bereits  beschriebenen  Thore,  oben  fünf  Bogenfenster. 
Der  Bogen  selbst  scheint  erst  zu  weit  angelegt  gewesen  zu  sein  und  ward  durch  eine 
zweite  schlecht  eingefügte  Sprengung  verengert.  Im  Bogenschlüssel  befindet  sich  das 
Christusmonogramm  mit  den  beiden  mystischen  Buchstaben  der  Apokalypse  A  und  ß 
eingemeisselt,  wonach  dieses  Thor,  wenigstens  in  der  bestehenden  Gestalt ,  kaum  in  die 
Zeit  vor  Belisar  gesetzt  werden  darf. 

Die  Via  Latina,  welche  zugleich  mit  der  Appia  von  der  servischen  Porta  Capena 
ausging  und  sich  wahrscheinlich,  wie  noch  jetzt,  erst  bei  S.  Sisto  von  der  appischen 
Heerstrasse  trennte,  gab  dem  Thore  seinen  noch  jetzt  üblichen  Namen.  Da  dieses  jedoch 
von  der  Porta  Appia  nicht  weit  entfernt  ist ,  und  die  moderne  Via  Latina ,  nemlich  die 
Strasse  nach  Frascati  und  Grotta  Ferrata  (an  deren  Stelle  indess  neuerhch  ein  Schienen- 
weg getreten  ist),  schon  seit  langer  Zeit  durch  die  Porta  S.  Giovanni  führte,  so  dass  die 
Linie  der  alten  Via  Latina  eine  ziemliche  Strecke  weit  nur  mehr  durch  die  Gräber  er- 
kennbar ist,  so  wurde  dieses  Thor,  als  entbehrlich,  im  J.  1808  geschlossen  (nicht  ver- 
mauert) und  seit  dieser  Zeit  nur  mehr  1 827  auf  einige  Monate  geöö'net. 


*  Anonym.  Einsiedl.  (Arch.  f.  Ph.  Suppl.  V.  S.  137  fg.)  *  Galletti,  Del  Primicero  della  S.  Sede  Aposto- 

lica.  R.  1776.  p.  96. 

F.  Heber,  die  lluinen  Roms.  68 


538  ^'^  aurelianische  Mauer. 

126.     Die  Porta  Appia  (Porta  S.  Sebastiano). 

Von  der  Porta  Latina  führt  ein  kurzer,  Restaurationen  von  Pius  IL,  Pius  IV., 
Alexander  VII.  und  Urban  VIII.  zeigender  Weg  ohne  besonderes  Interesse  um  die  süd- 
östliche Ecke  der  Mauer  zu  dem  nächstliegenden  Thore,  von  welchem  die  durch  eine  der 
umfassendsten  Ausgrabungen  der  neuesten  Zeit  in  der  bedeutenden  Strecke  fast  bis  Bo- 
villae  blossgelegte  Via  Appia  ausmündet.  Seiner  Construction  nach  ist  diess  das  beträcht- 
lichste Thor  an  der  Mauer  Roms  und  von  zwei  mächtigen  Thürmen  beschützt.  Diese 
bestehen  aus  drei  Absätzen,  von  welchen  der  auf  einem  etwas  vorspringenden  Basamente 
stehende  unterste  in  cubischer  Form  und  ganz  aus  Marmorquadern  gebaut  ist.  Auf  die- 
sem ruht  ein  zweiter  Würfel  von  fast  denselben  Dimensionen  in  Backstein ,  und  auf  dem 
letzteren  erhebt  sich  noch  ein  halbrunder  Thurm  in  zwei  Geschossen  mit  je  fünf  Bogen- 
fenstern, ebenfalls  von  Backstein  und  theilweise  mit  Zinnen  gekrönt,  so  dass  die  Thürme 
hier  die  Höhe  von  28  Met.  haben.  Diese  äusseren  Thürme  lehnen  sich  nach  innen  an 
zwei  einander  entsprechende  Backsteinthürme  von  rechteckiger  Form.  Zwischen  den 
beiden  Thürmen  befindet  sich  der  einfache,  in  der  Höhe  des  ersten  Thurmabsatzes  eben- 
falls aus  Marmor  bestehende  Thorbogen ;  ein  einfacher,  auch  den  Marmorbau  der  Thürme 
fortlaufend  krönender  Carnies,  über  welchem  in  ähnlicher  Weise ,  wie  bei  den  meisten 
anderen  Thoren,  sieben  Bogenfenster  in  einer  Reihe  angebracht  sind,  trennt  den  Quader- 
bau von  dem  darauf  ruhenden  ebenfalls  mit  Zinnen  geschmückten  Ziegelbau. 

Was  die  Zeit  der  Erbauung  dieses  Thores  betrifft,  so  weist  das  Kreuz  am  Bogen- 
schlüssel  mit  den  darüber  gesetzten  Worten  gegy  xapi2  und  den  Anrufungen  afie 
KiJNON,  AriE  TEßPri  auf  die  byzantinische  Zeit  des  Exarchats.  Dass  der  schöne  und  wohl 
behauene  Marmor  des  unteren  Theiles  nicht  für  das  Thor  gebrochen  wurde,  ist  als  sicher 
anzunehmen,  und  es  ist  wohl  nicht  unwahrscheinlich,  dass  seine  Verwendung  zu  dem 
Thorbau  mit  dem  Verschwinden  des  oft  erwähnten  Marstempels,  welcher  auf  der  Anhöhe 
unmittelbar  vor  dem  Thore  stand  (vgl.  S.  438  fg.),  zusammenhängt.  Der  Name  Porta  Appia 
erscheint  zuerst  im  9.  Jahrhundert  (Anonym.  Einsiedl.),  in  welchem  die  Hauptstrasse 
nach  dem  südlichen  Italien  dem  Thore  noch  eine  grosse  Bedeutung  gegeben  haben 
musste.  Seitdem  aber  die  Strasse  dahin  durch  die  Porta  S.  Giovanni  geführt  ward  (1  574), 
hatte  die  Via  Appia  in  ihrem  ersten  Theile  nur  mehr  den  Zweck,  den  Wanderer  nach 
den  Katakomben  und  nach  der  Basilica  di  S.  Sebastiano  zu  führen,  von  welcher  auch  das 
Thor  seinen  jetzigen  Namen  erhielt.  Ein  am  Thore  angebrachter  Inschriftstein  vom 
J.  1 327  mit  dem  Bildnisse  des  Erzengels  Michael  berichtet  ein  siegreiches  Gefecht  der 
Römer  gegen  eine  ))gens  foresteriaif,  unter  welcher  nach  geschichtlichen  Ueberlieferungen 
die  Leute  des  Königs  Robert  von  Neapel  zu  verstehen  sind.  —  Von  dem  unmittelbar 
innerhalb  liegenden  Triumphbogen  (des  Drusus?)  wurde  schon  (S.  461  fg.)  gesprochen. 


Die  Porta  Ardeafina  und  die  Porta  Ostiensis  (dl  S.  Paolo).  539 

127.    Die  Porta  Ardeatina  und  die  Porta  Ostiensis  (di  S.  Paolo). 

Auf  der  1 V2  Mgl.  betragenden  Strecke  von  Porta  S.  Sebastiano  bis  Porta  S.  Paolo 
hat  sich  durch  die  auf  dieser  Seite  sehr  bedeutenden  Herstellungen,  welche  oft  die  ur- 
sprüngliche Gestalt  ganz  änderten,  kein  drittes  Thor  mehr  erhalten.  Obwohl  aber  auch 
keine  Nachricht  eines  solchen  erwähnt,  so  ist  doch  kaum  zu  bezweifeln,  dass  die  zwischen 
den  beiden  genannten  Thoren  auslaufende  Via  Ardeatina  ungefähr  in  die  Mitte  dieser 
Strecke  ein  besonderes  Thor  erforderte.  Man  hat  nun  in  dem  mit  Halbsäulen  geschmück- 
ten Ziegelbogen  kurz  vor  der  sog.  Bastione  di  S.  Gallo  dieses  zu  erkennen  geglaubt,^ 
allein  ich  muss  gestehen ,  trotz  dem  bestimmten  Gutachten  so  bedeutender  Autoritäten 
keine  Wahrscheinlichkeit  darin  finden  zu  können.  Denn  es  wird  S.  Balbina  als  ein  Punkt 
an  der  Via  Ardeatina, ^  welche  schon  von  einem  servischen  Thore  aus  den  Namen  trug, 
angegeben;  die  Localität  des  Hügels  von  S.  Balbina  und  dessen  Substructionen  gestatten 
aber  nicht,  die  Strasse  westlich  von  dieser  Kirche  anzunehmen,  wonach  für  ihre  Linie 
nur  der  gegen  die  antoninischen  Thermen  gerichtete  Abhang  in  Betracht  zu  ziehen  ist. 
Vergegenwärtigen  wir  uns  aber  eine  Strassenlinie ,  welche  durch  S.  Balbina  und  deren 
Höhe  einerseits,  sowie  durch  die  Thermen  anderseits  bedingt  ist,  so  wird  ebenso  klar, 
dass  die  südlich  von  S.  Gregorio  anzunehmende  Porta  Capena  der  entsprechendste  An- 
fangspunkt derselben  von  der  servischen  Stadt  aus  gewesen  sein  müsse,  wie  es  natürlich 
scheint,  dass  diese  Strasse  weiter  westlich  und  weit  näher  an  Porta  S.  Paolo,  etwa  in 
der  Nähe  der  Stelle ,  wo  die  Mauer  einen  scharfen  Winkel  nach  Innen  bildet ,  dieselbe 
durchschnitten  habe.  Diesem  Punkte  entspricht  auch  die  Richtung  nach  Ardea  entschie- 
den mehr,  als  der  von  Nibby  angegebenen  Stelle,  welcher  überdiess  die  Strasse  in  einer 
sehr  unpraktischen  Art  längere  Zeit  parallel  neben  der  Mauer  hinführt,  der  Schwierigkeit 
nicht  zu  gedenken,  aus  dem  angeblichen,  den  übrigen  Thoren  in  der  ganzen  Anlage  un- 
ähnlichen Pförtchen  ein  grösseres  Stadtthor  zu  reconstruiren. 

Das  Thor,  welches,  als  niemals  erwähnt,  schon  frühzeitig  eingegangen  sein  muss, 
konnte  übrigens  bei  den  vielen  Restaurationen  auf  dieser  Mauerseite,  unter  welchen  die 
auf  Befehl  des  Papstes  Paul  HI.  von  San  Gallo  erbaute,  jedoch  kaum  für  seine  Zeit  ge- 
nügende Bastion  am  meisten  hervorragt .  während  die  übrigen  durch  die  Inschriftsteine 
den  Päpsten  Alexander  VI.,  Innocenz  X.,  Alexander  VII.,  Nicolaus  V.  und  Benedict  XIV. 
zugeschrieben  werden,  leicht  spurlos  verschwinden.  Zur  Via  Ardeatina  aber  ftihrten  seit- 
dem Verbindungswege,  namentlich  von  der  Ostiensis.  Es  ist  indess  zu  hoffen ,  dass  die 
gründlichen  von  Pietro  Rosa  unternommenen,  zur  Zeit  aber  noch  unbeendigten  Forschun- 


*  Nibby  (Geil),  Mura  di  Roma.  p.  201  sq.  375.     Bunsen,  Besclireib.  d.  St.  R.  I.  666.    Becker,  De  Romae  vet. 
mur.  alq.  port    Lips.  -1842.  p.  126.     Hdb.  d.  r.  A.  I.  S.  211.  *  Anastas.  Bibl.  Vit.  Pontif.  Par.  <649.  Vit.  S. 

Marci.  p.  19.    cf.  Martinelli,  Roma  ex  Kthnica  sacra.  p.  171  sq. 

68* 


540  Die  aurelianische  Mauer. 

gen  über  das  Strassehnetz  und  über  die  Topographie  der  Campagna  überhaupt  auch  hin- 
sichtlich solcher  noch  offenliegender  Fragen  über  die  Thore  Roms  erhebliche  Resultate 
liefern  werdend 

Bei  der  malerischen  Porta  Ostiensis,  von  der  ausserhalb  liegenden ,  seit  dem  be- 
klagenswerthen  Brande  in  der  Nacht  vom  5. — 6.  Juli  1823  neu  und  in  gleicher  Pracht, 
doch  leider  nicht  ganz  in  der  vormaligen  Gestalt  wieder  aufgebauten  Basilica  Porta  di 
S.  Paolo  genannt,  angelangt,  sehen  wir  den  einfachen  Thorweg  wie  gewöhnhch  von 
zwei  Thürmen  flankirt,  welche  nach  aussen  halbrunde,  nach  innen  rechteckige  Form  zei- 
gen, oben  mit  Bogenfenstern  geschmückt  sind  und  noch  ihre  Zinnen  tragen.  Von  den 
zwei  nebeneinander  befindlichen  Thorbogen  des  etwas  unregelmässigen  und  sehr  zer- 
störten Innenbaues  ist  der  eine  östliche  vermauert.  Während  der  Aussenbau ,  welcher 
nur  einen  Durchgang  zeigt  und  wohl  erhalten  ist,  jedenfalls  der  byzantinischen  Zeit  ent- 
spricht, scheint  der  innere  Theil  wenigstens  dem  Bau  des  Honorius,  wenn  nicht  dem 
aurelianischen  Werke  anzugehören.  Bei  dem  Bau  des  Thores  musste  indess  der  Schutt 
schon  eine  bedeutende  Höhe  gehabt  haben,  denn  der  antike  Boden  ist  über  3  Met.  unter 
dem  Niveau  desselben.  Die  ursprüngliche  Via  Ostiensis  aber  scheint  westlich  von  der 
Pyramide  des  Cestius  vorbeigeführt  zu  haben,  wenigstens  wurden  an  der  Ecke  des  alten 
protestantischen  Kirchhofs  noch  Reste  einer  mit  den  bekannten  Polygonen  gepflasterten 
Strasse  aufgedeckt,  welche  noch  zu  sehen  sind. 

Nachdem  Ammian  das  Thor  zum  erstenmale  erwähnt,^  findet  sich  schon  bei  Pro- 
copius  ^  und  in  der  sog.  Kosmographie  des  Aethicus  *  der  jetzige  Name  nach  der  von  Va- 
lentinian  II.  und  Theodosius  erbauten  Basilica.  Als  im  J.  1 407  hier  König  Ladislaus  von 
Neapel  eingezogen  war,  wurde  auch  dieses  wichtige  Thor  vermauert,^  kam  jedoch  1410 
wieder  in  die  Gewalt  des  Volkes,  worauf  es  sofort  wieder  geöffnet  wurde. 


128.    Die  Pyramide   des  Cestius  und   die  sich  anschliessende  Mauerlinie. 

Monte  Testaccio. 

Ganz  nahe  an  dem  Thore  zur  Linken  für  den  Eintretenden  ist  der  Mauer  ein 
Denkmal  einverleibt,  das  durch  Grösse  und  Pracht  seine  innere  Bedeutung  bei  weitem 
übertrifft.  Es  ist  diess  eine  Pyramide,  welche  auf  jeder  Seite  30,  in  der  senkrechten  Höhe 
37  Met.  misst  und  auf  einem  quadratischen  Unterbau  von  Travertin  ruht ;  der  aus  ge- 
wöhnlicher Gussmasse  bestehende  Kern  des  Baues  ist  mit  0,9o  M.  langen,  0,6o  breiten 
und  0,30  dicken  Platten  von  weissem  Marmor  bekleidet.    Im  Innern  befindet  sich  eine 


*   P.  Rosa,  dell'  antica  via  lavinate.   (Ann.  d.  I.  d.  C.  a.  1859.  Vol.  XXXI.  p.  186  sq.  tav.  I.)  *  XVII.  4. 

de  hello  Goth.  III.  36.       *  Basll.  1575.  p.  20.       *  Diarium  Romanum.  (Muratori,  Rer.  It.  Scr.  tom.  XXIV.  p.  992.) 


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Die  Pyramide  des  Cestius  und  die  sich  anschliessende  3IauerUnie.  Monte  Testaccio.  541 

kleine,  5,95  M.  lange,  4, 10  breite  und  4, so  hohe  Backsteinkammer,  die  noch  grossentheils 
mit  feinem  Stuck  bekleidet  ist,  an  welchem  noch  Candelaber  als  Felderabtheilung  und  an 
den  vier  Ecken  geflügelte  Genien  von  vorzüglicher  Malerei  kenntlich  sind.  Von  der 
Aschenkiste  oder  dem  Sarkophage  des  hier  Bestatteten  ergab  sich  keine  Spur,  woraus 
hervorgeht,  dass  die  Grabkammer  schon  früher  geplündert  worden  war,  und  doch  fand 
man  den  antiken  Eingang,  der  wahrscheinlich  an  der  Nordostseite  sich  befunden  hatte, 
nach  der  Beisetzung  des  Leichnams  aber  vermauert  w^orden  zu  sein  scheint,  nicht  mehr. 
Der  gegenwärtige  Zugang  an  der  Nordwestseite  wurde  erst  im  J.  1663  durch  die  Masse 
des  Baues  gebrochen.  Eine  sowohl  an  der  Südost-  als  Nordwestseite  angebrachte  In- 
schrift berichtet  die  Namen  des  hier  Bestatteten  und  der  Erbauer  des  Denkmales : 

C     CESTIVS     L     F  .  POB     EPVLO  •  PR     TR  •  PL 
VI!  .  VIR  .  EPVLONVM 

OPVS  •  ABSOLVTVIVI  •  EX  •  TESTAIVIENTO  •  DIEBVS  •  CCCXXX 

ARBITRATV 

PONTI     PF-  CLA  •  lYlELAE  •  HEREDIS  •  ET  •  POTHI  •  L 

Der  hier  genannte  C.  Cestius,  des  L.  Cestius  Sohn,  aus  der  poblilischen  Tribus,  der  Prä- 
tor, Volkstribun  und  in  dem  Collegium  der  sieben  Epulones,  was  ihm  auch  den  Beina- 
men Epulo  gab,  gewesen  war,  diese  hier  im  Tode  so  verherrlichte  Person ,  machte  sich 
im  Leben  so  wenig  bemerklich,  dass  er,  einige  beiläufige  und  nicht  ganz  gewisse  Erwäh- 
nungen ^  abgerechnet ,  historisch  ganz  unbekannt  geblieben  ist ,  wodurch  sich  die  Zeit- 
bestimmung der  Erbauung  des  Denkmals  sehr  erschwerte,  wenn  man  nicht  in  der  Nähe 
zwei  Aufklärung  gebende  Marmorpiedestale  gefunden  hätte ,  an  deren  einem  noch  der 
Fuss  einer  überlebensgrossen  Bronzestatue  befestigt  war.  Die  auf  beiden  Piedestalen 
gleiche  Inschrift  lautet : 

M  •  VALERIVS  •  IVIESSALA  •  CORViNVS 

P  •  RVTILIVS  •  LVPVS  •  L     IVNIVS     SiLANVS 

L  •  PONTIVS  •  MELA  •  D     IVIARIVS 

NIGER  •  HEREDES  •  C  •  CESTI  •  ET 

L  •  CESTIVS  •  QVAE  •  EX     PARTE  •  AD 

EVIV!  •  FRATRIS  •  HEREDITAS 

M  •  AGRIPPAE  •  IVIVNERE  •  PER 

VENIT  •  EX  •  EA  •  PECVNIA  •  QVAM 

PRO  •  SViS  •  PARTIBVS     RECEPER 

EX  •  VENDITIONE  •  ATTALICOR 

QVAE  •  EIS     PER     EDICTVM 

AEDiLIS     IN     SEPVLCRVIVl 

C  •  CESTI  •  EX  •  TESTAIVIENTO 

EIVS    INFERRI     NON     LICVIT 


•  Cic.  pr.  Flacc.  i3.     ad  Attic.  V.  13. 


542 


Die  aurelianische  Mauer. 


Aus  dieser  Inschrift  geht  hervor,  dass  die  Erben  des  Cestius  Zeitgenossen  des  Agrippa, 
mithin  des  Augustus  waren,  und  dass  die  Statuen  (wahrscheinlich  beide  des  C.  Cestius) 
von  dem  Gelde  errichtet  worden  waren,  welches  aus  den  kostbaren  attalischen,  d.  h.  gold- 
durchwirkten ^  Gewändern,  die  nach  dem  Verbote  des  Aedils  auf  ein  bestehendes  Gesetz 
hin^  nicht  mitbestattet  werden  durften,  wie  es  das  Testament  des  Verstorbenen  verlangte, 
erlöst  wurde. 

Durch  die  Benutzung  des  Grabdenkmales  für  den  aurelianischen  Befestigungsring 
litt  der  massive  Bau  nur  wenig.  Wie  unbeachtet  er  aber  blieb,  erhellt  daraus ,  dass  trotz 
der  deutlich  lesbaren  Inschrift  selbst  Petrarca  ihn  das  Grabmal  des  Remus  nannte.^  Im 
J.  1663,  als  P.  Alexander  VII.  ihn  ausgraben  liess,  war  dessen  Fuss  über  4  Met.  tief  ver- 
schüttet. Bei  der  damals  vorgenommenen  umfassenden  und  dankenswerthen  Restaura- 
tion* wurden  auch  die  beiden  dorischen,  canellirten  Säulen,  deren  Stücke  man  zerstreut 
umher  aufgefunden  hatte,  an  den  beiden  Ecken  aufgestellt. 

Von  der  Pyramide  des  Cestius  aus  erreicht  die  Mauer  ohne  weitere  Unterbrechung 
den  Tiber.  Die  Thürme  sind  trotz  der  vielen  Ausbesserungen  von  Nicolaus  V.  sehr  be- 
schädigt, und  die  Strasse  ausserhalb  der  Mauer,  welche  wir  bisher  verfolgten ,  erreichte 
bei  Porta  S.  Paolo  ihr  Ende,  wesshalb  wir  diese  Strecke  innerhalb  zurücklegen  und  da- 
bei, ehe  wir  den  Endpunkt  der  linksseitigen  und  überhaupt  der  erhaltenen  antiken  Um- 
mauerung  erreichen,  die  innere  Beschaffenheit  derselben  ins  Auge  fassen  wollen ,  wozu 
ich  eine  hier  genommene  Ansicht  mit  Grundplan  beifüge.    Wie  aus  beidem  ersichtlich  ist. 


64.     luiienansicht  der  aureliuiiischfn  Mauer.  (F.  K 


bestand  die  Befestigung  aus  zwei  Mauern,  welche  durch  Tonnengewölbe  mit  einander 
verbunden  waren.  Diese  aber  waren  durch  überwölbte  Durchgänge  durchbrochen,  welche 

*  Plin.  H.  N.  VIII.  48,  74,  <96.       ^  Cic.  de  legg.  II.  24.  §  r>0.       •''  Togg.  Florent.  de  variet.  fort.  &c.  p.  »33. 
*  0.  Falconierii  de  Pyramide  C.  Gestii  Epulonis  dissert.  (Graev.  Thes.  A.  R.  torn.  IV.  p.  14  61  sq.) 


I 


Die  Porta  Aurelia   (Pancraziana), 


o43 


einen  fortlaufenden  Conidor  bildeten,  der  den  an  den  Scharten  aufgestellten  Verlhei- 
digern  zur  Verbindung  diente.  Durch  die  in  den  Thürmen  angebrachten  Treppen  gelangte 


JüMet. 


65.     Grundriss  der  aurelianischeu  Mauer. 


man  auf  die  Zinnenhöhe,  auf  welcher  der  Schwerpunkt  der  Vertheidigung  lag.  Der  Ein- 
gang in  die  Thilrme  ist  jetzt,  um  ihre  Benutzung  zu  Schlupfwinkeln  zu  verhindern ,  fast 
überall  vermauert. 

An  dem  Flusse  aufwärts  sind  nur  mehr  wenige  Reste  der  ehemaligen  Stadtmauer 
in  den  modernen  Weinbergmauern  erkennbar,  deren  Besichtigung  und  Umgehung  von 
der  Flussseite  wegen  des  haltlosen  Sandbodens  und  der  Eingriffe  des  Tiber  stellenweise 
sogar  sehr  gefährlich  ist.  Den  ganzen  dreieckförmigen,  jetzt  grösstentheils  von  Weingär- 
ten eingenommenen  Raum  aber  beherrscht  jene  räthselhafte  kahle  Höhe  des  sog.  Monte 
Testaccio,  von  deren  Entstehung,  welche  nach  einem  innen  aufgefundenen  durch  den 
Hügel  selbst  verschütteten  Grabmale^  möglicherweise  noch  aus  republicanischer  Zeit, 
jedenfalls  eine  künsthche  ist,  die  Vermuthung  am  entsprechendsten  erscheint,  sie  sei 
durch  eine  Schuttaufhäufung  nach  dem  neronischen  Brande  wenigstens  begründet  wor- 
den. Denn  Tacitus  berichtet,  dass  Nero  zur  Ablegung  des  Schuttes  die  Sümpfe  von  Ostia 
bestimmt  habe  und  dass  die  Getreideschiffe  ihn  als  Rückfracht  dahin  führen  sollten.^  Der 
Schutt  musste  daher  jedenfalls  an  das  Emporium  geschafft  werden,  und  wir  wissen  nicht, 
ob  die  Verfrachtung  wirklich  zur  Ausführung  kam.  Dass  der  Hügel  aus  Schutt  und  Scher- 
ben bestehe,  ist  Thatsache,  und  daher  rührt  auch  der  Name ,  welcher  wahrscheinlich  an- 
tiken Ursprunges  ist,  obwohl  vor  dem  8.  Jahrhundert^  keine  Erwähnung  bekannt  ist. 
Neben  diese  Vermuthung  mag  als  interessante  Curiosität  die  Volkssage  gestellt  werdeö, 
wonach  der  Berg  aus  den  aufgehäuften  Töpfen  entstanden  wäre,  in  welchen  die  unter- 
worfenen Völker  den  Tribut  nach  Rom  gebracht  hätten !  * 


129.    Die  Porta  Aurelia  (Pancraziana). 

Auf  dem  jenseitigen  Tiberufer  bildet  die  aurelianische  Mauerlinie  nicht  mehr  die 
Gränze  des  Stadtgebietes,  welches  (mit  Ausnahme  des  südlichen  Theiles,  wo  die  moderne 


*  Eschinardo,  Descriz.  di  Roma  e  dell'  agro  Romano.  1750.  p.  441.    Fabretti  Inscr.  No.  638  &  639.         

Ann.  \V.  43.       ^  Eine  Inschrift  im  Chalcidicum  von  S.  Maria  in  Cosmedin  aus  dem  8.  Jahrhundert  nennt  Weinberg 
auf  dem  »Testacius«.         *  Nardini,  Roma  vet.  VII.  9.   (Graev.  Th.  A.  R.  (om.  IV.  p.  1401.) 


Tacit. 

;e 


544  Die  aurelianische  Mauer. 

Stadt  etwas  weiter  zurücktrat)  den  laniculus  und  Vaticanus  umschliessend  nach  der 
Abgrenzung  und  neuen  Ummauerung  unter  Urban  VIII.  sich  bedeutend  weiter  aus- 
gedehnt hat.  Die  dadurch  unnütz  gemachten  aurehanischen  Mauern  sind  desshalb 
grösstentheils  verschwunden,  doch  lässt  sich  ihre  Richtung  nach  den  einzelnen  in  den 
Weingärten  befindHchen  oder  zu  modernen  Gebäuden  benutzten  Resten  noch  verfolgen. 

Das  südlichste  'Thor  des  jenseitigen  Ufers  befand  sich  bis  zum  siebzehnten 
Jahrhundert  etwas  über  500  M.  (nach  Nolli's  Plan)  weiter  südlich  als  die  jetzige  von 
Urban  VIII.  im  J.  1644  neu  erbaute  und  von  Innocenz  X.  restaurirte  Porta  Portese. 
Sie  trug,  wie  die  jetzige  von  der  nach  Portus  führenden  Strasse  Portuensis  genannt, 
dieselbe  Inschrift  wie  Porta  S.  Lorenzo  und  Maggiore,^  und  war,  wie  es  scheint,  noch 
wohlerhalten,  als  die  neuen  Befestigungen  Urbans  ihren  Untergang  zu  fordern  schienen. 

Auch  von  dem  nächsten  aurelianischen  Thore,  Porta  Aurelia  (vetus),  dem  Aus- 
gangspunkte der  an  der  Küste  des  tyrrhenischen  Meeres  bis  Ligurien  führenden  Via 
Aurelia,  schon  zu  Procops  Zeit  wie  noch  jetzt  von  der  ausserhalb  liegenden  Kirche 
des  h.  Pancratius  Pancratiana  genannt,^  doch  noch  im  9.  und  12.  Jahrhundert^  unter 
seinem  alten  Namen  erscheinend,  hat  sich  zwar  ebenfalls  keine  Spur  erhalten,  doch 
befindet  sich  das  neue  Thor  noch  an  der  Stelle  des  alten.  Nachdem  schon  Urban  VIII. 
es  ähnlich  der  Porta  Portese  ganz  umgebaut  hatte,  litt  es  im  J.  1849  bei  der  Er- 
stürmung durch  den  französischen  General  Oudinot  wieder  so  bedeutend,  dass  Pius  IX. 
es  ganz  neu  herzustellen  beschloss,  was  im  J.  1857  zur  Ausführung  kam.  Zu  beiden 
Seiten  sieht  man  noch  Reste  der  divergirenden  Linien  der  aurelianischen  Mauer. 


130.    Die  Porta  Septimiana. 

So  wie  sich  Aurelian  öfters  verschiedener  in  der  Mauerlinie  liegender  Denk- 
mäler für  dieselbe  bediente,  so  scheint  er  auch  einen  schon  vorher  bestehenden  Ein- 
gang in  eine  Anlage  des  Septimius  Severus  (Bäder?)  zu  einem  Thore  benutzt  zu  haben, 
welcher  auch  daher  den  Namen  Porta  Septimiana  erhielt.  Leider  wurde  auch  dieses 
Thor  wie  die  übrigen  transtiberinischen,  nachdem  es  schon  vorher  arg  geHtten  hatte, 
unter  Alexander  VI.  niedergerissen,  und  wir  wissen  nur,  dass  es  eine  Inschrift  des 
Septimius  getragen  hatte,'*  und  dass  jenes  schlichte  von  demselben  Papste '  erbaute 
Thor,  welches,  den  Eingang  zur  Via  della  Longara  bildend,  noch  besteht,  an  der 
Stelle  des  alten  erbaut  wurde,  wie  auch  noch  der  alte  Name  daran  haftet.  Das  Thor 


'  Grut.  Iiiscr.  p.  CLXV.  No.  1.  *  de  bell.  Goth.  1.  18.  23.  »  Anonym.  Einsiedl.    (Arch.  f.  Philol. 

Suppl.  V.  S.  4  38.)     Lib.   de  Mirab.  U.  R.   (Montf.  Diar.  Ital.   p.  283.)  *  A.  Fulvii,  Antiq.  U.  R.  1527.  fol.  XI. 

L.  Fauno,  Antichitä  di  Roma.  Ven.  154  8.  fol.  25. 


Die  Porta  Septimiana.  545 

wird  von  Spartian  ausdrücklich  und  in  einer  Weise  erwähnt,  als  ob  jenes  Thor, 
welches  ja  in  Septimius  Severus'  Zeit  noch  nicht  zur  Stadtmauer  gehört  haben  konnte, 
ursprünglich  mit  einer  Bäderanlage  in  Verbindung  gestanden  wäre^ 

Von  hier  aus  lief  die  Mauer  an  den  Fluss,  welchen  sie  oberhalb  Ponte  Sisto, 
nicht  an  demselben  erreichte,  wie  diess  Verfasser  gegen  Becker'  schon  früher 
behauptet  hat,  und  wie  es  neuestens  von  Jordan  gerade  aus  Becker's  hauptsäch- 
lichstem Beweismittel^  unwiderleglich  gezeigt  worden  ist*.  Dem  transtiberinischen 
Endpunkte  gegenüber  begann  dann  die  Mauer  wieder  am  linken  Ufer  so  dass  an 
beiden  Seiten  des  Flusses  die  zwischen  dem  Emporium  und  der  Farnesina  liegenden 
Uferstrassen  ohne  Mauerschutz  blieben.  Dieser  konnte  aber  in  Belagerungsfällen 
durch  Ketten  ersetzt  werden,  die  man  unten  und  oben  von  einem  Ufer  zum  andern 
spannte.  Von  Palazzo  Farnese  an  zog  sich  dann  die  Mauer,  durch  2  Pförtchen  '  die 
Verbindung  mit  den  Brücken  unterhaltend,  stromaufwärts  bis  zur  älischen  Brücke, 
wo  sich  ein  Thor  befand,  Porta  Aurelia  (nova?)  oder  Porta  S.  Petri,  welches,  wie 
die  ganze  letzterwähnte  Mauerstrasse,  jetzt  spurlos  verschwunden  ist.  Hier  finden 
sich  nun  fast  unüberwindliche  Schwierigkeiten,  welche  hauptsächlich  Procops  Un- 
klarheit herbeigeführt  hat.  Im  Gegensatze  gegen  die  früher  auch  von  uns  ange- 
nommene Erklärung,  dass  es  zwei  Portae  S.  Petri  gegeben  haben  müsse,  nämlich 
an  den  beiden  Enden  der  älischen  Brücke,  suchte  Jordan  zu  erweisen,  dass  nur  an 
eine,  auf  dem  linken  Ufer  befindliche  gedacht  werden  könne.  Diese  ist  unzweifel- 
haft durch  die  Einsiedler  Mauerbeschreibung,  welche  einmal  die  Linie  von  Porta  S. 
Petri  zur  Porta  Flaminia  und  dann  die  Mauerlinie  vom  Fluss  (bei  Ponte  Sisto)  nach 
der  Porta  S.  Petri  giebt,  was  nach  Analogie  der  Beschreibung  von  Porta  Ostiensis 
nach  Porta  Portuensis  nicht  in  der  Weise  hätte  geschehen  können,  wenn  der  Fluss 
die  Linie  zerrissen  hätte.  Wie  aber  die  Befestigung  des  Hadrianeum's  angeordnet 
war,  die  wohl  ein  ganz  selbständiges  Fort  bildete,  bleibt  unklar.  Denn  wenn  sie 
sich  an  den  Fluss  angeschlossen  hätte,  so  wäre  entweder  die  Communication  mit 
dem  Vatican  über  die  Engelsbrücke  ganz  unterbrochen  gewesen,  oder  es  hätte  noch 
zweier  Thore  bedurft,  eines  am  westlichen  Brückenende  und  eines  weiteren  in 
der  südlichen  Schenkelmauer.  Die  letzteren  Annahmen  werden  durch  die  Wieder- 
holung der  ,, Porta  S.  Petri''  beim  Anonymus  wie  durch  die  von  demselben  ,,in  arcu 
proximo  ponte  Petri"  gelesene  Bogen-Inschrift  des  Gratianus  Valentinianus  und 
Honorius,  welche  den  Bogen  „ad  concluderdum  orane  opus  porticuum"  (Halle  nach 
dem  Vatican '')    erbauten,    die  wahrscheinlicheren.      Erhalten    ist  von   den   letztge- 


1  Script.  H.  A.  (Spartian.)     Sept.  Sev.  c.  19.  2  Hdb.  d.  röm.  A.  I.  S.  494.  ^  Procop.  de  hello 

Goth.  I.  ■ig.  <  Top.  I.  374.  »Anonym.  Einsiedl.  «Procop.  de  b.  Goth.  I.  22. 

F.  Keber,  Rom.  69 


g^ß  Die  Umgebung  Rom's. 

nannten  Thoren  und  Bogen  keine  Spur  mehr.  Ebenso  nichts  mein-  von  der  den 
Fhiss  entlang  bis  an  den  Punkt  ziehenden  Mauer,  wo  die  von  der  Flaminia  aus- 
sehende Mauerlinie  den  Fluss  berührt,  mit  Ausnahme  der  Ecke  selbst. 


xni.    Die  Umgebung  Roms. 

Wenn  wir  noch  einen  Blick  auf  die  nächste  Umgebung  Roms  werfen  wollen, 
so  kann  diess  schon  der  Mauerumschliessung  der  nächsten  Grundstücke  wegen 
nur  unter  Begehung  der  strahlenförmig  von  der  Hauptstadt  auseinanderzweigenden 
Strassen  geschehen,  üebrigens  drängen  sich  auch  die  meisten  Ruinen  der  Um- 
gebung an  die  Hauptwege,  was  in  der  angestrebten  Zugänglichkeit  der  betreffenden 
Bauwerke  seinen  nahe  liegenden  Grund  hat.  Die  zahllosen  Gräber  aber,  der  Haupt- 
theil  aller  Campagnaruinen ,  bildeten  wenigstens  seit  dem  Anfang  der  Kaiserzeit 
einen  weitreichenden  Saum  der  Heerstrassen,  wodurch  gerade  die  römische  Be- 
stattungsart von  dem  altitalisch  -  etrurischen  wie  von  dem  modern  europäischen 
Nekropolensystem  sich  unterscheidet. 

Die  Strassennamen  sind  in  der  Regel  mit  den  Thornamen  der  aurelianischen 
Mauer,  im  Gegensatze  zu  den  Thornamen  des  servischen  Mauerringes  identisch. 
Diese  aber  sind  gewöhnlich  dem  Ziele,  wohin  die  Wege  führen  entlehnt.  Die  älteren 
Strassen  weichen  davon  ab:  so  die  Salaria,  welche  als  Salzstrasse  keine  geogra- 
phische oder  die  Latina,  welche  nur  eine  allgemeine  Bezeichnung  erhalten  hat,  so 
auch  die  ältesten  Kunststrassen,  die  Appia,  die  Flaminia  und  Aurelia,  welche 
von  den  Erbauern  den  Namen  haben.  Keinem  Strassennamen  entspricht  nur  die 
Porta  Metro  via,  deren  Bestimmung  überhaupt  ganz  zweifelhaft  ist. 

Die  Via  Flaminia,  mit  welcher  wir  dem  Rundgang  um  die  aurelianische 
Mauer  entsprechend  unsere  Betrachtung  beginnen  scheint  sich  in  gerader  Linie  von 
der  servischen  Porta  Ratumena  nördlich  vom  Capitol  nach  der  mulvischen  Brücke 
erstreckt  zu  haben,  fiel  demnach  weder  mit  dem  Corso  noch  mit  dessen  Verlängerung 
ausserhalb  der  Porta  del  Popolo  zusammen,  sondern  hef  mit  beiden  parallel  östlich 
von  denselben.  Die  Demolirungsarbeiten  der  beiden  letztvergangnen  Jahre  an  den 
Bastionen  der  mittelalterlichen  und  seit  Pius  IV  öfter  restaurirten  Porta  del  Popolo 
haben  ergeben*,  dass  die  Ebnung  des  Platzes  wie  der  Bau  wirklich,  wie  schon 
Flaminio  Vacca^  angiebt,  mit  Zerstörung  der  benachbarten  Grabdenkmäler  verbunden 

1  C.  L.  Visconti.     Delle  scoperte  avvenute  per  la  demolizione  delle  torri  della  porta  Flaminia.     Bull, 
mun.  4  877  p.  181.  2  Memorie.    No.  113  (Fea.  Miscell.) 


Die  Umgebung  Rom's.  547 

war,  zu  welchen  sowohl  das  am  Abhang  des  Pincio  bei  S.  Maria  del  Popolo  gelegene 
Domitiergrab  in  welchem  Nero  bestattet  wurde  als  das  Pyramidalgrab  bei  S.  Maria 
de'  Miracoli  gehörte.  Die  neue  Strasse  bis  zum  Ponte  Molle  bietet  keine  Antiken 
dar;  die  Brücke  selbst,  in  ihrer  Anlage  noch  aus  repubhcanischer  Zeit  stammend, 
und  in  dem  corrumpirten  Namen  Pons  Mulvius  auf  einen  unbekannten  Erbauer 
von  G44  d.  St.  weisend  ist  jetzt  grossentheils  modern.  Gleichwohl  wird  sie  eine  Reihe 
von  historischen  Reminiscenzen  wachrufen:  so  an  die  Gefangennehmung  der  in  die 
catilinarische  Verschwörung  verwickelten  Allobroger,  an  die  nächtlichen  Ausschweif- 
ungen Nero's,  namentlich  aber  an  den  epochemachenden  Sieg  Gonstantins  über 
Maxentius.  Unverändert  erheben  sich  zur  Linken  die  Zeugen  jener  Schlacht,  die 
benachbarte  Höhe  des  Monte  Mario  über  den  majestätisch  geschwungenen  Bogen 
des  Tiber,  sowie  sie  Raphael  beim  Entwurf  seiner  Constantinsschlacht  vor  Augen 
waren.  Unmittelbar  nach  dem  Uebergang  über  die  Brücke  spaltet  sich  die  Heer- 
strasse. Die  den  Namen  Flaminia  tragende  Hauptstrasse  biegt  rechts  ab ,  wahr- 
scheinlich bis  Tor  di  Quinto  nicht  mehr  die  antike  Linie  verfolgend,  welche  sich  in 
der  Ebene  und  näher  am  Fluss  hält.  Sie  bietet  nichts  Wesentliches  von  Antiken 
bis  zur  7.  Miglie,  wo  die  Strasse  das  Tiberthal  verlässt  und  durch  einen  tiefen 
Einschnitt  in  die  Felsen  sich  links  wendet,  und  wo  der  Name  des  Fleckens  Prima- 
porta  durch  neue  Funde  erneute  Bedeutung  gewonnen  hat^  nachdem  schon  bisher 
die  Saxa  rubra  wie  die  Gegend  von  Prima  porta  im  Alterthum  hiess,  durch  den  Beginn 
der  Constantinschlacht  historische  Bedeutung  besessen  hatte.  Die  Locahtät  liegt  schon 
ausserhalb  des  uns  gesteckten  Rayons,  und  wir  müssen  uns  begnügen,  die  den 
Triumphlorbeer  spendende^  kaiserliche  Villa  nur  zu  erwähnen,  welche  Livia  Au- 
gusta  unter  dem  Namen  „ad  gallinas"  hier  auf  dem  die  Via  Flaminia  und  Tiberina 
trennenden  Plateau  angelegt  hat^  und  von  welcher  ausser  Mosaiken,  Büsten  von 
Sept.  Severus  und  seiner  Familie  am  20.  April  i  863  die  prächtige  Statue  des  Au- 
gustus  ,,von  Primaporta"  jetzt  im  Vatikan,  gefunden  wurde,  wie  auch  in  demselben 
Jahre  die  schöne  als  Laube  ausgemalte  Gartengrotte  mit  Tonnengewölbe,  welche 
für  die  ältere  römische  Wandmalerei  von  so  grossem  Interesse  geworden  ist. 

Die  jenseits  Ponte  molle  in  direkt  nördlicher  Linie  von  der  Flaminia  ab- 
zweigende Strasse  verfolgt  in  der  Hauptsache  die  Richtung  der  alten  Via  Cassia 
oder  Clodia  (?)  welche  über  Veji  nach  Oberitalien  führte.  Das  einzige  namhaftere 
antike  Monument,  welches  dieser  Weg  darbietet,  ist  das  Grabmal  des  Publius  Vibius 
Marianus  und  seiner  Gemahlin  Reginia  Maxima,  jenseits  der  Höhen  von  Monte  Mario 


1  G.  Henzen  c  E.  Brunn,  Scavi  de  Prima  porta.     Bull.  d.  I.  d.  c.  a.    1863  p.  71—78.  81—76.         2  pijn. 
II.  N.  XV.  30.   40.         3Dio  XLVIII.  52.    Suet,  Galba  1. 


548  '^'^  Umgebung  Rom's. 

und  der  Brücke  über  den  Fosso  dell  aqua  traversa  zwischen  der  4.  und  5.  Miglie 
liegend.  Es  befindet  sich  links  von  der  modernen,  rechts  von  der  jetzt  verlassenen 
aber  stellenweise  noch  durch  die  bekannte  Polygonpflasterung  kenntlichen  antiken 
Strasse,  und  besteht  aus  einem  Marmor-Sarkophag,  der  auf  einem  hohen  Unterbau 
ruht  und  auf  der  von  der  modernen  Strasse  ab-  und  der  antiken  zugewandten 
Seite  die  durch  Inhalt  wie  Form  auf  den  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  weisende 
Inschrift  trägt.  Wir  lernen  durch  dieselbe  den  Marianus  als  Gouverneur  von  Sar- 
dinien, Tribunen  der  X.  Cohors  praetoria  V.  urbana,  IV.  vigilum,  als  Praefectus 
der  Leg.  II.  Italica  u.  s.  w.  kennen.  Das  bereits  1 1  Miglien  von  Porta  Flaminia 
entfernte  Veji  (Isola  Farnese)  entzieht  sich  unserer  Betrachtung  \ 

Der  geschlossenen  Porta  Pinciana  entspricht  keine  Strasse,  sondern  nur  ein 
kurzer  Vignenweg,  welcher  bei  der  Villa  Albani  in  die  Via  Salaria  mündet. 

Die  Via  Salaria,  die  alte  Salzstrasse  der  Sabiner  (vgl.  S.  518  Anm.  5) 
hält  sich  bis  zum  Flüsschen  Rio  Linguessa  ziemlich  nahe  an  das  linke  Tiberufer, 
worauf  sie  sich  durch  das  Sabinergebirge  windet.  Die  unvergleichliche  Villa  Albani 
zur  Rechten  von  der  Porta  Salaria  enthält  jedoch  mehr  Antikes  als  die  ganze  Strasse. 
Wenig  mehr  als  zwei  Miglien  entfernt  links  von  der  Strasse  auf  der  den  Zusammen- 
fluss  von  Anio  (Teverone)  und  Tiber  beherrschenden  Anhöhe  muss  das  uralte  An- 
temnä  gesucht  werden;  erhalten  hat  sich  nichts,  denn  die  Reste  von  drei  recht- 
winkligen in  Travertin  gebauten  Gräbein,  welche  sich  ein  Kilometer  von  der  Anio- 
brücke  entfernt  rechts  von  der  Strasse  befinden,  stehen  mit  Autemnae,  das  in  der 
Kaiserzeit  zu  einem  Landgute  herabgesunken  war^,  in  keinem  Zusammenhang.  — 
Die  Aniobrücke,  welche  bis  in  unser  Jahrhundert  noch  theilweise  auf  Narses  zurück- 
ging und  ähnlichen  Charakters  war  wie  Ponte  Nomentano,  Mammolo  und  Lucano 
ist  jetzt  völlig  neu.  Jenseits  der  Brücke  zeigt  die  malerische  Osteria  di  Mentana 
einen  mittelalterlichen  Thurm,  der  sich  auf  dem  massiven  Kern  eines  stattlichen 
antiken  Grabmales  erhebt.  Hier  hatten  sich  die  Gallier  gelagert  und  hier  jene 
Niederlage  erlitten,  welcher  Titus  Manlius  Torquatus  seinen  Ruhm  verdankt.  Etwas 
über  eine  Miglie  weiterhin  muss  das  Landgut  des  Freigelassenen  Phaon,  das  in  der 
Nähe  des  4.  Meilensteines  zwischen  der  Via  Salaria  und  Nomentana  angegeben 
wird^,  angenommen  werden,  der  Schauplatz  des  Todes  Nero's.  Erhalten  ist  davon 
nichts  mehr,  und  der  Versuch  die  Sandgrube,  welche  Phaon  seinem  Herrn  als 
Schlupfwinkel  darbot,  mit  einem  hier  vorkommenden  Steinbruch,  und  die  Pfütze  aus 
welcher  der  Verfolgte  trank  mit  dem  Lago  di  Serpentara  zu  identificiren,  ist  wohl 
etwas  gewagt.     Nicht  ohne  Interesse  ist  dann    die  5  Miglien  von   der  Stadt  anzu- 

1  L.  Canina,  Descrizione  della  antica  citta  di  Veii,  Roma  1847.         2  strabo  V.  3,  2.  p.  230.         3  Sueton. 
Nero  48. 


Die  Umgehung  Rom's.  549 

nehmende  Stelle  von  Fidenä.  Ob  die  Höhe  von  Castell  Giubileo  (eine  Gründung 
des  Papstes  Bonifacius  VIII)  Hnks  von  der  Strasse,  oder  das  Plateau  rechts  von 
derselben,  welches  in  den  Felsschroffen  noch  schmucklose  Grottengräber  zeigt,  für 
die  Stadt,  aber  ob  die  eine  für  die  Stadt,  die  andere  für  die  Nekropole  zu  halten 
sei,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Wir  verfolgen  die  Strasse  nicht  weiter,  welche 
auch  von  den  schon  im  Sabinergebiet  zu  suchenden  Städten  Crustumeiium  und 
Eretum  keine  kenntlichen  Reste  mehr  enthält. 

Nicht  mehr  bietet  die  Via  Nomentana  dar,  bis  Ponte  Lamentano  jetzt 
grösstentheils  verlassen,  indem  die  neue  Strasse  sich  der  Thorverlegung  (Porta  Pia) 
entsprechend  zumeist  links  von  der  alten  Linie  hält.  Die  Strasse  berührt  die 
berühmten  altchristlichen  Cultstätten  S.  Agnese  und  besonders  die  übrigens  jetzt  mehr 
abseits  liegende  Rotunde  S.  Costanza.  Obwohl  aus  constantinischer  Zeit  stammend, 
entzieht  sich  doch  die  kunstwissenschaftlich  so  wichtige  Grabkapelle  als  christlich 
hier  der  Betrachtung,  und  es  muss  genügen  darauf  hinzuweisen,  dass  zwar  auch 
hier  an  Basen  und  Capitälen  die  Spoliation  vorhandener  Bauten  bereits  ersichtlich 
ist,  dass  aber  wenigstens  noch  die  Granitschäfte  der  Säulen  für  den  vorliegenden 
Zweck  neu  hergestellt  worden  sind,  wie  die  Barbarei  rechtwinkligen  Anlaufs  wie 
Ablaufs  an  denselben  zeigt,  die  keiner  frühern  Zeit  zugemuthet  werden  könnte. 
Ausser  einem  mit  Pilastern  geschmückten  Backsteingrabmal  in  Heroonform  beim  3. 
Kilometerstein  links  etwas  abseits  von  der  Strasse  finden  sich  keine  nennenswerthen 
Ruinen  bis  Ponte  Lamentano,  der  in  seiner  ursprünglichen  Anlage  in  die  Zeiten 
des  Exarchats  (Narses)  fällt.  Nahe  daran  sieht  man  noch  zwei  Grabmäler,  das  links- 
seitige, einen  Cylinderbau  auf  kubischer  Basis  darstellend,  das  rechtsseitige  in  seiner 
ursprünglichen  Gestalt  nicht  mehr  erkennbar.  Unter  den  Höhen  links  jenseits  des 
Anio  mag  man  den  Mons  sacer  suchen,  bekannt  durch  die  Secession  der  Plebs.  Der 
weitere  Strassenlauf  bietet  nichts  bemerkenswerthes,  ob  Nomentum  von  welchem 
der  alte  Strassenname  herrührt,  das  heutige  Mentana,  ist  fraglich.  Die  Strasse  zeigt 
mehre  Abzweigungen,  eine  westwärts  gegen  die  Salaria,  eine  ostwärts  nach  Palombara. 

Entspricht  dem  geschlossenen  Thore  südlich  vom  prätorianischen  Lager, 
(Porta  Collatina)  jetzt  keine  Strasse  mehr,  so  bietet  die  nächstfolgende  durch  Porta 
S.  Lorenzo  führende  Hauptstrasse  nächst  der  interessanten  Doppelbasilika  gl.  Namens 
das  herrlichste  Ziel  der  ganzen  Umgebung,  welches  auch  der  Strasse  (Via  Tibur- 
tina)  den  Namen  gegeben  hat.  Der  Anfang  der  Strasse  jedoch  ist  arm  an  Antiken. 
Die  Strasse  selbst,  sich  meistens  rechts  von  der  alten  haltend,  zeigt  wohl  jenseits 
der  Basilica  gelegentlich  den  unscheinbaren  Kern  aus  Gussmasse  von  einem  sehr 
zerstörten  Grabmal  aber  sonst  kaum  eine  antike  Spur.  Auch  der  einfache  Ponte 
Mammolo  (unbekannter  Entstehung  und  Benennung)  ist  ohne  wesentliches  Interesse. 


550  Piß  Umgebung  Rom's. 

Etwas  abseits  von  der  Strasse  rechts,  zu  erreichen  wenn  man  von  der  Brücke  dein 
Anio  entlang  flussaufwärts  geht,  findet  man  zwischen  den  Tenuten  Cervara  und 
Gervaretto  noch  antike  Tufbrüche  von  nicht  geringer  Bedeutung.  Sie  sind  theils 
in  beträchthcher  Tiefe  abgebaut,  theils  aus  labyrinthischen  Schachten  und  ganzen 
Sälen,  für  deren  Decke  man  einzelne  Pfeiler  in  grosser  Regelmässigkeit  stehen 
Hess,  bestehend.  Ein  künstlicher  Thaleinschnitt  bildet  eine  Bahn  nach  dem  nahen 
Anio,  auf  dem  man  das  gewonnene  Baumaterial  nach  Rom  tlösste.  Es  sind  viel- 
leicht dieselben  Steinbrüche,  deren  Strabo  ^  neben  den  tiburtinischen  erwähnt,  und 
dabei  berichtet,  dass  man  hier  den  gabinischen  Stein,  der  auch  der  rothe  heisse, 
gebrochen  habe. 

Der  Porta  Maggiore  entsprechen,  wie  schon  bei  Behandlung  dieses  stattlichen 
Denkmales  erörtert  worden  ist,  zwei  Strassen,  welche  innerhalb  sich  trennend,  ihre 
divergirende  Richtung  hauptsächlich  in  der  Gestalt  des  Eurysacesdenkmals  zeigen, 
die  Via  Praenestina  und  Labicana.  Jetzt  spalten  sie  sich  erst  weiter  ausser-  j 
halb;  überdiess  ist  auch  die  alte  Praenestina  jetzt  zu  einem  Nebenweg  herabge- 
sunken, da  nun  die  alte  Labicana  durch  eine  Abzweigung  bei  Torrenuova  nach  links 
zur  Praenestina  gemacht  worden  ist. 

Verfolgen  wir  die  alte  Via  Praenestina,  deren  Linie  jedoch  von  dem 
zwischen  Vignenmauern  hinführenden  modernen  Wege  nicht  mehr  genau  eingehalten 
wird,  so  erreichen  wir  2!  Miglien  vom  Thor  bei  dem  sog.  Tor  de'  Schiavi  Ruinen, 
welche  zu  beiden  Seiten  der  Strasse  verschiedene  Säle  und,  Gemächer  erkennen 
lassen,  und  unter  dem  sinnlosen  Namen  Roma  vecchia  bekannt  sind.  Sie  gehören 
wahrscheinlich  zu  der  von  Gapitolinus  gepriesenen  Villa,  die  Gordian  IIL  an  der  Via 
Praenestina  erbaute,  welcher  Annahme  die  vor  20  Jahren  hier  ausgegrabenen  Musiv- 
böden  wie  die  Arbeit  der  Ziegelmauern  nicht  widersprechen.  In  der  That  gemah- 
nen die  zwei  achteckigen  Saalbauten,  von  welchen  einer  noch  Spuren  seiner  reichen 
Stuccatur  enthält  und  der  tempelartige  Rundbau  an  die  überschwengliche  Beschrei- 
bung des  Kaisergeschichtsschreibers  ^,  welcher  ausser  vier  Basiliken  daselbst  Thermen 
erwähnt,  „wie  man  sie  ausser  in  Rom  nirgends  in  der  Welt  findet." 

Ausserhalb  dieser  Ruinen  führt  eine  Strassenabzweigung  zur  Via  Collatina. 
Zahlreiche  Grabmälerreste  und  Villenruinen  sind  hier  herum  verstreut,  von  welchen 
als  namhaftester  Ueberrest  ein  Backsteinheroon  bei  der  Tenuta  Casarossa,  etwa  1  Mgl. 
von  Tor  de'  Schiavi  entfernt,  seiner  schönen  und  exact  gearbeiteten  Details  wegen 
hervorzuheben  ist.  Die  Via  Collatina  selbst  hält  sich  nun  nahe  an  die  Leitung  der 
Aqua  Virgo,  zu  deren  schon  von  Frontin  am  8.  Meilensteine  der  Via  Collatina  ange- 


IV.  p.  164.  »Script.  II.  A.  (Gapitolinus)  Gord.  III.  32. 


Die  Umgebung  Rom's.  551 

gebenen  Queilfassung  man  in  der  angegebenen  Entfernung  links  von  der  Strasse 
gelangt.  Das  ursprüngliche  Ziel  der  Strasse,  Gollatia,  1 1  Mgl.  von  Rom,  liegt  zvs^ar 
schon  ausserhalb  des  uns  gesteckten  Ziels ,  doch  darf  bemerkt  werden ,  dass  man 
sich  in  der  Bestimmung  dieser  durch  die  Begebenheit  mit  Lucretia  denkwürdigen 
Stadt  mit  J.  H.  Westphal  und  P.  Rosa,  welche  sie  auf  der  Höhe  der  Tenuta  Lung- 
hezza  suchen ,  gegen  W.  Gell  und  A.  Nibby  entscheiden  muss,  welche  sie  fast  vier 
Miglien  südöstlich  davon  an  der  Stelle  von  Castel  dell'  Osa  annehmen.  Die  Thor- 
wege an  dem  für  eine  solche  Annahme  ganz  passenden  Hügel  sind  noch  kenntlich, 
von  Mauern  oder  anderen  Ruinen  ist  keine  Spur  mehr  übrig.  Die  Via  Praenestina, 
die  wir  3  Mgl.  von  Rom,  der  Collatina  uns  zuwendend  verlassen,  bietet  bis  zu  dem 
8  Mgl.  von  Rom  befindlichen  antiken  Viaduct  (Ponte  di  Nono)  wenig.  Er  hat  eine 
Gesammtlänge  von  95  Met.  und  wird  von  7  Bogen,  deien  mittelster  fast  15  Met. 
hoch  ist,  gebildet.  Die  Tuf-  und  Paperinblöcke  des  stattlichen  Baues  erreichen  eine 
Länge  bis  über  3  Meter,  eine  Mächtigkeit,  welche  die  vortreffliche  Gonservirung 
des  Ganzen  —  selbst  das  antike  Polygonpflaster  ist  noch  erhalten  —  leicht  erklärt. 
Fällt  indess  schon  dieses  Denkmal  eigentlich  ausserhalb  unseres  Bereichs,  so  noch 
mehr  die  drei  Miglien  weiterhin  gelegene  Stelle  von  Gabii,  welche  bei  der  mittel- 
alterlichen Ruine  Gastiglione  und  dem  Lago  di  Pantano  (Lacus  Gabinus)  durch  die 
antiken  Entfernungsangaben  wie  durch  die  Funde  von  1792  gesichert  scheint.  Die 
weite  Strecke  bis  an  das  Ziel  der  Strasse,  dem  herrlichen  und  antikenreichen 
Palestrina  (Praeneste),  bietet  dem  Antiquar  kein  weiteres  Interesse. 

Jetzt  führt  nach  Präneste  eine  andere  im  entsprechenden  Stand  gehaltene 
Strasse,  während  die  alte  Pränestina  den  Charakter  einer  Hauptstrasse  verloren  hat, 
nämlich  die  alte  Via  Labicana.  Der  namhafteste  Antikenrest  ist  die  unter  dem 
Namen  Tor  Pignattara  bekannte  Ruine,  zwei  Miglien  vor  Porta  Maggiore.  Sie  ge- 
hörte einem  grossen  Backsteinrundbau  an,  dessen  Ziegelarbeit  auf  die  constantinische 
Zeit  weist.  In  den  erhaltenen  Gewölberesten  erkennt  man  noch  das  in  der  spätem 
Kaiserzeit  eingeführte  Verfahren  der  Entlastung  der  Gewölbe  durch  Einsetzung  von 
ganzen  Geschirren  und  von  Terracottascherben,  wie  es  sich  auch  in  den  muthmasslich 
gordianischen  Bauten  von  Tor  degli  Schiavi,  am  Circus  des  Maxentius,  im  Gewölbe 
des  Janus  Quadrifrons  und  am  entwickeltsten  in  S.  Vitale  zu  Ravenna  findet.  ^  Die 
Tradition,  welche  den  Porphyrsarkophag,  der  im  i  2.  Jahrhundert  durch  Papst  Anas- 
tasius  IV.  oder  Hadrian  IV.  von  hier  nach  dem  Lateran  (jetzt  im  vatican.  Museum) 
gebracht  worden  war,  der  h.  Helena  zuschreibt,  scheint  durch  Angaben  des  Liber 
Pontificahs,  die  jedoch  an  einer  Stelle  von  einer  Basilica  des  Petrus  und  Marcellinus 


1  R.  Bergau,  Su  vasi  fittili  usati  per  la  costrazione  delle  volte.  Ann.  d.  J.  d.   c.  a.  1867.  p.  405—408. 


552  "'6  Umgebung  Rom's. 

neben  dem  Mausoleum  und  an  einer  anderen  von  dem  Coeraeterium  dieser  beiden 
Heiligen  neben  der  Basilica  der  h.  Helena  spricht ' ,  einige  Begründung  zu  erhalten, 
da  in  der  That  die  genannte  Basilica  unmittelbar  an  die  Ruine  stösst.  Andere 
Nachrichten  freilich  lassen  die  h.  Helena  in  Palästina  gestorben  und  in  Gonstantinopel 
begraben  sein.  ^  Der  weitere  Strassenlauf  bis  zu  der  1 5  Mgl.  von  Rom  liegenden 
Stelle  des  antiken  Labicum  (vielleicht  Golonna)  bietet  ausser  sehr  zerstörten  Gräber- 
resten nichts  Bemerkenswerthes. 

Ausser  der  Via  Labicana  führten  im  Alterthum  nach  dem  Albanergebirge  und 
dem  Südosten  noch  zwei  andere  hochwichtige  Strassen,  die  jetzt,  wie  die  beiden 
sie  entlassenden  gleichnamigen  Thore,  ihre  Verkehrsbedeutung  ganz  oder  gröss- 
tentheils  verloren  haben,  nämlich  die  Via  Latina  und  dieViaAppia.  Ihre  Stelle 
haben  seit  Langem  die  Strada  di  Frascati  und  die  Strada  Nazionale  ad  Albano  (Via 
Appia  nuova)  eingenommen,  beide  an  der  Porta  S.  Giovanni  beginnend,  die  wir 
als  die  moderne  Stellvertreterin  der  vorher  unwichtigen  und  nur  eine  Zweigstrasse 
nach  der  Via  Latina  vermittelnden  Porta  Asinaria  bei  Beschreibung  der  Thore  (S,  536) 
kennen  gelernt  haben.  Seit  Eröffnung  der  Eisenbahnen  nach  dem  Süden  haben 
auch  diese  Strassen  den  grössten  Theil  ihrer  Bedeutung  eingebüsst  und  dienen  im 
Wesentlichen  nur  mehr  dem  Campagnaverkehr. 

Die  Strada  di  Frascati  bietet  an  Antiken  wenig  Bemerkenswerthes.  Nach- 
dem sie  zwei  Miglien  von  Porta  S.  Giovanni  in  der  sog.  Porta  Furba  den,  Aquäduct 
der  Aqua  Feiice  (vielleicht  Alexandrina)  duichschnitten,  erregt  zur  Linken  ein  Tu- 
mulusgrab  (Monte  del  Grano  genannt)  einige  Aufmerksamkeit,  doch  ist  der  Name 
des  Alexander  Severus  dafür  aus  der  Luft  gegriffen.  Das  Denkmal  lieferte  1 599  den 
schönen  Sarkophag  mit  Scenen  aus  der  Iliade  (capitol.  Museum).  Weiterhin  erkennt 
man  noch  zwischen  der  modernen  Strasse  und  der  Via  Latina  Wasserleitungscastelle 
und  endlich,  etwa  5  Mgl.  von  der  Stadt,  zur  Rechten  die  ungemein  malerischen 
Backsteinruinen  der  sog.  Sette  Bassi,  von  den  einen  dem  in  der  Vita  Silvestri  er- 
wähnten Fundus  Bassi,  von  den  anderen  dem  Suburbanum  Hadriani  zugeschrieben, 
womit  jedoch  die  sicher  späteren  Ruinen  keinen  Zusammenhang  haben  können. 

Die  Strada  nazionale  ad  Albano  hat  ihre  für  den  Antiquar  interessanteste 
Stelle  da,  wo  sie  die  alte  Via  Latina  durchschneidet,  was  genau  2  Miglien  von 
der  Stadt  geschieht.  Hier  tritt  eine  grosse  Strecke  des  antiken  Polygonpflasters  zu  Tage, 
zu  beiden  Seiten  aber  wohlerhaltene  and  durch  moderne  Ueberbauung  geschützte 
Gräber  mit  Malereien  und  ausergewöhnlich  feinen  Sculpturen,  von  welchen  die  her- 


1  Vit.  S.  Silvest.  S.  Hadr.  p.  17.  u.  HO,  Paris  1769.  2  Eusebius,  Vit.  Constant.  III.  45  sq.  Socrates, 

Hist.  Eccl.  T.  13. 


Die  Umgebung  Rom's.  553 

voiragendsten  eine  besondere  Publication  gefunden  haben.  ^  Daneben  wurde  eine 
in  ihrer  obern  Hälfte  zerstörte  alte  Basilica  aufgedeckt,  welche  der  altchristlichen 
Archäologie  nicht  geringen  Vorschub  geleistet  hat.  Der  weitere  ziemlich  geradlinige 
Strassenlauf  der  Latina,  der  jedoch,  wie  stadteinwärts  nach  der  jetzt  verschlossenen 
P.  Latina,  so  auch  gegen  die  Campagna  seinen  Verkehrscharakter  längst  eingebüsst, 
reizt  zur  Verfolgung  wegen  der  Durchschneidung  oder  unmittelbaren  Annäherung  von 
imposanten  Aquäducten,  der  Aqua  Marcia,  der  Aqua  Alexandrina  (Feiice)  und  der 
Aqua  Claudia.  Sonst  bietet  die  Strasse  bis  an  ihre  Einmündung  in  die  von  der  Strada 
di  Frascati  abzweigende  Strada  di  Grottaferrata  nichts  Wesentliches.  Das  antike  Tus- 
culum  entzieht  sich  durch  seine  Entfernung  unserer  Betrachtung. 

Wir  gelangen  nun  zur  Via  Appia,  der  „Regina  viarum"  wie  sie  Statius  ^ 
mit  Recht  nennt.  Als  die  älteste  römische  Kunststrasse  442  d.  St..  (312  v.  Chr.) 
von  dem  Censor  Appius  Claudius  Caecus  angelegt,  doch  erst  469  d.  St.  von  Rom  bis 
Bovillae  gepflastert,  wurde  sie  in  einer  Erstreckung  von  1 3  Miglien  von  der  ersten 
Miglie  vor  Rom  an  in  gerader  Linie  grösstentheils  auf  eine  vom  Albanergebirge 
kommende  Lavazunge  gebaut,  und  musste  ihrer  Richtung  wie  Ausführung  wegen 
von  jeher  als  die  bedeutendste  Strasse  gegen  Süden,  wie  die  Flaminia  gegen  Norden, 
erscheinen.  Ihr  lebhafter  Verkehr  machte  sie  besonders  zur  Anlage  von  Grabdenk- 
mälern beliebt,  die  sich  ununterbrochen  von  Rom  bis  Albanum  erstreckten  und  die 
Nekropole  des  caesarischen  Rom  in  der  Hauptsache  bildeten.  Seit  der  Anlage  der 
Porta  S.  Giovanni  und  der  Via  Appia  nuova  wurde  sie  wenigstens  von  S.  Sebastiano 
aus  ganz  verlassen.  Diess  trug  nicht  wenig  zur  Erhaltung  der  Denkmäler  bei,  und 
es  konnte  nicht  fehlen,  dass  bei  der  lebhaften  Wiederaufnahme  antiquarischer  Aus- 
grabungen um  die  Mitte  dieses  Jahrhunderts  die  Aufmerksamkeit  auch  auf  die  herrliche 
Gräberstrasse  gelenkt  wurde.  Auf  Befehl  des  Papstes  Pius  IX.  kam  denn  auch 
1850 — 1853  die  ganze  Strassenlinie  von  dem  Denkmal  der  Caecilia  Metella  bis 
Bovillae  unter  Leitung  von  L.  Ganina  und  P.  Rosa  zur  Aufdeckung  ^  Zur  Fahrstrasse 
ist  indess  die  Appia  dadurch  nicht  geworden,  indem  diese  Absicht  einerseits  durch 
die  häufig  fehlenden,  häufig  schadhaften  und  unebenen  Polygone  des  antiken  Pflasters, 
anderseits  aber  durch  die  Herstellung  der  Eisenbahn  nach  Albano  und  dem  Süden 
vereitelt  wurde. 

Der  Anfang  der  Strasse ,  wie  allerwärts  zwischen  Vignenmauern  sich  hin- 
windend, bietet  dem  Besucher  wenig.  Von  rein  antiquarischem  und  topographischem 
Interesse  ist  die  dem  Thore  ganz  nahe  Stelle  des  ersten  Meilensteins  (von  Porta  Capena 


1  E.  Petersen,  Scpolcro  scoperto  sulla  via  Latina.  Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1860  p.  348  fg.  Mon.  d.  I.  vol.  VI. 

tav.  XLIII.  XLIV.          2  silv.  H.  2.  v.  42.  ^  l.  Canina,  La  prima  parte   della  via  Appia  dalla  porta  Capena 
a  Bovillae,  Roma  1853. 

F.  Reber,  Rom.  70 


554  D'®  Umgebung  Rom's. 

an  gerechnet),  wie  die  des  clivus  und  templum  Martis.  Da  wo  die  Strasse  sich  in 
das  Thal  des  Almo  (Aquataccio)  senkt,  beginnen  die  abgepliinderten  Reste  bedeu- 
tender Grabdenkmäler,  zunächst  mit  dem  links  jenseits  der  Almobrücke  liegenden 
cubischen  Kern,  welcher  ohne  genügenden  Grund  dem  Geta  zugeschrieben  worden 
ist,  dann  näher  an  der  Kirche  Domine  quo  vadis  mit  dem  rechts  von  der  Strasse 
liegenden  Grabmal  der  Priscilla\  einem  mausoleumartigen  Bau  mit  Aussennischen 
nach  Art  des  Augustusgrabes.  Doch  ist  erst,  ein  Columbarium  etwa  eine  Miglie 
vom  Thore  links,  aus  drei  tonnengewölbten  Kammern  bestehend,  und  nach  dem 
inschriftlichen  Funde  Mausoleum  der  Liberten  des  Augustus  genannt,  jetzt  als  Unterbau 
und  Keller  des  Hauses  der  Vigna  Vagnolini  dienend,  durch  seine  Erhaltung  von 
höherem  Interesse.  Die  in  der  nebenanliegenden  Vigne  schon  zu  Anfang  des 
vorigen  Jahrhunderts  gefundene  Begräbnissstätte  der  Freigelassenen  und  Sclaven  der 
Livia  Augusta  ist  jetzt  beinahe  vollständig  zerstört.  Nach  mehren  anderen  dürftigen 
Resten  von  Columbarien  und  Einzelgräbern,  welche  grossentheils  ihre  Entdeckung 
wie  Zerstörung  dem  vorigen  Jahrhundert  verdanken,  wie  nachdem  man  die  be- 
rühmtesten christlichen  (Calixtus)  wie  jüdischen  (Vigna  Rondanini)  Katakomben  ge- 
würdigt, gelangt  man  unmittelbar  nach  der  rechts  liegenden  Basilica  S.  Sebastiano 
an  einen  wohlerhaltenen  und  ausgedehnten  Ruinencomplex,  von  welchem  ein 
ziehmlich  nahe  links  an  der  Strasse  hegender  Rundtempel  innerhalb  eines  Arkaden- 
hofes, ein  Circus  und  eine  Villenanlage  zu  unterscheiden  sind.  Der  in  seinen  Haupt- 
theilen  erhaltene  Rundterhpel  zeigt  noch  die  Spuren  einer  vorgesetzten  Porticus  und 
damit  grosse  Aehnlichkeit  mit  dem  Pantheon,  welches  er  jedoch  an  Dimensionen 
bei  einem  äussern  Rotundendurchmesser  von  35  M.  nicht  erreicht.  Auch  die  Gon- 
struction  des  Innern  mit  vier  halbkreisförmigen  und  vier  rechtwinkligen  Nischen, 
von  welchen  letzteren  eine  als  Eingang  durchbrochen  ist,  gemahnt  in  vereinfachter 
Form  an  jenes  Vorbild,  von  welchem  sich  der  Bau  sonst  dadurch  unterscheidet,  dass 
er  auf  eine  halbunterirdische  Cryptensubstruction  gehoben  ist.  Der  über  1 00  Met. 
in  der  Fronte  und  120  M.  in  der  Länge  messende  Umfriedungsbau  stellte  einst 
einen  kreuzgewölbten  Pfeilerarkadengang  dar,  wie  die  erhaltenen  pilastrirten  Pfeiler 
sicher  erkennen  lassen.  Ueber  die  Bestimmung  der  Rotunde  liegt  nichts  Sicheres  vor, 
die  Wahrscheinlichkeit  spricht  für  ein  Heroen-Grab  der  letzteren  Zeit,  kaum  von 
demselben  angelegt,  welcher  den  nebenanliegenden  Circus  erbaut,  da  die  Construc- 
tion  eine  etwas  ältere  Epoche  zu  verrathen  scheint.  Der  Circus  dagegen,  dem 
Thaleinschnitte  folgend,  in  schräger  Stellung  gegen  die  Strasse  und  das  Heroon  an- 
gelegt, ist  hinsichtlich  seiner  Herkunft  wie  Bestimmung  gesichert.     Was  die  letztere 


^  Stat.  Silv.  V.  1.  V.  221  sq.    Amaduzzi,  Anecdota  litteraria  I.  p.  477. 


Die  Umgebung  Rom's.  555 

betrifft,  so  ist  gerade  diese  Ruine  der  erhaltenste  aller  Circusreste  der  römischen 
Welt  und  darum  nicht  bloss  als  Rennbahn  unzweifelhaft,  sondern  hinsichtlich  deren 
Einrichtung  mit  Spina  und  Meten,  mit  Garceres  und  Seitenthürmen,  mit  Zuschauer- 
räumen und  kaiserlichem  Pulvinar  vielfach  belehrend.  Die  richtige  Bestimmung 
wurde  erst  1 825 ,  nachdem  man  die  Ruine  vorher  dem  Caracalla  zugeschrieben, 
durch  den  Fund  einer  Inschrift  in  derselben  ermöglicht,  welche  dem  verstorbenen 
Romulus,  Maxentius'  Sohn  gewidmet  ist  und  im  Zusammenhalt  mit  einer  Notiz,  wo- 
nach Maxentius  einen  Circus    ,,ad  catacumbas"  erbaute  \  jeden  Zweifel  beseitigt  "^ 

Minder  gewiss  ist  die  Zugehörigkeit  der  die  Heroonumfriedung  wie  den  Circus 
berührenden  Villa,  welche  dem  Maxentius  schon  deshalb  kaum  zugeschrieben  werden 
kann,  weil  dessen  Villa  beim  6.  Meilensteine  der  Via  Labicana  erwähnt  wird  (Äurel. 
Victor)  und  weil  überdiess  die  Construction  und  das  Material  der  vorliegenden  Ruine 
wie  bei  der  Rotunde  auf  eine  etwas  frühere  Zeit  hinweisen.  Der  Plan  der  Peristyle 
und  Gemächer  lässt  sich  noch  theilweise  erkennen. 

Der  beschriebene  Circus  wie  die  anstossende  Villa  gränzen  rückseits  an 
eine  Höhe,  welche  von  der  ehemaligen  Kirche  S.  Urbano  den  Namen  und  in  der 
letzteren  ein  Heroon  aus  der  Kaiserzeit  trägt,  das  besondere  Beachtung  verdient. 
Es  ist  ein  durch  moderne  Streben  und  Zwischenwände  sehr  verunstalteter  korinthi- 
scher viersäuliger  Prostylos  mit  einer  attikenartigen  Ueberhöhung,  deren  Gesimse, 
eine  ziemlich  späte  Bauperiode  verrathend,  in  Backstein  hergestellt  sind.  Das  Innere 
zeigte  einen  noch  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts^  wohlerhaltenen,  tonnengewölbten 
Saal  mit  schönen  Trophäen  in  Längsreliefs  und  Cassetten,  und  am  Gewölbe  mit 
eleganter  Blendengliederung  an  den  Wänden  geschmückt.  Die  ursprüngliche  Be- 
stimmung ist  unbekannt,  doch  als  Heroon-Grab  unzweifelhaft.  Im  9.  Jahrhundert 
wurdö  das  Gebäude  dem  H.  Urban  geweiht,  jetzt  dient  es  als  bettelhafte  Osteria. 
Verglichen  mit  dem  Zustande  vor  20  Jahren  fand  es  Verfasser  bei  seinem  letzten 
Besuche  (1876)  in  so  trostlosem  Verfall,  dass  die  Aufmerksamkeit  massgebender 
Kreise  dringendst  geboten  erscheint. 

Steigt  man  von  hier  in  das  Thal  von  Caffarella  hinab,  so  gelangt  man  zur 
Rechten  unmittelbar  an  eine  höchst  malerische  Ruine,  die  sich  unter  dem  falschen 
Namen  der  Grotte  der  Egeria  längst  einer  besonderen  Popularität  erfreut.  Es 
besteht,  abgesehen  von  einer  mehr  zerslöiten  breiteren  Vorhalle,  aus  einem  an  den 
Hügelabhang  gelehnten  tonnengewöibten  Raum  mit  je  drei  Statuennischen  in  den 
Längsseiten   und   einer  Hauptnische   im  Fond.     Der  frische,    noch  immer  reichliche 


»  Catal.  Imp.  Vicnn.  (Rone.  Vct.  Lat.  Script.  Chron.  tom  II.  col.  248.  2  a.  Nibby,  del  Circo  volgar- 
mentc  dotto  di  Car.iculla,  Roma  1825.  Die  Insclirift  nach  Abschrift  von  Kollcrniann  bei  Boriiliosi  Opere  III.  156. 
3  E.  Q.  Visconti,  dichiarazione  dcl  Tenipio  dell  Onoro  c  della  Virtü  Opp.  ed.  Labus  Mil.  1829.  Vol.  II.  p.  387. 

70* 


556  ^'^  Umgebung  Rom's. 

Brunnen  im  Hintergrunde,  bei  welchem  noch  auf  ihrem  ursprünglichen  Platze  die 
verstümmelte  Quellgottheit  der  Grotte  ruht,  lässt  den  Raum  leicht  als  ein  Nymphäum 
erkennen  und  macht  es  zu  einem  kühlen  Ruheplätzchen  irgend  eines  Suburbanum 
dieser  Gegend.  Das  unter  dem  Verputz  zum  Vorschein  kommende  opus  reticulatum 
lässt  an  eine  Entstehungszeit  vor  Hadrian  denken. 

Unfern  davon  befindet  sich  in  Mitte  des  genannten  Thaies  ein  dem  beschrie- 
benen von  S.  Urbano  in  Art  und  Bestimmung  verwandtes  Gebäude,  das  jedoch 
ungleich  zierlicher  ist  als  jenes  und  in  der  unzweifelhaft  besseren  Herstellung  auch 
eine  bessere  Bauepoche  verräth.  Es  ist  (vielleicht  mit  Ausschluss  der  jetzt  fehlendei;! 
Säulen  des  tetrastylen  Pronaos)  ganz  in  Backstein  hergestellt,  der  an  den  Wänden 
und  Mäanderfriesen  gelb,  an  den  korinthischen  Pilastern  und  Gebälken  roth  gebrannt 
erscheint.  Der  cryptaartige  Unterbau  erinnert  an  den  Rundtempel  beim  Circus  des 
Maxentius,  wie  an  mehre  andere  tempelartige  Gräber  der  äusseren  Via  Appia. 
Die  7  kleinen  schön  umrahmten  Fenster  über  dem  Mäanderfries  zwischen  den  Pi- 
lastern machen  den  Innenraum  der  gewölbten  Cella  hell  und  freundlich  und  wohl 
zum  Todtenkult,  nicht  aber  zur  Beisetzung  des  Leichnams  geeignet.  Der  hübsche 
Bau,  bisher  zu  wenig  beachtet,  hat  neuerlich  eine  gediegene  Beschreibung  mit 
Restaurationsversuch  erhalten  ' . 

Von  dem  obenbeschriebenen  Complex  mit  dem  Circus  des  Maxentius  führen 
wenige  Schritte  zu  dem  Rande  des  Lavastromes  empor,  welchen  von  nun  an  bis 
nahe  an  Bovillae  die  Via  Appia  verfolgt.  Ein  wegen  Lage  und  Dimensionen  weithin 
sichtbares  Grabdenkmal,  das  grösste  und  erhaltenste  der  ganzen  Strasse,  das  der 
beifolgende  von  der  Seite  des  Maxentiuscircus  her  aufgenommene  Buntdruck  zeigt, 
bekrönt  den  Höhenrand.  Es  erhebt  sich  als  ein  mächtiger  Cylinder  von  28  Met.  im 
Dchm. auf  einem  fast  30  Met.  in  Länge  und  Breite  messenden  jetzt  der  einstigen  Bekleidung 
beraubten  Würfel,  und  wird  von  einem  Bucranienfriese  (Stierschädel  mit  Festons) 
und  einem  massig  ausladenden  Kranzgesimse  oben  abgeschlossen.  Die  ohne  Zweifel 
ursprünglich  kegelförmige  Bedachung  ist  verschwunden  und  dafür  dem  Gesimse  ein 
roher  mittelalterhcher  Zinnenbau  aufgesetzt,  wohl  von  den  Caetani  herrührend, 
denen  auch  die  angebaute  Befestigung  ihre  Entstehung  verdankt. 

Der  grösstentheils  massive  Bau  enthält  im  Innern  ausser  fünf  im  Substruc- 
tionswürfel  angebrachten  einst  unzugänglichen  Gewölben  einen  konischen  Mittelraum, 
in  welchem  der  prachtvolle  Marmorsarkophag  der  hier  Bestatteten  gefunden  wurde. 
Ueber  den  Namen  dieser  kann  kein  Zweifel  sein,  denn  noch  befindet  sich  an  der 
Seite   der   Via   Appia    oben   am   Cylinder    eine   Tafel    mit   der   einfachen   Inschrift: 


*  Henn.  Stiller,  aus  der  Campagna  von  Rom.     Lützow  Ztschr.  f.  b.  K.  1878.  S.  i\3. 


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Die  Umgebung  Rom's.  557 

CAECILIAE  I  Q    CRETICI    F  I  METELLAE    CRASSI 
d.  h.  der  Gaecilia  Metella,  des  Q.  Metellus  Creticus  Tochter,  Gemahlin  des  Grassus. 
Ueber    der  Inschrift   sind  Trophäen  angebracht,   an  welche  sich  der  Bucranienfries 
anschhesst,    der    seinerseits    dem    Denkmal   wie    der  Umgegend  den   Vulgärnamen 
Capo  di  Bove  gab. 

Von  der  Höhe  des  Grabmals  der  Caecilia  Metella  beginnt  die  ununterbrochene 
Reihe  von  Grabmälern,  welche  zwischen  1850 — 1853  biosgelegt  und  untersucht 
worden  sind.  Sie  erscheinen  jetzt  zumeist  schmuckentblösst,  verrathen  aber  häufig 
durch  die  Gestalt  ihres  massiven  Kernes,  wie  durch  einzelne  erhaltene  Verkleidungs- 
fragmente, die  sich  noch  an  Ort  und  Stelle  oder  in  unmittelbarer  Nähe  gefunden  haben, 
ihie  ursprüngliche  Gestalt.  Die  grosse  Mehrzahl  ist  cubisch,  so  dass  ein  cellen- 
artiger  Würfel  oder  mehre  derselben  in  sich  verjüngenden  Wiederholungen  auf  ein 
mehrfach  abgestuftes  Basament  gesetzt,  mit  Pilastern  oder  Halbsäulen  geschmückt, 
mit  reichen  Gesimsen  umzogen  und  entweder  giebelförmig  oder  pyramidal  abge- 
schlossen sind.  Zwischen  die  grössern  der  Art  setzten  sich  kleinere  Denkmäler  glei- 
cher Construction.  Daneben  kommen  auch  heroonartige  Grabdenkmäler  vor  von 
der  Weise  der  Ruinen  von  S.  Urbano  wie  vom  Thale  Caffarella,  und  in  Backstein 
ausgeführt. 

Imposanter  als  diese  erscheinen  die  Tumulusgräber ,  welche  z.  Th.  ihren 
altitalischen  Charakter  mehr  erhalten  haben  als  die  bekannten  der  Caecilia  Me- 
tella, der  Plautier  bei  Tivoh  und  selbst  des  Hadrian  (Engelsburg)  d.  h.  in  einer 
dem  Augustusmausoleum  verwandten  Art  auf  niedrigerem  Cylinder  die  kegelförmige 
Grabhügelbildung  noch  jetzt  in  der  erhaltenen  Erdaufschüttung  erkennen  lassen,  wie 
diess  die  Berichte  von  dem  Augustusmausoleum  geben.  So  der  Tumulus  unmittelbar 
neben  dem  antiken  5.  Meilenstein  an  der  rechten  Strassenseite ,  die  zwei  neben- 
einanderliegenden Tumuli  250  Met.  weiter  an  derselben  Strassenseite  der  Villa  der 
Quintilier  gegenüber,  welche  sogar  noch  Reste  ihres  Cylindergesimses  zeigen,  ein 
gleiches  150  Met.  ausserhalb  des  8.  Meilensteins  an  derselben  Seite,  und  endhch 
die  zwei  mächtigen  Tumulusreste  zwischen  dem  9.  und  1 0.  wie  zwischen  dem  1 0. 
und  1 1 .  Meilenstein  links  von  der  Strasse,  von  welchen  der  erste  in  seiner  quadrati- 
schen Substruction  eine  Axe  von  fast  40,  der  zweite  einen  Cylinderdurchmesser  von 
mehr  als  20  Met.  erreicht. 

Andere  Rundgräber  zeigen  mehr  Verwandtschaft  mit  der  obenberührten 
Gruppe  der  Hadrian-Metella-  und  Plautier-Grabmale.  So  das  mächtige  links  von 
der  Strasse  in  der  Nähe  des  G.  Meilensteins  befindliche  unter  dem  Namen  Casal 
tondo  bekannte,  das  auf  seiner  Platform  Raum  für  ein  modernes  Haus  mit  kleinem 
Olivengarten  darbot   und  einen  Cylinderdurchmesser  von  fast   36  Met.  zeigt,  nach 


558  Die  Umgehung  Rom's. 

aufgefundenem    Inschiiftfragnient    einem  Colta    angehörig;    ein    etwas  kleineres  auf 
derselben  Seite   zwischen   dem   6.    und  7.  Meilenstein   befindhches   von  etwas  ge- 
ringerem Durchmesser  (23  im  Substructionswürfel.  1 9  im  Cylinder)  jetzt  nach  dem 
daraufgebauten  mittelalterhchen  Thurm  Torre  Selce  genannt,   und  endlich  das  einst 
prächtige  dem  GalHenus  zugeschriebene  rechts  von  der  Strasse,  kurz  vor  dem  9.  Meilen- 
steine.   Einige  andere  dann  zeigen  den  Charakter  von  Rundtempeln.    So  zunächst  der 
durch  drei  Apsiden  der  Rundform  genäherte  einst  mit  Pronaos  versehene  Bau  beim  4. 
Meilensteins  links,  wohl  ohne  ausreichenden  Grund  von  Ganina  als  Zeustempel  erklärt, 
der  Rundbau  kurz  vor   der   5.  Miglie  mit   Resten    eines  Portales   und  der  Rundbau 
hnks  zwischen  dem  8.  und  9.  Meilenstein,  jetzt  unter  dem  Namen  Torraccio  bekannt. 
Leider    sind    gerade   die   hervorragenderen  Monumente   namenlos,    oder   in 
Bezug  auf  ihre  Bezeichnung  unsicher.     So  ist  die  Wahl  unter  jenen  Persönlichkeiten 
schwer,    welche   den  Beinamen   Cotta  trugen;    wenn  Valerius  Messalinus  Gotta  ge- 
sichert wäre,    so  würde  das  Monument  in  die  erste  Kaiserzeit  gehören.     Auch  die 
Benennung   des    Gallienus-Mausoleum   beruht   lediglich   auf  der  Notiz   des  Aurelius 
Victor  (Ep.  XL.),  dass  dessen  Grab  sich  an  der  Appia  9  Meilen  von  der  Stadt  ent- 
fernt befunden   habe.     Weit   mehr   inschriftliches  Material   hat   sich  an  den  kleinen 
und  kleinsten  Gräbern  erhalten,  doch  ist  diess  selbstverständlich  zwar  von  nicht  ge- 
ringem  archäologischen    aber  von  keinem  historischen   Interesse.     Von  den  an  der 
Appia  in  classischen  oder  frühmittelalterlichen  Notizen  genannten  Tempeln  ist  keiner 
mit  Sicherheit  nachzuweisen,  weder  der  oben  erwähnte  Jupitertempel,  von  welchem 
in    den    Acta    martyrum    die    Rede,    noch    das    Herculesheiligthum ,    das     Martial 
mehrfach  erwähnt.     Denn  die  Ruine  ausserhalb  des  8.  Meilensteines  rechts  von  der 
Strasse    ist    als    Tempel    überhaupt    ebenso    unsicher,    wie    die   Bezeichnung   des 
vor    demselben    liegen    Peristyls    als    Atrium    des    Silvanus,     da    der    Cippus    mit 
SILVANO  SACRVM  in  jedem   Privatatrium    auf  dem   Lande   eine   passende  Stelle 
hätte.    Dagegen  ist  eine  grosse  im  Munde  des  Volkes  Roma  vecchia  genannte  Villen- 
anlage, welche  sich  zwischen  dem   5.  u.  6.  Meilensteine  links  von  der  Strasse  hin- 
zieht  und    welche    ausser  ausgedehnten  Peristylen   ein  Stadium,   Bäder  und  weit- 
läufige Wohn-  und  Lusträume  erkennen  lässt,  sicher  bestimmt.     Denn  die  Bleiröhren 
der   sie   speisenden  Leitung   zeigten  die  Aufschrift  QVINTILIORVM  CONDINI  ET. 
MAXIM!  somit  die  Namen  jener  beiden  Brüder  welche  als  zu  hervorragend  durch 
strategische  Tüchtigkeit  undReichthum  vonCommodus  getödtet  worden  waren  K   Damit 
stimmen  auch    die  Backsteinstempel  überein,   welche   insgesammt  auf  die  Zeit  der 
Antoninen  verweisen.     Nachdem   sich  Gommodus  in  den  so   gewaltsam    erledigten 


'  Dio  Cass.  LXXII.  5.  Script  H.  A.  (Lampiid)  Gommod.  4. 


Die  Umgebung  Rom's.  559 

Besitz  gesetzt,  erweiterte  er  die  Villa,  in  welcher  die  von  Dio  und  Herodian  geschil- 
derten Scenen  des  Volksaufstandes  gegen  Commodus'  Liebling  Cleander^  spielten, 
namentlich  durch  das  ihm  unentbehrliche  Stadium  wie  für  die  Bedürfnisse  seines  Luxus 
und  Hofhaltes,  wozu  die  Zweigleitung  von  der  Julia  und  Tepula  gehörte,  von  der  noch 
die  Reste  deutlich  sichtbar  sind.  Es  begreift  sich  leicht,  dass  diese  Ruinen  seit  einem 
Jahrhundert  zahlreiche  Ausbeute  an  Statuen  und  kostbarem  Marmorschmuck  ergeben 
haben ;  jetzt  jedoch  lässt  die  Abplünderung  wenig  Funde  mehr  hoffen. 

Die  von  der  Appia  berührten  Städte  fallen  bereits  über  die  uns  gesteckten 
Gränzen.  So  das  durch  seinen  wohlerhaltenen  Circus  interessante  Bovillae,  Albanum, 
bei  welchem  die  gerade  Linie  der  Strasse  durch  das  Terrain  des  Albanergebirges 
kurze  Zeit  unterbrochen  wird  um  jenseits  vom  Genzano  abermals  zu  beginnen. 

Wenn  zwischen  der  Porta  Appia  und  der  Porta  Ostiensis  jemals  ein  drittes 
Thor  (Ardeatina)  gewesen  ist,  so  ist  wenigstens  ausserhalb  keine  Spur  mehr  von  dem 
ehemaligen  Strassenzug  erhalten.  Ein  Bedürfniss  für  diese  Strasse  konnte  auch  nicht 
bestehen,  da  die  von  der  Via  Ostiensis  unmittelbar  ausserhalb  S.  Paul  abzweigende 
Ardeatina,  welche  zunächst  die  alte  Abtei  delle  tre  Fontane  berührt,  einerseits,  und 
eine  Abzweigung  von  der  Appia  andrerseits  so  direkt  als  nur  möglich  und  bei  einem 
durchschnittlichen  Abstand  von  kaum  2  Miglien  nach  der  ardeatinischen  Küste  führten. 

Die  beiden  den  Tiber  begleitenden  Strassen,  die  durch  Porta  S.  Paolo  aus- 
mündende Via  Ostiensis,  wie  die  von  der  weiter  stadteinwärts  gelegten  modernen 
Porta  Portese  jenseits  des  Flusses  auslaufende  Via  Portuensis  bieten  dem  Ruinen- 
besucher wenig.  Die  erstere  hat  bis  an  ihr  Ziel  überhaupt  nur  einen  bemerkens- 
werthen  Punkt,  nämlich  die  pi achtvolle  leider  so  viel  wie  völlig  neue  Basilica 
S.  Paul.  Die  letztere  hat  wenigstens  in  neuerer  Zeit  in  der  von  ihr  abzweigenden 
Via  Campana  einen  antiquarisch  hochwichtigen  Punkt,  nemlich  den  an  Inschriftfunden 
so  reichen  Arvalenhain  in  der  Vigna  Ceccarelli  fast  5  Miglien  vor  Porta  Portese 
(nach  den  Gordianen  Katakombenstätte)  erhalten.  Das  ganze  Flussgebiet  ist  der 
Malaria  wegen  jetzt  fast  völlig  verödet,  und  die  beiden  Endpunkte  der  alten  Strassen 
Ostia  wie  Portus,  durch  ihren  Abstand  ausserhalb  unserer  Betrachtung  fallend,  ändern 
den  auf  dem  Wege  gewonnenen  Eindruck  keineswegs,  so  reich  sie  auch  an  antiqua- 
rischen Entdeckungen  in  den  letzten  Jahrzehnten  gewesen  sind. 

An  Ruinen  sind  auch  die  übrigen  vom  jenseitigen  Stadttheile  ausgehenden 
Strassen  überaus  arm,  was  wohl  damit  zusammenhängt,  dass  sie  nur  selten  mit  an- 
tiken Strassen  zusammenfallen.  Am  meisten  ist  diess  vielleicht  noch  mit  der  durch 
die  Porta  S.  Pancrazio  entlassenen  Via  Aurelia  der  Fall,  welche  jedoch  ausser  den 


1  Dio  LXXII.  4  3.  Herodian  I.  42. 


560  Die  Umgebung  Rom's. 

in  der  Villa  Doria  Pamfili  befindlichen  Golumbarien  und  dem  stellenweise  sich  nähern- 
den Aquäduct  der  Aqua  Traiana  (jetzt  Paolo)  nichts  Bemerkenswerthes  aus  dem 
Aiterthum  darbietet.  Ihr  Ziel  war  Centum  Cellae  (Givita  vecchia).  Die  von  Porta 
Cavaleggieri  ausgehende  Strasse  ist  neu  wie  das  Thor  selbst,  und  überdiess  nur  ein 
kurzer  schon  3  Mgl.  vor  Porta  S.  Pancrazio  in  die  Aurelia  mündender  Verbindungs- 
weg. Die  durch  Porta  Angelica  ausgehende  Strasse  endlich  liegt  der  Via  Triumphalis 
nahe,  ohne  mit  ihr  identisch  zu  sein.  Sie  übersteigt  den  entzückenden  Monte 
Mario,  mündet  aber  selbst  bald  (bei  der  Osteria  delle  Capannaccie)  in  die  von  der 
bereits  beschriebenen  Via  Flaminia  abzweigende  Via  Cassia. 


Zusätze  und  Berichtigungen. 

S.  4  unten.  Eine  andere  Erklärung  des  Namens  Roma  führt  Corssen  Ztsch.  f.  vergl.  Spracinv.,  X,  18.  an,  indem 
er  auf  die  Wurzel  QV — Qew  zurückgeht,  wonach  Rom  Stromsladt  sein  soll. 

S.  6  Z.  1.  und  328  Z.  11.  Jordan  Top.  d.  St.  R.  i.  A.  I.  S.  195  ist  für  die  ursprüngliche  Bedeutung  des 
Wortes  velahrum  als  „Mulde". 

S.  7  Z.  8.  Die  Vermuthung  Rücheler's  (Rhein,  Mus.  XVIIl.  447)  dass  der  Name  Caelius  von  caedere  ab- 
zuleiten sei  und  „Gau"  bedeute,  kann  hier  nur  angeführt  werden,  Jordan,  der  die  Namen  der  Hügel 
auf  die  Namen  von  genles  zurückleitet,  neigt  vielmehr  der  alten  Ueberlieferung  zu.    Topogr.  I.  S.  187. 

S.  8  Z.  22  und  470  unten.  Am  meisten  Anspruch  auf  Annehmbarkeit  hat  wohl  die  Erklärung  des  Namens 
Esquilinus-exquihnus,  vorstädlisch,  im  Gegensatz  zu  inquilinus  (cf.  Detlefsen  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1861 
p.  59.)  Dagegen  Jordan  Top.  d.  St,  R.  i,  A,  I.  S,  184,  welcher  räth,  den  Namen  einer  Stadt  oder 
selbständigen  Niederlassung  Esquiliae  (wie  Urbiliae,  Cutiliae)  anzunehmen. 

S.  12  Z,  21.  Die  Notiz  von  dem  Mauerslück  bei  S.  Balbina  beruht  auf  Mitlheilung  anderer  Gewährsmänner; 
Verfasser  konnte  es  weder  früher  noch  neuestens  (1877)  entdecken,  auch  wussten  Hausangehörige  von 
S.  Balbina  davon  nichts  anzugehen. 

S.  73  Auf  der  lithographirten  Ansicht  des  „Forum  Romanum"  lies  „Phokassäule"  statt  „Phokasäule",  und 
„Bogen  des  Septimius  Severus"  statt  „Tempel  des  Septimius  Severus".  Im  Uebrigen  muss  bemerkt 
werden,  dass  die  Ansicht  durch  die  neuen  Ausgrabungen  sich  einigermassen  verändert  hat. 

S.  74  Z.  24  u.  25».  S.  107  Z.  16.  S.  123  unten.  Der  Name  Sacra  via  kommt  im  engeren  Sinne  wie  im 
Volksmunde  nur  dem  Slrassenlheil  zu,  welcher  zwischen  dem  Tilusbogen  und  dem  Forum  liegt,  ob  aber 
die  Bezeichnung  im  weiteren  Sinne  auf  die  nordöstliche  oder  südwestliche  Strassengränze  des  Forum 
zu  beziehen  sei,  erscheint  zur  Zeit  noch  ungewiss.  Der  Grund  für  die  letztere,  dass  der  Severusbogen 
welcher  2,65  bis  3,50  über  dem  Travertingetäfel  des  Forums  liegt  und  ursprünglich  auch  im  Haupt- 
durchgange eine  Treppe  hatte,  welche  an  der  Sacra  via  wohl  nicht  angenommen  werden  dürfte, 
(vgl.  H.Jordan,  die  Resultate  der  Ausgrabungen  auf  dem  Forum  zu  Rom.  Hermes  VII.  S.  276) 
ist  deswegen  wohl  von  nicht  allzugrossem  Gewicht,  weil  die  nordöstliche  Begränzungsstrasse  des 
Forums,  nach  den  neuesten  Aufdeckungen  wenigstens,  ursprünglich  nicht  in  der  Linie  des  Severus- 
bogens  angenommen  werden  kann,  sondern  weiter  nördlich  in  den  Clivus  mündete. 

S.  75  Z.  9,  88,  letzte  Zeile  u.  S.  89  Z.  18.  Nach  der  Ausführung  bei  Besprechung  des  capitolinischen 
Tempels  (S.  65*)  darf  wohl  nicht  mehr  angenommen  werden,  dass  der  antike  Clivus  Capitolinus 
dieselbe  Curve  beschrieb,  wie  jetzt  die  Via  del  Campidoglio,  sondern  dass  vielmehr  vom  Clivus  Capilo- 
linus  oberhalb  der  Area  der  Dii  Consentes  ein  Seitenweg  rechts  zum  jetzigen  Capilolplatze  abzweigte. 
Dass  dieser  Seitenweg  nur  eine  Treppe  sein  konnte,  macht  der  Niveauunterschied  zwischen  dem  Clivus 
CapitoUhus  an  der  fraglichen  Stelle  und  dem  wenig  unter  dem  modernen  Boden  gefundenen  Pflasters 
an  der  Südwestseite  des  Tabulariums  unzweifelhaft.  Indess  bleibt  es  sicher,  dass  die  Lage  der  Treppe 
und  deren  Abzweigungsstelle  durch  die  Trapezgestalt  der  Area  der  Dii  Consentes,  welche  sich  in 
den  Winkel  zwischen  Clivus  und  Treppe  legte,  bestimmt  wird. 
F.  Reber,  Rom.  yj 


Kß9  Zusätze  und  Berichtigungen. 

S.  78  Z.  17 — 27.     Die   beiden  Inscliriflen  befinden  sich  jetzt  im  capilolinischen  Museum,    desgleichen  zwei 
andere  mehr  verstümmelle  Inschriflfragmente  mit  CONC  .  .  .  und  die  Inschrift  einer  im  Tempel  selbst 
gefundenen  Basis:  Q    COELIVS  L    F    PR    |  |  AED    PL    CER    |  PRO  PR    EX  S 
C-  Q  •  I   EX  VOTO  SVSCEPTO   |   PRO   INCOLVMITATE  |  Tl     CAESARIS 
DIVI  AVG     F     I  AVGVSTI  |   PONTIFIC     MAXIM     |  CONCORDIAE  D      D  • 
aVRI  P    XXV 

S.  80  unten.     Der  Faustinacippus  befindet  sich  jetzt  im  capilolinischen  Museum. 

S.  81  Z.  21  u.  S.  93  Z.  12  lies  ESTITVER  statt  ESTIVER. 

S.  84  Die  Bedenken  H.  Nissen's,  welcher  S.  205.  214  des  „Templum"  die  Ruine  der  drei  Säulen  (den 
Deutschen  gegen  die  Italiener  Recht  gebend?)  dem  Saturn  und  die  der  8  Säulen  dem  Vespasian 
zuschreibt  sind  durch  H.  Jordan,  Hermes  IV.  S.  259  und  E.  Bormann,  Ephemeris  epigraphica  S.  119 
im  Sinne  des  Verfassers  erledigt. 

S.  87  Bedenken  über  die  Hiehergehörigkeit  der  Inschriften  erhebt  Jordan,  Sylloge  Inscr.  fori  Rom.  p.  269, 
welche  allerdings  nicht  unbegründet  erscheinen.  Doch  mag  die  Erbauung  des  Vespasiantempels  an 
der  seiner  ersten  Anlage  nach  vielleicht  älteren  Schola  mancherlei  Zweckwidrigkeit  zur  Folge 
gehabt  haben. 

S.  90  Z.  6  fg.  Die  Ergänzung  der  Inschrift  empfiehlt  sich  in  folgender  Weise:  Deorum  c  ONSENTIVM 
SACROSANCTA  SIMVLACRA  CVM  OMNI  LO  ci  totius  adornaiioNE  CVLTV 
IN  Formam  antiquam  reslituto  vETTIVS  PRAETEXTATVS  VC  PRAefeclus  u  RBI 
REPOSVIT  CVRANTE  LONGEIO  •  v.  c.  cONSVLARI  vgl.  Jordan  Sylloge  inscr. 
fori  Rom.  p.  269. 

S.  91  Z.  3.  Dass  die  12  Götterbilder  auf  dem  Kranzgesimse  der  beschriebenen  Kammern  oder  vielmehr 
der  vorgelegten  Porticus,  von  welcher  acht  Säulen  in  theilweiser  moderner  Ergänzung  noch  aufrecht 
stehen,  aufgestellt  waren,  möchte  ich  jetzt  als  die  unter  den  angegebenen  Vermuthungen  wahrschein- 
lichere bezeichnen. 

S.  92  Z.  31  lies  S.  25  statt  S.  18. 

S.  93  unten,  lieber  Namen  und  Inschrift  des  Achtsäulentempels.  Näheres  bei  ßormann,  Ephem.  epigr. 
p.  118  ff. 

S.  94  Anm.  8.  Die  Restauration  durch  L.  Munatius  Plancus,  deren  auch  Sueton.  Aug.  29  erwähnt,  wird 
weiterhin  durch  ein  jetzt  verschwundenes  Inschriftfragment  (C.  I.  L;  VI  1316)  bestätigt,  welches 
beim  Septimius  Severusbogen  gefunden  worden  ist. 

S.  95  Z.  21.  Der  Name  zeccha  vecchia  scheint  im  Mittelalter  an  S.  Adriano  gehaftet  haben,  (de  Rossi,  le 
prime  raccolte  p.  44.     Jordan,  Sylloge  inscript.  fori  Romani.    Eph.  epigr.  1876  p.  239). 

S.  97  Z.  11  und  S.  122  Z.  5.  Ein  (ergänztes)  Stück  des  capitolinischen  Planes  (Jordan  Forma  Urbis  III  19) 
lässt  mich  vermuthen,  dass  trotz  der  Anlage  einer  neuen  Gräcostasis  doch  die  alle  fortbestand,  wie  die 
alten  Rostren  neben  den  julischen  und  selbst  neben  jenen  der  späteren  Kaiserzeil.  Denn  jeder  anderen 
Annahme  bereitet  dieses  Fragment,  selbst  unter  Voraussetzung  erheblicher  Ungenauigkeiten  der  Copie 
des  verloren  gegangenen  Originals  die  unbesieglichsten  Schwierigkeiten.  Nur  wenn  wir  die  Schrift 
gRECOSTasis  in  die  Linie  der  nordöstlichen  Foruragränze  setzen,  und  das  räthselhafte  Gebäude 
über  ihr  für  den  locus  substructus  mit  seinen  Denkmälern,  Heiliglhümern  etc.  nehmen,  wird  das 
Ganze  bei  dem  erschwerenden  Umstände,  dass  die  Lage  der  Schrift  am  Forum  den  übrigen  Planresten 
gegenüber  sehr  gebunden  erscheint,  unterbringbar.  Ueberdiess  erlaubten  auch  eine  anderweitige  Ver- 
wendung des  Platzes  die  auf  der  Terrasse  angebrachten  Ileiliglhümer  kaum.   Vgl.  das  Nähere  S.  115  fg. 

S.  109  Z.  17 — 19.  S.  111  Z.  21.  Der  annähernd  kreisförmige  Plan  des  unteren  Gemaches  des  Carcer 
macht  es  aus  conslructiven  Gründen  wahrscheinlicher,  dass  der  ursprüngliche  Scheitelabschluss  des 
Gewölbes  durch  forlgesetzte  Ueberkragung  der  horizontalen  Steinlagen  nach  Art  des  Tholus  von  Mykene, 
und  nicht  durch  dachförmig  gestellte  Steinplatten  wie  am  Brunnenhaus  zu  Tusculum  gebildet  war. 


Zusätze  und  Berichtigungen.  563 

S.  110  Z.  25.  Der  Beweis,  den  A.  Pellegrini,  della  via  Mamertina  e  della  prima  parte  della  via  Lala  dall'arco 
trionfale  di  Domiziano  a  quello  di  Claudio.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1870.  107  fg.  für  die  Urspröngliclikeit 
des  Namens  des  Carcer  sammt  der  via  mamertina  zu  führen  versucht,  unterscheidet  wohl  Quellen  und  Be- 
daction  der  Vitae  Ponlificum  zu  wenig.  Dagegen  ist  der  Verfasser  jetzt  geneigt,  den  Namen  lieher  als  „Ge- 
fäpgniss  des  Mamertinus"  zu  fassen,  als  dahei  an  eine  altitalische  Sprachform  für  Mars  oder  Marcius  zu 
denken.  (Vgl.  Jordan  Top.  II.  481.  Cancellieri  Carcere  p.  52).  Ehenso  ist  unbedenklich  mit  Jordan  p.  348 
anzunehmen,  dass  die  Bezeichnung  Marforio  für  den  jetzt  im  Hofe  des  capitolinischen  Museums  befind- 
lichen Flussgoll,  im  15.  Jahrii.  marfodi,  in  keinem  Zusammenhange  mit  dem  Mamertinus  des  Gefäng- 
nisses wie  der  Strasse  stehe,  sondern  auf  das  benachbarte,  und  schon  448  in  der  Polemius  Silvius'schen 
Bearbeitung  der  Anhänge  des  Begionsverzeichnisses  so  genannte  Marlis  forum  (Augustusforum)  hinweise. 

S.  115  Z.  4.  In  den  letzten  Jahren  ist  auch  die  südöstliche  Schmalseite  vollständig  aufgedeckt  worden, 
was  indess,  da  dort  nur  die  daselbst  vermutheten  Ueberreste  gefunden  worden  sind,  in  unsere  An- 
nahmen bezüglich  der  nordöstlichen  Langseite  keine  Aenderung  gebracht  hat, 

S.  117  Anm.  4.  Ueber  die  niulhmassliche  Gestalt  und  Ausdehnung  der  Basilica  Porcia  vgl,  meine  Abhand- 
lung: Die  Urform  der  römischen  Basilika.  Mitlheilungen  der  k.  k.  Centralcommission  für  Bau- 
denkmale. 1869.  Bei  Bestreitung  einzelner  dort  aufgestellter  Behauptungen  hätte  P.  Lehfeldt  (Ber- 
liner Zeitschrift  für  Bauwesen    1878  p.  563)  nicht  blos  einige  meiner  Gründe  berücksichtigen  sollen. 

S.  120  Z.  11.  Ist  im  Texte  die  von  Mommseu  vertretene  Identificirung  der  Basilica  argentaria  mit  der 
Porcia  als  unzulässig  bezeichnet  worden,  so  ist  dafür  die  von  Jordan  (Topographie  IL  216  vgl,  Hermes 
IV.  247  fg.)  dargelegte  Identität  mit  der  Basilica  vascularia,  welche  die  Notilia  in  den  Anhängen  statt 
der  in  den  Regionsgränzen  aufgeführten  argentaria  nennt,  wahrscheinlich. 

S.  122  Z.  2.  Die  Aufdeckung  der  Reste  des  Cäsartempels  hat  die  ausgesprochenen  Vermuthungen  bestätigt; 
über  die  Frage  jedocii,  ob  die  Rostra  und  der  Tempel  Cäsars  ursprünglich  innerhalb  oder  ausserhalb 
des  Forum  angelegt  vurden,  findet  sich  das  Nähere  bei  Besprechung  des  Cäsarlempels  selbst. 

S.  125  Die  Aufzählung  der  Notitia  ist  von  Jordan  II.  99  dahin  erklärt  worden,  dass  wie  die  3  Rostra,  so 
auch  die  Fora  summarisch  bzw.  chronologisch  gegeben  seien.  Doch  bleibt  diess  nicht  ohne  Bedenken. 
Es  wäre  sogar  möglich  dass  der  Regionär,  für  dessen  Grenzbestimmung  die  Zusammenfassung  der 
drei  an  verschiedenen  Punkten  belegenen  Rostra  gar  keinen  Werth  hätte,  vielmehr  an  die  der  Zeit 
nach  drittentstandenen  Rostra  beim  Severusbogen  denkt,  und  dass  im  Wortlaut  des  Textes  ein  Miss- 
verständniss  der  Quelle  verborgen  sei,  denn  die  folgenden  Namen  Genius  populi  Romani  und  der 
von  dem  Redactor  der  Notitia  hier  eingeschaltete  Equus  Constantini  weisen  auf  den  Anfang  an  der 
Nordecke.  Der  chronologischen  Aufzählung  der  Kaiserfora  aber,  wie  sie  Jordan  will,  dürfte  noch 
immer  die  im  Te.\te  ausgesprochene  Erklärung  gegenüberzustellen  sein.  Im  Uebrigen  schaltet  die 
Redaction  der  Notitia  nach  dem  Concordientempel  den  im  Curiosum  fehlenden  Umbilicus  Romae 
zwischen  dem  Concordien-  und  dem  Saturntempel  ein. 

S.  127  Z.  8.  Jordan  erklärt  (Hermes  VIII.  276.  292  und  Forma  U.  R.  Reg.  XIV.  p,  30)  allerdings  die 
Becker'sche  Erklärung  der  Giceronischen  Stelle  (ad  AtL  IV.  16.  14)  als  die  allein  richtige.  Ob  er 
aber  die  Stelle  „ut  forum  laxaremus  et  usque  ad  atrium  Libertatis  explicaremus"  mit  Recht  auf  die 
Anlage  des  Forum  Julium  bezieht,  mag  bezweifelt  werden.  Er  sagt,  nicht  zu  wissen,  wie  eine 
Rasilika  zur  Erweiterung  eines  Forums  beitragen  könne  (Hermes  VII.  292)  und  doch  ist  eine  Basilika 
ihrem  Zwecke  wie  ihrer  Anlage  nach  nichts  anderes  als  eine  bedeckte  Erweiterung  der  Forums  (vgl. 
meine  Abhandlung  über  die  Urform  der  römischen  Basilika.  (Mitth.  d.  k.  k,  Centralkom.  L  Bau- 
denkm.  1869.) 

S.  151  Z.  19.  Eine  eingehende  Kritik  der  über  die  topographische  Deutung  des  Monumentes  vorliegenden 
Untersuchungen  nebst  Verzcicbiiiss  der  darüber  vorliegenden  Literatur  hat  Jordan  (Bursian,  Jahres- 
bericht  über  die   Fortschritte   der   classischen  Allerthumswissenschaft  I.  S.  725)   gegeben.      Er    neigt 

71* 


Kg4  Zusätze  und  Berichtigungen. 

sich  im  Allgemeinen  Rosa's  Anschauung  zu,  wonach  an  der  Westschranke  die  nordöslhche,  an  der 
Oslschranke  die  südwestliche  Länge  des  Forums  dargestellt  gewesen  wäre. 

S.  153  Z.   14  lies  d.  St.  für  v.  Chr. 

S.  154  Z.   13  lies  Der  für  Die. 

S.  156  Anm.  3  lies  III  statt  XIII. 

S.  159  Z.  12  lies  Bonella  statt  Bonelli. 

S.  168  Z.  15  lies  Paul  V.  statt  Pius  V. 

S.  169  Z.  25  lies  Constantin  statt  Julia. 

S.  170  Z.  2  ist  „dem"  zu  streichen. 

S.  180  Z.  8.  lies  Anloninsäule  für  Antoniussäule. 

S.  187  unten.  Was  den  triumphbogenartigen  Eingangsbogen  zum  Traianforuni  bei  S.  Maria  in  Campo  Carleo 
betrifl'l,  so  boten  die  neueren  Nachgrabungen  anlässlich  der  Demolirung  der  genannten  Kirche  1863 
weitere  Bestätigung.  Die  Nachgrabungen,  welciie  der  Architekt  Tommaso  Bonelli  bei  der  Fundirung 
des  an  der  Stelle  neugebauten  Hauses  vornahm,  lieferten  ausser  den  Fundamenten  des  Bogens  zahl- 
reiche Architekturfragmente  schönster  Arbeit,  Fragmente  einer  Dacierstatue  und  Reliefbruchslücke.  Das 
Material  des  Triumphbogens  des  Constantin  dürfte  jedoch  wahrscheinlicher  einem  anderen  Traian- 
bogen  entnommen  sein,  vielleicht  jenem  bei  Porta  S.  Sebastiano.  Cf.  A.  Pellegritii,  Arco  di  Traiano. 
Bull.  d.  I.  d.  c.  a.    1863.  p.  78—80. 

S.  190  Z.  2.  lieber  die,  Orientirung  und  Situation  des  capitolinischen  Planes  wird  im  Vorwort  gesprochen 
werden.  —  Z.  8.  Die  weitläufige  Untersuchung,  welche  Jordan  (Forma  U.  R.  Reg.  XIV.  p.  28 — 32) 
über  das  „Libertatis"  des  capitolinischen  Planfragments  anstellt,  ergiebt  als  wahrscheinlich  dass  das 
von  Asinio  Pollio  neuhergestellte  (Suet.  Aug.  29)  und  mit  einer  Bibliothek  versehene  (Plin.  H.  N. 
VIII.  115)  atrium  Libertatis,  welches  schon  früher  als  unmöglich  unmittelbar  am  forum  Romanum 
befindlich  nachgewiesen  worden  ist,  etwa  da  lag,  wo  sich  nachmals  die  Basilica  Ulpia  erhob.  Anzu- 
nehmen, dass  es  von  dieser  ganz  verdrängt  worden  sei,  erlaubt  eine  in.schri fluche  Erwähnung  aus 
der  letzten  Kaiserzeit  (C.  I.  L.  VI.  470)  nicht,  ob  es  aber  nach  der  Erbauung  der  Basilica  (etwa 
als  Theil  derselben)  unter  dem  ursprünglichen  Namen  fortgedauert  habe,  und  mit  dem  auf  dem 
Plane  zu  lesenden  Namen  bezeichnet  worden  sei,  ist  ungewiss.  Im  letztern  Falle  würde  die  Capelle 
im  Mittel  der  Exedra  ein  Sacellura  der  Liberias  annehmen  lassen.  Vgl.  die  in  S.  Martina  u.  S. 
Adriano  gefumlenen  Inschriften.     (Jordan  Sylloge  inscr.  fori  Rom.  20  u.  21.) 

S.  190  unten.  An  der  mutiimasslichen  Stelle  des  Traiantempels  (Palazzo  Valentini  vormals  Imperiali  zwischen 
dem  Traianforum  und  Piazza  SS.  Apostoli)  haben  sich  auch  neiiestens  wieder  Reste  eines  grossen 
Tempels  gefunden,  namentlich  ausser  Gebälkstücken  ein  colossales  korinthisches  Capital,  welches  zu 
jenen  Schaftfragmenten  von  Granit  passt,  die  sowohl  früher  als  auch  jetzt  wieder  gefunden  wurden. 
(Vgl.  R.  Lanciani,  Scavi  di  Roma.     Bull.  d.  I.  d.  c.  a.   1869.  p.  237). 

S.  194  Z.  29  lies  Porta  statt  Gorla. 

S.  202  Z.  27.  Das  Gebälk  zeigt  indess  trotz  der  regelrechten  Ausführung  der  Triglyphen  die  Spuren  der 
römischen  Umgestaltung  des  dorischen  Styls,  beziehungsweise  römische  Stylvermischung,  wie  die 
Einschiebung  des  Zahnscbnitles  zwischen  Triglyphenfries  und  Kranzgesimse.  Die  Verwitterung  des 
letzteren  lässt  leider  nicht  sicher  entscheiden,  ob  die  Unterfläche  die  gewöhnliche  Art  der  Mutulen- 
bildung  des  dorischen  Styls  und  namentlich  das  schräg  abwärts  geneigte  Profil  gehabt  habe. 

S.  204  Z.  6.  Dass  der  Zuschauerraum  in  der  im  Texte  angedeuteten  Weise  an  die  Bühne  angelegt  war 
nemlich  so  dass  die  Curve  sich  da  anschloss  wo  sich  die  Inschrift  „Theatrum  Marcelli"  befindet,  und 
nicht  an  der  gegenüberliegenden  Seite,  ist  mit  Beiziehung  der  B.  Peruzzi'schen  von  Seb.  Serlio 
1562  publicirten  Aufnahmen  von  Jordan  Forma  U.  R.  Reg.  XIV.  p.  24  gegen  A.  Trendelenburg 
erwiesen. 

S.  210  Z.  3.     Die  Restauration  der  Kirche  S.  Nicola  in  Carcere  wurde  mittlerweile  zu  Ende  geführt. 


Zusätze  und  Berichtigungen.  565 

S.  210  Z.  23.  Neuere  Nachgrabungen  haben  auch  hier  den  Sachverhalt  etwas  verändert.  Die  Säulen  der 
Propyläen  der  Porlicus  der  Oclavia  liegen  seil  den  Untersuchungen  des  Architekten  Conligliozzi  (1861) 
nicht  melir  unter  dem  modernen  Boden,  sondern  sind  gänzlich  blosgelegt  und  ummauert.  Es  zeigte 
sicli  dabei,  dass  sie  auf  elegante  Picdestale  gesetzt,  und  dass  überdiess  die  Propyläen  um  zwei  Stufen 
über  die  vorliegende  Area  (Piazza  di  Pescaria)  erliöht  waren.  Dieselbe  Unlersucliung  hat  ergeben, 
dass  von  den  Säulen  der  P(»rlicus,  die  sich  zur  Reciilen  und  Linken  an  die  Propyläen  anschloss  noch 
melire  unter  dem  Pllaster  und  in  den  Häusern  der  Via  della  Catena  di  Pescaria  erhallen  seien,  und 
dass  ihrer  jederseits  und  in  jeder  Reiiie  14  gewesen  sein  müssen  (mithin  doppelt  so  viele  als  auf 
dem  capitolinischen  Planfragment  verzeichnet  sind),  ferner  dass  die  beiderseits  an  die  Propyläen 
anschliessenden  Portiken,  welche  die  eine  Seite  des  das  Tempelareal  umgehenden  Oblongums  bildeten, 
an  den  beiden  Enden  janusbogenartige  Porlalbaulen  auf  vier  starken  Pfeilern  halten,  welche  an  ihren 
Aussenseilen  durch  vorgestellte  Granilsäulen  geschmückt  waren.  Dadurch  aber  vergrösserle  sich  die 
Fronleseile  und  mithin  der  Umfang  der  ganzen  Porlicus  noch  mehr,  wie  denn  auch  der  in  der  Via 
della  Calena  No.  4  in  den  Ue])erreslen  aufgefundene  östliche  Eingangsbau  das  Marcelluslheater  beinahe 
berührte.  Von  der  dem  Marcelluslheater  zunächst  liegenden  Ecke  aber  wendete  sich  die  Porlicus 
im  rechten  Winkel  nordwärts  gegen  den  Convent  der  Chorherren  della  Madre  di  Dio,  der  an  die 
Kirche  S.  Maria  in  porlico  auf  Piazza  di  Campilelli  angebaut  ist  und  bildete  bei  Palazzo  Capizucchi- 
die  nordöstliche  Ecke.  Die  Linie  der  folgenden  Seile,  wahrscheinlich  ähnlich  wie  die  in  der 
beschriebenen  Weise  erliallene  parallele  Fronleseile  mit  einem  Propyläenbau  geschmückt,  lief  durch 
Palazzo  Altieri  und  Cavalletti,  (von  dem  letztern  an  der  Ecke  gegen  Via  de'  Delfini  fand  man  noch 
die  Stufen)  bis  Palazzo  Righelti  bei  Piazza  di  S.  Calerina  de  Funari,  wo  sie  die  nordwestliche  Ecke 
bildete.  Von  hier  aus  endlich  erreichte  sie,  die  Kirche  S.  Ambrogio  durchschneidend,  den  westlichen 
Eingangsbau  der  Fronteporlicus.  Die  Nachforschungen  an  dem  muthmasslichen  Propyläenbau  der 
Nordseite  lassen  indess  noch  zu  wünschen  übrig.  Ebenso  könnten  möglicherweise  die  Reste  der 
Cella  des  Junotempels,  welche  man  unter  dem  Hofe  bei  einem  Stall  No.  8  der  Via  di  S.  Angelo 
in  Pescaria  gefunden,  weiter  verfolgt  werden,  wie  auch  unter  der  Via  della  Tribuna  di  Campilelli, 
welche  ungefähr  dem  Zwischenraum  zwischen  den  zwei  Tempeln  entspricht,  den  Aussenseiten  der 
beiden  Cellen  nachgeforscht  werden  könnte,  woran  sich  dann  auch  eine  gründlichere  Untersuchung 
der  rückseitigen  Anbauten  (Curia,  Sciiola  und  Bibliotheken)  anreihen  würde.  Die  Publicalion  des 
bisher  Entdeckten  durch  blossen  Bericht  ohne  genaue  Planbeilage  kann  natürlich  nicht  befriedigen. 
A.  Pellegrini,  Scavi  del  porlico  di  Ütlavia.  BuU.  d.  I.  d.  c.  a.  1861.  p.  241  —  245  A.  P.  I  tempii 
di  Giove  e  di  Giunone  nei  porlici  di  Melello  e  di  Oltavia.  Annali  1868  p.  108 — 132.  Verfasser 
kann  sogar  nicht  verhehlen,  dass  es  ihm  doch  im  hohen  Grade  bedenklich  erscheint,  der  Porlicus 
Oclaviae  in  Folge  des  Ausgrabungsbefundes  nahezu  den  doppellen  Umfang  zuzuschreiben,  wie  ihn  das 
capiloliniscbe  Planfragmenl  giebl.  Denn  dass  die  Säulenzahl  sich  genau  verdoppelt,  abgesehen  von 
der  weiteren  Verlängerung  der  Fronte  durch  die  beiden  Porlalbaulen  auf  vier  Pfeilern  an  beiden 
Enden  könnte  allenfalls  noch  mit  der  Flüchtigkeit  der  Darstellung  entschuldigt  werden.  Ebenso 
das  Fehlen  dieser  Pfeilercingänge,  da  ja  auch  die  Propyläen  stall  einer  antenarligen  Anlage  mit  vier 
Säulen  zwischen  zwei  Pfeilern  auf  dem  Plane  sich  hexaslyl  zeigen.  Anders  aber  ist  es  mit  den 
Verhältnissen,  die  doch  nirgends  am  capitolinischen  Plane  in  der  Weise  von  den  Ihalsäcblichen 
Verhältnissen  abweichen,  wie  es  hier  geschehen  sein  soll.  Die  Fronte  des  Junolempels  verhält  sich 
zur  Fronte  der  Porlicus  am  capitolinischen  Plan  annähernd  wie  1:4,  thalsächlich  wie  1  :  7.  Die 
Fronte  der  Propyläen  dort  wie  1  :  3,7  Ihatsächlich  wie  1  :  6,5;  besonders  aber  beunruhigt  der 
Abstand  des  Junolempels  von  der  Langseile  der  Porlicus,  der  in  Wahrheit  fünfmal  so  breit  sein 
soll  als  auf  dem  capitolinischen  Plane!  Es  wird  daher  gestaltet  sein,  vorläufig  noch  nicht  als  völlig 
ausgemacht  zu  betrachten,  ob  der  neuerlich  aufgefundene  janusbogenartige  Anfang  der  Fronteporlicus 
wirklich  die  eine  Ecke  des  Rechlecks  der  Porlicus    der  Oclavia  bildete,   oder   ob  die  Fronteporlicus 


gßß  Zusätze  vind  Berichtigungen. 

nicht  vielmelir    an    einer  oder   an   beiden  Seilen  über  das  Rechleck   hinaus,     vielleicht    bis  zu  einer 
benachbarten  Porlicus  verlängert  war  oder  etwa  nach  Sept.  Severus  verlängert  worden  ist. 

S.  219  unten.  Verfasser  gibt  zu,  dass  an  dem  Fragment  des  capilolinischen  Fragmentes  die  Spuren  von 
Buchstaben  nach  porlic  VS  OCTAVIAE  ET  vielmehr  zu  FIL  als  zu  PHI  zu  ergänzen  seien. 
Ob  auch  wirklich  die  Porlicus  üclaviac  und  die  Porlicus  Pliilijtpi  identisch  (H.  Jordan,  Monatsberichte 
der  Berliner  Akademie    1867  S.  538)  isl  unsicher. 

S.  222  Z.  14.  Das  schönste  Beispiel  einer  Crypla  haben  die  palatinischen  Ausgrabungen  (doraus  Tiberiana) 
geliefert,  deren  Besclircibung  folgen   wird. 

S.  223  unten.  Die  sechste  Säule,  von  Canina  aufgefunden,  ist  jetzt  nicht  mehr  nachweisbar;  die  fünf  übrigen 
aber  befinden  sieb  in  dem  Hause  No.  9  der  Via  degli  Specchi  und  in  dem  anslossenden  der  Via 
di  S.  Salvadore  No.   10. 

S.  23»  Z.   12  fg.     Eine   vortreffliche    Ergänzung    des    vom   Anonymus   überlieferten  Inschriflfragmentes  giebt 
Tb.  Mommsen  Epigr.  Anal.  14  (Berichte  der  k.  sächsischen  riesellschaft  der  Wissenschaften  1850  S.  307.) 
D     D     N      N     ARCADIVS      ET    HONORIVS  •  invicii    et   PERPETVI  •  AVGG 
THEATRVM     POMPEI     coUapso  EXTERIORE  •  AMBITV     MAGNA     ETIAM 
ex  parte  INTERIORE     (VIRTVTE)  ruenle      CONVVLSVM      ruderihus  SVBDVCTIS 
•    ET  •  EXCITATIS  •  iNVICEm  fabricis  novis  resliluerunl. 

S.  239  Z.  26.  Den  früheren  Funden  haben  sich  neue  Nachforschungen  an  die  Seile  gestellt,  welche  nament- 
lich ergaben,  dass  die  jetzige  Piazza  Navona  wirklich  genau  dem  Stadium  entspricht.  (Vgl.  R.  A. 
Lanciani.  Scavi  di  Roma.  Bull.  d.  I.  d.  c,  a.  1869  p.  229.  Da  jedoch  der  ganze  Platz  mit  mo- 
dernen Gebäuden  umsäumt  ist,  konnte  selbstverständlich  an  eine  Ausdehnung  der  Nachforschungen 
in  das  Innere  der  Zuschauerräume  nicht  gedacht  werden,  noch  weniger  aber  an  ein  ständiges  Bios- 
legen der  entdeckten  Ueberreste. 

S.  269  Z.  2.     Das  vormalige  französische  Commandanlschaflsgebäude  ist  jetzt  wieder  Hauptpostamt. 

S.  276  unlen.  Nachgrabungen  vor  Palazzo  Rinuccini,  ora  principe  di  Canino,  sciieinen  ergeben  zu  haben, 
dass  die  Pfeilerporticus  sich  südwärts  bis  Palazzo  di  Venezia  gezogen  haben.  (A.  Pellegrini,  della 
via  Mamerlina  e  della  prima  parte  della  via  Lata.  Bull.  d.i.  d.  c.  a.  1870.  p.  116.)  Dass  sie  sich 
aber  in  der  Zeil  des  Septimius  Severus  auf  die  einzige  Linie  von  Süd  nach  Nord  beschränkt  habe, 
kann  Verfasser  Angesichts  der  allgemeinen  Verhältnisse  des  capilolinischen  Planes  nicht  mehr  annehmen. 
Denn  nach  seiner  Ansicht  erscheint  es  unzulässig,  sich  mit  Jordan  durch  die  auch  im  Texte  S.  279 
gegebene  Zusammenstellung  der  Fragmente  der  Sepia  Julia  zur  Verkehrlslellung  der  Inschriften  am 
Forum  Magnum  und  des  „Liberlalis"  am  Forum  Traianum  zwingen  zu  lassen.  Umgekehrt  scheinen 
gerade  die  Inschriften  des  Forum,  die  nimmermehr  verkehrt  stehend  angenommen  werden  dürfen, 
uns  zu  zwingen,  die  inschriflfragmente  der  Sepia  an  d.is  grosse  Fragment  (ungefähr)  rechtwinklig  in 
der  Richtung  vom  Corso  gegen  S.  Maria  Sopra  Minerva  anzusetzen.  Denn  wenn  alle  Inschriften  des 
Planes  auf  die  Situation  desselben,  wonach  Nordwest  unlen  und  Südost  oben  isl,  hinweisen,  muss  die 
einzige  sich  fügen,  und  nicht  umgekehrt  der  beliebten  Zusammensetzung  der  Fragmente  der  Sepia  Julia 
alle  anderen.  Die  Pfeilerresle  im  Souterrain  von  S.  Maria  in  Via  Lala,  die  nur  mehr  vereinzelt  auftreten 
und  dem  Verfasser  bei  wiederholter  Besichtigung  (1876)  keinen  völlig  befriedigenden  Aufschluss 
gaben,  stehen  übrigens  auch  der  Annahme  nicht  entgegen,  dass  hier  die  Längsaxe  nicht  mehr  in  der 
Linie  des  Corso,  sondern  in  rechtwinkliger  Beugung  vom  Corso  gegen  S.  Maria  Sopra  Minerva  ge- 
richtet war;  doch  kann  die  Beugung  der  Pfeilerporticus  auch  noch  etwas  weiter  nördlich,  etwa  an 
der  Südecke  des  Pal.  Boncompagni  angenommen  werden. 

S.  278  Z.  5.  Die  beregten  Reliefs,  jetzt  in  Villa  Borghese,  finden  sich  abgebildet  in  den  Monum.  d.  I.  d. 
c.  a.  Vol.  X.  tav.  XXI  und  erläutert  von  A.  Philippi  „Sopra  alcuni  bassirilievi  che  appartenevano 
ad  un  arco  trionfale  di  Claudio".  (Ann.  d.  1.  d.  c.  a.  (1875j  p.  42 — 49.)  Weitere  Archilektur- 
resle  wurden   1869  bei  Grunilarbeilen,  anlässlich  der  Neuherstellung  des  Sparkassengebäudes  an  der 


Zusätze  und  Berichtigungen.  ^ß>^ 

Westseile  der  Piazza  Sciarra,  mithin  an  der  seit  Flaminio  Vacca  bekannten  Stelle  anfgefunden.  (R. 
A.  Lanciani,  Recenti  Scoperte.  Rull.  d.  I.  d.  c.  a.  1869.  p.  224.  225).  Die  Ergänzung  der  In- 
sclirift  hat  durch  Reiziehung  einiger  bisher  nicht  berücksichtigter  aber  von  Nicolaus  Florentius  abge- 
schriebener Fragmente  eine  kleine  Rerichtigung  erhalten ,  nicht  in  den  beiden  ersten  Zeilen,  wo  die 
Endbuchstaben  der  Zeilen  SARI  und  CO  mit  der  gegebenen  Ergänzung  stimmen,  doch  in  der 
dritten  wo  potesTAT  •  XI  und  in  der  vierten  wo  IMp  XXIIII  (?)  patri  paTRIAl  zu  ergänzen 
ist.  An  der  5.  Zeile  ändern  die  gefundenen  Buchstaben  RO  und  qVOD  nichts;  während  in  der 
sechsten  nach  BRITanniai  die  Zahl  XI  zu  setzen  ist  und  das  angefügte  D  statt  perduelles  wohl 
Devictos  empfiehlt  (Mommsen).  Andere  an  derselben  Stelle  gefundene  Widmungsinschriften,  an  Ger- 
manicus,  Antonia,  Agrippina,  und  Nero,  d.  b.  des  Claudius  Rruder,  Mutter,  GemahHn  und  Sohn 
gerichtet  und  grösstentheils  im  capilol.  Museum,  beweisen  dass  der  Rogen  nicht  blos  dem  Claudius, 
sondern  auch  dessen  Familie  errichtet  worden  sei,  was  wohl  die  Anbringung  der  Standbilder  der 
Genannten  um  das  des  Kaisers  auf  der  Höhe  des  Denkmals  voraussetzen  lässt.  Vgl.  Rormann  de 
aedificiorura  Urbis  titulis.     Ephemeris  epigrapbica  1872.  p.  121. 

S.  278  Z.  15.  Der  Triumphbogen,  von  dessen  Ausgrabung  aus  Anlass  der  Restauration  der  Kirche  S.  Maria 
in  Via  Lata  durch  Jnnocens  VIII.  A.  Fulvius,  Antiquitates  Urbis  Lib.  IV.  p.  60  und  Marliani  Antiq. 
Rom.  topogr.  Lib.  VI.  1534.  p.  248  sprechen,  ist  mit  vieler  Wahrscheinlichkeit  mit  dem  Triumph- 
bogen des  Diocletian  und  Maximian  zu  idenlifiziren.  Fulvius  nemlich  nennt  den  Styl  der  plastischen 
Reste  „haud  dubie  posteriorum  imperatorum",  und  Marliani  berichtet  von  Inschriflfragmenten  mit 
„VOTIS  X  ET  XX",  während  Notitia  und  Curiosum  den  Arcus  „novus"  unmittelbar  nach 
der  Cob.  I.  vigilum,  nach  de  Rossi  (Ann.  d.  I.  d.  c.  a.  1858.  p.  267)  unzweifelhaft  in  der  Nähe 
dieser  Stelle,  nennen.  Der  „neue"  Rogen  weist  in  dem  zu  Anfang  der  Regierung  des  Constantin 
verfassten  Regionär  zunächst  auf  die  lelztvergangene  Zeit,  wonach  es  wohl  nahe  liegt,  an  das  Denkmal 
des  301  gefeierten  Triumphes  der  beiden  genannten  Kaiser  zu  denken,  welches  (Prosp.  Aquit.  Cbron. 
VI)  ausdrücklich  als  in  Rom,  freilich  ohne  nähere  Localangabe,  errichtet  erwähnt  wird  (vgl.  A.  Pelle- 
grini,    della  Via  Mamertina  e  della  prima  parte   della  via  Lata.     Bull.  d.  I.  d.  c.  a.   1870.  p.  118). 

S.  279  Z.  9.  Das  AE  in  SAEPTA  der  Inschrift  des  capitolinischen  Planfragments  zeigt  allerdings  durch 
die  Flüchtigkeit  der  Ausführung,  dass  es  erst  später  aus  dem  einfachen  E  geformt  worden  sei. 
Jordan  Forma  U.  R.  Reg.  XIV.  p.  59  ist  wohl  mit  Recht  der  Ansicht,  dass  erst  bei  Aufstellung  der 
Fragmente  im  Treppenbause  des  capitolinischen  Museums  diese  Umwandelung  geschehen  sei,  um  das 
Fragment  mit  Rellori's  Publication  übereinstimmend  zu  machen. 

S.  285  unten.  S.  286  Z.  24.  Dass  die  sieben  Reliefs,  welche  man  gewöhnlich  einem  Denkmale  zuschreibt, 
doch  wahrscheinlicher  zweien  angehören,  (vielleicht  z.  Tb.  dem  Marc  Aurelbogen  auf  dem  Capitol,  von 
dem  die  Einsiedler  Inschriftensammlung  die  Inschrift  giebt)  gewinnt  durch  die  Erörterung  Jordan's  II. 
415  fg.  an  Wahrscheinlichkeit,  ja  durch  neuerliche  Untersuchung  und  Messung  durch  den  Verfasser 
Gewissheit.  Denn  die  beiden  Reliefs,  welche  nach  Abbruch  des  Rogens  am  Corso  aufs  Capitol 
kamen,  jetzt  auf  der  Höhe  der  Treppe  angebracht,  zeigen  nicht  bloss  besseren  Styl,  sondern  sind 
breiter  und  niedriger  als  die  vier  auf  dem  mittleren  Treppenansatz  des  Conservatorenpalastes 
befindlichen. 

S.  289  Z.  6.  Es  scheint  dass  keiner  der  auf  Augustus  folgenden  Kaiser  seine  Beisetzungsstelle  hier  fand,  die 
Bestattung  Nerva's  aber  in  dem  Augustusgrabnial  ist  nicht  bloss  durch  eine  klassische  Nachricht 
bezeugt  (Epit.  de  Caess.  12.  12),  sondern  es  scheint  sogar  in  der  Zeit  der  Abfassung  der  Mirabilien 
(12.  Jahrhundert)  die  Grabinschrift  noch  vorhanden  gewesen  zu  sein.     Vgl.  Jordan  II.  p.  436. 

S.  294  Z.  4.  Die  behauptete  Vollendungspriorität  der  fabricischen  Brücke  vor  der  ärailischen  ist  als  ein 
chronologisches  Versehen  (vgl.  S.  316)  zu  streichen. 

S.  296  Die   Identificirung   des   für   die  Bestimmung  der  Grabstätte    des  heil.  Petrus  (Lipsius  Chronologie  der 


KßQ  Zusätze  und  Berichtigungen. 

römischen  Püpste,  Kiel  1869)  so  wichtigen  Apollotempels  im  Valicanum  mit  dem  Mithrasheiligthum 
daselbst  ist  unsicher. 
S.  299  zu  Anm.  3.  Wie  wenig  auf  die  Beschreibung  des  lladriansgrabmales  von  Petrus  Mallius,  Hist.  Bas. 
S.  Pelri  c  8.  No.  130  als  seinerseits  die  Mirabliicn  paraphrasircnd  zu  halten  ist,  hat  H.  .Jordan  II. 
428.  430  fg.  gezeigt.  Dass  jedoch  an  den  vier  Ecken  des  Subslructionswürfels  Reiterstaluen  gestanden, 
erscheint  mir  künstlerisch  zu  correct,  als  dass  ich  hierfür  irgend  eine  begründete  Tradition,  welche 
den  Mirabilien  vorlag,  ausschliessen  möchte. 
S.  301  Z.   1.      Es  ist  Innocenz  XII  (f   1143);   der  Sarg   ging    bei    einem  Brande   zu   Grunde.     Gregorovius 

IV.    424. 
S.  301  Z.  27.     Neben    der  Tradition   von   einer  Colossalstatue  Hadrians,    welche   die    flachkegelförmige   Be- 
deckung des  Hadriansgrahes  abgeschlossen  haben  soll,  dürfte  doch  auch  die  zweite  neuerdings  wieder- 
aufgefrischte   nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  sein,   dass  diese  Bekrönung   in  einem  Colossalpinienapfel 
bestand,  wie  er  in  der  That  antiken  Rundbauten  eigen  gewesen  zu  sein  scheint  (vielleicht  die  letzte 
Form  jener  hemisphärisch   oder   parabolisch   endenden  Stelen ,   welche   den  Gipfel  der  asiatisch-helle- 
nischen wie  der  etrurischen  Grabtliolen  schmückten),  wenn  auch  Flaminio  Vacca's  Notiz  (Meraorie  61 
Fea  Mise.   1  p.  80)  nicht  unbedingten  Glauben  verdienen  sollte,    dass  jene  Bekrönung  des  Hadrians- 
grahes sich  in  der  Colossalpinie  des  Vatican  erhalten  habe. 
S.  302  Z.   10  lies  „n.  Chr."  statt  „v.  Chr." 
S.  304  Z.  3  lies  „nemlich"  statt  „namentlich." 

S-  307  Selbstverständlich  bat  die  französische  Besetzung  der  Engelsburg  längst  aufgehört. 
S.  309  Die   gegen   die  Mirabilien   ausgesprochenen  Bedenken    sind   ungegründet,    und   die  Brückenaufzählung 
derselben  hält  vielmehr,  wie  auch  S.  324  angedeutet  wird,  eine  genaue  topographische  Reihenfolge  ein. 
S.  312  Z.  3.     „Julia"  als  mittelalterliche  Bezeichnung  für  den  vaticanischen  Obelisken  ist  wohl  lediglich  Cor- 

ruption  von  „agulia",  der  damaligen  Vulgärbezeicbnung  der  Obelisken  überhaupt. 
S.  313  Z.  13.  Endlich  ist  noch  unter  den  bis  ins  spätere  Mittelalter  erhaltenen  Resten  das  „terbentinum 
Neronis"  zu  nennen ,  wahrscheinlich  ein  hochragendes  Grabmal  mit  kreisförmiger  Basis  in  mehreren 
cylindrischen  Etagen  sich  aufbauend  ,  und  nach  den  Erwähnungen  wohl  ebenso  wie  das  benachbarte 
Pyramidalgrab  in  der  Nähe  der  Engelsburg  (vgl.  Mirabilia  U.  R.  .Jordan  II.  S.  430). 
S.  316  Die  Möglichkeit  dass  die  sublicische  Brücke  das  Marsfeld  mit  der  Tiberinsel  verband,  wie  Mommsen 
(Berichte  der  sächsischen  Gesellschaft  1850  S.  322  fg.)  und  Jordan,  (Topograjihie  II.  199  fg.)  be- 
haupten, ist  mir  noch  immer  nicht  völlig  einleuchtend.  Jordan  giebt  nun  freilich  in  seinem  mittler- 
weile erschienenen  I.  Band  S.  405  die  Schwierigkeit  der  Erklärung  zu,  wie  Livius  II.  10  und 
Dionys  von  Halicarnass  V.  24,  ferner  Plutarch  Popl.  16  (cf.  Polyb.  VI.  55)  welche  die  sublicische 
Brücke  kennen  mussten,  den  halbmythischen  Vorgang  mit  Iloratius  Codes  so  erzählen  konnten ,  dass 
von  zwei  Brücken  vom  linken  Ufer  zur  Insel,  und  von  der  Insel  zum  jenseitigen  Ufer,  wie  von  der 
Insel  keine  Rede  ist.  Denn  dass  die  letztere  erst  zu  Anfang  der  republicanischen  Aera  entstanden, 
konnten  sie  kaum  ernstlich  glauben,  oder  hätten  diess  wenigstens  hier,  um  dem  Leser  in  ihrer  Zeit 
verständlich  zu  werden,  wohl  ausdrücklich  erwähnt.  Wichtiger  aber  als  diess  scheint  mir  der  Um- 
stand, dass  dann  die  Brücke  nicht  unmittelbar  in  die  Stadt  geführt  hätte,  so  dass  des  Horatius  That 
nicht  den  mindesten  Werth  gehabt  hätte.  Denn  wer  hätte  die  Etrusker  gehindert,  oberhalb  der 
Stadt  an  einer  beliebigen  Stelle  über  den  Fluss  zu  setzen!  Es  handelte  sich  aber,  wenn  die  ganze 
Geschichte  von  Codes  nicht  absolut  sinnlos  sein  soll,  darum,  an  der  Stelle  über  den  Fluss  zu  ge- 
langen, wo  die  Stadt  ohne  Mauerschutz  war.  Gegen  diesen  Umstand  kann  die  Bemerkung  des 
Polybius  (1.  c),  dass  die  Brücke  ngö  trjs  nolecog  (vor  der  Stadt)  war,  nicht  bestimmen,  sie  oberhalb 
der  Stadt  anzunehmen.  Wir  sind  daher  an  die  Strecke  zwischen  Ponte  rotto  und  der  untersten 
Brücke  (Pons  Theodosii  und  Valentiniani?)  gewiesen.  Vgl.  übrigens  auch  Urlichs,  Sitzungsber.  d. 
Münchener  Ak.   1870.  459  fg. 


Zusätze  und  Berichtigungen.  k^q 

S.  317  Fig.  32.  Leider  ist  Fi^rnr  32  von  einem  Kahn  aus  und  bei  trübem  Wetter  skizzirt  und  dann,  mit 
der  Abbildung  bei  Canina  (Gli  Edifizj  di  Roma  anlica)  übergangen,  sehr  missralhen.  Namentlich  war 
der  starkbescliädigte  Aeskulapkopf,  als  welcher  das  bis  auf  einige  Locken  verslümmelte  Fragment 
durch  den  schlangenumwundenen  Stab  nebenan  unzweifelhaft  zu  erkennen,  damals  ganz  unerkennbar. 
Eine  vorzügliche  Zeichnung  ist  der  Abhandlung  von  H.  Jordan,  Sugli  avanzi  dell'  antica  decorazione 
deir  isola  tiberina,  Ann.  d.  L  d.  c.  a.  Vol.  XXXIX.  1867.  p.  389  tav.  d'agg.  K.,  1  beigegeben. 
Auch  ist  die  angeführte  Annahme,  dass  der  erhaltene  Rest  und  somit  die  schiffartige  Ummauerung 
der  Insel  „möglicherweise"  zu  den  älteren  der  Stadt  gehöre  und  sogar  mit  der  Erbauung  des 
Aeskulaptempels  gleichzeitig  sein  könnte,  dahin  zu  berichtigen,  dass  die  grössere  Wahrscheinlichkeit 
der  sumtuosen  Herstellung  erst  für  die  Zeit  nach  der  Erbauung  der  fabricischen  Rrücke  (692 
d.  St.)  spricht. 

S.  323  unten.  Die  Bestimmung  der  Entstehungszeit  der  ämilischen  Brücke  ist  mittlerweile  sehr  durch  den 
Umstand  erschwert  worden,  dass  die  ämilische  Brücke  schon  vor  723  —  ich  setze  die  unzweifel- 
hafte Richtigkeit  der  Mommsen'schen  Zeitbestimmung  des  Kalenders  von  Allifae  voraus  —  genannt 
wird,  .lordan,  Top.  I.  S.  409.  Es  müsste  demnach  nach  einem  anderen  Aemilier  als  Erbauer  der 
Brücke  gesucht  werden.  Im  Uebrigen  ändert  die  Entdeckung  nichts  an  der  Bestimmung  der 
Brücke  selbst. 

S.  331  Z.  20.  Dass  die  sogenannte  Porta  Romanula  vielmehr  an  der  Nordspitze  des  Palatin  angenommen 
werden  muss  haben  die  neueren  Aufdeckungen  des  Palatin  gezeigt.  Vgl.  die  Beschreibung  der 
Ruinen  des  Palatin. 

S.  333  Z.  9.  Auch  die  neueren  Forschungen  haben  die  Existenz  einer  Porta  Triumphalis  als  wirkliches 
Stadtthor  nicht  mit  Sicherheit  zu  retten  vermocht. 

S.  335  Z.   10.     Statt  S.   18  ist  auf  S.  25  zu  verweisen. 

S.  336  Z.  12,  Audi  der  von  Pompeius  erbaute  Herculestempel  (Plin.  H.  N.  XXXIV.  8,  19.  57)  kann  hier 
nicht  in  Betracht  kommen.  Denn  ausser  dem  im  Text  angegebenen  Grunde  kommt  hier  noch  in 
Betracht,  dass  er  nach  Vilruv  III.  3  aräostyl  war. 

S.  337  oben.  Wenig  Werth  hat  auch  der  Zusatz  ad  gradellas,  worin  jedoch  die  Volksbezeichnung  der 
Gegend,  wie  auch  die  ältere  Nebenbezeiclmung  der  Marienkirche,  die  wenigstens  in  den  Mirabilien 
den  Namen  S.  Maria  Egiziaca  noch  nicht  führt,  zu  suchen  ist.  Gradella  aber  ist  dasselbe  wie  craticula 
(Gitter)  und  ist  vielleicht  ebenso  hier,  durch  den  Anschein  des  Pseudoperipleros  wie  bei  der  sog. 
Crypta  Balbi  durch  die  Halbsäulen  der  Pfeilerarkaden  entstanden  (vgl.  .lordan  IL  |)t  532 — 535). 

S.  337  Z.  12.  Die  landläufige  Bezeichnung  des  frühmittelalterlichen  Hauses  mit  der  barbarischen  Facaden- 
decoralion  der  Kirche  S.  Maria  Egiziaca  gegenüber  als  Haus  des  Rienzi  hat  sich  als  unmöglich  erwiesen. 

S.  341  Z.  10.  Die  Bedenken  Ziegler's,  Topographie  des  alten  Rom,  S.  7,  gegen  die  angenommene  Bestim- 
mung sind  nicht  von  dem  Gewichte  der  gegentheiligen  Gründe. 

S.  344  Z.  2  von  unten.  Freilich  ist  die  Qualität  der  Sculpturen  an  den  Bogenschlüsseln  nicht  massgebend, 
wenn  es  sich  um  die  Bestimmung  eines  constantinischen  Baues  handelt,  denn  es  konnten  ja  auch  hier 
wie  an  dem  Triumphbogen  des  Constantin  Sculpturbestandtheile  von  anderen  Gebäuden  entlehnt  worden 
sein.  In  der  That  scheint  aber  der  Umstand,  dass  das  Gewölbe  des  Janus  vermittelst  Töpfen  her- 
gestellt ist  (Uggeri,  Opere  archit.  vol.  I.  p,  55.  vol.  IL  tav.  13  Fig.  B.),  darauf  hinzuweisen,  dass  der 
Bogen  später  als  Septimius  Severus  entstanden  sei,  da  diese  Technik  erst  in  der  constantinischen  Zeit 
sich  mehr  verbreitet  findet  (Circus  des  Maxentius,  Grabmal  der  Helena  oder  Tor  Pignalerra  u.  s.  w.). 

S.  346  In  Bezug  auf  die  ursprüngliche  Form  der  Inschrift  hat  E.  Bormann,  Süll'  arco  del  foro  Boario,  Bull, 
d.  I.  d.  c.  a.  1867.  p.  217  fg.  wahrscheinlich  gemacht,  dass  nicht  blos  die  angegebenen  Worte 
spätere  Correctur  seien,  sondern  auch  in  der  vierten  Zeile  das  N.  nach  Aug.  wie  die  weiteren 
Worte  von  SENATVS  an.  Die  ursprünglichen  Worte  hiefür  aber  dürften,  während  die  zweite 
Hälfte  der  dritten  Zcilo  von  dem  Namen  und  den  Titeln  Geta's  eingenommen  war,  gewesen  sein: 
F.  Rkber,  Rom.  72 


K*^Q  Zusätze  und  Berichtigungen. 

statt  AVG  •  N  vielmehr  Augg.  und  statt  SENATVS  u.  s.  w.     Fulviae   Plantillae   filiae  C.  Fulvi 
Plautiani  pontificis  nobilissimi  pr.  pr.  cos.  II.  necessarii  et  comitis  Augg. 

Die  theilweise  Bloslegung  des  zweiten  durch  die  Vorhalle  von  S.  Giorgio  in  Velabro  verbauten 
Pfeilers  1871  (R.  A.  Lanciani.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1871.  p.  247—249)  hatte  in  so  ferne  geringen 
Erfolg,  als  die  Reliefs  sehr  zerstört  gefunden  wurden. 

S.  347  unten.  Die  weiteren  Ausgrabungen  des  Forum  1871/2  veranlassten  eine  gründlichere  Untersuchung 
des  Cloakentraktes  vom  Forum  Romanum  bis  zu  dem  längstbekannten  Theile  zwischen  den  sog. 
mulini  di  S.  Giorgio  und  dem  Tiber.  Das  Ergebniss  war,  dass  sich  der  Canal,  wahrscheinlich  von 
der  Subura  kommend,  unter  dem  Südostrande  der  Basilica  Julia  und  unter  den  Fionili  (ungefähr 
in  der  Richtung  des  alten  Vicus  Tuscus)  hinzog,  unter  der  Via  dei  Fienili  einen  stumpfen  Winkel 
bildete,  vom  Palalin  weg  sich  gegen  S.  Giorgio  in  Velabro  wendete  und  unter  dem  Janus  Quadrifrons 
bin  die  abgebildete  Stelle  erreichte.  Unter  mehren  Seitenarmen  sind  der  vom  Carcer  Mamertinus 
her  in  seiner  Einmündung  am  Forum  sichtbare  und  der  von  der  Gegend  des  Vestatempels  vor  der 
Fronte  des  Castortempels  mündende  die  bedeutendsten.  An  der  Südostseite  der  Basilica  Julia  wurden 
die  Gewölbe  der  Clöaca  geöffnet  und  zeigen  eine  dem  längstbekannten  Trakt  ganz  ähnliche  Construction 
bei  2,15  Met.  in  der  Spannweite.  Jetzt  ist  der  ganze  Canal  mit  den  beiden  genannten  Zuleitungen 
von  N.  u.  0.  wieder  in  vollen  Gang  gesetzt  und  führt  bedeutende  Wassermassen  in  den  Tiber. 
E.  Brizio  Scavi  del  Foro  Romano.     Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1872.  225  fg. 

S.  351  Wenn  auch  unzweifelhaft  S.  Teodoro  wenigstens  im  12.  Jahrhundert  amtlich  (Bulle  Anaklet  11. 
Wadding  Annales  Minorum  III.  509)  als  carnarium  (Beinhaus)  genannt  wird,  wie  es  auch  die  Gestalt 
der  in  der  romanischen  Epoche  beliebten  bis  auf  den  heutigen  Tag  „Kärner"  genannten  Gebäude  in 
der  That  hat,  so  bringt  uns  diess  doch  seiner  ursprünglichen  Bestimmung  um  nichts  näher. 

S.  351  Z.  25.  Die  Osteria  della  Moletla  enthält  wohl  noch  die  ansehnlichsten  von  den  sonst  parallelen  am 
Kopfende  aber  radianten  Stützmauern,  welche  durch  ansteigende  Tonnengewölbe  miteinander  verbunden 
in  der  Weise  wie  sie  die  noch  erhaltenen  römischen  Theater  und  Amphitheater  zeigen,  die  Sitzplätze 
trugen.  Die  neue  Cloakenanlage  die  Via  de  Cerchi  entlang  hat  wenigstens  bis  zum  Frühjahr  1877, 
wo  Verfasser  dieses  die  Ausgrabungen  kurze  Zeit  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte,  trotz  der  bedeu- 
tenden Tiefe  der  Canalsohle  keine  namhaften  Ergebnisse  geliefert.  Von  der  äusseren  Umfassung  glaubt 
man  indess  einen  in  kräftigen  durch  Bogen  verbundenen  Pfeilern  bestehenden  Ueberrest  neben  der 
antiken  Strasse  gefunden  zu  haben,  und  zwar  unter  der  Kirche  S.  Anastasia,  in  welcher  1856 
Nachforschungen  angestellt  worden  sind.  R.  Bergau,  Scavi  sotto  la  Chiesa  di  S.  Anastasia.  Bull.  d. 
I.  d.  c.  a.  1863.    p.   113—116. 

S,  358  Z.  17.  Jordan  vermuthet  hinsichtlich  des  Wortes  Mugonia  im  Gegensatze  gegen  die  im  Texte 
angegebene  varronische  Deutung,  dass  es  im  Zusammenhange  mit  muceo  stehe,  wie  colonus  zu  colo, 
und  (wie  mucida)  verschimmelt,  alt  bedeute.  Topogr.  d.  St.  R.  i.  A.  Band  I.  S.  175.  Jordan 
erklärt  dann  die  beiden  anderen  Thore  als  fiktiv,  giebt  aber  Treppenaufgänge  an  der  Stelle 
derselben  zu. 

S.  392  Z.  28.  Ferd.  Dutert  gab  in  der  Revue  archeologique  1873  tab.  II  u.  III  Längendurchschnilt  und 
Hauplfacade  des  domilianischen  Palastes  in  reslaurirter  Ansicht,  welche  jedoch  schon  ihrer  geringen 
Dimensionen  wegen  die  interessante  Angelegenheil  nicht  ein  für  allemal  erledigen. 

S.  398  Z.  1 1  lies  Nebeneinander  statt  Uebereinander. 

S.  400  Z.  28.  Durch  die  neuesten  Ausgrabungen  sind  südlich  von  der  Sacra  via  zwischen  Titusbogen  und 
Meta  Sudans  die  Reste  einer  Reihe  von  Wohngebäuden  zu  Tage  gekommen,  welche,  die  genannte  Strasse 
begränzend,  zwischen  dieser  und  der  Substruction  des  Palatin  in  der  ganzen  Länge  des  gegenüber- 
liegenden Venus-  und  Romatempels  sich  hinzogen. 

S.  404  Z.  17.  Die  neuesten  Ausgrabungen  hinter  S.  Cosma  und  Damiano  haben  allerdings  die  Vermuthung, 
dass  der  capilolinische  Plan  für  ein  Pavimeiit  geschaffen  worden  sei,  keineswegs  bekräftigt.    Da  jedoch 


Zusätze  und  Berichtigungen.  ^<^ ^ 

kein  Zweifel  besieht,  dass  der  capitoHnische  Plan  als  die  Erneuerunjf  eines  früher  schon  vorhandenen 
Planes  zu  betrachten  sei,  bleibt  auch  die  Möglichkeit  nicht  völlig  ausgeschlossen,  dass  dieser  eine  ähn- 
liche Bestimmung  gehabt  habe. 
S.  407  Z.  9.    Die  Annahme,  dass  Reste  des  Colosses  nach  dem  Lateransplatze  gelangt  seien  (jetzt  im  Hof  des 
Conservatorenpalastes),  wie  diess  die  jüngeren  Mirabilien  behaupten,  ist  wohl  grundlos,  mag  aber  hier 
immerhin  als  Legende  angeführt  werden. 
S.  420  oben.    Die  Nähe  des  Colosses   des  Nero  wird   doch  wohl  die   nächste  Anregung   zur  Entstehung  des 
Namens  Colosseum  gegeben  haben,   der  um  so  leichter  in  Gebrauch  kam  und  um.  so  dauernder  sich 
erhielt  als  die  Dimensionen  des  Gebäudes  ihm  wirklichen  Sinn  gaben. 
S.  421   Z.  22.    Der  Kreuzweg,   das  Cruzifix  und  die  Kanzel  sind  anlässlich   der  Wiederaufdeckung  der  Sou- 
terrains neuestens  beseitigt  worden. 
S.  422  Z.  13.  Behufs  Entfernung  der  in  den  wieder  zur  vollen  Hälfte  durch  P.Rosa  aufgedeckten  Souterrains 
stagnirenden  Wasser  sind  im  Jahre  1877  ernstliche  Anstalten  getroflen  worden,  in  nichts  geringerem 
bestehend,    als  in  einem  besonderen   sehr  tief  gelegten  und  unmittelbar  zum  Tiber  führenden  Canal. 
S.  430  Z.  7.    Immerhin  ist  in  Bezug   auf  die  Entstehungszeit   des  Constantinbogens   die  Annahme  de  Rossi's 
(Bull,  di  arch.  crist.   1863,  p.  58  fg.)  wahrschemlich,  dass  der  Bogen  nach  der  Schlacht  bei  der  mil- 
vischen  Brücke  312   begonnen   und  anlässlich    der  Feier  der  decennalia  (315)    dedicirt  worden  sei, 
dass  man  aber  bei  den  Decennalien  die  vicennalia  gelobt  und  diesem  Gelöbnisse  auf  dem  Triumphbogen 
monumentalen  Ausdruck  gegeben  habe,  wie  es  auch  an  dem  sicher  315  dedicirten  Constantinsbogen 
zu  Sitifis  geschehen  ist. 
S.  430  Z.  15.    Das  im  Texte   ausgesprochene  Bedenken   gegen  eine  Veränderung    der  Inschrift    in  Bezug  auf 
die  merkwürdigen  W^orte  „instinctu   divinitatis"  hat  ihre  Bestätigung  durch  G.  B.  de  Rossi,  Bulletlino 
di  arch.  cristiana  1.  no.  8,  p.  57 — 60  gefunden.     Die  Inschrift  ist  überhaupt  nicht  auf  Platten,  sondern 
auf  die  colossalen  Werkstücke  selbst  gesetzt,  die  Oberfläche  derselben  ist  nicht  überarbeitet,  und  über- 
haupt auf  keiner  Seite  des  Rogens  auch  nur  die  Spur  einer  nachträglichen  Veränderung,  geschweige 
denn  einer  neuen  (von  der  Restauration  des  Miollis)  an    der  beregten  Stelle  zu  entdecken.    Es  wird 
sonach  selbst    die  Reminiscenz    eines  Rorghese   (G.  Henzen,  l'iscrizione  dell'  arco  di  Costantino.    BuU. 
d.  I.  d.  c.  a.  1864,  p.  157)  als  grundlos  erklärt  werden  müssen. 
S.  432  Z.  26.    Statt  SS.  Balbina  und  Prisca  lies  SS.  Balbina  und  Saba. 

S.  450  Z.  30.  Die  antoninischen  Thermen  wurden  an  die  Stelle  der  von  Frontin  de  aq.  U.  B.  21  hier  ge- 
nannten Horti  Asiniani  gesetzt,  aus  welchen  auch  der  in  jenen  Thermen  gefundene  farnesiscbe  Stier, 
von  Plinius  dem  Besitzthum  des  Asinius  Pollio  zugeschrieben,  stammle.  Beste  des  Palastes  jener  horti 
woUte  man  in  neuerlich  innerhalb  des  Thermenumfassungsbaues  gefundenen  Ruinen  gefunden  haben. 
(A.  Pellegrini  Orti  di  Asinio  PoUione,  RuU.  d.i.  d.  c.  a.  1867,  p.  109—119.  R.  Lanciani,  Scavi  di  Roma 
BuH.  1869.  p.  236.) 
S.  462  Z.  18.  In  der  der  Vigna  Codini  gegenüberliegenden  Vigna  Casali  ist  neuerlich  ein  interessanter  Gräber- 
fund gemacht  worden,  der  ungewöhnlich  reich  an  Sarkophagen  und  anderem  Inhalt  war.  Das  Grabmal 
bestand  aus  drei  Gemächern,  von  welchen  das  erstere  inschriftlich  als  Sacrarium  bezeichnet  den  T.  Aelius 
Nicephorus  als  den  Besitzer  nennt.  Ein  Theil  des  Grabes  reicht  noch  in  das  Grundstück  Volpi  hinüber. 
(E.  Drizio,  Scavi  e  scoperte  nella  vigna  Casali  presso  la  porta  di  S.  Sebastiano.  Bull.  d.  I.  d.  c.  a.  1873, 
p.  11  fg.,  34  fg. 
S.  469  unten.  Bei  S.  Gregorio  rechts  neben  den  zu  dem  ehemaligen  Klostercomplex  gehörigen,  durch  ihre  be- 
rühmten Malereien  bekannten  Kapellen  S.  Barbara,  S.  Andrea  u.  S.  Silvia  fand  sich  neuerlich  noch  ein 
ansehnliches  in  einer  Höhe  von  14  Lagen  erhaltenes  Mauerstück,  welches  nach  seiner  Reschaflenheit  dem 
servischen  Mauerring  entspricht.  (P.  Rosa,  Avanzo  delle  mura  Serviane  presso  S.  Gregorio.  B.  d.  I. 
d.  c.  a.  1869.  p.  68,  69,  131.)  Doch  erregt  die  Lage  einige  Bedenken,  weil  durch  dieselbe  ein  wesent- 
licher Theil  des  Caelius  von  der  servischen  Ummauerung  ausgeschlossen  wäre. 

72* 


«1^9  Zusätze  und  Berichtigungen.  ' 

S.  471  Z.  9.  Die  neuesten  Aurdeckiingen  (1876  u.  1877)  haben  dargetluui,  dass  der  GaHienusljogeii  genau 
der  servisclien  Mauerlinie,  und  somit  unzweifelhaft  der  Porta  Esquihna  enlspriclit. 

S.  475  Plan  lies  „Nach  de  Romanis"  statt  „nach  Canina". 

S.  483  Anm.  2.  Neuere  Nivellirungen  wollen  die  Wasserhöhe  des  angchl.  Nymphäum  des  Alexander  Sevcrus 
als  beträchtlich  höher,  wie  die  aqua  Alexandrina  befunden  haben,  und  man  kehrt  daher  zu  der  ursprüng- 
lichen Annahme  zurück,  welche  den  Brunnen  mit  der  Aqua  Julia  in  Zusammenhang  brachte,  wobei 
jedoch  der  Anio  vetus  ebenfalls  in  Betracht  gezogen  wird.    Vgl.  Jordan.    Top.  I.  478. 

S.  488  Es  scheint  allerdings  der  Name  Sessorium  mehr  auf  die  Kirche  S.  Croce  in  Gerusalcmme  selbst  (womit 
sie  schon  die  Mirabilien  indentificiren),  als  auf  die  nebenanliegende  Ruine  zu  passen.  (Vgl.  Hübsch  Alt- 
christliche Kirche  1862,  S.  70.)  Was  aber  dann  unter  der  in  miltclaltcrliclien  Erwälinungen  „pala- 
tium"  genannten  Ruine  zu  verstehen  sei,  bleibt  wenigstens  vor  der  Hand  unerfindlich. 

S.  491  Die  grossartigen  Nivellirungsarbeiten  zwischen  S.  Vito  und  S.  Croce  in  Gerusalemme  und  S.  Giovanni 
Latcrano  haben  ausser  den  aufgeführten  Resten  noch  eine  grosse  Anzahl  von  anderen  zu  Tage  ge- 
fördert, welche  jedoch  kaum  entdeckt  der  Anlage  des  neuen  Stadtviertels  sofort  wieder  zum  Opfer 
fallen  mussten,  indem  an  vielen  Stellen  an  eine  dauernde  ßloslegung  um  so  weniger  gedacht  werden 
konnte,  als  das  moderne  Niveau  zum  Theil  unter,  zum  Tlieil  beträchtlich  über  dem  antiken  Boden 
gebildet  wurde.  Auch  wurde  bei  diesem  Anlass  die  Aufeinanderfolge  von  mehren  römischen  Baucpoehen 
entdeckt,  wie  diese  bei  dem  beschriebenen  sog.  Auditorium  des  Mäcenas  in  noch  erhaltener  Weise 
so  zu  Tage  liegt,  dass  man  ersiebt,  wie  durch  jenen  Saalbau  der  Agger  des  Scrvius  durchschnitten 
und  überbaut  wurde.  Ausserhalb  des  Walles  in  der  Gegend  der  neu  tracirten  Via  di  Napoleone  HI 
haben  die  Ausgrabungen  dargethan,  dass  sich  hier  die  mäcenatischen  Gärten  über  den  alten  esqui- 
linischen  Fjcichenacker,  die  Nekropole  der  niedrigeren  Klassen  erstreckten,  wo  die  Leichen  der  Armen 
entweder  verbrannt,  oder  in  gemeinschaftliche  Gruben  geworfen  wurden.  (Porphyr,  ad  Hör.  Sat.  I.  8 
V.  10,  Fest.  s.  v.  puticuli.)  Die  mit  grauen)  Tuf  (capellaccio)  ziemlich  unregelmässig  ausgemauerten  Gruben 
(puticuli)  wurden  1871  in  Reihen  wirklich  gefunden,  noch  mit  Gebemen  und  Asche  gefüllt,  und  ohne 
Zweifel  von  Maecenas  verschüttet,  durch  dessen  Anlage  das  unerfreuliche  Todlenfeld,  wo  aucii  die  Stelle 
der  Hinrichtungen  war,  weiter  ostwärts  geschoben  wurde.  Unter  den  Puticuli,  deren  Boden  fast 
7  Met.  unter  dem  modernen  Boden  gefunden  ward,  entdeckte  man  noch  ältere  Gräber,  dazu  un- 
mittelbar nebenan  ein  noch  intaktes,  3,80: 1,93  Met.  messendes  mit  zwei  Grabbänken  beiderseits,  welches 
sich  durch  Anlage  wie  durch  den  Geschirrinhalt  als  etrusko-römisch  und  als  ähnlich  wie  einige  andere 
(1875)  vor  dem  Gallicnusbogen  entdeckte  erwies,  welche  Lanciani,  decreto  edilizio  int.  il  sepolcreto 
Esquilino  Bull.  mun.   1845,  p.  190  bekannt  gemacht  hat. 

Die  Gärten  des  Maecenas  gaben  den  in  sanitärer  Beziehung  höchst  dankenswerthen  Anstoss  zur 
Verschütlung  der  alten  esquilinischen  Nekropole  in  weiterer  Ausdehnung.  So  wissen  wir  durch  Frontiti 
(1.  20)  von  Horli  pallantiani,  bei  welchen  die  Bogen  der  Gesammtleitung  des  Anio  novus  aufhörten, 
um  dessen  Wasser  in  die  Einzelröhren  abzugeben;  und  diesen  unmittelbar  nahe  mussten  die  Horti  epa- 
phrodiliani  gewesen  sein,  bei  welchen  derselbe  Gewährsmann  an  einer  anderen  Stelle  (H.  60)  dasselbe 
Tbeilungscastell  (jetzt  bei  den  sog.  drei  Bogen  der  Eisenbahn  an  der  Ecke  der  Vigna  Bclardi)  nennt.  Unfern 
davon  müssen  auch  die  Horti  Torquatiani  angenommen  werden,  welche  derselbe  wiederholt  (H.  65) 
bei  der  Spes  vetus  bezeichnet.  Alle  diese  Gärten  scheinen  sämmllich,  wie  früher  die  des  Maecenas,  in 
die  kaiserlichen  aufgegangen  zu  sein  und  begegnen  später  unter  dem  Namen  Horti  Licinii  im  Besitz 
des  Gallienus.  Selbständig  blieben  vielleicht  andere  Villen,  die  Horti  Calyclani  et  Tauriani,  von  welchen 
der  Gränzcippus  beim  Abbruch  des  an  die  Kirche  S.  Eusehio  anslossenden  Gartens  gefunden  wurde, 
wie  die  zwischen  der  Piazza  Guglieimo  Pepe  und  der  Via  Umberto  und  Via  Amadeo  liegenden  Baulich- 
keiten des  Vettius  Praetextatus ,  deren  Inschriften  und  andere  Fundobjecte  theils  aus  dem  2.,  theils 
aus  dem  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  stammen. 

Von    anderen  Funden   dieses  Gebietes   sind    etwa   der  1873   zwischen    der  Via  Farini   und  Via 


Zusätze  und  Berichtigungen.  573 

Napoleone  III  gelungene  der  Bäder  des  Consuls  Naeraliiis  Cerealis  (Consul  358  n.  Chr.),  welcher  ausser 
mehren  Gemächern  einen  mit  Cipollin  pavimenlirten  Saal ,  mehre  schöne  Sculpluren  und  zwei  be- 
zügliche Inschrillen  ergab  und  der  eines  an  die  Aussenwand  des  agger  anstossentlen  Macellum  (Marktes) 
an  der  Südseite  des  projeclirlen  Piazza  Manfredo  Fanli,  die  bedeutendsten.  —  Ferner  die  in«derselben 
Zeit  entdeckten  und  an  dem  Viale  Principessa  Margerita  nahe  am  Agger  angegebenen  Reste  eines  Collegial- 
hauses  mit  der  Basis  einer  silbernen  Faustinenstatue ,  wie  aus  der  daran  angebrachten  Inschrift  eines 
Freigelassenen  Felix  hervorgeht,  der  sich  die  Titel  a  veste  gladiat.,  d.  h.  Gladialorenkleiderbewahrer  (wohl 
des  Commodus)  und  allector  collegii,  d.  h.  Vereinscassirer,  beilegt.  (P.  E.  Visconti  Bull.  raun.  1874, 
11  — 16.)  Der  Entstehungszeit  nach  unbestimmt  sind  die  Reste  des  Hauses  eines  Senators  L.  üctavius 
Felix  C,  V.  (Glarissimus  vir),  in  dem  genannten  Viale  an  der  Mündung  der  Via  Manin  gefunden,  wie 
die  zwischen  Via  Strozzi,  Amadeo  und  Torino  entdeckten  Häuser  des  Memmius  Vitrasius  Orfitus  und 
und  des  L.  Numicius  Pica  Gaesianus.  Auch  dem  Namen  nach  unbekannt  aber  sind  mehre  andere, 
an  den  Mündungen  der  Via  Gioberti  und  der  Via  Rattazzi  in  den  Viale  Margerila,  wie  zwischen  Via 
Cavour,  Princ.  Umberto,  Manin  und  Amadeo  entdeckte  Privatgebäude.  Hierher  gehört  auch  das  ein  Jahr- 
zehent  früher  gefundene  Privatgebäude  an  der  Innenseile  des  Agger  und  am  Fusse  des  nun  gleichfalls 
geebneten  Monte  di  Giuslizia.  (E.  Pinder,  Sala  da  bagno  scoperta  nella  Villa  Massimo.  Ann.  d.  I. 
d.  c.  a.  1863,  p.  256  —  262,  tav.  J.  K.)  Alles  wurde  wieder  verschüttet,  an  den  tieferzulegenden 
Stellen  sogar  zerstört,  doch  hat  das  neue  capitoUnische  Museum  im  Gonservatorenpalast  aus  den  beweg- 
lichen Fundobjecten  nicht  unbedeutende  Bereicherungen  erfahren.  (R.  Lanciani,  delle  scoperte  principali 
avvenuti  nella  prima  zona  del  nuovo  quartiere  esquilino ,  con  lettera  del  S.  cav.  Henzen.  Bull  mun. 
1874,  p.  33—88,  tav.  V,  VI.) 

S.  500  oben.  Zu  den  decorativen  Sculpturen  der  conslantinischen  Thermen  gehörten  auch  zwei  Flussgötter, 
welche  sich  bis  zum  16.  Jahrhundert  an  oder  in  dem  heutigen  Giardino  Golonna  befanden,  wahrscheinlich 
dieselben,  welche  sich  seit  mehr  als  300  Jahren  vor  der  Treppe  des  Senalorenpalastes  zu  beiden  Seiten 
der  Roma  auf  dem  Capitole  befinden. 

S.  514  Auch  jetzt  scheint  mir  die  gelehrte  Vermuthung  Jordan's  (Topographie  II,  p.  177)  die  Widersprüche 
der  Zahlenangabe  hinsichtlich  des  aurelianischen  Mauerringes  nicht  zu  heben,  und  die  Rückführung  auf 
eine  Vermischung  verschiedener  Messungslinien  zu  künstlich.  Wenn  die  Erklärung  der  50  Meilen,  bei 
Vopiscus  als  50,000  Fuss  stall  der  50,000  Do|)pelschrille  nicht  zulässig  sein  sollte,  so  ist  eben  die 
Ziffer  des  Vopiscus  einfach  eine  übertreibende  Ungeheuerlichkeit.  Wo  aber  in  den  Quellen  XL,  XLII 
oder  XXII,  ist  wohl  wahrscheinlich  ursprünglich  XI,  XIII  oder  XII  zu  lesen,  welche  Zahlen  unter  der 
Hand  des  diese  Ansätze  zu  klein  findenden  Abschreibers  oder  aus  Versehen  leicht  und  durch  eine  kleine 
Linienänderung  in  die  grösseren  sich  verwandeln  konnten.  Sind  aber  die  Zahlen  X  oder  XI  für  die 
diesseitige  Mauerlinie  entsprechend,  so  passen  die  letzleren  auf  die  ganze  Mauer  mit  Einschluss  des 
Iransliberinischen  Gebietes. 

S.  519  Die  Gestalt  der  Porta  Nomenlana  hat  sich  seit  1871  sehr  verändert,  da  in  Folge  der  Beschiessung 
der  Mauer  vom  20.  Se[>tember  die  ßaufälligkeit  dieses  Thores  so  bedenklich  wurde,  dass  man  die 
beiden  Thürme  und  mit  ihnen  auch  einen  Theil  des  eigentlichen  Thorbaues  abtragen  und  den  letzteren 
wesentlich  erneuern  mussle.  üafür  wurden  an  der  Stelle  der  Thürme  die  Reste  von  drei  Grabmälern 
entdeckt,  von  welchen  das  unter  dem  westlichen  Thürme  befindliche  Rundgrab  bis  auf  ein  Drittel  der 
auf  eine  rechtwinklige  Travertinsubstruclion  gesetzten  Sockelverkleidung  zerstört  ist,  während  die  zwei 
unter  dem  östlichen  Thürme  gefundenen  sich  mehr  erhalten  haben.  j)as  eine,  von  rechtwinkliger  Form, 
an  der  4,40  Met.  messenden  Längswand  mit  vier,  an  der  3,70  Met.  breiten  Rückwand  mit  drei  in  ihrer 
überhälfle  zerstörten  uncannelirten  Pilaslern  geschmückt,  verrälh  in  Material  und  Arbeit  die  Zeit  des 
Beginnes  unserer  Zeilrechnung;  das  nebenan  befindliche  dagegen  erwies  sich  durch  eine  weitläufige 
Inschrift  (jetzt  im  neuen  capitolinischen  Museum  des  Conservalorenpalastes)  als  das  Grab  des  Knaben 
Q.  Sulpicius  Maximus,  der  im  Jahre  94  n.  Chr.  in  dem  von  Domilian  eingeführten  musischen  Agon  capi- 


g'y^  Zusätze  und  Berichtigungen. 

tolinus  (Suel.  Dom.  4.  Ccnsoiiiius  d.  d.  naU  \S)  elirenvull  bcslanden  halle,  ((J.  Hoiizcii,  Scpolori  aiiliclii 
rinvenuli  alla  porla  Salaria.  Bull,  d,  I.  d.  ca.  1871.  p.  98 — 115.  —  L.  Ciofi,  luscriptiones  Lalinae  et 
graecae  cum  carmine  graeco  extemporali  Q.  Sulpicii  Maxinii.  Roma  1871.  —  V.  Vcspignani  e  C.  L.  Vis- 
conti, II  sepolcro  di  Q.  Sulpicio  Massimo  R.   1872. 

S.  519  Z.  13.  Seit  der  oben  erwähnten  Beschiessung  ist  dieser  Mauerzug  fast  völlig  orneuerl  worden. 
Nebenbei  sei  bemerkt,  dass  zum  Andenken  an  jene  Aktion  die  öfter  erwähnte  Via  Pia  den  Namen  Via 
di  venti  Setlembre  erhalten  hat. 

S.  519  unten.  Der  südliehe  Thurm  der  Porla  Nomentana  war  auf  das  Grabmal  des  Q.  Halerius  (vielleicht 
des  Redners)  erbaut,  von  welchem  Monumente  noch  Verkleidungsresle  und  ein  Inschriftfragmenl  (C.  I.  L, 
VI.   1.  1426)  gefunden  wurden. 

S.  520  Die  Vigna  del  Maccao  ist  jetzt  in  einen  grossen  offenen  Exerzierplatz  umgewandelt  und  mit  einer 
Caserne  versehen  worden,  auch  sind  die  dazuführenden  Strassen  wie  das  ganze  vorliegende  um  die 
Piazza  dell'  Indipendenza  liegende  Quartier  gänzlich  verändert  worden.  Der  Anbau  des  neuen  Stadl- 
theils  hat  hier  verhältnissmässig  rasche  Fortschritte  gemacht. 

S.  522  Anm.  4.  Die  Caserne  ist  jetzt  längst  vollendet,  und  selbstversländlich  von  königlich  ilafienischen 
Truppen  besetzt.   * 

S.  523  Z.  17.  Die  Vermuthung,  dass  die  Porta  clausa  der  servischen  Porta  Viminalis  entsprach,  hat  sich  durch 
die  neuesten  Ausgrabungen  und  die  Aufflndung  der  in  gerader  Linie  darauf  hinführenden  Via  Viminalis 
bestätigt.  (R.  Lanciani,  delle  scoperte  principali  nei  colli  Quirinale  e  Viminale.  Bull.  mun.  1873,  p.  230.) 
Nur  dürfte  dem  geschlossenen  Thor  nicht  der  lediglich  dem  servischen  Thore  zukommende  Hügelnamen 
Viminalis,  sondern  nach  Analogie  der  anderen  aurelianischen  Thore  wahrscheinlicher  der  Slrasscnnamen 
Porla  CoUatina  zukommen. 

S.  527  Z.  23.  Neuerlich  (1874)  wurden  die  drei  Leitungen  an  einem  Punkte  gefunden,  wo  sie  kreuzten, 
um  dann  definitiv  nach  verschiedenen  Richtungen  geführt  zu  werden.  Es  ist  diess  nordwestlich  von 
der  Mündung  der  Via  Milazzo  in  die  Via  di  Porta  S.  Lorenzo.  Die  Wasser  der  Marcia  sind  jetzt  wieder 
in  die  Stadt  geleitel  und  bilden  eine  schöne  Fontäne  auf  Piazza  delle  Tenne. 

S.  528  Z.  9.  Seil  der  Anlage  des  Bahnhofes  im  Innern  der  Stadt  ist  die  Stadtmauer  nördlich  von  Porta  maggiore 
durchbrochen. 

S.  536  Porla  Melronis.  Von  den  mannigfachen  Schreibweisen  dieses  rälhselhaflen  Namens  ist  Melrovia  die  häufigste. 

S.  543  Die  Entstehung  des  Monte  Icstaccio  ist  in  den  letzten  Jahren  zwar  Gegenstand  gelehrter  Conlroversen 
(A.  Reifl'erscheid,  11  monte  Teslaccio.  Bull.  d.  1.  d.  c.  a.  1865,  p.  235),  aber  noch  immer  nicht  einer 
gründlichen  und  nur  durch  umfängliche  Nachgrabungen  zu  ermöglichenden  Untersuchung  geworden. 
Wenn  nämlich  bis  jetzt  nur  Scherben  und  kein  eigentlicher  Bauschult  gefunden  wurde,  so  beweist  diess 
nur,  dass  die  Oberfläche  des  Berges  lediglich  aus  Scherbenablagerung  gebildet  sei.  Naturgemäss  werden 
aber  auch  die  Scherben,  welche  man  jetzt  noch  an  der  Oberfläche  aufliest,  voraussichtlich  ausschliesslich 
der  letzten  Zeit  angehören.  (Vgl.  P.  Bruzza  Varj  oggelti  anlichi  rinvenuli  nell'  Emporio  Romano.  Bull. 
1872,  p.  140.)  Die  vorliegenden  Berichte  über  die  Anbohrung  des  Kernes  aber  sind  zu  all  und  ober- 
flächlich, als  dass  darauf  zu  bauen  wäre,  so  dass  vorläufig  kein  zwingender  Grund  besteht,  von  der 
im  Texte  ausgesprochenen,  und  wenigstens  mittelbar  auf  eine  klassische  Notiz  (Tac.  ann.  XV.  43) 
fussende  Vermuthung  abzugehen. 

S.  345  Z.  5.  Es  ist  allerdings  befremdlich,  dass  die  Porta  Septimiana  bis  zur  Zeil  der  Mirabilien  herab  weder 
in  den  älteren  Thorverzeichnissen,  noch  sonst  vorkommt.  Demungeachlel  erscheint  es  mir  aus  Verkehrs- 
gründen undenkbar,  dass  sie  erst  im  Mittelalter  hergestellt  worden  sei,  da  sonst  die  Bewohner  des  durch 
die  aurelianische  Mauer  eingeschlossenen  Iranstiberischen  Gebietes  mit  der  benachbarten  Strecke  zwischen 
dem  Janiculus  und  Vaticanus  und  mildem  letzteren  selbst  keine  direkte  Verbindung  gehabt  haben  würden. 

S.  345  Z.  9.  Die  Unmöglickeit  des  direkten  Anschlusses  der  Mauer  an  Ponte  Sisto  wird  von  Jordan  Top. 
d.  St.  R.  I.  S.  374  gerade  aus  der  angezogenen  Stelle  bei  Procop.  I.   19  weiterhin  erhärtet. 


Druck  von  Hundertstund  &  Pries  iu  Leipzig. 


VERZEICHNISS  DEE  TAFELN. 


1.  Reslaurirte  Ansicht  des  Forum  Ronianum  in  der  Kaiserzeit  (Titelbild) 

2.  Der  capilolinische  Plan nach  S.  XVI 

3.  Pelasgisches  Thor  hei  Segni „  •,  16 

4.  Der  Tempel  zu  Cori „  „  22 

5.  Angeblicher  Tempel  der  Fortuna  Virilis „  „  24 

6.  Die  beiden  Tempel  von  Tivoli ,,  „  28 

7.  Aus  den  Ruinen  des  Palastes  des  Caligula „  ,■  62 

8.  Das  Forum  Romanum.    (Ansicht  der  Ruinen) »  »  72 

9.  Der  Tempel  des  Vespasianus „  „  80 

10.  Der  Tempel  des  Salurnus „  „  92 

11.  Der  Triumphbogen  des  Septimius  Severus „  „  104 

12.  Der  Tempel  des  Anloninus  und  der  Faustina »  „  128 

13.  Das  Forum  Romanum.   (Plan  von    1877) „  „  136 

14.  Der  Tempel  des  Mars  Ultor „  „  152 

15.  Das  Forum  des  Augustus  und  des  Nerva  (Plan) „  „  160 

16.  Vom  Forum  Transitorium >,  „  168 

17.  Das  Forum  des  Traianus  (Plan) „  „  176 

18.  Die  Traiaijsäule „  „  194 

19.  Das  Theater  des  Marcellus  und  die  Porticus  der  Octavia  (Plan) »  ,,  202 

20.  Die  drei  Tempel  v.  S.  Nicola  in  Carcere „  „  208 

21.  Das  Pantheon „  „  244 

22.  Angeblicher  Tempel  des  Neptun  (Dogana) >,  »  256 

23.  Die  Säule  des  M.  Aurelius ,,  „  272 

24.  Drücke  und  Grabmal  Hadrians »  .,  296 

25.  Der  Tempel  des  Hercules >.  »  336 

26.  Der  lanus  Quadrifrons »  »  342 

27.  Die  Ehrenpforte  des  Septimius  Severus „  „  347 

28.  Der  Altar  an  der  Westhalde  des  Palalin ,  „  376 

29.  Mittelsaal  des  sog.  Hauses  der  Livia  am  Palatin „  „  384 

30.  Der  Palatin.  (Plan  der  Nordwesthälfte) ,  „  392 

31.  Die  Rasilica  des  Constantin „  „  392* 

32.  Der  Titusbogen „  „  396 

33.  Der  Tempel  der  Venus  und  Roma „  „  400 

34.  Das  flavische  Amphitheater »  )>  408 

35.  Der  Triumphbogen  des  Constantin „  „  424 


36.  Eingang  zum  Grabmal  der  Soipionen 

37.  Der  Drususbogen  

38.  Der  Bogen   des  Dolabella  und  Silanus     ..... 

39.  Der  Bogen  des  Gallienus 

40.  Angeblicher  Tempel  der  Minerva  Medica      .... 

41.  Slrassenübergang  der  Aqua  Marcia  (Porta  S.  Lorenzo) 

42.  Slrassenübergang  der  Aqua  Claudia  (Porta  Maggiore) 

43.  Die  Pyramide  des  Cestius 

44.  Grabmal  der  Caecilia  Metella 

45.  Plan   der  Stadt  Rom 


nach  S.  456 
460 
464 
480 
484 
524 
528 
540 
556 
572 


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HR       Reber,  Franz 

R  Die  Ruinen  Roms 


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