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Full text of "Die sabbatharier in Siebenbürgen : ihre geschichte, literatur und dogmatik, mit besonderer berücksichtigung des leben und der schriften des reichskanzlers Simon Péchi. Ein beitrag zur religions- und culturgeschichte der jüngsten drei jahrhunderte"

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' SlBBATHiRIER ih SIEBENBORGEM 



Ihre Geschichte, Literatur und Dogmatik 



Mit besonderer Berücksichtigung des Lebens und der Schriften 

des Reichskanzlers 

SIMON PEG H 1. 



Ein Beitrag zur Religion s- und Kulturgeschichte der 

jüngsten drei Jahrhunderte 



von 



Dr. SAMUEL K O H N. 




Budapest, 1894 
Verlag von Singer & Wolfner. 



Leipzig, 
Verlag von Franz Wagner. 



ANOOVER-HARVARD THEOLOGICAL Ul 
HARVARD DiVtNlTY SCHOQL 



.63 
KL. 



VORWORT. 

..... .... - • • ', 

. Vorliegende Schrift ist weniger eine Uebersetzung als 
eine^ stellenweise gekürzte, deutsche Bearbeitung meines 
in ungarischer Sprache erschienenen Buches über die Sab- 
batharier in Siebenbürgen : ccA szombatosok, törtenetük, 
dogmatikajuk es irodalmuk, különös tekintettel Pechi Simon 
fökahczellar eletere es munkaira» (Die Sabbatharier, ihre 
Geschichte, Dogmatik und Literatur, mit besonderer Berück- 
sichtigung des Lebens und der Schriften des Reichskanzlers 
Simon Pechi) Budapest, 1889. 8^ Xvf und 377 S.' 

Diese kleine, nur noch in einigen kümmerlichen Resten 
fortvegetirende Secte hat eine in ihrer Eigenart merk- 
würdige, aber bis jetzt vollständig unbeachtet gebliebene 
Geschichte, die ich gewagt habe, als «Beitrag zur Reli- 
gions- und Culturgeschichte der jüngsten drei Jahrhun- 
derte» zu bezeichnen. 

Die Quellen dieser Geschichte sind, mit geringen 
Ausnahmen, in ungarischer Sprache geschrieben und nur 
80 weit sie sich auf die Schicksale dieser Secte, ihre Ent- 
stehung, ihr Aufblühen und ihren, durch lange und harte 
Verfolgungen herbeigeführten, Verfall beziehen, zum Theil 
durch den Druck zugänglich gemacht. Die allmälige Ent- 
wicklung der Dogmatik, der religiösen Praxis und des 
geistigen Lebens des Sabbatharierthums kann nur aus 
durchweg unedirten Handschriften nachgewiesen werden. 



IV 



Bei dem Umstände, dass diese zumeist noch überhaupt 
nicht, oft aber nur unvollständig, oder gar unrichtig be- 
schrieben und bestimmt worden sind, konnten mehr oder 
minder umfangreiche Excurse über einzelne sabbatharische 
Schriftwerke nicht vermieden werden, obgleich sie, wie 
ich gerne zugebe, die fortlaufende Darstellung der geschicht- 
lichen Ereignisse mitunter störend unterbrechen. 

So gilt, zum Beispiel, die erste in ungarischer Sprache 
abgefasste poetische Uebertragung der Psalmen, die von 
Nikolaus Bogäthi, für ein in echt unitarischem Geiste 
geschriebenes Werk. Ein eingehendes Studium der betref- 
fenden Handschriften überzeugte mich jedoch von .dem 
sabbatharischen Ursprung derselben. Diese von der bisheri- 
gen abweichende Ansicht musste selbstverständlich erst 
begründet werden, bevor auf den Psalter Bogäthis, als auf 
eine der ältesten Quellen der ursprünglichen sabbatha- 
rischen Dogmatik verwiesen werden durfte. Diesem Zwecke 
dient ein ganzes Capitel. Aehnlich verhält es sich mit der 
genauen Bestimmmjg des Inhaltes und der Tendenz von 
Simon Pechis Gebet- und Ritualienbuch 

Dass ich es versucht habe, in der Geschichte des 
Sabbatharierthums ein möglichst vollständiges Lebensbild 
Simon Pechis, des begeisterten Apostels dieser Secte, zu 
geben, bedarf wohl weniger der Entschuldigung. Das an 
Wechselfällen reiche Leben eines Mannes, der als Staats- 
man, Soldat und Religionsstifter, als Schriftsteller, Gelehrter 
und Hebraist gleich bedeutend war, und als Reichskanzler 
von Siebenbürgen sogar in die Ereignisse des dreissigjäh- 
rigen Krieges eingegriffen hat, verdient eine eingehende 
Darstellung, die hier um so mehr am Platze ist, als die 
Schicksale und Lebensverhältnisse Pechis von entschei- 
dendem Einflüsse auf seine refligiösen Anschauungen und 
mittelbar auf die Fortbildung und Zukunft des Sabbatha- 
rierthuitis waren. 

Die hier behandelte Sectengeschichte dreht sich zumeist 



um religiöse Fragen von weitgehender principieller Bedeutung, 
deren Beurtheilung ich sorgfältig vermeide. Ich beschränke 
mich darauf, die historischen Thatsachen möglichst objectiv 
neben einander zu stellen und ihren Innern Zusammen- 
hang und ihre Folgen nachzuweisen, wobei ich, namentlich 
in der Darstellung religiöser Anschauungen und Polemiken, 
nach Thunlichkeit die von mir benutzten Quellen reden lasse. 

Im übrigen wage ich zu glauben, dass jeder unbe- 
fangene Leser sich dem I rtheile anschliessen wird, welches 
der jüngst verstorbene ungarische Reichstags-Abgeordnete 
Blasius Orbän in seiner «Beschreibung des Szeklerlandes» 
(A Szekelyföld leiräsa, I. S. 150) über die siebenbürgischen 
Sabbatharier, seine engeren Landsleute, mit den folgenden 
Worten niedergeschrieben hat : «Trotzdem ihr Leben ein 
ununterbrochenes gesellschaftliches Martyrium ist, halten sie 
unentwegt fest an dem von ihren Vätern ererbten (Mauben, 
und nichts vermag sie in ihrer L'eberzeugung wankend zu 
machen. Eine solche Festigkeit, eine solche 
selbstlose Treue und L nerschütterlichkeit hat 
Anspruch auf unsere Achtung, selbst dann, 
'wenn wir die Sabbatharier als im Irrthum 
befindlich betrachten.» 

Budapest, im November 1893. 

Der Verfasser, 



I N H A LT. 



Seite 

Bibel, hebräische Sprache und Judenthum im Zeitalter der Reformation 1 — 9 
Die allgemeinen Vorbedingungen zur Entstehung des Sabbatharierthums 

in Siebenbürgen — — — — — — — — — — 10 — 16 

Vorgeschichte des Sabbatharierthums in Siebenbürgen — — — 17 — 26 

Entstehung des Sabbatharierthums — — — — — — — — 26 — 39 

Andreas Eössi, der Begründer des Sabbatharierthums — — — — 39 — 45 

Die älteste prosaische Literatur des Sabbatharierthums (1588—1623) 45 — 57 
Die älteste poetische Literatur des Sabbatharierthums, (Das alte 

Gesangbuch) — — — — -____ — — — — 57— 68 

Die älteste poetische Literatur des Sabbatharierthums (Fortsetzung. 

Lehrgedichte) — — — — — — — — — — — 68— 75 

Die älteste poetische Literatur des Sabbatharierthums. (Schluss. Der 

Psalter Nicolaus Bogathis) — — — — — — — — 75 — 85 

Die ursprüngliche Glaubenslehre der Sabbatharier — — — — 85 — 98 

Verbreitung und Schicksale des Sabbatharierthums in der ersten 

Periode seiner Geschichte (1588—1623) — — — — — 98—105 
Verbreitung und Schicksale des Sabbatharierthums in der ersten 

Periode seiner Geschichte (1588—1623. Schluss) — — — 105—116 

Die rehgiöse Praxis der ersten Sabbatharier (1588—1623) — — — 116—129 
Simon Pechis Jugend und Reisen. Seine diplomatische Laufbahn und 

Reicbskanzlerschaft — — — — — — — — — — 129—146 

P6chis Sturz. Sein Verhältniss zum Sabbatharierthum während seiner 

staatsmännischen Laufbahn — — — — — — — — 146 — 156 

Pechis Gefangenschaft und Befreiung. Einwanderung türkischer Juden 156—163 
P6chis geheime Thätigkeit im Dienste des Sabbatharierthums. Seine 

üebersetzung und Erklärung der Psalmen — — — — — 163 — 171 
Pechi als Apostel und Führer des Sabbatharierthums. Seine literarische 

Thätigkeit — — — ^ — — — — — — — — 171—179 

Pechis Gebet- und Ritualienbuch — — — — — — — — 1 79— 187 

Die religiösen Anschauungen und Bräuche des unter P6chis Leitung 

stehenden Sabbatharierthums (1624—1638) — — — — 187—197 
Verbreitung und Schicksale der Sabbatharierthums während der 

zweiten Periode seiner Geschichte — — — — — — 197 — 205 



VIII 



Fürst Georg Raköczi I. bereitet einen vernichtenden Schlag gegen das 

Sabbatharierthum vor — — — — —— — — — 205—213 

Der , Termin von De6s*. Verurtheilung P6chis und seiner Anhänger 213—222 
Pechis Begnadigung und Tod. Seine Familie und seine Nachkommen. 

Seine Bedeutung als Schriftsteller und Hebraist — — — 222—231 
Schicksale der Sabbatharier während der letzten Periode ihrer 

Geschichte (1688—1868) — — — — — — — — — 281—245 

Das religiöse und das Geistesleben des Sabbatharierthums in der 

Periode seines Niedergangs (1688—1868) — — — — — 246—256 
Das religiöse und das Geistesleben des Sabbatharierthums in der 

Periode seines Niedergangs (Schluss) — — — — — — 266—262 

Die letzten Sabbatharier und ihre^Gemeinde in Bözöd-Ujfalü — — 262—269 

Der üebertritt der Sabbatharier zum Judenthum — — — — — 269—280 

Der üebertritt der Sabbatharier zum Judenthum (Schluss) — — 280—287 

Die ,Proselyten-Gemeinde« in Bözöd-Ujfalü — — — — — — 287—296 




Bibel, hebräische Sprache und Judenthum 
im Zeitalter der Reformation. 

Das in den folgenden Blättern gebotene Geschichtsbild ist 
weder glänzend, noch gross ; es fordert die Beachtung nicht 
heraus und hat sie bislang auch nicht gefunden. Und doch 
fesselt es den Blick, sobald man es genauer betrachtet. Es ist 
weiter nichts als ein Miniaturbild in engem, bescheidenem 
Rahmen, aber es ist reich an characteristischen Zügen, und 
die einzelnen Striche treten scharf und bestimmt hervor. 
Die Farben haben Christenthum, Judenthum und Ungarthum 
gleichmässig geliefert ; den Hintergrund bildet des Menschen- 
geistes rastloses Ringen nach Wahrheit und Befriedigung, und 
das Ganze ist, wenn in die richtige Beleuchtung gerückt, oft 
von geradezu packender Wirkung. 

Das Sabbatharierthum in Siebenbürgen hatte von Anfang 
an ein rein magyarisches, richtiger : szekler Gepräge, welches 
es auch bis zuletzt beibehalten hat. Nichts desto weniger bildet 
seine Geschichte einen, vielleicht nicht unwesentlichen Beitrag 
zur Religions- und Culturgeschichte nicht nur Ungarns, sondern 
der jüngsten drei Jahrhunderte überhaupt. Ist sie doch, obwohl 
örtlich an einige Theile des Szeklerlandes gebunden, ein Pro- 
duct der grossen reformatorischen Bewegung des XVI. Jahr- 
hunderts. Diese Bewegung hat die Thatsachen geschaffen, 
welchen das Sabbatharierthum in Siebenbürgen seine Entstehung 
und Fortbildung verdankt. 

Die geschichtlichen Thatsachen, welche hierbei in Betracht 
kommen, müssen zuerst festgestellt und in ihren Wirkungen 
verfolgt werden, soll die überraschende, in ihrer Art vereinzelt 

Dr. Kohn: Sabbatharier ^ 



stehende Erscheinung ihre Erklärung finden, dass in einem ent- 
legenen Winkel Siebenbürgens, unter einem kernmagyarischen, 
noch heute ziemlich isolirt lebenden Völkchen eine religiöse 
Secte entstehen konnte, welche ihr Christenthum immer mehr 
mit jüdischen Elementen versetzte und, nach einer dritthalb- 
hundertjährigen schonungslosen Verfolgung, schliesslich im 
Judenthume aufging. 

Zu diesen Thatsachen gehört in erster Linie die stetig 
wachsende Autorität und der immer intensiver 
werdende Einfluss der Bibel im Zeitalter der 
Reformation. 

Es gibt kein Zeitalter, in welchem die Bibel in so weiten 
Kreisen eine so unumschränkte Herrschaft über die Geister 
und über das gesammte Leben geübt hat, wie in dem, welches 
die Reformation vorbereitet und geschaffen hat. 

Die Reformation hat, um ihre Berechtigug nachzuweisen, 
der Autorität der bestehenden Kirche die Autorität der Bibel 
entgegengestellt und dadurch die Kirche gezwungen, ebenfalls 
auf die Bibel zurückzugreifen. Auf sie berufen sich aber auch 
die im Schosse der Reformation entstandenen verschiedenen 
Confessionen, bald um die eigenen Dogmen und Riten zu er- 
klären und zu begründen, bald um die der übrigen Schwester- 
religionen als Irrthümer hinzustellen. In den feindlichen Lagern 
war die Bibel allüberall Fahne, Angriffswaffe und Schild zugleich. 

Vordem musste »das Buch« in Sacristeien und Klöstern 
gesucht werden; jetzt war es allerorten zu finden: in den 
Königspalästen und Adelsschlössern, wie in Bürgerhäusern und 
Bauernhütten, auf der Strasse und auf den Märkten, ja selbst 
auf dem Schlachtfelde, wohin grimmige Krieger es im Tornister 
mit sich trugen. Vordem haben nur Mönche und Geistliche die 
Bibel gekannt, und auch die zumeist nur mangelhaft; jetzt war 
sie auf aller Lippen, und das Volk, dem man das Lesen der- 
selben oft sogar verboten hatte, führte jetzt ihre Worte im 
Munde und redete in der Sprache der Bibel. Das heilige Buch 
bestimmte und leitete die religösen Bewegungen; es beeinflusste 
die Politik, die Poesie und die Wissenschaft und gab dem ge- 
sellschaftlichen Leben eine neue Gestalt. 

Im Zeitalter der Reformation herrschte die 
Bibel, und zwar nicht so sehr das Neue, als das Alte 
Testament. 

Diese, für den ersten Blick überraschende, Thatsache fin- 



det ihre Erklärung zunächst in den damaligen geschichtlichen 
Ereignissen und in dem Geiste, den sie geschaffen und zum 
Geist der Zeit gemacht haben. 

Das XVI. Jahrhundert war das Jahrhundert des Religions- 
kampfes. Ein solcher Kampf wird immer mit Heftigkeit und 
Erbitterung geführt; er erzeugt einen Fanatismus, der in den 
stärksten Brusttönen der Leidenschaft zu sprechen pllegt, mit 
dem Pathos, der uns aus dem Alten Testamente so mächtig 
entgegenklingt. Haben doch die meisten Bücher desselben von 
ähnlichen Kämpfen des jüdischen Volkes zu berichten, weil bei 
diesem die religiöse Idee mit der Staatsidee eng verschmolzen 
w ar, und die Helden und Vorkämpfer der jüdischen Nation 
gleichzeitig als die der jüdischen Religion erscheinen. 

Aehnliche Verhältnisse hatten sich im Verlaufe der Kämpfe 
herausgebildet, w^elche Begleiterinnen, oder Folgen der Refor- 
mation waren. Die Kriege, die auf den Schlachtfeldern ausge- 
fochten wurden, waren Religionskriege und politische zugleich; 
die Sache des Glaubens war mit Machtfragen aufs innigste ver- 
flochten. Wer im Dienste der Religion zum Schwerte griff, 
kämpfte gleichzeitig auch für Staatsinteressen, oft für den heimi- 
schen Herd und für sein und der Seinigen Leben. Um- 
srekehrt hing von dem Ausgang einer Schlacht, die über 
Kronen und Völkergeschicke entschied, nicht selten auch der 
Sieg oder die Niederlage eines Dogmas, oder einer ganzen 
('oniession ab. Darum stand dem Geiste und dem Fühlen dieser 
Zeit das Alte Testament näher als das Neue, aus welchem die 
Volksidee nahezu verdrängt erscheint. Diese wildbewegte, stür- 
mische Zeit hat ihre eigenen kampfesfrohen Helden eher in 
Josua und in den Richtern, in David und in den Makkabäern 
zu erkennen vermocht, denn in Jesus und den Aposteln, welche 
Verkünder einer Lehre sind, für die sie nicht mit Waffen strei- 
ten, sondern dulden und leiden. 

Dem Zeitalter der Reformation war aber gerade das er- 
gebungsvolle Dulden fremd; es war nicht gewohnt zu leiden, 
ohne Widerstand zu leisten. Es w^ar nicht seine Art, dem 
Kampfe aus dem Wege zu gehen, es pflegte ihn vielmehr heraus- 
zufordern und zu suchen, und wo es nicht anging, ihn mit 
Eisen auszufechten, dort griff es zum Worte und zur Feder. 
In allen Lagern ertönte Schlachtruf, erschollen Kriogslieder ; 
die Sieger stimmten Triumphgesänge an und riefen den Nie- 
dergeworfenen schonungslos ihr »Vae victis!« zu. Die Besiegten 

1* 



4 



sngen Klagelieder und Busspsalmen, oder riefen den Fluch des 
Himmels auf die Häupter ihrer Bedränger herab. 

Alles das, oder ähnliches suchte man vergebens in den 
Erzählungen und Sentenzen des Neuen- Testamentes, aber man 
fand es in den Psalmen und in den Büchern der Propheten, 
die auch aus einer Zeit wechselvoller Kämpfe zu uns reden, 
der Kämpfe gegen die Innern und äussern Feinde Israels und 
gegen Heidenthum und Götzendienst. Im Zeitalter der Refor- 
mation beanspruchte aber jedes der feindlichen Lager, das Israel 
der Bibel zu sein und für die allein wahre Gotteslehre zu strei- 
ten. Jeder Andersgläubige galt für einen Heiden, jede von der 
eigenen abweichende Art der Gottesverehrung für Götzendienst. 
Was Wunder, dass diese streithafte Zeit zumeist die Sprache 
des Alten Testamentes redete, in welcher sie den entsprechendsten 
Ausdruck für ihre Stimmung, ihre Bestrebungen und Ideen fand. 

Zu diesen allgemeinen Verhältnissen kamen noch einige 
specielle Umstände. 

In ihrem Kampfe gegen die bestehende Kirche erkannte 
die Reformation gar bald in dem Alten Testamente die ihr 
günstigste Position, die sie deshalb auch vorzugsweise ein- 
zunehmen liebte. Den Büchern des Alten Bundes entlehnte sie 
am häufigsten die Waffen, mit welchen sie ihre Berechtigung 
vertheidigte, die alten Dogmen angriff und für die Richtigkeit 
der neuen, die sie an deren Stelle setzte, in die Schranken trat. 
Oft pflegte sie das Alte Testament einfach aus dem Grunde in 
den Vordergrund zu stellen, weil die römische Kirche es gar 
zu sehr in den Hintergrund gedrängt ha-tte. 

Zu dem Alten Testamente musste ferner selbst dort zurück- 
gegriffen werden, wo es sich, genau genommen, bloss um die rich- 
tige Auffassung des Neuen handelte, welches den streitenden Par- 
teien gleichmässig als die Ergänzung und Vollendung des Alten 
galt. Sobald daher die Autorität angegriffen ward, mit welcher die 
römische Kirche das Neue Testament bis dahin ausgelegt hatte, 
musste zum Behufe der strittigen Erklärung desselben das Alte 
herbeigezogen werden, von welchem jenes ausgegangen war. 
Wollte die Kirche den ihr angebotenen Kampf aufnehmen und 
ausfechten, so musste sie ihren Gegnern in die von ihnen ein- 
genommene Stellung folgen und ihnen mit denselben Waffen 
begegnen, mit welchen sie angegriffen wurde. 

Endlich aber hatte die Reformation, schon aus dogmatischen 
Rücksichten, die Kirchenlieder und Legenden, die sie vorfand 



zurückweisen müssen, ohne ihren Gläubigen sofort Ersatz bieten 
zu können. Sie hatte das Alte aufgegeben und noch niclits 
Neues geschaffen, das sie an dessen Stelle hätte setzen können. 
Was ihr in Folge dessen fehlte, fand sie reichlich, und noch 
dazu als Product göttlicher Eingebung, in den Schriften des Alten 
Testaments; sie griff danach und nahm es auf. Statt der über- 
kommenen Kirchenlieder und Hymnen Hess sie die Psalmen 
Davids singen, statt der Heiligenlegenden die Reden und Wun- 
derthaten der Propheten lesen. So drang das Alte Testament 
rasch in die Kirchen und Familienhäuser ein, aus welchen es 
vordem nahezu ausgestossen war. 

Mit dem Alten Testamente gelangte auch 
dessen Sprache, das Hebräische, zu neuem An- 
sehen und zu einer vordem nicht geahnten Be- 
deutung. 

Die Kirche hatte als kanonischen Bibeltext eine lateinische 
Uebersetzung, die Vulgata, acceptirt, die von dem hebräischen 
Urtexte nicht unwesentlich abweicht. Die Reformation wies diese 
Uebersetzung zurück. Ihre Führer und Vorkämpfer griffen in 
reHgiösen Disputationen und Streitschriften, die damals an der 
Tagesordnung waren, regelmässig auf den hebräischen Urtext 
zurück, den sie ia möglichst treuer Uebersetzung dem Volke in 
die Hand zu geben suchten. Auf diesen Urtext musste sich jetzt 
auch die Kirche berufen, wollte sie ihren Standpunkt wahren 
und den gegen sie gerichteten Angriffen nachdrücklich begegnen. 

Wie es Luther erst im reifen Mannesalter that, so begann 
man jetzt allüberall die hebräische Sprache eifrig zu studiren. 
Sie wurde ein wesentlicher Bestandtheil, in gewissem Sinne, 
die Grundlage der neuen Theologie; ihre wissenschaftliche Be- 
handlung fällt mit den ersten Regungen der Reformation zu- 
sammen und ging von ihrem Lager aus. 

In kirchlichen und gelehrten Kreisen, sowie auf den Uni- 
versitäten, an welchen neue Lehrstühle dafür errichtet wurden, 
war kein Lehrer so gesucht, wie der des Hebräischen. Wie 
einst der Heilige Hieronymus, der Verfasser der Vulgata, um 
sich das Verständniss der hebräischen Sprache zu erschliessen, 
unter den Weisen des Talmud seine Lehrmeister suchte, so wen- 
dete man sich jetzt von allen Seiten in derselben Absicht an 
jüdische Gelehrte. Unter diesen Wissensdurstigen befanden sich 
Kardinäle, Bischöfe und die Obern der verschiedenen Mönchs- 
orden, aber auch Fürsten und Adelige, Theologen, Juristen und 



Staatsmänner. Um die ältesten Auslegungen der Bibel kennen 
zu lernen, begann die christliche Welt sich immer eingehen- 
der mit dem Talmud und mit der Midrasch-Literatur, noch mehr 
aber mit der jüdischen Geheimlehre, der Kabbala, Izu beschäftigen, 
in welcher sie die Mysterien des Christerithums finden wollte* 

Ueberall fahndete man auf hebräische Bibeln und auf 
sonstige hebräische Bücher, und es ist bezeichnend, dass es 
zumeist Christen waren, welche die ersten grössern hebräischen 
Druckereien anlegten. Die erste vollständige Talmudausgabe 
veranstaltete, von christlicher Seite aufgemuntert und gedrängt, 
der Christ Daniel Bomberg, aus dessen Officin auch die be- 
rühmte Biblia rabbinica magna hervorging, welche 
innerhalb dreier Jahrzehnte in drei Ausgaben erschien. Für 
wie unentbehrlich den damaligen gebildeten Kreisen die Kennt- 
niss des Hebräischen galt, beweist wohl am besten die That- 
sache, dass sich oft auch Frauen, wie z. B. Königin Christine 
von Schweden, mit dem Studium derselben befassten, mitunter 
sogar in hebräischer Sprache icorrespondirten, 

Unter solchen Umständen trat in der, von mittelalterlichen 
Anschauungen getränkten, öffentlichen Meinung a 1 1 m ä 1 i g 
ein Umöchwung zu Guilsteti der viel geschmäht 
ten J u de nein. 

Wohl waren sie noch immei* unterdrückt und verfolgt, 
und man war noch immei* geneigt, . das Schlimmste von ihnen 
zu glauben: aber man begann mit einer gewissen Achtung, um 
nicht zu sagen, Pietät, von dem Volke zu reden, dem man die 
zu. neuem Ansehen gelangte Bibel verdankte, das den so wich- 
tig gewordenen Urtiext und, w^enigstens in seinem synagogalen 
und wissenschaftlichen Leben,, auch die heilige Sprache des- 
selben getreulich gehütet und überliefert hat. Man gelangte dahin, 
die Vergangenheit dieses Volkes , unbefangener zu betrachten 
und zu beurtheilen, was nicht ohne günstige Wirkung auf seine 
Gegenwart blieb, 

Von allen Seiten wurde hervorgehoben, dass das jüdische 
Volk, als das »auserwähltQ«, bis zur. Entstehung des Christen- 
thums das einzige war, das den wahren Gott verkündet hat, 
und dass das Christenthum selber von ihm ausgegangen ist 
Der heftige Federkrieg, der zwischen den streitenden Parteien 
entbrannte, förderte nicht selten literarische Erscheinungen zu 
Tage, welche, wie z. B. Lutherö Schrift »Dass Jesu ein gebo^ 
rener Jude gewesen«, zunächst wohl nur den Zwecken der 



Selbstvertheidig'ung oder des Angriffes dienten, aber deshalb 
doch eine billigere und mildere Beurtheilung der Juden zur 
Folge haben mussten. Die angesehenen, nicht selten den höchsten 
Ständen angehörigen Christen, welche durch ihre hebräischen 
Studien mit Juden, in der Regel mit den besten unter ihnen, 
in Verbindung traten, pflegten von ihren jüdischen Lehrmeis* 
tern mit Achtung und Anerkennung zu reden und dieses Ge- 
fühl in grösserem, oder geringerem Maasse auf die gesammte 
Judenheit zu übertragen. Und ihr Beispiel wirkte auf die Massen. 

Bezeichnend für diesen Umschwung der Anschauungen 
sind die nicht seltenen Beispiele von Uebertritten zum Juden- 
thum, denen wir um diese Zeit begegnen. Die Convertiten, und 
unter diesen befanden sich auch Geistliche und Mönche, w^aren 
in der Regel eifrige Bibelleser und solche, die sich eingehend 
mit dem Studium der jüdischen Literatur beschäftigt hatten. 

Noch bezeichnender als diese, immerhin vereinzelten Fälle 
sind die sogenannten Halbjuden (Semi-Judaei), oder J u- 
d e n z e r (Judaizantes), die jetzt an den verschiedensten Orten 
auftauchten. Diese Bezeichnung, die als Spott- und Schimpf- 
name galt, wurde vielen wegen ihrer religiösen Theorie, oder 
auch nur wegen der Richtung ihrer theologischen Studien bei- 
gelegt. »Judenzer« waren alle, die das Evangelium auf Grund- 
lage des Alten Testamentes, dieses selber aber im Sinne der 
jüdischen Tradition und der jüdischen Exegeten, oder doch mit 
Berücksichtigung derselben zu erklären pflegten. Als »Halb- 
juden« vurden Jene verschrien, die sich in wissenschaftlichen 
oder religiösen Fragen auf die einschlägige Literatur der Juden 
beriefen, die Juden selber in Ehren hielten, oder gar gegen 
Angriffe zu vertheidigen wagten. In diesem Sinne wurde Reuch- 
lin, der die hebräische Sprachwissenschaft in den Kreis der 
christlichen Studien eingeführt hatte und für den zum Schei- 
terhaufen verurtheilten Talmud eingetreten war, als »Judenzer« 
und »Halbjude« verspottet und geschmäht. Dasselbe wdderfuhr 
Grotius, ja sogar Calvin \ und der 17. Artikel der Augsburger 
Confession verdammte die Secte der Chiliasten wegen Verbrei- 
tung jüdischer Ansichten. * 

* S. Die polemische Schrift Galvinus Judaizaiisin den, Wittenberg, 
1593 erschienenen Schriften des Aegidius Hunnius II. S. 635 flg. Die sonstigen 
hier angegebenen Daten sind zumeist allgemein bekannt und finden sich, mit den 
betreffenden Quellenangaben, in jeder ausführlicheren Geschichte der Juden, z. B. 
bei -Graetz Bd. IX. u. X. Vgl. noch Schudt, Juedische Merkwürdigkeiten I. 
B. 5., Kap. 16. 



8 



Es fanden sich aber auch Solche, die einen Schritt weiter 
gingen und das ursprüngliche und wahre Christenthum wieder- 
herzustellen vermeinten, indem sie jüdisch religiöse Bräuche 
und Satzungen, welche das Alte Testament vorschreibt, das 
Christenthum ursprünglich ebenfalls für bindend erachtet und 
erst später verworfen hat, thatsächlich übernahmen und übten. 
Solche Judenzer tauchten, wenn Zeit und Verhältnisse sie be- 
günstigten, an den verschiedensten Orten und zu den verschie- 
densten Zeiten als besondere Secten auf, die sich mehr oder 
minder entschieden auf den Standpunkt stellten, welchen die 
Ebioniten und sonstige Judenchristen in den ersten Jahrhun- 
derten nach Christus eingenommen hatten. Sie alle gingen von 
der Bibel aus, welche sie je nach ihrer Auffassung zu erklären 
suchten. So sehr sie sich auch von einander unterschieden, 
kennzeichnet doch alle das gemeinsame Bestreben, den Glau- 
ben an Christus mit dem Glauben an die für alle Zeiten bin- 
dende Gesetzeskraft des Alten Testamentes zu vereinigen, und 
durch die Kirche abgeschaffte altjüdische Gesetze im Christen- 
thume wieder zur Geltung zu bringen. Solche judaisirende Secten 
entstanden namentlich im Schosse der Reformation, oder als 
Folge derselben. 

In Böhmen tauchten schon um das Jahr 1530 Sabba- 
t h a r i e r auf, welche »die Sabbathruhe mit einer solchen ängst- 
lichen Genauigkeit betrachteten, dass sie an diesem Tage nicht 
einmal ein Splitterchen, das ihnen zufällig ins Auge gerathen 
war, wieder entfernen mochten«.^ Solche Sabbatharier (S u b b o t- 
n i k i), oder Judenzer traten bald darauf auch in Schlesien, 
Polen und Russland auf; in letzterem, wo sie in der zweiten 
Hälfte dieses Jahrhunderts häufig zum Judenthume übertraten, 
haben sie sich bis heute erhalten. a Aehnlichen Secten begeg- 

^ Dieser der Aussenwelt zumeist in die Angea springenden, strengen Be- 
obachtung des jüdischen Sabbath verdanken die verschiedenen judaisirenden 
Secten den Namen Sabbatharier, wohl zu unterscheiden von „Sabbatianer/ 
womit man die Anhänger des jüdischen Pseudoraessias Sabbatai Zewi zu bezeich- 
nen pflegt. 

3 g, Joseph L u g o s s y, Uj Magy. Muzeum . (Neues ung. Museum) Jahrg. 
1850—1, ir. S. VI. Joseph B e n k ö, Transilvania, II. S. 241. Allgem. Zeitung d. 
Judenthums, Jahrg. XXVIII. S. 393. Herman Sternberg, Gesch. d. Juden in 
Polen (Leipz. 1878) S. 116 — 126 und Wilhelm He n c k e 1, Beilage z. Allgemeinen 
Zeitung (München, früher Augsburg 1889. No. 323, S 2. Bezüglich der Judenzer 
'Sabbatharier und Molokaner in Russland bringen die betreffenden Kapitel des 2. 
Bandes von L er oy-Beaulieu : La Russie. 



nen wir um 1545 unter den Quäkern in England.^ Mehrere 
Führer und Prediger der von alttestamentarischem Geiste ge- 
tränkten Puritaner haben den Ruhetag' ebenfalls vom Sonntag 
auf den Samstag zurückverlegt, ja sogar die Forderung erhoben, 
dass das Alte Testament als Staatsgesetz anerkannt werde.^ 

Die ebenfalls in England aufgetauchten Christen-Ju- 
den, die im Jahre 1661 zum Theil nach Deutschland auswan- 
derten und sich in der Nähe von Heidelberg niederliessen, 
glaubten wohl an Jesus, den sie als Erlöser verehrten, dabei 
aber feierten sie den Sabbath und beobachteten sie die alttesta- 
mentarischen Speisegesetze, ja sogar den Ritus der Beschnei- 
dung".* In Böhmen entstanden, wahrscheinlich aus den Ueber- 
resten der unterdrückten Hussiten, die sogenannten Abraha- 
m i t e n, die zuletzt, vor etwas mehr als hundert Jahren (um 
1780) in der grausamsten Weise in die südlichen Grenzgebiete 
Ungarns geschleppt und vereinzelt internirt wurden, wo sie, 
aufs strengste überwacht, binnen Kurzem untei'gingen. Ihre 
religiösen Ansichten und Uebungen waren derart jüdisch, dass 
ihre Zeitgenossen sie mit Recht als Solche bezeichneten, «die 
nicht einmal dem Namen nach verdienten, Christen genannt zu 
werden».* Im Jahre 1750 gründete Johanna Southcote die Secte 
der Englischen Sabbatharier, oder Neu-Israeliten 
welche durch die Beobachtung jüdischer Riten das Wieder- 
erscheinen des Erlösers herbeizuführen hoffte und noch 1831 
Gläubige fand. Unter den englischen und amerikanischen Bap- 
tisten finden sich noch heutigen Tages kleine Gemeinden, 
welche neben dem Sonntag auch den Samstag als Ruhetag be- 
gehen,*^ während die «Adventisten vom siebenten Tage», eine 
rein sabbatharische Secte in Amerika, welche gegenwärtig nach 
Tausenden zählen soll und eifrig bemüht ist, auch in Europa 
Gläubige zu gewinnen, obwohl sie Christus als Heiland verehrt, 
ausschliesslich den jüdischen Sabbath feiert.^ 

* S. die Quellen bei Schudt, a. a. 0. I. 638. 

* Quellen bei Graatz, a. a. 0. I. 95. 

8 Schudt, a. a. 0. I. 523. u. ausführlicher das. IV. 1. Gontinuation S. 313. 

* Ueber die Dogmen und letzten Schicksale dieser wenig gekannten Secte 
1. Geschichte der Abrahamiten, IsraeHten und Christen in Böhmen u. s. w. 1783 
(s. 1.) des obenangefahrte Citat des S. 55. 

* Herzog, Realencycl, s. v. Sabbatharier. 

* Der 7. Jahrgang ihres deutschen Organes „Herold der Wahrheit und 
prophetischer Erklärer** erscheint (monatlich zweimal) in Basel. Ihre vom Jahre 
1844 datirende Geschichte haben sie in dem Tractate. -Die Adventisten vom 



10 



Die allgemeinen Vorbedingungen zur Entstehung 
des Sabbatharjerthums in Siebenbürgen. 

So lange man sich damit begnügte, das Sabbatharierthum 
in Siebenbürgen als blosse Curiosität zu betrachten und seine 
Existenz einfach zu constatiren, pflegte man es mit der einen 
oder andern der obenerwähnten judaisirendcn Secten in Ver- 
bindung zu bringen. Namentlich sollten es die polnischen, oder 
russischen Sabbatharier gewesen sein, deren religiöse Ansich- 
ten in das Nachbarland Siebenbürgen drangen und dort Ver- 
breitung und Anhänger fanden. 

Diese naheliegende und darum bis in die jüngste Zeit 
festgehaltene Ansicht musste aber fallen gelassen werden, als 
man vor ungefähr vier Jahrzehnten zum erstenmale einen Ein- 
blick in die bis dahin unbeachtet gebliebene sabbatharische Li* 
teratur gewann. Schon Joset Lugossy, der Erste, der eine sab- 
batharische Handschrift wissenschaftlich untersuchte, sprach sich 
in einem 1850 gehaltenen Vortrage dahin aus, er glaube, «dass die 
Entstehung des Sabbatharierthums in Siebenbürgen eine spon- 
tan e gewesen, und auch ohne äussere Einflüsse, bloss aus dem 
Gedankengange des menschlichen Geistes zu erklären ist.»^ 

siebenten Tage** skizzirt; nach S. 18 das. sollen sie i. J. 1879 schon 14441, 
i. J. 1889 bereits 28324 „Gemeindegheder" gezählt haben. Eine stattliche Anzahl 
kleinerer und grösserer Propagandaschriften, die sich zumeist mit dem Sabbath 
beschäftigen, haben sie in der „Internationalen Traktat-Gesellschaft" (Basel imd 
Hamburg) erscheinen lassen. Erst nach Vollendung des vorliegenden Buches 
erschien im Verlage derselben Gesellschaft das umfangreiche Werk Die Gesch. 
des Sabbaths u. s. w. von J. N. A n d r e vv s nach deutschen Quellen bearbeitet 
und erweitert v. L. R. Conradi (Basel u. Hamb. 1891, 598 S. gr. S% das mit 
grossem Flefsse aber oft ungenügender Kritik alle Daten zusammenstellt, welche 
sich auf Christen und christliche Secten beziehen; die von den ältesten Zeiten 
bis zum heutigen Tage den Sonntag als Ruhetag verworfen und den Sabbath 
beobachtet haben. Es enthält für die obenangeführten Secten (S. 421-^536) 
zalilreiche Quellen, und auf S. 556 — 8 interessante Nachrichten über die Organi- 
sation und Verbreitung der Adventisten, welche auch in Deutschland, wo „das 
Werk" erst 1889 aufgenommen wurde „nun (1891) über 2Ö00 Glieder, etwa 20 
Prediger und über 30 Kolporteure" zählen sollen. 

^ Per in der Ung. Akademie d. Wissensch, gehaltene Vortrag erschien 
u. d: T. „Egy szombatos enekes könyvröl (lieber ein Sabbatharisches Gesangbuch) 
in dem von der Akademie herausgegebenen Uj Magyar Muzeum. (Neues üng. 
Museum) 1860 — 1 S. CVI — CIXX. Die, trotz mannigfachen Irrthümern höchst 
lehrreiche Arbeit hat das Verdienst, die Aufmerksamkeit, zunächst der ungaFischen 
wissenschaftlichen Welt, auf die bis dahin kaum beachteten siebenbürgischen 
Sabbatharier gelenkt zu .haben. 



11 



Diese Ansicht, die der verdienstvolle Forscher, ohne die 
übrigen Erzeugnisse der sabbatharischen Litteratur zu kennen, 
aus einer, dazu noch ziemlich mangelhaften Handschrift 
schöpfte, hat sich als die richtige erwiesen. Das diesbezüglich 
mittlerweile zu Tage geförderte, reichhaltige historische und 
handschriftliche Material bekräftigt die Annahme, dass das 
Sabbatharierthum in Siebenbürgen ein urwüch- 
siges Product de sSzekler Volksgeistes ist. Es 
findet seine ausreichende Erklärung in den durch die Refor- 
mation geschaffenen allgemeinen Verhältnissen, welche seine 
Entstehung vorbereiteten und ermöglichten, sowie in specifisch 
siebenbürgischen und gewissen localen Verhältnissen, welche 
sein Inslebentreten zur unmittelbaren Folge hatten, und seine 
Verbreitung und Fortentwicklung begünstigten und bedingten, 

Die Reformation hatte nämlich in Ungarn so rasch Ein- 
gang gefunden, dass bereits der im J. 1523 zu Ofen abgehal- 
tene Landtag Veranlassung hatte, sich mit der neuen Lehre 
zu beschäftigen, indem er über die Anhänger Luthers die 
Todesstrafe und Vermögensconfiscation verhängte. Nichtsdesto- 
weniger hat die Reformation, zumeist in Folge der zerrütteten 
politischen Verhältnisse, die nach der für Ungarn verhängniss- 
vollen Schlacht von Mohäcs (1526) platzgriffen, auch hier feste 
Wurzel gefasst ; namentlich in den nordöstlichen Landes- 
heilen, noch mehr aber in dem mit Ungarn geographisch 
und geschichtlich enge verbundenen Schwesterlande Sieben- 
bürgen hat sie sich überraschend schnell verbreitet. Und da 
ähnliche Ursachen, unter ähnlichen Verhältnissen, auch ähnliche 
Erscheinungen hervorzurufen pflegen, sind die dem Judenthume 
und den Juden günstigen Wirkungen der Reformation, die 
wir als begleitende Erscheinungen und als Folgen derselben 
kennen gelernt haben, auch hier zu Tage getreten. 

Während vordem, nach den bezeichnenden Worten eines 
ungarischen Dichters der Reformation, «die Bibel kaum genannt 
wurde und das Breviarium Alles war», tönt uns aus der hierauf 
folgenden Strophe das Losungsw^ort einer neuen Zeit entgegen: 

Die heil'ge Bibel her ! Hört, was sie r?pricht ! 
Ansonst entgeht ihr Gottes Geissei nicht ! 
Nur sie zeigt Qottes Willen, lehrt, was Pflicht, 
Was Gnade bringt, und was Strafgericht. ^) 

1 Szkharosi (^pr, Skaroschi) in Regi Magy. Költok Tara (Bibliothek der 
alten ung. Dichter) II. S. 225. * 



12 



Die Anhänger der Reformation begründeten ihren Aus- 
tritt aus der bestehenden Kirche in der Regel damit, sie seien 
«durch die gelehrten Erklärer der Heiligen Schrift» überzeugt 
worden, «dass sie bis jetzt im Irrthum befangen und auf dem 
falschen Wege menschlicher Erfindungen gegangen waren» ^ 
Die katholischen Dogmen und Riten pflegten sie Vorzugspreise 
mit dem Argumente anzugreifen: 

Siehe, Nichts davon steht in den heil'gen Schriften.* 

Selbstverständlich musste nun die Kirche das Entgegenge- 
setzte nachzuw eisen suchen. In den religiösen Disputationen und 
Streitschriften, die damals auch in Ungarn und Siebenbürgen 
an der Tagesordnung waren, entlehnte man auf beiden Seiten 
die stärksten und am häufigsten hervorgesuchten Argumente 
«den Propheten und dem Gesetzbuche Moses», wobei sich der 
Streit nicht selten um die richtige Deutung eines hebräischen 
Textw ortes drehte, welches jede Partei nach ihrer Auffassung er- 
klären wollte. Auch die Kanzelreden gingen, bei ihrer vorwie- 
gend polemischen Tendenz, zumeist von alttestamentarischen 
Texten aus, und die Bibel wurde auch hier immermehr Ge- 
meingut Aller, ein Volksbuch im eigentlichen Sinne des Wor- 
tes. Aus den Zeiten vor der Reformation kennen wir blos 
Bruchstücke einer ungarischen Bibel, die im besten Falle von 
höchstens zwei verschiedenen Uebersetzungen herrühren. Seit 
Luthers Auftreten erscheinen in rascher Aufeinanderfolge die 
verschiedensten ungarischen Uebersetzungen, welche bald die 
ganze Bibel, bald einzelne Theile derselben dem Volke zu- 
gänglich machen,» und in den Kirchen sang man die Psalmen 
Davids, welche bereits im J. 1548 in ungarischer Ueber- 
setzung gedruckt wurden. 

Binnen Kurzem ist die Sprache der Bibel auch hier auf 
Aller Lippen, im Lager der Reformation auch hier zumeist die 
des Alten Testamentes. Bald steht nahezu die gesammte un- 
garische Poesie unter dem Einflüsse dieses Buches, dessen 
Inhalt und Sprache wohl nirgends so genau die Schicksale und 
das Fühlen eines Volkes wiedergab, wie in dem damaligen 

1 AlexJus Jak ab, David Ferencz 6lete (Leben des Franz Davidis) S. 11. 

» Szkharosi, a. a. O. IL S. 1. B. 

3 Das chronologisch geordnete Verzeichniss der ungarischen Bibelüber- 
setzungen s. bei M. B a 1 1 a g i, Nyelvtudomänyi Közlem6nyek (Sprachwissen- 
schaftliche MitthÄlungen) III. S. 39—42. 



13 



Ungarn und Siebenbürgen. Da fand man immer neue Aehnlich- 
keiten zwischen der eigenen Vergangenheit und der des alten 
Israel, und das von den Osmanen niedergeworfene, durch Bür- 
gerkrieg zerfleischte, von Türken und Tartaren blutig miss- 
handelte, schwer gequälte Volk erblickte in zahlreichen Ereig- 
nissen, von welchen die Bibel berichtet, getreue Spiegelbilder 
seiner eigenen traurigen Erlebnisse. 

Die ungarischen Dichter dieser Zeit sahen in dem aus 
Egypten gezogenen jüdischen Volke ihr eigenes Volk, wie es 
nach langer, mühevoller Wanderung endlich eine Heimath fin- 
det, die es schwer erkämpfen und dann mit seinem Herzblut 
gegen die Feinde vertheidigen muss, welche es von allen Sei- 
ten hart bedrängen. In dem besiegton, ausgeplünderten und er- 
barmungslos verwüsteten Judaea erblicken sie ihr eigenes, in 
ähnlicher Weise heimgesuchtes Vaterland. Die ins babylonische 
Exil geführten Juden erinnern sie an ihre eigenen Stammes- 
genossen, die scharenweise in die Gefangenschaft, zumeist in die 
Sclaverei geschleppt wurden, und in dem «Wehgeschsei der 
Tochter Judas» hören sie das ihrer eigenen Frauen und Töchter. 
Diese harte Zeit brauchte und forderte auch harte Männer, von 
Religion durchglühte, für Glauben und Nation kämpfende 
Streiter, gleich jenen, von welchen die Bücher des Alten Tes- 
tamentes erzählen, wie sie die Philister und Ammoniter und 
Moabiter schlagen, das heisst, in die Sprache dieser Zeit über- 
setzt: die Türken, Tartaren, aber auch den christlichen Feind, 
zumal wenn er anderen Glaubens, also «Heide» war. 

Darum schöpft die Poesie der ungarischen Reformation 
ihre Begeisterung vorzugsweise aus dem Alten Testamente, 
dem sie zumeist auch ihre Stoffe entlehnt. Sie überträgt die 
Psalmen, passt sie in mehr oder minder freien Umdichtungen 
den damaligen Verhältnissen an, und singt sie in Freude und 
in Leid als Aufmunterung zum Kampfe, als Siegeslied, als Trost 
im Unterliegen. In den zahlreichen poetischen Bearbeitungen 
der Klagelieder Jeremias und der Erzählung von den Leiden 
Hiobs leiht sie dem Schmerze ihr^s hartgeprüften ungarischen 
Volkes Worte. Sie verherrlicht «Gideon, den theuren und gottes- 
fürchtigen Helden», der «die Söhne Israels aus den Fäusten der 
Heiden befreite«, den «tapferen und heldenhaften Simson», Sa- 
muel, Saul, David. Ihre Lieder besingen die Patriarchen, die 
Propheten und Märtyrer des jüdischen Volkes. Sie versificirt 
neben einzelnen Kapiteln und Erzählungen, oft ganze Bücher 



14 



des Alten Testaments, das sie nebenbei fast immer zu Zwecken 
der religiösen Polemik benützt, welche sich in gebundener 
Sprache am derbsten und ungebundensten zu äussern pflegte.^ 

Unter solchen Umständen begann man jetzt auch hier die 
biblischen und hebräischen Studien mit Eifer zu pfleg-en, 
namentlich unter den Anhängern der Reformation. Wissbegie- 
rige Jünglinge, von den Städten, Adeligen und Fürsten aufge- 
muntert und unterstützt, zogen aus Siebenbürgen und den dazu 
gehörigen ungarischen Landestheilen nach Deutschland, Holland 
und der Schweiz, deren Hochschulen ebensoviele Brennpunkte 
der damaligen theologischen Wissenschaft bildeten, welche mit 
der jüdisch-hebräischen aufs engste verbunden war.^ Bezeich- 
nend hiefür ist die folgende, wenn auch einer etwas späteren 
Zeit angehörige Thatsache. Johann Leusden, der berühmte Pro- 
fessor des Hebräischen an der Universität zu Utrecht, hat die 
dritte Ausgabe seines, zur Erklärung des hebräischen Bibel- 
textes verfassten, Compendium biblicum «zumeist auf 
Wunsch seiner ungarischen Schüler veranstaltet». Das Buch 
selber ist dem siebenbürgischen Fürsten Apafi gewidmet, weil 
«vorzugsweise aus seinem Lande zahlreiche Jünger nach 
Utrecht kamen, um daselbst, von dem Fürsten reichlich unter- 
stützt, fleissig das Studium des Griechischen und des Heb- 
räischen zu pflegen.»* 

Die ältesten Dichter der ungarischen Reformation waren 
allesammt Jünger der Wittenberger Hochschule. Es kann daher 
nicht überraschen, wenn sie in ihren von theologischem Geiste 
durchtränkten Dichtungen sich nicht selten auf die eigentliche 
Bedeutung eines hebräischen Wortes berufen und die biblische 



1 Für die hier angeführten, übrigens allgemein bekannten Thatsachen s. die 
Belege in Regi Magyar Költök Tara (Bibliothek der alten ung. Dichter Bd. II— IV 
— Vgl. Albert K a r d o s, A XVI. szazad magyar lyrai költ^szete (Ung. Lyrik des 
XVI. Jahrh.) S 5—7, 20—34 und 53 flg. und Magy.-Zsidö Szemle (Ung.-jüdische 
Revue) II. S. 417 flg. 

3 S. Wilhelm F ran kl, A hazai 6s külföldi iskoläzas a XVI. szäzadban 
(In- und ausländischer Schulbesuch im XVI. Jahrb.) S. 196 flg ; vgl. W. Fraknöi, 
Melanchthon es magyarorszägi barätai (Melanchthon und seine ungarländischen 
Freunde) in der ung. historischen Zeitschrift Szazadok, 1874, S. 140 flg. 
sowie Joseph Kemeny, Die Stiftungen des Auslandes für die dort studirende 
Jugend Ungarns und Siebenbürgens bei Kurz, Magazin f. d, Gesch. u. s. w. 
Siebenbürgens I. S. 80 flg. 

s Vgl. J. Co 1 d z i h e r. im Egyetemes Phil. Közlöny (Allgera. phil. Anzeiger) 
YII. S. 42. 



15 



Geschichte oft nicht nach der Darstellung der heiligen Schrift, 
sondern nach der Auffassung der jüdischen Tradition, oder 
Legende erzählen. Einer von ihnen, Johannes Sylvester (Erdösi), 
hatte um das Jahr 1544 an der Hochschule zu Wien den Lehr- 
stuhl des Hebräischen inne. 

An den höheren protestantischen Lehranstalten in Sieben- 
bürgen und den dazu gehörigen, oder angrenzenden ungari- 
schen Landestheilen wurde überall auch hebräisch unterichtet. 
Schüler und Lehrer wetteiferten im Studium der heiligen Sprache 
der Bibel, in der sie oft eine von den Zeitgenossen hochge- 
priesene Fertigkeit erlangten, mitunter auch schrieben, ja sogar 
dichteten.^ Die Pastoren und Prediger zogen auch auf der 
Kanzel gerne die Gelegenheit herbei, den authorchenden Andäch- 
tigen durch ihre Kenntniss des Hebräischen zu imponiren, und 
aufdem Titelblatte der damals erschienenen verschiedenen Bibel- 
übersetzungen fehlt nur selten die Bemerkung: angefertigt «nach 
dem treuesten Wortsinn des hebräischen Originaltextes», oder, 
wie man es wohl auch noch ausdrücken pflegte, «nach der 
Wahrheit der jüdischen Sprache». 

Dieser neuen Richtung der theologischen Wissenschaft 
folgend, begann auch die katholische Kirche das Studium des 
Hebräischen zu pflegen. Der Lehrplan des Tyrnauer Jesuiten- 
collegiums vom Jahre 1558 zählt unter den Lehrgegenständen 
auch «Bibelexegese in Verbindung mit Hebräisch» auf. Unter 
den Sprachen, welche an der 1581 eröffneten katholischen Hoch- 
schule in Klausenburg vorgetragen wurden, steht das Hebräische 
obenan. Von den vielen hierhergehörigen Thatsachen sei, als 
besonders bezeichnend, nur noch die folgende hervorgehoben. 

Nikolaus Oläh, der als Staatsmann und Gelehrter gleich 
ausgezeichnete Secretär König Ludwig IL und der Königin 
Maria, später Erzbischof zu Gran und Primas von Ungarn, 
pflegte sich in wissenschaftlichen Fragen, welche das Alte Tes- 
tament und speciell das Hebräische betrafen, an Johannes von 
Campen zu wenden, der sich zumeist deshalb mit den einschlä- 
gigen Stücken beschäftigte, um Luther und Melanchthon «aus 
denselben Büchern zu widerlegen, aus welchen sie die Be- 
weise für ihre Behauptungen schöpfen». Unter anderem ver- 

* Ein von mir angelegtes Verzeichniss von Ungarn, die im XVI. und XVII. 
Jahrh. in hebräischer Sprache schrieben, soll demnächst an einer anderen Stelle 
veröifentlicht werden. 



16 



gelangte er von ihm. im Jahre 1532, eine treue Übersetzung 
und Erklärung des Buches Daniel, und versicherte bei dieser 
Gelegenl^eit, er habe seine, Campens, nach dem hebräischen 
Urtexte angefertigte Uebersetzung des Predigers wiederholt 
gelesen und mit älteren Uebersetzungen verglichen. Gleichzei- 
tig forderte er ihn auf, «diese seine nützliche und heilsame 
Beschäftigung auch weiterhin fortzusetzen». Durch diesen 
Correspondenten stand der Fürstprimas von Ungarn sogar in 
mittelbarem Verkehr mit dem in Italien lebenden jüdischen 
Gelehrten Elijah Levita, der wegen seiner hebräischen Sprach- 
kenntnisse in christlichen Gelehrtenkreisen ein vielgesuchter 
Lehrer war, an den man sich in jüdischen Dingen von weit 
und breit um Auskunft wendete.^ 

Mit der erhöhten Bedeutung, zu welcher die Bibel und 
die Sprache der Bibel gelangte, begann auch in Ungarn allmälig 
die tiefe Verachtung zu schwinden, mit welcher bis dahin auf 
das Volk der Bibel herabgesehen wurde. Dies war, in Folge 
äusserer Verhälnisse, die wir noch kennen lernen werden 
namentlich in Siebenbürgen der Fall. Wie die im Folgenden 
erzählten Thatsachen und Ereignisse beweisen, gab es in der 
damaligen christlichen Welt, vielleicht mit Ausnahme Englands 
kein zweites Land, in welchem das Judenthum und dessen Be- 
kenner so viel Anerkennung, ja Verherrlichung gefunden hätten, 
als in den von Szeklern bewohnten Theilen Siebenbürgens. 

So waren auch hier die Vorbedingungen für die Ent- 
stehung einer judaisirenden Bewegung gegeben. Es bedurfte 
nur des Zusammentreffens gewisser Umstände, um sie hervor- 
zurufen, und der Männer, sie in Fluss zu bringen und zu leiten. 
Und an beiden hat es nicht gefehlt. 

^ Bezüglich Oläh's s. Arnold I p o 1 y i, Oläh Miklös levelez6se (Mich. OlähV 
Briefwechsel) Bd. XXV. d. Monum. Hungariae Historica, S, 192 — 4; bezüglich 
aller übrigen obenangeführten Daten s. die Quellennachweise in meinem 
,A Szombatosok" S. 10-13. 






Vorgeschichte des Sabbatharierthums 

in Siebenbürgen. 

Die Reformation war mit überraschender Schnei liofkeit 
bis nach Siebenbürgen vorGredrungen, wo sie leicht Eingang 
und Verbreitung, aber auch die (Frenze fand, über welche hinaus 
sie nicht mehr recht gelangen konnte. Siebenbürgen war und 
blieb in südöstlicher Richtung die letzte P^tappe auf ihrem 
Sieg-eszuge. Es war, als ob die das Land umgebenden (jebirgs- 
züge dem weitern Vorwärtsstürmen dieser mächtigen Bewegung 
einen Damm entgegensetzten, so dass ihre Wogen sich hier 
stauten und um so höher gingen. 

Nach der Katastrophe, welche mit der Schlacht bei Mohäcs 
über Ungarn hereingebrochen war, hatten sich nämlich politi- 
sche Verhältnisse herausgebildet, welche der Verbreitung der 
Reformation in Siebenbürgen in hohem Maasse günstig waren. 
König Ludwig II. war auf dem Schlachtfelde geblieben, und 
um den erledigten ungarischen Thron, sowie um den Besitz 
des zu Ungarn gehörigen Siebenbürgen entl)rannten schier end- 
lose Kämpfe zwischen den Fürsten dieses Landes und dem 
habsburgischen Kaiserhause. Letzteres galt als Vorkämpfer und 
Hort des Katholicismus. Was Wunder, dass die siebenbürgi- 
schen Fürsten sich mit der Reformation verbanden und sie 
nach Möglichkeit begünstigten. 

Die Lehre Luthers, die bereits im Jahre 1520 in Sieben- 
bürgen Wurzel gefasst hatte, erlangte schon im Jahre 1558 die 
gesetzliche Anerkennung, der Calvinismus im Jahre 1564, und 
vier Jahre später, 1568, das unitarische Glaubensbekenntniss. 
Seitdem gab es in Siebenbürgen vier gesetzlich anerkannte 
Kirchen: die katholische, lutherische, calvinische oder, wie sie 

Dr. Kolin: Sabbatharier. 2 



18 



in der Regel genannt wurde, reformirte und endlich die uni- 
tarische. 

Das verhältnissmässig kleine Ländchen war in dem da- 
maligen Europa das gelobte Land der religiösen Duldung und 
Glaubensfreiheit. Ueberall herrschte jener engherzige, unduldsame 
Geist, der jede von der seinigen abweichende religiöse An- 
schauung, oft mit den rohesten Machtmitteln, schonungslos be- 
bekämpfte: nur in Siebenbürgen konnte Jeder unbehindet seiner 
Ueberzeugung folgen. Hier durfte Jedermann offen und unge- 
straft seine religiösen Bräuche üben und, was damals schier 
unerhört w^ar, in Glaubenssachen offen und ungescheut das 
freie Wort gebrauchen. 

Der 7. Artikel des im Jahre 1557 von dem Landtage zu 
Torda angenommenen Gesetzes bestimmte, «dass Jeder, nach 
den alten, wie nach den neuen Riten, die Religion hal- 
ten dürfe, die ihm zusagt, nachdem es Jedermann 
freisteht, in Glaubenssachen Das zuthun, was 
ihm gefällt». Ein Beschluss des 1568-er siebenbürgischen 
Landtags lautet: «Die Praedikanten sollten aller Orten, jeder 
nach seiner Auffassung, das Evangeliun predi- 
gen und verkünden. Nimmt es die Gemeinde an, so ist 
es gut; thut sie es aber nicht, soll man sie nicht mit Zwangs- 
mitteln nöthigen wollen, sintemalen ihr Ge- 
wissen dabei nicht beruhigt ist. Sie soll sich 
vielmehr einen solchen Prediger halten dürfen, 
dessen Lehre ihr gefällt». 

Diese beiden Gesetzartikel^ enthalten eine in der dama- 
ligen Welt geradezu beispiellosse Anerkennung der Gewissens- 
und der Redefreiheit. Eine solche verkündete auch Johann 
Siegmund, als er vom siebenbürgischen Fürstenthron herab 
das Wort aussprach, er wolle «einin Ansehung der Reli- 
gion freies Land» Im Verlaufe der öffentlichen Religionsdis- 
putation zu Grosswardein (i. J. 1569) that derselbe Fürst den gros- 
sen Ausspruch: «Die Religion ist ein Geschenk Gottes; das 
Gewissen kann durch Zwang zu Nichts bestimmt 
werden,» und in der Rede, mit welcher er diese Disputation 
schloss, sagte er unter Anderem: «In unserem Reiche kann man 
überall frei disputiren . . . Ja, wir wünschten, dass 

S. dieselben bei Alexander S z i 1 a g y i, Erd61yi Orszaggyülesi Emlekek. 
auch u. d. T. Monumenta Gomitialia Regni Transsylvaniae, Bd. II. S. 78 u. 343. 



19 



ZU diesem Behufe auch aus anderen Landern 
LT e 1 e h r t e Männer h i e h e r kamen, damit aus dem 
reinen (j o 1 1 e s \v o r t e die Wahrheit offenbar 
werde.» Diese Aeusserungen/ welche den (ieist der dama- 
liiren Zeit weit überflügelten, bilden Lichtpunkte in der ('ultur- 
g-eschichte nicht nur Siebenbürgens, sondern der Menschheit 
überhaupt. 

Ein solches Land war der geeignete Boden für den um 
die Mitte des XVI. Jahrhunderts in Italien aufkeimenden, viel 
verfolgten Unitarismus, der dort, sowie in der Schweiz, 
schon im Keime durch llenkershand erstickt wurde. Mehrere 
seiner Begründer und eifrigsten Anhänger gelangten auf ihrer 
Flucht nach Polen, wo sie bereits im Jahre 1858 unitarische 
Gemeinden zu gründen vermochten. Von hier verbreitete sich 
die neue Lehre nach dem benachbarten Siebenbürgen, dessen 
Fürst, der obenerwähnte Johann Siegmund, als Sohn Isahellas 
von Polen, häufig: vornehme und grelehrte Polen an seinem 
Ilofe sah. Und der Unitarismus fand hier rasch Gläubige, 
und in Franz Davidis seinen Vorkämpfer und Helden. 

Franz Davidis war einer jener muthigen Männer, 
die ihre Ueberzeugung einer ganzen Welt gegenüber vorthei- 
dicren und festhalten, aber auch stark genug sind, diese Ueber- 
zeugung wieder aufzugeben, sobald sie dieselbe als eine 
irrthümliche erkannt und die Wahrheit, die sie suchen, wo anders 
trefunden zu haben glauben. 

Die Reformation traf Franz Davidis als katholischen 
Priester. Im Jahre 1540 nahm er mitsammt dem grössten 
Theile der Bürgerschaft Klausenburgs, seiner Vaterstadt, die 
L(?hre Luthers an, die er von da ab, zunächst als Schulmeister, 
t^päter als Pastor, wiederholt gegen die Angriffe der Refor- 
inirten vertheidigt. Die diesbezüglichen Disputationen, nament- 
lich die Argumente seines gelehrten Gegners Peter Melius, 
machen ihn von neuem in seinem Glauben wankend, und er 
tritt zur reformirten (calvinischen) Kirche über, deren Lehren 
er jetzt mit Eifer zu begründen und zu verbreiten sucht. 
Einige Jahre später trifft er mit Johannes Blandrata zusammen, 

^ S. Die Gitate bei Alexius Jak ab, a. a. 0. S. 114 u. 142. Dieser, auf 
umfassendes Quellenstudium beruhenden Monographie sind auch, insoferne 
nicht ausdrückhch andere Quellen angegeben werden, die Daten für die hier 
folgende Darstellung der Kämpfe der siebenbürgisch-unitariüchen Kirche und des 
l-Yanz Davidis entlehnt. 



20 



der in Italien an der Wiege des Unitarismus gestanden, in 
Polen einer der Führer der Unitarier war und seit 1503, als 
Leibarzt Isabellas von Polen, am Hofe Johann Siegmunds lebte. 
Und Franz Davidis, der Hofprediger des damals reformirten 
Fürsten, befreundet sich immer mehr mit den religiösen An- 
sichten, welche der fürstliche Leibarzt in vertrauten Gesprächen 
vor ihm entwickelt. Zunächst versucht er die reformirte Kirche 
in unitarischem Geiste weiter zu reformiren. Im Jahr > 1566 
verkündet er bereits offen den neuen Glauben und begründet 
die siebenbürgisch-unitarische Kirche, die, so lange er lebte, 
vollständig unter seinem Einflüsse stand. 

Der Unitarismus hatte in Siebenbürgen von Anfang an 
einen harten Kampf zu bestehen, der jedoch, von einigen 
Gewaltthätigkeiten abgesehen, fast ausschliesslich \ mit den 
Waffen des Geistes, dafür aber um so heftiger und leiden- 
schaftlicher geführt wurde. Die drei altern, bereits gesetzlich 
anerkannten Gonfessionen, obwohl sie sich untereinander 
unablässig befehdeten, wareii eins in dem Hasse, den sie dem 
Eindringling entgegenbrachten, der sich auf einen von dem 
ihrigen wesentlich verschiedenen religiösen Standpunkt stellte, 
und nur noch auf ihre Kosten Verbreitung und Anhang finden 
konnte. Dazu kamen die Streitigkeiten, welche bald nach 
dem Entstehen der unitarischen Kirche in deren eigenen Mitte 
ausbrachen. Ihr Glaubensbekenntniss war noch schwankend 
und entbehrte noch der festen Ausprägung, und die endgiltige 
Feststellung der einzelnen Glaubensartikel hatte erbitterte 
Kämpfe zur Folge, welche den Gegensatz zwischen dem 
Unitarismus und der übrigen Christenheit immer mehr zuspitz- 
ten und verschärften. 

Dieser Gegensatz offenbarte sich zumeist in der Auffas- 
sung von dem Wesen Gottes und, im Zusammenhange damit, 
von der wahren Natur Jesus. 

Alle übrigen christlichen Kirchen erkannten, je nach ihrer 
eigenartigen Auffassung, in der Dreifaltigkeitslehre den wahren 
Ausdruck für das Wesen 'Gottes. Die neuentstandene Kirche 
hingegen wies dieses Dogma auf das entschiedenste zurück 
und betonte scharf die Einheit Gottes. In Folge dessen bekannte 
sie sich in dem damals nahezu schon beendigten theologischen 
Streite, welcher über die rein menschliche, oder rein göttliche, 
oder menschliche und gleichzeitig göttliche Natur Jesus ent- 
brannt war, zu der von den übrigen aus dem Schosse der 



21 



Reformation hervorgegangenen Kirchen verworfenen Ansicht, 
welche Jesus eine rein menschliche Natur zuerkannte. Die 
ältere unitarische Kirchen- und Gebetsliteratur demonstirte mit 
dem ständigen Ausdruck: »Der Mensch Jesus Christus.« 

So wurde die Lehre von der Einheit Gottes das kennzeich- 
nende Merkmal der neuen Confession, deren Bekenner sich eben 
(leshalb Einheitsgläubige, U n i t a r i e r, nannten, während ihre 
Gegner sie als Antitrinitarier, d. h. Widersacher der 
Dreifaltigkeitslehre, oder aber, um sie zu Ketzern zu stempeln, 
als A rianer zu bezeichnen pflegten. 

Franz Davidis hatte das unitarische Glaubensbekenntniss 
mit Feuereifer aufgegriffen und auch den Fürsten und dessen 
Räthe zur Annahme desselben bestimmt. Er blieb aber nicht 
dort stehen, wo er es vorgefunden hatte, sondern ging bald 
weiter als sein Lehrmeister Blandrata. Der allmälig in offene 
Feindseligkeit ausartende Gegensatz zwischen beiden trat am 
schärfsten in der Frage hervor : An wen soll, beziehentlich, 
an wen darf das Gebet gerichtet werden? 

Anfangs, auf den Synoden vom Jahre 1568 und 1569, hatte 
Franz Davidis nur so viel behauptet, dass »der Heilige Geist 
nicht Gott sei, und dass man ihn nicht anzubeten brauche^ weil 
die Propheten und die Apostel diese Anbetung nirgends lehren.« 
In einer 1571 ershienenen Schrift machte er bereits einen Un- 
terschied zwischen der Verehrung und Anbetung Gottes und 
der Jesus. Im Jahre 1578 stellte er endlich vier Thesen ȟber 
die Nichtanbetung Christi« auf, welche es mit Entschiedenheit 
aussprachen, dass »ausser Gott, dem Vater, Schöpfer des Himmels 
und der Erde, Niemand angebetet werden soll,« und dass »das 
an Jesus gerichtete Gebet ein falsches Gebet ist.« 

Mit diesen und ähnlichen Sätzen durfte Franz Davidis in 
Siebenbürgen lange Zeit frei und ungestraft Lehren verkünden 
und weiter fortentwickeln, wegen welcher kurz vorher Servet 
in Genf verbrannt, und Julius von Treviso und De Riego in 
Venedig ersäuft worden war. Diese religiöse Duldung fand 
aber mit dem im Jahre 1570 eingetretenen Tode Johann Sieg- 
munds ein jähes Ende. Sein Nachfolger, Stephan Bathori, machte 
die bisherige Lehr- und Redefreiheit bald verstummen. Ein in 
den drei ersten Jahren seiner Regierung dreimal wiederholtes 
Gesetz bestimmte, dass »Niemand sich unterfangen dürfe, religiöse 
Neuerungen einzuführen,« und dass dem Fürsten das Recht 
zustehe, »dergleichen Neuerer mit Gefängniss, Tod, oder einer 



^ 



ihrer Gotteslaesterung entsprechenden anderen Strafe zu be- 
strafen« 1 

Diese Gesetze waren in erster Linie gegen die Unitarier 
gerichtet, gegen welche der katholische Fürst einen tiefen, durch 
die Empörung des Unitariers Caspar Bekes noch gesteigerten 
Widerwillen empfand. Sie waren aber nur die Vorzeichen des 
nahenden Gewitters, das erst im Jahre 1576 zum Ausbruch 
kam, als an Stelle des zum König von Polen erwählten Stephan 
Bathori, dessen jüngerer Bruder Christoph den Fürstenthron 
von Siebenbürgen bestieg. 

Grade um diese Zeit begann Franz Davidis die Lehre 
von der Nichtanbetung Christi öffentlich zu verkünden, wobei 
er dem entschiedenen Widerspruche Blandratas, sowie des 
Faustus Socinus, einer anderen Autorität der unitarischen Kirche, 
begegnete. Ein Theil der unitarischen Geistlichkeit schloss 
sich ihnen an, und die als oberste Instanz angerufene unitarische 
Kirche in Polen, die als Mutterkirche galt, verurtheilte eben- 
falls die neuen Lehren Franz Davidis. Die von beiden Seiten 
aufgestellten und mit leidenschaftlicher Heftigkeit verfochtenen 
Thesen verschärften die Gegensätze immer mehr. Die Bekenner 
der jungen Confession theilten sich in zwei feindliche Lager, 
die sich, wie es in solchen Fällen gewöhnlich zu geschehen 
pflegt, rücksichtslos bekämpften. Schliesslich riefen Blandrata 
und seine Genossen die Staatsgewalt zu Hilfe. Sie erklärten. 
dass die Nichtanbetung Christi der unitarischen Glaubenslehre 
widerspreche und denuncirten Franz Davidis als «Neuerer.» 
der die oben erwähnten Gesetze übertreten habe. 

Die Anklage begegnete offenen Ohren. Christoph Bathori. 
der Beschützer und Freund der Jesuiten, hatte gleich zu 
Anfang seiner Regierung die Vernichtung Franz Davidis und 
die gleichzeitige Unterdrückung der unitarischen Kirche ins Auge 
gefasst. Die vorbereitenden Schritte waren längst geschehen. 
Der Fürst hatte bereits in den Jahren 1576 und 1578 strenge 
Landtagsbeschlüsse durchgesetzt gegen die «im Lande um sich 
greifenden unerhörten, gotteslästerlichen Neuerungen.» Die 
«Jnnovatoren» sollten dem Fürsten ausgeliefert werden, der 
sie, nach eigenem Ermessen, mit den schwersten Strafen 
belegen soll. 

1 S z i 1 ä g y i, Monumenta Gomilialia Regni Transsylvaniae III. S. 
528,534 u. 536. 



23 



Franz Davidis sollte bald den unerbittlichen Ernst dieses 
Entschlusses fühlen. Der damals schwer kranke Mann wurde 
unter strenger Bewachung nach Karlsburg gebracht und vor 
seine Richter gestellt. Er wollte sich zu keinem Widerruf 
verstehen, sondern vertrat muthig seine Ueberzeugung. Zu lebens- 
länglichem Kerker verurtheilt, ward er nach der Festung Deva 
geführt, wo der von körperlichen und seelischen Leiden 
gebrochene Mann nicht lange darauf, am 15. November 1579, 
im Kerker starb. 

Die eingeschüchterte und durch neuerliche Drohungen in 
Furcht gejagte unitarische Geistlichkeit stellte nun, auf Bland- 
ratas eifriges Betreiben, »das neue Glaubensbekenntniss von 
der Gottheit, Anbetung und Anrufung Jesus und von dem 
Reiche Christi auf.« Die Kirche Franz Davidis, d. h. die alt- 
unitarische Kirche in Siebenbürgen, war nicht mehr, oder 
richtiger, hatte aufgehört eine öffentliche, vom Gesetze aner- 
kannte Kirche zu sein. 

Wie in allen religiösen Kämpfen dieser Zeit, fiel auch in 
den hier geschilderten die Hauptrolle der Bibel zu. Namentlich 
w^ar es der Unitarismus, der die Idee der Reformation am ent- 
schiedensten und kühnsten fortgeführt hatte, der sich dieser 
mächtigen Waffe der Reformation am nachdrücklichsten 
bediente. Gelegentlich der häufigen, nicht selten mehrere Tage 
hindurch fortgesetzten, öffentlichen Disputationen stellten die 
Unitarier in der Regel im vorhinein die Bedingung, dass die 
Wahrheit einer Behauptung einzig und allein aus den klaren 
Worten der Bibel bewiesen werden müsse, weil w A 1 1 e s, w a s 
ausser den Propheten und ausser Christus und 
den Aposteln, andere Menschen geschrieben 
haben, zu verwerfen sei.« Die gegnerischen Parteien 
pflegten diese Bedingung nur zum Theil und nur mit Vorbehalten 
anzunehmen; dafür mussten sie es sich gefallen lassen, dass 
den meisten ihrer Behauptungen von Seiten der Unitarier ein- 
fach die Frage entgegengestellt wurde: »Wo ist das in der 
Heiligen Schrift zu lesen ?« Das erste und letzte Argument, 
welches die Unitarier gegen eine von ihren Gegnern verfoch- 
tene, von ihnen aber zurückgewiesene Lehre vorzubringen 
pflegten, war : »Wir können sie in der Heiligen Schrift nicht 
finden.« 

Um den richtigen Sinn der Evangelien festzustellen, 
beriefen sie sich in einemfort auf die Bücher Moses, oder auf 



24 



die Schriften der Propheten ; anderseits protestirten sie gegen 
das Vorgehen ihrer Gegner, »aus dem Alten Testamente geschöpfte 
Beweise durch das Neue Testament als richtig zu erhärten.«^ 
Die aus Ersterem angeführten Citate erkannten sie nur dann 
für echt, wenn sie genau dem hebräischen Urtexte 
entsprachen, nie ht aber irgend einer Ueberset- 
zung entlehnt waren. Diese Anschauung wurzelte so 
tief, dass noch Georg Enyedi, der ungefähr dreizehn Jahre 
nach Davidis Tode (1592 — 7) das Oberhaupt der n e u e n unita- 
rischen Kirche w ar, gegen alle Beweisführungen aus der Sep- 
tuaginta, Vulgata, oder aus der Lutherischen Bibel protestirte, 
»weil die gewöhnlichen Bibelübersetzungen, da sie sich von 
dem jüdischen Originale allzuweit entfernen, von allen Gelehrten 
verworfen werden,«^ 

Die ganz im biblischen Tone, zumeist polemisch gehal- 
tenen unitarischen Kanzelreden stellten die Bücher Moses und 
die Evangelien, die Worte der Propheten und die Aussprüche 
Jesus als gleichwertig nebeneinander und wimmelten von 
alttestamentarischen Citaten und Anspielungen. Dasselbe gilt 
von den auf unitarischer Seite erschienenen Flugschriften, 
welche mitsammt den Gegenschriften, einem Platzregen gleich, 
ins Volk fielen, das sie begierig aufgriff und mit Heftigkeit für 
oder wider Partei nahm. 

Diese Kämpfe beschäftigten alle Gemüther. An den reli- 
giösen Disputationen, die von den dazu bestimmten Sälen in 
die Kirche, und von dort auf die Strasse getragen wurden, 
betheiligte sich das gesammte Volk, vom Fürsten bis hinab 
zum letzten Bürger. »In jenen Tagen, — so berichtet ein 
Chronist, dessen Aufzeichnungen aus einer Zeit datiren, wo 
die in Rede stehenden Ereignisse noch frisch in aller Erin- 
nerung w^aren, — hättest Du in ganz Siebenbürgen aller Orten 
beim gemeinen Volke viel unvernünftiges Disputiren und Zanken 
gehört. In Dörfen und in Städten, beim Essen und beim Trin- 
ken, des Morgens und des Abends, bei Tag und bei Nacht, 
und von den Predigern auf der Kanzel hättest Du gar viel 

1 Neben zahlreichen anderen Stellen bei Alexius J a k a b s. die liier 
angeführten Citate Seite 107, 110, 113, 149 und 174 das. 

2 S. dessen Buch Explicationes Locorutn Scripturae Veteris et Novi Tes- 
tamenti ex quibus Tritinatis Dogma stabiliri solet, S. 128 der Klausenburg 1610 
erschienenen ung. Uebersetzung von Mathias T h or oc z k a i, ' 



25 



Lästerungen und masslose Streitereien gehört, wie die Anhän- 
ger der beiden Religionen, der calvinischen und der arianischen 
(d. h. unitarischen) mit einander disputirten.»^ 



Die im Bisherigen geschilderten Ereignisse und Verhält- 
nisse in Siebenbürgen, speciell innerhalb der unitarischen Kirche, 
bilden die Vorgeschichte des dortigen Sabbat ha- 
rierthums. Sie haben den Boden vorbereitet und empfäng- 
licht gemacht, auf welchem bald darauf eine judaisirende 
christliche Secte entstehen und gedeihen sollte. 

Was die eigentliche Geschichte des Sabbatharierthums 
anbelangt, lassen sich in ihr Entwicklung, Blüthe und Verfall 
klar und deutlich unterscheiden. Dem entsprechend zerfällt sie 
in drei, ihrer Zeitdauer nach, höchst ungleiche Perioden. 

Die erste Periode, in welcher sich das Sabbatha- 
rierthum noch anfeinem ausgesprochen christ- 
lichen Standpunkte befindet, erstreckt sich von 1588 
bis 1623, das ist von der Entstehung der neuen Secte bis zur 
Zeit, wo der gestürzte Reichskanzler Simon Pechi ihre Führung 
übernahm. 

Die zweite Periode, in welcher das Sabbatharier- 
thum sich dem Judenthume immer mehr nähert, 
währt von 1623 bis 1638, das ist von der Zeit, wo Simon Pechi 
sich an die Spitze der Bewegung stellte, bis zum ))Gerichts- 
termin« von Dees, der die Kraft der siebenbürgischen Ju- 
denzer brach. 

Die dritte Periode, in welcher sich das Sabbatha- 
rierthum bereits thatsächlich auf den Boden des 
Judenthums gestellt hat, umfasst den mehr als 200 Jahre 
langen Zeitraum von 1638 bis 1869, das ist, von dem »Gerichts- 
termin« zu Dees bis zu der Sabbatharier öffentlichem Ueber- 
tritt zum Judenthum. 

Inhalt und Bedeutung dieser verschiedenen Perioden stehen 
in einem umgekehrten Verhältnisse zu ihrer Zeitdauer. In den 
beiden ersten, zusammen blos 50 Jahre umlassenden Perioden ist 
das Sabbatharierthum frisch und lebensstark; es entwickelt 
und organisirt sich, breitet sich aus und entfaltet eine verhältniss- 

* S. die Aufzeichnungen des Franz Nagy Szabö bei Mikö, Erdölyi Tör- 
6neti Adatok (Geschichtliche Nachrichten von Siebenbürgen.) I. S. 29. 



26 



massig bedeutende literarische Thätigkeit. Die darauffolgenden 
251 Jahre bilden eine lange Periode des allmäligen Verfalls 
in welcher die hart verfolgte Secte, deren Bekenner sich immer 
mehr vermindern, ihr religiöses Leben nur noch mit den Ele- 
menten fristet, die sie im geheimen' aus dem Judenthume 
aufnimmt. 



Entstehung des Sabbathariertums. 

Die durch Franz Davidis hervorgerufene religiöse Bewe- 
gung war wohl gehemmt, aber nicht gänzlich unterdrückt 
worden. Den kühnen Neuerer hatte man ins Gefängniss 
geschleppt, aber seine Lehren konnte man nicht hinter Kerker- 
mauern bannen. Sie wurzelten bereits tief in den Herzen der 
Schüler und der zahlreichen Gläubigen, die sie von dem viel- 
verehrten Meister angenommen hatten, und überlebten den 
im düstern Burgverliess verstorbenen Mann, der sie verkündet 
hatte. 

Die unitarische Volksmenge, w^elche unter den rührendsten 
Aeusserungen treuer Anhänglichkeit den Karren begleitet hatte, 
der seinen Seelenhirten nach Karlsburg vor den Gerichtshof 
brachte ; die unitarische Bürgerschaft, welch« alles aufgeboten 
hatte, um durch Deputationen, Bittgesuche und Geschenke die 
Freisprechung des Angeklagten zu erwirken ; die unitarischen 
Adeligen, die noch in der Stunde der Urtheilsverkündigung 
die p]rklärung abgaben, dass sie bei den von ihnen getheilten 
Ansichten Franz Davidis beharren, und die Lehre von der 
Nichtanbetung Christi beizubehalten wünschen ; die unitarischen 
Geistlichen, die zum grossen Theile nur durch Einschüchte- 
rungen und Drohungen dahin gebracht werden konnten, dass 
sie das Verdammungsurtheil über Davidis und das bei dieser 
Gelegenheit aufgestellte neue unitarischo Glaubensbekentniss 
unterschrieben, zum Theil aber allen Drohungen trotzend, ihre 
Unterschrift hartnäckig verweigert und lieber auf Amt und 
Würden verzichtet hatten : alle diese konnten in Folge eines 
Richterspruches unmöglich mit einemmale ihre religiösen Ueber- 
zeugungen ändern und den Glauben aufgeben, welcher ihnen 
mit hinreissender Beredsamkeit und in gierig aufgegriffenen 
Schriften verkündet w^orden war, einen Glauben, der jetzt auch 



27 



seinen Märtyrer hatte, der für ihn in den Kerker und von dort in 
den Tod gegamgen war. 

Der eing-ekerkerte Franz Davidis lel)te noch, als sich der 
auf den 21. Oktober 1579 einberufene Landtag bereits veran- 
lasst sah, »die im Lande noch immer fortdauernden religiösen 
Neuerungen, von welchen, trotz den wiederholt erlassenen 
Verboten, Laien und Geistliche nicht aufhören im geheimen 
fortzuflüstern«, wieder einmal aufs strengste zu verbieten.^ 

Die auf Grund des neuen Glaubensbekenntnisses consti- 
tuirte unitarische Kirche hatte «die Laien und Geistlichen,» 
welche sich noch immer zu den Ansichten Franz Davidis 
bekannten, öffentlich und feierlich aus ihrem Schoosse aus- 
geschlossen. Diese wieder konnten jene Unitarier nicht mehr 
als Glaubensgenossen betrachten, die mit dem neuen Glaubens- 
bekenntniss einen von dem ihrigen abweichenden, also nach 
damaliger Anschauung, falschen Glauben angenommen hatten. 
Die N e u-Unitarier waren in den Augen der den Lehren Franz 
Davidis treu gebliebenen A It-Unitarier, gleich den Bekennern 
aller übrigen christlichen Confessionen, im Irrwahn befangene 
Ungläubig.\ 

Ein Lehrgedicht, das zu den ersten und ältesten Erzeug- 
nissen der sabbatharischen Literatur gehört, sagt das auch 
rund heraus : «Pabstthum, Lutherthum und Galvinismus, die 
alle den dreieinigen Gott bekennen, 

Die drei halten in dieser Welt voll Sünden 
Gar viele fest in Dunkelheit, gleich Blinden ; 
Erkenntniss Grottes können sie nicht finden, 
Sie täuschen sich mit falschen, nichtigen Gründen. 

Die Vierten, die wohl einen Gott verkünden, 
Kann ich, denn diese drei, nicht besser finden ; 
Sie glauben auch, was Menschen nur erfinden, 
Und gehen einen Weg mit jenen Blinden. -^ 

Der Verfasser dieses, der Form und Sprache nach urwüch- 
sigen Gedichtes ist Andreas Eössy, ein echter Alt-Unitarier, 
in dem wir den Begründer des Sabbatharierthums kennen 

1 SziUgyi a. a. 0. III. S. 143. 

* Altes Sabbatharisches Gesangbuch, Nr. 107, („Der den 
Weg zum Heile zeigende Gesang"), Strophe 7 — 8. Die Uebersetzung sucht das 
nicht immer richtige Metrum und die Beimart dieser oft recht primitiven Gedichte 
möglichst treu wiederzugeben. 



28 



lernen werden. Ihm steht demnach der von Blandrata und 
seinen Genossen proclamirte, und nunmehr von Staatswegen als 
richtig anerkannte neue, Unitarismus, als vierte Religion, auf 
einer Linie mit den übrigen drei Religionen, welche schon 
früher gesetzlich recipirt waren. Alle vier sind ihm gleich- 
massig Menschenwerk und Unverstand ; denn, so fährt er fort : 

Nicht kann die Wahrheit sein bei diesen Vieren, 
Wo Irrthuin blos, und nichts von Heil zu spüren: 
Ihr Glaube kann zur Seligkeit nicht führen — 
Da ist vergebens alles Disputiren ! *■ 

Wo aber isf die Wahrheit denn? 

Nach den Alt-Unitariern natürlich in dem Glauben, den 
Franz Davidis lehrte. 

Diesen, nunmehr von ihrer eigenen Kirche verdammten 
und von Staatswegen verbotenen Glauben durften sie aber nicht 
öffentlich bekennen. Wie es in dem oben (S. 27) erwähnten 
Landtagsbeschluss bezeichnend heisst, wurde von ihm nur 
mehr im »Geheimen« geflüstert. Religionen, die nur im Gehei- 
men geübt und gelehrt werden können, pflegen aber nicht 
lange auf ihrem ursp rünglich eingenommenen Standpunkte zu 
verbleiben. Da sie keine feste Organisation und keine aner- 
kannte, einheitliche Leitung besitzen, wird ihre Sache von 
Einzelnen in die Hand genommen, die sich dazu berufen fühlen. 
Diese gehen nach ihrer individuellen Auffassung vor, in welche 
sie sich immer mehr versenken, und gerathen, da sie durch 
keine feststehende Form gebunden sind und nicht unter der 
Controle der Oeffentlichkeit stehen, allmälig von der breiten 
Landstrasse auf abseits gelegene Pfade, welche sie von der 
ursprünglich eingeschlagenen Richtung immer weiter abführen. 
Religiöse Ueberzeugungen, die verfolgt und niedergetreten wer- 
den, verfallen in der Regel in Extreme. Der Druck von aussen 
erzeugt den Fanatismus, der den Weg, den man ihm verwehrt, 
nur mit um so grösserer Hartnäckigkeit verfolgt, und am 
krampfhaftesten festhält, was man ihm gewaltsam entreissen will. 

Genau so lagen aber die Verhältnisse im Lager der Alt- 
Unitarier, die wohl nur im geheimen, aber umso pietätsvoller 
und eifriger den verbotenen Lehren ihres heimgegangenen 
Meisters anhingen, und deshalb im Volksmunde auch »Davi- 
disten« hiessen. 

1 Das., das. Strophe 9. 



29 



Franz Davidis hatte in Sachen der Religion nur eine 
Autorität anerkannt : die Bibel. Ihm galt, »Alles, was nicht aus 
der Bibel zu beweisen i^t, als blosse menschliche Erfindung.« 
Von diesem Satze ausgehend, bekämpfte er »die Dreifaltig- 
keitslehre, welche die Patriarchen, .die Propheten und die 
Apostel nicht kennen«, und wies er die Anbetung Christi zurück. 
»Eine Gottes Verehrung, welche — so erklärte er noch vor 
seinen Richtern — in dem Gottesworte nicht befohlen ist, kann 
Gott nicht gefällig sein. Die Anbetung Christi ist aber in der 
Heiligen Schrift nirgends befohlen, sie kann daher nicht gott- 
gefällig sein.«^ 

Seine führerlos gebliebenen Getreuen sind aber hiebei 
nicht stehen geblieben. Sie haben vielmehr den von Davidis 
aufgestellten Satz weiter entwickelt und rücksichtslos die 
Schlussfolgerungen gezogen, die sich ihnen aus ihm ergaben. 
So verfolgten sie entschlossen die Richtung, w eiche ihr Meister 
angedeutet hatte und in welcher er vielleicht selber weiter 
vorwärts gegangen wäre, wenn sein Sturz und bald darauf der 
Tod ihm nicht Halt geboten hätte. AUmälig gelangten sie dahin, 
im Christenthume immer neue, von Franz Davidis unberührt 
gelassene Dinge zu finden, die ihnen aus der Bibel uner- 
weisbar schienen, manches Andere wieder zu vermissen, was 
in der Bibel klar zu lesen war. 

Hierher gehören in erster Linie jene Gebote und Anord- 
nungen der fünf Bücher Moses, oder, wie man damals zu sagen 
pflegte, des Gesetzes, welche die Kirche theils modificirt, 
theils durch andere ersetzt, theils vollends aufgehoben hat. 
Mit welchem Rechte, fragten sie, konnte das geschehen? Einige 
von den Vorschriften des Gesetzes als bindend anerkennen, 
andere ausser Kraft setzen w ollen, ist unmöglich, ist verboten ; 

Dena wer die Biebel stück weis nur beachtet, 
Und eine Auswahl als Gesetz betrachtet, 
Betrügt sich selbst, von Irrwahn dicht umnachtet.'^ 

Das sabbatharische Psalmen- und Gesangbuch vom Jahre 
1604,ist nicht ohne Ursache mit dem Vers aus dem Evangelium 
Matthäi eingeleitet : »Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekom- 

1 Alexius Jak ab, a. a. 0. S. 235 und die dieser Schrift beigegebenen 
Egyhäztörteneti Eml6kek (Kirchengeschichthche Monumente) S. 47. 

« S. Das Sabbaihar. Lehrgedicht „Von der Beobachtung des göttlichen 
Gesetzes.* (No. 110 des Alten Sabbat h. Gesangbuches) 111. Theil, No. 25. 



30 



men bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin 
nicht gekommen es aufzulösen, sondern zu erfüllen.« Dieses 
Motto der ältesten uns bekannten sabbatharischen Handschrift^ 
war gleichzeitig die Rechtfertigung des Sabbatharierthums, das 
sich auf diesen Ausspruch Jesus zu berufen pflegte, wenn es 
die Bestimmungen des alten Testamentes innerhalb des Chris- 
tenthums wieder zur Geltung zu bringen suchte. 

Zu diesen Innern Gründen kamen noch äussere, aber nicht 
minder wichtige Momente, welche die treugebliebenen Anhän- 
ger des verstorbenen Reformators dahin führen mussten, die 
Lehren ihres Meisters gerade in judaisirendcr Richtung weiter 
zu entwickeln. 

Als Franz Davidis seine These von der Nichtanbetung 
Christi aufstellte, wurde sofort der Vorwurf laut, dass er »Ju- 
denzer« sei. So schleuderte ihm Faustus Socinus die Anklage 
entgegen, »dass er judaisire und, indem er Christus verleugne, 
Moses in die Kirche einführen wolle.« Dasselbe wiederholte 
Blandrata in Kronstadt, als Davidis dort vor seinen Richtern 
stand,2 und als Ursache seiner Einkerkerung wird in einer 
zeitgenossischen sächsischen Chronik mit dürren Worten ange- 
geben, Davidis sei »Jude geworden.« ^ 

Diese Anklage war ungerecht. Franz Davidis war nichts 
weniger als Judenzer. Die Einheit Gottes, unter den von ihm 
verkündeten Lehren die einzige, welche wirklich jüdisch war, 
ist keine ihm eigenthümliche ; sie bildete vielmehr von Anfang 
an eine der Grundlagen der unitarischen Kirche und ist noch 
heute eine solche. Seine These von der Nichtanbetung Christi 
widersprach allerdings der Auffassung der übrigen christlichen 
Welt, war aber, weil dem Judenthume vollständig ferne ste- 
hend, deshalb noch lange keine jüdische. Von allem dem, was 
die verschiedenen judaisirenden Secten kennzeichnet, ist bei 
ihm keine Spur zu entdecken. Er hat nie den Versuch gemacht, 
ein von der Kirche abgeschafftes mosaisches Gesetz wieder 
zur Geltung zu bringen, oder einen jüdischen Brauch einzu- 
führen ; er äusserte sich vielmehr stets wegwerfend über den 
»an körperliche Dinge und an einen bestimmten Platz gebun- 

^ Eigenthum der unitarischen Hochschule zu Klausenburg. 

2 Diese und ähnliche Äusserungen über Davidis s. bei Alexius J a k a b 
a. a. 0. S. 226 und 235. 

3 Joseph T r a u s c h, Ghroncion Fuchslo-Lupino-OIlardinum I. S. 71 : 
„Franciscus Davidis ex Sacramentario Arianus et ex Ariane Judaeus factus.* 



31 



denen« jüdischen Gottesdienst, und das Neue Testament stellte 
er hoch über das Alte. »Wer, — so sagte er — den Unterschied 
zwischen diesen beiden Büchern nicht begreift, Moses mit 
Christus, das Gesetz mit dem ICvangelium verwechselt: der 
verwechselt den Buchstaben mit dem Geiste, das Irdische mit 
dem Himmlischen, macht aus Christen Juden, vergisst des 
ewig-en Lebens und versteht die heiligen Schriften nicht.« ^ 

Wer so sprach, hat wahrhaftig nicht judaisirt. Aber seine 
Feinde und Verfolger hatten ihn einmal als Judenzer hinge- 
stellt, ja waren noch weiter gegangen. Um ihn zu stürzen und 
seine Verurtheilung zu rechtfertigen, hatten sie seine Lehrsätze 
entstellt, ja gefälscht, und ihm auch solche unterschoben, die 
man aus seinen Thesen vielleicht folgern konnte, die er 
selber aber nie aufgestellt hat, zum Theil sogar solche, die 
aus seinen Thesen nicht einmal herauszuklügeln waren. Unter 
den sechzehn Glaubensartikeln, die ihm, um ihn zu verderben, 
angedichtet wurden, befanden sich auch die folgenden : 

II. «Jesus, der Mann aus Nazereth .... war wohl Send- 
bote Gottes, aber nicht Alles, was er sprach, ist 
G Ott es wort.)) 

III. Seine und der Apostel Worte sind daher mit dem 
von den Gesetzen Moses und den Schriften der übrigen Pro- 
pheten gegebenem Maasse zu messen. Was diesen wider- 
spricht ist zu verwerfen, oder so zu erklären, 
dass es mit ihnen übereinstimmt, denn sie bilden 

* 

die alleinige Richtschnur für die Moral, das Leben und den 
Gottesdienst.)) 2 

Davidis protestirte vergebens gegen «alles das, was Andere 
in seinem Namen herumtragen.)) Seine Verurtheilung erfolgte 
zumeist auf Grund dieser ihm unterschobenen Glaubensartikel, 
welche seine Gegner durch Sendschreiben in den weitesten 
Kreisen verbreiteten. 

Diese Anklagen und Verleumdungen verstummten auch 
nach seinem Tode nicht. Man Hess es sich angelegen sein, im 
Volke zu verbreiten, dass die Lehren Davidis «nothwendiger- 
weise die Judaisirung des Christenthumes zur Folge haben 
müssten.))3 Man sprengte aus, «Franz Davidis hätte, wäre er 

^ Alexias Jakab, a a. 0. S. 192. 
» A. a. 0. S. 230. 

3 Stephan K a t o n a von G e 1 e j, Titkok Titka (Geheimniss der Geheim- 
nisse) Karlsburg 1645, S. 270. 



32 



am Leben geblieben, seine Absicht, das Judenthum und 
die Beschneidung einzuführen und das ganze 
Neue Testament zu verwerfen, sicherlich zu verwirk- 
lichen gesucht.))^ Musste da die nachträgliche Verwirklichung 
dieser Absicht den Jüngern und Anhängern dieses Mannes 
nicht als grosse und heilsame Sache erscheinen, werth, dass 
sie unternommen werde, dass man für sie eintrete und Opfer 
bringe ? 

Das Andenken des »grossen Märtyrers«, wie ihn seine 
Anhänger jetzt zu nennen pflegten, war nicht nur der grossen 
Masse heilig; auch unter den leitenden Persönlichkeiten der 
unitarischen Kirche fanden sich noch Männer, die den Muth 
hatten, für die Sache des Verklärten einzutreten. Namentlich 
war es die unitarische Geistlichkeit in Ungarn, die nicht unter 
dem von Blandrata und dem Fürsten Christoph Bäthori geüb- 
ten Drucke stand, die für den »verrathenen Franz Davidis« ent- 
schieden, ja leidenschaftlich Partei ergriff. Paul Karädi, Bischof 
der ungarländischen Unitarier, richtete an die Bewohner von 
Klausenburg mehrfache Sendschreiben voll flammenden Unwil- 
lens und beissender Ironie, in welchen er Alle aufs heftigste 
angriff, die Davidis angeklagt und verurtheilt hatten. Briefe 
ähnlichen Inhaltes schickte auch Benedict Ovari/ unitarischer 
Prediger zu Simänd, nach Siebenbürgen. Aber auch unter den 
gelehrten Unitariern in Siebenbürgen fanden sich Männer, wie 
Jacob Paläologus und Johannes Sommer, welche die verur- 
tbeilten Lehren Davidis aufs entschiedenste vertheidigten.^ 

Was Wunder, dass den noch immer zahlreichen An- 
hängern und Verehrern dieses Mannes die Idee des judaisi- 
renden Sabbatharierthums nahe gelegt, fast könnte man sagen 
aufgedrängt wurde, so dass sie nur ausgesprochen zu werden 
brauchte, um unter den Alt-Unitariern zahlreiche Anhänger zu 
finden. Glaubten sie doch, oder richtiger : hatte man sie doch 
glauben gemacht, dass ihr bisheriger Lehrer und Führer, der 
Begründer und das vielverehrte Oberhaupt ihrer Kirche ein 

^ Bericht des Jesuitenpaters Stephan Arator vom J. 1600 in dem 
Archiv d. Vereins für Siebenbürg, Landeskunde, XIX. S. 595. 

2 Die näheren Angaben und Quellen für obige Daten s. Alexander 
S z e k e ly, ünitärius valläs tört^netei Erdölyben. (=Gesch. d. unitarisch. Religion 
in Siebenbürgen) S. 66, sowie die vortreffliche, in dem Folgenden oft citirte, 
unitarische Monalsschrift KeresztenyMagvetö (=der Christliche Säemann) 
Jahrg. XX. S. 595. 



33 

Judenzer war, und dass die Glaubensartikel, weg-en welcher 
er verurtheilt wurde, judaisirende gewesen seien. Weshalb 
sollten sie nicht ebenfalls Judenzer werden ? Wenn es wahr 
ist, — und es musste wahr sein, ist er doch auf Grund dieser 
Anklage eingekerkert worden — dass Franz Davidis gelehrt 
habe, »Alles, was mit dem Gesetze Moses in Widerspruch 
steht, sei zu verwerfen, und dieses Gesetz bilde die alleinige 
Richtschnur für die Moral, das Leben und den (lOttesdienst« : 
weshalb sollten sie dieses Gesetz nicht zur Geltung zu bringen 
suchen, weshalb es nicht ebenfalls befolgen ? 

Es ist gewiss, dass unter den ersten Sabbathariern viele 
vielleicht die meisten, nur deshalb dieser Secte beitraten, weil 
sie das Sabbatharierthum für den echten Glauben Franz Davidis 
hielten. Sie waren überzeugt. Jünger des »verrathonen, from- 
men und gottesfürchtigen« Mannes, die unverfälschten, alten 
Unitarier zu sein, die sich weder durch Gewalt, noch durch 
Drohungen und Versprechungen, die Irrthümer der Neu-Uni- 
tarier aufdrängen Hessen, sondern unentwegt die Lehren ihres 
Meisters befolgten, seine Wahrheiten fortentwickeften und seine 
Absichten und Pläne zu verwirklichen suchten.^ Im Volks- 
munde hiessen sie anfangs auch, gleich den Alt-Unitariern, D a- 
vidis t en.« 

Die Entstehung des Sab bathar ierth um s in 
Siebenbürgen ist somit unmittelbar auf die Vor- 
gänge innerhalb der dortigen unitarischen Kir- 
che zurückzuführen. Auswärtige Einflüsse haben hierbei 
nicht mitgewirkt. Solche hätten sich zunächst und zumeist bei den 
nicht-magyarischen Bewohnern Siebenbürgens geltend machen 
müssen : bei den Sachsen, Rumänen, Polen, Rusnyaken und 
sonstigen Slaven. Aber gerade unter diesen hat das Sabba- 
tharierthum nie Wurzel zu fassen vermocht. Seine Bekenner 
waren vielmehr zu allen Zeiten ausschliesslich Szekler, 
und seine nicht unbedeutende Literatur ist eine durchweg 
kernmagyarische, welche wohl zahlreiche hebräische, bezie- 
hungsweise jüdische Elemente, aber sonst absolut nichts Frem- 
des aufgenommen, oder verarl)eitet hat. Anderseits tauclit das 
Sabbatharierthum, von welchem vorher keine Spur zu ent- 
decken ist, erst nach der Unterdrückung der alten unitarischen 

* Das alles setzt das Alte Sabbatharierbuch, über welches 
wir weiterhin berichten, mit den schärfsten Worten klar auseinander, s. 
Kereszt^ny Magvetö, XXL S. 143-5. 

Dr. Kohn : Sabbatharier. 3 



84 



Kirche, fast unmittelbar nach dem Tode Franz Davidis aul 
Die Begründer und die ersten Gläubiger dieser Secte sind 
sammt und sonders eifrige Unitarier aus der Schule dieses 
Reformators, und die Lehren, wegen welcher Davidis verur- 
theilt wurde, darunter auch jene, die man ihr* unterschoben 
hat, finden wir alle in der ältesten Dogmatik der Sabbatharier 
wieder. 

Mit diesen Thatsachen stimmen auch die ältesten Berichte 
überein, die wir über die Entstehung des Sabbatharierthums 
noch besitzen. 

Franz Nagy Szabö, der zur Zeit des Auftauchens dieser 
Secte, welcher sich auch seine Mutter, sein Bruder und sein 
Schwager angeschlossen hatten, ungefähr sieben Jahre alt sein 
mochte, stellt in seiner Chronik das Sabbatharierthum einfach 
als eine Neuerung hin, welche sich nach dem Tode Davidis 
im Schosse des Unitarismus herausgebildet hat, wo »bald 
darauf aus der einen zwei Religionen wurden, und zwar die 
unitarische und die sabbatharische Religion.«* 

Stephan* Katona von Gelej, seit 1633 Superintendent der 
Reformirten in Siebenbürgen, der ungefähr ein halbes Jahr- 
hundert nach Entstehung des Sabbatharierthums schrieb, be- 
richtet, Blandrata habe die Lehren Franz Davidis aus dem 
Grunde bekämpft, weil er voraussah, »dass aus ihnen jede 
Art von Gottlosigkeit und Judenzerei entstehen müsse, 
wie es denn auch wirklich gescha h.« Nach dem 
Tode dieses Mannes, »haben seine Anhänger, die ihn für einen 
grossen Märtyrer hielten, sich in seine Anschauungen immer 
mehr verbissen und gleichsam festgerannt. Viele unter ihnen, 
die in der Sache noch weiter gingen, verfielen sogar 
in Judenzerei. «2 Fürst Georg Räköczy I. endlich hat sich 
womöglich noch deutlicher über die Sache ausgesprochen. Als 
er im Jahre 1638 die grausame Verfolgung der Sabbatharier 
anordnete, gab er die Weisung : Man forsche nach, »wer zu 
den Sabbathariern gehört, die von der recipirten uni- 
tarischen Religion zum Judaismus übertreten 
sind.«5 

Das S abbathariejrthum in Siebenbürgen war 
zur Zeit seiner Entstehung weiter Nichts, als 

1 Mikö, a. a. 0. I. S. 29. 

3 Stephan Katona v. Gelej, a. a. 0. I. S. 17 der Vorrede. 

» Szilägyi, Mon. Gomit. Transs. III. S. 143. 



85 



eine in den damaligen Verhältnissen begrün- 
dete, extreme Auffassung des alt-unitar isc hen 
Glaubensbekenntnisses, eine mit starrer Conse- 
quenz einseitig fortgeführte Entwicklung der 
Lehren, welche Fran z Davidis verkündet hatte. 

Der Entstehung, Fortentwicklung und Verbreitung dieser 
Secte kam noch ein besonderer Umstand zustatten. 

Vor der Reformation waren die Juden in Ungarn und in 
Siebenbürgen Gegenstand der tiefsten Verachtung. Sie waren 
ausserhalb des Gesetzes stehende, von der Gesellschaft und 
jedem ehrenhaften Erwerb ausgeschlossene, durch ihre Kleidung 
gekennzeichnete, durch gewisse Abzeichen gebrandmarkte Men- 
schen, mit welchen es für sündhaft galt, auch nur unter einem 
Dachezuwohnen. Ihre Religion wurde allgemein für eine Art von 
Gotteslästerung gehalten, und das war so ziemlich Alles, was 
man von ihr wusste. Selbst in amtlichen Actenstücken wurden 
»Viehe, wilde Thiere, Heiden und Juden« in eine Reihe gestellt.^ 

Unter solchen Verhältnissen wäre die F]ntstehung einer 
judaisirenden Secte kaum möglich gewesen. Es ist einfach un- 
denkbar, dass dazumal in Ungarn und Siebenbürgen Jemand 
eine Lehre, oder eine religiöse Uebung angenommen hätte, 
welche als jüdisch galt. Nach der Reformation und als Folge 
derselben machte sich aber auch hier ein Umschwung zu 
Gunsten der Juden geltend, nur dass zu den oben (S. 6) ange- 
gebenen allgemeinen Ursachen hier noch eine spezielle dazukam. 

Die ungarische Reformation begann erst nach der ver- 
hängnissvollen Schlacht von Mohäcs (1526) sich in weitere 
Kreise zu verbreiten; gerade damals hörte aber die alte unga- 
rische Judenschaft mit einemmale zu existiren auf. Ein Theil 
derselben wurde von den siegreischen Türken nach der Bal- 
kan-Halbinsel geschleppt, die Uebrigen wurden gewaltsam ver- 
trieben. Johann Szapolyai von Siebenbürgen und Ferdinand L, 
die um die iftigarische Königskrone kämpften, waren nur in 
einer Sache eines Sinnes : Jeder verjagte die Juden aus den 
Landestheilen, die ihm unterworfen waren.^ Seitdem waren im 

* Vgl. Kohn, A zsidök törl^nete Magyarorszägon (Geschichte der Juden 
in Ungarn) I. S. 172-5 und 296 flg. 

* Vgl. Paul Jäszay, A magyar nemzet napjai a mohäcsi v6sz utan 
(Erlebnisse des ung. Volkes nach der Schlacht von Mohäcs) I. S. 24, 33, 9öy 

^ 1 45 und 179 : F r a k n ö i, Magy. orszäggyülesi emlekek (Monumente der ung. 
Landtage) I. S. 21 u. 29. 

8* 



36 



Jahrhundert: der Reformation in ganz Ungarn nur längst der 
österreichischen Grenze, und später in einigen von den Türken 
besetzten Städten noch einige Juden zu finden. 

. Mit dem Verschwinden der Juden verschwand auch die 
vorzüglichste Ursache des Judenhasses : der Brodneid, und das 
gegen sie gehegte Vorurtheil wurde allmälig schwächer, weil 
es an deni Objecto fehlte, gegen das es sich hätte wenden 
können. Das war namentlieh in Siebenbürgen der Fall, wo von 
jeher keine Juden wohnten.^ Hier kannte man sie nur aus 
der eifrig gelesenen Bibel und aus den in den Kirchen gesun- 
genen Psalmen, also als das auserwählte Volk, das für den 
wahren' Glauben kämpfte und litt, und so »den Christen ein 
grosses Beispiel zur Nachahmung gab.cc^ 

Während sie früher von amtswegen und in den verschie- 
denen «Stadtrechten» mit den gröblichsten Schimpfworten 
belegt wurden, werden sie jetzt von Andreas Parkas und 
Andreas Batizi (1530 — 1550) fast mit denselben Worten als 
«Volk Gottes» besungen, «dem von Gott das Zehngebot gegeben 
ward, das von dem Volk der Juden weiter ist verkündet wor- 
den.« Ungarische, speciell siebenbürgische Dichter preisen 
«der Juden kostbare Bücher,» welche «das Gesetz des leben- 
digen Gottes sind,» und verherrlichen nicht nur die von der 
Bibel erzählten Kriege der Juden, sondern auch die späteren 
-Kämpfe, die sie «für das heilige Gesetz und für die Heilig- 
haltung des Sabbath» gegen Syrer und Römer gefochten. 
Sie brandmarken die Verfolger der Juden und des jüdischen 
Glaubens als ruchlose Tyrannen, glorificiren die jüdischen Mär- 
tyrer als Heilige und preisen wetteifernd jüdische Anschauungen 
und Gesetze, welche vordem nicht anders als mit Spott und 
Hohn behandelt worden waren. 

Nicht weniger als drei ungarische Dichter des XVI. 
Jahrhunderts besingen den Hohenpriester Eleasar und die fromme 
Mutter mit den sieben Kindern, die, wie es auf dem Titelblatte 
der einen Dichtung heisst, »das Gesetz und die Ueberlieferung 
ihrer Väter beobachteten, kei n Seh w einef le isch essen 
wollten, und deshalb von dem gar grausamen König Antiochus 

^ Auf die im Jahre 1623 erfolgte erste Ansiedlung der Juden in Sieben- 
bürgen kommen wir in Folgenden zu sprechen. 

2 Diesen Gedanken sprechen mehrere siebenbürgische Dichter des Refor- 
mationszeitalters aus, so Blasius S z, e k e 1 y in Regi Magyar Költök Tara U. S. 
324, und der berühmte T i n ö d y, das. III. S. 225. 



ä7 



mit der Glorie des Märtyrörthums g-ekrönt wur- 
d e n.« Vergebens ermahnt sie der tyrannische Heide »sie sollen 
Schweinefleisch essen«, sie erwiedern : 

Nicht nur nicht essen mag ich dies abscheulich' Thier, 
Fem sei, dass ich's nur berühr' ! 

Die Befolgung dieses jüdischen Speisegesetzes konnte jetzt 
nicht mehr als lächerliche, oder gar gottlose Sache gelten. Wer 
es annahm, befolgte nur das Beispiel jener »Heiligen«, w^elche 
die grausamsten Qualen erduldeten, aber das von Gott gegebene 
Gesetz nicht übertraten, dafür aber auch als glorreiche Märtyrer 

Eingingen in des grossen Herrgotts Himmelreich, 

Jetzt nahm man mehr keinen Anstand, die Worte jüdisch 
und ungarisch nebeneinandezustellen. Der ungarische Dich- 
ter zog Parallelen zwischen den vor Kurzem noch so verach- 
teten und vielgcschmähten Juden und zwischen seinem eigenem 
Volke, und schreibt einen, in drei verschiedenen Bearbeitungen 
vorhandenen Gesang »Von der jüdischen und der ungarischen 
Nation.« Dieselbe Tendenz verfolgen auch die damaligen, zumeist 
in Siebenbürgen entstandenen ungarischen Lehrgedichte und 
sogenannten »Jeremiaden.« Die »im 5. Buche des heiligen Moses 
niedergeschriebenen schrecklichen und verderblichen Flüche« 
haben alle auch die ungarische Nation getroffen, oder bedrohen 
sie noch ; sie theilte und theilt mit den Juden Sünde und 
Strafe.^ Die hebräische; Sprache der Bibel wurde allgemein 
als jüdische bezeichnet, und die zumeist von Geistlichen 
vertretene Sprachwissenschaft stellte es, der damals herrschen- 
den Anschauung folgend, als sicher hin, dass »die ungarische 
Sprache mit keiner anderen Sprache verwandt ist, als bloss mit 
der jüdischen.« 3 Ja, ein altes unitarisches Kirchenlied sagt es 
sogar rund heraus, dass das jüdische Volk Gott angenehmer 
sei, als das ungarische. Jones ist ihm »die von Gotteshand ge- 
pflanzte Edelrebe ;« das aus den heidnischen Nachkommen 
Japhets hervorgegangene ungarische Volk »nur das Pfropfreis 
eines wilden Baumes.« ^ 

1 Für alle diese, übrigens jedem Kenner der ungarischen Literatur be- 
kannten Angaben s. die Quellen in meinem ,A Szombatosok* S. 35 — 9. 

* Stephan Katona v. Gelej in der Vorrede zu Magyar Grammati- 
katska (Kleine Ung. Grammatik), welches Schriftchen seinem bereits erwähnten 
Titkok Titka beigegeben ist. 

» Kereszt6ny Magvetö VI. S. lll. 



Bei solchen Anschauungen konnte man die Juden, nament- 
lich wo 68 sich um Glaubenssachen handelte, nicht mehr so 
geringschätzen, wie vordem. Stephan Katona von Gelej, der 
bereits oben erwähnte Superintendent der Reformirten in Sie- 
benbürgen, schrieb unter anderem eine geharnischte Streitschrift 
gegen die Unitarier, in welcher er den Vorwurf erhebt, dass 
deren Lehren »zum gottlosen Judaismus« führen, und sich mit 
Härte über die Judenzer äussert, deren schonungslose Unter- 
drückung er als ein gottgefälliges Werk preist. Nichtsdesto- 
weniger verweist er in eben dieser Schrift regelmässig auf das 
»jüdische Original« der Bibel und auf die eigentliche Bedeu- 
tung einzelner »jüdischer Wörter« in demselben ; er citirt den 
»Chaldäer Jonathan«, beruft sich wiederholt auf »Rabbi Moses 
Nachmanides«, auf den »Juden Aben-Esra«, auf die Weisen des 
Talmud, ja auf den Sohar, obwohl er alle diese jüdischen Auto- 
ritäten offenbar blos aus Buxtorfs und Anderer Uebersetzungen 
kennt.^ Georg Enyedi, das Oberhaupt der neuen unitarischen 
Kirche, welche die Sabbatharier wegen Judenzerei ausgeschlos- 
sen hatte, behauptet nichtsdestoweniger, dass »Christus und 
die Apostel mit Moses nicht in Widerspruch stehen«, und 
gegen die Behauptung, dass das hebräische Wort El oh im 
in der Bibel auf eine Dreiheit Gottes hinweise, bemerkt er unter 
anderem : »Es ist wahrhaftig eine verwunderliche Sache, dass 
die Lateiner die Eigenthümlichkeiten der jüdischen Sprache 
besser verstehen wollen als die Juden. Die Juden, obschon sie 
von jeher die Schriften Moses (im Urtext) lesen, haben es sich 
dennoch nie beikommen lassen, in diesem Worte eine Mehr- 
heit des göttlichen Wesens zu finden. Jene aber haben in der 
ihnen fremde Sprache, als Fremdlinge, das gefunden, was die 
geborenen, wirklichen Juden dort nimmermehr zu finden ver- 
mochten.« 2 Mit andern Worten : eine Erklärung der Bibel, 
welche die Juden nie gekannt haben, welche vielmehr erst nach 
Entstehung des Christenthums von Christen in Umlauf gesetzt 
wurde, kann unmöglich die richtige sein. 

Aus allem dem ergiebt sich, dass das Wort Jude, nament- 
lich in Siebenbürgen und zumal unter den dortigen Unitariern, 
den früheren abstossenden und verhassten Klang verloren hatte. 
Juden und Ungläubige waren nicht mehr identische Be- 

1 S. dessen Titkok Titka S. 22—28, 308, 499, 807 u. s. w. 
a Georg Enyedi, a. a. 0. S. 6 und 13. 



39 



grifTe. Eine religiöse Anschauung oder Uebung konnte richtig 
und gut christlich sein, obwohl, oder vielleicht gerade weil sie 
eine jüdische war. 

Neben den Nachrichten, welche über die angebliche Juden- 
zerei Franz Davidis verbreitet wurden, machen es zumeist 
diese, damals gang und gäben neuen Anschauungen über Juden 
und Judenthum erklärlich, dass es so viele Christen gab, die vor 
dem Vorwurfe des Judaisirens und vor der Annahme jüdischer 
Riten nicht zurückschreckten. Jetzt erst konnte es geschehen, 
dass sich Leute fanden, welche die Bezeichnung Sabbatha- 
r i e r oder Judenzer nicht als Schimpfnamen, sondern als 
einen von der ganzen übrigen Welt verkannten und falsch 
gedeuteten Ehrennamen betrachteten, den sie mit Stolz trugen, 
und von welchem sie mit dem gehobenen Bewusstsein und mit 
der Begeisterung von Märtyrern sangen: 

Wir freu'n uns dessen nur, — sie, freilich, können es nicht fassen — 
Dass grad nach dem Gesetz, das Gott als Zeichen hat erlassen, 
Die Juden daran zu erkennen, 
Sie uns, als wenn's ein Schimpfwort war', stets pflegen zu benennen. 

Wir weisen nimmermehr von uns des heil'gen Sabbaths Namen, 
Wir bleiben Sabbat hari er, wenn auch in Satans Namen 
Man uns verfolgt, und wir ertragen 
Ergeben Leid und Grausamkeit, und freudig alle Plagen.^ 

So lag das Sabbatharierthum in gewissen unitarischen 
Kreisen Siebenbürgens gleichsam in der Luft. Alle Vorbedin- 
gung-en für sein Inslebentreten waren gegeben. Es bedurfte nur 
noch eines Mannes, der die bereits vorhandene, aber noch 
unklare und unausgesprochene Idee formulirte, verkündete 
und in Thaten umsetzte. Und dieser Mann fand sich in 
Andreas Eössi. 

Andreas Eössi, der Begründer des Sabbatharier- 

thums. 

Nach den zeitgenössischen Aufzeichnungen des Sieben- 
bürgers Franz Nagy Szabö, war Andreas Eössi, (spr. Oeschi) 
der Begründer des Sabbatharierthums. »Endlich aber — so 
berichtet er in der von ihm fortgesetzten Chronik des Sebastian 
Borsos, — so weit ich mich zu erinnern vermag, um das Jahr 

» Altes Sabbath. Gesangbuch Nr. 43, Str. 11 und 12. 



40 



1588, ist innerhalb der arianischen (d. h. unitarischen) Religion 
abermals eine Neuerung entstanden, und sie spaltete sich in 
zwei Theile. Denn in Szent-Erzsebet wohnte ein hochadeliger 
Mann, dessen Name Andreas Eössi war. Dieser, sage ich, las 
so lange die Bibel, bis er die sabbatharische Religion schön 
aus ihr herausgefunden hatte, zu der er gar Viele bekehrte, 
indem er der grossen, einfältigen Menge diesbezüglich klare 
Stellen der heiligen Schrift zeigte.«^ 

Diese Aufzeichnung ist die einzige, welche über die Ent- 
stehungszeit des Sabbatharierthums eine bestimmte Angabe 
enthält. Das Jahr 1588 muss daher als Ausgangspunkt für die 
Geschichte dieser Secte angenommen werden, und das umso- 
mehr, als vor diesem Jahre noch keine Spur derselben nach- 
zuweisen ist. 

Andreas Eössi von Szent-Erzsebet war ein reicher Szekler 
von hohem Adel, der in drei verschiedenen Stühlen^ des 
Szeklerlandes je ein ganzes Dorf und ausserdem noch zahl- 
reiche Güter und kleinere Liegenschaften besass.' Sein Stamm- 
gut war Szent-Erzsebet (Sanct-Elisabeth), ein Dorf im Udvar- 
helyer Stuhle, wo auch der Herrenhof war, den er bewohnte. 
Als einer der ältesten Anhänger Franz Davidis, gehörte er zu 
den Ersten, die mit dem Fürsten Siegmund Johann und 
seinen Räthen im Jahre 1567 den unitarischen Glauben ange- 
nommen hatten.^) Er war ein kränklicher, zuletzt gelähmter 
Mann, nach seiner eigenen, in einem amtlichen Actenstücke 
gemachten Aussage, »siech und unfähig sich zu bewegen.« 
Seine Frau und seine sämmtlichen Kinder, drei Söhne, waren 
ihm schon früh durch den Tod entrissen worden r^ 

Der schwergeprüfte, vereinsamte und gelähmt danieder- 
liegende Mann suchte Trost und Erhebung in der Religion, 
die einzige, ihm noch mögliche, Beschäftigung im Lesen der 
Bibel, in deren Inhalt er sich immer tiefer versenkte. Er war 
ein treuer Anhänger Franz Davidis geblieben und begann nun 
die Lehren desselben mit dem Maasstabe zu messen, den die 

1 Miko, a. a. 0. I. S. 29. 

a Das Land der Sachsen und der Szekler in Siebenbürgen war nicht in 

« 

Comitate, sondern in „Stühle" eingetheilt. 

8 Die genaue Aufzählung derselben s. in den beiden Actenstücken im 
Kereszteny Magvetö, VI. S. 37 und 39. 

* S. die Chronik des Sebastian Borsos bei Mikö, a. a. 0. I. S. 28. 

ß Kereszteny Magvetö, VI. S. 35 und 37. 



41 



Heilige Schrift ihm bot. Und er gelangte zu dem Ergebniss, 
dass diese verhöhnten, gewaltsam unterdrückten Lehren die 
einzig wahren, aber noch immer nicht v o 1 1 k o mm e n wahren 
seien. Er grübelte so lange, bis er in der Einsamkeit seines 
schier verödeten Herrenhofes, auf seinem Siechbette das 
Religionssystem »schön herausgefunden« hatte, durch welches 
er die Lehren seines Meisters weiter zu entwickeln und zu 
vervollkommnen vermeinte. Die Resultate seiner theologischen 
Untersuchungen wurden bald seine tiefinnerste Ueberzeugung ; 
er war durchdrungen von dem Glauben, dass er die Wahrheit, 
die er suchte, auch gefunden habe. Sein »Gedicht, das den Weg 
zum Heile lehrt«. 

Das auf dem Krankenlager er gedichtet, 
Wo viel Gebete er an Gott gerichtet, * 

schloss er, nachdem er sein Glaubensbekentniss des weiteren 
auseinandersetzte, mit den Worten : 

Lob sei nun Gott in Himmelshöh'n gegeben, 
Dass er gekrönt hat unser einsam Streben, 
Uns im Verborg'nen Wahrheit gab. Im Leben 
Mög' treu befolgt, zu Gott sie uns erheben !* 

Und dieser Wahrheit weihte er von jetzt ab die ganze 
Kraft eines, trotz seines körperlichen Siechthums, willensstar- 
ken, fanatisch-gläubigen Menschen, und dazu noch seine nicht 
unbedeutenden Reichthümer, die er ebenfalls in den Dienst der 
religiösen Idee stellte, deren Verbreitung er sich zur Lebens- 
aufgabe gemacht hatte. 

Mit der Bibel in der Hand bemühte er sich zunächst seine 
Umgebung und seine Verwandten zu seinem neuen Glauben 
zu bekehren, sodann aber bot er Alles auf, demselben auch n 
weiteren Kreisen Eingang und Verbreitung zu verschaffen. 
Er fasste die Grundlehren desselben in klar formulirte Glau- 
bensartikel zusammen, die er in verschiedenen Büchern und 
Abhandlungen ausführlicher behandelte und begründete. Neben 
heftigen Polemiken gegen alle übrigen Religionen, schrieb er 
zahlreiche religiöse Dichtungen, namentlich umfangreiche Lehr- 
gedichte, in welchen er sein Religionssystem genau auseinan- 
dersetzte. Da er seine Schriften nicht der Presse übergeben 

1 Das. XXI. S. 8. 

« Altes Sabbath. Gesangbuch Nr. 107. 



durfte, Hess er es sich angelegen sein, sie durch Abschreiber 
yervielfilltigen za lassen. Auch die Werke Anderer, so sie mit 
seinen Lehren äbereinstimmten, oder sie zu bestätigen schienen, 
Uess er sorg&ltig copiren, und verborgte seine Handschriften 
bereitwilligst überall hin, wo man sie zu benutzen oder abzu- 
schreiben wünschte.* Seine grösste und folgenreichste That 
im Interesse seiner neuen Religion ws^r aber, dass er einen 
Mann für sie erzog, der ihr durch sein Ansehen und durch 
seine Geistesarbeit die feste Grundlage gab, auf welcher sie 
drei Jahrhunderte überdauerte. 

Nach dem Tode seiner Kinder adoptirte er Simon Pechi 
(spr. Pehtschi), den früheren Lehrer und Erzieher derselben, 
einen reichveranlagten jungen Mann, der später in der Geschichte 
Siebenbürgens, noch mehr aber in der des Sabbatharierthums 
eine hervorragende Rolle spielen sollte.^ Diesen Adoptivsohn, 
der seine religiösen Ansichten theilte, und den er in seine Zu- 
kunftspläne eingeweiht hatte, Hess er aber, kaum dass er ihn 
gewonnen, eine langjährige Reise in ferne Länder antreten. 
Die Absicht, die er damit verband, können wir mit ziemlicher 
Sicherheit errathen, wenn wir voll Bewunderung das gründ- 
liche hebräische Wissen und die umfassende Kenntniss der 
rabbinischen Literatur sehen, die der heimkehrende Pechi mit 
sich brachte. Eßssi hat ihn nicht deshalb adoptirt, weil er Er- 
satz für seine verlorenen Kinder suchte, und den Abend seines 
Lebens nicht vereinsamt auf dem Krankenlager zubringen wollte, 
sondern w^eil er der durch ihn gegründeten Religion in dem 
hochbegabten Jüngling einen Apostel erziehen wollte, der beru- 
fen und befähigt war, sie zu organisiren, zu festigen und zu 
verbreiten. Erst auf dem Sterbebette sah er seinen Adoptiv-. 
söhn wieder, den er schon früher zum alleinigen Erben seiner 
gesammten, sehr bedeutenden Besitzungen eingesetzt hatte. 
Die Freude des Wiedersehens war seine letzte auf Erden. 
Er starb, einige Stunden nach Pechi's Rückkehr, um die Mitte 
des Jahres 1599.^^ Den ersten Sabbathariern galt er als höchste 
Autorität. Sie verzeichneten sorgfältig seine Sitten und Ge- 
bräuche, die sie zur Nachahmung empfahlen, und schrieben 

i Mikö, a. a. 0. I. S. 30; Szilägyi a. a. 0. X. 166. Ueber Eössy's liie- 
rarische Thätigkeit s. weiter. 

* Ueber Pöchi's Adoption und seine Reisen s. das Nähere in seiner weiter 
unten folgenden Biographie. 

* S. das weiter unten über Pöchi's Reisen und seiner Rückkehr Gesagte. 



43 



kurz nach seinem Tode die Worte nieder : »Andreas Eössi 
war ein frommer Mensch, so lange er auf Erden lebte, und 
Gott hat ihn dafür gesegnet ; dem Frommen bleibt eine fromme 
Erinnerung auch nach dem Tode.«^ 

Andreas E6ssi war kein geschulter Theologe und stand 
auch nicht auf der Höhe der damaligen humanistischen Wis- 
senschaften. Seine Lehrgedichte verrathcn nur selten classi- 
sches Wissen, nirgends eine Spur hebräischer Sprachkenntniss. 
Er bekennt es vielmehr offen, sogar mit einer gewissen Osten- 
tation, dass er sich mit den diesbezüglichen Studien nicht 
beschäftigt hat, ja dass er sie in Sachen der Religion für über- 
flüssig und unnütz hält. »Man fragt mich«, so sagt er in einem 
seiner Lehrgedichte, 

Wo ich den Weg zum wahren Heil erfahren 
Hahen will, da ich doch nicht in Padua 
Siudirte, noch auch in Paris gewesen? 
Als oh das wahre Heil darin bestünde, 
Dass der Heiden viele Sprachen man erlernt, — 
Dann in den Heiden-Büchern viel studirt, 
Und leiert nach den Regeln der Rhetorik.* 



'O' 



Umso bewanderter ist er in der Kirchengeschichte, und 
um so genauer kennt er das ganze Alte und Neue Testament. 
Aus der Bibel, und nur aus ihr, hat er sein Glaubensbekcnnt- 
niss geschöpft und er gibt wiederholt dem Gedanken Ausdruck : 

Die Weisheit, die von Gott uns ward, genügt uns ; 
Wir brauchen nicht der Menschen blöde Weisheit.» 

Sein Religionssystem hat er unter anderem auch in einer 
Reihe von Lehrgedichten niedergelegt; aber es fehlte ihm gänz- 
lich an dichterischer Begabung. Er kannte, oder beobachtete 
nicht einmal die Gesetze der damaligen ungarischen Metrik. 
Seine Verse verrathen sich zumeist nur durch einen gewissen 
Rythmus als solche, so wie dadurch, dass die einzelnen Zeilen 
in der Regel dieselbe Anzahl von Silben enthalten. Den Reim 
behandelt er nachlässig, zumeist lässt er ihn gänzlich ausser 
' Acht. Seine Sprache ist überall die an archaistischen Wendun- 
gen reiche, derbe und kernige szekler Volkssprache und ent- 

* Altes Sabbatharierbuch a. a, 0. S. 7 — 8. 
« Altes Sabbath. Gesangbuch Nr. 109, XII. Gesang, Str. 74—5. 
'» Das. das. Str. 80. 



44 



behrt vollständig des Reizes und der Schönheiten der Poesie, 
für welche er offenbar auch keinen Sinn hat. Aber man merkt 
es seinen Gedichten an, dass ihr Verfasser genau wusste, was 
er wollte und was er anstrebte. Sie drücken den Gedanken 
in klarer, gemeinverständlicher Sprache mit durchsichtiger, 
um nicht zu sagen, nackter Deutlichkeit aus, und entwickeln 
denselben, unter steter Berufung auf die Bibel, mit der starren, 
consequenten Logik eines scharfen Naturverstandes und immer 
im Brustton der tiefsten Ueberzeugung. Diese Eigenthümlich- 
keiten müssen in seinen prosaischen Schriften, die wir aber 
nur in Auszügen besitzen, in noch schärferer Ausprägung her- 
vorgetreten sein. 

Eine solche Schreibweise konnte in Kreisen, welche durch 
die oben geschilderten religiösen Bewegungen für Eossi's Ideen 
und Bestrebungen empfänglich gemacht, seine Schriften gierig 
lasen, ihres Eindruckes nicht verfehlen. Von ganz besonderer 
Wirkung musste sie auf den einfachen szekler Bauern sein, 
zu dem sie in seiner Sprach- und Denkweise redete. Und gerade 
an die »grosse einfältige Menge«, deren Bekehrung er sich, 
nach den Worten des oben (S. 40) angeführten Chronisten, 
besonders angelegen sein liess, pflegt er sich auch in seinen 
Gedichten mit |Vorliebe zu wenden. Zu den Lehren, die er 
verkündet, 

Bedarfs nicht viel des Disputifens, spitzfindigen Gezänkes; 
Bauernv erstan d genüget, sie leicht und sicher zu begreifen.* 

Es ist seine heilige, wiederholt ausgesprochene Ueber- 
zeugung, dass seine Lehren von Jedermann verstanden und 
als richtig anerkannt werden müssen, der sie unbefangenen Sin- 
nes, vorurtheilslos prüft und sich dadurch, dass sie ihm neu und 
überraschend erscheinen, nicht bestimmen lässt, sie kurzweg 
abzuweisen. Drum richtet er an seine Leser wiederholt die 
Mahnung : 

Nur urtheir nicht geschwind, so du es hörest, 

Und halt so lang' zurück mit der Entscheidung, 

Bis du genau nicht prüfest : — dann erkennst Du, 

Dass Alles, was ich lehr', von Gott, dem Herrn ist.* 

1 Das. das. I. Gesang, 2. Theil, Str. 3.; vergl. das. XIII. Gesang, Str. 79. 
Eössi's Katechismus der sabbath. Religion legt die Fragen und Antworten 
einem Prediger und einem Bauern in den Mund ; s. Szi 1 ä g y i, Monumenta, 
X. S. 167. 

« Das. XII. Gesang, Str. 69—70 ; vergl. das. III. Str. 23-^4. 



45 



Aus diesen Zeilen spricht das volle Selbstbewusstsein des 
Religionsstifters, der von der Wahrheit und dem endlichen 
Siege seiner Lehre überzeugt und durchdrungen ist. In der 
That schaarte sich auch um die Fahne, die der Einsiedler von 
Szent-Erzsebet entrollt hatte, bald eine stattliche Anzahl von 
gelehrigen Schülern und fanatischen Gläubigen, die wegen 
ihrer Hinneigung zum Judenthum und der von ihnen geübten 
jüdischen Bräuche Judenzer (Judaisantes, ungarisch: zsi- 
d ö z 6 k), zumeist aber Sab bat ha rier, (ungarisch Szombato- 
sok) genannt wurden, weil die Heilighaltung des jüdischen Ruhe- 
tages, den sie mit grosser Strenge beobachteten, ihrer Umge- 
bung zunächst und zumeist ins Auge fiel. Und diese Schaar 
begeisteter Jünger, unter welchen einige ihren Meister an Wis- 
sen und an dichterischer Begabung weit überragten, hat die 
religiösen Theorien Eossi's rasch in Thaten umgesetzt und 
unter anderem in überraschend kurzer Zeit eine beträchtliche 
Literatur, und in ihr die Grundlage der neuen Religion ge- 
schaffen. 

Diese älteste sabbatharische Literatur bildet die vornehmste, 
ja die einzige verlässliche Quelle für die Dogmatik und das 
religiöse Leben des ursprünglichen Sabbatharierthums. 
Sie soll daher, bevor wir auf die Glaubenslehre und die Ge- 
schichte dieser Secte eingehen, in allgemeinen Umrissen kurz 
dargestellt werden. 

Die älteste prosaische Literatur des Sabbatha- 
rierthums (1588—1623.) 

Es gibt kaum eine zweite Literatur, die unter so eigen- 
artigen ungünstigen Umständen entstanden ist, w^ie die sab- 
batharische. Sie w^ar von Anfang an eine gesetzlich verbotene, 
und ihre sämmtlichen Erzeugnisse waren, noch bevor sie er- 
schienen, verpönt und blieben es bis auf die neueste Zeit, Die 
Männer, die sie schufen, schrieben, von harter Strafe bedroht, 
im Dienste einer verfolgten Sache, oft genug unter den kläg- 
lichsten Verhältnissen, ähnlich jenen, von welchen es am 
Schlüsse einer sabbatharischen Abhandlung heisst : »Ich kann 
von wegen der Armuth nicht so ausführlich schreiben, wie es 
vielleicht wünschenswerth wäre, denn seit einigen Tagen habe 
ich keinen einzigen Heller mehr.«^ Auf Belohnung oder Aner- 

1 Altes Sabbatharie rb uch, a. a. 0. S. 17. 



46 

kennung konnten sie nicht rechnen, nicht einmal auf einen 
grössern Leserkreis. Sie schrieben im geheimen für Solche, die 
ihre Schriften auch nur im geheimen lesen durften. Eine strenge 
Censur verschloss ihnen die Presse, und die mit Mühe und 
Noth angefertigten handschriftlichen Vervielfältigungen ihrer 
Werke brachten, wenn entdeckt und dann mit Beschlag belegt, 
dem Verfasser, dem Copisten, sowie dem Besitzer Vernnög'ens- 
confiscation und schwere Kerkerhaft. Und diese kleine, im 
Namen der Religion und im Namen des Gesetzes unterdrückte 
und planmässig verfolgte Secte hat im Verborgenen, so zu 
sagen, nächtlicher Weise und verstohlen, eine Literatur ge- 
schaffen, welche selbt in der verstümmelten Gestalt, in ^wrelcher 
wir sie noch besitzen, eine bedeutsame und achtunggebie- 
tende ist. 

Ein grosser Theil der sabbatharischen Handschriften ist 
nämlich von Henkershand den Flammen überliefert worden ; 
viele andere sind in ihren Verstecken zu Grunde gegangen, 
oder anderweitig der Zeiten Raub geworden, und die wenigen, 
welche der Vernichtung entgangen sind, liegen in mottenzer- 
fressenen, mehr oder minder beschädigten, mitunter unvoll- 
\ ständigen Exemplaren, unedirt und bislang kaum beachtet, in 

den verschiedenen Bibliotheken und Archiven Ungarns und 
Siebenbürgens. Aber auch diese wenigen Codices haben einen 
gerechten Anspruch auf unsere Beachtung. In der ungarischen 
Literatur, für welche sie schon in sprachlicher Beziehung- von 
hohem W^erthe sind, füllen sie eine Lücke aus, welche ohne 
sie noch heute offen stünde. Sie liefern aber auch einen nicht 
unwesentlichen Beitrag zur Cultur- und Religionsgeschichte 
des XVI. und XVII. Jahrhunderts, und manche unter ihnen sind, 
zumal wenn man ihre Entstehungszeit berücksichtigt, w^as 
Inhalt, Tendenz und wissenschaftliche Bedeutung anbetrifft, 
einzig in ihrer Art. 

So legen denn diese unansehnlichen Handschriften ein be- 
redtes Zeugniss ab für die Tiefe und Kraft einer religiösen 
Bewegung, welche unter den denkbar ungünstigsten Verhält- 
nissen in kurzer Zeit eine verhältnissmässig grosse und bedeu- 
tende Literatur hervorgebracht hat. 

Die älteste sabbatharische Literatur (1858 — 1623), die hier 
kurz skizzirt werden soll, zeigt in jeder Beziehung das scharfe 
Gepräge der innern und äussern Verhältnisse, unter welchen 
und der Zeit, in w^elcher sie entstanden ist. Sie ist von Anfang 



47 



bis zu Ende jüdisch-christlich, ihre Richtung eine vorwiegend 
practische. Sie sucht für die im Entstehen begriffene Secte 
eine feste Grundlage zu schaffen, und ihr die Mittel zur Be- 
friedigung ihrer religiösen Bedürfnisse an die Hand zu geben. 
Den harten Kämpfen, aus welchen das Sabbatharierthum her- 
vorgegangen, entspricht die trotzige, herausfordernde Sprache 
seiner ältesten Literatur ; schrill und scharf tönt uns der 
derbe, oft rohe Ton entgegen, welchen die damalige religiöse 
Polemik im Angriff wie in der Vertheidigung anzuschlagen 
liebte. 

Diese durchweg rein magyarische Literatur ist mit der 
neuen Secte entstanden und hat sich mit ihr zugleich entwickelt 
Ein grosser Theil derselben muss schon im letzten Jahrzehnt des 
XVL Jahrhunderts niedergeschrieben und verbreitet gewesen 
sein. Das gilt namentlich von den Schriften des 1599 verstorbenen 
Eössi. Confiscirte sabbatharische Bücher wurden bereits im 
Jahre 1600 zu Marosväsarhely von Zigeunern am Pranger ver- 
brannt.^ 

Die ältesten Erzeugnisse der sabbatharischen Literatur 
sind unstreitig die kleinern und grössern Schriften gewesen, 
welche dem ersten und dringendsten Bedürfnisse entsprechend, 
das neue Glaubensbekenntniss auseinandersetzten, die einzel- 
nen Glaubensartikel formulirten und begründeten, und kurze 
Gebete für gewisse, am häuügsten wiederkehrende Gelegen- 
heiten enthielten. 

Diese älteste, naturgemäss prosaische Literatur ist uns 
nur höchst mangelhaft bekannt. Was wir zur Zeit von ihr 
wissen, verdanken wir, mit Ausnahme des »Festkalenders«, 
einer einzigen, aber höchst werthvoUen Handschrift, welche 
Eigenthum der unitarischen Hochschule zu Klausenburg, und 
unter der allgemeinen, hier beibehaltenen Bezeichnung »Altes 
Sabbatharierbuch« erst vor einigen Jahren genauer be- 
schrieben worden ist.* 

Die in Rede stehende Handschrift, ein Folioband von 60 
Blättern, enthält eine Reihe der verschiedensten, das Sabba- 
tharierthum betreffenden Aufzeichnungen, die in den Jahren 

^ Mikö, a. a. 0. I. S. 30. Die Henker und Abdecker pflegten in der 
Regel Zigeuner zu sein. 

* S. die Artikel von Georg B o r o s im Kereszteny Magvetö XXI. S. 6—20 
76—88 und 142—152. 



48 



von 1600 bis 1628 nacheinander liiedergeschrieben ,\vurden,i 
aber ihrem Inhalte nach zumeist einer noch früheren Zeit an- 
gehören. Die ersten fünf Blätter sind kaum leserlich, die übrigen 
stellenweise, namentlich an den Rändern, mehr oder miirder 
stark beschädigt. Aus der Verschiedenheit des Papiers, der 
Schrift, sowie der am Schlüsse der einzelnen Stücke angege- 
benen Jahreszahlen ergibt sich, dass wir es hier mit einem 
Sammelwerke zu thun haben, welches mehrere, zum mindesten 
sechs, eifrige Sabbatharier alimälig angefertigt haben, indem sie 
sie kleinere und grössere Notizen, Psalmen, Predigten und Ab- 
handlungen niederschrieben, welche zum Theil blos Auszüge aus 
grösseren Werken sind.^Die letzten Aufzeichnungen haben nur 
noch auf den Innenseiten der Einbandtafeln und auf sonstigen 
unbeschrieben gebliebenen Stellen der Handschrift Platz gefunden. 

Das offenbar ohne einheitlichen Plan angelegte »Alte Sab- 
batharierbuch« gewährt, in Folge der bunten Verschiedenheit 
seines Inhaltes, einen ziemlich genauen Ueberblick über die 
älteste prosaische Literatur der Sabbatharier. 

Wir finden in demselben zunächst Glaubensartikel, 
die als »Summe«, an einer andern Stelle als »Fundament der 
Religion« bezeichnet werden.« Sie sind kurz, markig und 
klar, wie wir sehen werden, das Werk Andreas Eössi's. Von 
diesen Glaubenartikeln haben sich hier nur e 1 f erhalten, doch 
hat es daran offenbar noch ungleich mehr gegeben.* Eine 
weitere Ausführung desselben bildet der, offenbar ebenfalls von 
Eössi herrührende Katechismus, von welchem sich aber 
nur einige Bruchstücke erhalten haben, die auf der Innenseite 
des Einbandes stehen.^ 

1 Der Codex enthält unter anderem mehrere Stücke aus Bogathi's versi- 
ficirter Psalmenübersetzung, die, wie wir sehen werden, um das Jahr 1600 ent- 
standen ist; die in demselben vorkommende späteste Jahreszahl ist 1628 (Boros, 
a. a. 0. S. 147), ausserdem findet sich noch bei drei andern Autzeichnungen das 
Datum 1617, beziehungsweise 1626 (das. S. 149 und 150.) 

^ Letzteres ergibt sich aus der Fassung einzelner Abhandlungen, sowie 
aus der Bemerkung des Schreibers, dass die von ihm besprochene Frage ,in 
e nem andern Buche ausführlicher behandelt ist" (a. a. 0., das. S. 17.) 

3 A. a. 0., S. 91. flg. 

* Zwei vollständige Handschriften der „Summe der Religion* befanden 
sich unter den i. J. 1638 in Klausenburg confiscirten sabbatharischen Büchern; 
s. in der Liste derselben Nr. 20 und 21, bei Szil agyi. Monum. Gorait. Regni. 
Tanss. X. S. 167. 

5 Boros, das. S. 7. Ein vollständiges i. J. 1609 geschriebenes Exemplar 
befand sich unter den in der vorhergehenden Anmerkung erwähnten confiscirten 
Büchern (Nr. 22 das.); der Titel lautete ; „Kurzes Fragebüchlein über die 



49 



Ebendaselbst, sowie auf dem ersten Blatte der Handschrift 
steht je ein kurzes Gebet. Beide schliessen mit den Worten 
Jesajah's (6, 3) ; »Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Herr- 
schaaren!« Das erste trägt die Ueberschritt : »Dankgebet vor 
dem Speisen« ; als Verfasser ist Andreas Eossy angegeben, von 
welchem sicherlich auch das andere herrührt, das allgemeinen 
Inhalts ist.^ 

Neben diesen beiden echt sabbatharischen Gebeten enthält 
der Codex auf sieben Seiten ein grösseres Bruchstück aus 
einer ungarischen Uebersetzung des jüdischen 
Gebetbuches, und zwar aus dem Morgengebet. Diese Ueber- 
setzung2 ist von der vollständigen Uebersetzung des jüdischen 
Gebetbuches, dessen sich die späteren Sabbatharier bedienten, 
gänzlich verschieden. 

Eine ähnliche practische Richtung verfolgen die Zusam- 
menstellungen und Erklärungen der biblischen 
Gesetze. Für die Sabbatharier, welche ihr gesammtes reli- 
giöses Leben ausschliesslich nach der Bibel regelten, war es 
von besonderer Wichtigkeit, die in derselben enthaltenen Ge- 
setze von den geschichtlichen Erzählungen und poetischen 
Stücken zu sondern. Drum haben sie schon frühzeitig wieder- 
holt den Versuch gemacht, anfangs selbstständig, später jüdi- 
schen Schriften ähnlichen Inhaltes folgend, die biblischen Gebote 
und Verbote herauszusuchen, nebeneinanderzustellen und zu 
erklären. 

Unsere Handschrift enthält zwei derartige Abhandlungen. 
Die erste hat die Ueberschrift: » V om Genüsse des Blutes, 
der verbotenen F ett stü c k e, vom Essen des von 
selbst verendeten (d. h. nichtgeschlachten) Thieres« 
u. s. w\; und gibt eine Erklärung der verschiedenen biblischen 
Speisegesetze.5 Die andere führt den Titel: »Die aus dem 
göttlichen Gesetze herausgeschriebenen Gebote, 

Darlegrung aller Theile der wahren Religion." Die Fragen und Antworten werden 
einem Prediger und einem Bauern in den Mund gelegt: „Personae interlocuto- 
res: Prediger und Bauer." 

1 Das. S. 8 und 10. 

2 Das. S. 14 flg. Ein vollständiges, 1609 geschriebenes Exemplar befand 
sich ebenfalls unter den obenerwähnten confiscirten Büchern u. d. T. : „Aus 
dem Hebräischen in3 Ungarische übersetzte heilige und götthche Gebete." 
(Nr. 25 der Liste.) 

3 Das. S. 14 und 150. 

Dr. Kohn : Sabbatharier. 4 



50 



welche von allen, welcher Nation immer ange- 
hörigen Menschen zu beobachten sind, so sie der 
Seligkeit th eilhaft ig werden wollen.« Die 7 Folio- 
seiten umfassende Abhandlung scheint unvollständig zu sein, 
denn sie bricht bei dem 22. Kapitel des III. Buches Mose plötz- 
lich ab.^ Bemerkenswerth ist, dass sie die Aufzählung der 
biblischen Gebote erst mit dem 12. Capitel des II. Buches Moses 
beginnt, offenbar beeinflusst von der jüdisch-traditionellen Auf- 
fassung, dass die Bibel eigentlich mit diesem Capitel hätte 
beginnen können, weil die Reihe der Gesetze erst hier beginnt, 
der frühere Theil der Bibel aber bloss Erzählungen enthält.^ 
Mehreren prosaischen Schriften und Lehrgedichten ähnlichen 
Inhaltes werden wir noch im Folgenden begegnen. 

Selbstständigere Arbeiten sind die theologischen 
Abhandlungen »lieber Gott«, »lieber Jesus«,» lieber 
den heiligen G ei st« und »Von der Anbetung Gottes.«' 
Der wesentliche Inhalt dieser, w^ahrscheinlich ebenfalls von 
Eössi herrührenden, Schriften w ird in der weiter unten folgen- 
den Darstellung der Dogmatik der ersten Sabbatharier seine 
Steile finden. 

Die dem Umfange und Inhalte nach bedeutendsten Stücke 
des Alten Sabbatharierbuches sind unstreitig die in demselben 
enthaltenen Streitschriften. Sie sind sammt und sonders 
in dem damals beliebten derben Ton gehalten, und benutzen 
nur selten einen grösseren wissenschaftlichen Apparat. Dafür 
aber sind sie mit consequenter, starrer Logik, mitunter mit 
einer Schärfe der kritischen Auffassung geschrieben, die sich 
in theologischen Streitschriften aus dem Ende des XVI. und dem 
Anfange des XVII. Jahrhunderts sonst w^ohl nirgends findet. 

Hierher gehört zunächst »Die Lamentation der 
heiligen Schrift über Jene, die sie verachten, 
aus Frechheit, oder aus Weltliebe, oder aus 
sonstigen auf die Schlechtigkeit der Menschen 
zurückzuführenden Ursache n.«* Die mehr als 1 1 Seiten 
umfassende Schrift führt uns die personificirte Bibel vor, die 

1 Das. S. 149. 

2 Die Quellen dieser Annahme sind bei Berliner, Raschii in Fenlat 
Commentorius S. 364. 

3 Das. S. 17—19. 

* Das. S. 11 flg. Ein anderes Exemplar dieser Schrift, mit genau demselben 
Titel befand sich unter den mehrfach erwähnten confiscirten Scliriften (Nr. 25 das.) 



51 



darüber Klage führt, dass sie von jeher missverstanden, falsch 
ausgelegt und angefeindet wurde. »Seitdem die Schlange den 
Menschen verführt hat, dass er an das Wort Gottes nicht 
glaube, hat es viele Epikurs gegeben, sogar in dem auserwähl- 
Volke den Zadok, der die Auferstehung leugnete und viele von mir 
abwendig machte.« Die Bibel ist von Gott, ein Mensch hätte sie 
nimmer schreiben können, »denn — so fährt sie fort — wo gäbe es 
einen so klugen Menschen auf der Welt, der von mir nur 3 Kapitel 
hätte verfassen können.« Hierauf widerlegt sie die verschie- 
denen Einwendungen, welche gegen ihre Göttlichkeit vorge- 
bracht werden ; sie müsse genau ihrem Wortsinne nach befolgt 
werden, an ihr darf nicht gedeutelt, in sie Nichts hineingelegt, 
von ihr Nichts hinw^eggenommen werden. Das aber haben einzig 
und allein die Juden gethan, »nur dass sie bezüglich der Person 
Christi Zweifel hegen«, indem sie die Stellen der Schrift, welche 
von dem Erlöser- sprechen, nicht auf ihn beziehen. 

Eine zweite Streitschrift, die aber ohne Titel und sonstige 
Ueberschrift geblieben • ist, wendet sich »gegen J e n e, d i e 
Jesus als Gott betrachten und zu ihm bete n.« ^ 
Sie sucht den Beweis zu führen, dass die Stellen im Neuen 
Testamente, auf welche man sich diesbezüglich zu berufen 
pflegt, ganz anders zu verstehen sind, und dass zahlreiche 
andere Stellen der Heiligen Schrift gerade das Entgegengesetzte 
bezeugen. Hierauf wendet sie sich gegen Jene, »die ihre Hoff- 
nung auf Seligkeit nur in dem Tode Jesu Christi suchen, sinte- 
mal ihr Geistesauge verklebt ist dadurch, dass Christi Tod 
und die Vergiessung seines Blutes genüge, den Menschen Se- 
ligkeit zu bringen, womit gar viele Menschen sich vertrösten.« 
Die Abhandlung, deren polemische Schärfe sich zumeist gegen 
Luther kehrt, ist, worauf wir noch zurückkommen, wahrschein- 
lich ebenfalls Eössi's Werk. 

Dem Inhalte wie der Auflassung nach ungleich wichtiger 
und bedeutsamer ist die ebenfalls titellose Schrift, welche 
den Nachweis zu liefern sucht, »dass das von Gott dem 
Moses gegebene Gesetz seinem ganzen Umfange 
nach beizubehalten ist, und dass die Sendung 
Jesus' an demselben Nichts geändert hat.«^ Gegen 
diese sabbatharische Auflassung — so führt sie aus — pflegt 



1 Das. S. 20 und 78 flg. 
» Das. S. 80 flg. 



52 



man unter anderm vorzubringen, dass Jesus und die Apostel 
namentlich was die Heilighaltung des Sabbath anbetrifft, nach 
dem Zeugnisse der Evangelien, wiederholt gegen das mosaische 
Gesetz gehandelt haben. Aber schon die Propheten des Alten 
Bundes haben mitunter Aehnliches gethan. Wenn man anders 
nicht auf sie hören wollte, hat Gott ihnen gestattet, zum Zwecke 
der Bekehrung der Ungläubigen, auch gegen das Gesetz zu 
• handeln. Und so verhält es sich auch mit Jesus und seinen 
Jüngern. Derartige, den äussern Verhältnissen Rechnung tra- 
gende Ausnahmsfälle beweisen abör nichts.^ 

Nach dem Zeugnisse der Schrift war Moses der grösste 
der Propheten. Deshalb kann sein Gesetz nie durch ein anderes 
aufgehoben werden, »denn der Kleinere kann den Grösseren 
nicht corrigiren.« Moses hat vor ganz Israel mit Gott ge- 
sprochen, Jesus aber hat angesichts des ganzen Volkes nie 
den Befohl von Gott bekommen, das Gesetz Mosis aufzulösen.« 
Er hat vielmehr mit klaren Worten die Erhaltung und Erfüllung 
dieses Gesetzes als Endzweck seiner Mission hingestellt. Die da 
behaupten, dass seit dem Tode Jesus die Beobachtung des 
alten Gesetzes unnütz, oder zur Seligkeit nicht genügend 
sei, leben daher im Irrthume ; «Papst, Calvin, Luther — aller 
dreier Religion ist eine schreckliche Abscheulichkeit.» 

Die letzte These, welche diese geharnischte Streitschrift 
verficht, lautet: «Die Schriften der Evangelien und 
der Apostel enthalten ke ib neues Gesetz, wie es 
die Schar der unwissenden und gottlossen Mönche und Pfaffen 
bis zum heutigen Tage geträumt hat.» In der Begründung 
dieser These werden Ansichten entwickelt, welche mitunter 
geradezu überraschend wirken, wenn wir bedenken, dass sie 
am Anfang des XVII. vielleicht gar schon gegen Ende des XVI. 
Jahrhunderts niedergeschrieben wurden. 

Die Evangelien, so wird unter anderm behauptet, ent- 



i Dasselbe behauptet bekanntlich auch die jüdische Tradition mit Bezu^^ 
auf die Propheten, sowie auf die Lehrer des Talmud, wobei sie sich auf den 
Propheten Elijah beruft, der, in Anbetracht der damaligen aussergewöhnlichen 
Verhältnisse, auf dem Berge Garmel einen Altar errichtet und Opfer dargebracht 
hat, was nach der Bibel (5. B. Mos. 12, 5—29) verboten war (s. Talm. Babli, 
Jebamoth 90 b.) Der Verfasser dieser Streitschrift, der sich hier ebenfalls auf 
das Beispiel Elijah's beruft, kannte und benutzte hier offenbar die jüdische 
Anschauung über nur für bestimmte Verhältnisse geschaffene und daher nur 
zeitweilig giltige religiöse Vorschriften. (Horoath schaah.) 



53 



halten kein neues Gesetz, weil sie Nichts enthalten, was nicht 
bereits bei Moses und den Propheten zu lesen ist, und weil 
sie sich oft nicht an alle Menschen, sondern nur an bestimmte 
Gemeinden, oder an Einzelne wenden. Jesus selber und seine 
Apostel haben nie aus den Evangelien gelehrt, diese nie erklärt 
noch auch die Menschen zum Lesen derselben aufgefordert, 
sondern nur zum Lesen und Befolgen des Alten Testaments 
Ein grosser Theil der Evangelien beschäftigt sich mit dem. 
Leben Jesu, oder mit den Aposteln ; das aber ist kein Gesetz. 
Die Verfasser der Bücher des Alten Bundes haben nicht nach, 
ihren eingenen Ansichten und nicht nach ihrem eigenen Urtheil, 
sondern auf Eingebung und Befehl Gottes geschriel)en, also 
weder mehr, noch weniger als der Heilige Geist sie schreiben 
liess. Die Evangelien hingegen, soweit sie nicht einfach erzählen- 
den Inhaltes sind, w^urden zum grossen Theile infolge irgend 
eines zufälligen Umstandes, zur Erreichung irgend eines bestimm- 
ten Zweckes, mitunter bloss deshalb geschrieben, weil in irgend 
einer Gemeinde Parteistreitigkeiten, religiöse Zwistigkeiten^ 
oder Sünden um sich griffen. Sie sind daher, mit Ausnahme 
der Offenbarung Johannis, welche allgemeine Enthüllungen 
über die Zukunft enthält, nicht über göttliche Inspiration, 
sondern infolge äusserer Verhältnisse entstanden. Sie wurden 
geschrieben, wenn man ihre Abfassung für nützlich, oder 
zweckentsprechend fand. 

Der ungenannte Verfasser dieser sabbatharischen Streit- 
schrift bleibt aber hierbei nicht stehen. Er weist auch darauf 
hin, dass die Evangelien nicht von Jesus selber, ja nicht ein- 
mal bei seinen Lebzeiten niedergeschrieben wurden ; nicht 
Einer hat sie verfasst, sondern Viele, und zwar sind sie 
zu verschiedenen Zeiten verfasst worden, und wir wissen nicht 
wann und w o, ja nicht einmal mit Sicherheit von w e m. 
Haben sie doch ihre heutigen Namen und Titel erst später 
erhalten. Denn nach dem Zeugnisse der Kirchenväter und 
einiger alter Uebersetzungen hatten die ersten Exemplare 
höchstens die Ueberschrift «Nach Matthäus«, «Nach Marcus» 
u. s. w.; Die Worte «Evangelium» und «Heilig» sind erst 
Zusätze einer späteren Zeit. Und auf Grund dieser Argumente 
erhebt er Zw^eifel gegen die Authentie der Evangelien, oder 
doch ihres uns vorliegenden Textes. 

Verwundert fragen wir uns, wieso es kommen konnte, 
dass wir den vor mehr als dritthalbhundert Jahren schreibenden 



54 



Sabbatharier auf dem Standpunkte der Bibelkritik der Gegen- 
wart finden, den er freilich blos dem Neuen, nirgends dem 
Alten Testamente gegenüber einnimmt. Es ist nicht unmöglich. 
dass er ältere jüdische Schutz- und Streitschriften benützt 
hat, die sich in ihrer Polemik gegen das Christenthum ähnlicher 
Argumente bedienten.- Der Ton und die Fassung des Ganzen, 
sowie die damaligen Verhältnisse der Sabbatharier machen es 
aber wahrscheinlicher, dass seine, dem Geiste und der wissen- 
schaftlichen Richtung seiner Zeit weit vorausgeeilten, Ansichten 
weniger das Resultat selbstbewusster kritischer Forschung, 
als vielmehr, so zu sagen: instinctive Aeusserungen der Selbst- 
vertheidigung und der tiefen Ueberzeugung von der Wahrheit 
eines verfolgten neu n Glaubens sind. 

Das Gegenstück zu dieser Streitschrift bildet die »Gegen 
Jene, die von uns schreien oder sagen, dass wir 
die heiligen Schriften der Apostel verleugnen.«^ 
Ihr Verfasser hält zwar unter sämmtlichen Schriften des Neuen 
Testamentes ebenfalls blos die Offenbarung Johannis als von 
Gott eingegeben; nichtsdestoweniger sagt er ven den Evange. 
lien : »verflucht sei, wer sie nicht für wahr anerkennt«, ja er 
stellt sie höher als die Bücher des Alten Testaments. Sie ent- 
halten zwar kein Gesetz, am allerwenigsten ein neues, aber 
ohne sie hätten die Heiden nimmermehr den wahren Gott 
erkannt. Diese hätten, wäre das Neue Testament nicht gewe- 
sen, nie das Alte angenommen, »weil sie glaubten, dass 
es nur für die Juden gegeben sei, und sie nichts anginge.« 
Die Schriften der Apostel haben den Christen dasselbe geleistet, 
was der Talmud den Juden : Beide sind Erklärungen und 
weitere Ausführungen des Gesetzes. »Wären die Evangelien 
nicht, hätten wir keine ausreichende Kunde von der Hölle, den 
Engeln, dem Teufel und den Arten des wahrhaft heiligen Le- 
bens, weil Moses über das alles nur implicite geschrieben hat, 
die Apostel aber explicite.« Aus den Evangelien erfährt der 
Ungläubige Dinge, die er sonst nicht wissen könnte, es sei 
denn, dass er Jude würde und aus dem Talmud erlernte, »was 
Gotteswort ist und den Menschen heilig macht.« Endlich aber 
werden die Menschen, so sie die Schriften der Apostel studi- 
ren, besser und weiser, »so dasss sie sogar viele Juden über- 
treffen können.« »Denn, worin die Juden blind sind, darin 

1 Das. S. 85 flg. 



55 



sehen wir klarer«, und die Beobachtung- des Gesetzes ist un- 
nütz ohne wahren Glauben. »Nachdem wir, — so schliesst der 
ungenannte Verfasser, — alle diese Weisheit in den Schriften 
der Apostel klärlich sehen : mögen die Schimpfereien doch ein 
Ende nehmen, und man verbreite nicht, dass wir die Schriften 
der Apostel verleugnen, oder A^erwerfen.« 

Die letzte in dem Alten Sahbatharierbuch enthaltene 
Streitschrift besteht aus zwei Theilen und führt den Titel : 
» V on der von Gott stammenden Weisheit des 
Propheten Moses und von der weltlichen W^eis- 
heit des Aristoteles, sowie von der Menschen 
mannigfachen Klügeleien, welche die welt- 
lichen Grossen und Adeligen, wider den Pro- 
pheten Moses und w i d e r d i e W i s s e n s c h a f t und 
Auffassung der alten Propheten, jetzt für di(^ 
^wahre Wissenschaft ausgeben.«^ 

Der erste Theil widerlegt die Einwürfe und Angriffe, 
welche man, der Philosophie des Aristoteles und andern »welt- 
lichen Weisen« folgend, gegen das Gesetzbuch Mosis vorzu- 
bringen pflegt. Der ebenfalls ungenannte Verfasser wendet 
sich zumeist gegen die Vornehmen und Adeligen seiner Zeit, 
welche sich mit ihrer Afterweisheit brüsten, sich über das 
mosaische Gesetz hinwegsetzen, ja sogar zu behaupten wagen, 
»dass es weder Gott, noch Teufel, noch Auferstehung gebe, 
sondern Alles so war und so sein wird, wie Aristoteles gesagt 
hat.« Er verw^irft die Lehre von der Erbsünde und von der 
Praedestination und verficht die, der jüdischen entsprechende 
Anschauung, dass Verdammniss und Seligkeit nicht von Gott 
vorherbestimmt sondern der freien Wahl des Menschen überlas- 
sen sei.2 Doch fügt er hinzu, dass diese freie Wahl den Men- 
schen erst nach der Sintfluth gegeben wurden, und dass nur 
Jene wahrhaft fromm seien, die in den Fusstapfen Jesus gehen. 

Der zweite, »Von den d r e ier le i Secten der Pfaffen« 
überschriebene Theil unterzieht, von den im ersten Theile 
entwickelten allgemeinen Gesichtspunkten ausgehend, »Papisten, 
Lutheraner und Unitarier« einer scharfen Kritik. Am heftigsten 
greift er die Letzteren an, denen er nicht einmal den Namen 
»Unitarier« geben mag, weil sie thatsächlich aufgehört hätten, 
solche zu sein. 

1 Das. S. 78 flg. und 142 flg. 

» Vgl. Midr. T a n c h u m a und R a b b o t h z. 5. B. Mos. 11, 26. 



56 



Sodann erzählt er im Tone tiefster Entrüstung, »wie man 
den frommen und gottesfürchtigen Franz Davidis verrathen 
habe«, wer die Verräther und wer die Wackern gewesen seien, 
die trotz allen Drohungen »an diesem grossen Verrathe« nicht 
Theil genommen haben. Die durch Gewalt und Betrug zustande 
gekommene Religion der Demetrianer ist ein arger Irrglaube; 
wahr ist nur das, was Moses und die Propheten gelehrt, Jesus 
und die Apostel bestätigt haben. Aus jeder Zeile dieser an 
historischen Daten reichen Schrift ergibt sich, dass der Verfasser 
sich und seine Prinzipiengenossen für die alten, echten 
Unitarier hält. 

Den bunten Inhalt des Alten Sabbatharierbuches^ vervoll- 
ständigt eine Predigt, oder, wie die damals übliche lateinische 
Bezeichnung lautete, Concio, als deren Abschreiber, vielleicht 
Verfasser ein sonst unbekannter Johann Arkosi genannt ist.^ Inhalt 
und Tendenz derselben ergeben sich klar aus folgenden W^orteij 
der Einleitung: «Zunächst wollen wir betrachten, was der 
Sabbath ist, und aus wie vielen Gründen der allein 
regierende heilige Gott seinem heiligen Volke die Beobachtung 
und Heiligung desselben befohlen hat. Sodann, wie vielerlei 
Sabbathe wir im Gottesbuche finden; wie das heilige 
Volk Gottes mit Bezug auf die Heilighaltung des 
Sabbath gehandelt hat und vorgegangen ist, und 
mit welchen Strafen Jene heimgesucht wurden, 
die den Sabbath nicht geheiligt haben.» Bemerken swerth ist, 
dass der Verfasser zweierlei Sabbathe unterscheidet: einen 
äussern, der in der Ruhe des Körpers, und einen innern, 
der in der Ruhe der Seele besteht. 

Ausser den hier besprochenen Schriften, welche das Alte 
Sabbatharierbuch uns vollständig, oder bruchstückweise erhalten 
hat, kennen wir von der ältesten prosaischen Literatur der 
Sabbatharier nur noch den Festkalender, auf den wir noch 
zurückkommen. Einige andere, verloren gegangene, oder zur 
Zeit noch nicht aufgefundene, hierher gehörige Schriften kennen 
wir, freilich blos dem Titel nach, aus einem amtlichen Ver- 
zeichnisse von Büchern und Handschriften, welche im Jahre 

^ Dasselbe enthält, ausser den hier angegebenen prosaischen Schriften, 
noch einige Psalmen von Bogäthi, sowie Stücke aus sabbatharischen Lehrgedichten, 
iie weiter unten besprochen werden. 

' B o r o s. a. a. 0. S. 146 flg. 



57 



1638 bei den Sabbathariern in Klausenburg confiscirt wurden.^ 
Unter diesen befinden sich, neben solchen Schriften, die wir 
bereits aus dem Alten Sabbatharierbuche kennen, zahlreiche 
Werke Franz Davidis, sowie zur Vcrtheidigung seiner Person 
und seiner Lehren geschriebene Streitschriften und Apologien, 
ausserdem aber mehrere Abhandlungen, die möglicherweise 
ebenfalls ähnlichen Inhaltes, also alt-unitarisch sind, und 
noch nicht zu den später entstandenen, sabbatharischen Schriften 
gezählt werden können.^ Als unzweifelhaft sabbatharisch seien 
hervorgehoben : eine Streitschrift gegen die Praedestina- 
tionslehre;^ eine Abhandlung «von dem Unterschiede 
zwischen dem Alten und dem Neuen Testamente und 
von der nach der Heiligen Schrift dargelegten Beschaffenheit 
Beider ;«* ferner »Des Gottes Abrahams, Isaaks und Jacobs 
heilige Zehngebote und deren Erklärung«*^ und 
endlich »Ob die alte Schöpfung ein Werk der Drei- 
faltigkeit ist«, 6 offenbar eine Streitschrift gegen die von 
den Vertretern der Dreifaltigkeitslehre damals mit Vorliebe 
verfochtene Behauptung, dass E 1 o h i m, der, nach dem ersten 
Verse der Bibel, Himmel und Erde erschaffen hat, auf eine 
Mehrheit, speciell auf eine Dreiheit des göttlichen Wesens 
hindeute."^ 

Die älteste poetische Literatur des Sabbatharier- 
thums 1588-1623. (Das alte Gesangbuch.) 

In einer ganz anderen Gestalt, als die im bisherigen bespro- 
chene prosaische Literatur, erscheint uns die älteste poetische 

1 S. Das Verzeichniss bei Sziläg)^, a. a. 0. X. S. 166 — 7. 

« Solche zweifelhaft sabbatharische Schriften sind : „Gommentarius scriptus 
in epistolam b. Pauli ad Hebraeos incerti authoris/ (No. 2 des Verzeichnisses); 
,Von der Bekehrung** (No. 3 das.) ; „Isagoge in epistolas Pauli scriptus anonymus" 

(No. 5 das.). 

3 Das. No. 6 des Verzeichnisses. Zur Stellungnahme der Sabbatharier 
gegen die Praedestinationslehre s. ob. S. 55. 

* No. 26 das. 

6 No. 33 das. Ein aus vier Theilen bestehendes sabbatharisches Lehrgedicht 
ähnhchen Inhaltes (Altes Sabbath. Liederb. No. 110) werden wir im Folgenden 
kennen lernen. 

« No. 29 das. 

' Unter anderem wurde behauptet, dass „E 1 auf hebräisch den Vater 
bedeutet, Ho den Sohn und Va den Heiligen Geist" ; Alexius Jak ab, 
a. a. 0. S. 85. Gegen diese und ähnliche Erklänmgen von E 1 o h i m hat bereits 
Franz Davidis angekämpft; S. das. S. 107 u. 121. 



58 



Literatur der Sabbatharier. Die erstere kennen wir nur lücken- 
haft und ungenau ; von der letzteren sind uns die meisten, 
darunter die wichtigsten Erzeugnisse vollständig erhalten geblie- 
ben. Die erstere gibt, wahrscheinlich nur infolge ihrer Lücken- 
haftigkeit, bloss ein in allgemeinen Umrissen gehaltenes, unvoll- 
ständiges Bild des Sabbatharierthums ; in der letzteren finden 
wir die gesammte Dogmatik und alle Einzelheiten des reli- 
giösen Lebens dieser merkwürdigen Secte klar und scharf 
umschrieben. Die prosaische Literatur der Sabbatharier macht, 
nach Allem, was wir von ihr besitzen und wissen, den Eindruck 
des noch Unfertigen, im Werden begriffenen, und erlangt erst 
in der nächsten Periode die Reife, w^elche ihr eine höhere, 
speciell wissenschaftliche Bedeutung verleiht. Die poetische 
Literatur hingegen tritt uns sofort in ihrer vollen Kraft und 
Schönheit entgegen. Ihre Blüthezeit sind die Jahrzehnte der 
Entstehung der neuen Secte ; dann aber, gerade zur Zeit, wo 
das^ Sabbatharierthum sich hebt, beginnt sie zu sinken, und an 
Umfang und Inhalt immer mehr zu verlieren. Die tiefe reli- 
giöse Ueberzeugung und die flammende Begeisterung, welche 
die neue Religion unter harten Kämpfen begründet haben, 
griffen mit Macht in die klangvollsten Saiten der damaligen 
ungarischen Lyra und schufen in ihren ersten Aeusserungen 
eine religiöse Poesie, welche von frischer Begeisterung getra- 
gen und von dem Feuer des ersten Kampfes durchglüht, neben 
ihrem inneren Werthe auch eine allgemeine culturgeschicht- 
liche Bedeutung hat. 

Zu dieser ältesten poetischen Literatur gehören: 1. Hymnen 
und sonstige Lieder religiösen Inhaltes, 2. Lehrge- 
dichte und 3. die metrische Psalmenübersetzung 
von Bogathi. 

Wie überall im Lager der Reformation, so fiel auch in 
dem von ihr ausgegangenen Sabbatharierthum dem Kirchen- 
gesang eine bedeutsame Rolle zu. Religiöse Lieder bildeten 
einen wesentlichen Bestandtheil des sabbatharischen Gottes- 
dienstes. Die Gläubigen mit solchen Liedern zu versorgen, 
musste daher eine der dringendsten Sorgen der Gründer der 
neuen Secte sein. 

Zwischen ihnen und dem Unitarismus des Franz Davidis 
gab es so viele Berührungspunkte, dass sie zur Deckung des 
ersten Bedürfnisses getrost nach dem alt-unitarischen Gesang- 



59 



buch^ greifen konnten. Sie fanden dort mit leichter Mühe 
Lieder, die der Richtung und dem Inhalte nach ihrer AufTas 
sung im wesentlichen entsprachen, die sie daher mit geringercL 
oder grösseren Abänderungen ganz gut benutzen konnten. 

Derlei Entlehnungen mussten sich aber naturgemäss auf 
Gesänge allgemeinen Inhaltes beschränken, auf Dank- und 
Tischlieder, Morgen- und Abendgesänge und aehnliche. Für die 
von den Sabbathariern übernommenen jüdischen Festtage 
aber gab es überhaupt keine ungarischen Gesänge, die sie 
irgendwie hätten benützen können. Unter den zahlreichen uni- 
tarischen Kirchengesängen konnten sie höchstens einige Sonn- 
tagslieder finden, die sich mit Mühe und Noth zu Sabbathliedern 
umgestalten Hessen. Für die übrigen jüdischen Feiertage ver- 
sagte auch dieses Auskunftsmittel, zu welchem sie ohnehin 
nur ungern griffen, und das sie fallen Hessen, sobald sie sein 
entrathen konnten. ^ Die religiöse Poesie der Juden aber, aus 
der sie später so reichlich schöpften, haben sie anfangs ganz 
unbeachtet gelassen. Das Sabbatharierthum hat nämlich in der 
ersten Periode seiner Geschichte das mosaische Gesetz wohl 
angenommen, aber dem Judenthum, als solchem, stand es noch 
ziemlich Iremd gegenüber. Auch mochte es unter seinen da- 
maligen Bekennern nur wenige gegeben haben, welche die 
nachbiblische, speciell synagogale Poesie der Juden kannten. 

Dem Begründer und den Führern des Sabbatharierthums 
miisste es daher von besonderer Wichtigkeit sein, sobald als 
möglich in den Besitz von reHgiösen Gesängen zu gelangen, 
welche ihren Anschauungen und Bedürfnissen genau ent- 
sprechen. Sie und einige dichterisch veranlagte Mitglieder 
ihrer jungen Gemeinde gingen unverweilt ans Werk und 
schrieben Hymnen und anderweitige Dichtungen, welche bald 
das gesammte religiöse Leben umfassten. Eine ordnende Hand, 
vielleicht die Andreas Eössi's, stellte dieselben zusammen, und 

1 S. über dasselbe Alexander Sz6kely, a. a. 0. S. 70 flg. und die lehr- 
reiche Abhandlung von Johann Varf a Ivi-N agy in Kereszt6ny Magvetö VI. 
S. 93 flg. 

' Das älteste Exemplar des sabbatharischen Gesangbuches, v. J. 1604, 
enthält Zwanzig dem unitarischen Gesangbuche entlehnte, mehr oder minder 
stark umgearbeitete Stücke, in den beiden ungefähr 10 Jahre später geschrie- 
beaen Exemplaren finden wir deren nur zehn, in noch spHtern nur mehr fünf, 
und auch diese durch eine abermalige Ueberarbeitung derart umgestaltet, dass 
das unitarische Original kaum mehr zu erkennen ist. S. die diesbezüglichen 
näheren Angaben in meinem „A Szombatosok" S. 121 — 2. 



60 



die neue Religionsgenossenschaft war bereits um das Jahr 
1600 im Besitze eines vollständigen Gesangbuches, das in den 
nächsten zwei Jahrzehnten durch Nachträge der verschiedensten 
Art vermehrt und ergänzt wurde. 

So entstand das Alte Sabbat harische Gesangbuch, 
worunter die verschiedenen, im ganzen und grossen überein- 
stimmenden Sammlungen sabbatharischer Gesänge zu verste- 
hen sind, welche aus der Zeit von der Entstehung dieser 
Secte bis zum Schlüsse der ältesten Periode ihrer Geschichte 
1585 — 1623) stammen, und sich von den späteren, im Folgenden 
als Neues Sabbatharisches Gesangbuch bezeichneten, ähn- 
lichen Sammlungen, sowohl dem Inhalte als auch der religiö- 
sen Richtung nach, wesentlich unterscheiden.^ 

Dem Alten Sabbatharischen Gesangbuche haben günsti- 
gere Sterne geleuchtet als allen übrigen Werken dieser unter- 
drückten Literatur. Die Ungunst der Zeiten, vielleicht auch die 
Menschenhand, welche die Scheiterhaufen für sabbatharische 
Schriften errichtet hat, hat die Schöpfungen der religiösen 
Poesie ungleich schonungsvoller behandelt, als die prosaischen 
(Erzeugnisse der theologischen Wissenschaft und Polemik. Die 
Letzteren sind zum Theil, wie es scheint, für immer verloren 
gegangen, zum Theil nur noch in unvollständigen und beschä- 
digten, oder in jungem, fehlerhaften Abschriften vorhanden. 
Das Alte Sabbatharische Gesangbuch hingegen besitzen wir in 
drei der Entstehungszeit derselben angehörigen, zumeist voll- 
ständigen und gut erhaltenen Sammlungen, welche von den 
ersten und eifrigsten Sabbathariern angelegt worden sind. Sie 
stammen aus den Jahren 1604, beziehungsweise 1615 und 1617, 
und haben von verschiedenen Händen Nachträge bis zum Jahre 
1618, beziehungsweise 1626.2 

Der ursprüngliche Plan, nach welchem das Alte Sabba- 
tharische Gesangbuch angelegt wurde, ist aus diesen Samm- 
lungen mit Sicherheit zu erkennen. Sie enthalten zunächst 

i Die ungarischen Literarhistoriker, die in neuerer Zeit über die sabbatha- 
rischen Gesänge geschrieben haben, kennen diese Unterscheidung nicht, sondern 
haben die, verschiedenen Entwicklungsperioden angehörigen Gesangbücher, ohne 
auf ihren Inhalt und ihre Tendenz genauer einzugehen, zusammengeworfen ; s. 
mein „A szombatosok" S. 120. 

2 Diese Jahreszahlen ergeben sich aus den Epigraphen, mit welchen die 
Abschreiber einzelner Partieen oder Gesänge zu schliessen pflegen. Die nähere 
Beschreibung dieser werthvoUen Codices s. das. S. 49 — 50. 



61 



eine Reihe von Sabbathliedern, sodann Gesänge für das Neu- 
mondsfest und endlich für sämmtliche im Alten Testamente 
vorgeschriebene Feste. 

Diese, nur stellenweise von Liedern allgemeinen Inhalts 
unterbrochenen Gesänge, ungefähr fünfundsiebzig an der 
Zahl, bilden den ursprünglichen, allen Sammlungen gemein- 
schaftlichen. Kern des Gesangbuches.^ Doch ist die Reihen- 
folge der einzelnen Stücke nicht immer genau dieselbe, auch 
fehlen in den spätem Sammlungen, wie bereits bemerkt, meh- 
rere von den Unitariern übernommene Gesänge. Auf diese, 
schon vor 1604 abgeschlossene Sammlung, folgen später ent- 
standene Gesänge der verschiedensten Art, welche die Eigen- 
thümer des Gesangbuches, oder für sie arbeitende Abschreiber, 
mitunter sogar die Verfasser der betreffenden Stücke, allmälig 
nachgetragen haben. Diese Nachträge sind darum nur selten 
in allen Handschriften, sondern zumeist nur in der einen oder 
anderen zu finden. 

Das derart zustandegekommene Alte Sabbatharische Ge- 
sangbuch enthält zusammen hundert zwei, für verschiedene 
gottesdienstliche Gelegenheiten bestimmte Gesänge,^ darunter 
nicht weniger als 44 für den Sabbath. Dazu kommen 5 Gesänge 
für den Neumond, 1 1 für das Pessachfest, 6 für das Wochen- 
fest, 6 für das Hüttenfest, 3 für das Neujahrsfest, 1 für das 
Versöhnungsfest und 26 für verschiedene Gelegenheiten des 
Alltagslebens. 

Unter diesen hundertzwei Gesängen finden sich nur acht, 
deren Verfasser aus dem Akrostichon ersichlich sind. Das Akros- 
tichon zweier Sabbathlieder (Nr. 6 und 7 ^j, zeigt den Namen E n o k, 
beziehungsweise Enok Alvinczi, das dreier anderer Sabbath- 
lieder (Nr. 3, 17 und 18) den Namen Johannes Bökenyi, ein 

^ Am Schlüsse dieses Theiles steht in der Regel das Wort ,,Finis", 
danach ein Epigraph des Abschreibers ; die darauf folgenden Stücke sind von 
verschiedenen Händen und, wie das öfters beigefügte Datum beweist, allmälig 
hinzugefügt; s. das. S. 129, Anm. 2. 

* Das in meinem „A Szombatosok" S. 51 — 59 gegebene Verzeichniss 
der altsabbatharischen Gesänge zählt 110 Nummern. Daselbst sind nämlich am 
Schlüsse auch die Todtengesänge und die Lehrgedichte aufgenommen, die aber 
als selbstständige Liturgien, beziehungsweise Sammlungen, ursprünglich nicht zu 
dem Alten Gesangbuch gehörten. 

^ Die Nummern beziehen sich auf das in der vorhergehenden Anmerkung 
erwähnte Verzeichniss. Dasselbe hat die Gesänge, je nach der Bestimmung, der 
sie dienen, in Gruppen (SabbathUeder, Neumondsgesänge u, s. w.) zusammenge- 



62 



»Gesang für das Neumondsfest« (Nr. 48) ThomasPankotai, 
endlich aber gibt das Akrostichon eines ebenfalls für das 
Neumondsfest bestimmten Gesanges, (Nr. 46), sowie eines Pes- 
sachliedes (Nr. 52) den Namen Simon Pechi. 

Johannes B ö k e n y i ist wahrscheinlich identisch mit dem 
um diese Zeit lebenden Philipp Johann Bökenyi, der auf eng- 
lischen Universitäten studirt, und eine aus dem Englischen ins 
Ungarische übersetzte Schrift unter dem Titel: Himmlische 
Lampe herausgegeben hat.^ Tomas P a n k o t a i war ein uni- 
tarischer Geistlicher, den das Alte Sabbatharierbuch als Kämpfer 
für den alt-unitarischen Glauben verherrlicht. Er war einer 
jener unerschrockenen Männer, welche die Lehre Franz Davidis 
auch nach dem Tode desselben offen verkündeten, »weshalb 
ihre frühern Glaubensgenossen — d. h. die Neu-Unitarier — 
über sie in Wuth gerathend, ihnen das fernere Predigen nicht 
erlaubten.«^ Bezüglich des sonst unbekannten Namens Enok 
A 1 V i n c z i sei nur so viel bemerkt, dass er sicherlich keiner 
»sabbatharisirenden F^rau« angehörte.^ 

Zahlreiche andere Gesänge enthalten ebenfalls Akrosticha, 
welche aber nicht den Namen des Dichters, sondern ein Schlag- 
wort, oder einen kurzen Satz geben, die für den Inhalt oder 
für die Bestimmung des Stückes bezeichnend sind. Dieses Wort 
oder dieser Satz steht mitunter vor Anfang des betreffenden 
Gesanges, als »Argumentum« desselben angegeben. Solche 
sind, zum Beispiel, die folgenden : »Gesang über die Bedeu- 
tung des Sabbath« (Nr. 36) ; »Vorbereitung zum Sabbath« (Nr. 37i 
oder einfach »Zur Vorbereitung« (Nr. 20) ; »Frommer Gesang 
zum Neumondsfeste«" (Nr. 48) ; »Für das Pessachfest« (Nr. 58) ; 
oder aber »Schütze, o Gott, die Beobachter des Gesetzes« 
(Nr. 43); »Beobachte das Gesetz und Du wirst leben« (Nr. 66): 
»Herr, Gott, befreie« (Nr. 42). Die Anfangsbuchstaben der Stro- 

fasst, und bei jedem einzelnen Gesänge die betreffende Ueberscbrift, wie sie in 
den Handscbriften angegeben ist, hinzugefügt, endlich aber die Stelle (Blatt und 
Seite) bezeichnet, wo er in jeder der drei obenerwähnten alten Liedereammlungen 
(Cod. I., IL und III.) zu finden ist. 

1 S. Kereszteny Magvetö XXI. S. 145. 

2 Altes Sabbatharierbuch, a. a. 0. S. 145. 

8 Der ungarische Literarhistoriker T o 1 d y und nach ihm noch Alexius 
Jak ab, die diesen Enok für eine Frau haUen (s. Kereszt. Magv. XV. S. 154), 
haben in dieser, der Septuaginta nachgebildeten, Form den alt testamentarischen 
Männernamen G h a n o c h nicht zu erkennen vermocht. Aus Enoch mussle 
im Ungarischen, das kein „ch" kennt, Enok werden. 



68 



phen, welche dieses Argumentum bilden, sind fast immer 
durch grössere, mehr oder minder verschnörkelte Schrift her- 
vorgehoben. 

Jeder Gesang hat als Ueberschrift die Angabe der Gele- 
genheit, für welche er bestimmt ist, darauf folgt die Melodie, 
nach welcher er zu singen ist, und endlich, wo ein solches 
vohanden, das in dem Akrostichon enthaltene »Argumentum.« 

Die Melodie ist nirgends durch Noten, sondern stets durch 
die Anfangsworte irgend eines, damals allgemein bekannt^^n 
Liedes bezeichnet. Offenbar gebrach es ihnen an Zeit, wahr- 
scheinlich auch an Fachkundigen, um für ihr in p]ile angefer- 
tigtes Gesangbuch entsprechende Melodien zu componiren. Sie 
nahmen dieselben, wo sie sie fanden, wenn sie sich dem Texte 
nur irgendwie anpassen Hessen. Alte, heute zum Theile längst 
verschollene, ungarische Volkslieder wechseln mit alt-unitari- 
schen und anderen Kirchenliedern. So heisst es z. B.: »Nach 
der Melodie: Der gute Hunyadi«, oder: »Vor alten Zeiten war's 
im edlen Persien«; dann wieder: »Nach der Melodie: Komm, 
Christenvolk lasst uns gedenken«, oder: »Eine feste Burg«, 
und es macht einen gar fremdartigen Eindruck, wenn wir bei 
einem Pessachliede den Vermerk linden: »Nach der Melodie: 
Viri venerabiles sacerdotes dei«, oder wenn bei einem Sabbath- 
liede angegeben ist : »Nach der Melodie : Christus ist aufer- 
standen.«^ 

Diese Gesänge sind die einzigen Erzeugnisse der sabba- 
tharischen Literatur, welche, obwohl ebenfalls noch unedirt, 
in den letzten Jahrzehnten von ungarischen Literarhistorikern 
besprochen und, wenigstens ihrer Form und ihrem poetischen 
Werthe nach, gewürdigt worden sind. Man hat auf ihre Wich- 
tigkeit für die ungarische Sprachforschung hingewiesen, indem 
man das kernige und urwüchsige, alterthümliche Ungarisch 
hervorhob, in welchem sie geschrieben sind.^ Die wenigen 
Sachverständigen, die sie bis jetzt gelesen haben, urtheilen 
übereinstimmend im Tone der wärmsten Annerkennung über 
ihre poetische Schönheit und Kraft. Bischof Lugossy erblickt 
in ihnen »den sich erschliessenden Kelch jener Blüthe, zu 
welcher die ungarische Literatur im XVII. Jahrhundert sich 

1 S. die Melodien zu Nr. 36, 53, 38, 44, 58 und 11. 
* S. die folgenden Anmerkungen, sowie meine diesbezügliche Abhand- 
lung im Magyar Nyelvör (= Ung. Sprachwart) XVIJ. S. 567—573. 



64 



entfaltet hat.« Um jeden einzelnen dieser Gesänge, fahrt er fort, 
»schwebt dieselbe Festesweihe, so zu sagen, das Lichtgewand 
des Sabbath; es ist, als ob aus jedem der Glanz des zur Feier 
des Hüttenfestes (?) angezündeten siebenarmigen Leuchters 
strahlte und uns. die Augen blendete.«^ Nach Albert Kardos* 
sind »die sabbatharischen Lieder die hervorragendsten Erzeug- 
nisse der ungarischen Lyra des XVI. Jahrhunderts.« Aehnlich 
äussert sich Zoltan Beöthy, während Alexander Nagy sein Ur- 
theil dahin zusammenfasst, dass die religiöse Begeisterung der 
Sabbatharier so herrliche Hymnen geschaffen habe, »wie sie in 
unserer gesammten kirchlichen Literatur nur 
in sehr geringer Anzahl zu finden sind.«^ 

Ihre vielgerühmte dichterische Schönheit erleidet aber 
keinen geringen Abbruch durch die polemische Richtung, die 
sie nicht selten verfolgen. Die Dichter des von allen Seiten 
angefeindeten, bis aufs Blut verfolgten Sabbatharierthums lassen 
sich inmitten ihrer religiösen Ergüsse leicht zu dogmatischen 
Auseinandersetzungen und theologischen Streitigkeiten verleiten, 
und in diesen zu harten Aeusserungen und schonungslosen 
Urtheilen über Andersgläubige hinreissen, ein Vorgehen, das 
übrigens dem Geiste und der Geschmacksrichtung der dama- 
ligen Zeit vollständig entspricht. 

In einem »Liede für den siebenten Tag des Pessach- 
festes« wird z. B. zunächst der Auszug der Juden aus Egypten 
und ihr wunderbarer Zug durch das Rothe Meer erzählt. Dieses 
Ereigniss müsse noch heute durch Begehung des Festes gefeiert 
werden, das die Bibel aus diesem Anlasse eingesetzt hat, denn 

Die Feste, die nicht biblisch, all' mitsammen^ 
Das ist gewiss, von Italienern stammen ; 
Wir haben, diese Wahrheit zu bezeugen. 
Selbst in der Papststadt Roma einen Zeugen. 

Fragt nur den Papst ! Er selber wird gestehen, 
Dass seine Feste nicht von Gott ausgehen, 
Sondern von Päpsten sind nur eingesetzet — 
Der Juden Satzung er als göttlich schätzet ; 



1 L u g o s s y, a. a. 0. S. GV. und GXVl. 

2 Albert Kardos, A XVI, szdzad lyrai költeszete (Die ungarische Lyrik 
des XVI. Jahrhunderts) S. 46. 

3 S. Beöthy, Ung. Literaturgeschichte (IL Ausgabe) S. 49 und Alexander 
Nagy, Szonibatos codexek (Sabbatharische Godices) ö. 33. 



65 



Die Bibel muss als göttlich er verkünden: 
Doch seine Feste sind dort nicht zu finde n. 
Er leugnet's nicht, dass Rom sie hat erdichtet, 
Im Namen des Gottmenschen eingerichtet. 

Der aber hielt, gewiss, so ist's gewesen, 
INis Passah, wie wir's in der Bibel lesen ; 
Das hat Papst Victor erst so umgeändert, 
Das jüd'sche in ein neues Fest verändert. 

Die kecke Aenderung ward ausgeführet 
Zur Zeit als Gommodus in Rom regieret, 
Im Jahre als, wenn man von Christus zählte, 
Noch dreissig zu der Zahl zweihundert fehlte.^ 

Es ist klar, dass dergleichen Auseinandersetzungen und 
Polemiken, welche den lyrischen Schwung und die andächtige 
Stimmung unterbrechen, störend wirken und die dichterische 
Schönheit dieser Gesänge in hohem Masse beeinträchtigen. 

Der Geist des biblischen Judenthums, der diese Gesänge 
durchweht, war unmöglich zu verkennen. Feiern sie doch von 
der Bibel vorgeschriebene Feste, und zwar ganz nach der 
jüdischen Auffassung der Bibel, die durch den Glauben an die 
göttliche Sendung Jesus, wie er uns hier entgegentritt, nur 
verstärkt und bekräftigt wird. Sie enthalten aber auch der 
nachbiblischen Literatur der Juden, wie z. B. dem Tal- 
mud und den verschiedenen Midraschwerken, entlehnte An- 
schauungen und Angaben, die bis jetzt unbeachtet geblieben sind. 

* A. S. G. B. (Hier und im Folgenden immer für Altes Sabbatharisches 
Gesangbuch) Nr. 60, Str. 11 — 15. Ein anderes Passahlied erzählt den Ursprung 
des Festes, betont, dass an demselbeü, nach der Bibel, nur Ungesäuertes gegessen 
werden darf, und fährt dann fort : 

Der Heide hörts, doch will er gar nichts davon wissen, 
Denn Gottes Feste hat er weit von sich geschmissen; 
Dem Bauch und Gaum zuliebe, — mehr auf Rom er schauet. 
Als er dem Willen Gottes in der Bibel trauet. (Das. 58, 5.) 

Die weihevolle Stimmung der Sabbathlieder wird wiederholt durch Aus- 
fälle gegen Jene unterbrochen, welche den Sabbath eigenmächtig auf den Sonntag 
verlegt haben, sowie gegen Jene, welche statt des biblischen Ruhetages, „den 
Sonntag des Papstes Sylvester" feiern (das. 20, 1 — 3 und 36, 22.) AehnUch wird 
in einem Neumondsliede „Die Welt" angeklagt, welche, anstatt die von der Bibel 
vorgeschriebene Zeitrechnung zu befolgen, „dem Papste (d. h. dem gregorianischen 
Kalender) nachlaufen." (Das. 49, 7.) 

Dr. Kohn : Sabbatharier. 5 



66 



Ein Neujahrsgesang z. B. beginnt mit der Aufforderung, 
dass wer das wahre Neujahr festlich begehen will, »es nach 
dem Gesetze am ersten Tag des Monats T i s c h r i feiern soll.« 
Dieser Tag wird aber in der Bibel bloss als »Tag der Erin- 
nerung«, oder als »Tag des Posaunenschalls«, aber noch nicht 
als N,eujahrstag bezeichnet, was erst nachbiblisch ist. 
Ebensowenig kennt die Bibel den Monatsnamen Tischri. 
In demselben Neujahrsgesang wird ferner hervorgehoben, dass 
»an diesem Tage die grosse Welt erschaffen ward«, in einem 
andern wieder ausgeführt, dass »Busse, Gebet und Wohlthä- 
tigkeit das böse Verhängniss abwenden.« Das Eine, wüe das 
Andere entspricht genau der jüdisch-traditionellen Auffassung, 
und ist wahrscheinlich den jüdischen Neujahrsgebeten ent- 
nommen.^ 

Die Passahlieder gehen von der Behauptung des Talmud 
aus, dass in dem Monate, welcher Israel die Erlösung aus der 
egyptischen Sclaverei gebracht hat, auch die zukünftige Erlö- 
sung durch den Messias zu erwarten ist.^ Die Zeitdauer der egyp- 
tischen Sclaverei, welche nach der Bibel (IL B. Mos. 12, 401 
430 Jahre betrug, setzen sie, nach der von der jüdischen Tra- 
dition aufgestellten Berechnung, auf 210 Jahre fest.^ 

Ein Gesang für das Hüttenfest erzählt, der Haggadah 
folgend, und beinahe mit den Worten derselben, Gott habe dem 
jüdischen Volke, während seiner Wüstenwanderung, »Die 
Wolkensäule wegen Ahron gegeben, das Manna wegen 
Moses, die Quelle wegen Mirjam ; sie verschwanden, als die 
Dreie starben.«* Zwei für dasselbe Fest geschriebene Gesänge 
erzählen, dass Israel auf seinem Zuge durch die Wüste stets 
von einer Quelle begleitet war, die ihm überallhin folgte, und 
sich, nach der Zahl seiner Stämme, in zwölf Arme theilte, »wie 
es die Heilige Schrift erzählt.« Das wird aber nicht von der 
Heiligen Schrift erzählt, wohl aber ist es eine alte jüdische 

1 A. S. G, B. 75, 3—6 ; 73, 17—19. Zu der Angabe, dass das Neujahr 
„mit dem Neumonde zugleich eintritt, und so ein Doppelfest ist." (Das. 73, 1) 
vgl. Talm. Rosch-Haschana 8-a. 

« S. das. No. 52 und 59 ; vgl. Talm. das. IIa. 

» Das . 60, 2 ; vgl. Pirke di-R. Elieser Gap. 48 und Targ. Jonathan zum 
n. B. Mos. 12, 40. 

* Das. 73. 6 ; vgl. Midr. Tanchuma zum IL B. Mos. Abschn. 1. 



67 



Legende, die sich im Midrasch findet.^ Ein anderer, ebenfalls 
für das Hüttenfest bestimmter Gesang wiederholt mit der For- 
derung, dass an dem Feste »Jeder sich freue, aber auch Andere 
erfreue« genau die Worte einer alten jüdischen Tradition.^ 

Die Verfasser dieser und ähnlicher Gesänge haben, gleich 
den Uebersetzern der obenerwähnten hebräischen Gebete, 
offenbar ausländische Universitäten besucht, wo sie die hebrä- 
ische Sprache erlernt, und sich mit der rabbinischen Literatur 
vertraut gemacht hatten. Darauf weist auch der gebildete Ge- 
schmack und der geschulte Geist hin, der sich gerade in den 
Gesängen offenbart, welche solche Entlehnungen aus der nach- 
biblischen Literatur der Juden enthalten. Ihre Sprache ist eine 
gewählte und edle, und sie zeichnen sich durch eine gefällige 
Form, durch wohlklingende Reime und durch eine genaue 
Beobachtung der Regeln der damaligen ungarischen Metrik aus. 

Zahlreiche andere Gesänge hingegen verrathen durch ihre 
bäuerisch derbe Sprache, durch nachlässige Behandlung des 
Versmasses und Reimes, durch heftige, oft rohe polemische 
Ausfälle und durch vollständige Unkenntniss der nachbiblischen 
jüdischen Literatur, dass ihre Verfasser der volksthümlichen 
Schule des Andreas Eössy angehören und, gleich diesem, Guts- 
besitzer ohne höhere Bildung, oder gar biedere Handwerker 
und schlichte Bauern waren. Manche gehören, ihrer Sprache 
und ihrem Gedankengange nach zu urtheilen, offenbar Eössy 
selber an.* 

Eine Ei;gänzung dieses Gesangbuches bilden drei Grab- 
gesänge, welche sich aber nur in einer Handschrift vor- 
finden.* In dieser steht nämlich, nach der eigentlichen Lieder- 
sammlung und nach den im Folgenden besprochenen Lehr- 
gedichten, ein »Grabgesang, in welchem besungen wird, nach 
welchem Ritus und unter w^elchen Klagen die von Gott gelieb- 
ten Männer ihre Verstorbenen beweint und der Erde über- 
geben haben.« Der »gelehrte, adelige, mit frommen Tugenden 

* Das. 71, 3 und 72, 2; vgl. Midrasch Tanchuma, a. a. 0. das. und 
Rabboth zum 5. B. Mos. Abschn. 19. 

^ Das. 70, 8 ; vgl. M a'a s s e r-S ch e n i V. 12 und S i f r e zum 5. B. 
Mos. 26, 14. 

' Die im Folgenden besprochene Lehrgedichte Eössy's verrathen ebenfalls 
eine vollständige Unkenntniss der späteren jüdischen Literatur. 

* In IL ; in dem obenerwähnten Verzeichnisse stehen sie unter No, 103 — 5. 

5* 



68 



reichgeschmückte, die heiligen Bräuche der Religion und die 
Befehle des Donnerers aufs genaueste befolgende Mann«, der, 
nach der lateinischen Ueberschrift, »diesen Gesang mitsammt 
der Melodie jüngst verfasst und der Oeffentlichkeit übergeben 
hat«, ist sicherlich Andreas Eössy.^ Zu diesem Gesänge, in 
welchem häufig auf Jesus und die Apostel hingewiesen wird, 
sind etwa zwei Jahrzehnte später, um das Jahr 1 20, noch zwei 
andere hinzugekommen, welche ziemlich freie, aber poetisch 
schöne Uebersetzungen jüdischer Grabgebete sind.^ Diese drei 
Grabgesänge bilden das alte sabbatharische Rituale für Beer- 
digungen, das offenbar in besonderen Handschriften cursirte, 
und deshalb bloss in einem Exemplar des Alten Sabbatha- 
rischen Gesangbuches, als Nachtrag, eine Stelle gefunden hat. 

Die älteste poetische Literatur des Sabbatharier- 

tliums. 

(Fortsetzung. Lehrgedichte.) 

Die der Form nach schwächsten, ihrem Inhalte nach wich- 
tigsten Erzeugnisse der sabbatharischen Poesie sind die Lehr- 
gedichte. 

Unter ihnen nimmt, sowohl in Anbetracht des Umfanges 
als auch des Inhaltes, die erste Stelle ein, das »Gesangbuch, 
geschrieben zur Vernichtung der falschen Reli- 
gionen und zur Darlegung aller Theile der wahren 

* Die stellenweise comimpirte Ueberschrift lautet : ^Gantio funebralis 
in qua canitur, quo ritu quare (1. quave) lamentatione uiri Deo dilecti sitos lamen- 
tauerint terramque (!) commiserint mortuos, nuper una cum melodia a uiro 
doctissimOj nobilissimo genere nato ac piarum uirtutum speciraine ornatissimo, 
sacraque religionis accurate et firmissimo nee non mandatorum conantis 
(1. tonantis) observantissimo in cantionem redacta ac publicae prouulgata.'^ Dass 
hier statt conantis richtig tonantis zu lesen ist, beweist ein auf der 
4. Seite dieser Handschrift befindliches lateinisches Distichon, in welchem für 
Gott ebenfalls Ton ans steht (Jussa Tonantis.") Die dem Verfasser dieses 
Gesanges beigelegte Gelehrsamkeit, adelige Geburt und strenge Frömmigkeit, 
sowie die Sprache und die nachlässige Behandlung des Metrums und des Reimes 
weisen entschieden auf Andreas Eössi hin. 

* Nach dem ersten Grabgesange steht, als Epigraph des Copisten, der 
Hexameter: »Finis adest operis, mercedem posco laboris;" hierauf folgen von 
einer anderen Hand noch zwei im Jahre 1620 geschriebene Grabgesänge, welche 
den Codex beschliessen. Der erste ist eine metrische Uebersetzung des Menuchah- 
n e c h n a h-, der zweite des Hazur tom im-Gebetes. 



69 

Religion.« Es enthält auf 65 eng geschriebenen Quartseiten 
fünfzehn Lehrgedichte, welche ein zusammenhängendes Gan- 
zes bilden, und von einem Verfasser herrühren, der sich in 
den späteren Gesängen wiederholt auf das »im Vorhergehenden « 
Gesagte beruft, und das letzte Lehrgedicht mit den Worten 
schliesst : »Damit beendige ich das Gesangbuch, das ich zur 
Wegweisung verfasst und geschrieben habe.«^ 

Voran geht ein höchst lehrreiches Inhaltsverzeichniss, das 
in wortgetreuer Uebersetzung folgendermassen lautet : 

Diese Gesänge folgen in folgender Reihe aufeinander : 

I. Dass Christus, mitsammt den Aposteln, dieselbe Religion hatten wie die 
Phariäser, und die Heilige Schrift gleich ihnen ausgelegt hat. Auch bezüghch 
der Einheit Gottes haben sie, übereingestimmt. (Besteht aus zwei Gesängen.) 

II. Vom Neuen Testamente und mehreren andern Dingen. 

III. Von der jüdischen Rehgion. 

IV. Von der von Ewigkeit her freien Wahl (Selbstbestimmung) der 
Menschen, und dass durch (blosse) Uebung des Gesetzes kein Mensch der 
Seligkeit theilhaftig werden kann. 

V. Von der Art und Weise, wie man gerecht und besser wird. 

VI. Von der wahren Poenitenz und allen Arten derselben. 

VII. Von der wahren Gottesverehrung. 

VIII. Wie man in Wahrheit auf das Gotteswort hören soll. 

IX. Von dem Gebete, dem Gesänge und dem Fasten. 

X. Von der richtigen Art, Almosen zu geben. 

XI. Von dem Gewissen. 

XIL Von dem Tode Christi. Von der Juden jetzigem Zustande, dieweil 
sie Jesum Christum nicht anerkennen. Ueber der jetzigen Zeiten Lauf. Woran 
der wahre Lehrer zu erkennen ist, 

XIII. Vom Abendmahl des Herrn und von der Taufe. 

XIV. Von den Festen. Von dem verendeten Vieh und von den unreinen 
Speisen. 

XV. Von dem Versammlungsorte (zum Gottesdienste). Von der Beerdigung. 
Vom Kalender. Von dem Träimien und dem Wahrsagen. ■* 

Wie sich aus dieser Inhaltsangabe ergibt, ist dieses Gesang- 
buch ein versificirter Katechismus, der die ursprüngliche Dog- 
matik des Sabbatharierthums und ins Einzelne gehende Regeln 

* Dieses „Gesangbuch" ist vollständig in Cod. II. des A. S. G. B. währeud 
Cod. I. bloss die Ueberschrift, ohne das Inhaltsverzeichniss, und nur fünf Gesänge 
enthält. In beiden Codd. steht dieses Gesangbuch am Schlüsse der für die 
Feste und sonstige gottesdienstliche Gelegenheiten geschriebenen Gesänge, welche 
das Alte Sabbath. Gesangbuch bilden, von welchen dieses Gesangbuch 
wohl zu unterscheiden ist. Die 15 Lehrgedichte welche es bilden, sind in meinem 
mehrfach erwähnten Verzeichniss unter No. 109 zusammengefasst. 



70 



für das religiöse Leben enthält. Aber dieser Katechismus will 
nicht nur belehren, sondern auch widerlegen ; es ist ihm nicht 
nur um die »Darlegung aller Theile der wahren Religion«, 
sondern, wie es die Ueberschrift an erster Stelle betont, uro 
die »Vernichtung der falschen Religionen« zu thun. Die ab- 
weichenden religiösen Ansichten sollen sammt und sonders 
als falsch nachgewiesen werden, Der Verfasser befolgte offenbar 
den Grundsatz, dass die beste Art der Vertheidigung der Angrifl 
ist. Er ging davon aus, dass er die Richtigkeit der von ihm 
gelehrten religiösen Theorien und Bräuche am sichersten damit 
begründet, dass er alle übrigen als Irrthümer nachweist. Seine 
Religion muss die wahre sein, weil alle übrigen sich als falsch 
erweisen. Seine Auseinandersetzungen sind daher überall von 
einer, stellenweise langathmigen, Polemik begleitet, die immer 
heftig, derb und rücksichtlos ist. 

Richtung, Inhalt und Sprache dieser fünfzehn Lehrge- 
dichte, weisen deutlich genug auf den ungenannten Verfasser 
hin. Er erzählt nämlich wiederholt, dass er und seine Gesin- 
nungsgenossen früher ebenfalls fem vom Heile waren und 
»mit der übrigen Welt falschen Auffassungen gehuldigt haben;« 
Gott, der Herr, aber »hat sie aus grossem Irrthum zur Wahr- 
heit geführt« und sie befreit »vom Verderben und von dem 
Fluche des Gesetzes.«^ Jetzt haben sie den Wog zum Heile 
erkannt und betreten, »jetzt kann man sie nimmermehr betrü- 
gen.« Ihre Religion ist neu, darum möge, wer zum ersten- 
mal e von ihr hört,« nicht vorschnell über sie urtheilen, sondern 
erst nach ruhiger, besonnener und vorurtheilsloser Prüfung.«* 
Dieses Gesangbuch stammt demnach aus den ersten Jahren 
des Sabbatharierthums. 

Dazu kommt, dass es die ausgesprochene Tendenz verfolgt, 
den Leser zu bekehren. Die in ihm enthaltenen Lehrgedichte 
wollen nicht nur in dem neuen Glauben Unterweisung geben, 
sondern demselben auch Anhänger zuführen. Deshalb wenden 
sie sich nicht nur an die Sabbatharier, sondern auch an die 
»Ungläubigen«, ja, an diese erst recht, und beginnen, oder 

* Unter „Gesetz* sind die fünf Bücher Moses zu verstehen, tmd unter 
dem Fluche desselben die Strafen, mit welchen das. ffl. 26, 14—43 und V. 
16 — 65 den üebertretern des Gesetzes gedroht wird. 

« Das. I.— 1. Theil 23-24 und 40—42; II. 21—2 ; HI. 24; IV. 9—10; 
VU. 1 und 9 ; XI. 20 ; Xll. 52 und 68 u. s. w. 



Tl 



schliessen in der Regel mit einer Apostrophe an die »blinde 
Welt«, oder an die »übermüthigen, ungläubigen Menschen«, 
sie sollen doch die Wahrheit der hier aufgestellten Sätze 
anerkennen.«^ 

! neigtest Du dein Ohr, so dass es höret ! 

Dann fändest Alles du gar schön bewähret, 

Wie ich's gesagt und wie ich's hier gelehret, 

SO ruft der Verfasser der Schaar der Ungläubigen zu,^ die, 
wenn sie sich nur eingehend mit dem von ihm verkündeten 
Glauben beschäftigen wollte, erkennen müsste : 

Das alles das von Gott stammt, was ich lehre, 
Dass ich in Allem eines Sinns mit Christus 
Und mit den alten, wahren Christen bin.» 

Aus diesen Zeilen spricht nicht mehr bloss der Lehrer, 
oder der Missionär, der das Sabbatharierthum bekannt machen 
und verbreiten will, sondern der von seiner göttlichen Sendung 
durchdrungene Religionsstifter, der für die Wahrheit 
seines Glaubens eintritt. Als solchen bezeichnet er sich auch, 
indem er ausruft : 

Begraben war die alte Christuslehre. 



Den Weisen allen hast Du sie verborgen. 
Uns aber offenbaret, den Geringen, 
Den Kleinsten, Unbedeutendsten auf Erden, 
Uns armem und verachtetem Gewürme. 

Wohl war er, so fährt er fort, nie auf einer Universität 
und hat weder Sprachen noch Rhetorik studirt, und deshalb 
fra^ man auch »wo wir den wahren Weg zum Heile erkannt 
und gelernt hätte n.« Er antwortet darauf, dass er das in 
der »Sprache der Bauern« aus der Heiligen Schrift 
gelernt habe, von Jesus und, nach der Lehre 
Jesus, von den Juden.* 

Dieser Mann, der sein Wissen nicht an Universitäten 
erworben, sondern aus der Bibel geschöpft, dem Gott den 

1 I., 1. Theil, 37 und 2. Th. 35; IL 12; V. 16; VI. 18; VÜI. 1; IX. 19; 
XI. 1 ; Xn. 1, 54 und 69 ; XIÜ. 1 und 26 ; XV. 28 u. s. w. 
> UI. 24. 
3 xn. 70. 
* xn. 73—77 ; vfel. ob. S. 43. 



72 



wahren Glauben offenbart hat, kann kein anderer, als der 
Stifter des Sabbatharierthums sein. Der ungenannte Verfasser 
der in diesem Gesangbuch enthaltenen fünfzehn Lehr- 
gedichte ist Andreas E ö s s i. 

Diese Annahme findet in folgendem Umstände ihre Bestä- 
tigung. 

Unter den übrigen sabbatharischen Lehrgedichten hat 
eines, der »Gesang, der den Weg zum Heile lehrt«. sowohl im 
Alten Sabbatharischen Gesangbuch als auch im Alten Sabba- 
tharierbuch Aufnahme gefunden ; in ersterem wird der Ver- 
fasser nicht genannt, in letzterem hingegen ausdrücklich 
Andreas Eössi als solcher bezeichnet.^ In diesem unzweifelhaft 
von Eössi's Feder stammenden Lehrgedichte begegnen wir 
wiederholt gewissen bezeichnenden Ausdrücken und Rede- 
wendungen, die sich auch in den fünfzehn Lehrgedichten des 
Gesangbuchs auffallend häufig finden. Hier wie dort werden 
die einzelnen Lehrsätze und Behauptungen fast regelmässig 
mit den Worten »ich sage dir«, oder »wie ich sage« eingeleitet, 
beziehungsweise geschlossen. Hier wie dort werden die 
»Ungläubigen« apostrophirt, sie sollten sich »die Mühe nicht 
verdriessen lassen, den Weg des Heils zu lernen,» denn 
die neue Wahrheit werde vorzüglich aus dem Grunde nicht 
erkannt, weil 

In dieser Welt Gewohnheit nur regiert, 

Als Glaube Jedem gilt, was längst ist eingeführt.* 

Auch in diesem Lehrgedichte, das »Eössi auf dem Kran- 
kenlager geschrieben«, betont der Verfasser, dass er »die w^ahre 
Religion gefunden«, und der hier angeschlagene derbe Ton 
ist genau derselbe, in welchem die fünfzehn Lehrgedichte 
des Gesangbuchs gegen die Blind e,n und Irrenden, gegen 
die Thörichten und Lügner polemisirt. Auch hier finden 
wir die «Bauernsprache,» in welcher der Verfasser des Gesang- 
buchs, nach seinem eigenen Geständnisse, zu reden pflegte^ 
und Metrum und Reim werden hier wie dort gleichgiltig und 
nachlässig behandelt, oft gänzlich ausseracht gelassen. ^ 

Mit dem Gesangbuche und diesem Lehrgedichte stimmt 

1 A. S. G. B. Nr. 107 ; vgl. ob. S. 41. 

3 A. a. 0. das. Strophe 3—5; vgl. Nr. 109, I. 2. Theil St. 16. 

8 S. die genaueren Nachweise in meinem „A Szombatosok" S. 135 flg. 



78 

in allen Stücken noch ein Lehrgedicht überein, das die IJeber- 
schrift hat: »Gesang, der die Beobachtung des göttlichen 
Gesetzes lehrt.« Das aus vier umfangreichen Stücken bestehende 
Lehrgedicht stellt, von den Zehngeboten ausgehend, die wich- 
tigsten religiösen' und ethischen Vorschriften der Bibel, als 
»Summe des Gesetzes« zusammen.^ 

Alle diese, unbestreitbar von Andreas Eossi herrührenden 
Lehrgedichte zeigen, dem Inhalte und Gedankengange, der 
Ausdrucksweise, oft sogar dem Wortlaute nach, eine auffallende 
Uebereinstimmung mit den verschiedenen Abhandlungen und 
Streitschriften des Alten Sabbatharierbuchs. Die Aehnlichkeit 
zw'ischen beiden ist eine derartig in die Augen springende, 
dass sie schon bei einer flüchtigen Vergleichung erkannt 
werden muss. 

Der »Gesang der den Weg des Heiles zeigt«, welchen 
auch das Alte Sabbatharierbuch aufgenommen hat und aus- 
drücklich Eössi zuschreibt, entspricht seinem hauptsächlichen 
Inhalte nach vollständig dem »Von den dreierlei Secten der 
Pfaffen« überschriebenen zweiten Theile der oben (S. 55) 
besprochenen Streitschrift. Es genüge der Hinweis, dass auch 
dieser Gesang zunächst die Religion der »Papisten«, sodann 
Jener, »welche die Lehre Luthers oder Calvins gewählt«, einer 
scharfen Kritik unterzieht, endlich aber die Religion derer, 
»die zwar einen Gott bekennen«, aber deshalb »doch nicht 
besser sind als diese drei.« Den Letzteren wird der Name 
ü nitarier, als ein nicht verdienter, auch hier nicht zuerkannt. 

Wo möglich noch auffallender ist die oft wörtliche Ueber- 
einstimmung zwischen den Lehrgedichten des »Gesangbuches» 
und den im Alten Sabbatharierbuche aufgestellten Glaubens- 
artikeln (s. ob. S. 48), sowie zwischen dem »Gesang der 
die Beobachtung des Gesetzes lehrt« und zwischen der Abhand- 
lung »Die aus dem göttlichen Gesetze herausgeschriebenen 
Gebote« (ob. S. 49.) 

Diese Uebereinstimmung^ ist kaum so zu erklären, dass 
Eossi sowohl diese Lehrgedichte als auch die betreffenden 

1 Dieses Lehrgedicht steht in meinem Verzeichnisse unter Nr. HO. 

' Den genauem Nachweis für diese Uebereinstimmung s. in meinem 
,A Szombatosok" 137 — 8; zahlreichen Beispielen, aus^welchen sich diese Ueber- 
einstimmung klar ergibt, werden wir in der Darstellung der sabbatharischen 
Dogmatik begegnen. 



74 



Stücke des Alten Sabbatharierbuches geschrieben habe. Da die 
Letzteren, wenigstens zum Theile, bloss Auszüge aus andern, 
ausführlicheren Werken sind (ob. S. 481: ist es ungleich wahr- 
scheinlicher, dass Eössi ursprünglich mehrere grundlegende 
prosaische Schriften über das Sabbatharierthum geschrieben 
hat, deren hauptsächlicher Inhalt später von ihm in »Gesängen« 
versificirt. von Andern aber einfach ausgezogen wurde. Sie 
sind wahrscheinlich identisch mit jenen »unnützen Schreibereien« 
Eössis, die bei Jenen, denen er sie zum Lesen, oder Abschreiben 
geliehen, confiscirt, und im Jahre 1600 öffentlich verbrannt 
wurden.^ 

Ausser den bisher besprochenen Lehrgedichten haben 
sich noch zwei erhalten, die, was Reinheit der Sprache und 
sorgfältige Behandlung des Metrums und des Reimes anbetrifft, 
die Gesänge Eössis weit übertroffen. Das eine, mit der blossen 
Ueberschrift »Cantio«, spendet den Gläubigen Trost und 
Ermuthigung. Die wegen ihrer Religion hart Verfolgten werden 
aufgefordert, lieber das Leben, als die Wahrheit zu lassen, denn 

Heil dem Mann, der für die Wahrheit muthig 
Leidet und den Kampf besteht. 

Die wiederholten bittern Klagen über die Drangsale, die 
sie des Glaubens wegen zu erdulden haben, so wie das Gebet 
am Schlüsse: Gott möge nicht zugeben, dass sie »bei der 
jetzigen Gelegenheit« von ihm abtrünnig gemacht werden, 
sondern wolle »in den jetzigen Zeiten« den Glauben und 
die Hoffnung in ihnen erhalten, lassen daraul schliessen, dass 
dieses Lehrgedicht zu einer Zeit verfasst wurde, als die 
Sabbatharier grausam verfolgt virurden.^ 

^ M i k ö, a. a. O. L S. 30. Nach dem bisherigen lässt sich die literarische 
Thätigkeit Eössi's in Folgendem zusammenfassen : er schrieb kurze Gebete für 
gewisse Gelegenheiten, mehrere Abhandlungen, oder grössere Schriften 
über den Lehrinhalt des Sabbatharierthums und zur Vertheidigung desselben, 
darunter Glaubensartikel und einen Katachismus, den ersten und 
ältesten sabbatharischen Grabgesang, die 15 Lehrgedichte, welche das 
, Gesangbuch zur Vernichtung der falschen Religionen** u. s. w. bilden, den 
n Gesang, der die Beobachtung des göttlichen Gesetzes lehrt", den „Gesang, der 
den Weg des Heiles lehrt", und endlich einige jener Lieder und Hymnen 
des Alten Sabbatharischen Gesangbuches, welche seine oben (S. 43) gekenn- 
zeichnete Schreib- und Ausdrucksweise zeigen. 

* In meinem Verzeichnisse unter Nr. 106. 



75 



Das letzte Lehrgedicht hat die lateinische Ueberschrift: 
Cantio pia et observatu digna ex maltorum 
dictis Prophetarum, Christi et Apostolorum 
conscripta pro monenda Dei ecclesia. Es sucht di^ 
wichtigsten Sätze der Religions- und Morallehre des Sabbatha- 
rierthums aus dem Alten und Neuen Testamente, namentlich 
aber aus den Worten Jesus und der Apostel, als wahr und 
richtig zu erweisend 

Alle diese Lehrgedichte sind, um sie zu popularisiren, 
entweder schon von den Verfassern, oder von den Abschreibern, 
mit der Angabe von bekannten Melodien versehen worden, 
nach welchen sie gesungen werden können. Aus diesem Grunde 
haben sie, obwohl sie ursprünglich sicherlich als selbstständige 
Sammlungen circulirten, auch in manchen Handschriften des 
Alten Sabbatharischen Gesangbuches eine Stelle gefunden. 
Sie erscheinen hier, mehr oder minder vollständig, als Zusätze, 
mit welchen das Alte Sabbatharische Gesangbuch zusammen 
hundertvierundzwanzig Lieder und Gesänge umfasst.^ 

Die älteste poetische Litteratur der Sabbatharier. 

(Schluss. Der Psalter Nicolaus ßogdthis.) 

Das umfangreichste und formvollendeteste Werk der alten 
sabbatharischen Literatur ist das »Psalteriu m« des N i- 
colaus Fazakas Bogathi, oder, wie er sich nach der 
damaligen Sitte, für die Eigennamen entsprechende griechische 
Bezeichnungen zu gebrauchen, wohl auch zu nennen pflegte: 
Nicolaus Pelides^ Bogathi. Sein P salter i um ist in der 
ungarischen Literatur die erste vollständige poetische Ueber- 
setzung der biblischen Psalmen, ein vielgerühmtes, aber noch 
immer nicht herausgegebenes Werk. 

»Habent sua fata libelli!« Das öfter besprochene, aber 
noch immer nicht genügend gekannte Buch hat, sowohl w^as 

1 Das. Nr. 108. 

* Und zwar 102 Lieder und Hymnen, welche das eigentliche Gesangbuch 
bilden, 3 Grabgesänge, die in ein besonderes Gesangbuch zusammengefassten 15 
Lehrgedichte Eössis (in meinem Verzeichnisse unter Nr. 109 zusammen gefasst), 
und endlich die oben besprochenen übrigen 4 Lehrgedichte. 

* Das ungarische Fazakas bedeutet Töpfer, dem entsprechend ist der 
Name Pelides, vom griechischen Pelös, Thonerde, Töpterthon, gemacht. 



76 



seine Tendenz als auch die Person seines Verfassers anbetrifft 
bis auf die Gegenwart Anlass zu den sonderbarsten Irrthümern 
und zu den verschiedensten und entgegengesetztesten ©ehaup- 
''tungen gegeben. Es wurde bald dem einen, bald dem andern 
der gegen Ende des XVI. Jahrhunderts lebenden Bogäthis, 
bald gar Simon Pechi zugeschrieben. Lange galt es unbestritten 
für das Werk eines Unitariers. Später wurde es, allerdings 
bloss aus dem rein äusserlichen Grunde, dass man es zumeist 
dem Alten Sabbatharischen Gesangsbuche beigebunden, mitunter 
sogar von derselben Hand geschrieben findet;, eine Zeitlang für 
ein sabbatharisches Buch ausgeben. Diese Annahme wurde 
indessen bald fallen gelassen, und die Psalmen Bogäthis wurden 
wieder bald als der reformirten, bald als der unitarischen Kirche 
angehörig hingestellt. Die letzte, jüngst erschienene Besprechung 
derselben, erklärt sie für ein echt unitarisches Werk und 
weist die Möglichkeit, dass sie sabbatharischen Ursprungs 
sein könnten, ohne weitere Begründung, aber mit um so 
grösserer Entschiedenheit zurück.^ 

Es ist aber gewiss, dass Bogathi Sabbatharier gewesen 
ist. Dafür sprechen zunächst alle glaubwürdigen Nachrichten, 
die wir über sein Leben und seine sonstige literarische Thä- 
tigkeit besitzen.2 

Der auch als Liederdichter und theologischer Schriftsteller 
vielgefeierte Bogathi war, wie er selber erzählt,' ursprünglich 
unitarischer Geistlicher, einer jener treugebliebenen Anhänger 
des gestürzten Franz Davidis, aus deren Reihen Andreas 
Eössi und die ersten Bekenner des Sabbatharierthums hervor- 



^ Albert K a r d o s, A XVJ. szäzad magyar lyrai költeszele (Ung. Lyrik des 
XVI. Jahrhundert) S. 29 flg. Die verschiedenen Phasen der Bogäthi-Frage s. in 
meinem A Szombatosok S. 140 — 1. Die Identität des Verfassers der Psalmen 
mit dem Schriftsteller und Liederdichter Bogathi hat Alexius J a k a b festgestellt, 
der aber den Verfasser und sein Werk als Zierden des ünitarierthums, bezieh- 
ungsweise der unitarischen Literatur bezeichnet; s. dessen Artikelserie in 
Kereszteny Magvetö XV. S. 1—14, 159 und 186 und 239—251. 

2 S. w. das Capitel , Verbreitung xmd Schicksale des Sabbatharierthums 
in der ersten Periode seiner Geschichte.* 

3 In dem Widmungsbriefe einer Franz v. Balassi zugeeigneten Schrift 
über die Offenbarung Johannes; s. denselben Kereszteny Magvetö XV. S. 6. 
Die hier folgenden Angaben über Bogathi sind, so weit nicht andere Quellen 
angegeben werden, diesem Briefe entlehnt. 



77 



gegangen sind. Auch das Alte Sabbatharierbuch^ rühmt die 
unerschütterliche Festigkeit, mit welcher Bogäthi dem alt- 
unitarischen Glaubensbekenntnisse anhing, und allen Drohungen 
und Verfolgungen trotzend, dem neuen unitarischen Glaubens- 
bekenntnisse, das die Anbetung Christi lehrte, den Consens 
verweigerte. Diese Principientreue bezahlte er mit dem Verluste 
seiner Predigerstelle in Gerend, von wo er flüchten musste. 
Es gelang ihm, nach Ungarn zu entkommen, wo er bei dem 
unitarischen Bischof Paul Karädi, demselben, den wir (ob S. 32) 
als entschiedenen Parteigänger des verurtheilten Franz Davidis 
kennen lernten, Schutz und Zuflucht fand. 

Um seine Rückkehr nach Siebenbürgen zu ermöglichen, 
unterschrieb er um 1581 das neue ünitarische Glaubens- 
bekenntniss, worauf er nahezu fünf Jahre als geistlicher Berather 
des Franz von Balässi, dem wir bald als einem der ersten und 
eifrigsten Sabbatharier begegnen werden, in dessen Schlosse 
zu Szent-Demeter verlebte. Dort schrieb er mehrere Abhand- 
lungen über die Offenbarung Johannis, die er auch, ganz im 
Sinne des Sabbatharierthums,^ vorzugsweise zum Ausgangs- 
punkte seiner Predigten nahm. Bereits im Jahre 1585 bezeichnet 
er seinen Consens zum neuen unitarischen Glaubensbekenntnisse 
als einen »erzwungenen«, und in seinem bald darauf geschrie- 
benen Commentar zu der Offenbarung Johannis ging er schon 
so weit über den alt-unitarischen Standpunkt hinaus, dass er 
selbst von seinem bisherigen Gönner Karadi aufs härteste 
verurtheilt wurde. 

Um diese Zeit, also in den ersten Jahren des Sabbatha- 
rierthums, muss er demnach bereits ein entschiedener Anhänger 
desselben gewesen sein. Eine seiner Schriften bezeichnet er 
selber, als »zu Nutz und Frommen der Heiligen Gottes«, 
d. h. der Sabbatharier,* verfasst. Gleich diesen, wollte auch er 
dem Neuen Testamente diesen Namen nicht zuerkennen,* und 

1 Kereszteny Magvetö XXI. S. 145. 

* Die Offenbarung Johannis galt den Sabbathariern als die einzige, vom 
Heiligen Geiste inspirirte Schrift des Neuen Testamentes s. ob. S. 53. 

3 So nennen sich die Sabbatharier selber wiederholt in ihren religiösen 
Gesängen; das A. S. G. B. ist, nach dem Titelblatte von Cod. IL, zur Erbauung 
der Schaar Gottes" verfasst. 

* In der obenerwähnten Widmung schreibt er unter anderra, er habe ein 
Jahr lang gearbeitet ,an der Historie von Jesus Christus, die man das neue 



78 



eines seiner handschriftlich vorhandenen Bücher, das er seinem 
obenerwähnten sabbatharischen Gönner zugeeignet hat, beginnt 
mit der Widmung: »Dem wohledlen und tapfern Franz Balässi, 
Oberrichter des Ud^varhelyer Stuhles, wünscht einen reichen 
Antheil an dem neuen Jerusalem N. P. B.«^ 

Was aber das Sabbatharierthum Bogäthis am klarsten, 
man darf wohl sagen: unwiderleglich beweist, ist seine poetische 
Bearbeitung der Psalmen. 

Bogäthi pflegt jeden Psalm damit zu beginnen, oder zu 
schliessen, dass er angiebt, wer ihn geschrieben, und aus 
welchem Anlasse, oder zu welchem Zwecke er geschrieben 
wurde. Diese, für die Auffassung und Erklärung der einzelnen 
Psalmen entscheidenden, Momente sind im Urtexte bekanntlich 
nur selten angegeben. Der Leser ist vielmehr auf sein eigenes 
Urtheil und auf die verschiedenen, zumeist widersprechenden 
Ansichten der älteren Autoritäten angewiesen, und der wissen- 
schaftlichen Kritik eröffnet sich hier ein weites Feld. Indem 
Bogäthi diese Momente zu fixiren sucht, geht er regelmässige 
von jüdischen Gesichtspunkten aus, indem er der jüdischen 
Tradition, am häufigsten den altern jüdischen Exegeten folgt, 
derenJAnsichten er, soweit dies in ungarischen Versen möglich 
ist, mitunter sogar wörtlich wiedergiebt. 

Nur auf diesem Wege konnte er zu den zahlreichen 
Angaben in seinem »Psalterium« gelangen, für welche der 
Urtext und die ältesten Uebersetzungen, wie die Septuaginta 
und Vulgata, keinerlei Anhaltspunkt bieten, die sich aber in 
dem zu den Psalmen geschriebenen Midrasoh Schocher-tob, 
oder in den Psalmencommentaren Salomo Jiczchakis (Raschis), 
Ibn-Esras, zumeist aber David Kimchis finden. 

Diesen jüdischen Autoritäten folgt er nicht nur in 
unwesentlichen, in religiöser Beziehung gleichgültigen Dingen,^ 

Testament nennt." Das Alte Sabbatharierbuch (a. a. 0. S. 82—3) und das 
A. S. G. B. (Nr. 109, II. 3) behaupten übereinstimmend, die Evangelien enthalten 
keinen neuen Bund, weil Gott den alten Bund nie aufgelöst habe, sondern bloss 
die Geschichte Jesus und der Apostel ; die Bezeichnungen Altes und Neues Testament 
seien von den römischen Geistlichen erfunden worden. 

* N. P. ß. := Nicolaus Pelides Bogäthi (s. ob. S. 75); das ,Neue Jeru- 
salem** gehört zu den weiter unten besprochenen chiliasti sehen Ansichten des 
Sabbatharierthums. 

* So sagt er z. B. vom 9. Psahn, David habe ihn gesungen, als er den 
gewaltigen Goliath besiegte. Zu dieser Annahme, welche auf der jüdisch-traditionellen 



79 

sondern auch in solchen, die der christlichen Anschauung 
direct widersprechen. 

Der 2. Psalm, zum Beispiel, bezieht sich nach der 
christlichen Auffassung, welcher alle altern christlichen Ueber- 
setzer bis auf Bogäthi Ausdruck geben, auf Jesus, seine Feinde 
und seinen endlichen Sieg. Nach Bogäthi, der sich diesbezüglich 
in Uebereinstimmung mit Jiczchaki und Kimehi befindet, hat 
David diesen Psalm an die benachbarten feindlichen Könige 
gerichtet, die sich mit ihren Völkern wider ihn zusammen- 
scharten. 

Der 22. Psalm, bekanntlich eine der stärksten Säulen der 
Christologie, ist nach Bogäthi, wie nach Kimehi, weiter nichts, 
als das Gebet Davids, »als er auf der Flucht vor Saul viel 
Leid erfahren.« Den von der Kirche auf das Reich Christi 
bezogenen 72. Psalm hat, nach Bogäthi, der wieder aus Kimchis 
Commentar zur Stelle geschöpft hat, »David kurz vor seinem 
Tod geschrieben, als er seinen Sohn Salomo krönen Hess.« 
Aehnlich fasst er alle übrigen Psalmen auf, in welchen die 
christliche Auffassung eine Hinweisung auf Jesus erblickt.^ 
Er erklärt sie sammt und sonders aus der Geschichte Davids, 
beziehungsweise des alten Israel, oder, wie es auf dem Titel- 
blatte seines Psalters heisst, »im Sinne der Historien der dama- 
ligen Zeiten.« 

Lehrreicher als diese Angaben bezüglich der Entstehungs- 
ursache und Tendenz der einzelnen Psalmen, ist die Wieder- 
gabe des Textes desselben. 

Bogäthis Psalmen sind nämlich weniger Untersetzungen, 
als mehr oder minder freie Ueberarbeitungen. Nicht den Text, 

Auslegung des hebräischen Wortes „laben* beruht, vgl, Kimehi z. St. Dass 
David den 19. Psalm „vor seinem Tode" verfasst habe, ist ebenfalls Kimchis 
Annahme. Aus derselben Quelle hat Bogäthi geschöpft, wenn er Ps. 82 und 83 
dem König Josaphat zuschreibt, der ersteren an die Richter und Beamte gerichtet, 
letzteren aber gebetet habe, als viele heidnische Völker ihn bekriegten. Die 
Behauptung, dass David den 30. Psalm verfasst habe, als er den durch seine 
Krankheit unterbrochenen Palastbau nach seiner Genesung glücklich vollendete, 
ist I b n-E s r a z . St. entlehnt, dass den 92. Psalm „Adam am Sabbath sagte" 
dem Midrasch S c h o c h e r-t o b. Vgl. noch über Ps. 10, 24, 142-5 und 148 
Bogäthi mit Kimehi, stellenweise R a s c h i z. St. 

1 Vgl. z. B. die Psalmen 8, 16, 22, 41, 45, 46, 72, 87 und 118 mit den 
Commentaren Kimchis und Ibn-£sras, so wie mit dem Midrasch 
S c h o c h e r-t b z. St. 



80 

sondern den Sinn des Originals sucht er wiederzugeben, und 
zwar letzteren so, wie e r ihn auffasst. Dabei findet er in den 
Psalmen Davids^ nicht selten viel spätere, mitunter ganz moderne 
Begriffe, ja sogar Anspielungen auf seine, Bogäthis, Zeit.^ 

Das haben wohl auch Andere gethan. Während aber die 
übrigen ungarischen Dichter, welche bis dahin einzelne Psal- 
men poetisch bearbeitet hatten, in diesen das Leben und den 
Tod Jesus, seine Lehren und seine Kirche verherrlicht fanden:^ 
bezieht Bogäthi absolut nichts auf Jesus und das Christenthum. 
Das Wort »Christus« gebraucht er wohl häufig, aber er versteht 
nirgends Jesus darunter. Christus ist bei ihm kein Eigen- 
name, sondern einfach die wörtliche Uebersetzung des heb- 
räischen »maschiach«,» also ein blosser Begriff: der »Gesalbte« 
im allgemeinen. Die Könige David und Josaphat, ja alle wahr- 
haft frommen Kinder des auserwählten Volkes sind ihm gleich- 
massig »Christusse.« So lautet bei ihm, zum Beispiel, der 
Schluss des 18. Psalmes : 

Drob freu ich mich gar inniglich, und lieb Dich wahr und rein, 
Dass David-Gristus Du versprachst, was tief sich prägt' mir ein: 
Dass nach ihm Söhn' und Enkel einst Christusse werden sein. 

Jerusalem ist bei ihm (Ps. 51, 20) »Die Stätte des Glaubens 

und der Christusse«, und im 105. Psalm (V. 15) lässt er 

an die Heiden, welche Israel unterdrücken, die Aufforderung 

ergehen : 

Meine Heiligen rühyt nicht an, ihr Henker, ihr! 
Meine Christusse zumal, die lasset mir!^ 

Zu dem gänzlichen Mangel an christlichen Anschauungen 
und Tendenzen kommt die ausgesprochen judaisirende Richtung, 
der wir in den Psalmen Bogäthis überall begegnen. Diese zeigt 

1 So mag z. B. der Frevler, der, nach Psalm 36, 2, „keine Gottesfurcht vor 
Augen hat", wie Bogäthi sagt, „immerhin Altäre und Kapellen errichten, in 
ferne Länder gleissnerisch wallfahrten; die Bibel lesen, Messen hören, 
Andern noch so viel von Hölle und vom Kreuz erzählen« : er ist und bleibt 
ein Frevler. Mehreren ähnlichen Beispielen werden wir im Folgenden begegnen. 

2 Lehrreiche Beispiele sind in den älteren poetischen Bearbeitungen des 
46. und 144. Psalms bei T o 1 d y, A magyar Költeszet Kezikönyve (Handbuch 
der ung. Poesie) I. S. 171 und 173. 

« Beziehungsweise des von der LXX. dafür gebrauchten Ghristos. 

* Im demselben Sinne ist „Christus" noch Ps. 28, 51 und 89 gebraucht. 



81 



sich zunächst in der Wiedergabe des Urtextes öder richtiger 
des Inhahes derselben, die schon aus dem einfachen Grunde 
von jüdischen Anschauungen durchtränkt ist, weil sich Bogäthi, 
wie wir gesehen, überall von der jüdischen Tradition, oder 
von jüdischen Exegeten leiten lässt. Ungleich auffallender aber 
ist der Umstand, dass er jede Gelegenheit benützt, ja, offenbar 
sucht, um die Juden und das Judenthum zu verherrlichen. 
Wie die oben besprochenen sabbatharischen Lieder und 
Lehrgedichte, nennt auch er die Juden ein »heiliges«, oder 
ein »heiliges und edles Volk«, oder einfach »die Heiligen«,^ 
die bei ihm, wo im Texte (Ps. 50, 7) bloss das Wort Israel 
steht, von Gott angesprochen werden: 

Mein Eigenthum, ihr, meine Heilij^^en, Kinder mein, ihr Juden ! 

Aus den Schlussworten des ßS. Psalms: »Gelobt sei Gott!« 
wird bei ihm »Gelobt sei, der Herr der Juden;« den 3 — 6. 
Vers des 87. Psalms aber übersetzt er gar folgendermassen: 

So seh ich's, wenn hinaus ich blicke, 

Und alle Völker überblicke : 

Da kann mein Aug kein Volk erreichen, 

Das dir, o Judenvolk, ich könnt vergleichen. 

In Babel Einen, Zwei "sie wiesen, 

Die man als Weise hoch gepriesen ; 

In Zion Alle so man nennet, 

Weil jeder Jude wahrhaft Gott erkennet. 

Einst werden alle Völker Juden 

Und kommen zu der Krön' der Juden ;*-' 

Doch — so ward Salomo der Segen — 

Stets bleibt der Jud' auf seines Glaubens Wegen. 

Von allem dem, was diese Strophen enthalten, ist in dem 
hebräischen Urtext nur wenig, von den die Juden verherr- 
lichenden Zeilen kaum eine Spur zu finden. Kimchi liest 
zwar Aehnliches aus ihm heraus, aber Bogäthi geht ungleich 
weiter als er ; er ist jüdischer, als der berühmte jüdische 
Comnientator. 

Wiederholt und entschieden betont er den Grundsatz der 

* Vgl. z. B. Ps. 13, 9; 76, 2; 106, 36; 111, 14 u. s. vr. 
« So wörtlich im Ungaiischen ; d. h. sie unterwerfen sich dem jüdischen 
Glauben. 

Dr. Kohn : Sabbatbarier. 6 



82 



Sabbatharier, dass, wer zur Seligkeit gelangen will, nur Moses 
und den Propheten, beziehungsweise der religiösen Praxis der 
Juden zu folgen habe. »Nur bei den Juden ist der wahre Gott« 
und »nur von den Juden kannst du wahren Glauben lernen« 
heisst es in seinen Psalmen, wo im Urtext an der ersteren 
Stelle nur das steht: »in Israel ist sein Name gross«, an der 
letzteren aber überhaupt nichts zu finden ist, was seiner Ueber- 
setzung entspräche. 1 Aehnlich verhält es sich mit dem, was wir 
bei Bogäthi in der 9. Strophe des 19. Psalmes lesen: »Nur 
Israel kennt die Gesetze Gottes, denn es allein hat sie gehört.« 
Ebensowenig steht im hebräischen Texte auch nur ein Wort 
von dem, was er in der Schlussstrophe des 18. Psalmes folgen- 
dermassen ausdrückt : 

Ich glaub', am Ende werden alle Völker einst noch Juden. 

In den letzten fünf Strophen des 22. Psalms, in welchem 
die Kirche eine Prophezeiung auf den Martertod und die 
Auferstehung Jesus erblickt, setzt Bogäthi ausführlich aus- 
einander, dass »einst viele Heiden sich zum jüdischen Glauben 
bekehren«, und dass »ausser den Juden alle im Irrwahn 
sich befinde n«, sodann aber fährt er fort : 

Die Heiden nehmen alle unsern Glauben an, 
Erziehn imjüd'schen Glauben ihre Kinder, 
Die alle Juden werden, weil sie glauben, 
Die Juden alle seien Gottes Kinder. 

An einer andern, ebenso frei behandelten Stelle (Psalm 
19, 10) hebt er scharf hervor, dass das von Gott gegebene 
Gesetz für ewige Zeiten bindend bleibt, und dass »so wie 
Gott bleibt unverändert, so bleib' auch sein Gesetz.« 
In demselben Sinne gibt er den Vers (103, 7) »Seine Wege 
that er Moses kund, den Söhnen Israels seine Thaten« fol- 
gendermassen wieder : 

So that er seine Wege Moses kund. 

Den Juden offenbarte sich sein Mund, 

Auf dass sein Leben jeder danach rieht' ; 

Verwirft e r's — trifft ihn Gottes Strafgericht. 

Diese, mehr oder minder gewaltsam in den Text hinein- 
interpretirten Uebersetzungen drücken Gedanken und Behaup- 

* Vgl. bei Bogäthi Ps.76, Str. 2 und 81, Str. 14 mit Ps. 76. 2 und 81, 10 



83 



tungen aus, denen wir auch im Alten Sabbatharischen Gesang- 
buche, mitunter fast mit denselben Worten, begegnen-^ Sie 
verfolgen deutlich den Zweck, die Sabbatharier, denen ihre 
judaisirende Richtung als Verbrechen angerechnet wurde, zu 
rechtfertigen. 

Alle, die den Glauben der Juden nicht theilen, sind nach 
Bogäthi, wie nach den Sabbathariern, — Heiden. So bestimmt 
er, zum Beispiel, den Inhalt des 44. Psalms, am Schlüsse 
derselben, mit folgenden Zeilen: 

So klagte einstens das Volk Gottes, als es im Exil musst' leiden, 

So klagt es jetzt noch, wo es leidet in dem Lande vieler Heiden 

Dieweil's nur einen Gott bekennet, wider dieser Heiden Glauben.« 

Aber, so übersetzt er den Vers »Zu Schanden werden 
und zurückweichen alle Hasser Zions« (129,5): 

Wer wieder Zion Böses brütet, 

Wer Juden hasst und gegen Juden wuthet, 

Wird seine Pläne scheitern sehen; 

Dem, glaub* ich, wirds auch jetzt gar schlecht ergehen!» 

Diese mehr als freie Uebersetzung will offenbar den, als 
Judenzern, Verfolgten Trost bieten und sie zum Ausharren 
ermuthigen. Anderseits aber hören wir den Nothschrei und 
den Hilferuf der geächteten Sabbatharier, wenn Bogathi den 
Schlussvers des 25. Psalms, »Gott erlöse Israel von allen 
seinen Leiden«, folgendermassen wiedergibt: 

Befrei' mich Herr, und mit mir all die Armen, 

Die da und dort man quälet obn' Erbarmen, 

Die Straf und Schmach erleiden wie die Sünder, 

Nur weil auch sie sich nennen: Jakobs Kinder. 

Endlich aber pflegt Bogathi, bei Angabe des Inhaltes und 
der Tendenz der einzelnen Psalmen, nicht selten anzumerken, 
bei welcher Gelegenheit der betreffende Psalm zu sagen sei, 

* Bezeichnende Beispiele s. in den folgenden, die älteste Dogmatik der 
Sabbatharier behandelnden Gapiteln. 

' Auch Kimchi z. St. bezieht den Psalm „auf das gegenwärtige bittere 
Exil", aber ohne von Heiden, oder Heidenglauben zu reden, was Bogäthi, mit 
Bezug auf Nicht-Juden, respective Nicht-Sabbatharier, noch am Schlüsse des 12. 
und 14. Psalms thut, sowie auch das. 68, 2. 

» Aehnlich noch Bogäthi zu 68, 2 und am Schlüsse von 75 u. 130. 

6» 



84 



wobei er immer dem recipirten jüdischen Brauche 
folgt So bemerkt er, zum Beispiel, zum 32. Psalm, welchen 
die Juden nach dem Händewaschen vor Tische beten: »An 
seinem Tische spricht der Fromme ihn«; zum 92. Psalm: 
»Der Jude sagt am Sabbath ihn«; zum 113. Psalm: »Das sagt 
jedesmal am Neumond das Volk Gottes«, und zum ] 18. Psalm, 
dass ihn der Jude, »am Hüttenfeste mit dem Feststrauss in 
den Händen« sagt.^ 

Unter König ist der »König Messias« (Melech ham- 
maschiach) zu verstehen. Das ist die einzige Stelle, an 
welcher Bogathi in seinen Psalmen von Christus und den 
Aposteln spricht, und auch hier thut er es nur, um das 
Heilige Abendmal als einen alten jüdischen Passahbrauch hin- 
zustellen, den auch Christus geübt habe. Ueber diese Auffassung, 
welche ebenfalls sabbatharisch ist, s. das folgende Capitel. 

Was Wunder, dass die Sahbatharier diesen Psalter, welcher 
überall ihren Lehren und Anschauungen, ja ihrem Empfinden 
Ausdruck gab, eifrig copirten und in ihrem religiösen Leben 
häufig benützten. Die uns erhalten gebliebenen vier ältesten 
Exemplare desselben, darunter ein noch bei Lebzeiten Bogathis 
angefertigtes, sind sabbatharischen Ursprungs.^ Die im Alten 
Sabbatharierbuche, zwischen den Gebetstücken und anderwertig 
aufgenommenen Psalmen sind sämmtlich den Bogäthischen 
entlehnt. Dasselbe gilt von dem 23. Psalm, der unter den 
sabbatharischen Tischgebeten, die als besonderes Agenden- 
büchlein circulirten, seinen Platz gefunden hat.^ Und Simon 
Pechi schrieb im Jahre 1637, also zur Zeit, als er im Interesse 
des Sabbatharierthums am eifrigsten thätig war, seiner schwer 

1 Die betreffende (letzte) Strophe lautet vollständig: 
Diesen Psalm die Juden sagten, wenn das Passahlamm sie assen, 
Dann mit Christus die Apostel, als beim Abendmal sie sasseo; 
Heute noch sagt ihn der Jude mit dem Feststrauss in den Händen, 
Wenn am Hüttenfest er betet, Gott mög ihm den König senden. 

3 Sie sind zum Theil in Szent-Erzs6bet, dem Stammsitze Eössis, zum 
Theil in Kis-Solymos im Hause der Mätefi geschrieben, denen wir imter den 
ersten und eifrigsten Sabbathariern begegnen werden. Am Schlüsse des dem 
A. S. G. B., Cod. I. beigebundenen Exemplars steht ein lateinisches Epigraph 
desGopisten, welches unter anderm den Hexameter enthält: „Autor, scriba libri 
Vit am cum pace perennent." 

3 Zwei dieser Agendenbüchlein sind in meinem Besitze. Dass der 23. 
Psalm „bei Tische** zu sagen ist, bemerkt auch Bogathi. 



85 



kranken Tochter Judit, sie solle, wenn sie für ihre Genesung 
hetet, die Psalnien 38 — 41 lesen, und zwar, fügt er hinzu, 
»entweder in den Psalmen Bogathis, oder in meiner Ueber- 
setzung.«^ Endlich aber beweist die Thatsache, dass dem Alten 
Sabbatharischen Gesangbuche in der Regel die, zumeist auch 
von derselben Hand geschriebenen, Psalmen Bogathis bei- 
gebunden sind, 2 dass beim Gottesdienste der ersten Sabbatharier 
beide gleichmässig im Gebrauche waren. 

Als bezeichnend verdient noch hervorgehoben zu werden, 
dass Bogäthi bei seiner Uebersetzung die, bekanntlich von 
iuden angefertigte, Septtiaginta benützt, oder doch berück- 
sichtigt hat. Nach den 150 Psalmen des hebräii^chen Textes 
hat er nämlich noch einen 151. Psalm, der nur in der Septuaginta, 
als sonst nirgends vorkommender Schlusspsalm, zu finden ist. 

Unter den im Jahre 1638 confiscirten »ketzerischen und 
jüdischen Büchern« der Sabbatharier befand sich auch eine, 
wie das Titelblatt besagte, »nach dem glaubwürdigen hebräischen 
Orig-inale« angefertigte metrische Hiob-Uebersetzung Bogathis.' 
Ausserdem hat er noch die poetischen Stücke des Pentateuch^ 
sowie das ganze Hohelied Salomos metrisch bearbeitet. Er starb, 
nachdem er nach langem Schwanken sich vom Sabbatharierthum 
wieder abgewendet und das nfeue unitarische Glaubensbekenniss 
angenommen hatte, als unitarischer Geistlicher, angeblich im 
Jahre 1592.* 



Die ursprüngliche Glaubenslehre der Sabbatharier. 

Die in den vorhergehenden Abschnitten besprochenen 
ältesten Schriftwerke der Sabbatharier geben ein scharf umris- 
senes Bild des neuen Glaubens, wie er von Andreas Eössi und 
seinen ersten Aposteln verkündigt wurde. Sie zeigen das 
wenig gekannte und vielgeächmähte Sabbatharierthum in seiner 

1 S. den Brief Pechi's in Kereszt.. Magvetö XV. S, 390. 

8 Unter den 3 Godd. des A. S. G. B. haben zwei (I. u. III.) auch die 
Psalmen Bogathis. 

3 Monum. Gomit. R.-Transsylv. X. S. 165. 

* Diese metrischen Uebersetzungen biblischer Stücke und Bücher sind, 
gleich den epischen Gesängeir und sonstigen Liedern, sowie den prosaischen 
Schriften Bogathis, noch sämmtlich unedirt Einzelne Stücke aus ihnen hat 
Alexius J a k a b in seiner obenerwähnten Artikelserie veröffentlicht. 



86 



ursprünglichen Form als eine Religion, die im Christen- 
t h u m e wurzelt, dabei an dem biblischen, aber hie und da 
bereits von der rabbinischen Auffassung beeinflussten, Juden- 
thume festhält und auch dem Chiliasmus huldigt, das heisst 
dem Glauben, der das Wiedererscheinen Jesus und ein durch 
ihn zu gründendes tausendjähriges Gottesreich erwartet. 

Diese drei verschiedenartigen Elemente sind nach einem 
eigenthümlichen, künstlich ausgedachten System zu einenn orga- 
nischen Ganzen vereinigt, dessen Einzelheiten uns namentlich 
in Eössis Lehrgedichten klar entgegentreten. 

Die ursprüngliche Dogmatik des Sabbatharierthums geht 
von dem jüdischen, beziehungsweise unitarischen Glaubens- 
satze von der Einheit Gottes aus : 

Das Erste, Höchste in dem wahren Glauben ist, 
Dass Du B«kenner nur des einigen Gottes bisl,*^ 

oder, wie es in dem ersten der oben (S.48) erwähnten Glaubens- 
artikel heisst : »Wir glauben von Gott, dass er seinem Wesen 
und auch der Zahl nach Eins ist« 

E6ssi und seine Gesinnungsgenoesen richten in dem derben 
Tone der damaligen religiösen Polemik die leidenschafüichsten 
und rücksichtslosesten Angriffe gegen die Dreitaltigkeitslehre. 
Sie bezeichnen sie als eine Art von Polytheismus, welche erst 
von den Synoden zu Alexandria und Nicaea erfunden, und 
vornehmlich durch Athanasius verbreitet wurde, »der vom 
Teufel besessen war.^ Darum sind sie zu dem alten, reinen 
Glauben wieder zurückgekehrt und erkennen die Einheit Gottes 
an, der »ohne Genossen Richter ist des Alls, und dessen unge- 
theilt die Herrschaft ist im Himmel und auf Erden.« Nur ihn, 
so singen sie, erkennen wir als Gott, 

Nur er allein ist Schöpfer, kann eiiösen und befreien. 

Und Heiland ist nur er allein ; 
Wer ausser ihm, wie immer man ihn nennt, je war und ist, 

In seiner Hand nur Werkzeug ist.^ 

Ein solches Werkzeug Gottes, und zwar sein vornehmstes, 
erkennen sie in Jesus, der grösser als Moses und sammtliche 

* S. das Lehrgedicht Nr. HO des A. S, G. B,, I. Gesang, Str. 2. 

* Das. Nr. 109, I. Gesang, 2. Theil; über Athanasius s. das. Str. 4» 
» Das. Nr. 109, I., 3—6 und L, 2. Theil, 7 ; vgl das. 1, 10. 



87 



Propheten ist. Sie nennen ihn den »Heiligsten der Menschen«, 
den »gekreuzigten Herrn«, »Oberhaupt« und »König der wahr- 
haft Gläubigen«, den geliebten, oder den heiligen »Sohn Gottes.« 
Aber sie betonen nachdrücklich seine rein menschliche Natur, 
bezeichnen ihn in ihren Schriften und religiösen Gesängen, 
nach dem Vorgange Franz Davidis, demonstrativ als den »Men- 
schen Jesus Christus« und verwahren sich aufs entschiedenste 
dagegen, dass das mit Bezug auf Jesus gebrauchte »Sohn 
Gottes« irgendwo die Bedeutung haben könne, dass Jesus wirk- 
lich Gottes Sohn sei. Er wird, so erklären sie, als solcher 
bezeichnet, weil im Alten wie im Neuen Testamente wahrhaft 
Fromme, »die nie geirrt und nie gesündigt haben, Söhne 
Gottes genannt werden. ^ Ja er ist ihnen, dem Wortsinne 
nach, nicht einmal der alleinige Christus ; als solcher gilt 
ihnen jeder von der Vorsehung ausgezeichnete und begnadete 
Mann, den die Schriften des Alten Testamentes als »Maschiach« 
d. h. als »Gesalbten« bezeichnen, und sie sprechen daher von 
D a V i d-C h r i s t u s, ja von C h r i s t u s s e n (s. ob. S. 80.) 

Am häufigsten verherrlichen sie Jesus als den von den 
Propheten verheissenen Erlöser, den Gott bestimmt hat, »jede 
Verderbtheit und jegliches Gebrechen zu heilen.« Diese Mission 
ist ihm aber nicht von Anbeginn an geworden, und es ist 
nicht richtig zu glauben, dass er schon seit Erschaffung des 
Menschengeschlechtes für dasselbe bei Gott Fürbitten einge- 
legt und vermittelt habe. Ein solcher Vermittler war in alten 
Zeiten Moses, in späteren Jesus, und zw ar ist's Letzterer erst 
in seinem 30. Jahre geworden ; mit seinem Tode hat er aber 
aufgehört es zu sein. Es ist irrig, ja schädlich, anzunehmen, 
»dass sein Tod allen spätem Geschlechtern Erlösung und Selig- 
keit gebracht hat.« Sein Martertod gehörte nicht zum Wesen 
seiner Mission. Er hat gelitten und »wie ein guter Hirte sein 
Leben hingegeben, um die Schafe gegen die Wölfe zu ver- 
theidigen« ; das Opfer, das er damit brachte, »kam also nur 

* Das, Nr. 109, IX., 7 und 16. Vgl. die scharfe Polemik gegen Jene, welche 
die Stollen des Evangeliums, an welchen Jesus, der „Sohn Gottes" heisst, 
«nach raenschlichen Gedanken erklärt . . . und wie Heiden und Weltkinder 
beschlossen haben, dass Gott einen Gott-Sohn habe, und der Mensch einen 
Mensdieasohn'^ (Alt. Sabbatharierb. a. a. O. S. 19.) üeber die Person und Bedeu- 
tung Jesus vgl. noch das. Nr. 1, 11 ; Nr. 109, XU. 7. und die Glaubenssätze 11 — 13 
im Alt. Sabbatharierb. a. a. 0. S. 10. 



88 



Jenen zu Gute, die als seine und der Apostel Zeitgenossen an 
sein Evangelium glaubten.« ^ 

Bei dieser Auffassung ist es selbstverständlich, dass sie 
die von Franz Davidis gelehrte Nichtanbetung Christi aufs 
schärfste betonen. Beten dar! man, so hat Jesus selber es 
gelehrt, nur zu Gott allein.^ Die w^ahre Verehrung Jesus besteht 
darin, dass man seine Worte befolgt und das Beispiel nach- 
ahmt, das er durch sein Leben gegeben hat. Wer das aber 
thun will, muss genau das mosaische Gesetz befolgen. 

Wohl ist Jesus grösser als Moses, und so ist auch das 
Neue Testament »in jeder Beziehung köstlicherlund herrlicher 
als das Alte, auch dadurch, dass das Alte Testament mit Tinte 
geschrieben war auf Tafeln und «als Buch, das Neue hingegen 
durch den Heiligen Geist in das Herz.<(8 Aber dss Neue Testa- 
ment - ist deshalb noch kein neues Gesetz, auch keinerlei 
Umgestaltung des alten (ob. S. 52.) Das Gesetz ist ein für 
allemal in den 5 Büchern Moses niedergelegt und diese »sind 
Gotteswort und nicht eine Schrift Moses. Den Bund hat nicht 
Moses, sondern Gott durch ihn geschlossen; auf dem Berge 
sprach nicht Moses, sondern Gott durch ihn.« Und dieses Gesetz 
ist unveränderlich und für ewige Zeiten bestehend; demselben 
darf Nichts hinzugefügt, von demselben Nichts hinweggenommen 
werden. Die Evangelien haben demnach Nichts daran geändert, 
und nicht das geringste Theilchen desselben ausser Kraft 
gesetzt. Sie haben es vielmehr von neuem bekräftigt, auch 
den Heiden zugänglich gemacht und, was die Hauptsache ist, 
jenen Juden, die von ihm abgefallen waren, oder es miss- 
verstanden und falsch gedeutet hatten, den Weg zur Bekehrung 
und zur Seligkeit gezeigt. Jesus kam nicht, um das Gesetz 

* Alt. Sabbatharierb. a. a. 0. S. 20 und 79 ; A. S. G. B. Nr. 1Ö9 XII. 
besonders Str. 13 — 23 das. 

^ Alt. Sabbatharierb. a. a. 0. S. 10 und ausführlicher in der diesbezüg- 
lichen Streitschrift das. S. 20 und 78 flg. (s. ob S. 51), sowie in den Lehr- 
gedichten, A. S. G. B. Nr. 108, Str. 5—13 und Nr. 110, IL 1 flg* 

* S. den 14. Glaubensartikel, Alt. Sabbatharierb. a. a. O. S. 10 und fast 
mit denselben Worten in den Lehrgedichten, A. S. G. B. Nr. 109, I, 2. Theil 
Str. 1—4 und das. XII. 29. Unter dem in den älteren Schriften der Sabbatharier 
hier und anderweitig erwähnten Heiligen Geist verstanden sie jenen Geist 
(Inspiration), den Gott in seinen Heiligen, in Moses, den Propheten, Jesus und den 
Aposteln erweckte, damit sie. ihn durch .ihre Lehren der Menschheit einflössen; 
s. Alt. Sabbatharierb. a. a. 0. S. 19. 



89 



aufzuheben, sondern uni es zu erfüllen und für alle Zeiten 
fest zu begründen, ja, seine echten Jünger »müssen es noch 
genauer halten, als das Volk Moses im alten Bunde es zuvor 
gehalten hat.« Und grade dieser Umstand beweist die Göttlich- 
keit seiner Sendung: 

Daraus ersieht man recht der Ghristuslehre 
Wahrheit, dass das Gesetz nicht einzureissen, 
Sondern aufzubauen und in allen Punkten 
Wortwörtlich zu erfüllen, Er verheissen. ^ 

Denn, so lautet der 10. Glaubensartikel im Alten Sabbatha- 
rierbuche, »Gott hat das Erkennungszeichen des wahren 
Propheten darin gegeben, dass dieser das ganze Gesetz lehrt, 
und jeden Artikel desselben in Kraft belässt.« Wenn Jesus 
und die Apostel mitunter nichts desto weniger von dem 
Gesetze Moses abgewichen sind, so haben sie damit nur der 
damaligen heidnischen Welt ein vorübergehendes Zugeständniss 
gemacht, weil diese zu schwach und nicht gewohnt war, des 
Gesetzes Joch zu tragen (s. ob. S. 52.) 

Jesus selber »war Jude der Abstammung und dem Glauben 
nach; er hat das jüdische Gesetz gepredigt und die Menschen 
unterwiesen, sich nach Moses und den Propheten zu richten. 
Seine Apostel waren ebenfalls Juden, haben den jüdischen 
Glauben gelehrt und auch selber gehalten.« ^ Die Juden, die 
sich ihm anschlössen, blieben nach wie vor Juden, und die 
Heiden, die sich zu ihm bekehrten, wurden gleichzeitig auch 
Juden. Die Religion seiner Schüler, der Apostel und der 
ersten Gläubigen, unterschied sich in Nichts von der jüdischen.^ 
Hatte er ihnen doch befohlen: 

Was die Schriftgelehrten, so in Moses Stuhle sitzen, sagen, 
Sollt ihr Alles üben und befolgen, so wie sie's auch lehren. 

i A. S. G. B. Nr. 109, XH. 62 : vgl. das. L, 1. Theil, 13 und Nr. 110, 
ni. 34 — 5. Der 15. Glaubensartikel des Alt. Sabbatharierbuches (a, a. 0. S. 110) 
besagt: „Christus hat sich als Gottes wahrhaftigen Boten und als seinen heiligen 
Messias dadurch erwiesen, dass er das Gesetz nicht aufgehoben, vielmehr jeden 
Punkt desselben bekräftigt hat, dass man ihn erfüllen müsse. Auch die Apostel 
leliren übereinstimmend, dass Jene, so das Gesetz ausüben, die Gerechten sind 
vor Gott.« 

2 A. S. G. B. Nr. ia9, III., 2—3 und 6, und .fast mit denselben Worten 
Alt. Sabbatharierb. a. a. 0. S. 17—8. 

» A. S. G. B. das. 8—13. 



90 



Nur die Heuchelei und Falschheit der Pharisäer hat Jesus 
getadelt und gehasst, »aber in der Auslegung des Gesetzes 
stimmte er mit ihnen überein, sogar bezüglich jener Bibel- 
stellen, die von Christus handeln, nur dass sie (die Pharisäer) 
nicht glauben, dass er der Person nach dieser Christus 
sei.« Wfer daher ein wahrhaftiger Jünger Jesus und seiner 
Apostel sein will, muss in allem das mosaische Gesetz befolgen, 
so wie es die Juden thaten und noch thun, mit Ausnahme 
des einen und einzigen Punktes, dass die Juden »in ihrer 
Ruchlosigkeit und Verstocktheit es leugneten und leugnen, 
dass Jesus der von den Propheten vorhergesagte Messias sei.^ 

Das aber ist thatsächlich nicht geschehen, und geschieht 
auch heute noch nicht. Nicht lange nach Jesus Tode hat man 
seine Lehre verdreht und gefälscht, das Gesetz Moses verändert, 
und die bis dahin beobachtete, allein richtige jüdische Religiöns- 
übung theils umgestaltet, theils aulgehoben. »Nach dem Tode 
der Apostel ist bald, beinahe sofort, das lleidenthum zurück- 
gekehrt.« Es wurden Synoden abgehalten, in welchen Irrthümer 
und falsche Lehren als Glaubenssätze aufgestellt wurden, und 

. . . . was sie da erfunden, 
Haben spätere Geschlechter bis zum heutigen Tag behalten, 
Ohn' zu fragen und zu forschen, ob es gut so, oder schlecht sei. 

4 

Aehnliche Irrlehren hat später das Papstthum verkündet, 
»dessen gar viele unnütze Erfindungen man, nach Art der 
Heiden, blind befolgt.« 2 Nicht viel besser ist das »Lutherthum,« 
obwohl es viele Irrlehren der alten Kirche angegriffen und 
aufgegeben hat, »denn wo gäbe es eine grössere Papisterei, 
als wenn man Gott, dreifaltig* nennt« Noch ruchloser sind 
die Neu-Unitarier, die nach ihrem damaligen Oberhaupte 
ironisch Demetriaden genannt werden; »denn jene armen, 
unwissenden Leute — d. h. die übrigen christlichen Confessionen 
— handeln in ihrer Einfalt, diese aber mit Bewusstsein und 
aus offenbarem Verrath.« Ihr Bischof Demetrius, derselbe der 
das neue unitarische Glaubensbekenntniss aufgestellt hat, 
»bekräftigt nämlich, dass Gott nur Eins sei ; auch sagt er, es 

1 Das, Nr. 109, I., 1. Theil, 6—29 ; 2, Theil 18 ; ffl. 4—19 ; XH. 4—6 und 
44—66 ; Alt. Sabbatharierb. S. 13. 

« Das. Nr. 109, I., 2. Th., 16—17; XU. 71. 



91 



gibt kein Gesetz darüber, dass man Christus anbeten solle: 
nichtsdestoweniger lehrt er, man könne es thun.«! 

So sind denn alle bestehenden Kirchen von dem alten, 
wahren Glauben abgewichen, ja, sie haben ihn gefälscht: 

Anstatt des S a b b a t h s, sie den Sonntag halten, 
Das Passah sie zu Ostern umgestalten ; 
Zu Pfingsten machen kecklich sie das Fest des 
Fünfzigsten Tages. 

Das Neujahr und sein Fest thun kühn verwegen 
Vom Herbste in den Winter sie verlegen ; 
Sie halten keins von allen andern Festen — 
So wie die Heiden."* 

Der »abscheulichen Speisen« enthalten sie sich nicht; 
»das Unreine erklären sie für rein;« sie begraben ihre Leichen 
in den Kirchen, und verkünden dort zwischen unreinen Cada- 
vern und verbotenen Bildern, oder wie die Sabbatharier rundweg 
sagen: zwischen »Götzenbildern« das Wort Gottes. Aus den 
kleinen Glöckchen am Saume des hohenpristerlichen Kleides 
und aus der in den Psalmen erwähnten Zimbel haben sie 
Glocken gemacht, »von welchen in den heiligen Schriften 
nirgends die Rede.« Den gesammten Gottesdienst haben sie 
eigenmächtig umgestaltet; wider Gottes klares Gesetz »der 
Welt einen neuen Kalender an den Hals geworfen,« der nicht 
wie es die Bibel vorschreibt, nach dem Neumonde rechnet, 
wodurch sie »alle Fest- und Feiertage von ihrer Stelle gerückt 
und umgedreht haben,« mit einem Worte: in Sachen der 
Religion 

Sie Alles aus den Angeln hoben, verkehrten und verdrehten.* 

Das Gottesreich ist also noch immer nicht aufgerichtet; 
noch immer herrscht Irrglaube und das alte Heidenthum, und 
die messianische SenduagJesus hatte demnach keinen dauernden 
Erfolg. Die Vorhersagoingen, weiche die Propheten an das 
Erscheinen des Erlösers knüpften, sind nicht in Erfüllung 
gegangen, was schon daraus hervorgeht, dass die Juden »noch 

1 Alt. Sabbatharierb., a. a. 0. S. 142—3. 
» Lehrgedichte, a. a. 0. Nr. 109, XIIL 2—3. 

» Das. No. 109, I., 2. Theil, 30; XIU, 2—3 und 23—4; XIV. 9—20; XV. 
i— 6 ; 10—12 und 20— 23w 



92 



immer im Exile sich befinden, in langer Knechtschaft, grossem 
Leid(c, und dass »der Same Jacobs noch nicht im Besitze des 
ihm verheissenen Reiches ist.«^ 

Wie ist diese Thatsache zu erklären ? 

Das Sabbatharierthum hat diese, von seinem Standpunkte 
schwer zu beantwortende Frage ursprünglich so zu lösen 
versucht, dass es in sein Glaubensbekenntniss den Chiliasmus 
einbezog, über w^elchen damals im Lager der Reformation 
viel disputirt wurde, und über welchen auch Franz Davidis 
angeblich ein Buch geschrieben haben soll.^ Nur haben die 
Sabbatharier die Lehre von dem Erscheinen Christi und seinem 
tausendjährigen Reiche auf Erden in dem Sinne gefasst und 
weiter ausgebildet, dass sie in ihr den Ausgleich des Gegen- 
satzes zwischen dem Judenthume und dem Christenthume 
suchten und gefunden zu haben glaubten. 

Nach ihnen ist »der Neue Bund nur theilweise zustande 
gekommen.« Jesus hat nämlich während seines Erdenwallens 
seine Mission nicht ganz erfüllen können. Die Hartnäckigkeit 
der Juden, sowie die Schwäche und Unbeständigkeit der von 
ihm und seinen Aposteln bekehrten Heiden haben sein Erlösungs- 
werk behindert, so dass es nicht vollendet werden konnte. 
Nur jene seiner Zeitgenossen, die ihn anerkannten und an ihn 
glaubten, »sind durch seinen Tod erlöst worden, nicht aber 
ihre Kinder und deren Nachkommen. Nur auf Jene bezog sich 
der Neue Bund, »aber er wirkt nicht noch auf spätere 
Geschlechter, um wie viel weniger auf die gegenwärtigen.« 
Auch die Apostel schrieben nur für ihre Zeitgenossen; nach 
ihrem Tode ist der Neue Bund suspendirt worden, 
»und diese ganze Welt verblieb im alten Bunde.«» 

Aber Gott wird, wenn die Zeit dafür gekommen, Jesus 
von neuem zur Erde niedersenden 

Auf dass er, was Gesetz und Gottes Wille, 
Erneure und in Allem ganz erfülle, 
Und Schmerz und Leiden von der Erde schaffe, 
In Summa : eine neue Welt erschaffe.* 

1 Das. IL 9—11 und A. S. G. B. 52, 7. 

* Alexius J a k a b, a. a. 0. S. 178. 

3 Lehrgedichte a. a. 0. S. Nr. 109, IL und ausführlicher das. Xu.; Alt 
Sabbatharierb. a. a. 0. S. 20 und 79. 

* Lehrgedichte Nr. 109. XU. 36—7 ; Alt. Sabbatharierb. a. a. 0. S. 146. 



93 



Dann schlag"! für Israel die Stunde der Befreiung, Jerusa- 
lem wird neu erbaut, alle Menschen auf Erden leben so wie die 
Engel im Himmel nach dem Willen Gottes, und 

Jesus sitzt sodann auf Davids Thron in Jakobs heil'gem Hause, 
Herrscht als König aller Gläub'gen glorreich in dem neuen Bunde, 
In dem Himmelreich des Geistes auf dem ganzen Erdenrunde. ^ 

Bis dahin muss der wahrhaft Gläubige ein heiliges Leben 
führei;i und, die Ankunft Jesus erwartend, sich für das Gottes- 
reich würdig vorbereiten. 

Worin besteht aber diese Vorbereitung ? Wie kann man 
in Wahrheit ein heiliges Leben führen? 

Man muss das Beispiel der Heiligen befolgen, andächtig 
aus ganzem Herzen beten, Almosen geben, nüchtern und 
massig leben, fasten, vor allem aber auf die Mahnung 
Jesus hören,und das noch immer bindende Gesetz, 
d. h die Lehre Mosis befolgen. 

Das thut aber zur Zeit nur e i n Volk auf dem ganzen 
Erdenrund: das Volk der Juden. 

Ausser unter Juden sehen nirgends wir Gerechte, 
Nirgends auch den Glauben, der zum Heile führen möchte ; 
Wahren Glauben, echten. 
Nur bei ihnen finden die Gerechten.^ 

Alle übrigen Völker haben das Gesetz von sich geworfen 
und sind, wie es die Sabbatharier, in dem damals üblichen 
Tone roher Unduldsamkeit, rund heraus sagten, ungläubig und 
blind, thöricht und dumm, Heiden und Götzendiener. ^ 

Wohl wahr, die Juden haben Jesus nicht erkannt, und 
darin haben sie schwer gefehlt; auch haben sie diesen Fehler 
schwer büssen müssen: »aber deshalb darf man das Volk 
Gottes, welches er als seinen Augapfel* bezeichnet hat, nicht 
fälschlich »ungläubige Juden schelten.« Denn bei ihm hat sich 
das alte, allein wahre Gesetz erhalten, »in welchem wir, 

i Das. IL 14; vgl. A. S. G. B. 15, 5; 43, 16—19; 38, 5 und namentlich 
das PessahUed das. 50. 

» A. S. G. B. 43, 6 und Lehrgedichte No. 109. L, 2. Theil, 18 

» So wiederholt in den Lehrgedichten ; vgl. A. S. G. B. 36, 10 ; 37, 8, 9 
und 11; 41, 4; 43, 5 u.. s. w. 

* Anspielung auf Zachar. 2. 12. . 



94 



selbst wenn wir keinerlei Schrift über Jesus 
besässen, den Weg zur Seligkeit vollständig vorgezeichnet 
fänden.« Dass sie aber Jesus tödten Hessen, war nur der 
damaligen Juden Schuld, »denn nicht tragen Kinder die Schuld 
der Väter,^ um wie viel weniger die noch späteren Geschlechter.« ^ 

Darum hat Gott die Juden auch in ihrer gegenwärtigen 
Verbannung nicht verworfen. Dass dem so ist, beweist, neben 
der diesbezüglichen göttlichen Verheissung,' unter anderem 
auch der folgende bemerkenswerthe Umstand. Die Juden 
nämlich helfen und unterstützen sich gegenseitig derart, dass 
trotz ihrer armseligen Lage »auch nicht einer von ihnen an 
die Thüre eines Andersgläubigen pocht.« Die christlichen 
Völker hingegen — wie es die Sabbatharier in dem von Innern 
und äussern Kriegen schwer heimgesuchten Siebenbürgen oft 
genug erfahren mussten — wühlen und hetzen gegeneinander 
und schädigen und zerfleischen sich gegenseitig. 

Die Juden sind also noch immer Gottes auserwähltes 
Volk; »es gibt unter dem Himmel keine Menschen, kein Volk 
und keine Nation, die Gott, so wie die Juden, auserkoren 
hätte.«* Ihnen gab er seine heilige Lehre; ihnen vertraute er 
die Auslegung derselben an, und sie haben, auf Grund verläss- 
licher Traditionen, das Gesetz auch richtig gedeutet und 
angewendet: 

Seit Moses haben die gesammten Heil'gen Bücher sie erklärt, 
Wie die Propheten und die jüd'schen Weisen deutlich es gelehrt.^ 

Die Richtigkeit ihrer Erklärung hat auch Jesus anerkannt, 
der »alle Lehren der im Stuhle Moses sitzenden Schriftgelehrten 
gutgeheissen hat.«^ 

Dieses richtig ausgelegte Gesetz haben die Juden treulich 
bewahrt, und sie üben es noch heute, »denn ihnen besteht 
für ewig die göttliche Verheissung und der mit Abraham 
geschlossene Bund,« Darum »kommt das Heil von den Juden ;^ 

i 5. B. Mos. 24, 16 ; 2. B. d. Kön. 14, 6. 

2 Lehrgedichte a. a. 0. Nr, 109. XH. 45—56; vgl. das. I., 2. Theil 18—19. 

3 3. B. Mos. 26, 44. 

4 A, S. G. B. .64, 1 und 36, 10. 

6 Lehrgedichte a. a. 0. 109. XIL 64; vgl. das. 110, IV. 16. 

6 Das. 109. Xn. 64; vgL das. I., 2. Theil 31— 4-. lü. 2— 13 und 110, IV. 16. 

' Nach dem Evang. Johann. 4, 22. 



95 



sie sind die Führer der Blinden.« In Sachen der Religion 
muss man, mit Ausnahme des Glaubens an Jesus, sich in allem 
nach ihnen richten: 

Wer selig werden und das Heil will finden, 

Der muss der Juden Glauben halten, und sonst nichts Andres. 

Von den jetzigen Juden unterscheid' uns bloss 

Das Eine, dass Jesus wir als Christus^ anerkennen. 

Sonst aber suchen wir den Weg des Heils, 

Dies Eine ausgenommen, mit ihnen in Gemeinschaft. 

Der gute Heide muss, so wie's der Jud& 

Thut, glauben, leben und übers ewige Heil auch denken.* 

Das von den Führern der Sabbatharier ausgegebene 
Losungswort lautete: »Lasst uns in Gemeinschaft 
mit den Juden Gott v erehren!«' Sie und ihre Anhänger 
sprechen es frei und offen aus, dass sie, was den Glauben 
anbetrifft, sich als Juden fühlen, und in einer ihrer Sabbathhymnen 
sangen sie: 

Wir wählten Dein Gesetz, an dem in Treu' wir hangen, 

Ins Lager Israels sind freudig wir gegangen. 

Wohl schmäht man's viel und spricht 

Voll Hohn, verachtungsvoll von ihm — uns kümmert's nicht.* 

Sie selber sind zwar nicht Nachkommen des auserwählten 
Volkes, aber — und das ist ein Gedanke, den sie nicht oft 
und nicht nachdrücklich genug betonen können — Gott hat, 
obwohl er das Gesetz nur den Juden gegeben, »zur Beobachtung 
desselben mit grosser Liebe Juden und Heiden gleichmässig 
aufgefordert.« Wer immer es annimmt und sich freiwillig ihm 
unterwirft, »empfängt im Verein mit den Juden ewigen Lohn.«^ 

Gefällig ist vor Gott der Heide, der bekehrt 
Sich anschliesst Seinem Bund, und übt, was dieser lehrt; 
Und wer die Feste feiert, so wie es Gott begehrt, 
Der ist ihm lieb und werth.« 

^ D. H., als den Gesalbten, M a s c h i a c h ; s. ob. S. 82. 
» Lehrgedichte, a. a. O. 109, III. 17—20; vgl. des. L, 2. Theil 31—4; 
XII. 57—64; 110, IV. 16; A. S. G. B. 2, 2 und 60, 17, sowie ob. S. 90. 
» A. S. G. B. 60, 17. 

* Das. 48, 7. 

» Das. 43, 8; vgl. das. 36, 1 und 5; 2 1 ; 23, 17 ; 41, 3—4; 58, 7 ; Lehr- 
gedichte No. 110, IIL 24 u. s. w. : 

• A. S. G. B. 51, 3. 



96 



Solche Bekehrte sind sie. Sie haben sich »vom Heiden- 



thume losgesagt« und das jüdische Gesetz angenommen; so 
sind auch sie ein heiliges Volk geworden, »Juden im Geiste.«^ 

Wir können Abraham nicht Vater nennen, 
Noch auch als seinen Samen uns erkennen ; 
Sind wir von Japhets Hause doch die Sprossen* 
Und schnöder Heiden Kinder und Genossen. 

' Doch wir erkannten unsres Volkes Blindheit, 

Und wir durchschauten seine blöde Thorheit; 
Drum seine Irrthümer wir nicht mehr mögen, 
Nicht gehen fürder wir auf seinen Wegen. 

Nur Dein, o Vater, wollen wir uns freuen, 

Nur Dir, Allgüt'ger, Herz und Geist noch weihen, 

Der Du als Heiden nahe uns Dir brachtest, 

Zu Kindern uns des grossen Abrah'm machtest.^ 

Zum Schlüsse noch einige Worte über die Eschatologie 
das alten Sabbatharierthums. 

Die alte Behauptung, dass es unter den ersten Sabbathariern 
»auch solche gegeben habe, die weder an die Auferstehung, 
noch an Paradies und Hölle, weder an den Satan noch an 
Engel, ja vielleicht nicht einmal an Gott glauben,« ist bereits 
nach der ersten objectiven Untersuchung des Alten Sabbatha- 
rischen Gesangbuches fallen gelassen und als »unbilliger 
Angrift des Confessionalismus'« zurückgewiesen werden.* 
Satan, Hölle und Paradies, letzteres mitunter unter der bei den 
Juden üblichen, hebräischen Bezeichnung G a n-E den (Garten 
Eden), sind Begriffe, die, wie in der gesammten Literatur dieser 
Zeit, so auch in der sabbatharischen eine hervorragende Rolle 
spielen, ß 

1 Das. 72. 14. 

^ Eine alte ungarische Tradition lässt die Magyaren von den Kindern des 
biWtschen Japhet abstammen; s. darüber, mein „Heber Kütforrasok 6s adatok 
Magyarorszäg törtenetehez" (Hebräische Quellen und Daten z. Gesch. v. Ungarn) 
S. 4— 6. 

3 A. S. G. B. 27, 8—10 : vgl. das. 36, 4 ; 37, 8 ; 41, 3 ; 54, 24; 56, 3-4. ; 
60, 10; 62, 28; 71. 4—5 ; 93, 6 u. s. w. 

* Die Anklage s. bei Stephan Katona v. Gelej a. a. 0., Vorrede u. S. 
271, die Zurückweisung derselben bei Lugossy a. a. 0. S. CXXXVIII. 

6 A. S. G. B. 17,9; 37,4; 43,3; Lehrgedichte, • 105, 4 (Gan-Eden) u. s.w. 
Vgl. Altes Sabbatharierbuch a. a. 0. S. 12. 



97 



Die Sabbatharier glaubten nämlich au« tiefster Ueberzeugung 
an die Unsterblichkeit der Seele und an die Vergeltung im 
Jenseits. Ueber die Strafe, welche die Verdammten zu erleiden * 
haben, sprechen sie sich nicht näher aus. Die Belohnung, 
welche der Gerechten im Paradiese wartet, stellen sie als eine 
rein geistige dar, als »ein Leben, welches der menschliche 
Verstand nicht erfassen kann:« 

Schrecken, Kummer, Sorge, Furcht und Schmerz und Mühe 

Quälen, drücken dort nicht mehr ; 

SeUg, wie die Engel, leben dort die Frommen 

Ewig, strahlend, rein und hehr.* 

Deshalb lehren sie auch, dass man »Fromme, wenn sie 
sterben, nicht allzuviel beweinen, nicht über Gebühr beklagen 

S0ll.((2 

Eigenthümlich ist die Ansicht der ersten Sabbatharier 
über die Auferstehung der Todten. Sie ist unter dem Einflüsse 
des Chiliasmus entstanden, und lehrt zwei verschiedene 
Auferstehungen. 

Wenn Jesus wieder erscheint, um das tausendjährige 
Gottesreich auf Erden aufzurichten, werden die Todten aufer- 
stehen, aber nicht alle, sondern nur die Heiligen Gottes, 
die treuen Hüter des Gesetzes. Diese werden »mit Abraham, 
Isaak und Jakob zu neuem Leben erwachen«, und unter ihnen 
auch die verstorbenen Sabbatharier. Das ist die erste, aber 
nur theilweise Auferstehung, welche gleichzeitig mit dem 
Wiederaufbau Jerusalems und mit der Befreiung Israels zu 
erwarten ist. Nach Ablauf des Millenniums erfolgt die zweite, 
allgemeine Auferstehung, welche das Weltgericht bringt. 
Dann werden alle Todten auferstehen, die Guten wie die Bösen, 
die Gläubigen wie die Ungläubigen: die Ersteren, um ewigen 
Lohn zu empfangen, die Letzteren zur ewigen Verdammniss.* 

» Das. 86, 6; vgl. das. 4, 12 ; 36, 6~6; 41, 7 u. 16 und Lehrgedichte 
a. a. O., No. 109, V. 11—13 u. e. w. 

• Das. 103, 21 ; vgl. Talm. Babl. M o e d-K a t o n 27-b. 

» Das. 13, 3—5; 41, 16; 36, 6; 67, 19—20; 86, 3; vgl. Daniel 12, 2. 



98 



Verbreitung und Schicksale des Sabbafharier- 
thums in der ersten Periode seiner Geschichte. 

(1588-1623) 

.[ Die in den Eingangscapiteln gekennzeichneten allgemeinen 
Verhältnisse, speziell die Vorgänge innerhalb der siebenbürgisch- 
unitarischen Kirche hatten die Gemüther für die Lehre Andreas 
Eössi's empfänglich gemacht. Die durch ihn gestreuten Saaten 
fielen auf fruchtbaren Boden und schössen schnell und üppig 
auf. Die neue Religion des szekler Edelmannes fand, zumal 
im Szeklerlande, zahlreiche Anhänger, die sich rasch vermehrten. 
Alle Anstrengungen, welche die Kirche und die Staatsgewalt 
zu ihrer Unterdrückung machte, blieben erfolglos, denn die un- 
sicheren politischen Verhältnisse und inneren und äusseren Kriege 
begünstigten das Emporkommen des Sabbatharierthums. 

Die für religions- und staatsgefährlich erklärte Secte hatte 
ungefähr sieben Jahre nach ihrer Entstehung bereits >eine 
derartige Verbreitung gefunden, dass sie die Aufmerksamkeit 
der Gesetzgebung auf sich . zog. Der für den 16. April des 
Jahres 1595 nach Karlsburg einberufene I^andtag erliess zur 
Unterdrückung derselben ein strenges.; GesejÄ,^ mit dessen 
Ausführung Benedict Mindszenti, Oberkapitain des Udvarhelyer 
Szeklerst^hles betraut wurde, der die Sabbathari^r eine Zeitlang 
auch heftig verfolgte. Indessen machten politische Verwickliingen 
dieser Verfolgung bald ein Ende ;2 doch ordnete der. wällachische 
Wojwode Michael, als er den Fürstenstuhl Siebenbürgens vorüber- 
gehend usurpirte, im Jahre 1600 von. neuem die Bestrafung 
der Sectirer, unter anderem die Confiscirung ihrer Güter an.' 
Einen ähnlichen Befehl erliess» im Jahre 1607.. Purst- Siegnmnd 
Rdköczy.* Aber schon der, während der Regieipung Gabriel 
Bathoris, im Jahre 1610 in Bistricz tagende Landtag fand ^eS; für; 
nöthig, wieder Folgendes zu beschliessen: »Es gibt Viele 
im Lande, welche... jüdischen G 1 a u b; e ni »und 
jüdische Riten befolgend, gotteslästerlich r^den. .Darum 



i ) -■ 



'* Monum. Gomitialia Regni Transsylvatiiae III. S. 348. ' 

* Josef K e m 6 n y und Stephan Koväcsv. Nagyajta, Erdölyorszäg 
tört6neteinek tära (= Repertoir siebenbürgischer Geschichten) U. S. 3. 

3 M i k ö, a. a. 0. I. S. 29. 

* Monum. Gomit. V. S. 401. 



99 



beschlossen die StSnde^ dass Se. Fürstliche Hoheit die zu 
dieser Religion sich Bekennenden vor den nächsten Landtag 
citiren lasse, wo sie, wenn sie »ich nicht ad meliorem mentem 
bekehren, nach dem Gesetze bestraft werden sollen. Interim 
sollen die Geistlichen, die solche Lästerungen ausgespochen 
haben, unter ehrenhafter Custodie gehalten werden.«^ 

Nichtsdestoweniger fand Fürst Bethlen bereits im Jahre 
1618 sich bemüssigt, den in Klausenburg versammelten Ständen 
einen »Gesetzentwurf gegen die Sabbatharier, oder Judenzer» 
vorzulegen. Der Landtag wird aufgefordert, »die Autoren, 
Promotoren und Fautoren dieser Secte ausfindig zu machen,« 
und sie sowie ihre Anhänger rücksichtslos »an ihrer Person 
und an ihren Gütern tu strafen.« Der Landtag fasste daraufhin 
»für ewige Zeiten den unabänderlichen Beschluss,« dass die 
Sabbatharier, welche sich bis zum nächsten Weihnachtsfeste 
nicht zu einer der recipirten christlichen Religionen bekehrt 
haben werden, in Anklagezustand versetzt und nach der vollen 
Strenge des Gesetzes bestraft werden sollen.* 

Die über die Anhänger der neuen Religion verhängten 
harten Strafen wurden oft unbarmherzig vollzogen. Ihre Schriften 
und Bücher wurden confiscirt und, wie es im Jahre 1600 in 
Maros-Väsärhely geschah, auf dem Pranger verbrannt. ^ Ihre 
Habe wurde eingezogen, sie selber wurden in den Kerker 
geworfen und »mit Todtschlag und Geisselung« blutig verfolgt, 
so dass viele den heimischen Herd verlassen und in den 
Bergen eine Zuflucht suchen, noch andere sich ausser Landes 
retteü . mussten. 

Ueber die Einzelheiten dieser ältesten Verfolgungen, d. h. 
jener, welche in, der ersten Periode der Geschichte d^s 
Sabbatharierthums (1588 — 1623) stattfanden, wissen wir nur 
wenig Genaues, Aberi die Verfolgungen müssen zeitweilig 
äusserst heftig und grausam gewesen sein, nach den bittern 
Klagen zu urtheilen, welche uns, als der Aufschrei glühenden 
Schmßi^zes, .aus dfeu; sahbathari sehen Ljedern dieser Zeit 
entgegenklingen. 

In einem ihrer Sabbathlieder, zum • Beispiel, fteheri ^ie zu 
Gott, dem »Hüter der auserwählten' Heiligen,« er möge auf 



1 Das., VI. S. 170. 

« Das. VII. S; 488. i 

3 M i k ö, a. a. 0. I. S. 80. 



! • • • . . /•/ 



109 

ihre gerechten Klagen hören, nicht gestatten, dass des Satans 
Tücke sie der Wahrheit abtrünnig mache, dass die schwache 
Gottespflanze, die inmitten der Heiden Wurzel gefasst, wieder 
aufifgerissen, ihre kleine Gemeinde, die den rechten Weg gefunden, 
durch die Gewalt vernichtet werde. Sie werden verfolgt und 
mit Füssen getreten, weil sie den Sabbath feiern; wenn Gott 
sie nicht in seine Obhut nimmt, sind sie verloren.^ Und wie 
ergreifend klingt nicht die Klage in einem andern ihrer 
religiösen Gesänge: 

Unsres Glaubens wegen müssen Vater, Matter 

Wir Verlassen, müss'n aufgeben 

Heifnatsland, der Väter Erbe, Weib und Kinder 

Alles, Alles, selbst das Leben. * .. 

< ' ' ' ■ ' ' 

Flüchtig müssen wir viel Elend und viel Jammer 

Dulden und viel Schmach erleiden ; 

i . ' V^ir ertragens gern, nur lass uns noch erschauen, 

; ' Herr, des letzten Sabbaths* Freudea. . i 

Kannst Du's dulden, sehn, wie man der Wahrheit wegen 

Uns verfolgt und grausam richtet ? 

Wie die Drachenbrut mit ihren gif t'gen Zähnen 

Auf uns frisst und uns vernichtet ? 

Weil fromm wir, gehorsam Dir als treue Kinder, 
Trachtet man uns nach dem Leben ; 
Dem Gesetz uns zu entreissen, hat man Schlägen 
i Blut'gem Tod uns preisgegeben.^ 

Zur Strenge des Gesetzes gesellte sich der Hass und die 
Verachtung der Gesellschaft. Die vier «ich gegenseitig bekäm- 
pfenden Religionen waren einig in der Verurtheilüng des 
»verfluchten, gottlosen, teuflischen Judaismus*,« dessen Anhänger 
überall mit beissendem Spott, oder mit Flüchen empfangen 
wurden.* Aber weder das Gesetz, noch die Gesellschaft ver- 
mochten des Erstarken der neuen Secte zu verhindern. 

Die zur Unterdrückung des Sabbatharierthums erlassenen 

i A. S. G. B: 43, 1—9. 

> »Letzter Sabbath/ die bei den Sabbathariem übliche Bezeichnung für 
die Zeit des Messias, die einen, ununterbrochenen Sabbath bilden wird, 
wahrscheinlich dem hebräischen „jom hchekullo schabbath" der Juden nachgebildet. 

» A. S. G. B. 86, 2 und 5; vgl. das. 4, 2 ; 43, 1—9; 52. 11—12. 

* Das. 43, 10-11. 



101 



strengen Gesetze blieben, wie deren häufige und rast3h auf- 
einanderfolgende Wiederholung beweist, ohne dauernde Wir- 
kung. Die Fürsten waren durch Zerwürfnisse und Parteiungen 
im Lande, sowie durch auswärtige Kriege vollauf in Anspruch 
genommen, die Behörden aber unterliessen es in den meisten 
Fällen gegen die Sectirer vorzugehen. Entweder bemerkten 
sie die äusserlich einer der anerkannten Kirchen angehörigen 
Sabbatharier wircklich nicht, oder sie wollten sie nicht 
bemerken, weil sie häufig in verwandtschaftlichen, oder freund- 
schaftlichen Beziehungen zu ihnen standen, oder gar selber 
Sabbatharier waren. Die hochgestellten Staatsbeamten und 
einflussreichen Persönlichkeiten, die, wie wir sehen werden, 
in verhältnissmässig grosser Anzahl geheime Anhänger der 
neuen Religion waren, konnten wohl das Zustandekommen 
der gegen ihre Glaubensgenossen gerichteten Gesetze nicht 
verhindern, aber sie haben es vermocht, deren Durchführung 
hintanzuhalten^ oder deren Strenge zu mildern. 

Die zeitweilige Härte und Unterdrückung, unter welcher 
die ersten Sabbatharier zu leiden hatten, steigorte nur, wie 
dies in solchen Fällen gewöhnlich zu geschehen pflegt, den 
religiösen Eifer der Verfolgten. Sie wurden Fanatiker, bereit, 
für ihre Ueberzeugung zu dulden, und für ihren Glauben 
freudig das Schlimmste zu ertragen. Die Spottnamen, mit 
Avelchen man sie belegte, betrachteten sie als Ehrennamen; 
beschimpfte man sie, so freuten sie sich dessen, und blickten 
mitleidig auf »die Blinden und Thörichten,« welche in ihnen 
Gott und sein Gesetz verlästern. Quälte und strafte man sie, 
flehten sie zu dem Gotte Abrahams, Isaaks und Jakobs um 
Kraft und Ausdauer, ermunterten und ermuthigten sich gegen- 
seitig, weder der Gewalt, noch der Ueberredung zu weichen, 
sondern die Leiden als gottgesandte Prüfungen mannhaft und 
freudig zu ertragen, denn. 

Der Goldschmied pflegt das edle Erz im Feuer 

Zu läutern, zu erproben : 
Uns prüft und läutert Gott durcji Wuth der Frevler. 

Ihre Verfolger können ihnen nur vorübergehendes Leid zufügen, 
aber die wahre, dauernde Seligkeit vermögen sie ihnen nicht 
zu rauben, ja, diese wird ihnen umso gewisser, je mehr sie 



ilQ2 

leiden^ Drum vergiessen sie freudig ihr Blut; »mögen sieh Jene 
.damit mästen.»^ 

Mitunter, wenn man gar zu grausam gegen sie verfuhr, 
flehten sie den Fluch und die Strafe Gottes herab auf die 
Häupter ihrer Verfolger : 

Lasst zu Gott, dem Henn, uns beten, 
Dass er schirm' sein Volk in N^then, 
Unsrer Feinde Haupt zerschmettre, 
Blitze auf sie niederwettre. • 

In der Regel aber beteten sie für die Ungläubigen, die 
sie verfolgen, auf dass sie sich bekehren und »es einsehen 
mögen, dass sie so ferne vom Heile seien, wie wir es gewesen, 
so lange wir ihren falschen Glauben theilten.«^ Fest und uner- 
schütterlich war ihr Glaube, dass die Wahrheit schliesslich 
siegen, und das Sabbatharierthum triumphiren werde, wenn 
nicht früher, so doch gewiss dann, wenn Jesus wiederkommen 
und sein tausendjähriges Reich errichten wird: 

Dann kommt für unsem Frieden, unsre Freiheit, 

Wir glaubens fest, die Stunde, 
Wo Du vergiltst und zahlst mit hohem Lohne, 
Für Leid und jede Wunde. 

Und als Ersatz die heiPge Stadt, die reiche, 

Uns neuerbaut wirst geben ; 
Dann haben vor'ra Panduren und den Schergen 
Wir nimmermehr zu beben.* 

Dieser feste Glaube, der sich in allen ihren Liedern offen- 
bart, war selbstverständlich ganz danach angethan, die Sabba- 
tharier zu ermuthigen und zum Ausharren und freudigen 
Dulden zu ermuntern. Das im Nachfolgenden erzählte Ereigniss 
zeigt uns die eigenthümliche Gedankenwelt, in welche sie sich 
vollständig eingelebt, man kann wohl sagen, eingesponnen hatten. 

Als Siegmund Bäthori im Jahre 1597 gegen Sinan Pascha 
ins Feld zog, hielten die Sabbatharier den Sieg des Letzteren 

* Lehigedichte, a. a. 0. Nr. 106, 18—20; 108, 8—9; vgl. A. S. G. B. 1—12 : 
4, 7-8- 29,. 8-9; 43, 3—11. 

« A. S. G. B. 21, 1; vgl. das. noch 3—5. 

3 Lehrgedichte, a. a. 0. Nr. 109, L, 1. Th. 41—2; vgl. das. XI, 26—7 
und A. S, G. B. 29, 7—8. 

* A. Sw G. B. 86, 3—4; vgl. das. 7—11; 8, 9; 36, 25; 43, 16— ISu.s. w 



103 



für gewiss, und zwar nicht aus politischen, noch weniger aus 
strategischen Gründen, sondern sie waren »zu dieser Einöicht 
gelangt«, weil man in ihrem Lande, in Siebenbürgen, »an drei 
Götter glaubt«, was »länger nicht so fortgehen kann.« Der 
eine Gott hat deshalb die ihn anbetenden Türken zur Geissei 
bestimmt, um das ungläubige Siebenbürgen zu züchtigen. Von 
dieser Ueberzeugung ausgehend, sahen sich die Sabbatharier 
in Maros-Väsärhely genau in derselben Lage, in welcher sich, 
nach dem 2. Capitel des Buches Josua, einst Rahab in Jericho 
befand, welche zwischen Heiden lebend, vorhersah, dass die 
an den einen Gott glaubenden Juden siegen werden. Da 
beschlossen sie denn, dem Beispiele der Rahab zu folgen, von 
dem herannahenden Feinde Gnade zu erbitten, und ihm ihre 
Häuser durch gewisse Zeichen kenntlich zu machen, damit sie 
von den plündernden Janitscharen verschont bleiben. Sie ver- 
fassten und unterschrieben den folgenden Brief: 

»Mächtiger Pascha ! 

»Der eine Gott segne mit allem Guten Dich und den 
mächtigen, unbesiegbaren Kaiser, und die ganze Nation der 
Muselmanen! 

»Ferner : Wir, zu Maros-Väsärhely in Siebenbürgen woh- 
nenden armen Menschen, die wir auch kein Schweinefleisch 
essen, noch auch ein anderes, unreines Thier, und nur einen 
Gott bekennen, nicht aber d r e i e, sind zu der Einsicht gelangt, 
dass daö nicht länger so fortgehen kann, sondern dass der 
eine Gott die Herrschaft ihnen wegnehmen, und die Ungarn 
ausliefern werde dem mächtigen Kaiser und der türkischen 
Nation. 

»Darum flehen wir armen Menschen zu dem mächtigen 
Pascha, dass er Barmherzigkeit übe an uns an dem Tage, an 
welchem die Soldaten des mächtigen Kaisers unsere Stadt ein- 
nehmen und plündern werden. Damit sie aber unsere Häuser 
erkennen, geben wir ein solches Zeichen auf unsere Häuser, 
dass die Soldaten des mächtigen Kaisers sie gar leichtiglich 
werden erkennen können. Und die Truppen des mächtigen Kai- 
sers sollen uns sodann kein Leid anthun, wofür der allmäch- 
tige Gott den mächtigen und unbesiegbaren Kaiser und die 
ganze Nation der Muselmanen mit Glück und allem Guten seg- 
nen wird. 



104 



»Gegeben zu Maros-Väsärhely in Siebenbürgen - den 15. 
Juli 1595. 

»Wir, die armen, elenden Knechte, aber sehr g'uten 

Freunde des mächtigen Pascha und der gasammten türkischen 

Nation: 

Thomas Borsos, m. p. 
Gaspar Szabö, id. p. 
Melchior Sza'bö, m. p. 
Nikolaus Eötvös, nup. 
Peter Eötvös, id. p. 

»Die wir nur einen Gott bekennen, kein Schweinefleisch 
essen, und mitsammt den übrigen Genossen die armen Sclaven 
des mächtigen Pascha sind.« 

Die Schreiber dieses Briefes, wie der Chronist, dem wir 
diesen Bericht verdanken, erzählt: »Kürschner, Schneider, 
Schmiede und ähnliche Handwerksleute,« dachten in ihrer 
frommen Einfalt offenbar nicht im entferntesten daran, dass 
ihr Vorgehen hart an Landesverrath streife. Rahab, welche 
inmitten eines heidnischen Volkes lebend, Rettung fand, indem 
sie sich des Schutzes und der Freundsehaft des siegreich 
vordringenden Gottesvolkes versicherte, ist eine von der spä- 
teren Tradition verherrlichte, biblische Gestalt.' Die Sabba- 
tharier konnten, indem sie das Beispiel dieser Frau be- 
folgten, ihrem festen Glauben nach, nichts Böses thun, son- 
dern nur einen gottgefälligen Vorgang nachahmen. Das die 
biblische Darstellung nachahmende, hie und da die Worte 
Rahabs benutzende Schreiben,^ sandten sie nach Mako an einen 
ihrer dortigen Glaubensgenossen, damit er es nach Temesvär 
trage und Sinan Pascha übergebe. Der Bote wurde jedoch 
aufgefangen, und der Brief dem Fürsten Bäthory überbracht, 
der unter wilden Flüchen den Befehl ergehen Hess, die Sabbatha- 
rier von Maros-Väsärhely einzukerkern. Ein Theil derselben 
konnte noch rechtzeitig die Flucht ergreifen, die Uebrigen 
brachte man gefesselt nach der Festung Görgeny. Als jedoch 
der Fürst im Herbste als Sieger heimkehrte, kümmerte er sich 

* Sie wurde eine fromme Proselytin, unter deren Nachkommen acht Pro- 
pheten waren, darunter auch Jeremias und die Prophetin Hulda. Die diesbezüg- 
lichen Angaben der jüdischen Tradition s. Jalkut Schim'oni zu Josua, 
Nr. 327. 

» V|^L mit dem Texte des Briefes Josua 2, 9—10, 12 und 18. 



105 



nicht weiter um sie und that, als ob er ihrer ganz vergessen 
hätte. »Die Flüchtlinge, die sich verborgen hielten, kamen um 
Weihnachten in ihre Häuser zurückgeschlichen, und es wider- 
fuhr ihnen keinerlei Unbill ; die in Görgeny Inhaftirten Hess 
man im nächsten Sommer nachhause, ohne sie weiter irgend- 
wie zu bestrafen.^ 

Das Alles geschah in der zweiten Hälfte des Jahres 1595, 
kaum drei Monate nach der oben (S. 98) erwähnten strengen 
Verordnung, welche der Landtag gegen die Sabbatharier 
erlassen hatte. So wenig kümmerten sich diese um die gegen 
sie getroffenen gesetzlichen Bestimmungen, und so wenig 
konnte, oder wollte man sie mitunter die Strenge des Gesetzes 
fühlen lassen. Thomas Borsos, (spr. Borschosch), des Chronik- 
schreibers und Maros-Väsärhelyer Bürgermeisters Sebastian 
Borsos' Sohri, der das Oberhaupt der dortigen Sabbatharier 
war, und ihren an Sinan Pascha gerichteten Brief an erster 
Stelle unterschrieben hatte, erscheint bald nach dem hier 
erzählten Ereignisse als Bevollmächtiger seiner Vaterstadt in 
wichtigen Missionen, später sogar wiederholt als siebenbür- 
gischer Gesandter in Konstantinopel.- 



Verbreitung und Schicksale des Sabbatharier- 
thums in der ersten Periode seiner Geschichte 

(1588—1623.) 

(Schluss.) 

Bei der festen Ueberzeugung^ welche die Sabbatharier von 
der Wahrheit ihrer Religion und dem endlichen Siege derselben 
hegten, bei ihrer bis zum Fanatismus gesteigerten frommen 
Begeisterung und bei der rührigen Thätigkeit, die sie, nament- 
lich auf literarischem Gebiete, im Interesse ihres Glaubens 
entfalteten, konnte es unter den ihnen günstigen äussern Ver- 
hältnissen nicht fehlen, dass die gesetzlich verbotene und ver- 

* Den ungarischen Text des oben mitgetheilten Briefes und die damit 
zusammenhängenden Ereignisse s. Mikö, a. a. 0. I. S 30—33, Josef Kem6ny 
und Stephan Koväcs v. Nagyajta, a. a. 0. II. S. 3. flg. 

* K e m 6 n y und Koväcs a. a. 0. das. ; Mikö, a. a. 0. I. S. 95, und 
Törtenelmi Tär (Repertorium für Geschichte, das Organ der üng. Historischen 
Gesellschaft) Jahrg. 1881, S. 630. 



t06 



folgte Secte, trotz ihrer Fremdartigkeit und trotz den mannig. 
fachen Entbehrungen, die sie den Gläubigen auferlegte, in den 
ersten Jahrzehnten nach ihrem Entstehen immer mehr erstarkte 
und Verbreitung fand. Wohl hat das Sabbatharierthum aus- 
schliesslich nur im Szeklervolke, aus dem es hervorgegangen 
war, Anhänger gefunden, aber diese konnten schon nach kur- 
zer Zeit in einem ihrer Sabbathlieder singen: 

Dank Dir, o Herr, der Du gewährt, 

Dass unsre kleine Schaar 
Stets wächst, und sich tagtäglich mehrt. ^ 

Bereits im Jahre 1600 galten die Sabbatharier als eine 
besondere Glaubensgenossenschaft, welche ein aus diesem Jahre 
stammender Bericht unter den verschiedenen Confessionen in 
Siebenbürgen an zweiter Stelle nennt.^ Bischof Demetrius 
Naprägy (spr. Napradj) berichtet im Jahre 1602 von den Be- 
wohnern eines Szeklerstuhles, des Aranyszeker: »sie sind 
verschiedener Religion: Katholiken, Calviner, Sabbatharier 
und Arianer (d. h. Unitarier.) » Um dieselbe Zeit sendet Basta 
(spr. Baschta), der Parteigänger und Vertrauensmann Kaiser 
Rudolphs, an diesen einen Bericht über die Verhältnisse in 
Siebenbürgen, in welchem es unter anderem heisst: »Vor allem 
ist der arianische, sab bat hari sehe, oder jüdische 
Glaube auszurotten.«* 

Die überwiegende Anzahl der Sabbatharier ging natur- 
gemäss aus den Unitariern hervor. Aber es schlössen sich ihnen 
auch zahlreiche Reformirte (Calviner), wie z. B. in den Dör- 
fern Betfalu und Rugonfalu*^, namentlich aber in der Stadt 
Maros-Väsarhely, wo die Reformirten beinahe sämmtlich zum 
Sabbatharierthum übertraten. <* 

Die meisten Erfolge hatte die neue Religion in Dörfern 
und in den kleineren Ortschaften des flachen Landes; hatte 
sie sich doch ursprünglich zunächst an die Bauern gewendet 

1 A. S. G. B. 11, 22. 

^ Bericht des Jesuitenpater Stephan A r a t o r v. J. 1600, Archiv d. Vereins 
für siebenbürg. Landeskunde, Jahrg. XIX. S. 594. 
8 Monum. Gomit. Regni Transs. V. S. 165. 
* A. a. 0. das. S. 145. 
5 Kereszt. Magvetö XIX. S. 92 und 16.3. 
« M i k ö, a. a. 0. I. S. 29. 



107 



(ob. S. 44). Am meisten verbreitet war sie im Udvarhelyer 
und in dem benachbarten Maroser Szeklerstuhl, zumal in den 
Wohnorten und Gütern, sowie in der Nachbarschaft Eössis 
und seiner Verwandten. Szent-Erzsebet, Eössis Stammsitz, 
Gross- und Klein-Solymos, Bözöd- und Bözöd-Ujfalu, Andräsfalva 
und Ikland, wo Eössi, und nach ihm Pechi, überall begütert 
war, ferner die in der Nähe dieser Orte gelegenen kleineren 
und grössern Ortschaften Gross- und Klein-Ernye, Szent-Demeter 
Erdo-Szent-György, Udvarhely, und ausserdem noch mehrere 
Dörfer, deren Zahl die Ueberlieferung auf 32 ansetzt,^ bildeten 
die ältesten Stammsitze des Sabbathariertums, wo es lange 
Zeit, hie und da bis auf die Gegenwart, selbst mit den strengsten 
Gewaltmassregeln nicht auszutilgen war. 

Auch in der ungarischen Bürgerschaft der Städte 
fand das Sabbatharierthum zahlreiche, eifrige Anhänger. So zu 
Maros-Vasarhely, wo bereits im Jahre 1595 eine, zumeist aus 
Handwerkern gebildete, sabbatjiarische Gemeinde bestand, zu 
welcher, unter Andern, die Kinder und die Schwägerschaft 
des Bürgermeisters, sowie Mitglieder der angesehensten Familien 
der Stadt gehörten.^ Auch zu Klausenburg gab es zahlreiche 
Judenzer, unter ihnen Johannes, des unitarischen Bischofs 
Mathias Thoroezkai Sohn, der später Märtyrer des neuen 
Glaubens wurde, ^ ebenso in den Städten Torda, Körispatak, 
und Szekely-Keresztür.* Einzelne Sabbatharier waren auch 
ausserhalb Siebenbürgens, in den angrenzenden ungarischen 
Landestheilen, wie z. B. in Mako,** zu finden. 

Die grosse Masse der neuen Secte bildeten Bauern und 
Leibeigne; aber zu ihren Anhängern zählten, wie die von 
Vielen geführten Beinamen »literatus« und »deäk« (Studiosus) 

* Blasius r b ä n, A Sz6kelyföld leiräsa (Beschreibung des Szeklerlandes) 
I. S. 147 ; den meisten der hier namentlich angeführten Ortschaften werden wir 
im Folgenden noch öfter begegnen. 

« Mikö, a. a. 0. LS. 29 und 31—2; Monum. Gomitialia X. S. 191—2; 
vgl. ob. S. 

« Monum. Comitial. X. S. 27 und 192 : über Thoroczköi s, weiter unten 
in der Geschichte der zweiten Periode des Sabbatharierthums. 

* Bezüglich der beiden zuletzt genannten Städte haben wir wohl nur ers 
vom Jahre 1638 genauere Berichte, die aber darauf schliessen lassen, dass dort 
schon früher Sabbatharier gelebt haben ; s. Kereszt. MagvetöIII. S. 261 ; IX. S. 247 
und 257 flg; XVIL S. 222. 

« Mikö, a. a. 0. I. S. 31. 



108 



beweisen, auch zahlreiche studirte Leute, darunter auch Geist- 
liche, so wie einige bedeutende Gelehrte und Dichter dieser 
Zeit, deren Namen wir aber nur zum kleinen Theile kennen 
s. ob. S. 46). Diesen Männern, unter welchen Nicolaus Bogathi, 
der Verfasser des sabbatharischen Psalters, der bedeutendste 
war, verdankt des Sabbatharierthum seine kirchliche, oder, wie 
man vielleicht mit mehr Recht sagen könnte: synagogale Poesie. 
Ein grosser Theil des unter den Szeklern stark vertretenen 
Kleinadels schloss sich ebenfalls den Sabbalheriern an, die 

4 

aber auch in den Kreisen des hohen Adels Gesinnungsgenossen 
fanden. Diese hochadeligen Sabbatharier waren die eifrigsten 
uud opferwilligsten Bekenner und Verbreiter der neuen Lehre. 
Unter diesen ist in erster Linie zu erwähnen Eössis 
Schwager Franz Orban v. Lengyelfalu, damals Notar des Udvar- 
helyer Szeklerstuhles; ferner der ältere Franz Balässy v. Veezke, 
Cäpitän der Szekler und bei den verschiedensten Gelegen- 
heiten Gesandter des Fürsten Gabriel Bethlen.^ Dieser Balässy 
war einer der ersten, die Eössis neue Religion angenommen 
hatten, und er entwickelte im Interesse derselben einen solchen 
Eifer, dass die szekler Volkssage ihn gar zum Stifter des Sab- 
batharierthum s macht, und zur Strafe dafür vom Teufel 
holen lässt.2 Nächst diesen ist die adelige Familie der Mätefi 
zu nennen, welche zu Kis-Solymos ständige Abschreiber zum 
Copiren sabbatharischer Schriften und Gesangbücher hielt. 
Die wichtigsten und correctesten sabbatharischen Handschriften, 
die wir besitzen, sind in ihrem Herrenhofe zu Kis-Solymos 
angefertigt worden.* Zumeist aber waren es die mit Eössi und 
Pechi verschwägerten Familien, in welchen die neue Lehre 
die fanatischten und thatkräftigsten Anhänger fand. Zu diesen 

1 Bezüglich des Ersteren s. Monum. Gomitial. X. S. 28; Johann Szalärdy. 
Siralmas Magyar Krönika (Ung. Trauer-Chronik, Pest 1353) S. 135 und Kereszt. 
Magvelö lir. S. 260; bezüglich des Letzteren Ladislaus K 6 Vary, Erdely Törle- 
nelme (Geschichte von Siebenbürgen) IV. S. 220 undBlasius Orbän a. a. O. 
I. S. 157. 

» Orbän, a. a. 0. das. 

' Cod. I. des A. S. G. B., der sogenannte Jancsö-Codex wurde in 
Kis-Solymos, im Hause des Paul Mät6fi geschrieben; Cod. II. desselben eben- 
daselbst für Basilius Mät6fi; P6chi's „Aus den heihgen Vätern ausgewählte Leh- 
ren" ebendaselbst für* Johann Mätefi. In demselben Hause sind auch 2 Codd. 
von Bogäthi's Psalmen copirt, was die Epigraphe, beziehungsweise Titelblätter 
der betreffenden Handschriften ausdrücklich hervorheben. 



109 



Familien gehörten aber, wie wir sehen werden, die eisten und 
glänzendsten des Landes, deren Namen zum Theil noch heute 
zu den angesehensten in . Siebenbürgen zählen. Durch ihre 
Vermittlung vermochte das Sabbatharierthum in die Kreise der 
höchsten Staatsbeamten, ja bis in den Palast des Fürsten und 
in dessen nächste Umgebung zu dringen. 

Für den letzterwähnten Umstand ist die folgende That- 
sache höchst bezeichnend. Den im J. 1625 zwischen dem 
Fürsten Gabriel Bethlen und Mathias II. in Tirnau geschlossenen 
Friedensvertrag haben im Namen des Erstem, neben Siegmund 
Sarmasägi, unterschrieben: Simon Pechi, damals bereits Reichs- 
kanzler von Siebenbürgen, der ältere P'ranz Balassy von Veczke, 
der obenerwähnte eifrige Sabbatharier, und endlich Thomas 
Borsos, der den an Sinan Pascha gerichteten, oben mitgethoil- 
ten Brief der marosväsärhelyer Sabbatharier an erster Stelle 
unterfertigt hatte. Unter den vier Generalbevollmächtigten 
Bethlens waren daher nicht weniger als drei Sabbatharier.^ 

Das Sabbatharierthum hatte demnach in allen Schichten 
des Szeklervolkes Wurzel gefasst, unter den Leibeignen, Bauern 
und den im Solde des Fürsten stehenden Trabanten eben so, 
wie in bürgerlichen und adeligen Kreisen. Es hatte in Dorfhütten 
und Werkstätten, in Schulen und Palästen gleichstörmig Ein- 
gang gefunden. Sein sieghaftes Vorwärtsschreiten erschien so 
auffallend und wunderbar, dass man, um es zu erklären, zu 
den abenteuerlichöten Annahmen griff, ja, dass sich die Sage 
an dasselbe heftete. 

Die Volkssage, welche Balässy, als den eigentlichen 
Stifter des Sabbatharierthums, vom Teufel holen lässt, weiss 
noch Folgendes von ihm zu erzählen. Balässy lebte längere 
Zeit in Polen, wo er Diener eines steinreichen Juden war. 
Dort lernte er die jüdischen Religionsbräuche kennen und 
trat schliesslich zum Judenthume über, worauf sein Brodherr 
ihn adoptirte und zum Erben seiner unermesslichen Schätze 
machte. Mit diesen Schätzen kehrte er nach Siebenbürgen 
heim, erwarb den Adel, und erbaute, oder kaufte die Schlösser 
von Baläzsfalü und Szent-Demeter, in welchen er das Sabbatha- 
rierthum anfanglich im geheimen übte, später aber öffentlich 
lehrte. Seine angesehene Stellung, noch mehr aber seine 

^ Kövary, a. a. 0. IV. I. S. 221. 



HO 



Schätze haben zum Autblühen der neuen Secte am meisten 
beigetragen.^ 

Bezüglich Pechis, in dem wir den ersten Apostel und 
eigentlichen Begründer des Sabbatharierthums kennen lernen 
werden, geht die Szeklersage von dem Satze aus: »Cherchez 
la femme!« Simon Pechi, so erzählt sie, kam nach dem Tode 
seiner ersten Frau wiederholt nach Marosvdsärhely, wo er die 
Tochter eines grosswardeiner Juden kennen und lieben lernte. 
Die schöne Esther erwiederte seine Gefühle, weshalb ihr Vater, 
um dem ihm anstössigen Verhältnisse ein Ende zu machen, 
sie in Begleitung mehrerer Rabbiner nach Grosswardein zurück- 
schickte. Pechi, hiervon in Kenntniss gesetzt, überfiel die 
Reisegesellschaft auf offener Landstrasse, raubte das Mädchen, 
brachte es auf seinen Herrnhof in Szent-Erzsebet, und liess 
sich mit demselben trauen. Er hatte ursprünglich die Absicht, 
seine jüdische Frau für das Ghristenthum zu gewinnen, aber 
die Reize und Bitten der verführerisch schönen Esther brachten 
es bald dahin, dass Pechi sich zum Judejithume bekehrte, und 
durch reiche Geschenke auch seine Leibeigenen zur Annahme 
des ludenthums bestimmte. Die jüdische Frau Pechis, die ihm 
später auchi in sein angebliches Exil nach Konstantinopel 
gefolgt sein soll, ist selbstverständlich ganz und gar ein Gebilde 
der Phantasie. Der szekler Volksgeist, der diese Esther mit 
den sympathischsten Zügen ausstattet, hat sie erdichtet, um 
sich das Säbbatharierthum des. mächtigen Reichskanzlers 
zurecht zu legen, und die hingebungsvolle Thätigkeit zu 
erklären, die er im Dienste des Judaismus, dessen Märtyrer er 
geworden, entwickelt hat? , 

Eine ander© szekler Ueberlieferung weiss es zu erklären,; 
wieso das Dorf Bözödujfalü, in welchem von jeher die fana- 

' * ■ . " ' t > . » ■' ' « % ' ■ ■■ * 

* OrbMi a. a. 0. l S, 158. Paul Winkler, Pfarrer zu BözödujfaJu, der 
nachmaligen letzten Zufluchtsstätte der Sabbail^aner, hs^t diese Sage, wie sie 
ihm von einem MinöritenmöDche mitgetheiit ^rde/ini J'afaii'e 176% aife historische 
Thäisache' in das dortige Pfartbucb eingetragen. S. die 'Aüszügte aus demselben 
unter den Acten des SahbathJarier^Processes yom Ji i 1 8.68 im k < « ujjg. ^Landes- 
archiV;e utiter den dorthin tibertragenen Acten de^, siebenbürgischen^Crubpr^iums. 
Nr..j28479i/1868. ' . .♦ •' * 



r > 



, * Örhän, a. ä. 0. ;I. S. 146. Die anderweitigen Sagen von der schonen 
Esther'und deF ausdauernden Tteue, die sie P6chi 'bewahrt haben's oll, sowie die 
historischen Nachrichten über die Frauen P6chis, deren zweite ihn überlebte, 
•s in den folgenden Gapiteln. • . ^ . l • 



111 

tischsten Judenzer zu finden waren, das sabbatharische Rom 
und die letzte Zufluchtsstätte der vielverfolgten Sectirer gewor- 
den ist. Pechi hat es dadurch für seine Religion gewonnen, 
dass er zur Zeit einer Hungersnoth unter die verarmten Be- 
wohner reichlich Getreide vertheilen liess.^ 

Bei alledem haben die Sabbatharier, obwohl ihre Zahl 
und ihr Ansehen stetig wuchs, während dieses ganzen Zeit- 
raums (1588 — 1621) noch keine selbstständigen Gemeinden 
gebildet, auch hatten sie noch nirgends ihre besonderen Geist- 
lichen. Nur in den Schlössern einzelner hochadeliger Sabba- 
tharier waren sogenannte »Schlossgeistliche« zu finden, die 
im Dienste der betreffenden Familie stehend, z. B. Bogäthi im 
Schlosse des Franz Balässy in Szent-Demeterer und Michael 
Szentmiklösi in Pechis Herrenhaus zu Szent-Erzsebet, sich der 
Sache des Sabbatharierthums widmeten. In der Regel versahen 
einzelne unterrichtetere, oder auch nur eifrigere Sabbatharier 
die Agenden des Lehrers, Cantors und Predigers.^ 

Um so lebhafter fühlten die Führer der Sabbatharier das 
Bedürfniss, die vereinzelten Gläubigen einander näher zu brin- 
gen, und sich über die wichtigsten Angelegenheiten zu 
verständigen. Die ersten Anläufe zur Schaffung einer Organi- 
satioh wurden gemacht. Bereits um das Jahr 1606 »begannen 
die Sabbatharier in Udvarhely (dem Hauptorte des gleich- 
namigen Szeklerstuhles) Sitzungeli zu halten und Beschlüsse 
zu fassen, was vordem nie geschehen war.« In Folge dessen 
erliess Siegmund Räkoczy, der damals im Namen Bocskais die 
Regentschaft führte, an sämmtliche Behörden dieses Szekler-* 
Stuhles den strengen Befehl, »sie sollen es den Geistlichen 
dieser Religion nicht gestatten, dass sie, wider den bisherigen 
Usus, an dem genannten Orte,' oder auswärts Sitzuiigein abhal- 
ten, oder BQsqhlüsse fassen.«» 

Aber die Führer der Sabbatharier, welche der Erlass. 
Räköczys fälschlich als dereji »Geistliche« bezeichnet, hieltenr 
nichtsdestoweniger häufig geheime Versammlungen ab, um ihre. 

[ • • • r • I 

. . . J , 

* r b an, av a. O. S. 147. 

^ So blieb es im gatizen und grossen auch noch in der zweiten Periode 
des^ Sabbatharierthums. Ueber Bogathi s, oben Si 77 ; übel* Szentmiklösi, Joseph 
Benkö, Transsylvania IL S. 243. 

5^ Monum. Comitial. V. S. 401. 



I • 



religiöse Praxis zu regeln und für die zerstreut lebenden Gläu- 
bigen möglichst gleichmässig zu gestalten. 

Die Beschlüsse einer solchen Versammlung haben sich, 
allerdings nur fragmentarisch, aber in ihrer ursprünglichen 
Fassung erhalten. Die Sabbatharier feierten nämlich die jüdi- 
schen Festtage nach Vorschrift der Bibel. Nun konnten aber 
die Festeszeiten nicht nach der gewöhnlichen Zeitrechnung 
festgesetzt werden, da der jüdische Kalender bekanntlich nach 
dem Mondenjajire rechnet. Juden, nach welchen sie sich hätten 
richten können, wohnten damals noch nicht unter ihnen, ein 
jüdischer Kalender aber war in ganz Siebenbürgen nicht auf- 
zufinden und galt für eine solche Seltenheit, dass Pechi einen 
solchen noch im Jahre 1620 in Konstantinopel, durch Ver- 
mittlung des dortigen siebenbürgischen Gesandten, um zwei 
Dukaten ankaufen liess.^ 

Drum war es für sie eine hochwichtige Angelegenheit, 
den jedesmaligen Beginn des Neumondes genau zu fixiren, 
um von ihm ausgehend, den Tag zu bestimmen, an welchem 
die jüdischen Festtage zu begehei;i seien. Sie stellten daher 
gewisse Regeln fest, nach welchen die Gläubigen den Beg-inn 
des • Neumonden, oder, wie sie nach der wörtlichen lieber- 
Setzung des betreffenden hebräischen Wortes zu sagen pfleg- 
ten, der »Erneuerung« 2 festzustellen haben. 

»Auch mit Bezug auf die Zeiteintheilung und die Er- 
neuerung — so beginnt das in Rede stehende Fragment — 
haben wir Beschlüsse gefasst.« Diese Beschlüsse gehen davon 
aus, dass der Tag, »nicht so wie bis jetzt, nach. der Uhr 
der Christen, erst dann zu beginnen habe, wenn bereits 
der grössere Theil desselben vei^strichen ist; »sondern er 
beginnt mit dem Abend und endet mit dem Abend. Morgens 

* In einem Briefe an Thomas Borsos, den schon wiederholt erwähnten 
Sabbatharier aus Marosväsärhely, der im J. 1620 Gesandter in Konstantinopcl 
war, schreibt Pechi u. a. : „Ew. Gnaden lasse mich auch nicht ohne einen 
jüdischen Kalender; lassen Sie mir desselben je eher, noch bevor 
Sie nachhause reisen, zukommen. Zum Ankauf derselben habe ich dem Joseph 
zwei Dukaten geschickt." Tört. Tär 1881, S. 630. Dieser Joseph war ein bei der 
Pforte einflussreicher Jude, dem die siebenbürgischen Gesandtschaften, so wie 
den übrigen türkischen Grossen, im Namen des Fürsten Geschenke darzubringen 
pflegten; s. ebendas. S. 622. 

* Das ungarische u j s a g eutspricht dem hebr. Ghidduseh oder 
C h i d d u s c h h a c h ö d e s c h. 



\ 



m 



um 6 Uhr ist die Hälfte des Tages verstrichen. Deshalb ist, 
wenn die Erneuerung vor 6 Uhr Morgens stattfindet, das 
Neumondsfest an demselben Tage ; wenn sie aber auch nur 
eine Minute n^ch der 6-ten Morgenstunde eintritt, so ist das 
Neumondsfest auf den nächsten Tag zu verschieben.«^ 

Dieser »Beschlüsse wurde, wie sich aus der Fassung 
derselben ergibt, in irgend einer grösseren Versammlung an- 
genommen.* Wir haben in ihm ein Fragment jenes grösseren 
Elaborates zu erblicken, aut welchem der sabbatharische 
Kalender beruht, der die jüdischen Festtage in einer aller- 
dings sehr primitiven Weise nach der gewöhnlichen Zeitrech- 
nung zu fixiren sucht. 

Von der Richtigkeit dieses Kalenders, der am Anfang 
oder am Schlüsse der meisten handschriftlichen sabbatharischen 
Gebetbücher zu finden ist, waren die Sabbatliarier tief durch- 
drungen. Hatten sie ihn doch, wie sie meinten, genau nach 
der jüdischen Zeitrechnung festgestellt. Der christliche Kalender 
hingegen, welchen »der Papst gemacht und der Welt an den 
Hals geschmissen hat«, galt ihnen für ein Werk, »das wider 
Gott ist und wider die Natur.« Er bezeichnet die Tage der 
Woche nach den Göttern der alten Heiden, gibt die Feste 
falsch an und »ist mit vielen Greueln bis zum Ueberfiiessen 
voll«, so dass diesem Kalender 

Jeder wahrhaft Fromme aus dem Weg muss gehen, 
Nicht berühr' er ihn, nicht darf er auf ihn sehen; ^ 
Heidenwerk ist er und gottlose Erfindung.^ 

Trotz ihren Versammlungen und anderweitigen Organi- 
sation s versuchen war das Glaubensbekenntniss der Sabbatharier 
während der ganzen ersten Periode ihrer Geschichte noch 
ziemlich schwankend. Mit Bezug auf die hauptsächlichen lei- 
tenden Principien waren sie wohl alle eines Sinnes, aber 
bezüglich der Einzelheiten, namentlich was die religiöse Praxis 
betraf, w^aren sie noch zu keiner Uebereinstimmung gelangt. 

1 S. das Fragmant in meinem „A Szombatosok" S. 83. 

* Die im ungarischen Originale gebrauchten Ausdrücke : V e g e z t ü n k, 
(Wir haben beschlossen) und tetszett (es hat uns gefallen), sind dieselben, mit 
welchen die siebenbürgischen Landtagsbeschlüsse in der Regel eingeleitet wurden. 

a A. S. G. B. 109. XV. 27—28. 

8 



114 

Wie wir sehen werden, war selbst Pechi noch am Ende 
dieser Periode nicht vollständig im klaren mit der Religion, 
welcher er damals bereits seit zwei Jahrzehnten seine Fähig- 
keiten und seine Kraft gewidmet hatte. Der nachmalige Fürst 
Johann Kemöny berichtet über Franz Mifcö von Hidveg, seinen 
und des Fürsten Gabriel Bethlen Verwandten: »Was seine 
Religion anbetrifft, war er dem Namen nach Unitarier, in Wirk- 
lichkeit gar keiner Religion angehörig. Von der Papisterei hat 
er das Purgatorium und gewisse Ceremonien übernommen, 
vom Judenthum den Sabbath, von dem einen Glauben Das, von 
dem andern Jenes, auch glaubte er an die Zeiten des Mille- 
nariums.«^ Das Feiern des Sabbath, so wie der Glaube an das 
zukünftige tausendjährige Gottesreich verrathen deutlich genug, 
dass dieser »gar keiner Religion angehörige« Mann, in Wirk- 
lichkeit ein Sabbatharier, aber bezüglich gewisser Lehren und 
Ceremonien noch im unklaren war. Das Sabbatharierthmn 
dieses hochstehenden Mannes erklärt auch den Umstand, dass 
Simon Pechi sein literarisches Erstlingswerk, die mit einem 
Commentar versehene ungarische Uebersetzung eines talmu- 
dischen Tractates,2 gerade ihm gewidmet hat. 

So viel aber ist schon damals allen Sabbatharierij klar 
geworden, dass sie durch die Principien ihres Glaubens, na- 
. mentlich durch den Glauben, den sie sich über Jesus gebildet, 
in einen grellen Gegensatz zu sämmtlichen christlichen Con- 
fessionen gerathen waren, ja, dass sie mit dem Christenthum 
eigentlich schon gebrochen hatten. Diese Erkenntniss war ihnen, 
wie sich schon aus ihrem Beschlüsse bezüglich der »Uhr der 
C h r i s t e n<f ergibt, ziemlich früh gekommen und hat sich, 
wie wir aus dem Folgenden ersehen werden, bald zu einer 
festen Ueberzeugung ausgebildet, zu welcher über kurz oder 
lang selbst jene gelangen mussten, die etwa noch glauben 
mochten, in den Fusstapfen Franz Davidis zu gehen. Sie konn- 
ten sich der Thatsache nicht verschliessen, dass ihre religiöse 
Theorie, noch mehr aber die von ihnen befolgte religiöse Praxis 
im ganzen und grossen die der Juden sei. Unter solchen 
Umständen musste es bald dazu kommen, dass das Christen- 

* Johann K e m e n y, öneletiras. (Selbstbiographie) S. 65 der Ausg. 
Ladislaus Szalays, Pest, 1856. 

* S. weiter über Pechis Schrift. Aus den heiligen Vätern 
ausgewählte Lehren. 



115 



thum eine Secte, die sich von ihm losgesagt halte, vollends 
aus seiner Mitte ausschloss. 

Fürst Gabriel Bethlen betraute nämlich mit der Durch- 
führung der im Jahre 1618 gegen die Sabbatharier gefassten 
Landtagsbeschlüsse (ob. S. 99) den Bischof der Reformirten 
Johann Keserü Dajka. Der mit unbeschränkter Vollmacht aus- 
gerüstete, energische und rücksichtslose Mann hatte es bald 
herausgefunden, dass er die ihm gewordene Aufgabe unmög- 
lich lösen könne, so lange die Sabbatharier sich nach aussen 
für Unitarier ausgaben, und thatsächlich auch als solche galten. 
Darum veranlasste er, dass der Bischof der Unitarier, Valentin 
Radeczky für den 11. November 1618 eine Kirchenversamm- 
lung nach Erdö-Szent-György einberief, vor welche er auch 
die Sabbatharier citirte. 

In dieser, unter der Pression des fürstlichen Commissärs 
stehenden Versammlung erklärten die unitarischen Kirchen- 
behörden, dass die Sabbatharier nicht zu ihnen gehören und 
aus dem Verbände ihrer Kirche für immer ausgeschlossen 
seien. Nur durch diesen Beschluss konnten sie dem Vorwurfe 
entgehen, dass unter dem Schutze ihres Namens und unter 
dem Deckmantel ihrer Religion die Judenzerei sich eingenistet 
habe und immer mehr verbreite. Der glaubenseifrige Bischof 
der Reformirten war aber entschlossen, die in seine Hand 
gelegte Macht auch zum Frommen seiner eigenen Kirche zu 
verwerthen. Er wusste es durchzusetzen, dass die reformirte 
Geistlichkeit damit betraut wurde, die Sabbatharier wieder zum 
Christenthum zerückzuführen. Die hierauf im Namen des Gesetzes 
geübte, gew^altsame Bekehrung brachte in erster Reihe den 
Sabbathariern eine endlose Reihe von Verfolgungen und Placke- 
reien, schlug aber auch der unitarischen Kirche emplindliche 
Wunden, indem viele ihrer Bekenner, unter dem Verwände, 
dass sie es mit den Sabbathariern hielten, zur Annahme des 
Calvinismus gezwungen wurden. Bloss in drei Kirchenbezirken 
wurden nicht weniger als 62 unitarische Kirchengemeinden, 
die gewiss nur zum Theil sabbatharisch waren, der reformirten 
Kirche in die Arme getrieben.^ 

Die Sabbatharier w urden so, öffentlich und feierlich, auch 

* Stephan K a i o n a v. G e 1 e j, Titkok titka (Geheimniss der Geheimnisse) 
S. 22 der Vorrede ; Alexander S z 6 k e 1 y, a. a. 0. S. 132—3. 

8* 



•11,6 



von jener. christlichen Gonfessipn ausgeschlossen, aus welcher 
sie hervorgegangen waren, mit welcher sie noch immer die 
ineisten Berührungspunkte hatten, und welcher sie bis dahin, 
^um Theil in gutem Glauben, zum Theil der Gewalt weiche nd 
^usserlich auch angehörten.. Was Wunder, dass die vom Ghris- 
tenthume verleugneten und verstossenen Sabbatharier, trotz 
ihrem Glauben an die Messianität Jesus, sich bereits in dieser 
ersten Periode ihrer Geschichte, ihrem Glauben nach für 
Juden hielten und ihre religiöse Praxis danach einrichteten. 



Die religiöse Praxis der ersten Sabbatiiarier. 

(1585-1623.) 

Die oben (S. 85) gekennzeichnete Glaubenslehre der 
Sabbatharier bildete selbstverständlich die Grundlage für das 
religiöse Leben der ersten Sabbatharier. Sie betrachteten sich 
als bekehrte Heiden, die von den Juden das ewig gültige 
ißesetz, das Gott gegeben, übernommen hatten. Dieses Gesetz 
»muös biei Tag und bei Nacht gründlich studirt und erforscht 
werden, damit man es ohne Fehl und ohne Zuthat, seinem 
ganzen Inhalte liach, zu erfüllen wisse. «^ Doch verstanden sie 
darunter vorerst bloss das in den fünf Büchern Moses nieder- 
gelegte Gesetz. Die in diesem enthaltenen Vorschriften erach- 
teten sie, wenigstens in der Theorie, sammt' und sonders als 
zu Recht bestehend, darunter auch jene, welche in dem reli- 
giösen Leben der Juden bereits ausser Uebung gekommen 
sind. So galt ihnen z. B. das mosaische Erbrecht, offenbar 
bloss im Prinzipe, noch immer als bindendes Gesetz,^ ebenso 
die Bestimmung, dass dem falschen Zeugen geschehe, »wie 
er trachtete seinem Brüder zu thun.«^ Unter anderem lehrten 
sie auch: »Wer einen todten Menschen oder einen Sarg berührt, 
oder in ein Haus geht, wo eine Leiche ist, soll sieben Tage 
unrein sein«, sodann aber »wasche er sich nach dem Gesetz.« 
Die Kirchen seien also, da in ihnen Leichen beigesetzt werden, 
schon wegen der »unreinen Gebeine« zu meiden.* 

i A. S. G. B. 110. IV. 18—19. 

» Das. das. III. 16. 

3 Das. das. IV. 7 ; vgl. 5. B. Mos. 19, 19. 

* Das. 109. XV 1-8 und 110. III. 6—6; vgl. 4. B. Mos. 19, 11. flg. 



llt* 



Jene religiösen Einrichtungen und Bräuche der Juden 
hingegen, welche im »Gesetzhuch« nicht erwähnt sind, waren 
ihnen noch alle fremd. So feierten sie z. B. bloss die vom 
Pentateuch vorgeschriebenen Feiertage, verwarfen aber alle 
übrigen Fest- und Fasttage der Juden. 

Bei alledem haben sie das Gesetz, durch dessen Annahme 
sie »Söhne Abrahams« geworden zu sein glaubten, in der 
Praxis sicherlich nicht seinem ganzen Umfange nach, noch 
weniger im Sinne der jüdischen Tradition geübt, obwohl sie 
ihnen, wie wir gesehen (ob. S. 94), als die auch von Jesus 
empfohlene richtige Auslegung der Lehre galt. Sie waren sich 
dessen auch wohl bewusst, dass sie unter den Verhältnissen, 
in 'Welchen sie lebten, das Gesetz nicht in allem und nicht 
pünktlich^ üben konnten, und sie flehten in ihren gottesdienst-' 
liehen Gesängen wiederholt : 

Wenn wir Deia Gesetz nicht ganz erfüllen, 
. Ganz nicht thun nach Deinem heiligen Willen 
Oh verzeih, so beten wir, die Sünden ; 
Unser Fehl mag Nachsicht bei Dir finden! 

Nicht aus Verstocktheit und in frevlem Muthe handeln 
sie also, sondern »als Kinder unwissender Heiden,« in welchen 
noch »der heidnische Sauerteig« gährt.^ 

Die jüdischen Speisegesetze beobachteten sie, soweit sie 
dieselben in der Bibel fanden, und enthielten sich der als 
unrein bezeichneten, sowie der gefallenen und kranken Thiere, 
namentlich aber des Genusses von Blut. Sie hoben es auch 
scharf hervor, dass sie »kein Schweinefleisch essen,« und eines 
ihrer Lehrgedichte enthält die Mahnung: 

Auch hüth' dich wohl vor allen Speisen, die nicht rein, 

Zuwider und ein Eckel sollen sie dir sein ; 

Was das Gesetz bezeichnet als verhorne Speis' 

Als Gräul^ das sag ich dir, für immer von dir weis'.* 

1 Das. 27. 7 — 12. Die Beschneidnng haben sie ursprunglich offenbar nicht 
geübt; die aus dieser ältesten Periode stammenden sabbathari sehen und nicht- 
sabbatharischen Quellen erwähnen sie noch nirgends. Mehr als dieses Schweigen 
beweist aber der oben (S. 103) angeführte Brief der Sabbalharier an Sinan 
Pascha, in welchem sie die ihnen und den Türken gemeinsamen religiösen 
Satzungen hervorheben, dabei aber die BöscliYieidung nicht erwähnen. 

« Das. 110; IV. 3; vgl. 109; IV. 14 und oben S. 103. 



118 



Nichts desto weniger ist anzunehmen, dass sie auch die 
hierher gehörigen Gesetze nicht ihrem ganzen Umfange nach, 
und nicht immer befolgten; jene Sabbatharier, die am Hofe 
des Fürsten zu verkehren pflegten, oder sonst dem öffentlichen 
Leben angehörten, konnten es sicherlich nicht thun. Wie es 
scheint, haben sie sich während dieser ganzen Periode damit 
begnügt, einige der wichtigsten jüdischen Ceremonien zu üben, 
und die in der Bibel vorgeschriebenen Feiertage, so weit sie 
es vermochten, festlich zu begehen. 

Zu diesen Feiertagen zählte vor allem der Sab bat h. 
Dieser sich allwöchentlich wiederholende Feiertag beschäftigte 
ihr religiöses Fühlen und Handeln naturgemäss am häufigsten, 
ausserdem aber liess er den Gegensatz, der zwischen ihnen 
und der gesammten Christenheit bestand, am öftesten und am 
grellsten hervortreten. So kam es denn, dass ihre älteste religiöse 
Poesie sich vorzugsweise mit diesem Tage beschäftigte, und 
ihr Altes Gesangbuch unter 110 Hymnen und Lehrgedichten 
nicht weniger als vierundzwanzig Sabbathlieder enthält, 
und daher rührt auch ihr Name Sabbatharier, der die 
ursprüngliche und bezeichnendere Benennung Judenzer 
allmälig ganz verdrängt hat. 

Sie feierten den »grossen Tag Gottes,« im Sinne der 
Bibel, als den »an die Welterschaffung erinnernden heiligen 
Tfi^,«^ ferner als Festtag, »den Gott zwischen sich und Israel 
als Zeichen festgesetzt hat, «2 endlich als Ruhetag, den Gott 
»zu Gunsten des armen Dienervolkes, der Sclaven und des 
Viehes« schon »dem Adam und der Frau Eva als Gesetz gegeben,« 
damit sie ihn »mit Kind und Kegel heilig halten.«» 

Wie sie die Sabbathruhe begingen ? Welcher Arbeiten sie 
sich enthielten, und welche sie für erlaubt erachteten ? Darüber 
besitzen wir aus dieser Zeit keine näheren Berichte, Die 
Verhältnisse aber brachten es naturgemäss mit sich, dass sie 
die Sabbathruhe, welche in ihrer bisherigen Lebensweise 
allwöchentlich eine tiefeingreifende Veränderung zur Folge 
haben musste, noch nicht strenge beobachten konnten. Auch 
haben sie die diesbezüglichen zahlreichen Vorschriften und 

1 Das. 36, 24; 28, I. vgl. 1. B. Mos. 2, 3 und 2. B. 31, 17. 
« Das. 18, 2.; vgl. 2. B. Mos. 31, 17. 
» Das. 36, 13—14. 



119 

p 
Bräuche der Juden wohl noch nicht näher gekannt. Dazu kam 
dass sie Gefahr liefen, als Säbbatharier erkannt zu werden 
wenn sie sich am Sabbath auffälliger Weise jeder Arbeit 
enthielten. Ein solcher Selbstverrath hätte aber oft die traurigsten 
Folgen für sie haben müssen. Darum sangen sie beim Ausgange 
des Ruhetages: 

Wenn wir den Sabbath ganz nach Deinem Willen, 
Genau nach dem Gesetze zu erfüllen, 
Im Stand nicht waren : so vergieb den Sündern, 
Verzeih es gnädig allen Deinen Kindern ;* 

Zum Sabbath rüsteten sie sich »mit fröhlichem Gesang, 
mit Gebet und Reinigung»; sie badeten, oder wuschen sich 
und gingen »in Hochzeitskleidern« dem Tage entgegen, dessen 
Feier sie offenbar nach der bekannten jüdischen Auffassung, 
als »seelische Hochzeit« begingen.^ Allsabbathlich hatten sie, 
gleich den Juden, dreimal Gottesdienst, an welchem sich das 
ganze Volk betheiligte, »seine Männer, seine Frauen und schönen 
Jungfrauen und seiner Kinder Scharen.« Sie beteten beim 
Sabbatheingang, oder, wie es in ihrem Gesangbuche manchmal 
heisst, »zur Freitagszeit,« sodann am Morgen des Sabbath, 
jedoch mit Ausschluss des bei den Juden üblichen »Mussaf«- 
Gebetes, ferner verrichteten sie das »Nachmittagsgebet,« sowie 
nach Sonnenuntergang das »Gebet am Sabbathausgang.«* 

Mit jedem Gottesdienste war eine »Belehrung«, das 
heisst eine Exhorte oder Predigt verbunden, vor und nach 
welcher ein entsprechendes Lied gesungen wurde. Ihr^ Gebete 
seheinen sie schon damals dem Gebetbuche der Juden entlehnt 
zu haben, denn schon um diese Zeit cursirten unter ihnen 
ungarische Uebersetzungen der wichtigeren jüdischen Gebet- 
stücke. Ausserdem sangen sie auch Psalmen, offenbar die 
Bogäthis.* Ob sie während des Morgens und des Nachmittags- 

1 Das. 8, 1—2; vgl. 4, 4. 

' Das. 44, 2 ; 28, 7 ; 15, 23—4 ; vgl. das bekannte synagogale Lied, dessen 
Refrain (lecho-dodi) lautet: „Komm, mein Freund der Braut entgegen, lasst 
den Sabbath uns empfangen.** 

' Für jeden dieser Gottesdienste sind im A. S. G. B. besondere Gesänge 
enthalten. 

* Ergibt sich aus den Unterschriften der Gesänge ebendas. ; bezüglich der 
üebersetzung jüdischer Gebetstücke und der Bogathischen Psalmen s. ob. S. 49 
und S. 85. 



120 



Gottesdienstes schon damals einzelne Abschnitte aus den 
Büchern Moses öffentlich verlasen, ist ungewiss. 

Enthaltung von Arbeit und Gottesdienst bildeten aber 
nieht die einzigen Momente der öabbathteier. Nach ihrer, im 
ganzen und grossen mit der jüdischen übereinstimmenden Auf- 
fassung, gehörte noch vieles Andere dazu, den Ruhetag würdig 
zu begehen. Hören wir einige hierher gehörige Aeusserungen 
ihrer Sabbathlieder. Der Mensch »heilige vor allem sich selber, 
dann den Sabbath des Herrn«; an diesem Tage 

Halt fern durch Wahrheit, was gemeines, schmutz'ges Streben, 
Und Trotz und stolzer Hochrauth scheid' aus deinem Leben, 
Verherrlichung und Lob sollst Gott allein du geben. * 

Zur Feier des Sabbaths gehört auch 

Forschen im Gesetze, Armen Speise geben, 

Freud'ger Sinn, ein froh Gemüth, ein nüchtern Leben;* 

ferner, dass der Mensch in sich gehe und besser, edler w^erde: 

Bedenk, welch Sünden du begangen, 
Was du die Woch hast angefangen, 
Wie du dorn Irrthum angehangen. 
Gefehlt in thörichtem Verlangen.* 

Wie sich aus ihrem Alten Gesangbuche ergibt, haben die 
Sabbatharier auch das Neumondfest andächtig begangen, »das 
Gott eingesetzt hat zur Bestimmung der Zeiten, die es in 
Monate theilt, in Wochen und in Tage.«® 

Ferner feierten sie die drei jüdischen Hauptfeste: das Fest 
der ungesäuerten Kuchen, das Wochen- und das Hüttenfest, 
für deren jedes sie mehrere Lieder hatten, welche die Geschichte 
und die Bedeutung des betreffenden Festes besingen. Namentlich 
das erste dieser Feste, das sie, mit der magyarasirten hebräi- 
schen Bezeichnung desselben, einfach Pesah zu nennen 
pflegten, stand bei ihnen in grosser Verehrung. Sie assen 
während desselben nur Ungesäuertes, »obwohl sie selber nicht 
mit den Juden aus Egypten gezogen waren.« Den ersten und 

i A. S. G. B. 41, 12. ; vgl. des. 10, 4. 

« Das. 20, 7. 

» Das. 19, 4. 

* Das. 109. XV. 24. 



121 



siebenten Tag begingen sie als hohen Feiertag, die dazwischen' 
liegenden Tage, die sie nach der wörtlichen Uebersetzung der 
bei den Juden üblichen hebräischen Bezeichnung^ »Wochen- 
tage des Pesah« nannten, als Halbfeiertage. Dieses Fest hatte 
für sie, neben seiner biblischen Bedeutung, noch die einer 
Erinnerung an die »zukünftige Erlösung,« welche Jesus bringen 
wird, wenn er von neuem kommt, um das tausendjährige Gottes- 
reich aufzurichten. An diese Erlösung, heisst es in einem ihrer 
Passahlieder, denken sie gar oft, namentlich aber, wenn sie 
die Befreiung der Juden feiern. Die Erinnerung an die wunder- 
bare Erlösung Israels aus Egypten bestärkt sie in ihrem 
Glauben an eine »noch köstlichere zukünftige Erlösung.«^ 
Das Neujahr feierten sie mit den Juden, im Herbste, 
am ersten Tage des jüdischen Kalendermonates T i s c h r i. 
Die Bibel, in welcher dieser Tag nur Tag der Erinnern n[g, 
oder Posaunenfest genannt wird, bezeichnet ihn wohl 
noch nicht als Neujahrtag; aber darum sangen die Sabbatharier 
dennoch: 

Wer in Wahrheit ein Neujahrsfest will seinem Gotte weih'n, 

Dem soll's, wie die Schrift es vorschreibt, der erste Tischri sein.''^ 

Denn das. christliche Neujahr ist eine päpstliche Erfindung; 
die Richtigkeit des jüdischen hingegen beweist die, bekanntlich 
von der jüdischen Tradition behauptete Thatsache, das» die 
Weltenschöpfung grade am 1. Tischri stattgefunden hat,* ferner 
der jährliche Kreislauf der Natur, welche ihr Schaffen und 
Wirken auf Feld und Flur im Herbste, um die Zeit des 
jüdischen Neujahrfestes, abschliesst.^ 

Ausser diesen Festen begingen sieauchdenVer söhn ungstag, 
und zwar, wie sich aus der bei ihnen damals üblichen Bezeich- 



* G h o 1 h a-m o e d. 

» A. S. G. B. 52; 59; 60, 5—18; 109, XIIJ. 1—8; vgl. die Ueberschriften 
der verschiedenen Passah-Lieder das. — Unter dem 60, 16 das. erwähnten 
»Pra es te rian-Volk/ welches das Passah-Fest noch feiert, ist offenbar das 
Volk des Priester Johannes zu verstehen, womit die Falaschas in Abysei- 
nien gemeint sind. 

8 Das: 75, 1. 

* Vgl. Das jüdische Neujahrsgebet : h a j j o m h a r a th o 1 am. ^ ' '■ i 
6 A. S. G. B. 75, 1—5. 



122 



nung Kasteiungstag^ ergiebt, mit dem in der Bibel vor- 
geschriebenen Fasten. Eines ihrer ältesten für diesen Tag 
geschriebenen Lieder enthält unter anderem, die folgenden 
Strophen, aus welchen die tiefste Zerknirschung uns ent- 
gegentönt: 

Sei gnädig, flehen wir, auf dass wir Labsal finden ; 
Erbarm Dich, tödt uns nicht inmitten unsrer Sünden ! 
Bekehrte Heiden sind wir, wolP uns Gnade senden, 
Ist sie doch endlos — lass sie auch zu uns sich wenden ! 

Es betet unsre SeeP. Voll bittrer Reu erscheinen 
Zerknirscht vor Deinem heiligen Throne wir mit Weinen, 
Und beten schluchzend um Vergebung unsrer Sünden. 
Erhöre unser Flehen, lass uns Verzeihung linden ! 

War* Heiden, selbst wenn sie in Wahrheit sich bekehret? 
Der Weg zu Deinem Heil für immer denn verwehret? 
Verhiessest Du doch Solchen, die Dein Bund nicht heiligt, 
Dass Deine Lieb' am Heiligthume sie betheiligt.« 

Woir Deiner Gnaden Füll' auch diesen spenden. 
Nur die Bekehrten schaue, die zu Dir sich wenden. 
Nicht ihre Väter und nicht ihren Stamm! Du schufest 
Auch sie ; sie werden fromm sein, kommen, so Du rufest.' 

Alle diese jüdischen Feste aber feierten sie, wie sie bei 
jeder Gelegenheit nachdrücklich betonen, schon deshalb, oder 
vielleicht richtiger: zumeist deshalb, um damit die Lehre 
und das Beispiel Jesus zu befolgen. Sie heiligten den Sabbath, 
weil, wer das nicht thut, »nicht mit Christus des ewigen 
Lebens theilhaftig wird.«* Sie feierten »das Passahfest Israels 

^ In ihren spätem Liedern und Gebeten nennen sie es Kyppurnapja 
d. h. Kippur-Tag, die wörtliche Uebersetzung des hebräischen Jom-kippurim 

> Mit Bezug auf Jebajah 56, 6 — 7, auf welche Stelle sie sich wiederholt 
berufen. 

* A. S. 6. B. 76, 11 — 14. Es ist beachtenswerth, dass dieses Lied, das 
einzige für diese Gelegenheit, nur in einer der drei Handschriften (in 11), 
dort aber unter der Ueberscbrift „Lieder für den Kasteiungstag* steht Damit 
schliesst der erste Theil dieser Handschrift. Es scheint, dass der Yersöhnungstag 
erst spät, gegen Ende der ersten Periode, bei den Sabbathariem Eingang fand. 
Das neue S. G. B. enthält schon zahlreiche, zum Theil sehr lange .Gesänge 
für den Kippur-Tag.* 

* Das. 25, 9; vgl. 15, 3. 



128 



nach dem Befehle unseres Christus,«^ und das Hüttenfest, 
weil, wer es begeht, »auf Christus höri.«^ 

Derselbe jüdisch-christliche Geist ofl'enbart sich in den 
drei Grabgesängen, deren gemeinsame Ueberschrift lautet : 
»Ceremonien und Lamentationen, mit welchen die vor Gott 
theuren Menschen die Todten beweinen und begraben.« 

Der erste dieser GrabgesUnge : 

Der Tod des Körpers, der Adams wejren gekommen über uns, 

Bringt uns viel bittre Öchrneizen ; 
Grevatter, Freunde, liebe Menschen, alle, die uns theuer sind, 

Reisst er von unsern Herzen 

hat eine entschieden christliche Färbung; er enthält zahlreiche 
Anführungen aus dem Neuen Testamente und Berufungen auf 
Jesus und die Apostel. Die beiden letzteren hingegen sind 
freie poetische Bearbeitungen jüdischer Grabgebete.^ Diese 
Lieder wurden während der Beerdigung von der ganzen Ge- 
meinde gesungen.* 

Den diesbezüglichen jüdischen Anschauungen entsprechend, 
achteten sie mit besonderer Pietät auf die ungestörte Grabes- 
ruhe der Verstorbenen. Eine Leiche durfte, ohne zwingende 
Ursache, nicht exhumirt und in ein anderes Grab übertragen 
werden, noch weniger durfte sie ausgegraben werden, um einer 
anderen Platz zu machen. Das, sowie das »gräuliche Herum. 
schmeissen mit Todtengebeinenw, galt ihnen als heidnischer 
Brauch und schwere Sünde. Massengräber perhorrescirten sie; 
jede Leiche, »auch eine kleine, musste ordnungsgemäss in einem 
besonderen Grabe« bestattet werden.^ 

Christliche Bräuche und Ceremonien waren aus ihrem 
religiösen Leben nahezu ausgeschlossen. Die christlichen Feier- 
tage, die, ihrer Ansicht nach, nicht den von der Bibel vorge- 
schriebenen entsprechen, sondern »Erfindungen der Päpste« 
sind, Hessen sie gänzlich unbeachtet. Aus demselben Grunde 

1 Das. 54, 26. 
« Das. 68, 11. 

* Der eine entspricht dem Menucha nechona, der andere dem 
Ha-zur tomim be^nnenden judischen Gebete. S. die drei Gesänge das 
103—105. 

* Das. 109, XI. 18—20. 
« Das. 109, XV. 13—15. 



124 

verboten sie auch das Läuten der Kirchenglocken.^ Das heilige 
Abendmahl betrachteten sie nicht als eine von Jesus herrüh- 
rende neue Einrichtung, sondern als einen alten jüdischen 
Brauch, in dessen Sinne sie am Passah um den Messias 
beteten. Drum nahmen sie es weder in der Bedeutung, noch 
in der Gestalt, wie es in den Christenheit üblich, sondern am 
Passah-Abend, und zwar in den von der Bibel vorgeschriebe- 
nen ungesäuerten Kuchen, in dem »Brod des Messias«, zur 
Erinnerung an den einmal bereits gekommenen und in Zukunft 
von neuem erscheinenden Jesus.^ 

« 

Mit grosser Entschiedenheit wiesen sie die Taufe zurück, 
und. vertraten mit ausnehmender Heftigkeit die Ansicht,, dass 
»die Vorbereitung und Reinigung durch das Baden« zwar 
Von der Bibel vorgeschrieben und seit Johannes dem Täufer 
auch an vielen bekehrten Sündern geübt worden ist,, dass aber 
zur Vornahme dieser religiösen Handlung nur die vom heiligen 
Geiste inspirirten Apostel berechtigt gewesen seien; dem gewöhn- 
lichen Lehrer, der kein Apostel war, kam . sie auch zu jenen 
Zeiten nicht zu.« Heutzutage aber hat die Taufe keinerlei Be- 
deutung, oder Wirkung; »sie wird nur noch gedankenlos nach- 
geäfft " Am heftigsten erklärten sie sich gegen die, selbst von 
den Aposteln nie geübte Taufe der Kinder, welche bereits 
Franz Davidis verworfen, aber die unitarische Kirche, nach ihm 
neuerdings eingeführt hatte.^ 

Rein und edel war die Sittenlehre der ältesten Sabbatha- 
rieri Die Gesichtspunkte, von welchen sie ausging, waren wohl 
zumeist keine neuen, und ihre hauptsächlichen Grundsätze 
waren längst Gemeingut des Juden- und des Christenthums. 
Nichtsdestoweniger müssen wir den Männern unsre volle Achtung 
zollen, welche diese Sittenlehre aufgestellt, noch mehr aber 
der Glaubensgenossenschaft, welche sie gegen Ende des XVI. 
Jahrhunderts angenommen, im Leben befolgt, oder auch nur 
für bindend erklärt hat. 



1 S. ob. S. 91. 

« A. S. G. B. 109, Xm. 1—14. 

* Das. 109, XIII. 15—25; s. den $. Glaubensartikel der gabj)alharier, 
oben S. 48 ; vgl. Alexius J a k a b a. a. 0. S. 241. 



;•• T 



Gott gegenüber erkunnten sie als »oberstes Gehet kc 

Gott stets aus voller Seele lieben, 
Was Er befohlen, Alles üben, 
Aus Liebe, freudigen Sinnes übenJ 

Aufs strengste verurtheilten sie die Schein- und Werk- 
heiligkeit. »Wer in Sünden betet — lehren sie, dem wird das 
Gebet als Sünde angerechnet.« Beim Gottesdienste »sei Jeder- 
mann mit dem Herzen anwesend.« Das Gotteswort, das bei 
dieser Gelegenheit verkündet wird, »muss durch Thaten und 
mit Liebe bekräftigt werden,« denn: 

Gott mag nicht träge, heuchlerische Diener, 
Noch säutnige und unlustige Diener. 
Nur eifrige, gehorsam treue Kinder, 
Die allein liebt Gott.« 

Gottes geheiligter Name darf nicht nur bei einem falschen 
Eide, sondern auch im Alltagsleben nicht ausgesprochen werden 
um die Wahrheit irgend einer Behauptung zu bekräftigen, es 
sei denn aus würdigen und wichtigen Gründen, namentlich vor 
Gericht. 3 

Die eigentliche Bestimmung des Menschen erblickten sie 
in einem wahrhaft heiligen Leben, das heisst darin, dass der 
Mensch immer ehrfurchtsvoll und freudig in GottesWegen wandle^ 
uud immer vollkommener zu werden strebe.* Dieweil er aber 
»ein gar gebrechliches Thongefäss ist und zum Bösen hinneigt«, 
muss er seine Leidenschaft beherrschen lernen « Er meide das 
abscheuliche Laster der Sinnenlust, sei stets keusch und züchtig, 
auch im Umgange mit seiner eigenen Frau, und hüte sich, 
die Freuden dieser Erde masslos zu geniessen.^ 

Nach ihrer ernsten, zur Askese hinneigenden Auffassung 
des Lebens, muss der wahrhaft Fromme »diese Welt verab- 
scheuen, sie muss ihm wie ein Nichts sein.« Der Mensch 
müsse zu entbehren, zu dulden und zu tragen wissen und 

» Das. 110, III. 44; vgl. 5. ß. Mos. 6, 5 und 10, 12. 

> Das. 109, VIII. 1—4 und IX. 9. 

3 Das. 109, Vm. 1—4 und IX. 9. 

* Das. 2, 8 ; vgl. das Alte S a b b a t h a r i e r b u c h a. a. 0. S. 9. 

» Das. 10, 5,- 25, 6; 67, J3 ; 110, I. 8. 



126 

bereit sein, für seinen Glauben zu leiden.^ Das Erdenleben ist 
ein bald entschwindender Schatten; erst im Jenseits erwachen 
wir zum wahren Leben, dessen Seligkeit aber nur durch Ent- 
sagung hienieden zu erwerben ist: 

Kind Gottes, duld* und leide ! 
Dann wird Dir Himmelsfreude, 
Dann wird Dir reicher Lohn 
Vor Goltes Thron.» 

Um die Irrthümer und Sünden des E rdenlebens abschüt- 
teln zu können, wird Fasten und Kasteiung des Körpers 
empfohlen, als sicherstes Mittel aber: Reue und Besserung. 
Wer den Weg der Wahrheit betreten und auf ihm wandeln 
will, der „muss mit der Poenitenz beginnen.« Ihre, mit der 
jüdischen Tradition übereinstimmende, diesbezügliche Lehre 
lautete: »Gott hat, die Schwäche der Menschen berücksich- 
tigend, und vorhersehend, dass die Menschen in Folge ihrer 
Naturanlagen und ihrer Neigungen in der Sünde untergehen 
müssten, mit dem Menschen zugleich, als Heilmittel für ihn, 
auch die Poenitenz erschaffen.« Nur der wird der Seligkeit 
theilhaftig, der von seinen Sünden lässt, sie verabscheuen lernt 
und nie wieder begeht. ^ . 

Das Gebot der Nächstenliebe erklärten sie durch den 
Satz: »Was dir gut ist, musst du auch Andern thun«, sowie 
durch das bekannte: »Was du nicht willst, dass man dir thue, 
thue auch deinem Nebenmenschen nicht.« Jene christliche 
Auffassung hingegen, welche das biblische Gebot : »Liebe 
deinen Nebenmenschen wie dich selbst«, auch auf den Feind 
ausgedehnt wissen will, wiesen sie entschieden zurück, und 
zwar mit der, bekanntlich auch von jüdischer ^Seite vor- 
gebrachten Begründung, dass diese so weitgehende Auslegung 
des Gesetzes Unmögliches fordert. Der Mensch kann seinen 
Feind nicht lieben, wie sich selbst; ein Gesetz aber, das Unmög- 
liches fordert, kann Gott nicht gegeben haben.* Drum glauben 
sie, was die Feinde anbetrifft, nur so viel fordern zu können, 

1 Das 41, 9; 106, 6. 
a Das. 5, 8; vgl das. 9 und 11. 

8 110, III. 22; 109, IV. 4—8 und das ganze Lehrgedicht „Von der Poeni- 
tenz,« das. 109, VI. vgl. Talm. Babl. Pessachim 54-a. 
Das. 110, III. 46—8. 



127 



dass man sie nicht hasse und ihnen keinen Groll nachtrage ; 
dass man nicht Rache üben, sondern lieber Unrecht dulden 
und Schaden erleiden, als Streit und Zank beginnen, oder gar 
Böses mit Bösem vergelten soll. Man müsse vielmehr »aus 
reinem, andächtigem Herzen beten für die, so uns verfolgen.»^ 
Echte Nächstenliebe muss sich in Thaten offenbaren. 
Wohlthätigkeit ist die von den Sabbathariern am häufigsten 
und am nachdrücklichsten gelehrte Tugend, auf welche sie 
bei jeder Gelegenheit, oft wo wir es am allerwenigsten erwarten, 
hinzuweisen pflegen. Ihre Sittenlehre empfiehlt und verherrlicht 
die Wohlthätigkeit stets von neuem und stellt sie den Gläu- 
bigen als eine der wichtigsten und heiligsten Pflichten hin. 
»Wer helfen könnte und es verabsäumt«, begeht eine schwere 
Sünde. Wer den Armen aus Geiz und Engherzigkeit nicht 
hilft, ist ein Dieb, der »Gott und Menschen um das bestiehlt, 
was er ihnen schuldig istw^Jeder Feiertag hat, unter anderem, 
auch die Bestimmung, dass er zur Wohlthätigkeit mahne ; 
es gibt kein Fest, das ohne Werke der Wohlthätigkeit begangen 
werden könnte. Zur Feier des Sabbath gehört, »Armen Speisen 
geben« (ob S. 120). An den drei hohen Festtagen soll Jeder — 
und das drücken sie genau mit den Worten der jüdischen 
Tradition aus — »sich selber freuen und auch Andere erfreuen,«' 
und am Hüttenfeste sangen sie: 

Heut' am Hültenfeste lasst uns, gleich den Juden, 

Armen helfen, dass in Lumpen, 
Unbekleidet, jetzt, wo schon der Winter nahet. 

Keiner bleib* in unsrer Mitte.* 

Aehnlichen eindringlichen Ermahnungen begegnen wir 
auch in den Liedern, die sie an den übrigen Festtagen zu singen 
pflegten.«^ 

Ihr versificirter Katechismus enthält ein besonderes Lehr- 
gedicht »Ueber das Almosengeben und über die richtige Art 

1 Das. 110, I. 6 und III. 42 ; 86, 9. vgl. Talm. Babl. BJa b a-K a m;a 93-a, 
Sabbath 88-b, J o m a 23-a u. s. w. : 

» Das. 110, II. 27—9; vgl. 109, X. 10. 

» Das. 70, 8 ; vgl. M a*a s z e r-S c h e n i V. 12 und S z i f r e zum 5. B. 
Mos. 26, 14. 

* 71, 13. 

« Das 67, 12 ; 65, 8 ; 73. 17 u. s. w. 



A28 



und Weis.e desselben.*«^ Das göttgefälligste Opfer ist Almosen, 
das man wiHig und freundlich Jedem reicht, der darauf ange- 
wiesen ist, dem guten wie dem bösen Menschen, »vor allem 
jedoch dem Gottesfürchtigen.« Der Sünder kann nur dann 
Verzeihung erhoffen, [wenn er seine Sünden bereuend, mit 
Feinem Herzen reichliche Almosen spendet, »denn — so sangen 
sie in einem ihrer Neujahrslieder mit den einem jüdischen 
Neujahrsgebete entlehnten Worten — Reue, Gebet und Wohl- 
thätigkeit wenden ab das böse Verhängniss.«^ 

Im Anschluss an das Gebot der Menschenliebe lehrten 
sie, dass man auch die Thiere gut und schonungsvoll behan- 
deln müsse. Liebe und Erbarmen haben sich auf alle Geschöpte 
Gottes zu erstrecken, auch auf das unvernünftige Thier. Diese 
Forderung kehrt in ihrer religiösen Literatur so häufig wieder, 
und ihre Gesänge ermahnen so oft und so nachdrücklich, dass 
der Mensch »Vieh und Geflügel nicht schonungslos behandeln, 
sondern allen Thieren gegenüber voll Erbarmen seih soll:«' 
dass diese auffallend häufige Wiederholung darauf schliessen 
lässt, dass in ihrer Umgebung die Thierquälerei allgemein 
verbreitet war. Auf ähnliche Erscheinungen in ihrer nächsten 
Umgebung dürfte auch die Thatsache zurückzuführen sein, 
dass das Alte Sabbatharische Gesangbuch so häuflg und so 
nachdrücklich Nüchternheit und Massigkeit empfiehlt und 
Trunksucht und Völlerei, als Todsünde, aufs härtesle ver- 
urtheilt.* 

Im Namen der Religion forderten die Sabbatharier die 
pünktlichste Erfüllung aller Bürgerpflichten, Achtung vor dem 
Fürsten und den Behörden, sowie vor den von diesen gegebenen 
Gesetzen. Doch darf diese Pflicht, eben weil sie eine religiöse 
ist, mit der Religion nicht collidiren; sie erlöscht, wo sie dem 
Gewissen Zwang anthut und eine Uebertretung des göttlichen 
Willens fordert. Die Sabbatharier dehnen nämlich das biblische 
Gebot, welches die Eltern zu ehren vorschreibt, auch auf die 
Verehrung der Lehrer aus, und knüpften ausserdem noch die 
Mahnung an dasselbe: 

1 109, X. 

s 73 ^ 17—19 ; vgl. 109. X. 20—22. 

8 109, VI. 15; vgl. das. X. 11; 110, II. 23 : 36, 12—15; 82, 4. u. s. w. 

* 32, 4; 40, 4; 28, 7; 67, 13: 110, Hf. 23 u. s. w. : 



129 



Unsere Fürsten soll*n wir achten und verehren, 
Richtern und Gesetzen Treue stets bewähren; 
Auf ihr Wort, so will es Gott, hat man zu hören, 
Wider Gott jedoch sie nimmermehr zu ehren.* 

Durch diese Einschränkung wollten sie offenbar ihren 
Standpunkt wahren und es rechtfertigen, dass sie eine Religion 
bekennen, welche durch das Landesgesetz und durch fürst- 
liche Erlässe \yiederholt für eine verbotene erklärt worden war. 

Die im bisherigen geschilderten Innern und äussern Ver- 
hältnisse der ersten Sabbatharier haben sich 35 Jahre hindurch 
ziemlich unverändert erhalten. Da trat im Jahre 1621 ein poli- 
tisches Ereigniss ein, welches in der Geschichte dieser Secte 
einen Wendepunkt bezeichnet, und eine wohl naturgemässe, 
aber rasche, ja, in gewissem Sinne plötzliche Fortentwicklung 
des ursprünglichen Sabbatharierthums herbeiführte. Dieses 
Ereigniss war der Sturz Simon Pechis, des mächtigen Reichs- 
kanzlers von Siebenbürgen, der schon früher ein eifriger Sab- 
batharier war, im Jahre 1623 aber, als er nach zweijähriger Gefan- 
genschaft seine Freiheit^wiedererlangte, sich an die Spitze dieser 
Secte stellte und ihr eine neue und entschiedene Richtung gab. 

Simon Pechis Jugend und Reisen. Seine diploma- 
tische Laufbahn und Reichskanzlerschaft. 

Simon Pechi (spr. Pehtschi) ist eine jener geschichtlichen 
Gestalten, deren Laufbahn wir bald mit Ueberraschung, bald 
mit Bewunderung, bald mit Beileid, aber immer mit Inte- 
resse verfolgen. Unsere Sympathien empfangen und beglei- 
ten den reichbegabten Jüngling, der aus dem Dunkel einer 
niedrigen Herkunft uns entgegentritt, muthig vorwärtsstrebt 
und rasch hoch und immer höher steigt. Mit Befriedigung 
sehen wir den mit seltener Gelehrsamkeit ausgerüsteten, 
stattlichen Mann als den höchsten Würdenträger und, nach dem 
Fürsten, mächtigsten Menschen seines Landes in der glänzen- 
den Stellung, zu der er aus eigener Kraft sich emporgerungen 
hat Dem schon ergrauenden Manne, der von der mühsam 
erklommenen und lange behaupteten Höhe jäh und tief herab- 
stürzt, können wir unser Mitgefühl nicht versagen, wenn wir 

* Das* 110* L, 18—19. 
Or. Kohn : Sabbatharier. 9 



130 



ihn mit schweren Ketten beladen im Kerker sehen, sodann 
aber, wie er, kaum frei geworden, sein ganzes Wissen und 
Können seiner religiösen Ueberzeugung weiht. Dieses Mitgefühl 
steigert sich zum herzlichen Beileid, wenn wir den durch Alter 
und Krankheit gebrochenen Greis zum zweitenmale, diesmal 
als Märtyrer seines Glaubens, im Kerker erblicken, dessen 
Pforten sich ihm abermals öffnen, worauf er nach einigen 
Jahren der Entbehrung, unter ärmlichen Verhältnissen, aber 
bei ungeschwächter Arbeitslust, sein wechselvolles Leben 
beschliesst. 

Dem Namen Pechis, der als Staatsman und als Heerführer 
unter anderem auch im dreissigjährigen Kriege eine Rolle spielte, 
und dem das Sabbatharierthum seinen dreihundertjährigen Fort- 
bestand verdankt, begegnen wir wiederholt in der politischen 
und in der Religionsgeschichte Siebenbürgens. Die eigenartige, 
ihrem Umfange und ihrem wissenschaftlichen Werthe nach 
gleich bedeutende Literatur, die er ganz allein geschaffen, ist 
uns nahezu vollständig erhalten geblieben. Sein Andenken, 
das die Pietät der Sabbatharier treu bewahrt und mit einem 
kleinen Sagenkreise umgeben hat, lebt bis zum heutigen Tage 
in den Bauernhäusern der Szekler, aber auch in den Palästen 
hervorragender Adelsfamilien Ungarns und Siebenbürgens, 
deren Stammvater er geworden ist. Sein an glänzenden und 
an tragischen Ereignissen reiches Leben hat die Aufmerksam- 
keit des Baron Siegmund Kemeny auf sich gezogen, der 
einen der Helden seines historischen Romans »A rajongök« 
(Die Schwärmer) aus ihm gemacht hat. Auch einen Biographen 
hat er bereits gefunden. Ladislaus Köväry, der Verfasser der 
»Geschichte von Siebenbürgen« hat die Schicksale Pechis in 
einer Monographie in sympathischem Tone, eingehend und, 
nach Massgabe der ihm zur Verfügung stehenden Quellen, im 
ganzen richtig und übersichtlich dargestellt.^ 

Bei alledem kennen wir bis jetzt nur die äussern Lebens- 
verhältnisse Pechis, und auch diese nur lückenhaft. Seine Stel- 
lung in der religiösen Bewegung seiner Zeit, seine literarische 
Thätigkeit und seine wissenschaftliche Bedeutung sind so gut 
wie unbekannt geblieben. Was wir zur Zeit davon wissen, 
beschränkt sich auf einige zerstreute Notizen und nicht bewie- 

* Im Kereszteny Magvetö, VI. S. 34 flg. • 



131 



sene und geradezu falsche Voraussetzuugen und Behauptungen. 
Diesbezüglich ist Klarheit und Sicherheit nur in den Schriften 
zu finden, in welchen er die Resultate seiner Geistesarbeit 
niedergelegt und sein Denken und Fühlen offenbart hat. Von 
diesen sind aber, mit Ausnahme einiger Briefe, im ganzen blos 
zwei Gedichte, und ein Capitel aus seiner Uebersetzung und 
Erklärung des Pentateuch veröffentlicht worden.^ Von seinen 
zahlreichen übrigen Werken sind zumeist nur dürftige und 
oft unrichtige Inhaltsangaben, oder gar nur die blossen Titel 
bekannt; mehrere andere sind gänzlich unbeachtet geblieben. 
Die Abstammung und die Jugendjahre Simon Pechis sind 
in dichtes Dunkel gehüllt. Wir kennen nicht einmal die Namen 
seiner Eltern. Nach einer wenig verbürgten, kaum glaubwür- 
digen Nachricht soll er der Sohn eines Kürschners in Fünf- 
kirchen und ursprünglich selber ein Kürschnergeselle gewesen 
sein.* Doch war er sicherlich kein geborener Siebenbürger. 
Sein Urenkel Baron Alexius Orbän, der seine Kinderjahre im 
Hause einer Tochter Pechis verlebte, die auch seine Mutter 
erzogen hatte, berichtet in seinem vom 3. Mai 1740 datirten 
Testamente, sein Urgrossvater sei »in jungen Jahren nach 
Siebenbürgen eingew^andert.«^ Offenbar ist er aus Ungarn dahin 



^ Das eine Gedicht ist, das. XV. S. 174 von A exius Jakab ver- 
öffentlicht worden, das andere in'm einem „A szombatosok" S. 67 — 8; ein 
Capitel aus Pechis Bibelübersetzung s. „Prot. Egyhäzi es Isk. Lapok" (Protestan- 
tische Kirchen- und Schulzeitung) 1888, No. 12. 

* Die betreffende, von Späteren vielfach nachgeschriebene Nachricht findet 
>ich im «Öneletiras** (Selbstbiographie) des siebenbürgischen Fürsten Johann 
Kemeny (in der Ausgabe von Szalay, Pest 1886, S, 11 und 407.) Kemeny,der, 
bevor er den Fürstenstuhl bestieg, mit Pechis Erben langwierige Processe führte, 
und auf diesen schlecht zu sprechen ist, wiederholt hier wahrscheinlich eine 
allgemein verbreitete, weil naheliegende Annahme, welche P6chi, ' dessen 
Herkunft unbekannt war, mit Pecs, d. i. Fünfkirchen, in Verbindung brachte. 
Die Angabe, dass Pechi in Pest geboren, sowie die Annahme^ dass sein Vater 
aus Böhmen eingewandert sei, beruht auf einem leicht nachweisbaren Irrthum. 
S. mein. „A szombatosok*', S. 158. 

> Einzelne auf Pechi bezughäbende Stellen aus dem Testamente des 
Baron Alexius Elek hat sein Urenkel, der unlängst verstorbene ungarische 
Landtagsdeputirte Blasius Orbän, a. a. 0. I, S. 153, sowie. Köväry 
:i. a. 0. S. 35 — 6 veröffentlicht. Dem. Verfasser dieser Schrift hat eine ;vön 
fachkundiger Hand angefertigte vollständige Abschrift dieses Testamentes vor 
;relegen. Dass Pechi Siebenbürgen nicht als Geburtsland bezeichnen konnte' 
j^cheint sich auch- aus seinem Briefe (bei Mikö, a. a. 0. III. 8.356) zuergebeiJ^ 

9* 



Itt 

gekommen, vielleicht mitsammt seiner ebenfalls in Sieben- 
bürgen lebenden Schwester Anna, der nachmaligen Gattin des 
Johann Simon v. Särd, der einzigen von allen seinen Familien- 
angehörigen, die wir kennen. Sein Geburtsjahr ist annäJiernd 
um 1460 anzusetzend 

Seine Studien soll er an der unitarischen Hauptschule au 
Klausenburg gemacht haben, 'an welcher er sich mit beson- 
derer Vorliebe mit den orientalischen Sprachen beschäftigte * 
Später wurde er unitarischer Schulmeister in Szent-Erzsebet, 
wo ihn Eössi kennen lernte und mit der Erziehung seiner 
Kinder, dreier Knaben, betraute. In dieser Stellung gewann er 
bald das volle Vertrauen des verwitweten und an das Kran- 
kenlager gefesselten Mannes, der ihm jetzt auch die Verwaltung 
seiner Güter überliess. Inzwischen verstarben die drei Söhne 
Eössis, und der kinderlos gewordene Mann schloss sich immer 
enger dem tüchtigen und erprobten jungen Mann an, dessen 
treue Anhänglichkeit er mit warmen Worten anerkannte.« 

Was aber die Beiden noch fester mit einander verknüpfte, 
war der von Eössi verkündete neue Glaube, der in Pechi einen 
eifrigen und gelehrigen Jünger fand. Der fanatische und dabei 
vorausblickende und seinem Ziele unentwegt zustrebende Reli- 
gionsstifter sah in dem reichveranlagten, energischen Jüngling 
ein providentielles Werkzeug zur Befestigung und Verbreitung 
des Sabbatharierthums. Um ihn für diese Mission würdig vor 

^ In seinem in der vorhergehenden Anm. erwähnten, v. 80. Juli 16il 
datirten Briefe neunter sich einen «alten Mann;** er muss daher zur Zeit zum 
mindesten 60 Jahre alt gewesen, demnach spätestens um 1560 geboren sein. 
Dasselbe ergibt sich aus dem amtlichen Actenstücke bei Szilägyi, a. a. 0. 
X. S. 213, das i. J. 1638 von P6chis Greisenalter spricht, sowie aus dem 
Umstände, dass er i. J. 1581 die weiter unten besprochene Studienreise antrat, 
nadidem er bereits einige Jahre im Hause Eössis als Erzieher gelebt hatte. 
Er musste demnach i. J. 1681 mindestens 20 — 21 Jahre alt, also um 1660 
geboren sein. Damit stimmt die Angabe in der Selbstbiographie des Fürsten 
Johann Kemöny (a. a. 0. S. 11) überein, dass der um 1643 verstorbene Pechi 
„in einem sehr hohen Lebensalter verschied«! ist;** er muss demnach 83 — 86 
Jahre alt geworden sein. In meinem ,A Szombatosok* (S. 160) habe ich sein 
Geburtsjahr und Unrecht auf 1666 — 1670 angesetzt. 

* So, ohne Quellenangabe, bei Alexander S z ö k e 1 y, Unit. vallÄs tOrttoete 
(Gesch. d. Unitarism. in Siebenb.) S. 183. 

* S. das Actenstück, durch welches er Pöchi adoptirte und ziun Erben 
AseiiMs gesammtmi Besitzes erklärte, bei Köviry, a. a. O. S. 87, un,mit eini|;en 
bw«ichHDgen nun zweitenmale edirt,in TOrt^n. Tär, 1887, S. 809. d 



ISS 



zubereiten, setzte er Alles daran, ihm eine unabhängige und 
möglichst einflussreiche Stellung zu verschaffen. Pechi sollte 
Wissens- und Erfahrungsschätze sammeln, zu Reichthum, 
Ansehen und Würde gelangen, um dann das alles in den Dienst 
des Sabbatharierthums zu stellen. 

Durch den Einfluss Eossis gelangte er zunächst an den 
siebenbürgischen Fürstenhof, an welchem er eine Zeit lang 
treue und erspriessliche Dienste leistete, welche Fürst Sieg- 
mnnd Bäthory später rühmend anerkannte.* Sodann aber trat 
er, von Eossi mit reichlichen Geldmitteln, vom Fürsten mit 
Pässen und Empfehlungsbriefen versehen, eine längere Reise 
an, wie sie damals als Bildungsmittel für Kinder vornehmer 
Häuser allgemein üblich war. Doch hat eine solche Reise 
sicherlich nur selten so lange gedauert und in so ferne Länder 
geführt, wie die Pechis. 

Pechi hat über seine Reise ein Tagebuch geführt.« In die- 
sem Diarium — so schreibt Baron Orbän in seinem oben- 
erwähnten Testamente — habe ich gelesen, dass Simon Pechi, 
nach seiner Abreise von Siebenbürgen, ein Jahr in der Walachei 
an der Seite des Woiwoden verlebte; von dort ging er nach 
Konstantinopel, wo er sich über anderthalb Jahre beim Gross- 
vesir aufhielt. Sodann setzte er übers Meer, ging Afrika ent- 
lang und verweilte acht Jahre in Karthago. ^ Von dort kam er 
wieder nach Europa herüber und verweilte lange in Rom und 
in Neapel. Von Neapel ging er zum König von Spanien, von 
dort zu dem König von Portugal, von dort nach Frankreich 
und kehrte sodann nach Siebenbürgen zurück. Auf diesen Reisen 
hat er, nach seinen unterwegs niedergeschriebenen Aufzeich- 
nungen, achtzehn Jahre augebracht.« 

Dieses Diarium, das er, nach dem Berichte seines Urenkels, 
»auch in ein Buch zusammengefasst hat«, ist Letzterem wäh- 
rend der Räkoczischen Wirren mit vielen andern werthvollen 
Schriften von österreichischen Soldaten geraubt worden und 
seitdem nicht wieder zum Vorsehein gekommen, Pechi selber 
bezeichnete diese Reise an einer Stelle in seinem handschrift- 
lichen Psalmen-Commentar blos als eine »lange« und erzählt 

> S. die Actenstficke bei Kdväry a. a. 0. S. 40 und bei Joseph 
Kem6ny, Diplomatanum VII, 177. 

'WahrseheiDlicb ist Tunis gemeint; die acht Jahre dflrften sieh auf alle 
seine Reisen in AMka beziehen. 



.134 



ian einer ;anäfern Stelle daselbst, er sei bei Coroyra während 
eines Sturmes vom Schiffe ins Meer gefallen und wunderbar 
gerettet worden.^ Ausserdem bierichtet er gelegentlich nur noch 
so viel, er habe in Konstantinopel gesehen, wie die Türken 
die Haarstoppeln ihrer glattrasirten Schädel mit brennenden 
Kohlen wegsengten. ^ Sonst findet sich in seinen sämmtlichen 
Schriften, soweit sie uns erhalten geblieben sind, auch nicht 
der geringste Hinweiß auf diese lange und für ihn bedeutungs- 
volle Reise.' Wie wir gesehen, hat er in den von ihm besuchten 
Ländern überall mit den höchsten Staatsbeamten verkehrt und 
auch am Hofe Zutritt gefunden, und so reichlich Gelegenheit 
gehabt, die diplomatische Erfahrung und Gewandtheit zu erwer- 
ben, der er später seine Erfolge zu verdanken hatte. Dass er 
diese Reise auch zu einem eingehenden Studium der hebräischen 
Sprache und rabbinischen Literatur benützt hat, beweisen seine 
hinterlassenen Schriften. Er muss, offenbar in der Türkei, Afrika 
und Italien, den Unterricht gelehrter sephardischer Juden 
genossen haben.* 

Während Pechi noch auf Reisen, war, entschloss sich 
Eössi, im Vorgefühle des herannahenden Todes, ihn zu adop- 
tiren. N.achdem er hiezu die Genehmigung des Fürsten Siegmund 
Bäthori erwirkt hatte, Hess er am 10. Mai 1598. die Urkunde 
ausfertigen,: durch welche er Simon Pechi, der ihm in Treue 
und Liebe gedient, »dessen vollkommene Frömmigkeit, Huma- 
nität und edle Sitten er kennt, und von dem er weiss, daBB er 
ein für den Dienst des Fürsten und des Vaterlandes geeigneter 
und brauchbarer Mann sei, als seinen Sohn und Erben aner- 
kannte, ganz so als ob er ihn selber gezeugt hätte.« Auch sollte 
Pechi, was er aber thatsächlich nie gethan, von diesem Tage 
an den Namen seines Adoptivvaters führen und Simon Eössi 
heissen ö 

* S. die betreffenden Stellen in seinem Gpmmentar zu Ps. 107 V. 27 u. 31 

* In seiner Uebersetzung des S e m a k zu dem Verbote 3. B. Mos. 19, 27. 

* Die achtzehnjährige Dauer seiner Reis^ habe ich in meinem „A szomba- 
tosok* (S. 161, Anm, 2) mit Unröcht angezweifelt, sie stimmt vielmehr niit den 
übrigen .uns bekannten Daten, aus Pechi's Leben vollständig überein ; s.ob,S. 132. 

* Die Art und Weise, wie er das Hebräische transscribirt, sowie die von 
ihm benutzten imd bearbeiteten Werke der rabbinis;chen Literatur weisen auf 
sephardische Juden hin, die seine Lehrmeister gewesen sind. 

i ^ S. die Urkunde;! bei Kö v äry, a. a. 0. S. 37—8 u. in Tört6nelmi Tär, 
1887, S. 809. 



185 

Im März des nächsten Jahres (1599) war Pechi wieder in 
Siebenbürgen, wo er sich zunächst beim Fürsten Bäthori mel- 
dete, der damals eben abdicirt hatte und im BegrifYe stand, 
das Land zu verlassen. »Gern wäre er — so heisst es in 
den mehrfach erwähnten testamentarischen Aufzeichnungen 
seines Urenkels — sofort zu seinem Adoptivvater Andreas Eossii 
geeilt, aber der Fürst, der seine Reiseerlebnisse hören wollte, 
hielt ihn zurück. Drum sandte er einen Boten, durch welchen 
er Andreas Eössi von seiner Ankunft verständigte. Dieser schrieb 
zurück, er möge sich mit der Nachhausekunft beeilen, denn er 
sei krank; auch den Fürsten bat er flehentlich, Pechi zu ent- 
lassen. Da stellte ihm der Fürst eine Carosse zur Verfügung, 
in welcher er nach Szent-Erzsebet reiste. Als er aber dort 
angekommen war, lebte Andreas Eossi nur noch drei Stunden, 
dann starb er, und Simon Pechi gelangte in den Besitz seiner 
sämmtlichen Güter.« 2 

Der sterbende Eössi konnte mit berechtigter Freude auf 
seinen heimgekehrten Adoptivsohn blicken, der die in ihn 
gesetzten Erwartungen vollauf verwirklichte. Der Fürst Johann 
Kemeny, der als jüngerer Zeitgenosse Pechis, diesen sicherlich 
persönlich gekannt hat, und sich oft hart genug über ihn äussert, 
nennt ihn einen »klugen, feingebildeten« Mann, der »sich in 
allem als vornehmer Herr zu benehmen wusste, und sowohl 
in Kriegs-, als in Landesangelegenheiten und Amtshandlungen, 
sowie in politischen Unterhandlungen erfahren, und sehr gelehrt 
war sowohl in der Theologie, als auch in den übrigen Wissen- 
schaften, in der lateinichen, griechischen, jüdischen (hebräischen) 
und chaldäischen Sprache.» » Die gründliche Kenntniss dieser 
Sprachen ergibt sich aus seinen hinterlassenen Schriften. Ausser- 
dem hat er sicherlich auch walachisch, türkisch, italienisch, 
spanisch, französisch und deutsch, und wahrscheinlich auch 
polnisch verstanden, so dass die in seiner Familie lebende 

^ Orbän schreibt consequent falsch : Thomas Eössi ; den zur Zeit der 
Abfassung seines Testamentes siebzigjährigen Greis scheint, was Namen anbe- 
trifft, das Gedftchtniss mitunter im Stiche gelassen zu haben. 

> Die nächsten Blutsverwandten Eössis fochten das Erbrecht Pechis an, 
er schloss aber mit ihnen einen billigen Vergleich, der ihm den grössten Theil 
der Besitzthümer Eössis sicherte; s. die testamentarischen Aufzeichnungen 
seines mehrfach erwähnten. Urenkels. 

* Johann K e m 6 n y, a. a. 0. S. 9 und 407. 



186 



Tradition, er habe, »die ungarische daaiigereohnet, zwölf 
(nach einer anderen Lehrart gar siebzehn) Sprachen verstaii- 
den,^ ganz glaubwürdig erscheint. 

Der arme Schulmeister, der als vielgereister und viel- 
erfahrener Mann von seltener Bildung und weltmännischer 
Gewandtheit heimgekehrt war, wurde auch bald darauf einer 
der reichsten Grossgrundbesitzer des Landes, der in drei Conü- 
taten begütert war-* Die Fürsorge Eössis hatte ihm den Weg 
geebnet, der zu Ansehen und zum Ruhme führen konnte: 
er betrat ihn unverweilt und schritt rasch vorwärts auf dem- 
selben. 

Gegen Ende des Jahres 1601 begegnen wir ihm bereits 
als dem Secretair des Fürsten Bäthori,» der im nächstfolgenden 
Jahre der Herrschaft entsagte und zunächst nach Polen ging, 
wohin ihm Pechi folgte.* Im Jahre 1604 treffen wir ihn bereits 
wieder in Siebenbürgen als Secretair und Vertrauensmann 
Stephan Bocskais, in dessen Diensten er einen hervorragenden 
Antheil an den damaligen Innern Kämpfen nahm.^ Der im Jahre 
1606 zur Herrschaft gelangte Bocskai würdigte mit warmen 
Worten die treuen Dienste Pechis, überhäufte ihn mit Gunst- 
bezeugungen und behielt ihn bis an sein Lebensende als gehei- 



^Walachisch, türki'sch, italiänisch und französisch 
dürfte er während seines, zum Theil mehrjährigen Aufenthaltes in den betref 
fenden Ländern erlernt haben. Dae» er deutsch sprach, ergibt sich aas 
seinen häufigen Unterhaudiungen und aus seinem intimen Verkehre mit dautsebe»- 
namentlich österreichischen Gesandten und Diplomaten. Da Siebenbürgen damals 
mit Polen in engen Beziehungen stand, P^chi i. J. 1602 den Fürsten Siegmund 
Bäthori nach Polen begleitete und eine Zeit lang dort mit ihm lebte, ausserdem 
einmal auch Gesandter am polnischen Hofe war (s. Köväry, a. a. O. S. 38 
und Torten. Tär, 1681, S. 145), ist anzunehmen, dass ev aoeb des Polnischen 
mächtig var, was mit den obenerwähnte Lateinischen, Griechisehe% 
Hebräischen uod Chaldäis eben, mit Hiozurecbxttmg des Ungarischen 
die zwölf Sprachen gäbe, welche Pöchi nach den Aufzeichnungen seines 
Urenkels gesprochen haben soll. In dem betreffenden Passus des Testamentes 
liest K6vary „zwdlf^ (uagarisch: tiae&k^t), die von fiur i»MitMiSto Abschrift 
Tormas „siebzeha** <UBg.: tizenhöt) S^acheft. 

s Die AufzähhiBg der Qfttor, ^e er von Uaei feeriMt koitle, s. in 4tm 
Acteostttcken bei Kö var j, a. a. 0. 8. 37 «ad M uad TM. T4r, 1887, S. 809. 

* S. die in der vorhergehettäan Annerkuag angefiliirtea ActeastAel». 

« K 6 Vary, a. a. Q. S. 88; vfi ok Ann. 1. 

i S. den Brief Pechis vom 26. März l«Oft in Mpmm €enut, V. 8. 3M; 
vgl. das. S. 884—5. 



187 

men Secretair in seiner nächsten Umgebung.* Als Bocskai um 
die Mitte des Jahres 1606 in Kaschau schwer erkrankte, war 
Pechi stets an seiner Seite, Sicherlich geschah es auf sein 
Betreiben, dass eine ansehnliche Deputation nach Krakau 
geschickt wurde, um den dortigen berühmten jüdischen Arst 
Eleazar, den er während seines Aufenthaltes in Polen kennen 
gelernt haben mochte, an das Krankenlager des Fürsten zu 
berufen. Eleazar folgte der Aufforderung, konnte aber den 
Kranken, den man allgemein für vergiftet hielt, nicht mehr 
retten.* Unter den von dem Fürsten ernannten drei Voll- 
streckern seines Testamentes, war auch Simon P^chi sein »ver- 
trauter, geheimer Secretair«, dem er zwei Güter und einen 
Herrenhof vermachte.« Während seiner Krankheit hatte Pechi, 
als Bevollmächtigter und Stellvertreter des Fürsten, die Regie- 
rungsgeschäfle geführt.* 

Siegmund Räköczi, dem Nachfolger des am 29. Dezember 
1606 verstorbenen Bocskai, muss Pechi ebenfalls dankenswerthe 
Dienste geleistet haben, denn Rakoczi übertrug ihm durch eine 
Schenkungsurkunde einen ansehnlichen Grundbesitz. Als der 
alte und unfähige Räköczi nach kaum fünfzehnmonatlicher Re- 
gierung dem Throne entsagte, war es in erster Linie Pechi, 
der die Unterhandlungen zwischen dem zurücktretenden und 
dem neu zu wählenden Fürsten leitete und zum Abschlüsse 
brachte.* In Anerkennung der ihm bei dieser Gelegnnheit ge- 
leisteten treuen und erspriesslichen Dienste, bestätigte Gabriel 
Bäthori kurz nach seiner Thronbesteigung Pechi in dem Be- 
sitze der ihm von Räköczi verliehenen Güter.« 

Um dieselbe Zeit, im Jahre 1608 verehelichte sich der 
damals ungefähr achtundvierzigjährige Pechi mit Judith, der 
fünfzehnjährigen, frühverwaisten Tochter des Wolfgang Komis 



^ P6efatf Brief 6a», S. 384, 897; K^väry a. a. 0. S. ^•-<4d und TM. 
T4r, 1887 S. 810, 

* Stephan Yeezpröroi, Sa«cinta medicorum Hongiiriae et Transüfr. 
Biographia (Wien 1787> IV. S. 121. 

* Karl 6. R u m y, Monumenta Hunf . E. S. 839. 

^ S. das Testament Bocskaie a. a, 0. das. Sw 815—338 ; vgl. die Briefe 
P^diis vom 22. Juni bis zum 8. Dezember 1806 bei Mikö, a. a. O. fV. S. 
342-849. 

» Köväry, Erd61y Tört6nelme, IV. S. 191 und die dort citirteB Quellen. 

•Kövdry, in Kereszt. Magvelö VI. S. 41. 



von Homorod-Süent-Päl.^ Durch diese trat er in. verwandt 
s<5baftliöhe Beziehungen zu den vornehmsten Familien des 
Landes, unter andern zu einem gewesenen und zu einem zu- 
künftigen Fürsten von Siebenbürgen: zu Moses Szekely und, 
in einem entternteren Grade, zu dem später so mächtigen Gabriel 
ßethlen.2 

Die Verbindung mit den hochangesehenen Komis ge- 
reichte ihm zunächst nur zum Nachtheile. Der grausame Bathori 
Hess nämlich im Jahre 1610 unter anderen Adeligen auch meh- 
rere Kornis theils hinrichten, theils des Landes verweisen, 
wodurch zwischen dem Fürsten und der Schwägerschaft Pechi's 
ein feindseliges Verhältniss entstand. Letzterer, den der Fürst 
um dieselbe Zeit ^um Abschlüsse der Friedenspräliminarien 
nach Wien geschickt hatte, musste grade jetzt ünverrichteter 
Dinge zurückkehren; er fiel in Ungnade und lebte ungefähr 
drei Jahre lang in vollständiger Zurückgezogenheit.^ 

Als Gabriel Bethleri im October 1613 an der Stelle des 
ermordeten Bdthori zum Fürsten von Siebenbürgen erwählt 
wurde, begann für Pechi der glänzendste und an Erfolgen 
reichste Abschnitt seines Lebens. 

Unter der Regierung Bethlens gelangte die Familie Kornis, 
die mit ihm verschwägert war und seine Partei ergriffen hatte, 
neuerdings zu Ansehen, ja zu grösserem Einfluss denn je zuvor, 
und mit der Familie seiner Frau stieg auch Pechi empor. Dazu 
kam, dass Bethlen als Jüngling, in der Schule des kampfge- 
wohnten Moses Szekely, dessen Liebling und getreuer Partisane 
er war, die Kunst der Kriegsführung erlernt hatte.* Szekelys 
noch; lebende Witwe war aber eine ältere Schwester von Judith 

^ Sie' starbt wie sich aus der an ihrer Bahre gehaltenen Leichenrede ei^ibt, 
nach dreizehnjähriger Ehe im ApriI1621 im 28, Lebensjahre; s. Rade- 
cius Valentin, Funebris landatio ill. feminae Judithae Eornissianae, sp 
magnif. Dni. Simonis P6chi . . conjugis, Cllaudiop. 1621, 4o,iS. 6, 8 und 17. 

* Eine ältere Schwester seiner Frau, Anna, war die Witwe des Fürsten 
Moses Sz6kely; durch die Stiefmutter . seiner Frau, Christine Bethleu, war er 
auch mit der nachmaligen Fürstenfamilie-Bethlcjn verschwägert.; s. seinen Brief 
«Dlustrissimo Domini. . ..Stephanoi Bethlen de Mär . , .Domino Affini* bei 
Mik6, a. a, 0. III. S. 357. lieber die Famili« Komis s. Szäzadok, 1889, 
S. 534—5; K^öväry, Erd61y nevezetesebb csalädjai (= Die namhafteren Familien 
von Siebenbürgen) S. 160, sowie Baron Orbans obenerwähntes Testament. 

» Monum. Comit. VI. S. 41. 

* Szäzadok, 1869. S. 653. . . . > 



139 



Kornis, also Pechisi Schwäg-erih. Der unterrichtete und fein ge- 
bildete Fürst, der den welterfahrenen, gelehrten und als Diplo- 
maten bereits, bewährten Mann auch persönlich liebgewonnen 
haben mochte, ernannte gleich am Anfange seiner Regierung 
Pechi zum Mitgliede des Staatsraths und gleichzeitig zum 
Kanzler des Reiches.^ Der ehemalige Schulmeister von Szent- 
Erzsebet wurde jetzt, wie es in einer zeitgenössischen Auf- 
zeichnung heisst,. »im Reiche des Fürsten der mächtigste 
Mann,«2 und das in der Glanzperiode der Geschichte Sieben- 
bürgens. 

In den schier endlosen Streitigkeiten und Wirren zwischen 
Kaiser Mathias und Bethlen, war es fast immer Pechi, der 
als Bevollmächtigter des Letzteren die Friedens- und anderwei- 
tigen diplomatischen Unterhandlungen leitete, beziehungsweise 
abschloss, so 1614 in Klausenburg, ^ 1615 in Wien uud Steinaman- 
ger*, 1617 abermals in Wien und Steinamanger^ und 1619 in 
Nagy-Kdroly.® Bei allen diesen Gelegenheiten glückte es ihm, 
derartige Erfolge zu erzielen, dass ihm Bethlen, unter dem 
Ausdrucke der höchsten Anerkennung, im Jahre 1615 das 
Schloss und Gut von Baläzsfalva, und 1617, wie es scheint, als 
Neujahrsgeschenk neun Dörfer übertrug.*^ 

Mittlerweile war der dreissigjährige Krieg ausgebrochen, 
Kaiser Mathias gestorben und der Kampf zwischen Ferdinand IL 
und den Ständen, die Friedrich V. von der Pfalz, das Haupt 
der protestantischen Union, zum König von Böhmen erwählten, 
hatte begonnen. Der unternehmende Bethlen konnte aus confes- 

* In dieser Eigenschaft begegnen wir Pechi bereits im Januar 1614 ; 
s. Alexander Szilagyi, Bethlen Gabor kiadailan politikai levelei (Gabriel 
Bethleos unedirte politische Briefe) S. 10. 

* Kemeny^ Selbstbiographie S. 407. 
3 Monuro. Gomit. VI. S« 493. 

* Das. yn. S. 256 und 260 flg.jiMichael Hatvani, Brüsseli Okmänytar 
(Brüssler Urkundenbuch) rV., S. 115— 123,, wo Sl. 116 st. Pethey richtig Pechy 
zu lesen ist. 

* Monum. Comit, VII; S. 431 und 444; Vgl. den Brief »Bethlens an seine 
Wiener Vertrauensmänner und B^nquiers Antonius Aalerbott und Joannes Leinert 
^n meinem ,A szombalQsok" S. 169—170." 

* Monum. Com. VII. S. .496—501 und Hatvani (Pseudonym für 
H r V ä t h, Verfasser der bekannte^ Geschichte von U[ngarn) a. a. 0. V. S. 182. 

» K ö V ä r y in Kereszt-Magvetö VI. S. 41 und. 42 und JErdöly Törtönelme 
ly, Si 819) beide Slcbenkvulgsurkunde.n sijid von\ Japus^r des betreffenden Jahres 
datirt. •• .'.;.•;•■•. 



140 



sionellen und politischen Rücksichten kein müssiger Zuschauer 
der Ereignisse bleiben, die sich auf dem Kriegsschauplätze 
abspielten. Indem er die Bache der Reformation unterslüate, 
rechnete er darauf, seine Herrschaft in Ungarn weiter anMiu- 
dehnen. 

Währenddem er die Vorbereitungen zum Kriege traf und 
während des ganzen Kriegszuges, auf welchem die sieben- 
bürgisch-ungarischen Truppen im Jahre 1619 siegreich bis 
Schönbrunn vordrangen, war Pöchi, rastlos thätig, ununter- 
brochen an seiner Seite.^ Als Bethlen Anfangs 1620 nach Krakau 
abreiste, Hess er Pechi zum Abschlüsse eines Waffenstillstandes 
in Pressburg zurück. Während der, diesbezüglichen Unter- 
handlungen stand Pechi in lebhaftem Verkehr mit den böh- 
mischen Ständen,* sowie mit Ferdinand selber, der seine in 
unterthänigem, aber entschiedenem Tone gehaltenen Briefe 
mit aufTallender Herablassung und Freundlichkeit beantwortete, 
da er die Entscheidung der obscbwebenden wichtigen Ange- 
legenheiten in den Händen des mächtigen Reichskanzlers ruhen 
sah.i^) Deshalb bot er diesem, was damals keineswegs unge- 
wöhnlich war, ein reiches Geschenk, wie es heisst, Silbergeräthe 
im Werthe von 40.000 Thalern an. Pechi setzte Bethlen von 
diesem Anerbieten sofort in Kenntniss, und der Fürst ermäch- 
tigte ihn auch zur Annahme des Geschenkes, das er übrig'ens 
tbatsächlich nie erhalten hat.^ 

Am 5. Feber wurde der Waffenstillstand zu Presaburg 
geschlossen, am 2. März war Pechi bereits in Kaschau, wo er 
die Abgesandten der böhmischen Stände empfing, welche die 
Rückgängigmachung des Waffenstillstandes forderten. Er schlug 
ihr Begehren ab und stellte die Sache in einem an die Wiener 
Commission gerichteten Briefe so dar, als ob er damit die In- 
teressen Ferdinands hätte fördern wollen. Indessen ist es ge- 
wiss, dass er nur im Sinne Bethlens vorgegangen war, der um 
diese Zeit den Frieden wünschte.^ 

1 Szilagfi, Betblen 64bot' kiadaüan politikai levele, S. 188, 161, 164, 
19» und 176 ; Törttoelmi T&r 1879, S. 340-^1. 

* 6 i n d e 1 y, Gesch. d. dreissigjähr. Irieges n. S. 355. 

» Hatvani, a. a. 0. IV. S. 199—268. 

^ Johann Kemöny, a. a. O. S. 409, und Pöchis Brief an Bethl^ms 
Bruder bei Mikö, a. a. 6. m. S. 858. 

^ Gindely, a. a. O. ü. S. 857 — 9. Gindely ist geneigt, aus dem an die 
Wiener Commissäre gerichteten Briefe Pechis zu folgern, dass er von Ferd inM id 



141 



Nachdem er die Verhandlungen zweier Landtage geleitet*, 
empfing er gegen Ende Juli desselben Jahres in Kremnitz die 
zum Abschluss eines Friedenvertrages abgesandten Commis- 
säre Ferdinands, wobei er die Unterhandlungen, im Auftrag, 
Bethlens derart führte, dass sie resultatlos blieben.^ Bethlen hatte 
sich nämlich neuerdings zum Kriege gegen Ferdinand ent- 
schlossen und Pechi Anfangs December an die Spitze eines 
Heeres gestellt,* mit welchem er, unter anderem, Hainburg bela- 
gert zu haben scheint, denn die Erfolglosigkeit dieses Unter- 
nehmens wurde später ihm zur Last gelegt.* 

In der zweiten Hälfte October unterhandelte er mit den tran- 
zösischen Gesandten, die mit dem Herzog von Angoubejne nach 
Pressburg gekommen waren, um den Frieden zu vermitteln.^ 
Gegen Ende dieses Monates treffen wir ihn mit einem Heere 
von 3000, nach einer anderen Angabe von 5000 Mann auf dem 
Marsche nach Böhmen, um dem hartbedrängten Friedrich von 
der Pfalz Hilfstruppen zuzuführen. Am 2. November war er 
bereits über Znaim hinausgekommen. Dort erwarteten ihn böh- 
mische Commissäre, um ihn nach Tabor zu führen, wo er sich 
mit dem Fürsten von Anhalt hätte vereinigen sollen. Diese 
führten ihn aber so ungeschickt, dass er »unter unsäglichen 
Schwierigkeiten durch dichte Wälder und durch Gegenden 
ziehen musste, durch welche entweder gar keine Strassen oder 
nur schmale Wege führten.« Unterwegs begegnete er anderen 
Commissären, die ihm die Weisung gaben, direct nach Prag zu 
marschiren. Pechi gehorchte, Hess aber bereits von Wlasim 
aus die böhmischen Generale wissen, seine Truppen seien derart 
erschöpft, dass er nicht schnell genug vorwärts kommen könne. 
Währenddem er (am 8. November) diese Meldung schrieb, 
wurde bereits die Schlacht bei Prag geschlagen. Am Abend 
desselben Tages in Schwarz-Kosteletz angelangt, erhielt er 
bald darauf die Nachricht von der gänzlichen Niederlage Fried- 



bestochen worden sei, doch hebt Oindely an einem andern Orte (das. 11. S. 
selber hervor, dass Bethlen es gewesen, der um diese Zeit den Frieden wünschte. 

' Monum. Gomtt. VIL S. 546; Tört. Tar 1885, S. 626 und 1881. S. 631. 

« Gindely, a. a. O., ffl. S. 166—7. 

' S. d«n Brief Bethlens an Pechi (certi exercitu« generali) in Tört. Tar, 
1885, S. 659. 

* Johann K e m e n y, a. a, 0. S. 9. , 

* Gindely a. a. 0., UI. S. 282 flg. 



142 



richs. Es gelang ihm, die unter Führung Siegmund Kornis' schon 
früher nach Böhmen geschickten Hülfstruppen Bethlens, die 
an der unglücklichen Schlacht theilgenommen und nach der- 
selben ihr Heil in der Flucht gesucht hatten, an sich zu ziehen, 
und mitsammt seinem eigenen Heere mit nur geringen Verlus- 
ten glücklich zurückzuführen.^ 

Zwischen Bethlen und dem siegreichen Ferdinand wurden 
jetzt am 1. Feber 1621 die Friedensverhandlungen in Hainburg 
eröffnet, bei welchen Pechi, dem schon bei den langwierigen 
Verhandlungen die wichtigste Rolle zugefallen war, als Ver- 
trauensmann und Stellvertreter des Fürsten thätig war. Die 
übrigen siebenbürgisch-ungarischen Commissäre, unter ihnen 
auch der Palatin Forgäch (spr. Forgätsch) erhielten ihre In- 
structionen durch seine Vermittlung. Wenn Bethlen über den 
Stand der Dinge sichere Auskunft wünschte, oder wichtige 
Mittheilungen zu machen hatte, Hess er in der Regel seinen 
Kanzler nach Steinamanger oder Pressburg kommen, um per- 
sönlich mit ihm zu conferiren.^ Nur von ihm erwartete er eine 
günstige Erledigung der obschwebenden Fragen, ja Pechi schien 
ihm in dieser wichtigen Angelegenheit geradezu unentbehrlich 
zu sein. »Bei den Hainburger Unterhandlungen — so schrieb 
Bethlen seinem Vertrauten Emerich Thurzö — benehmen sich 
unsere Commissäre recht wacker, ja geradezu heldenhaft, na- 
mentlich der Kanzler. Dem aber ist am 19. Januar die 
Frau gestorben, und ich weiss nicht, was thun ; denn schreibe 
ich es ihm, wird es um seinen Verstand, seine List und seine 
Entwürfe geschehen sein, und unsererseits wäre die 
ganze Unterhandlung arg gefährdet; schreibe ich es 
ihm nicht, so wird sein Schmerz noch um so grösser sein. 
Bis jetzt habe ich es ihm verschwiegen.« ^ 

Am Wiener Hofe war man nicht minder von der Bedeu- 
tung und dem Einflüsse Pechis durchdrungen. Ferdinand II. 
sandte seinen Hainburger Commissären unter Anderm auch die 
geheime Instruction: sie, sollen mit Bethlen und mit Pechi 

* Ueber die hier angegebenen Einzelheiten, dieser missglückten Expedition 
s. Kerne n y, a. a. 0. S 10 ; Z a v o d s z k y, bei K a t o n a, Historia critica XXX. 
a 639; Torten. Tär, 1885. S. 667 und Gindely, a. a. 0. ÜI. S, 351—2 

2 S. die Briefe bei S z i 1 ä g y i, a. a. 0. S. 247, 262, 264, 277 n. s. w. 
und Tort. Tär 1878, S. 119. ... 

3 S z i 1 ä g y i, das. S. 282. . 



14^' 



ein SeparatübeTeinkommen zu treffen . suchen, damit sie mit 
den ungarischen Ständen und Magnaten um so leichter fertig 
werden; ferner: sie sollen Pechi durch Geschenke zu ge- 
winnen suchen, »ausserdem kann ihmnachdemTode 
des kränklichen Bethlen der Besitz Siebenbüt'- 
gensinAussicht gestellt werdend ' 

Was die Commissäre Ferdinands in Folge dieser Instruc- 
tion unternommen haben, ist ungewiss; sicher ist, dass es 
ihnen, auch wenn sie es versucht haben sollten, nicht geglückt 
war, Pechi zu' bestechen. Dafür spricht der weitere Verlauf 
der langweiligen Hainburger Unterhandlungen, den wir aus 
ungarischen Quellen und aus den Gesandtschaftsberichten der 
verschiedenen bei der Sache interessirten Mächte ziemlich genau 
kennen. 

Die von vornherein nicht ernst gemeinten Unterhand- 
lungen nahmen einen derartig schleppenden und ungünstigen 
Verlauf, dass Bethlen bereits am 10. Feber seine Comissäre 
zurückberief. Der Palatin Forgäch, den Ferdinand bereits ifür 
sich gewonnen hatte, wusste sie aber zu überreden, dass sie 
vor der Hand noch blieben und Pechi zum Fürsten schickten, 
um ihn zur Fortsetzung der Unterhandlungen zu bestimmen, 
was Pechi auch durchsetzte. Als er bald darauf bezüglich der 
wichtigsten Friedensbedingungen bereits ein Uebereinkommen 
erzielt hatte^ erhielt Bethlen von seinem Gesandten in Konstan- 
tinopel die Nachricht, dass der Grossvesier bereit sei, ihn mit 
einem starken Heere zu unterstützen, dafür aber den Abbruch 
der Friedensunterhandlungen fordere. Bethlen eilte sofort nach 
Pressburg,' wo er mit Pechi zusammentraf und ihm die Weisung 
ertheilte, dass die Friedensbedingungen wohl formulirt werden 
könnten, ihre Annah'lne oder Verwerfung aber einem dem- 
nächst einzuberufenden Landtage vorzubehalten sei. Pechi 
fertigte im Sinne dieser Instruction noch an demselben Tage 
einen Eilboten an Forgäch ab, und reiste sofort nach Hain- 
burg zurück. Aber der Palatin, der wie Bethlen später schrieb, 
sich schon längst mit den kaiserlichen Comissären verstän- 
digt hatte, »begann die Zähne zu zeigen;« er verweigerte 



^ lieber diese, in ihren Folgen für P6chi verhäiignissvolle Thatsache s. 
die ungarischen Quellen iDei Michael Hortäth, Geschichte von Ungarn V. S. 
238—9, die ausländischen Nachrichten hei Gindely a. a. 0. III. S. 238. 



den Gehorsam, und ging bald darauf mit seinen -Imgarischen 
Collegreii Apponyi nach Wien, wo sie in Ferdinands Dienste 
traten*^ lieber ihre Intriguen und ihr verdächtiges Gebaren 
hatte Pechi schon früher, über ihren offenen Abfall so wie 
er ihn erfahren, sowohl an Bethlen als an Thurxö Bericht 
erstattet.^ Er selber hat während des ganzen Verlaufes dieser 
langwierigen Unterhandlungen, nach den übereinstimmenden 
Berichten der kaiserlichen Commissäre und der französichen 
und sächsischen Gesandten die Interessen Bethlens bis ans 
Ende mit Hingebung und Energie vertreten, und noch in der 
letzten Stunde alles aufgeboten, um die Unterhandlungen hinzu- 
ziehen und so Zeit zu gewinnen. ^ 

Bethlen hatte demnach alle Ursache seinem Kanzler nach 
wie vor vollstes Vertrauen zu bewahren. In den zahlreichen 
vertraulichen Briefen, die er während der Hainburger Unter- 
handlungen und nach dem Abbruche desselben schrieb, spricht 
er wiederholt mit den schärfsten Ausdrücken über die Treu- 
losigkeit Forgächs, Apponyis und der übrigen Commissäre, über 
Pechi hingegen äussert er nirgends ein Wort des Tadels oder 
des Misstrauens. Das Verhältniss zwischen dem Fürsten und 
seinem Kanzler ist vielmehr auch nach diesem diplomatischen 
Misserfolg ganz das alte geblieben. Pechi hatte noch immer 
das volle Bewusstsein seines weitgehenden Einflusses, und die 
Intimen Bethlens erblickten in ihm, nach wie vor, den Mann, 
der die Situation beherrscht. 

Die Hainburger Unterhandlungen wurden am 9. April 
abgebrochen: am 26. April schreibt Pechi von Kremnitz aus 
an Emerich Thurzö, er werde alles aufbieten, dass die Unter- 
handlungen mit Ferdinand wieder aufgenonmen und Frieden 
geschlossen werde ; zu diesem Zwecke wolle er nach Wien 
reisen.* Und Thurzö, den Bethlen um diese Zeit als seinen 



1 M i k ti, a. a. O. IL S. B84— 6 nnd P e c h i s Brief, Tört. Tär 1879, S. 281. 
» Mik6, a. a. O. das. u&d UI. S. S64; Tört. Tar 1S78, S. 188 und 1879, 
S. Ml. 

* Die diesbezügl. Daten und Quellen s. bei Gindely a. a. O. IV. S. 
223, 225, 229, 231, 236—7 und 240—2. 

* Michael Horväth, Geschichte v. Ungarn, V. S.-245, sucht in dieser 
Widaer Reise P^his die Ursach« seines bald darauf erfolgten Sturzes. Wie sich 
aber aus dem Folgenden ergibt, bat diese Reise, die Pechi auf Bethlens aus* 
di'ücklichen Befahl hätte antreten sollen, überhaupt nicht stattgefunden» 



145 



»lieben Bruder« und »theuren Gevatter«^ anspricht, antwortet 
Pechi am 2. Mai in der ergebensten und unterthänigsten 
Weise, indem er ihn auffordert, »er wolle Alles daran setzen 
die Friedensunterhandlungen wieder in Gang zu bringen,« und 
ihn bittet, »er möge so gütig sein, ihn mit Rath und That zu 
unterstützen, wie es ein Vater seinem Sohne, ein Arzt seinem 
Patienten, ein Beichtvater seinem Beichtkinde gegenüber thut.«^ 

Die Stellung des Kanzlers, dem der Liebling und Ver- 
trauensmann des Fürsten in diesem Tone schreibt, konnte um 
diese Zeit noch keine erschütterte gewesen sein. Und Pechi 
besass thatsächlich noch immer Bethlens vollstes Vertrauen. 

Anfangs Mai reiste er nach Szent-Erzsebet, um seine 
Kinder, die mittlerweile die Mutter verloren hatten, wiederzu- 
sehen und für die Versorgung und Erziehung der »kleinen 
Waisen« das Nöthige zu veranlassen.' Am 16. dieses Monates 
war er aber schon wieder in Kaschau an der Seite Bethlens, 
dessen Briefe und Erlässe er wie vordem gegenzeichnete*, 
und letzterer meldet Thurzö noch am 25-ten, er habe behufs 
Wiederaufnahme der Unterhandlungen Pechi nach Wien schicken 
wollen, und dieser »habe sich bereits zur Reise angeschickt,« 
doch seien mittlerweile über die Stimmung am Wiener Hofe 
derartige ungünstige Berichte eingelaufen, dass er »zu solchen 
unehrenhaften und ungewissen Unterhandlungen den Kanzler 
nicht entsenden mochte. «ö Einige Tage später, Ende Mai, 
oder Anfangs Juni, wird Pechi, der Urlaub genommen hatte, 
um seine Kinder neuerdings zu besuchen, unterwegs in 
Grosswardein verhaftet. Von dort wird er im Auftrage 
Bethlens am 8. Juni nach Klausenburg, bald darauf in die 
Festung von Szamosujvar gebracht, deren Commandant ihn in 
schwere Ketten legen und einkerkern Hess. Sein treuer Diener 
Stephan Göti t heilte sein trauriges Loos.® * 



^ Szilägyi, Bethlen kiadatlan polit. levelei, S. 270. 

> Mikö, a. a. 0. II. S. 380 und 383. 

» S. Pechi s Brief, Tört. Tär. 1878, S. 134. 

* Mikö, a. a. 0. I. S. 276. 

» SziUgyi, a. a. 0., S. 308. 

« Der Chronist Sebastian B o r s o s erzählt, Pechi sei schon im April 
in Haft genomnaen worden. Dass hier ein Irrthum vorliegt, ergibt sich aus den 
oben angeführten ^ Daten aus dem Monat Mai, soyvie aus der anderweitigen 
Angabe Borsos' (s. beide Angaben bei Mikö, a. a. 0, I. S. 232),. man habe 

Dr. Kohn : Sabbatharier. 10 



146 



Pechis Sturz. Sein Verhältniss zum Sabbatharier- 
thum während seiner staatsmännischen Laufbahn. 

Die Ursachen von Pechis plötzlichem Sturze sind in tiefes 
Dunkel gehüllt.- Die zeitgenössischen Quellen berichten bloss 
die nackte Thatsache, ohne sie zu begründen, oder ingendwie 
zu erklären. Pechi selber wusste nach zehnwöchentlicher Gefan- 
genschaft noch immer nicht, wessen man ihn eigentlich beschul- 
dige, sondern rieth in dem Briefe, den er von . seinem Kerker 
aus an den Bruder des Fürsten richtete, hin und her, welche 
Anklagen die »falschen Verläumder« gegen ihn vorgebracht 
haben könnten. ^ 

Wenn es wahr ist, dass er der Erfinder des damals übli- 
chen, »honesta custodia« genannten, Vorgehens war, nach 
welchem der Fürst vornehme Adelige, die ihm verdächtig 
schienen, ohne vorhergehende Untersuchung und ohne richter- 
liches Urtheil, einzukerkern pflegte r^ dann hat sich die von ihm 
geschmiedete Waffe gegen ihn selber gekehrt. Eine gerichtliche 
Procedur ist nie gegen ihn eingeleitet, ja er ist während seiner 
mehrjährigen strengen Halt nicht einmal verhört worden^ Unter 
solchen Umständen wissen wir auch nichts Näheres über jene 
»gewisse schwere, manifeste und bewiesene Verbrechen,« wegeo 
welcher, wie es in der zu seinen Gunsten später ausgestellten 
Bürgschaftsurkunde heisst, der Fürst »ihn arretiren und gefan- 
gen halten Hess.* 

Der nachmalige Fürst Johann Kemeny weiss in seiner, unge- 
fähr 40 Jahre später geschriebenen, Selbstbiographie für den 
Sturz Pechis drei Ursachen anzuführen, die er indessen selber 
als blosse » Vermuthungen« hinstellt : die erfolglose Berennung 
Hainburgs im Jahre 1620, Pechis langsamen Marsch durch 

P6chi „in der Pfingstwoche" gefangen genommen, diese fiel aber im J. 1621 in 
die Zeit vom 30. Mai bis 5. Juni. Ueber Pechis Verhaftung und Einkerkerung 
s. Zävodszky bei Katona. Hisloria Critica XXX. S. 686 ; Johann Kemeny, 
a. a. 0. S. 10 und 408—9 ; M i k 6, a. a. 0., UI. S. 352. 

1 M i k ö, a. a. 0., UI. S. 352—3. 

« Johann Kemeny, a. a. O. S. 4Ö8. 

* K e m e n y, a. a. Ö., das. u. die Aufzeichnung Johann Bethlens», in 
Kereszt. Magvetö XIX. S. 352 und 855. 

* Monum. Gomit. Transs. VlIL, S. 244. 



147 



Böhmen, der sein Fernbleiben von der Prager Schlacht zur 
Folge hatte, endlich aber das Geschenk im Werthe von 40.000. 
Thalern, welches er \vahrend der Pressburger Unterhandlungen 
von Ferdinand erhalten haben sollte.^ Diese »Vermuthungen«^, 
sind aber offenbar unrichtig. Die von Kemeny angeführten 
Thatsachen konnten, wie sich aus der obigen Darstellung 
desselben ergibt, Pechi unmöglich als Verbrechen angerechnet 
werden Seine Feinde und Neider mögen immerhin den Ver- 
such gemacht haben, ihn auf Grund derselben beim Fürsten 
anzuschwärzen, dass sie es aber ohne Erfolg thaten, beweist 
der Umstand, dass Bethlen ihm noch nach der Schlacht bei 
Prag das vollste Vertrauen schenkte und ihn zur Leitung der 
so wichtigen Hainburger Friedensverhandlungen entsandte. 
Deshalb pflegt man gerade in diesen erfolglosen Unterhand- 
lungen die Ursache seines plötzlichen Sturzes zu suchen," 
und es scheint, dass man sie auch zur Zeit seiner überraschenden 
Gefangennehmung in diesem Umstände gesucht und zu finden 
i^^emeint hat.^ Aber Pechi ist, wie wir gesehen, nach dem am 
9. April erfolgten Abbruch dieser Unterhandlungen, noch zwei 
Monate hindurch in seiner hohen Stellung, zumeist an der 
Seite des Fürsten. v<3rblieben, ohne dass sein Ansehen und sein 
Einfluss den mindesten Abbruch erlitten hätten. 

Die wahre Ursache seiner plötzlichen Verhaftung muss 
offenbar wo anders gesucht werden 

Kemeny fährt, nachdem er seine drei »Vermuthungen« 
über die Ursachen vom Sturze Pechis auseinandergesetzt, fol- 
gendermassen fort: »Er (Pechi) war ein Mann von überaus 
2;rosser Selbstüberschätzung, der den Fürsten selber contem- 
nirte, und, als ob dieser ohne ihn zu nichts fähig wäre. Alles 
sich zuschrieb, so dass der »virtuose« Fürst ihn nicht dulden 
konnte.« Aehnlich äussert er sich an einer anderen Stelle 
seiner »Selbstbiographie.« Pechi, so sagt er, »wurde, die Gnade 
des Fürsten missbrauchend, derart aufgeblasen, dass er bereits 
den Fürsten zu contemniren anfing und jeden Erfolg dessel- 
ben sich zuschrieb; aber der Fürst, ein virtuoser Mann, dul- 
dete keinen R i v a 1 e n, sondern liess ihn gefangen nehmen-«* 

1 Kemeny, a. a 0., S. 9—10 und 409. 

» Szilagyi, Tört. Tär 1878 S. 119; Gindely, a. a. 0. IV. S. 242. 

3 Z ä V od s z k y bei Katona a. a. 0. XXX. S. 686. 

* Kemeny, a. a. 0., S. 10 und 408. 

10- 



148 



Der fürstliche Selbstbiograph äussert sich zwar bei jeder Gele- 
genheit mit sichtlicher Gehässigkeit über den mächtigen Reichs- 
kanzler, der »nur ein Kürschnergeselle, sicli vom Bauernstande 
hoch emporgeschwungen hat.« Die Anklage aber, die er hier 
gegen ihn vorbringt, ist sicherlich nicht ganz unbegründet 
gewesen. Menschen, die aus einer niedrigen Lebensstellung 
hoch emporgestiegen sind, werden leicht hochmüthig und über- 
schätzen sich. Und so ists offenbar auch Pechi ergangen. 

Seine Briefe beweisen, dass er kein geringes Selbst- 
bewusstsein besass, seine dem Fürsten und dem Lande geleis- 
teten Dienste gar hoch zu veranschlagen, und die erreichten 
Erfolge gerne sich zuzuschreiben pflegte.^ Selbst dem Fürsten 
gegenüber scheint er sich herausfördernd und rücksichtslos 
benommen zu haben. In seinem obenerwähnten im Kerker 
geschriebenen Briefe, in welchem er die Ursache seiner plötz- 
lichen Ungnade zu errathen sucht, erwähnt er unter Anderm, 
dass er vielleicht durch seine »eckige Natur, oder durch 
irgendwelche derbe Schrift« den Fürsten beleidigt haben 
mag, »oder ich habe — so fährt er fort — als ein dem Fürsten 
lange Zeit hindurch vertrauter Diener, in Folge meiner 
Kühnheit excedirt, was ich in gutem Eifer und in guter 
Absicht that, nach dem Satze: Jurgia amantium dulciora sunt 
magis quam oscula blandentium.«^ 

Bethlen hat dieses Benehmen seines Kanzlers ertragen, 
so lange er einen verwendbaren treuen Diener in ihn sah, 
aber er konnte es nicht länger dulden, sobald er einen R i v a- 
len in ihm erblickte. Ferdinand hatte, wie oben (S. 143) erzählt 
worden ist, während der Hainburger Friedensunterhandlungen 
seinen Commissären unter anderem den Auftrag gegeben, sie 
sollen mit Bethlen und mit Pechi ein Sonderabkommen zu 
treffen, Pechi durch Geschenke zu gewinnen suchen »und 
ihm überdies, nach dem Tode des kränklichen 
Bethlen den Besitz Siebenbürgens in Aussicht 
stellen.« 

* »Nächst Gott, so schreibt er 1615, nach dem Friedensschlüsse von 
Steinamanger dem siebenbürgischen Gesandten in Konstantinopel, habe ich 
durch meine viele, grosse Arbeit und Mühe, meinem armen Vaterlande 
die weggenommenen Landestheile nebst Huszt und Eövär wieder zurückgewonnen/ 
Tört. Tär 1881, S. 591 ; vgl. seine Briefe das. 1878, S. 119—186. 

« M i k ö, a. a. 0. UI. S. 355. 



149 



Diese Weisung konnte eine Zeit lang geheim bleiben^ 
später aber musste sie in irgend einer Weise zur Kenntniss 
Bethlens gelangt sein. Die mit Forgäch von Bethlen abgefal- 
lenen, Pechi feindlich gesinnten ungarischen Commissäre müssen 
in Wien wohin sie nach Abbruch der Unterhandlungen, als 
offene Parteigänger Ferdinands gegangen waren (ob. S. 144) die 
Sache erfahren und sodann, wahrscheinlich in einem für Pechi 
recht ungünstigen Lichte dargestellt, nach Ungarn berichtet 
haben, von wo sie bald zu Bethlen drang. 

Bethlen konnte kaum, daran zweifeln, dass Ferdinands 
Commissäre thatsächlich im Sinne der ihnen gewordonen In- 
struction vorgegangen waren. Die »eckige Natur«, die selbst- 
bewusste Derbheit und der Widerspruchsgeist seines Kanzlers 
erschienen ihm miteinemmal in einem ganz andern Lichte, die 
jüngsten Misserfolge desselben als selbstverschuldet. Die Schlappe 
von Hainburg, die Verspätung vor der Schlacht bei Prag und 
die Erfolglosigkeit der Hainburger Unterhandlungen, von 
Pechis Feinden schon früher als Zeichen des Einverständnisses 
mit Ferdinand gedeutet, galten jetzt als sidtiere Beweise der 
Treulosigkeit eines Mannes, in dessen Interesse es lag, die 
Pläne seines Souverains zu durchkreuzen. Und der durch Szecsis 
und Forgächs Verrath und durch den Abfall zahlreicher Mag- 
naten und vertrauter Freunde misstrauisch gewordene und 
erbitterte Fürst Hess den Kanzler, der gestern noch sein volles 
Vertrauen genoss, urplötzlich einkerkern, weil er jetzt einen 
Mann in ihm erblickte, der auf seinen Tod wartet, um sich in 
den erledigten Fürstenstuhl zu setzen. 

Diese Annahme erklärt . den auffallenden Umstand, dass 
Bethlen noch am 25. Mai Pechi zur Wiederaufnahme der 
Friedensunterhandlungen nach Wien schicken wollte, einige 
Tage später aber sein Verhaftsbefehl gegen Pechi bereits voi? 
Kaschau nach Grosswardein gelangt war. Offenbar hat er un- 
mittelbar nach dem 25. Mai die Nachricht von den Pechi be- 
treffenden, geheimen Instructionen Ferdinands erhalten, wahr- 
scheinlich mit Uebertreibungen und Entstellungen, die für 
Pechi belastend waren. In dieser Annahme findet auch die 
noch auffallendere Thatsache ihre Erklärung, dass gegen den 
jahrelang eingekerkerten Mann niemals ein gerichtliches Ver- 
fahren eingeleitet wurde. Bethlen, der keine Beweise in Händen 



160 



hatte, konnte gegen Pechi keine bestimmte Anklage formuliren.^ 
Seine Eifersucht auf den ihm zu mächtig gewordenen 
Kanzler und seinen Verdacht, dass dieser auf den Fürsten- 
thron speculire, konnte er vor einem Gerichtshofe umsoweniger 
geltend machen, als er sich diesbezüglich bloss auf Nachrichten 
hätte berufen können, die von Wien, und zwar von offenkun- 
digen Verräthern ausgegangen waren. 

Pechi hat, so lange er im Dienste des Staates eine öffent- 
liche Stellung einnahm, sein Privatinteresse allerdings nie aus 
dem Auge verloren. Die Kunst, Vermögen zu sammeln und 
Besitzthümer zu erwerben, hat er offenbar vorzüglich verstanden. 
Das beweisen die wiederholten grossen Schenkungen, die er 
von den verschiedenen Fürsten für sich zu erwirken wusste, 
dafür spricht die, von ihm gehässiger Seite herrührende und 
darum sicherlich nicht wörtlich zu nehmende Anklage, er habe 
vielen Witwen, Waisen und Adeligen ihre Besitzthümer ge- 
waltsam weggenommen. 2 Es ist ferner möglich, dass seine un- 
gewöhnlichen Erfolge und Errungenschaften ihn eigenwillig 
und hochmüthig gemacht haben. Ein Verräther ist er aber 
sicherlich nicht gewesen, und'dass er, neben seinen practischen 
Zwecken, auch ideale Ziele verfolgte und fähig w^ar, für seine 
Ueberzeugungen die schwersten Opfer zu bringen, beweist 
sein Verhältniss zum Sabbatharierthum, dessen eigentlicher 
Begründer und — Märtyrer er wurde. 

Pechi hat die religiösen Anschauungen Eössis aus vollster 
Ueberzeugung getheilt, und es darf als sicher angenommen 
werden, dass seine Adoption unter der selbstverständlichen, 
oder ausdrüeklich festgestellten Bedingung geschah, dass er 
im Interesse der Religion, deren Verbreitung die Lebensaufgabe 
Eössis bildete, sein bestes Können einsetze. Aber es ist gewiss, 
dass Pechi diese Bedingungen nicht erfüllt, oder doch nicht in 
dem Masse, wie er es später gethan, erfüllt haben würde, w^enn 
sein jäher Sturz seiner glänzenden diplomatischen Laufbahn 
nicht für immer ein Ende gemacht hätte. 

Der Staatsecretair und spätere Reichskanzler Pechi konnte 
sich der Sache des Sabbatharierthums nur nebenbei und nur 
im geheimen widmen. Der in diplomatischen und anderweiti- 



1 Gindely, a. a. 0. IV. S. 242. 

3 Kerne ny. a. a. 0. S. 11 und Kereszt. Magvetö XIX. S. 355. 



151 



gen Missionen fast immer auf Reisen befindliche, von den ver- 
schiedenartigsten wichtigen Staatsgeschäften schier erdrückte 
Mann konnte nicht gleichzeitig auch ein eifriger Apostel der 
neuen Lehre sein, und was er in ihrem Interesse gelegentlich 
doch thun konnte, musste im verborgenen geschehen. Der erste 
Beamte des Staates konnte unmöglich offen als Anhänger der 
von Staatswegen verbotenen Religion auftreten. Und so durfte 
and konnte er auch nicht verhindern, dass gegen das Sabatha- 
rierthum wiederholt die strengsten Gesetze erlassen wurden. 
Die Thathsache, dass diese Gesetze nicht durchgeführt, und die 
öfteren heftigen Verfolgungen der Judenzer jedesmal binnem 
kurzem wieder aufhörten, ist aber sicherlich seinem geheimen 
Einflüsse zuzuschreiben. 

Vor der Oeffentlichkeit, namentlich im amtlichen Verkehre, 
musste er sich als Unitarier und als guter Christ gehaben,^ 
obwohl er nach dem Berichte eines jüngeren Zeitgenossen, 
bereits als Bethlens »Reichskanzler und Factotum . . . ein 
Haupt Jude, nicht nur Unitarier, sondern auch ein dem 
jüdischen Irrthum ergebener Mann war.« 2 Die 
Richtigkeit dieser Angabe folgt schon aus dem Verhältnisse 
Pechis zu Eössi. Wenn der fanatische Stifter des Sabbatharier- 
thunns, dem jede andere Religion als Unglaube galt, die Adop- 
tion Pechis unter anderm auch mit dessen »vollkommener 
Religiosität« begründet,' hat er darunter sicherlich nichts anderes 
verstanden als die Anerkennung und Uebung der von ihm 
gelehrten Religion. 

Auch die Intimität zwischen*^ Pechi und dem alten eifrigen 
Sabbatharier Franz Balässy, der seine an ersteren gerichteten 
Briefe an »Seinen Sohn, den Kanzler Simon Pechi« zu adres- 
siren pflegte,* ist wohl kaum anders, als durch die Gleichar- 
tigkeit ihrer religiösen Anschauungen und Bestrebungen zu 
erklären. 

* S. z. B. Monum. Gomit. Transsylv. VII. S. 366, sowie P6chis Briefe 
Tört. Tär. 1881. S. 598—9 und 628. 

* Keine ny, a. a. S. 9 und 408; vgl. Monuih. Comit. X. S. 14, 
K 6 V ä r y (Gesch. v. Siebenbürgen V. S. 29 und Kereszt. Magvetö HI. S. 258. 
VI., S. 46.) behauptet mit Unrecht, Pechi sei erst nach seinem Sturze Sabbatharier 
geworden. 

« Kereszt. Magvetö VI. S. 37 ; Tört. Tär 1887, S. 809. 

* P6chi hinwiederum nennt Balassy seinen Vater, s. deren Briefwechsel 
Tört. Tär 1881 S. 604—6; vgl. ob. S. 108. 



162 



Die sabbatharischen Lieder, die er schon vor seinem 
Sturze" als Reichskanzler geschrieben, beweisen übrigens klar 
und unwiderleglich, dass er schon während seiner politischen 
Thätigkeit ein überzeugungstreuer Sabbatharier gewesen. Es 
ist wahrscheinlich, dass er während dieser Zeit mehrere sab- 
batharische Lieder geschrieben; mit Sicherheit kennen wir 
jedoch nur zwei, deren Akrostichon seinen Namen zeigt. 
Aber grade diese, zwischen 1604 und 1615 verfassten Ge- 
sänge sind nicht etwa allgemeinen religiösen Inhaltes, noch 
auch Ueberarbeitungen, oder Nachahmungen irgendwelcher 
Kirchenlieder, sondern entschieden judaisirende Lieder, welche 
für jüdische Feiertage bestimmt sind: das eine für den Neu- 
mond s t a g, das andere für das Passahfest. Ersteres ist 
die poetische Bearbeitung eines jüdischen Gebetstückes,^ letz- 
teres, welches am Erlösungsfeste Israels das Wiedererscheinen 
Jesus und die Aufrichtung des tausendjährigen Gottesreiches 
herbeifleht, enthält in gedrängter Kürze die Grundzüge der alten 
sabbatharischen Glaubenslehre.^ Es steht in einem noch vorhan- 
denen, 1604 begonnenen Exemplare des Alten Sabbatharischen 
Gesangbuches, wo es Pechi eigenhändig nachgetragen hat.' 

Die Gedankenwelt, in welcher sich Pechi schon während 
seiner Kanzlerschaft bewegte, wird durch eine bezeichnende 
Thatsache in eine scharfe und interessante Beleuchtung gerückt. 

Dass er in seinen aus dieser Zeit stammenden Briefen und 
amtlichen Actenstücken Redewendungen, ja ganze Sätze aus der 
Bibel anzuführen pflegt, war dazumal eine alltägliche, ja Mode- 
sache, die weiter nichts zu besagen hat. Uin so vielsagender ist 
der von Pechi verfasste Armeebefehl, den er mit des Fürsten 
Unterschrift und seiner Gegenzeichnung im Jahre 1616 erlassen 
hat.* Derselbe enthält strenge Verhaltungsmassregeln für Frie- 
dens- und Kriegszeiten und beginnt folgendermassen: 

»Es ist ein Spruch der alten Weisen und auch 
die Erfahrung beweist es, dass ein ohne gerechten Grund 

^ A. S. G. B. No. 46 (veröfFentlicht von Alexius Jakab in Kereszt. Mag\'et(> 
X. V. S. 174J, eine freie poetische Bearbeitung des jüdischen Neumondgebetes 
„Ascher bemaamöro bara schechakim.'* 

« Das. No. 52. 

8 Alexius Jakab^ Kereszt. Magvetö XV. S. 174; die beiden Codd., in 
welchen sich diese Gesänge finden, stammen aus den Jahren 1604 — 1615. 

* S. denselnen Tört. Tär, 1885, S. 438—442. 



168 



geführter Streit, welchen die Menschen blos aus Eigennutz oder 
Ueberhebung beginnen, niemals zum Guten führen kann; einem 
solchen Streit hingegen, den man seiner Sicherheit wegen und zur 
Erhaltung seiner Wohlfahrt beginnen nxuss, verleiht Gott, als 
einer gerechten Sache, seinen Beistand und führt ihn auch zu 
einem guten Ende.« 

Die hier erwähnten »alten Weisen« sind die Weisen 
des Talmud, die Pechi, nach Art der Juden, in der Regel 
so, oder einfach »die Weisen« zu benennen pflegt. Der hier 
citirte Spruch ist nämlich die Umschreibung eines Spruches 
aus dem talmudischen Tractat Pirke Aboth (Sprüche der 
Väter 5, 17), welchen Pechi, mitsammt einem älteren rabbinischen 
Commentar zu demselben, damals bereits ins Ungarische über- 
setzt hatte, und zwar, wie es auf dem Titelblatte des noch 
erhaltenen Exemplars heisst: »Zum Frommen und zur Erbauung 
der das göttliche Gebot liebenden Brüder,« das heisst : der 
Sabbatharier.i 

Dieser Armeebefehl, der sich mit dem Ausspruche eines 
Weisen des Talmud an das Heer wendet, dürfte einzig in 
seiner Art sein. Unter allen Umständen ist er bezeichnend 
für den Einfluss, welchen die nachbiblisch-jüdische Literatur 
bereits zu jener Zeit auf Pechi übte, als er noch Reichskanzler 
von Siebenbürgen war. 

So lange er dieses hohe Amt bekleidete, war der viel- 
beschäftigte, öfters kränkelnde Mann, der den Mittag seines 
Lebens bereits längst überschritten hatte, von wichtigen, zumeist 
aufregenden und aufreibenden Staatsgeschäften und Missionen 
aller Art derart in Anspruch genommen, dass er unter der 



^ Der vollständige Titel lautet in deutscher Uebersetzung : »Aus- 
gewählte Lehren der heiligen Väter mitsammt einem Gommentare 
dazu aus dem Jüdischen ins Ungarische übersetzt von Simon Pechi zum Frommen ' 
und zur Erbauung der das göttliche Gebot liebenden Brüder." Das betreffende 
Exemplar ist eine von Johann Beth, dem Gopisten Pechis, im J. 1629 angefertigte 
Abschrift. Das Buch selber ist aber, wie sich aus dem Epigraph ergibt, „Anno 
mundi 5381, also schon um 1620 vollendet worden. Ich kenne die Handschrift 
nur aus Beschreibung im Kereszt. Magvetö X. 45—9. Nach den das. mitgetheilten 
duftigen Auszügen ist es mir nicht gelungen, den von Pechi mitübersetzten 
Commentar genauer zu bestimmen. Kriza, dem wir die Beschreibung verdanken, 
ahnt gar nicht, dass die von ihm so sehr gerühmten , kernigen Sentenzen" die 
talmudischen , Sprüche der Väter" sind. 



164 



Bürde derselben oft zusammenzubrechen drohte.^ Bei alledem 
aber wusste er noch Zeit zu gewinnen, religiöse Gesänge zu 
verfassen und abzuschreiben, sich mit der rabbinischen Lite- 
ratur und mit theologischen Zeit- und Streitfragen zu beschäf- 
tigen, einen talmudischen Tractat nebst einem dazu gehörigen 
rabbinischen Commentar zu übersetzen und sich mit sonstigen, 
mehr oder minder wichtigen Angelegenheiten zu befassen, die 
mit der Sache des Sabbatharierthums zusammenhingen. Im 
letzten Jahre seiner Kanzlerschaft, welches während seiner 
staatsmännischen Thätigkeit unstreitig das bewegteste war, wo 
die grossen, weltgeschichtlichen Ereignisse des dreissigjährigen 
Krieges auch Ungarn und Siebenbürgen in ihre Kreise gezogen 
hatten und ihn, als Feldherrn und Diplomaten, so vielfach und 
so angestrengt beschäftigten, unterhielt er einen theologischen 
Briefwechsel, und setzte er alles daran, auf privatem Wege und 
durch diplomatische Verbindungen in den Besitz eines jüdi- 
schen Kalenders und eines als ketzerisch verbote- 
nen Buches zu gelangen. 

Den jüdischen Kalender Hess er in Konstantinopel durch 
einen dortigen Juden, Namens Joseph ankaufen, der bei der 
Pforte eine einflussreiche Persönlichkeit gewesen sein muss, 
da ihm die siebenbürgischen Gesandten, gleich den Paschas 
und den übrigen türkischen Würdenträgern, im Namen des 
Fürsten Geschenke zu überreichen pflegten. 2 Den um zwei 
Dukaten angekauften Kalender erwartete er voll Ungeduld. Als 
er ihn bis zum 4. März 1620 noch nicht erhalten hatte, ersuchte 
er den siebenbürgischen Gesandten bei der Pforte, Thomas 
Borsos, den wir oben (S. 105) als Sabbatharier kennen gelernt, 
auf das dringenste um die »möglichst rasche« Zusendung des- 
selben.3 Es lag ihm offenbar daran, sich bezüglich des ge- 
nauen Datums des herannahenden Passahfestes zu infor- 
miren, um dasselbe zur rechten Zeit feiern zu können.* 

Um dieselbe Zeit unterhielt er einen wissenschaftlichen 
Briefwechsel mit dem deutschen Theologen Johannes Avitus, 

1 S. P6chis Brief, Tört. Tär. 1881. S. 598. 

» Tört Tar, 1881. S. 622. 

« Das. S. 630. 

* P6cbi urgirte die Zusendung des jüdischen Kalenders am 4. März ; der 
Beginn des Passahfestes, in der Regel in die Zeit von Ende März bis gegen 
Mitte April fallend, war im J. 1621 am 4. April. 



155 



dem er seine religiösen Ansichten eingehend auseinander- 
setzte.^ Unter anderem bat er ihn wiederholt um die Zusen- 
dung des Buches »Fundamenta relijionis christianae« von 
Martin Seidel, der als Ketzer verschrieen war. Das Buch wurde 
1616 in Nürnberg öffentlich verbrannt, und die Verbreitung 
desselben bei strenger Strafe verboten. Darum wagte es Avitus 
lange nicht, die Bitte Pechis zu erfüllen. Doch dieser bestürmte 
ihn neuerdings um die Zusendung der verbotenen ketzerischen 
Schrift, und zwar in einem Briefe, welchen er dem nach Witten- 
berg reisenden jungen Szegedi mitgab, dem wir später als Ver- 
fasser sabbatharischer Gesänge begegnen werden. 

Als Pechi diesen Brief absandte, stand er bereits knapp 
vor seinem Sturze, denn das Antwortschreiben des Avitus ist 
vom 26. Juli 1621 datirt, um welche Zeit Pechi bereits fast 
zwei Monate im Kerker war. Avitus, der von der Gefangen- 
nehmung des mächtigen Kanzlers noch keine Ahnung hatte, 
schickte ihm durch Szegedi das verbotene Buch, und zw^ar, 
damit man es nicht leicht erkenne, ohne Titelblatt und in losen, 
scheinbar unzusammenhängenden Blättern, die Pechi später 
wieder zusammenstellen sollte. Brief und Buch fielen den 
Behörden in die Hände, und wurden sechzehn Jahre später, 
als Pechi wegen seines Sabbatharierthumes der Process ge- 
macht wurde, als Beweise seiner Schuld geltend gemacht.^ 

Martin Seidel galt für einen »Halbjuden«, sein von Pechi 
so eifrig gesuchtes Buch war, gleich dem Sabbatharierthum, das 
Product einer extremen Richtung innerhalb des Unitarierthumes. 
Er behauptete, das Neue Testament sei gänzlich zu verwerfen, 
weil es zu dem Alten, so wie zu den Lehren der Propheten 
in Widerspruch steht. Der nicht als himmlischer, sondern 
als irdischer König zu fassende Erlöser sei, so wie das Land 
Kanaan, nur den Juden verheissen, sein Erscheinen aber 
hintahgehalten worden, weil die Juden dem Bunde mit 
Gott und dem Gesetze nicht treu geblieben sind. Für 
NichtJuden haben heutzutage nur noch die Zehngebote 
bindende Kraft. Sein Buch stimmt demnach in seinen Grund- 

^ Die betreffenden Briefe sind verloren gegangen, die Thatsache folgt 
aus dem Briefwechsel, so weit er erhalten geblieben ist. 

* lieber den Briefwechsel zwischen Pechi und Avitus, sowie über das 
Buch Seidels s. den lehrreichen Artikel von Joseph Kemöny bei Kurz, 
Magazin f. Gesch., Literat, u. s. w. Siebenbürgens, IL S. 416 — 429. 



156 



Zügen mit dem Sabbatharierthum überein ; andererseits aber 
weicht es in einigen wichtigen Punkten wieder von demselben 
ab. Wenn Pöchi nichts^ desto weniger versichert, dass er in 
Seidels Schrift seine eigenen religiösen Anschauungen nieder- 
gelegt findet: hat er entweder den Inhalt dieses Buches nicht 
genau, etwa nach Hören-Sagen gekannt, oder er war mit seinen 
religiösen Ueberzeugungen damals noch nicht vollständig ins 
Klare gekommen. 

Das Letztere ist das Wahrscheinlichere.. Pechi hatte vor 
seinem Sturze offenbar noch kein festgefügtes Religionssystem, 
sondern schwankte noch zwischen dem unitarischen Glauben, 
dem er äusserlich angehörte, dem judaisirenden Sabbatharier- 
thum, das Eössi gelehrt hat, und der ausgesprochen jüdischen 
Richtung, die wir ihn später mit Entschiedenheit verfolgen sehen. 



Pechis Gefangenschaft und Befreiung. Einwan- 
derung türkischer Juden. . 

Der gestürzte Reichskanzler wurde in seinem Kerker zu 
Szamos-Ujvar mit Härte, ja mit Grausamkeit behandelt. Er 
durfte Niemanden, nicht einmal seine kleinen, mutterlosen 
Kinder sehen. Jeder schriftliche Verkehr war ihm aufs strengste 
untersagt. Seine in schwere Ketten geschmiedeten Füsse waren 
nach kaum zweimonatlicher Haft bereits überaus angeschwollen.« 
Seine Güter hatte der Fürst »ohne Richterspruch confiscirt« 
und an Verwandte und Freunde verschenkt.^ 

Pechis Schwiegermutter, die greise Christina Bethlen und 
sein Schwager Franz Kornis boten zwar sofort nach seiner 
Gefangennahme alles auf, um seine Befreiung zu erlangen. Sie 
gewannen den ihnen verwandten Stephan Bethlen, der damals 
in Abwesenheit des Fürsten, seines Bruders, Gouverneur von 
Siebenbürgen war, dass er dem Fürsten im Interesse Pechis 
schrieb und ihnen eine Audienz bei ihm erwirkte, in der sie 
ihn anflehten, Pechi zu begnadigen. Vergebens! Gabriel Bethlen 
blieb unerbittlich, und Pechi wurde auch fernehin in »elendig- 
licher und in jammervoller Haft« gehalten. 

* Letzteres berichtet Johann Bethlen, Kereszt. Magvetö XIX. S. 363, 
vgl. das. S. 355, femer Johann Kem6ny, a. a. 0. S. 10 und 408; die 
vorhergehenden Angaben folgen aus Pechis weiter unten besprochenen Brief. 



157 



Damit er dem Gouverneur schreiben könne, wurden ihm 
auf dessen Befehl ausnahmsweise die nöthigen Schreibrequisiten 
zur Verfügung gestellt. In diesem, geradezu ergreifenden Briefe 
beklagt er sich bitterlich darüber, dass er nicht einmal die 
Ursache seiner Einkerkerung kennt, nicht weiss, wessen man 
ihn eigentlich bezichtigt. Sodann bespricht er der Reihe nach 
alle Anklagen und Verläumdungen, die man möglicherweise 
gegen ihn vorgebracht haben könnte, um sie einzeln zu wider- 
legen und im Bewusstsein seiner Unschuld entschieden zurück- 
zuweisen. Schliesslich fleht er Johann Bethlen, als seinen 
Gönner und Verwandten an, er möge doch erwirken, dass 
man ihm, wenn auch unter den härtesten Bedingungen, die 
Freiheit wiedergebe.^ 

Auch dieser Brief hatte keinen, oder nur den Erfolg, dass 
er den Kerker wechselte. Man brachte ihn von Szamos-Ujvär 
nach der Feste Kövär,^ wo er noch über drei Jahre gefangen 
gehalten wurde. Endlich gelang es seinen Freunden durchzu- 
setzen, dass die Stände des Landes seine Begnadigung erbaten, 
und gleichzeitig volle Bürgschaft für ihn übernahmen. Sollte 
Pechi die ihm vom Fürsten gestellten Bedingungen nicht 
getreulich einhalten, verpflichteten sie sich, ihn entweder an 
Bethlen auszuliefern oder, falls sie das nicht können sollten, 
ein Strafgeld von hunderttausend Gulden zu erlegen. Das be- 
treuende, am 22. November 1624 ausgestellte Document wurde 
von den Vertretern der Städte und fast vom ganzen hohen 
Adel des Landes unterzeichnet. Nachdem Pechi einen ähnli- 
chen »Revers« ausgestellt halte, wurde er nach zweieinhalb- 
jähriger Kerkerhaft »unter gewissen Conditionen« wieder in 
Freiheit gesetzt. Von seinen confiscirten Gütern wurde ihm 
nur Szent-Erzsebet zurückgegeben, und er mussie eidlich 
geloben, seinen dortigen Herrensitz nie mehr zu verlassen. ^ 



* S. den interessanten Brief bei Mikö, a. a. 0. III. S. 350—7; vgl. 
Johann Kem6ny, a. a. 0., S. 10 u. 408 und Kereszt. Magvetö XIX. S. 553. 

* Kern 6 ny, a. a. 0., S. 9 und 98. 

* Monum. Gomit. Trans. VIII. S, 242. Vgl. K e m e n y, a. a. 0. S. 10 und 
408. Gindely a. a, 0. IV. S. 242 lässt Pechi bis an sein Lebensende eingeker- 
kert sein. Eben so unrichtig ist die Angabe von Georg Boros (Magy. prot. egyh. 
es isk. figyelö ^ Ung. Protestant. Beobachter f. Kirche und Schule), duss Pechi 
»von 1621—1630 im Kerker war.« P6chis Haft währte vom Anfang Juni 1621 
bis Ende November 1624. 



158 



Der schon vordem von tiefer Religiosität durchdrungene 
Mann, der die Nichtigkeit der irdischen Grösse so schmerzlich 
an sich selber erfahren musste, hat während seiner langen 
strengen Gefangenschaft nur in der Religion Trost und Erhe- 
bung suchen können. »Ich verbringe — so schrieb er aus 
seinem Kerker an Stephan Bethlen — meine Tage mit vielem 
Weinen und Seufzen, mit Beten zu Gott und dazwischen mit 
dem Lesen von Schriften.« Was für Schriften das gewesen, 
ergibt sich aus der biblischen Färbung und alttestamentarischen 
Sprache des betreffenden Briefes. Obwohl er — so fährt er 
fort — »als gar sündhafter Wurm vor dem Allmächtigen, seine 
Leiden nicht mit denen der Heiligen vergleichen darf, w^ohl 
wissend, dass wegen seiner Fehler und Mängel seine tagtäg- 
lich begangenen Sünden vor Gott so zahlreich seien, wie der 
Sand am Meere:« wagt er es dennoch, sein Unglück mit 
dem Hiobs zu vergleichen, ja sein Leid als das grössere hinzu- 
stellen. Denn »zu dem heiligen Hiob konnten wenigstens dessen 
Freunde kommen, ihn zu trösten, von mir werden auch diese 
ferngehalten. Meine Kinder hat Gott wohl erhalten, dafür aber 
zu meinem ewigen Schmerz, deren Mutter von mir genommen. 
Und was noch mehr ist: den heiligen Hiob hat man an seiner 
Ehre und an seinem Namen nicht geschändet, mir widerfahrt 
auch das in schrecklicher Weise, und das ist auch ein Tod, 
ja jammervoller als der Tod. Habe und Gut verlieren, heisst 
ungleich weniger; nackt sind wir zur Welt gekommen, so 
gehen wir auch von ihr. Gott hat es gegeben, er hat's auch 
genommen — sein heiliger Name sei gepriesen immerdar.« ^ 

Wäre er strafbar — heisst es weiter — - würde er seine 
Schuld bekennen, »denn wer seine Schuld bekennt, dem verzeihen 
sowohl die Menschen als auch Gott.«* Er ist sich aber dessen 
bewusst, dass er sich gegen den Fürsten und das Land mit 
nichts vergangen habe, »denn — so schreibt er — es ist meine 
religiöse Ueberzeugung, dass, wer sich gegen seinen Fürsten 
und seine Vorgesetzten vergeht, sich auch gegen Gott vergeht. 
Es ist das eine zur ewigen Verdammniss führende Sache, von 
ihr fühle ich mich — der Name meines Gottes sei gelobt 
dafür ! — rein vor meinem Gewissen.« Er hat sich stets an 



1 Vgl Hiob 1, 21. 

» Vgl. Sprüche Salomos 28, 13. 



159 



die Vorschrift Moses gehalten: »Du sollst Gott nicht lästern, und 
nicht fluchen dem Fürsten deines Volkes.«^ Gott möge richten 
zwischen ihm und zwischen seinen Anklägern! »Das Ende, das 
dem Ananias und dem Saphira wegen des geraubten Geldes 
ward,* und die Strafe, welche Gehasi, den Diener des Elisäus, 
ob der dem Syrer Naamen abverlangten Schätze traf, komme 
auch über mich, wenn ich schuldig bin; bin ich aber unschul- 
dig, so komme sie über meine falschen Ankläger. Und wie 
Achitophel, Absalon, oder Judas Ischariot, von wegen ihres 
Verrathes geendet, so mögen auch mich, wenn ich mich eines 
solchen schuldig gemacht, die Strafgerichte des Herrn treffen; 
bin ich aber unschuldig, so möge dieses Gottesurtheil über 
Jene kommen, die mich fälschlich anklagen.« Hierauf geht er 
zu den Hainburger Friedensunterhandlungen über, erzählt den 
Verrath des Palatins und der übrigen Commissäre und fährt 
sodann folgendermassen fort: »Die Söhne Israels hatten, um 
das Land Kanaan auszukundschaften, zwölf ihrer Vornehmsten 
entsendet. Von diesen wurden zehn treulos und abtrünnig; 
ihrer zwei, Josua und Kaleb, blieben treu, und der Segen Gottes 
wurde ihnen, sie theilten nicht die Strafe der Verräther. Auch 
ich kann mich mit gutem Gewissen vor Gott dessen rühmen: 
Nie und nimmer habe ich ihre verrätherischen Absichten 
getheilt!« 

Dieser Brief zeigt, dass das Denken und Fühlen des 
Gefangenen ganz unter dem Einflüsse der Bibel stand, und 
dass die »Schriften«, die Pechi im Kerker las, die heiligen 
Schriften, namentlich die des Alten Testamentes waren. 

So mag er in der Einsamkeit seiner langen Gefangen- 
schaft viel über die religiösen Fragen gegrübelt haben, welche 
ihn schon in den Tagen seines Glückes, wie sich aus seinem 
Briefwechsel mit Avitus ergibt, auch unmittelbar vor seinem 
Sturze stark beschäftigt hatten. Dass er bezüglich dieser Fragen 
in seinem Kerker zu endgiltigen Resultaten und theilweise 
neuen Anschauungen und lieber Zeugungen gelangte, ist gewiss. 
So wie er seine Freiheit wieder erlangte, sehen wir ihn ohne 
Zaudern und ohne Schwanken auf dem Wege vorwärts schrei- 



1 n. B. Mos. 22, 27. 

* Acta Apostolor. 5, 1. flg. Für das Folgende vgl. B. D. Kon. II. 5, das. 
I. 15 und IV. B. Mos. Gap. 13. 



160 



ten, auf dem er früher jiur zagend und unsicheren Schrittes 
ging. Von jetzt ab verfolgt er unentwegt die von E6ssi ange- 
gebene judaisirende Richtung, und führt diese so entschieden 
weiter, dass er sich vom Christenthume immer weiter entfernt 
und dem Judenthume immer mehr annähert. 

Der gestürzte Reichskanzler reisst das Sabbatharierthum 
mit sich auf die neue Bahn, die er nunmehr betritt, und wird 
so der eigentliche Begründer des Sabbatharierthums. Eossi 
hatte es verbreitet, war dessen Wikleff und Hussz, ohne gleich 
letzterem als Blutzeuge zu enden: Pechi war der Luther und 
Melanchthon des Sabbatharierthums, aber auch der Märtyrer 
desselben 

Während Pechi noch im Kerker sass, hatte der im Octo- 
ber 1622 in Bistritz abgehaltene Landtag neuerdings ein stren- 
ges Gesetz »gegen die dem Judaismus verstockt anhängenden 
Menschen« erlassen und deren Verfolgung angeordnet.^ Bald 
darauf war aber der Krieg zwischen Bethlen und Ferdinand 
von neuem ausgebrochen, und der Fürst war von den grossen 
politischen Plänen, die ihn beschäftigten, vollauf in Anspruch 
genommen. Der Landtagsbeschluss blieb unausgeführt Von da 
ab, bis zu dem am 15. November 1629 erfolgten Tode Gabriel 
Bethlens, wurde nicht einmal der Versuch gemacht, gegen die 
geächteten Judenzer einzuschreiten. 

Auch unter Georg Räköczi, dem Nachfolger Bethlens, 
blieben die Sabbatharier noch fünf Jahre hindurch vollständig un- 
behelligt. Raköczi hatte am Anfange seiner Regierung alle Hände 
voll zu thun, seinen Fürsten thron gegen innere und äussere Feinde 
zu vertheidigen, und seine Stellung zu sichern und zu befes- 
tigen. So kam es, dass er die Judenzer, die er später mit so 
grausamer Härte zu unterdrücken suchte, bis zum Jahre 1635 
gar nicht zu beachten schien. 

Zu diesen, dem Sabbatharierthum günstigen, äussern Ver- 
hältnissen kam ein Ereigniss, das zwar noch während Pechis 
Gefangenschaft stattfand, aber wahrscheinlich schon von ihm 
vorbereitet war. 

Bethlen hatte nämlich, »um das durch viele Kriege und 
die Einbrüche fremder Völker ausgesogene und verwüstete Land 
durch die Einwanderung verschiedener Völker zu restauriren«, 

1 Monum. Gomit. VJU. S. 108. 



161 



erst den aus Mähreh vertriebenen Anabaptisten Zuflucht gewährt, 
und bald darauf auch den bis dahin von Siebenbürfren ausGre- 
schlossenen Juden sein Land eröffnet. Den letzteren ertheilte 
er »über Intervention des jüdischen Arztes in Konstantinopel, 
des hochgeborenen Abraham Sasa«, am 18. Juni 1623 gewisse 
Privilegien, welche durch den Landtag, sowie durch die spä- 
teren Fürsten wiederholt bestätigt wurden.^ Den einwandernden 
Juden wurde der Schutz des Fürsten, freier Handel mit der 
Türkei und freie Religionsübung zugesichert, letztere auch 
den zur Taufe gezwungenen Scheinchristen oder Ma rannen, 
die »aus Spanien oder aus anderen Orten einwandern und 
wünschen sollten, nach ihrem Glauben zu leben.« ^ 

Die auf Grund dieses Privilegienbriefes einw^andernden 
türkischen Juden, die sich zumeist in Klausenburg niederliessen, 
waren sogenannte S e p h a r d i m, d. h. solche, die den spanischen 
Ritus befolgten, zum grossen Theile Nachkommen der 1492 
aus Spanien vertriebenen Juden, die in der Türkei gastfreund- 
liche Aufnahme gefunden hatten, und jetzt in Siebenbürgen 
eine neue Heimath suchten. Dieser Umstand sollte dem Sabba- 
tharierthum in nicht geringem Masse zu Gute kommen. 

Die Sephardim repräsentirten nämlich, in gewissem 
Sinne, eine Art jüdischer Aristokratie. Im Besitze alter und ruhm- 

* S. Die Actenstücke in Monum. Gomit. VIII. S. 143 und 371. D. Henrique 
de Gastro, Auswahl v. Grabsteinen auf d. niederl. — portugies. — Israel. — 
Begräbniss zu Ouderkerk a. d. Amstel, Leyden, 1883. S. 83 hat die Grabschrift 
«Clarissimi viri Abraham Gomes de Sossa.* Dieser im J. 1667 als Leibarzt 
des Prinzen Ferdinand, Stalthalters der Niederlande in Amsterdam verstorbene 
Abraham Sossa dürfte mit dem obenerwähnten Arzte, dem „hochgeborenen 
Abraham Sassa" identisch sein, der später nach Amsterdam ausgewandert sein 
mag, was bei den häufigen und engen Relationen zwischen den dortigen und 
den Konstantinopler Sephardim gar nicht unwahrscheinlich ist. 

* Nach dem 5. Punkte des Privilegienbriefes, der den einwandernden 
Juden freie Religionsübung zusichert, folgt als 6. Punkt: „Si qui Judaeorum in 
ditionibus Ghristianis degentium ex Hispaniis, aut aliis e locis in regnum 
nostrum commigrare iUorumque professionem imbibere voluerint, 
liberum id securumque eisdem facturum pollicemur." Diese wiederholte 
Zusicherung der freien Religionsübung kann sich, namentlich in dieser Fassung, 
nur auf Marannen beziehen, die etwa einwandern sollten. Diese, zumeist aus 
Spanien stammenden Scheinchristen durfte damals, mit Ausnahme Hollands und 
der Türkei, bei schwerer Strafe, nirgends offen zum Judenthum zurückkehren. 
Das der Grund, weshalb ihnen besonders zugesichert wird, dass sie „die Reli- 
gion der Juden frei und in Sicherheit" werden befolgen dürfen. 

Dr Kobn: Sabbatharier. H 



162 



voller Traditionen, konnten sie sich auf eine grössere und g'län 
zendere Verganganheit berufen als die übrigen, namentlich die 
aschkenasischen, d. h. den deutschen Ritus befolgen- 
den Juden, die sie zudem noch an allgemeiner Bildung, aber 
auch an jüdisch religiösem Wissen überragten. Und sie w^aren 
stolz darauf. Ihr sicheres, selbstbewusstes Auftreten, die alt- 
spanische Grandezza, die sie sich zu bewahren wussten, ihre 
vornehmen Umgangsformen und ihre gewähltere Tracht zeich- 
neten sie vortheilhaft von den meisten ihrer übrigen Glaubens- 
genossen aus. Ihre gesellschaftliche Stellung war, namentlich 
in der Türkei, eine verhältnissmässig günstige. Es gab unter 
ihnen Kaufleute, die an der Spitze grossangelegter Handels- 
unternehmungen standen, hohe Staatsbeamte und sonstige bei 
der Pforte einflussreiche Männer, endlich aber in hoher Achtung 
stehende Aerzte, denen selbst der Sultan und seine Paschas 
Gesundheit und Leben anzuvertrauen pflegten. 

Nach Siebenbürgen waren sie nur unter der von Bethlen 
angenommenen Bedingung gekommen, dass sie nicht zum 
Tragen eines wie immer gearteten Judenabzeichens verhalten 
werden dürfen, sondern überallhin in der »Tracht der Christen« 
gehen können.^ »Ihr Arzt«, denn sie hatten einen solchen 
mitgebracht, erhielt die Vergünstigung, im ganzen Lande 
unbehelligt reisen und seine Kunst ausüben zu dürfen.^ Jener 
»Judendoctor Riberius", von dem sich Bethlen in seiner letzten 
Krankheit behandeln liess,^ dürfte kauni ein anderer, als der 
in Rede stehende Arzt der eingewanderten Juden sein. Ausser 
diesem Riberius begegnen wir, als Zeitgenossen Pechis, noch 
drei anderen jüdischen Aerzten am Hofe der siebenbürgischen 
Fürsten.* 

* Des Privilegienbriefes 7. Punkt. 
« Das. 11. Punkt. 

* Johann K e m e n y, Selbstbiographie S. 138. Riberius scheint die 
Latinisirung von Riberio, vielleicht von Ribeira zu sein. 

* Diese jüdischenj Aerzte sind : Der zum Fürsten Bocskai berufene 
Eleasar (s. ob. S. 137); der gelehrte Leon (Arje-Jehuda) Siaa, mit dem 
ürkischen Namen N a s r e d-d i n T a b i b den Georg Räköczi I. um 1639 aus 
Konstantinopel berief, der später, als Leibarzt dieses Fürsten, zum Christenthume 
übertrat (s. Ka y s e rl i n g, Revue des etudes juives VIR. S. 85), und endlich der 
jüdische Leibarzt Sinan Paschas, den der wallachische Wojwode Michael gefangen 
nahm und, obwohl er 45000 Theler als Lösegeld anbot, um 1601 dem Fürsten 
Sigmund Bäthori „als Geschenk zuschickte." Bezüglich des Letzteren, dessen 
Namen wir nicht kennen, s. Schwarzfeld, Annuar pentru Israeliti K. S. 82- 



163 



Solche Juden, die noch dazu vom Fürsten selber ins 
Land gerufen wurden, »um es zu restauriren«, musslen mit 
?anz andern Augen angesehen Averden, als ihre seit Jahr- 
hunderten schwer bedrückten und vielverachteten Glaubens- 
Sfenossen in den verschiedenen Nachbarländern. Der biedere 
Szekler, namentlich der Bauer, der jetzt wahrscheinlich zum 
erstenmale einen Juden sah, konnte es durchaus nicht für 
beschämend halten »Judenzer« genannt zu werden. Der ein- 
gewanderte türkisch-jüdische Kaufmann, oder der an das 
Krankenbett des Fürsten berufene »Judendoctor« stand gesell- 
schaftlich und geistig hoch über ihm. Was Wunder, dass er 
bereitwillig seinen Lehrmeister in ihm erkannte, zumal, Wv nn 
ihm der Jude, wie es von Seiten des Sabbatharierthums geschah, 
als solcher hingestellt wurde. 

Unter solchen Umständen haben die eingewanderten tür- 
kischen Juden einen entscheidenden Einfluss auf das religiöse 
und geistige Leben des Sabbatharierthums geübt. Von ihnen über- 
nahm es den spanisch-jüdischen (sephardischen) Ritus, welchen 
es bis ans Ende festgehalten hat; von ihnen das Schriftthum, 
das von jetzt ab den Ausgangspunkt seines eigenen bildete. 
Die siebenbürgischen Judenzer hatten es nicht mehr nöthig, 
sich einen jüdischen Kalender mit vieler Mühe und grossen 
Kosten aus Konstantinopel bringen zu lassen. Sie brauchten 
5ich jetzt blos an ihre neuen jüdischen Nachbarn zu wenden, 
im mit Leichtigkeit zu den wichtigsten jüdischen Schrift- 
verken zu gelangen. Wie wir sehen werden, haben sie diese 
rute Gelegenheit auch eifrig und mit Erfolg benützt. 



Pechis geheime Thätigkeit im Dienste des 
Sabbatharierthums. Seine Uebersetzung und 

Erklärung der Psalmen. 

m 

Die erste, gleichsam vorbereitende Periode in der Geschichte 
es Sabbatharierthums schliesst, indem sich die Kerkerthüren 
ffnen, hinter welchen Pechi dreieinhalb Jahre geschmachtet 
atte, und es beginnt die zweite, ihrer Zeitdauer nach kürzeste, 
irem Inhalte und ihren Folgen nach wichtigste Periode dieser 
leschichte, die fast ausschliesslich von dem ferneren Leben 
nd Wirken dieses Mannes ausgefüllt wird. Neben seiner her- 

11* 



164 

vorragenden, in ihrer Eigenart grossen Gestalt, verschwinden 
alle übrigen, die im Sabbatharierthum dieser Zeit noch eine 
Rolle spielen. Die neue Religion hat ihre kurze Blüthezeit 
einzig und allein ihm zu verdanken; er allein schafft die feste 
Grundlage, auf welcher sie, allen Unterdrückungen und Ver- 
folgungen trotzend, sich noch zweieinhalb Jahrhunderte und, in 
einigen kümmerlichen Ueberresten, sogar bis zum heutigen Tage 
erhalten konnte. 

Pechi hat, sowie er seine Freiheit wiedererlangte, die 
Sache des Sabbatharierthums mit Eifer aufgegriffen. In seinem 
Dorfe internirt und von der Welt abgeschlossen, weihte er 
ihr seine von politischen Geschäften nicht mehr in Anspruch 
genommene Zeit, und stellte seine frei gewordene Kraft fast 
ausschliesslich in den Dienst seiner religiösen Bestrebungen. 
Doch musste er zunächst noch mit einer gewissen Behutsamkeit 
vorgehen; er durfte es noch nicht wagen, öffentlich als Apostel 
des Sabbatharierthums aufzutreten. 

Zu dieser vorsichtigen Zurückhaltung bestimmten ihn 
wichtige Umstände und Rücksichten. Der vordem reiche Mann 
lebte in beschränkten, fast ärmlichen Verhältnissen. Seine ver- 
storbene Frau hatte ihm sechs, vielleicht noch mehr Kinder 
zurückgelassen, von welchen, als er aus der Gefangenschaft 
nachhause kam, das älteste fünfzehn, das jüngste kaum vier 
Jahre alt sein mochte.^ Zu ihrer Erhaltung, Erziehung und Ver- 
sorgung besass er weiter nichts, als das Erträgniss des Szent- 
Erzsebeter Besitzes, und auch das hatte er der Gnade Bethlens 
zu verdanken. Dieser hegte aber noch immer bittern Groll 
gegen seinen einstigen Kanzler. Wohl erwies er den Kindern 
desselben gerade jetzt manche Gnade; Pechis zweite Tochter, 
Elisabeth, ernannte er sogar zum dienstthuenden HofTräulein 

* Pechi heirathete i. J. 1608, seine Frau, Judith, starb am 19. Januar 
1621 (ob. S. 142), u. z. im Wochenbette. Das acht Tage vor ihrem Tode gebo- 
rene Kind blieb am Leben, war daher im November 1624, als Pechi seine 
Freiheit erlangte, noch nicht ganz vier Jahre alt; s. Radecz, Funebris laudatio 
u. s. w. S. 19 und 23. Judith hinterliess zum mindesten zwei Söhne, denn 
der an ihrer Bahre gehaltene Nachruf (Radecz, a. a. 0. S. 22) hebt ,dain 
extinctae matris teneras hasce Alias, dum parvos ipsius filios" hervor. Einer 
derselben erhielt, nach dem testamentarischen Berichte Orbäns, in seinem 18. 
Lebensjahre von einem scheu gewordenen Pferde einen tödtlichen Hufschlag. 
Ausserdem kennen wir noch vier ältere Tochter Pechis, von welcher später 
die Rede sein wird. 



165 

der Fürstin, und bedachte sie nachmals in seinem Testamente 
mit einem beträchtlichen Legate.^ Das geschah aber oflenbar 
nur aus Rücksicht auf die angesehene Familie der Kornis, 
der diese Kinder mütterlicherseits entstammten, namentlich 
über Verwendung der Stiefgrossmutter derselben, der auch 
ihm verwandten Christina Bethlen. Gegen Pechi selber blieb 
er unerbittlich. Der misstrauische Fürst hatte seinem einstma- 
ligen^ Günstling nie verzeihen können, und dieser hatte gegrün- 
dete Ursache nichts zu thun, was den Unversöhnlichen, dessen 
Grimm er schon einmal schwer fühlen musste, von neuem 
hätte reizen können. 

So hat sich denn Pechi bis zum Tode Bethlens, also noch 
fünf Jahre lang, wohlweislich gehütet, öffentlich als Judenzer 
aufzutreten. Er beschränkte sich darauf, die Sache des Sabba- 
tharierthums möglichst geräuschlos, dafür al)er um so eifriger 
und hingebender zu fördern. 

Eine seiner ersten Sorgen war die Anlegung einer jüdi- 
schen Bibliothek. Einen Theil derselben mag er noch in den 
Tagen seines Glückes angeschafft haben ;2 seine meisten heb- 
räischen Bücher erwarb er aber erst jetzt, zum Theil vielleicht 
nur leihweise, von den mittlerweile eingewanderten türkischen 
Juden. Diese für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich reich- 
haltige Bibliothek umfasste, wie sich aus den von Pechi benutz- 
ten und angeführten Büchern ergibt, neben Bibeln und den ver- 
schiedenen Bibelübersetzungen, die meisten namhafteren Erzeug 
nisse der Talmud- und Midrasch-, sowie der späteren rabbinischen 
Literatur. Sie ist, als Pechi später wegen Judenzerei der Pro- 
zess gemacht wurde, zum grossen Theil confiscirt worden; der 
Rest wurde seinen Erben von plündernden Soldaten geraubt.^ 

* Joseph Koncz, Bethlen Gabor fejedelera vegrendelete (Das Testament 
(1. Fürsten G. Bethlen) S. 77. Ausserdem erhielt Elisabeth und ihr jüngerer 
Bruder drei von den confiscirten Gütern ihres Vaters (Koncz das.) Später verlobte 
sie Bethlen mit Gabriel Mindszenti, einem seiner Getreuen, mit welchem sie 
nach Bethlens Tode, von dessen Witwe Katharine von Brandenburg, im Fürsten- 
palaste standesgemäss vermalt wurde. Die zu ihrer Hochzeit im Namen der 
Fürstin Witwe ausgegebene . Einladung s. bei Alexander Szilagyi, Sz6kely- 
egryleti kepes naptar (Illustrirt,er Kalender des Szekler-Vereins) II. Jahrg. (1883^ S. 80. 

■ Es sei nur an den jüdischen Kalender erinnert, den P6chi aus KonstRn- 
linopel, so wie an das Buch des Avitus, das er aus Wittenberg kommen liess, 
K ob. S. 154 flg. 

•Unter den gelegentlich derDe6ser Gerichtsverhandlung confiscirten sabbatha- 
lischen Büchern befanden sich unzweifelhaft auch die P6chis ; das noch vorhan- 



166 



Mit den nöthigen wissenschaftlichen Behelfen reichlich 
versehen, ging nun Pechi unverweilt ans Werk und begann 
ganz allein, jene eigenartige, ihrem Inhalte und Umfange nach 
gleich bedeutende Literatur zu schaffen, welcher das Sabbatha- 
rierthum in Siebenbürgen sein Aufblühen, seine einheitliche 
Liturgie und die Bedingungen seines mehrhundertjährigen 
Bestandes verdankte. In der Zeit zwischen seiner Befreiuncr 
aus dem Kerker und dem Tode Bethlens (Ende 1624 bis 
November 1629) entstand, unter anderem, Pechis in wissen- 
schaftlicher Beziehung bedeutendstes Werk : die Ueber- 
setzung und Erklärung der Psalmen.«^ 

Von diesen Psalmen, die während der Blüthezeit des 
Sabbatharierthums in zahlreichen Abschriften cursirten und 
während der häuslichen Andacht, sowie als Erbauungsbuch, viel 
gelesen wurden,^ hat sich nur ein einziges vollständiges Exem- 
plar erhalten, das aber zum grösseren Theile von Pechis 
eigener Hand geschrieben ist, welche auch die übrigen Theile 
sorgfältig corrigirt hat.^ Einzelne Psalmen, die das sabbatha- 

dene Verzeichniss seiner damals mit Beschlag belegten beweglichen Güter 
s. Tört. Tär 1887. S. 713) dürfte wahrscheinlich auch die Liste seiner Bücher 
enthalten. Ein Theil seiner Bibliothek, darunter auch sein oben (S. 133) erwähnte^ 
Tagebuch, gelangte später in den Besitz seines Urenkels, des Baron Alexiu? 
Orbän, dem diese , kostbaren Bücher," nach seinen mehrfach erwähnten testa- 
mentarischen Aufzeichnungen, „zur Zeit der Räköczy-Revolution von dem General 
Graven aus der Kirche von György-Szent-Miklös geraubt wurden." 

^ Aus dem weiter unten mitgetheilten Titelblatt ergibt sich, dass mit der 
Abschrift des betreffenden Exemplars am 23. September 1629 begonnen 
wurde. Pechis Psalmen waren also damals bereits vollendet. Anderseits dankt 
P6chi in einer Anmerkung zu Psalm 107, 31 „dem Gotte Jacobs, der — so sagt 
er — mich aus meinem Gefängnis s, aus meiner dreieinhalb- 
jährigen Kerkerhaft befreit hat." Daraus folgt, dass P6chi erst nach 
seiner Befreiung, also nach dem Novemb. 1624, seine Psalmen schrieb, die 
demnach zwischen 1625 und 1629 entstanden sind. Dass noch mehrere andere 
Schriften Pechis, deren Entstehungszeit sich nicht feststellen lässt, zwischen 
1624 und 1629 verfasst worden sind, ist gewiss. Die zahlreichen, zum Theil sehr 
umfangreichen Werke, die wir ausser den Psalmen von P6chi besitzen, können 
unmöglich alle erst nach 1629 geschrieben worden sind. 

* In einem Trostschreiben, das Pechi an seine schwer erkrankte Tochter 
richtet, ermahnt er sie, Gott um Hilfe anzuflehen und aus seiner Psalmenäber- 
setzung die vier Psalmen 38—41 zu lesen ; s. den Brief, Protest. Egyh. es Ist, 
Lap 1880. S. 269. 

* Die in der Bibliothek des unitarischen Obergymnasiums zu Szekely- 
Keresztür befindliche Handschrift ist mir in entgegenkommendster Weise zur 



167 



rische Gebetbuch aufgenommen hat, finden sich in jedem 
Exemplare desselben. 

Die Uebersetzung hat sich die möglichst treue Wieder- 
gabe des hebräischen Textes zur Aufgabe gestellt, verräth aber 
dabei ein feines Gefühl für die Schönheiten desselben, auf 
welche in den Anmerkungen nicht selten aufmerksam gemacht 
wird.^ In dem kernigen Szekler Magyarisch vom Anfang des 
XVII. Jahrhunderts findet sie in der Regel den entsprechenden 
Ausdruck für den Geist und den Gedankengang der Psalmeir, 
am trefiendsten an jenen Stellen, in welchen Siegesjubel oder 
Verzweiflung laut wird, oder Drohungen und Verwünschungen 
grollen. Pechi hat bei den leidenschaftlichen Ausbrüchen des 
Psalmendichters, die sich gegen Ammon, Moab, Babel und die 
übrigen Heiden kehren, welche Israel bedrängen und zer- 
fleischen, offenbar an die »Ungläubigen« gedacht, welche das 
Sabbatharierthum unterdrücken und verfolgen, und ihm selber 
so bitter wehe gethan haben. Den weichen, innigen Ton der 
Andacht, des Dankes und der Seelenfreude vermag er weniger 
zu treffen. 

Ungleich interessanter und wichtiger als die Uebersetzung 
sind die oft umfangreichen Anmerkungen, welche sie, in klei- 
nerer Schrift, in der Regel gleich einem Rahmen umgeben. 

Diese Anmerkungen suchen vor allem festzustellen, wann , 
durch wen und aus welchem Anlasse die einzelnen Psalmen 
geschrieben wurden, was ihr Inhalt ist und welche Tendenz 

Benützung überlassen worden. Der erste, grössere Theil derselb en zeigt Pechis 
aus zahb'eichen Briefen und sonstigen Schriften wohlbekannte, characte ristische 
Schrift und in den Anmerkungen, die oft hebräische Worte und Sätze enthalten, 
mit schneller und sicherer Hand geschriebene hebräische Quadratbuchstaben. 
Das Titelblatt, des gleich dem letzten Theile der Handschrift von dem Gopisten 
Pechis, Johannes Beth herrührt, lautet vollständig : 

«Psalterium cum explicationibus vocum non cujlibet obviarum ex Hebraica 
Veritate Hungarice translatum per Magnif. D. Simonem Pechium" 

.Initium describendi sumpsi cum Anni praesentis Millesimi vc. (= videlicet) 
sexcentesimi vigesimi noni secundum numerationem Ghristianorum Mensis 
Septembr. 23. die, sequenti sei. (= scilicet) die sol. post Jejuniam Godolia" 
(bekanntlich ein Fasttag, der unmittelbar auf des jüd. Neujahrsfest folgt.) 

„Laus Deo semper et ubique 
et dicat ois (= omnis) populus Amen." 

Am Schlüsse der Handschrift: ,S. P. Translator" darunter „Finivit J. B." 
(d. h. Joannes Beth.) 

* S. z. B. die Anm. zum Anfange der Psalmen 104 und 145. 



168 



sie verfolgen. Sodann erklären sie die grammatischen For- 
men des hebräischen Urtextes, weisen auf sachliche und 
sprachliche Schwierigkeiten hin und versuchen deren Lösung. 
Sie rechtfertigen die Treue der Uebersetzung und die Rich- 
tigkeit der Auffassung, die in ihr zum Ausdruck gelangt; sie 
polemisiren, ertheilen gute Rathschläge und moralische Lehren, 
ermahnen und tadeln, und das alles in der Sprache tiefinniger 
Gläubigkeit und unerschütterlicher Ueberzeugung. 

Diese Anmerkungen, die eine Fülle linguistischer, cultur- 
und religionsgeschichtlicher Notizen enthalten, zeigen den 
bedeutenden wissenschaftlichen Apparat, mit welchem Pechi 
gearbeitet hat. Er beruft sich in ihnen auf die Bücher des 
Alten und des Neiien Testamentes, auf die alten chaldäischen 
Bibelübersetzungen (Targumim), auf die Vulgata und auf Jose- 
phus, auf Sebastian Münster, dessen Psalmencommentar er 
mitunter benutzt,^ am häufigsten aber auf die nachbiblische 
jüdische Literatur. Aus dem Talmud, den er häufig citirt, 
übersetzt er mitunter umfangreiche Stücke, die er, nach jüdi- 
schem Brauche, einfach mit den Worten, »es sagen«, oder »es 
erklären die Weisen«^ einzuleiten pflegt, in der Regel ohne die 
Quelle genauer anzugeben. Aehnlich benützt er die verschie- 
denen Midrasch-Werke, namentlich den zu den Psalmen geschrie- 
benen Midrasch S chochar-tob;' fast auf jede Seite beruft er 
sich wiederholt auf jüdische Bibelerklärer, auf Hai Gaon, Rabbi 
Salomo Jizchaki (Raschi), Ibn-Jachja,^ am häufigsten aber auf 
den »weisen Kimchi«,^ dessen Psalmencommentar, den er nicht 
selten wörtlich wiedergiebt, für ihn in der Regel massgebend 
ist. Zu den Namen dieser jüdischen Autoritäten pflegt er nach 
dem bekannten jüdischen Brauche hinzuzufügen: »Friede über 
ihn«, oder »Friede ruhe auf ihm!« • 

Pechi entwickelte in diesem Buche auf dem gesammten 
Gebiete der jüdisch-theologischen Literatur eine Belesenheit 
und Sachkenntniss, die selbst einem damals lebenden gelehrten 

* Am Schlüsse der Anm. zu Ps. 119, 1Ö6: „Munsteri opere implevi;» 

vgl. noch die Anm. zu 27, 17. 

^ Nur ausnahmsweise nennt er sie die ^jüdischen Weisen.* 

3 Den Schochar-tob pflegt er, ohne ihn als Quelle zu bezeichnen, 

^als die Erklärung der Weisen* auch an solchen Stellen zu citiren, wo kein 

einziger jüdischer Gommentator ihn anführt; ein Beweis, dass Pöehi speciell, 

diesen Midrasch selbstständig benützt hat. 



169 



Rabbiner zur Ehre gereichen würde. Andererseits aber zeigt 
er, eben weil er vollständig unter dem Einflüsse der jüdischen 
Literatur steht, in seiner Auffassung und Erklärung der 
Psalmen eine bemerkenswerthe Unselbstständigkeit. .In der 
Regel acceptirt er die Ansicht irgend eines älteren jüdischen 
Bibelexegeten, oder er führt mehrere solcher Ansichten an, 
die er mit einander in Einklang zu bringen sucht; nicht selten 
bezeichnet er die eine oder die andere als die »wahrschein- 
lichere«, oder »geradere« und daher am annehmbarsten schei- 
nende. Eine selbstständige Meinung äussert er nur in einigen 
seltenen Fällen, wo er eine Psalmenstelle auf (irund der damals 
gang und gäben naturwissenschaftlichen oder astronomischen 
Anschauungen zu erklären sucht J 

Wie seinem altern Zeitgenossen Hogäthi (ob. S. 80) ist 
Christus auch ihm kein Eigennamen, sondern einfach di;^ 
recipirte Uebersetzung des hebräischen m a s c h i a c h, also 
»der Gesalbte« im allgemeinen. In diesem Sinne ist ihm aucli 
König David »Christus« und »Messias«, so wie Jeder, auf den 
er, den jüdischen Exegeten folgend, das Textwort »ma- 
schiach bezieht.^ Nur auf Jesus will er dieses Wort nicht 
angewendet wissen. 

Die Psalmen, welche die Kirche auf Jesus bezieht, erkliirt 
er sammt und sonders im Sinne der Juden, als auf König- 
David, auf das Volk Israel, oder auf dessen einstigen Erlöser 
sich beziehend. Mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt er 
jene Stellen, in welchen die Kirche Ilinweisungen auf Jesus 
Martertod und seine Göttlichkeit erblickt. Ohne sich je in eine 
directc Polemik einzulassen, sucht er alle diese Stellen so zu 
erklären, dass sie mit der christlichen Auffassung nichts gemein 
haben, ja dieser geradezu widersprechen.^ Bloss hie und da 
w^agt er es, einige christliche Bräuche mehr oder minder offen 
anzugreifen.* 

» Vgl. besonder die Anmerkungen zu Ps. 104. 

* S. z. B. die erste und letzte Anm. zu Ph. 2. 

» S. z. B. die Anmerkungen zu Ps. 2 und 22 ; vgl. die Anm. zu P?. 
8, 16, 41, 45, 46, 72 u. s. w. 

* So Ps. 122, 4, wo er bemerkt, dass die Juden im Tempel zu Jerusalem 
, nicht dem Priester, überhaupt keinem Menschen, sondern nur dem einen Gott 
gebeichtet haben; ferner Ps. 95, 6: Jn der Bibel lesen wir von dem Erheben 
und Ausbreiten der Hände (während des Gebetes), aber von dem Falten der 



165 

« 

der Fürstin, und bedachte sie nachmals in seinem Testamente 
mit einem beträchtlichen Legate.^ Das geschah aber offenbar 
nur aus Rücksicht auf die angesehene Familie der Komis, 
der diese Kinder mütterlicherseits entstammten, namentlich 
über Verwendung der Stiefgrossmutter derselben, der auch 
ihm verwandten Christina Bethlen. Gegen Pechi selber blieb 
er unerbittlich. Der misstrauische F'ürst hatte seinem einstma- 
ligen^ Günstling nie verzeihen können, und dieser hatte gegrün- 
dete Ursache nichts zu thun, was den Unversöhnlichen, dessen 
Grimm er schon einmal schwer fühlen musste, von neuem 
hätte reizen können. 

So hat sich denn Pechi bis zum Tode Bethlens, also noch 
fünf Jahre lang, wohlweislich gehütet, öffentlich als Judenzer 
aufzutreten. Er beschränkte sich darauf, die Sache des Sabba- 
tharierthums möglichst geräuschlos, dafür al)er um so eifriger 
und hingebender zu fördern. 

Eine seiner ersten Sorgen war die Anlegung einer jüdi- 
schen Bibliothek. Einen Theil derselben mag er noch in den 
Tagen seines Glückes angeschafft haben ;2 seine meisten heb- 
räischen Bücher erwarb er aber erst jetzt, zum Theil vielleicht 
nur leihweise, von den mittlerweile eingewanderten türkischen 
»Juden. Diese für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich reich- 
haltige Bibliothek umfasste, wie sich aus den von Pechi benutz- 
ten und angeführten Büchern ergibt, neben Bibeln und den ver- 
^'chiedenen Bibelübersetzungen, die meisten namhafteren Erzeug 
nisse der Talmud- und Midrasch-, sowie der späteren rabbinischen 
Literatur. Sie ist, als Pechi später wegen Judenzerei der Pro- 
zess gemacht wurde, zum grossen Theil confiscirt worden; der 
Rest wurde seinen Erben von plündernden Soldaten geraubt.^ 

* Joseph Koncz, Bethlen Gabor fejedelera vegrendelete (Das Testament 
<i. Fürsten G. Bethlen) S. 77. Ausserdem erhielt Elisabeth und ihr jüngerer 
Bruder drei von den confiscirten Gütern ihres Vaters (Koncz das.) Später verlobte 
sie Bethlen mit Gabriel Mindszenti, einem seiner Getreuen, mit welchem sie 
nach Bethlens Tode, von dessen Witwe Katharine von Brandenburg, im Fürsten- 
palaste standesgemäss vermalt wurde. Die zu ihrer Hochzeit im Namen der 
Fürstin Witwe ausgegebene . Einladung s. bei Alexander Szilägyi, Sz6kely- 
egyleti kepes naptär (Illustrirter Kalender des Szekler-Vereins) II. Jahrg." (1883; S. 80. 

* Es sei nur an den jüdischen Kalender erinnert, den Pechi aus Konstan- 
tinopel, so wie an das Buch des Avitus, das er aus Wittenberg kommen liess, 
i-. ob. S. 154 flg. 

* Unter den gelegentlich derDeeser Gerichtsverhandlung confiscirten sabbatlia- 
lij'chen Büchern befanden sich unzweifelhaft auch die Pechis ; das noch vorhan- 



166 



Mit den nöthigen wissenschaftlichen Behelfen reichlich 
versehen, ging nun Pechi unverweilt ans Werk und begann 
ganz allein, jene eigenartige, ihrem Inhalte und Umfange nach 
gleich bedeutende Literatur zu schaffen, welcher das Sabbatha- 
rierthum in Siebenbürgen sein Aufblühen, seine einheitliche 
Liturgie und die Bedingungen seines mehrhundertjährigen 
Bestandes verdankte. In der Zeit zwischen seiner Befreiung 
aus dem Kerker und dem Tode Bethlens (Ende 1624 bis 
November 1629) entstand, unter anderem, Pechis in wissen- 
schaftlicher Beziehung bedeutendstes Werk: die Ueber- 
setzung und Erklärung der Psalmen.«^ 

Von diesen Psalmen, die während der Blüthezeit des 
Sabbatharierthums in zahlreichen Abschriften cursirten und 
während der häuslichen Andacht, sowie als Erbauungsbuch, viel 
gelesen wurden,^ hat sich nur ein einziges vollständiges Exem- 
plar erhalten, das aber zum grösseren Theile von Pechis 
eigener Hand geschrieben ist, welche auch die übrigen Theile 
sorgfältig corrigirt hat.» Einzelne Psalmen, die das sabbatha- 

dene Verzeichniss seiner damals mit Beschlag belegten beweglichen Güter 
s. Tört. Tär 1887. S. 713) dürfte wahrscheinlich auch die Liste seiner Bücher 
enthalten. Ein Theil seiner Bibliothek, darunter auch sein oben (S. 133) erwähnte? 
Tagebuch, gelangte später in den Besitz seines Urenkels, des Baron Alexiu< 
Orban, dem diese „kostbaren Bücher," nach seinen mehrfach erwähnten testa- 
mentarischen Aufzeichnungen, ,zur Zeit der Bäköczy-Revolution von dem General 
Graven aus der Kirche von György-Szent-Miklös geraubt wurden." 

^ Aus dem weiter unten mitgetheilten Titelblatt ergibt sich, dass mit der 
Abschrift des betreffenden Exemplars am 23. September 1629 begonnen 
wurde. Pechis Psalmen waren also damals bereits vollendet. Anderseits dankt 
P6chi in einer Anmerkung zu Psalm 107, 31 „dem Gotte Jacobs, der — so sagt 
er — mich aus meinem Gefängnis s, aus meiner dreieinhalb- 
jährigen Kerkerhaft befreit hat." Daraus folgt, dass P6chi erst nach 
seiner Befreiung, also nach dem Novemb. 1624, seine Psalmen schrieb, die 
demnach zwischen 1625 und 1629 entstanden sind. Dass noch mehrere andere 
Schriften Pechis, deren Entstehungszeit sich nicht feststellen lässt, zwischen 
1624 und 1629 verfasst worden sind, ist gewiss. Die zahlreichen, zum Theil sehr 
umfangreichen Werke, die wir ausser den Psalmen von P6chi besitzen, können 
unmöglich alle erst nach 1629 geschrieben worden sind. 

* In einem Trostschreiben, das Pe^hi an seine schwer erkrankte Tochter 
richtet, ermahnt er sie, Gott um Hilfe anzuflehen und aus seiner Psalmenüber- 
setzung die vier Psahnen 38—41 zu lesen ; s. den Brief, Protest. Egyh. 6s Isk. 
Lap 1880. S. 269. 

8 Die in der Bibliothek des unitarischen Obergymnasiums zu Szekely- 
Keresztür befindliche Handschrift ist mir in entgegenkommendster Weise zur 



167 



fische Gebetbuch aufgenommen hat, finden sich in jedem 
Exemplare desselben. 

Die Uebersetzung hat sich die möglichst treue Wieder- 
gabe des hebräischen Textes zur Aufgabe gestellt, verräth aber 
dabei ein feines Gefühl für die Schönheiten desselben, auf 
welche in den Anmerkungen nicht selten aufmerksam gemacht 
wird.^ In dem kernigen Szekler Magyarisch vom Anfang des 
XVII. Jahrhunderts findet sie in der Regel den entsprechenden 
Ausdruck für den Geist und den Gedankengang der Psalmeir, 
am treffendsten an jenen Stellen, in welchen Siegesjubel oder 
Verzweiflung laut wird, oder Drohungen und Verwünschungen 
grollen. Pechi hat bei den leidenschaftlichen Ausbrüchen des 
Psalmendichters, die sich gegen Ammon, Moab, Babel und die 
übrigen Heiden kehren, welche Israel bedrängen und zer- 
fleischen, offenbar an die »Ungläubigen« gedacht, welche das 
Sabbatharierthum unterdrücken und verfolgen, und ihm selber 
so bitter wehe gethan haben. Den weichen, innigen Ton der 
Andacht, des Dankes und der Seelenfreude vermag er weniger 
zu treffen. 

Ungleich interessanter und wichtiger als die Uebersetzung 
sind die oft umfangreichen Anmerkungen, welche sie, in klei- 
nerer Schrift, in der Regel gleich einem Rahmen umgeben. 

Diese Anmerkungen suchen vor allem festzustellen, wann , 
durch wen und aus welchem Anlasse die einzelnen Psalmen 
geschrieben wurden, was ihr Inhalt ist und welche Tendenz 

Benützung überlassen worden. Der erste, grössere Theil derselb en zeigt Pechis 
aus zahlreichen Briefen und sonstigen Schriften wohlbekannte, characte ristische 
Schrift und in den Anmerkungen, die oft hebräische Worte und Sätze enthalten, 
mit schneller und sicherer Hand geschriebene hebräische Quadratbuchstaben. 
Das Titelblatt, des gleich dem letzten Theile der Handschrift von dem Gopisten 
P6chis, Johannes Beth herrührt, lautet vollständig : 

«Psalterium cum explicationibus vocum non cujlibet obviarum ex Hebraica 
Veritate Hungarice translatum per Magnif. D. Simonem Pechium" 

,Initium describendi sumpsi cum Anni praesentis Millesimi vc. (= videlicet) 
sexcentesimi vigesimi noni secundum numerationem Ghristianorum Mensis 
Septembr. 23. die, sequenti sei. (= scilicet) die sol. post Jejuniam Godolia" 
(bekanntlich ein Fasttag, der unmittelbar auf des jüd. Neujahrsfest folgt.) 

„Laus Deo semper et ubique 
et dicat ois (= omnis) populus Amen." 

Am Schlüsse der Handschrift: ,S. P. Translator" darunter „Finivit J. B." 
(d. h. Joannes Beth.) 

* S. z. B. die Anm. zum Anfange der Psalmen 104 und 145. 



168 



sie verfolgen. Sodann erklären sie die grammatischen For- 
men des hebräischen Urtextes, weisen auf sachliche und 
sprachliche Schwierigkeiten hin und versuchen deren Lösung. 
Sie rechtfertigen die Treue der Uebersetzung und die Rich- 
tigkeit der Auflassung, die in ihr zum Ausdruck gelangt; sie 
polemisiren, ertheilen gute Rathschläge und moralische Lehren, 
ermahnen und tadeln, und das alles in der Sprache tiefinniger 
Gläubigkeit und unerschütterlicher Ueberzeugung. 

Diese Anmerkungen, die eine Fülle linguistischer, cultur- 
und religionsgeschichtlicher Notizen enthalten, zeigen den 
bedeutenden wissenschaftlichen Apparat, mit welchem Pechi 
gearbeitet hat. Er beruft sich in ihnen auf die Bücher des 
Alten und des Neuen Testamentes, auf die alten chaldäischen 
Bibelübersetzungen (Targumim), auf die Vulgata und auf Jose- 
phus, auf Sebastian Münster, dessen Psalmencommentar er 
mitunter benutzt,^ am häufigsten aber auf die nachbiblische 
jüdische Literatur. Aus dem Talmud, den er häufig citirt, 
übersetzt er mitunter umfangreiche Stücke, die er, nach jüdi- 
schem Brauche, einfach mit den Worten, »es sagen«, oder »es 
erklären die Weisen«^ einzuleiten pflegt, in der Regel ohne die 
Quelle genauer anzugeben. Aehnlich benützt er die verschie- 
denen Midrasch- Werke, namentlich den zu den Psalmen geschrie- 
benen Midrasch Schochar-tob;^ fast auf jede Seite beruft er 
sich wiederholt auf jüdische Bibelerklärer, auf Hai Gaon, Rabbi 
Salomo Jizchaki (Raschi), Ibn-Jachja,^ am häufigsten aber auf 
den »weisen Kimchi«,^ dessen Psalmencommentar, den er nicht 
selten wörtlich wiedergiebt, für ihn in der Regel massgebend 
ist. Zu den Namen dieser jüdischen Autoritäten pflegt er nach 
dem bekannten jüdischen Brauche hinzuzufügen: »Friede über 
ihn«, oder »Friede ruhe auf ihm!« 

Pechi entwickelte in diesem Buche auf dem gesammten 
Gebiete der jüdisch-theologischen Literatur eine Belesenheit 
und Sachkenntniss, die selbst einem damals lebenden gelehrten 

* Am Schlüsse der Anm. zu Ps. 119, 166: »Munsteri opere implevi;' 
vgl. noch die Anm. zu 27, 17. 

2 Nur ausnahmsweise nennt er sie die ^jüdischen Weisen." 

3 Den Schochar-tob pflegt er, ohne ihn als Quelle zu bezeichnen, 
,,als die Erklärung der Weisen* auch an solchen Stellen zu citiren, wo kein 
einziger jüdischer Gommentator ihn anfuhrt; ein Beweis, dass P6«hi speciell, 
diesen Midrasch selbstständig benützt hat. 



169 



Rabbiner zur Ehre gereichen würde. Andererseits aber zeigt 
er, eben weil er vollständig unter dem Einflüsse der jüdischen 
Literatur steht, in seiner Auffassung und Erklärung der 
Psalmen eine bemerkenswerthe UnSelbstständigkeit. .In der 
Regel acceptirt er die Ansicht irgend eines älteren jüdischen 
Bibelexegeten, oder er führt mehrere solcher Ansichten an, 
die er mit einander in Einklang zu bringen sucht; nicht selten 
bezeichnet er die eine oder die andere als die »wahrschein- 
lichere«, oder »geradere« und daher am annehmbarsten schei- 
nende. Eine selbstständige Meinung äussert er nur in einigen 
seltenen Fällen, wo er eine Psalmenstelle auf (Irund der damals 
gang und gäben naturwissenschaftlichen oder astronomischen 
Anschauungen zu erklären sucht. ^ 

Wie seinem altern Zeitgenossen Bogathi (ob. S. 80) ist 
Christus auch ihm kein Eigennamen, sondern einfach di;^ 
recipirte Uebersetzung des hebräischen maschiach, also 
»der Gesalbte« im allgemeinen. In diesem Sinne ist ihm aucli 
König David »Christus« und »Messias«, so wie Jeder, auf den 
er, den jüdischen Exegeten folgend, das Textwort »m a - 
schiach bezieht.^ Nur auf Jesus will er dieses Wort nicht 
angewendet wissen. 

Die Psalmen, welche die Kirche auf Jesus l)ozioht, erkUirt 
er sammt und sonders im Sinne der Juden, als auf König 
David, auf das Volk Israel, oder auf dessen einstigen Erlöser 
sich beziehend. Mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt er 
jene Stellen, in welchen die Kirche Hinweisungen auf Jesus 
Martertod und seine Göttlichkeit erblickt. Ohne sich je in eine 
directo Polemik einzulassen, sucht er alle diese Stellen so zu 
erklären, dass sie mit der christlichen Auffassung nichts gemein 
haben, ja dieser geradezu widersprechen.^ Bloss hie und da 
wagrt er es, einige christliche Bräuche mehr oder minder offen 
anzugreifen.* 

1 Vgl. besonder die Anmerkungen zu Ps. 104. 

« S. z. B. die erste und letzte Anm. zu Ps. 2. 

3 S. z. B. die Anmerkungen zu Ps. 2 und 22 ; vgl. die Anm. zu P:?. 
8, 16, 41, 45, 46, 72 u. s. w. 

* So Ps. 122, 4, wo er bemerkt, dass die Juden im Tempel zu Jerusalem 
, nicht dem Priester, überhaupt keinem Menschen, sondern nur dem einen Gott 
gebeichtet haben; ferner Ps. 95, 6: Jn der Bibel lesen wir von dem Erheben 
und Ausbreiten der Hände (während des Gebetes), aber von dem Falten der 



160 



ten, auf dem er früher jiur zagend und unsicheren Schrittes 
ging. Von jetzt ab verfolgt er unentwegt die von Eössi ange- 
gebene judaisirende Richtung, und führt diese so entschieden 
weiter, dass er sich vom Christenthume immer weiter entfernt 
und dem Judenthume immer mehr annähert. 

Der gestürzte Reichskanzler reisst das Sabbatharierthum 
mit sich auf die neue Bahn, die er nunmehr betritt, und wird 
so der eigentliche Begründer des Sabbatharierthums. Eössi 
hatte es verbreitet, war dessen Wikleff und Hussz, ohne gleich 
letzterem als Blutzeuge zu enden: Pechi war der Luther und 
Melanchthon des Sabbatharierthums, aber auch der Märtyrer 
desselben 

Während Pechi noch im Kerker sass, hatte der im Octo- 
ber 1622 in Bistritz abgehaltene Landtag neuerdings ein stren- 
ges Gesetz »gegen die dem Judaismus verstockt anhängenden 
Menschen« erlassen und deren Verfolgung angeordnet.^ Bald 
darauf war aber der Krieg zwischen Bethlen und Ferdinand 
von neuem ausgebrochen, und der Fürst war von den grossen 
politischen Plänen, die ihn beschäftigten, vollauf in Anspruch 
genommen. Der Landtagsbeschluss blieb unausgeführt. Von da 
ab, bis zu dem am 15. November 1629 erfolgten Tode Gabriel 
Bethlens, wurde nicht einmal der Versuch gemacht, gegen die 
geächteten Judenzer einzuschreiten. 

Auch unter Georg Rdköczi, dem Nachfolger Bethlens, 
blieben die Sabbatharier noch fünf Jahre hindurch vollständig un- 
behelligt. Räköczi hatte am Anfange seiner Regierung alle Hände 
voll zu thun, seinen Fürsten thron gegen innere und äussere Feinde 
zu vertheidigen, und seine Stellung zu sichern und zu befes- 
tigen. So kam es, dass er die Judenzer, die- er später mit so 
grausamer Härte zu unterdrücken suchte, bis zum Jahre 1635 
gar nicht zu beachten schien. 

Zu diesen, dem Sabbatharierthum günstigen, äussern Ver- 
hältnissen kam ein Ereigniss, das zwar noch während Pechis 
Gefangenschaft stattfand, aber wahrscheinlich schon von ihm 
vorbereitet war. 

Bethlen hatte nämlich, »um das durch viele Kriege und 
die Einbrüche fremder Völker ausgesogene und verwüstete Land 
durch die Einwanderung verschiedener Völker zu restauriren«, 

1 Monum. Gomit. VJII. S. 108. 



161 

erst den aus Mähren vertriebenen Anabaptisten Zuflucht gewährt, 
und bald darauf auch den bis dahin von Siebenbürgen ausge- 
schlossenen Juden sein Land eröffnet. Den letzteren ertheilte 
er »über Intervention des jüdischen Arztes in Konstantinopel, 
des hochgeborenen Abraham Sasa«, am 18. Juni 1623 gewisse 
Privilegien, welche durch den Landtag, sowie durch die spä- 
teren Fürsten wiederholt bestätigt wurden. ^ Den einwandernden 
Juden wurde der Schutz des Fürsten, freier Handel mit der 
Türkei und freie Religionsübung zugesichert, letztere auch 
den zur Taufe gezwungenen Scheinchristen oder Ma rannen, 
die »aus Spanien oder aus anderen Orten einwandern und 
wünschen sollten, nach ihrem Glauben zu leben. «^ 

Die auf Grund dieses Privilegienbriefes einwandernden 
türkischen Juden, die sich zumeist in Klausenburg niederliessen, 
waren sogenannte S e p h a r d i m, d. h. solche, die den spanischen 
Ritus befolgten, zum grossen Theile Nachkommen der 1492 
aus Spanien vertriebenen Juden, die in der Türkei gastfreund- 
liche Aufnahme gefunden hatten, und jetzt in Siebenbürgen 
eine neue Heimath suchten. Dieser Umstand sollte dem Sabba- 
tharierthum in nicht geringem Masse zu Gute kommen. 

Die Sephardim repräsentirten nämlich, in gewissem 
Sinne, eine Art jüdischer Aristokratie. Im Besitze alter und ruhm- 

* S. Die Actenstücke in Monum. Goniit. VIII. S. 143 und 371. D. Henrique 
de Gastro, Auswahl v. Grabsteinen auf d. niederl. — portugies. — Israel. — 
Begräbniss zu Ouderkerk a. d. Amstel, Leyden, 1883. S. 83 hat die Grabschrift 
.Clarissimi viri Abraham Gomes de Sossa." Dieser im J. 1667 als Leibarzt 
des Prinzen Ferdinand, Statthalters der Niederlande in Amsterdam verstorbene 
Abraham Sossa dürfte mit dem obenerwähnten Arzte, dem „hochgeborenen 
Abraham Sassa* identisch sein, der später nach Amsterdam ausgewandert sein 
mag, was bei den häufigen und engen Relationen zwischen den dortigen und 
den Konstantinopler Sephardim gar nicht unwahrscheinlich ist. 

• Nach dem 6. Punkte des Privilegienbriefes, der den einwandernden 
Juden freie Rehgionsübung zusichert, folgt als 6. Punkt: „Si qui Judaeorum in 
diüonibus Ghristianis degentium ex H i s p a n i i s, aut aliis e locis in regnum 
nostrum commigrare illorumque professionem imbibere voluerint, 
liberum id securumque eisdem facturum poUicemur." Diese wiederholte 
Zusicherung der freien Religionsübung kann sich, namentlich in dieser Fassung, 
nur auf Marannen beziehen, die etwa einwandern sollten. Diese, zumeist aus 
Spanien stammenden Scheinchristen durfte damals, mit Ausnahme Hollands und 
der Türkei, bei schwerer Strafe, nirgends offen zum Judenthum zurückkehren, 
bas der Grund, weshalb ihnen besonders zugesichert wird, dass sie ,die Reli- 
Ijion der Juden frei und in Sicherheit" werden befolgen dürfen. 

Dr Kohn: Sabbatharier. ^^ 



1 



162 



voller Traditionen, konnten sie sich auf eine grössere und glän 
zendere Verganganheit berufen als die übrigen, namentlich die 
aschkenasischen, d. h. den deutschen Ritus befolgen- 
den Juden, die sie zudem noch an allgemeiner Bildung, aber 
auch an jüdisch religiösem Wissen überragten. Und sie waren 
stolz darauf. Ihr sicheres, selbstbewusstes Auftreten, die alt- 
spanische Grandezza, die sie sich zu bewahren wussten, ihre 
vornehmen Umgangsformen und ihre gewähltere Tracht zeich- 
neten sie vortheilhaft von den meisten ihrer übrigen Glaubens- 
genossen aus. Ihre gesellschaftliche Stellung war, namentlich 
in der Türkei, eine verhältnissmässig günstige. Es gab unter 
ihnen Kaufleute, die an der Spitze grossangelegter Handels- 
unternehmungen standen, hohe Staatsbeamte und sonstige bei 
der Pforte einflussreiche Männer, endlich aber in hoher Achtung 
stehende Aerzte, denen selbst der Sultan und seine Paschas 
Gesundheit und Leben anzuvertrauen pflegten. 

Nach Siebenbürgen waren sie nur unter der von Bethlen 
angenommenen Bedingung gekommen, dass sie nicht zum 
Tragen eines wie immer gearteten Judenabzeichens verhalten 
werden dürfen, sondern überallhin in der »Tracht der Christen« 
gehen können.^ »Ihr Arzt«, denn sie hatten einen solchen 
mitgebracht, erhielt die Vergünstigung, im ganzen Lande 
unbehelligt reisen und seine Kunst ausüben zu dürfen.^ Jener 
»Judendoctor Riberius", von dem sich Bethlen in seiner letzten 
Krankheit behandeln Hess, 3 dürfte kaun\ ein anderer, als der 
in Rede stehende Arzt der eingewanderten Juden sein. Ausser 
diesem Riberius begegnen wir, als Zeitgenossen Pechis, noch 
drei anderen jüdischen Aerzten am Hofe der siebenbürgischen 
Fürsten.* 

^ Des Privilegienbriefes 7. Puntt. 

« Das. 11. Punkt. 

« Johann K e m e n y, Selbstbiographie S. 138. Riberius scheint die 
Latinisirung von Riberio, vielleicht von Ribeira zu sein. 

* Diese jüdischenj Aerzte sind: Der zum Fürsten Bocskai berufene 
Eleasar (s. ob. S. 137); der gelehrte Leon (Arje-Jehuda) Siaa, mit dem 
ürkischen Namen N a s r e d-d i n T a b i b den Georg Räköczi I. um 1639 aus 
Konstantinopel berief, der später, als Leibarzt dieses Fürsten, zum Ghristenthume 
übertrat (s. Kay serling, Revue des etudes juives VIR. S. 85), und endlich der 
jüdische Leibarzt Sinan Paschas, den der wallachische Wojwode Michael gefangen 
nahm und, obwohl er 45000 Theler als Lösegeld anbot, um 1601 dem Fürsten 
Sigmund Bäthori »als Geschenk zuschickte.* Bezüglich des Letzteren, dessen 
Namen wir nicht kennen, s. Schwarzfeld, Annuar pentru Israeliti ES. S. 82- 



163 



Solche Juden, die noch dazu vom Fürsten selber ins 
Land gerufen wurden, »um es zu restauriren«, mussten mit 
^anz andern Augen angesehen werden, als ihre seit Jahr- 
hunderten schwer bedrückten und vielverachteten Glaubens- 
genossen in den verschiedenen Nachbarländern. Der biedere 
Szekler, namentlich der Bauer, der jetzt wahrscheinlich zum 
erstenmale einen Juden sah, konnte es durchaus nicht für 
beschämend halten »Judenzer« genannt zu werden. Der ein- 
srewanderte türkisch-jüdische Kaufmann, oder der an das 
Krankenbett des Fürsten berufene »Judendoctor« stand gesell- 
schaftlich und geistig hoch über ihm. Was Wunder, dass er 
bereitwillig seinen Lehrmeister in ihm erkannte, zumal, wonn 
ihm der Jude, wie es von Seiten des Sabbatharierthums geschah, 
als solcher hingestellt wurde. 

Unter solchen Umständen haben die eingewanderten tür- 
kischen Juden einen entscheidenden Einfluss auf das religiöse 
und geistige Leben des Sabbatharierthums geübt. Von ihnen über- 
nahm es den spanisch-jüdischen (sephardischen) Ritus, welchen 
es bis ans Ende festgehalten hat; von ihnen das Schriftthum, 
(las von jetzt ab den Ausgangspunkt seines eigenen bildete. 
Die siebenbürgischen Judenzer hatten es nicht mehr nöthig, 
sich einen jüdischen Kalender mit vieler Mühe und grossen 
Kosten aus Konstantinopel bringen zu lassen. Sie brauchten 
sich jetzt blos an ihre neuen jüdischen Nachbarn zu wenden, 
um mit Leichtigkeit zu den wichtigsten jüdischen Schrift- 
werken zu gelangen. Wie wir sehen werden, haben sie diese 
gute Gelegenheit auch eifrig und mit Erfolg benützt. 



Pechis geheime Thätigkeit im Dienste des 
Sabbatharierthums. Seine Uebersetzung und 

Erklärung der Psalmen. 

V 

Die erste, gleichsam vorbereitende Periode in der Geschichte 
des Sabbatharierthums schliesst, indem sich die Kerkerthüren 
öffnen, hinter welchen Pechi dreieinhalb Jahre geschmachtet 
hatte, und es beginnt die zweite, ihrer Zeitdauer nach kürzeste, 
ihrem Inhalte und ihren Folgen nach wichtigste Periode dieser 
^ieschichte, die fast ausschliesslich von dem ferneren Leben 
und Wirken dieses Mannes ausgefüllt wird. Neben seiner her- 

11* 



164 



vorragenden, in ihrer Eigenart grossen Gestalt, verschwinden 
alle übrigen, die im Sabbatharierthum dieser Zeit noch eine 
Rolle spielen. Die neue Religion hat ihre kurze Blüthezeit 
einzig und allein ihm zu verdanken; er allein schafft die feste 
Grundlage, auf welcher sie, allen Unterdrückungen und Ver- 
folgungen trotzend, sich noch zweieinhalb Jahrhunderte und, in 
einigen kümmerlichen Ueberresten, sogar bis zum heutigen Tage 
erhalten konnte. 

Pechi hat, sowie er seine Freiheit wiedererlangte, die 
Sache des Sabbatharierthums mit Eifer aufgegriffen. In seinem 
Dorfe internirt und von der Welt abgeschlossen, weihte er 
ihr seine von politischen Geschäften nicht mehr in Anspruch 
genommene Zeit, und stellte seine frei gewordene Kraft fast 
ausschliesslich in den Dienst seiner religiösen Bestrebungen. 
Doch musste er zunächst noch mit einer gewissen Behutsamkeit 
vorgehen; er durfte es noch nicht wagen, öffentlich als Apostel 
des Sabbatharierthums aufzutreten. 

Zu dieser vorsichtigen Zurückhaltung bestimmten ihn 
wichtige Umstände und Rücksichten. Der vordem reiche Mann 
lebte in beschränkten, fast ärmlichen Verhältnissen. Seine ver- 
storbene Frau hatte ihm sechs, vielleicht noch mehr Kinder 
zurückgelassen, von welchen, als er aus der Gefangenschaft 
nachhause kam, das älteste fünfzehn, das jüngste kaum vier 
Jahre alt sein mochte.^ Zu ihrer Erhaltung, Erziehung und Ver- 
sorgung besass er weiter nichts, als das Erträgniss des Szent- 
Erzsebeter Besitzes, und auch das hatte er der Gnade Bethlens 
zu verdanken. Dieser hegte aber noch immer bittern Groll 
gegen seinen einstigen Kanzler. Wohl erwies er den Kindern 
desselben gerade jetzt manche Gnade; Pechis zweite Tochter, 
Elisabeth, ernannte er sogar zum dienstthuenden Hoffräulein 

1 Pechi heirathete i. J. 1608, seine Frau, Judith, starb am 19. Januar 
1621 (ob. S. 142), u. z. im Wochenbette. Das acht Tage vor ihrem Tode gebo- 
rene Kind blieb am Leben, war daher im November 1624, als Pechi seine 
Freiheit erlangte, noch nicht ganz vier Jahre alt; s. Radecz, Funebris laudatio 
u. s. w. S. 19 und 23. Judith hinterliess zum mindesten zwei Söhne, denn 
der an ihrer Bahre gehaltene Nachruf (Radecz, a. a. O. S. 22) hebt ,duni 
extinctae matris teneras hasce filias, dum parvos ipsius filios* hervor. Einer 
derselben erhielt, nach dem testamentarischen Berichte Orbäns, in seinem 18. 
Lebensjahre von einem scheu gewordenen Pferde einen tödtlichen Hufschlag. 
Ausserdem kennen wir noch vier ältere Tochter Pechis, von welcher später 
die Rede sein wird. 



165 

■ 

der Fürstin, und bedachte sie nachmals in seinem Testamente 
mit einem beträchtlichen Legate.^ Das geschah aber oflenbar 
nur aus Rücksicht auf die angesehene Familie der Kornis, 
der diese Kinder mütterlicherseits entstammten, namentlich 
über Verwendung der Stiefgrossmutter derselben, der auch 
ihm verwandten Christina Bethlen. Gegen Pechi selber blieb 
er unerbittlich. Der misstrauische Fürst hatte seinem einstma- 
ligen^ Günstling nie verzeihen können, und dieser hatte gegrün- 
dete Ursache nichts zu thun, was den Unversöhnlichen, dessen 
Grimm er schon einmal schwer fühlen musste, von neuem 
hätte reizen können. 

So hat sich denn Pechi bis zum Tode Bethlens, also noch 
fünf Jahre lang, wohlweislich gehütet, öffentlich als Judenzer 
aufzutreten. Er beschränkte sich darauf, die Sache des Sabba- 
tharierthums möglichst geräuschlos, dafür al)er um so eifriger 
und hingebender zu fördern. 

Eine seiner ersten Sorgen war die Anlegung einer jüdi- 
schen Bibliothek. Einen Theil derselben mag er noch in den 
Tagen seines Glückes angeschafft haben ;2 seine meisten heb- 
räischen Bücher erwarb er aber erst jetzt, zum Theil vielleicht 
nur leihweise, von den mittlerweile eingewanderten türkischen 
Juden. Diese für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich reich- 
haltige Bibliothek umfasste. wie sich aus den von Pechi benutz- 
ten und angeführten Büchern ergibt, neben Bibeln und den ver- 
K^chiedenen Bibelübersetzungen, die meisten namhafteren p]rzeug 
nisse der Talmud- und Midrasch-, sowie der späteren rabbinischen 
Literatur. Sie ist, als Pechi später wegen Judenzerei der Pro- 
zess gemacht wurde, zum grossen Theil confiscirt worden; der 
Rest wurde seinen Erben von plündernden Soldaten geraubt.* 

* Joseph K o n c z, Bethlen Gabor fejedelem vegrendelete (Das Testament 
d. Fürsten G. Bethlen) S. 77. Ausserdem erhielt Elisabeth und ihr jüngerer 
Bruder drei von den confiscirten Gütern ihres Vaters (Koncz das.) Später verlobte 
sie Bethlen mit Gabriel Mindszenti, einem seiner Getreuen, mit welchem sie 
nach Bethlens Tode, von dessen Witwe Katharine von Brandenburg, im Fürsten- 
palaste standesgemäss vermalt wurde. Die zu ihrer Hochzeit im Namen der 
Fürstin Witwe ausgegebene . Einladung s. bei Alexander S z i 1 a g y i, Sz6kely- 
egyleti kepes naptär (lUustrirter Kalender des Szekler-Vereins) II. Jahrg. (1883^ S. 80. 

« Es sei nur an den jüdischen Kalender erinnert, den Pechi aus Konstan- 
tinopel, so wie an das Buch des Avitus, das er aus Wittenberg kommen liess, 
K ob. S. 154 flg. 

* Unter den gelegentlich derDe6ser Gerichtsverhandlung confiscirten sabbatlia- 
lischen Büchern befanden sich unzweifelhaft auch die Pechis ; das noch vorhan- 



166 



Mit den nöthigen wissenschaftlichen Behelfen reichlich 
versehen, ging nun Pechi unverweilt ans Werk und begann 
ganz allein, jene eigenartige, ihrem Inhalte und Umfange nach 
gleich bedeutende Literatur zu schaffen, welcher das Sabbatha- 
rierthum in Siebenbürgen sein Aufblühen, seine einheitliche 
Liturgie und die Bedingungen seines mehrhundertjährigen 
Bestandes verdankte. In der Zeit zwischen seiner Befreiuncf 
aus dem Kerker und dem Tode Bethlens (Ende 1624 bis 
November 1629) entstand, unter anderem, Pechis in wissen- 
schaftlicher Beziehung bedeutendstes Werk : die U e b e r- 
setzung und Erklärung der Psalm en.«i 

Von diesen Psalmen, die während der Blüthezeit des 
Sabbatharierthums in zahlreichen Abschriften cursirten und 
während der häuslichen Andacht, sowie als Erbauungsbuch, viel 
gelesen wurden,^ hat sich nur ein einziges vollständiges Exem- 
plar erhalten, das aber zum grösseren Theile von Pechis 
eigener Hand geschrieben ist, welche auch die übrigen Theile 
sorgfältig corrigirt hat.^ Einzelne Psalmen, die das sabbatha- 

dene Verzeichniss seiner damals mit Beschlag belegten beweglichen Gütei 
s. Tört. Tär 1887. S. 713) dürfte wahrscheinlich auch die Liste seiner Bücher 
enthalten. Ein Theil seiner Bibliothek, darunter auch sein oben (S. 133) erwähnte?^ 
Tagebuch, gelangte später in den Besitz seines Urenkels, des Baron Alexius 
Orbän, dem diese «kostbaren Bücher/ nach seinen mehrfach erwähnten testa- 
mentarischen Aufzeichnungen, «zur Zeit der Räköczy-Revolution von dem General 
Graven aus der Kirche von György-Szent-Miklös geraubt wurden." 

^ Aus dem weiter unten mitgetheilten Titelblatt ergibt sich, dass mit der 
Abschrift des betreffenden Exemplars am 23. September 1629 begonnen 
wurde. Pechis Psalmen waren also damals bereits vollendet. Anderseits dankt 
Pechi in einer Anmerkung zu Psalm 107, 31 „dem Gotte Jacobs, der — so sagt 
er — mich aus meinem Gefängnis s, aus meiner dreieinhalb- 
jährigen Kerkerhaft befreit hat." Daraus folgt, dass Pechi erst nach 
seiner Befreiung, also nach dem Novemb. 1624, seine Psalmen schrieb, die 
demnach zwischen 1625 und 1629 entstanden sind. Dass noch mehrere andere 
Schriften Pöchis, deren Entstehungszeit sich nicht feststellen lässt, zwischen 
1624 und 1629 verfasst worden sind, ist gewiss. Die zahlreichen, zum Theil sehr 
umfangreichen Werke, die wir ausser den Psalmen von P6chi besitzen, können 
unmöglich alle erst nach 1629 geschrieben worden sind. 

* In einem Trostschreiben, das Pechi an seine schwer erkrankte Tochter 
richtet, ermahnt er sie, Gott um Hilfe anzuflehen und aus seiner Psalmenüber- 
setzung die vier Psalmen 38—41 zu lesen ; s. den Brief, Protest. Egyh. es Isk. 
Lap 1880. S. 269. 

3 Die in der Bibliothek des unitarischen Obergymnasiums zu Szekely- 
Keresztür befindliche Handschrift ist mir in entgegenkommendster Weise zur 



167 



rische Gebetbuch aufgenommen hat, finden sich in jedem 
Exemplare desselben. 

Die Uebersetzung hat sich die möglichst treue Wieder- 
gabe des hebräischen Textes zur Aufgabe gesteUt, verräth aber 
dabei ein feines Gefühl für die Schönheiten desselben, auf 
welche in den Anmerkungen nicht selten aufmerksam gemacht 
wird.^ In dem kernigen Szekler Magyarisch vom Anfang des 
XVII. Jahrhunderts findet sie in der Regel den entsprechenden 
Ausdruck für den Geist und den Gedankengang der Psalmen, 
am treßendsten an jenen Stellen, in welchen Siegesjubel oder 
Verzweiflung laut wird, oder Drohungen und Verwünschungen 
grollen. Pechi hat bei den leidenschaftlichen Ausbrüchen des 
Psalmendichters, die sich gegen Ammon, Moab, Babel und die 
übrigen Heiden kehren, welche Israel bedrängen und zer- 
fleischen, offenbar an die »Ungläubigen« gedacht, welche das 
Sabbatharierthum unterdrücken und verfolgen, und ihm selber 
so bitter wehe gethan haben. Den weichen, innigen Ton der 
Andacht, des Dankes und der Seelenfreude vermag er weniger 
zu treffen. 

Ungleich interessanter und wichtiger als die Uebersetzung 
sind die oft umfangreichen Anmerkungen, welche sie, in klei- 
nerer Schrift, in der Regel gleich einem Rahmen umgeben. 

Diese Anmerkungen suchen vor allem festzust(»llen, wann, 
durch wen und aus welchem Anlasse die einzelnen Psalmen 
geschrieben wurden, was ihr Inhalt ist und welche Tendenz 

Benützung überlassen worden. Der erste, grössere Theil derselb en zeij^t Peclii.s 
aus zahb'eichen Briefen und sonstigen Schriften wohlbekannte, cliuiacteristische 
Schrift und in den Anmerkungen, die oft hebräische Worte und S.Uze enthalten, 
mit schneller und sicherer Hand geschriebene hebräische Quadratbuchstaben. 
Das Titelblatt, des gleich dem letzten Theile der Handschrift von dem Copisten 
Ptehis, Johannes Beth herrührt, lautet vollständig : 

„Psalterium cum ezplicaüonibus vocum non cujiibet obviarum ex Hebraica 
Veritate Hungarice translatum per Magnif. D. Simonem Pechium" 

,Initium describendi sumpsi cum Anni praesentis Millesimi vc. (= videlicetj 
sexcentesimi vigesimi noni secundum numerationem Christianorum Mensis 
Septembr. 23. die, sequenti sei. (= sei licet) die sol. post Jejuniam Godolia** 
(bekanntlich ein Fasttag, der unmittelbar auf des jüd. Neujahrsfest folgt.) 

.Laos Deo semper et ubique 
et dicat eis {= omnis) populus Amen.*" 

Am Sdilusse der Handschrift: ,S.P. Translator' darunter .Finivit J. B.* 
((L b. loannes Beth.) 

*■ S. z. B. die Anm. zum Anfange der Psalmen 104 und 145. 



168 



sie verfolgen. Sodann erklären sie die grammatischen For- 
men des hebräischen Urtextes, weisen auf sachliche und 
sprachliche Schwierigkeiten hin und versuchen deren Lösung. 
Sie rechtfertigen die Treue der Uebersetzung und die Rich- 
tigkeit der Auflassung, die in ihr zum Ausdruck gelangt; sie 
polemisiren, ertheilen gute Rathschläge und moralische Lehren, 
ermahnen und tadeln, und das alles in der Sprache tiefinniger 
Gläubigkeit und unerschütterlicher Ueberzeugung. 

Diese Anmerkungen, die eine Fülle linguistischer, cultur- 
und religionsgeschichtlicher Notizen enthalten, zeigen den 
bedeutenden wissenschaftlichen Apparat, mit welchem Pechi 
gearbeitet hat. Er beruft sich in ihnen auf die Bücher des 
Alten und des Neuen Testamentes, auf die alten chaldäischen 
Bibelübersetzungen (Targumim), auf die Vulgata und auf Jose- 
phus, auf Sebastian Münster, dessen Psalmencommentar er 
mitunter benutzt,^ am häufigsten aber auf die nachbiblische 
jüdische Literatur. Aus dem Talmud, den er häufig citirt, 
übersetzt er mitunter umfangreiche Stücke, die er, nach jüdi- 
schem Brauche, einfach mit den Worten, »es sagen«, oder »es 
erklären die Weisen« ^ einzuleiten pflegt, in der Regel ohne die 
Quelle genauer anzugeben. Aehnlich benützt er die verschie- 
denen Midrasch-Werke, namentlich den zu den Psalmen geschrie- 
benen Midrasch Schochar-tob;* fast auf jede Seite beruft er 
sich wiederholt auf jüdische Bibelerklärer, auf Hai Gaon, Rabbi 
Salomo Jizchaki (Raschi), Ibn-Jachja,i am häufigsten aber auf 
den »weisen Kimchi«,^ dessen Psalmencommentar, den er nicht 
selten w(')rtlich wiedergiebt, für ihn in der Regel massgebend 
ist. Zu den Namen dieser jüdischen Autoritäten pflegt er nach 
dem bekannten jüdischen Brauche hinzuzufügen: »Friede über 
ihn«, oder »Friede ruhe auf ihm!« • 

Pechi entwickelte in diesem Buche auf dem gesammten 
Gebiete der jüdisch-theologischen Literatur eine Belesenheit 
und Sachkenntniss, die selbst einem damals lebenden gelehrten 

1 Am Schlüsse der Anrn. zu Ps. 119, 166: „Munsteri opere implevi;* 
vgl. noch die Anm. zu 27, 17. 

2 Nur ausnahmsweise nennt er sie die Jüdischen Weisen.* 

3 Den Schochar-tob pflegt er, ohne ihn als Quelle zu bezeichnen, 
„als die Erklärung der Weisen" auch an solchen Stellen zu citiren, wo kein 
einziger jüdischer Gommentator ihn anführt; ein Beweis, dass P6ehi speciell, 
diesen Midrasch selbstständig benützt hat. 



169 



Rabbiner zur Ehre gereichen würde. Andererseits aber zeigt 
er, eben weil er vollständig unter dem Einflüsse der jüdischen 
Literatur steht, in seiner Auffassung und Erklärung der 
Psalmen eine bemerkenswerthe Unselbstständigkeit. .In der 
Regel acceptirt er die Ansicht irgend eines älteren jüdischen 
Bibelexegeten, oder er führt mehrere solcher Ansichten an, 
die er mit einander in Einklang zu bringen sucht; nicht selten 
bezeichnet er die eine oder die andere als die »wahrschein- 
lichere«, oder »geradere« und daher am annehmbarsten schei- 
nende. Eine selbstständige Meinung äussert er nur in einigen 
seltenen Fällen, wo er eine Psalmenstolle auf (irund der damals 
gang und gäben naturwissenschaftlichen oder astronomischen 
Anschauungen zu erklären sucht.^ 

Wie seinem altern Zeitgenossen Bogäthi (ob. S. 80) ist 
Christus auch ihm kein Eigennamen, sondern einfach di;^ 
recipirte Uebersetzung des hebräischen m a s c h i a c h, also 
»der Gesalbte« im allgemeinen. In diesem Sinne ist ihm auch 
König David »Christus« und »Messias«, so wie Jeder, auf den 
er, den jüdischen Exegeten folgend, das Texlwort »ma- 
schiach bezieht.^ Nur auf Jesus will er dieses Wort nicht 
angewendet wissen. 

Die Psalmen, welche die Kirche auf Jesus bezieht, erklärt 
er sammt und sonders im Sinne der Juden, als auf König 
David, auf das Volk Israel, oder auf dessen einstigen Erlöser 
sich beziehend. Mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt er 
jene Stellen, in welchen die Kirche Hinweisungen auf Jesus 
Martertod und seine Göttlichkeit erblickt. Ohne sich je in eine 
directo Polemik einzulassen, sucht er alle diese Stellen so zu 
erklären, dass sie mit der christlichen Auffassung nichts gemein 
haben, ja dieser geradezu widersprechen.^ Bloss hie und da 
wagt er es, einige christliche Bräuche mehr oder minder offen 
anzugreifen.* 

1 Vgl. besonder die Anmerkungen zu Ps. 104. 

* S. z. B. die erste und letzte Anm. zu Ps. 2. 

3 S. z. B. die Anmerkungen zu Ps. 2 und 22 ; vgl. die Anm. zu P.-. 
8, 16, 41, 45, 46, 72 u. s. w. 

* So Ps. 122, 4, wo er bemerkt, dass die Juden im Tempel zu Jerusalem 
, nicht dem Priester, überhaupt keinem Menschen, sondern nur dem einen Gott 
gebeichtet haben; ferner Ps. 95, 6: Jn der Bibel lesen wir von dem Erheben 
und Ausbreiten der Hände (während des Gebetes), aber von dem Falten der 



170 



Im Gegensatz hiezu sucht und benutzt er jede Gelegen- 
heit, die Juden und ihre Religion zu glorificiren^ und jüdisch" 
religiöse Anschauungen und Bräuche zu lehren und zu empfehlen. 

So theilt er z. B. die Psalmen in sieben Theile, von welchen 
»nach üblichem Brauche« — bekanntlich ist es ein jüdischer — 
je einer an jedem Tage der Woche zu lesen ist.* Zum 81 
Psalm bemerkt er, dass derselbe »für das Neujahr ist, welches 
am Neumond des Tischri beginnt und auch Fest des Posau- 
nenschalls und der Erinnerung ist. Im Anschlüsse 
daran bespricht er weitläufig die Bedeutung des jüdischen 
Neujahrsfestes und behauptet schliesslich, dass »das Neujahr 
nach dem Gange Mer Natur und nach der Veränderung und 
Constellation der Sterne und Planeten an diesem Tage beginnt,« 
an welchem auch für das nächste Jahr die Geschicke der 
Länder, Völker und Menschen festgestellt werden.* In einer 
Anmerkung zum 10. Vers des 145. Psalms empfiehlt er aufs 
eindringlichste die verschiedenen jüdischen Benedictionen beim 
Genüsse von Speisen, Getränken, Früchten und Wohlgerüchen « 
Zu Psalm 137 Vers 4 bespricht er die »Psalmen des Tagesn 
und bezeichnet,f'genau dem jüdischen Brauche folgend, welche 
Psalmen »man noch heute am Schlüsse des Gebetes sagt, jeden 
an seinem bestimmten Tage in der Woche.« Bei Psalmen, welche 
an jüdischen Fast- und Festtagen gebetet werden, pflegt er diesen 
Umstand regelmässig zu vermerken,* so wie er auch, und zwar 
dem sephardischen Ritus folgend, vom 121. Psalm hervorhebt 
dass derselbe Leuten, die eine Reise antreten, zum sechs- 
maligen ^ Hersagen »besonders recommandiret wird.« 

Die Psalmen Pechis sind ein durch und durch jüdisches 
Buch, das zur Verbreitung jüdischen Geistes unter den Sabba- 
thariern sicherlich viel beigetragen hat. 

Während Pechi der Sache des Sabbatharierthums mit 



Hände, wie sie es jetzt zu thun pflegen, indem sie beide Handflächen aneinander 
legen, steht nirgends etwas in der Schrift; ich weiss nicht, woher sie das 
genommen haben.** 

^ Mehrere solcher Stellen s. weiter unten. 

* S. die Anm. am Schlüsse des 29. Psalms. 

» Der gesammte Inhalt dieser Anm. findet sich bereits in einem ä llere 
sabbatharischen Neujahrsgesange, der daher wohlP^chi zugeschrieben werden darf. 

* S. die Anm. zu Ps. 81, 102, 113—119, 137. 

* In der H. S. heisst er irthümlich ; siebenmal (hetszer statt hatszor) 



171 



der Feder diente, war er gleichzeitig bemüht, ihr Gläubige 
zu gewinnen, beziehungsweise zu erziehen, ohne dabei die 
Vorsicht, die er damals noch beobachten musste, aus dem Auge 
zu verlieren. Seinen minorennen Kindern wusste er die Lehren 
des Sabbatharierthums so tief einzuprägen, dass sie, mit Aus- 
nahme seiner am Fürstenhofe aufgewachsenen und seinem 
Einflüsse entrückten Tochter Elisabeth (ob. S. 164), alle über- 
zeugungstreue Anhänger und später Märtyrer dieser Secte 
wurden. In demselben Sinne wirkte er auch im Kreise seiner 
weiteren Familie und seiner nächsten Umgebung. Die eifrigsten 
Anhänger der neuen Lehre, die einige Jahre später als Juden- 
zer verurtheilt wurden, sind aus der Kc^ihe seiner Schwäger- 
schaft, seiner Freunde und stuner Nachbarn hervorgegangen. 
Diese geräuschlose TluUii'keit P(''cliis sclioint "gänzlich 
unbemerkt geblieben zu sein. Nichts verrieth, dass der in 
seinem Dorfe internirte Mann nur auf ^ünst liefere Verhältnisse 
wartete, um die Fahne des Sabbalhariorlhums oiTen zu ent- 
rollen. Dieselbe vorsichtige Zur(ickhaUinii>' beobachteten auch 
seine Gesinnungsgenossen. Von der Ik^lVeiunG: Pechis bis zum 
Tode Bethlens haben die zeitgenössischen Quellen von Pechi 
und den Judenzern absolut nichts zu berichten. Es war, als ob 
das Sabbatharierthum zu existiren aufgehört hätte. 



Pechi als Apostel und Führer des Sabbatharier- 
thums. Seine literarische Thätigkeit. 

Die von Pechi und seinem Anhange beobachtete vorsich- 
tige Zurückhaltung währte bis zum Tode Gabriel Bethlens. 
Mit dem Ableben des Gefürchteten wagte sich das eingeschüch- 
terte Sabbatharierthum sofort wieder ans Tageslicht. 

Zwischen dem am 15. November 1629 erfolgten Tode 
Bethlens und der Erwählung Georg Räköczi I. lagen kaum 
dreizehn Monate, und letzterer wurde gleich bei seinem Regie- 
rungsantritt mit bitteren Klagen über die offenkundige Verbrei- 
tung des Sabbatharierthums bestürmt. Die geistlichen und 
weltlichen Vertreter der damals herrschenden calvinischen 
Kirche überreichten ihm eine Beschwerdeschrift, in welche r 
es unter anderem heisst : »Zu unserem grossen Herzleide hören 
wir tagtäglich von der neuerlichen Propagirungder 



172 



sabatharischen Secte, und sehen wie diese, gleich einem 
Krebsschaden, den ganzen udvarhelyer Stuhl inficirt. Ihr vor- 
züglichster Promotor und Fautor ist Herr Simon 
Pechi, welcher, wider verschiedene Artikel des Landesge- 
setzes, diese schädliche Secte nicht nur selber propagirt, 
sondern auch durch Andere für sie Propaganda 
machen lässt.^ 

Zu diesem plötzlichen entschiedenen Auftreten wurde 
Pechi durch den, ihm und der Sache des Sabbatharierthums 
gleich günstigen, Umschwung der Verhältnisse ermuthig^, der 
mit dem Tode Bethlens eingetreten war. 

Währenddem sich nämlich Katharina von Brandenburg, 
die Witwe des Verstorbenen, und Johann Bethlen, dessen Bruder, 
die Herrschaft gegenseitig streitig machten, hatte eine mäch- 
tige Partei Georg Raköczi zum Fürsten ausersehen. Jede der 
drei streitenden Parteien war eifrig bemüht, ihrer Sache Freunde 
und Anhänger, unter andern auch Pechi zu gewinnen. 

Denn I^echi war noch immer eine hochangesehene Per- 
sönlichkeit, dem Range nach einer der ersten unter den Grossen 
des Landes. Seit seiner Kanzlerschaft war er, mit nur noch 
sieben andern, im Besitze des höchsten Adelstitels, den damals 
nur die Landesstände, und zwar mittels eines besonderen 
Gesetzartikels, verleihen konnten. Und dieser Titel, dessen ihn 
selbst die Ungnade Bethlens nicht zu berauben vermochte, 
stellte ihn noch immer hoch über die ersten Würdenträger 
des Staates.2 Dazu kam, dsss er mit den angesehensten Fami- 
lien des Landes verschwägert war, und zahlreiche eifrige 
Anhänger besass. Darum suchte jeder der Thronbewerber Pechi 
und seinen Anhang für sich zu gewinnen, ja Katharina von 
Brandenburg verheirathete sogar eine seiner Töchter auf ihre 



1 S. das Actenstück Kereszt. Magvetö XVII. S. 107. 

* Ueber die damalige Bedeutung des Titels ,Nagysägos*, (wörtlich - 
Ew. Grösse, Magnificenz), seine Seltenheit und die Art und Weise seiner Ver: 
leihung s. K ö v ä r y, Erd61y nevezetesebb csalädai (Die vornehmeren Familien 
Siebenbürgens) S. 268 und Monum. Comit. X. 15. Diesen Titel behielt Pechi, 
auch nachdem er in Ungnade gefallen, bei, da eine gerichtUche Procedur, 
welche ihn dessen verlustig hätte machen können, gegen ihn nie eingeleitet 
wurde. Die im Folgenden erwähnte Einladung, welche die Fürstin Witwe zum 
Ho chzeits feste seiner Tochter ergehen liess, nennt die Braut »Tochter Sr. 
fagnificenz (Nagysägos) Simon Pechi." Vgl. Kereszt. Magvetö XVIII. S.41. 



178 



Kosten, und Hess die Einladungen zu der im Fürstenpalast 
abgehaltenen Hochzeit in ihren eigenen Namen ergehen.^ 

Unter solchen Umständen konnte von keiner Seite daran 
gedacht werden, die drückenden Bedingungen, unter welchen 
Pechi seine Begnadigung erlangt hatte, auch fernerhin aufrecht 
zu erhalten. Der fünf Jahre lang in Szent-Erzsebet internirt 
gewesene Mann erlangte sofort nach dem Tode Bethlens seine 
volle Freiheit wieder, »und begann — wie eine zeitgenössische 
Quelle berichtet — neuerdings obenauf zu kommen «2 

Unter den nach dem Ableben des Fürsten in Karlsburg 
versammelten Ständen wurde die stürmische Forderung laut, 
dassdievon Bethlen, ohne vorhergehenden Richterspruch, eigen- 
mächtig confiscirten Güterden früheren Besitzern ziirückgeiroben 
werden. Pechi machte sich diese Stimmung zunutze, indem 
er seine Rechte auf die Besitzthümer, die Bethlen ihm wegge- 
nommen und theils verschenkt, theils verkauft hatte, in ener- 
gischster Weise geltend machte. Er strengte eine ganze Reihe 
von zumeist langwierigen und harnäckig geführten Processen 
an, oder Hess sich, wo er Entgegenkommen fand, in Unterhand- 
lungen ein, die in der Regel zu einem für ihn günstigen Aus- 
gleich führten. So musste sich zum Beispiel Peter l)ethlen, der 
Neffe des verstorbenen Fürsten und Sohn des Thronpräten- 
denten Johann Bethlen, dazu verstehen, ihm drei grössere Güter 
und mehrere Grundstücke zurückzuerstatten, eine namhalte 
Summe baren Geldes zu bezahlen, ausserdem aber noch eine 
Urkunde auszustellen, durch welche er, für den Fall dass er 
kinderlos sterben sollte, Pechi noch andere werthvolle Besitzun- 
gen zusicherte.^ Aehnliche wenn auch geringere Erfolge hatte 
er auch anderweitig,* endlich aber erhob er auch Ansprüche auf 
niehrere von seiner verstorbenen Frau hinterlassene Besitz- 
thümer, was ebenfalls Veranlassung zu einem langwierigen 
Processe gab. Pechi war nämlich sofort nach Wiedererlangung 
seiner Freiheit eine zweite Ehe eingegangen, und zwar mit 
Katharina Barabasi, über deren Abstammung und Familie 



« Vgl. ob. S. 165. Anm. 1. 

' Johann Kem6ny, Selbstbiographie S. 403 und 409. 
1 Kereszt. Magvetö XIX. S. 853 und 355; vgl. Kövary, das. VI. S. 45. 
* Joseph Kem6ny, Notitia bist, diplom. I. S. 240 und Kövary a. a 
0., das. 



174 



nichts näheres bekannt ist.^ Ein Schwager seiner er.sten Frau 
focht nunmehr das Testament derselben an, auf welches Pechi 
seine Ansprüche gründete.^ 

Die zahlreichen Processe, die Pechi zu führen und, bei 
den verschiedenartigen Ausgleichen, die er eingegangen war, 
noch zu erwarten hatte, erklären wohl den Umstand, dass er 
seine älteste Tochter, Susanna, mit Franz Gäl v. Kenos ver- 
heiratete, »einem hinkenden, einseitig gewachsenen Manne, dem 
Simon Pechi nur deshalb seine Tochter gab, weil er ein berühm- 
ter Advocat und sehr grosser Jurist gewesen ist.«^ In diesem 
Schwiegersohn hat er auch thathsächlich einen eifrigen und 
rechtskundigen Berather und Vertreter gefunden, der später 
auch der Anwalt der hervorragenderen Sabbatharier war, die 
ihres Glaubens wegen vor den Schranken des Gerichtes zu 
erscheinen hatten. 

Der neuerdings zu einem namhaften Vermögen gelangte 
Pechi war wieder ein angesehener Mann geworden, der zu 
den Grossen des Landes zählte. Die Rücksichten und Besorg- 
nisse, welche so lange Gabriel Bethlen lebte, seine Thatkraft 
lähmten, waren geschwunden. Er hatte wieder eine ansehnliche 
Stellung errungen, in welcher er der Sache des Sabbatharier- 
hums, neben seinen Fähigkeiten und seinem Eifer, auch Geld, 
Verbindungen und Einfluss widmen konnte ; aber es gab für 
ihn mehr keine grosse politischen Ziele, oder staatsmännische 
Rücksichten, die ihn von seinen religiösen Bestrebungen abge- 
lenkt hätten. Ein öffentliches Amt hat er nie mehr bekleidet. Die 
kleinlichen Sorgen des Haushaltes hatte seme zweite Frau ihm 
abgenommen; die Wahrung seiner materiellen Interessen konnte 
er den verlässlichen Händen seines rechtskundigen Schwieger- 
sohnes überlassen. Er fühlte sich frei und sicher, ledig der 

* P6chis erste Frau starb kurz vor seiner Gefangennahme, Margit, seine 
Tochter aus zweiter Ehe, wurde am 23. März 1639 ,sehr jung" verheirathet 
(Szalardi, a. a. .S. 136), er musste daher sofort nach seiner Entlassung aus 
dem Kerker, Novemb. 1624, zum zweitenmal geheiratet haben. 

2 Kereszt. Magvetö XXIII. ö. 172. 

* Die testamentarische Aufzeichnung des Baron Orbän, der wir diese 
Notiz verdanken, nennt ihn irthümlich P6ter, der Name des Sohnes ist mit dem 
des Vaters verwechselt. Der berühmte Jurist, der Pechis Schwiegersohn wurde, 
hiess Franz, dessen Vater Peter Gal v. Kenos. S. Köväry, Erdely nevezetesebb 
csaladjai, S. 92. 



175 



Sorgen des Alltagslebens, und ging mit dem Aufgebote seiner 
ganzen Kraft an das Werk, das von jetzt ab die alleinige Auf- 
gabe seines Lebens bildet. Er begann das Sabbatharierthum 
in der ausgesprochen jüdischen Richtung weiter fortzuführen, 
die er seit seiner Enthaftung eingeschlagen hatte, nur dass er es 
jetzt offen, so zu sagen, vor den Augen des ganzen Landes that. 

Bald nach dem Ableben Bethlens finden wir ihn in Klau- 
senburg bei den mittlerweile eingewanderten türkischen Juden. 
Bei ihnen suchte und fand er offenbar die Unterweisungen und 
Belehrungen, welchen er seine eingehende Kenntniss der jüdi- 
schen religiösen Praxis, namentlich des sephardischen Ritus 
verdankte. Dass er von ihnen hebräische Bücher, wahrschein- 
lich kaufweise, erhielt, berichtet er selber.^ 

Seinen Herrenhof zu Szent-Erzsebet gestaltete er zu einem 
vollständig jüdischen Hause um. Am Sabbath, den er selber 
strenge beobachtete, Hess er auch sein Gesinde ruhen. Die jüdi- 
schen Festtage feierte er genau nach den entsprechenden Vor- 
schriften, das Passahfest mit den üblichen ungesäuerten Broden. 
Die in der Bibel als unrein bezeichneten Thiere durften nicht 
in seine Küche kommen, und seinen Tisch regelte er nach 
den mosaischen Speisegesetzen. Alle diese jüdischrreligiösen 
Uebungen machte er auch seinen Hausgenossen zur Pflicht.^ Um 
seine Kinder in sabbatharischem Geiste zu erziehen, wahrschein- 
lich auch zur Leitung des sabbatharischen Gottesdienstes, hielt 
er, nach der in den damaligen Adelsschlössern üblichen Sitte, 
in seinem Herrenhofe einen Hausgeistlichen und stellte als 
solchen Michael Szentmiklösi, einen theologisch gebildeten, 
eifrigen Sabbatharier an,' was darauf schliessen lässt, dass er 
in seinem Herrenhofe einen sabbatharischen Betsaal, etwa nach 
Art der Schlosskapellen, eingerichtet hat. 

Wie in seinem Hause, ging er auch in seinem Wohnorte 
Szent-Erzsebet vor, dessen Liegenschaften zum grössten Theile 
ihm gehörten. Er entfernte den unitarischen Geistlichen, sowie 
den unitarischen Schulmeister des Ortes, und setzte Sabbatha- 
rier an deren Stelle, was er umso leichter durchzuführen ver- 
mochte, als die meisten dortigen Unitarier es nur dem Namen 

* S. Pechis Vorwort zu seiner weiter unten besprochenen Uebersetzung 
^'on Chajuns Mille d'o v o l h. 

* S. die Zeugenaussagen gegen Pechi, Monum. Gomit. X. S. 185 — 9. 
» B e n k ö, Transsilvania IT. S. 242—3. 



176 



nach, thatsächlich aber Sabbatharier waren. In einem, »aus 
Steinen gebauten,« also bessern Hause am Ende des Dorfes 
richtete er eine Synagoge ein, in welcher er allsabbatlich 
Gottesdienst abhalten und die betreffenden Abschnitte aus dem 
Pentateuch verlesen liess.^ Ausserdem errichtete er daselbst 
auch eine Schule, in welcher er, um sie zu einer echten, 
selbstverständlich sabbatharischen Missionsschule zu machen 
i)Alle, die da kamen, welcher Religion immer sie angehören 
mochten, gleichmässig unterrichten liess.«^ 

In der damals unitarischeri, gegenwärtig reformirten Kirche 
zu Szent-Erzsebet wurde noch vor wenigen Jahrzehnten eine 
kleine, gewölbte Nische gezeigt, in welcher Simon Pechi und 
die übrigen Judenzer ein auf Pergament geschriebenes Exemplar 
der fünf Bücher Moses, also eine Thora-RoUe, aufbewahrt haben 
sollen.8 Diese Tradition erscheint umso glaubwürdiger, als 
ähnliche Nischen zum Aufbewahren der Thora-Rollen bekannt- 
lich auch in den Synagogen üblich sind, und die Sabbatharier, 
wo sie unter den Unitariern, zu welchen sie äusserlich gehör- 
ten, die Mehrheit bildeten, die unitarischen Kirchen auch ander- 
weitig mit Beschlag belegten. So geschah es zum Beispiel in 
Bözöd-Ujfalu, das unter dem Patronate Pechis stand,* ferner in 
Kis-Solymos, dem Stammsitze der eifrigen Sabbatharierfamilie 
Mätefi.ö Dasselbe dürfte auch in Szent-Erzsebet, wo Pechi 
ständig wohnte und den weitgehendsten Einfluss übte, der 
Fall gewesen sein. Die dortigen Sabbatharier scheinen, seitdem 
Pechi offen für ihre Sache eingetreten war, ihren Gottesdienst 
in der unitarischen Kirche des Ortes abgehalten zu haben. 

Mehr und nachhaltiger als durch sein Beispiel und seine 
Bekehrungsthätigkeit hat Pechi die Sache des Sabbatharierthums 
durch seine Feder gefördert Seine fruchtbare schriftstellerische 
Thätigkeit war ausschliesslich der Verbreitung, Fortbildung 
und Organisirung des Glaubens gewidmet, den er von Eössi 
übernommen hatte. Literarische oder wissenschaftliche Zwecke 



* Monum. Gorait. das. 

* üeber diese von Pechi errichtete Schule s.) Kereszt. Magvetö XVII. S. 107 
und Monum. Gomit. X. S. 188. 

3 Jos. Kemeny bei Kurz,^ Magaz. f. Gesch. u. s. w. Siebenbürgens 
II. S. 423. 

* Kereszt. Magvetö XVI. S. 323; vgl. das. XVIII. S. 41. 
6 Das. XVII. S. 109. 



177 



lagen ihm fern. Durfte er es doch ohnehin nicht wairen, seine 
Werke dem Druck zu übergeben. Im besten Falle konnten 
sie in dem kleinen Kreise seiner (lläubiürc^n handschriftlich 
circuliren. Und nur für diesen engen Kreis hat er sie auch 
geschrieben, wie er wiederholt hervorhebt, ausschliesslich »zum 
Nutzen und zur Erbauung der das Gesetz Gottes liel)en(len 
Brüder,« oder »zum Nutzen der studirenden Brüder.« ^ 

Während seiner langen diplomatischen Laufbahn und in 
der Zeit von seinem Sturze bis zum Tode Gabriel Bethlens 
hatte Pechi, neben seinem Reisetagebuche und einigen reli- 
giösen Gesängen, nur zwei grössere Werke geschrieben: die 
Ausgewählten Lehren der heiligen Väter und 
seine Uebersetzung und Erklärung der P s a 1 m e n.^ Jetzt, wo er 
offen als Apostel des Sabbatharierthums auftrat, begann der 
nahezu siebzigjährige Mann eine schriftstellerische Thätiirkeit 
zu entfalten, welche durch ihren Umfang und durch die glück- 
liche Lösung schwieriger Aufgaben gleichmässig imponirt. 
Wohl haben die für ihn und seine Sache verhängnissvollen 
Ereignisse des Jahres 1636 dieser Thätigkeit ein jähes Ende 
bereitet: aber der Greis hatte, als er die Feder niederlegen 
musste, also binnen knappen acht Jahren, eine statt liclu^ Reihe 
von Schriften vollendet, welchen sich noch heute nur wenige an 
die Seite stellen lassen, die damals aber einzig in ihrer Art 
waren. Sie sind allerdings zumeist blosse Uebersetzungen, 
beziehungsweise Ueberarbeitungen hebräischer Schriftwerke, 
aber sie umfassen fast alle Gebiete der jüdischen Literatur 
und verfolgen ausschliesslich den Zweck, jüdischen Geist und 
jüdische religiöse Uebung auf ungarischen, oder genauer: auf 
den Boden des Sabbatharierthums zu verpflanzen. 

Pechi verfasste zunächst eine Anzahl neuer sabbatharischer 
fiesänge, die zum Theil Uebersetzungen jüdisch-liturgischer 
^"^tücke, oder nach dem Muster derselben geschrieben sind. Von 
alttestamentarischen, talmudischen und midraschischen Citaten 
und Auffassungen durchsetzt, enthalten sie mehr keine Spur 
von den christlichen Anschauungen, welchen wir in den älte- 
ren sabbatharischen Gesängen noch so häufig begegnen. Ihrem 
Geiste und Inhalte, wie ihrer Bestimmung nach, können sie 

> S. das. Vorwort zu Pechis Au?gewählLe Lehren der heiligen Väter 
sowie zu seiner Uebersetzung von Chajun's „Mille-d'ovoth.* 
* S. ob. S. 153 u. 166 flg. 

Or Kohn : Sabbalharier. 12 



178 



füglich als in ungarischer Sprache geschriebene 
synagogale Gesänge bezeichnet werden. Sie bilden den 
hauptsächlichen Inhalt des bis auf die Gegenwart benutzten 
Neuen Sabbatharischen Gesangbuches, auf welches wir noch 
zurückkommen. 

Mit Joseph Chajuns Mille d'a b o t h übersetzte Pechi (um 
1630) zum zweitenmale den, die altjüdische Moral und Sittenlehre 
enthaltenden, talmudischen Tractat Aboth, indem er seinen 
Gläubigen gleichzeitig einen zweiten und ausführlicheren rabbi- 
nischen Commentar zu demselben zugänglich machte. Der 
talmudische Text ist möglichst wörtlich, Chajuns Commentar, 
um ihn dem Verständnisse seiner Szekler näher zu bringen, 
freier übersetzt und durch eingeschobene Erklärungen, hie 
und da durch grössere Stellen aus anderen Werken der 
rabbinischen Literatur, namhaft erweitert.^ Schriften ähnlichen 
Inhaltes, die Pechi bald darauf (um 1632) verfasste. sind: die 
Uebersetzung der vier Abschnitte von Israel ben Joseph 
Alnaquas, die Moral- und Sittenlehre behandelnden Menorath 
h a - m a o r, welche Elijah de-Vidas am Schlüsse seines Reschith- 
chochma bringt,^ die vollständige Uebersetzung von Ibn-Gabirols 
Mibhchar ha-Peninim und von Ascher ben-Jechiels Han- 
hag a h oder Orchoth-Chajim, sowie Uebersetzungen bezie- 
hungsweise Auszüge aus den verschiedensten Midrasch-Werken. 

Diesen Schriften, die vorwiegend ethischen Inhaltes sind, 
reihen sich andere an, in welchen Pechi die, zumeist mit klaren 
Worten ausgesprochene Absicht verfolgt, die jüdisch-reli- 
giöse Praxis zu lehren und zur Annahme zu 
empfehlen. 

1 Das Werk ist vollständig erhalten. Der betreifende Codex, Eigenthum 
der unitarischen Hochschule zu Klausenburg, bildet einen stattlichen Folioband 
von 250 Blättern (500 Seiten), der zum weitaus grössten Theil von Pechis eigener 
Hand geschrieben ist, welche auch die von einem Abschreiber herrührenden 
Partien, namentlich an den mit hebräischer Quadratschrift geschriebenen Stellen, 
sorgfältig corrigirt hat. Das Datum 1630 ist in dem Vorworte Pechis angegeben, 
der daselbst erzählt, er habe das Buch Chajuns „i. J. der Welt 5390" in Klausen- 
burg, offenbar bei den dort angesiedelten türkischen Juden, gefunden. 

2 Ueber Alnaquas Menorath h a-m aor s. Schächter, Frankel- 
Gesetz'sche Moriatsschr. 1885 S. 114 Flg. Die betreffenden 4 Abschnitte sind 
auch separat erschienen (unter d. T. Menorath zahabh kullah), aber 
P6chi bemerkt ausdrücklich, dass er sie aus dem Res chi th-khachraah 
übersetzt habe. 



179 



Hierher gehörte, neben Auszügen aus den jüdischen Ritual- 
codices Tur und Schulchan-Aruch, die ungarische Leber- 
setzung und Erläuterung von Rabbi Ismaels »Dreizehn Regeln 
zur Erklärung der Heiligen Schrift« nach dem 8ifra; sodann 
eine, der Auf&ssung der Sabbatharier anbequemte, bald stark 
gekürzte, bald' namhaft erweiterte Bearbeitung des Sefer 
Mizwoth -Gadol (S'mag) des Mose ben^Jacob aus Coucy, 
welches bekanntlich die 365 Verbote und 248 Gebote der Bibel 
nach der Auffassung des Talmud behandelt.^ Dieser Schrift 
sehliesst sich, der Tendenz nach, die Uebersetzung und Erklä«- 
rung des Petanteuch an, die in Sidras, Pechi nennt sie »Sabbath- 
lectionen«, eingetheilt- den massoratischen Text möglichst wort- 
getreu wiedergibt, und in umfangreichen Anmerkungen, auf 
Grund der chaldäischen Uebe^6etz^lngen, der einschlägigen 
Talmud- und Mid rasch stellen und der spätem jüdischen 
Bibelexageten erklärt.» 

Nachdem er diese grossangelegte Arbeit noch vor dem 
Jahre 1634 vollendet, vielleicht gar in der Mitte abgebrochen 
hatte', ging Pechi an das grösste, für die Zukunft des Sabba- 
rharierthums bedeutsamste Werk seines Lebens, an die Ab- 
fassung seines Gebet- und Ritualienbuches, welches 
hier eingehender besprochen werden soll. 



Pechis Gebet- und Ritualienbuch. 

Mit dem sicherlich nach 1629, wahrscheinlich aber erst 
nach 1634 begonnenen und vor 1638 abgeschlossenen* Gebet- 

1 Das noch vorhandene Bruchstück der betreffenden Handschrift (47 Bl.) 
beginnt mit der Mitte des 37. Verbotes und schhe>st mit dem 124. 

* lieber alle diese üebersetzungen Pechis sowie über die betreffenden 
Handschriften s. mein ,A szombatosok*^ S. 274 — 85. 

» Die betreffende Handschrift, ebenfalls ein Bruchstück, enthält die Ueber- 
setzung und Erklärung vom I. B. Mos. 5, 14 bis 2. B. Mos. 13. Die Abschrift 
des 1. Buches wurde nach dem Epigraph am Schlüsse desselben am 28. Sept. 
1634 vollendet. 

* Das Gebet für den Fürsten bezeichnet in den ältesten Exemplaren, 
darunter auch in einem von P6chi selber geschriebenen, den regierenden Fürsten 
mit R. G. F., d. h. Rak6czi Qyörgy Fejedelem (Fürst Räköczi Georg), der Ende 
1630 den Fürstenstubl bestieg. Von Ende 1629 bis 1634 hat Pechi eine ganze 
Heihe anderer Schriften verfasst (die Üebersetzungen des Semag, Menorath 
ha-inaor und des Pentateuch, s. ob.), er kann also erst nach 1634 an die 

19* 



180 



und Ritualienbuch wollte Pechi dem Sabbatharierthum, 
dessen Liturgie und rituellen Bräuche bis dahin nicht genau 
umschrieben waren, eine feststehende, das gesammte religiöse 
Leben endgiltig regelnde Norm geben. Der alte, öfter von 
Krankheit heimgesuchte Mann hielt die je frühere Vollendung 
dieses Werkes für so dringend, dass er zunächst nur die wich- 
tigsten und unentbehrlichsten Partien desselben schrieb und 
es erst später, durch Hinzufügung der vorläufig weggelas- 
senen Stücke, allmälig erweiterte. 

Zunächst übersetzte er nach dem von seinen Lehrmeis- 
tern, den türkischen Juden, angenommenen sephardischen 
Siddur, d. h. nach dem türkischen Gebetbuche nach spa- 
nischem Ritus, sämmtliche für Wochen-, Sabbath-, Neumonds- 
und Festtage vorgeschriebene Gebete. Die Festgebete, von 
welchen der Siddur blos das eigentliche Pflichtgebet (Tefillai 
übernommen hat, ergänzte er durch die dem sephardischen 
Festrituale (Machasor) entnommenen wichtigsten Stücke, die 
er, insoferne sie synagogale Gesänge sind, in der Regel 
metrisch übersetzte. Hierauf Hess er die für die Bussetage 
bestimmten »Selic hoth«, oder Gebete um Sündenvergebung 
folgen, mit welchen der ursprüngliche Theil seines Gebetbuches 
abschliesst, den er selber als »das Gerippe der das ganze 
Jahr hindurch zu verrichtenden Gebete« bezeichnet. 

In dieser Form übergab er das Buch seinen Gläubigen, 
die es sofort eifrig copirten und benutzten, obA^^ohl es noch 
zahlreiche Lücken aufwies, auf welche Pechi selber aufmerk- 
sam macht, mit dem Versprechen, er wolle, »so Gott ihm Kraft 
und Gesundheit dazu gibt, auch an die Uebersetzung der noch 
fehlenden Gebete gehen.« Dieses Versprechen hat er auch 
eingelöst. Er ergänzte das nur provisorisch abgeschlossene 
Buch durch die Uebersetzung der meisten bisher weggelas- 
senen Stücke aus dem Siddur, beziehungsweise Machasor der 
Sephardim, sowie durch die Aufnahme ganzer, für gewisse 
Gelegenheiten bestimmter Agenden, die strenge genommen 
nicht mehr zum eigentlichen Gebetbuche gehören, zum Theil 

Abfassung des Gebet- und Ritualienbuches gegangen sein, das er, wie wir sehen 
werden, so rasch als möglich vollenden wollte, also sicherlich nicht gleichzeitig 
mit anderen früheren Werken schrieb. Zur Zeit der Katastrophe, die ihn im 
J. 16-^>8 ereilte, war das Buch bereits vollendet, nach derselben bat er überhaupt 
nichts mehr geschrieben. 



181 

sogar, wie Pechi bemerkt, nur «für die im (Hauben Eifrigeren« 
verfasst sind.^ Auch diese Nachträge, die Pechi in rascher Auf- 
einanderfolge, offenbar stückweise erscheinen liess, wurden 
von den Gläubigen eifrig aufgegriffen und, mehr oder minder 
vollständig, dem eigentlichen Gebetbuche angefügt. 2 

Alle diese Gebete sind mit Einleitungen, l)eziehungs\\ eise 
Anmerkungen der verschiedensten Art versehen, welche als 
»Belehrungen« bezeichnet sind. Am ausführlichsten sind die den 
Festgebeten vorausgeschickten »Heiehrungen«, die in knap})er, 
leichtverständlicher Form zunächst die Zeit bestimmen, wann 
(las betreffende Fest zu feiern ist, sodann über die Enstehunirs- 
Ursache und die Bedeutung des Festes sich verbreiten, endlich 
aber die Gebetordnung und sämmtliche im Tempel und im Hause 
zu beobachtende Ceremonien feststellen, und alles das genau 
nach den diesbezüglichen rabbinischen Hestimmungen, deren 
minutiösesten Vorschriften volle Heachtung finden. ^ 

Aehnliche, mehr oder minder eingehende Anweisungen 
finden sich zwar fast in jeder Ausgabe des jüdischen Gebet- 
buches, und es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass Pechi solche 
auch benutzt hat. Doch hat er sie sicherlich nicht einfach 
übersetzt, da er sie, wie wir sehen werden, den Verhältnissen 
und dem Auffassungsvermögen seiner- Sabbatharier angepasst 
hat. Viele seiner »Belehrungen« sind offenbar selbstständige 
Bearbeitungen der jüdischen Ritualcodices, denn sie beschrän- 

' Solche Nachträge sind : die beim Genüsse von Speisen und Getränken, 
sowie bei den verschiedensten Anlässen und VerrichtuDgen vorgeschriebenen 
Segensprüche, die Selichoth zu den Fasttagen, die den sogenannten 
Maaraadoth entlehnten doppelten Gebete für die einzelnen Tage der Woche, 
das Kether-Malchuth des Gabirol, das Gebet beim Antritt einer Reise, 
Oebete auf und an dem Sterbelager, nach einem schweren Traume u. s. w. 

* Diese Entstehungsweise des sabbatharischen Gebetbuches erklärt den 
Umstand, dass nur der ursprüngliche, erste Theil desselben in allen Exemplaren 
gleich ist, die Nachträge hingegen in den verschiedenen Handschriften oft 
verschiedenartig geordnet, mitunter nicht vollständig zu finden sind. 

3 So heisst es z. B. „Das muss stehend gesagt werden*^ ; „Das pflegt man 
dreimal zu sagen*; „Hier darf der Betende nichts Anderes dazwischen sprechen"; 
.Arn Sabbath sagt man auch das Folgende" ; „Bis hierher pflegt man sitzend 
zu beten ; hier folgt die 'A m i d a h, welche man aufrechtstehend, die Füsse 
nebeneinander setzend und die Hände in einander legend, täglich dreimal sagt' ; 
.Das sage man sitzend, indem man den Kopf senkt und das Gesicht bedeckt*; 
»Das muss sitzend, mit einer klagenden Melodie gesagt werden" ; „Das darf nicht 
gesagt werden, ohne dass zehn Beter beisammen sind/ 



182 



ke n sich nicht auf die Gebete und auf sonstige gottesdienst- 
liche Verrichtungen, sondern- umfassen auch solche Momente 
des Privatlebens^ deren Besprechung wir in jüdischen Gebet- 
büchern vergebens suchen würden. 

So steht, um ein bezeichnendes Beispiel beizubringen, 
unter den bei verschiedenen Gelegenheiten zu verrichtenden 
Segensprüchen auch Folgendes: 

,W er Vieh, Wild, oder einen Vogel schlachtet (spreche) : 

„Geloht seist Du u. s. w. der Du uns geheiligt hast durch Dein heiliges 
Gesetz und uns befohlen hast das Schlachten der Thiere." 

, Belehrung. Diesbezüglich finde ich in Israel viele und überaus 
wichtige Beobachtungen und Lehren. Zumeist aber ist es nothwendig, darauf zu 
achtel, dass die Thiere nicht todtgeschlagen und nicht schmählich missbandelt 
werden. Sie dürfen nicht anders getödtet werden, als mit einem sehr scharfen 
genügend grossen, nicht zu kleinen Messer, an dem man vor dem Schlachten 
mit den Fingernägeln auf — und abwärts fährt, um zu untersuchen, ob die 
Schneide keine Scharte hat ; denn sonst zerreist man das Thier, und es gilt als 
zerissen.* Auch soll man an der Stelle, wo der Einschnitt geschieht, die 
Federn der Vögel, so wie die Haare, oder die Wolle der übrigen Thiere ein 
klein wenig entfernen, weil dann das scharfe Messer dort gut hindurchgeht. Hierauf 
lasse man das Blut ausfliessen und warte ab, bis es gehörig abgeflossen ist; 
sodann lasse man aus den Fleischstücken, wenn man sie zum Backen, oder 
Kochen bereitet, durch zerkleinertes Salz das Blut herausziehen. Vor dem 
Schlachten spreche man den' oben angegebenen Segenspruch. Wenn man das 
Blut zudeckt, spreche man:** 

„Gelobt seist Du u. s. w., der Du uns geheiligt hast durch Deine heiligen 
Gebote und uns befohlen hast, das Blut der Thiere zu bedecken." 

. Wie sich aus dieser »Belehrung« und zahlreichen ähn- 
lichen^ ergibt, hat sich Pechi möglichst strenge an die Vor- 

1 Die wörtliche Uebersetzung des hebräisdien tVefah; 

• in der zum Passahfeste gehörigen weitläufigen Belehrung hässt es z. ß 
diass schon vor dem Abend des 14. Nissan „alles Gesäuerte aus den Häusern 
ttitfemt 'Wird ; sollte aber irgengwo noch Gesäuertes zuröekgeblieben sein, 
entferne man es durch Ausfegen indem man es mit einer Wachskerze 
aufsucht und spricht* u. s. w. Die Anweisungen über die Art und Weise des 
Zählens des m e r entsprechen genau sämmtlichenhierhergehörigen rabbimischen 
-Vwschfiften. In der, der Liturgie des Versöhnungstigas vorangehenden, aus- 
f(liirli>eiven „Belehrung", wird es 'den Gläubigen zur Pflicht gemacht, sich am 
Vorabende dieses heiligen Tages mit ^Wea Feinded auszusöhnen, Alle, die man 
-etwa beleidigt ^haben könnte, um Verzeihung zu bitten, vor Gott ein reueraüthiges 
BekennJtniss 'f^einer Sünden abzulegen, ein Reinigungsbad zu nehmen, sodann 
a!ber solle mtin, da^ Niemand sündenfrei ist, „sich in der Schule freiwillig 
riiederlegenündmit einer Geis sei vierzig Streiche weni- 
ge r einen geben lassen, aber nirht mehr, und dabei halblaut sprechen .... 
derjei iye aber der ihn schlä^^t, spreche** u. s. w. 



188 



Schriften der jüdisch-rabbinischen Lehre gehalten. Ebenso genau 
war er in der Wiedergabe der hebräischen Gebete, die er selbst 
dort getreulich übersetzt, wo er in dem Texte einen Fehler 
vermuthet.^ Bei alledem war er aber selbstständig genug, dem 
speciellen Standpunkte des Sabbatharierthams und den eigen- 
artigen Verhältnissen seiner Bekenner vollauf Rechnung zu 
tragen. 

In den Gebeten^der Juden befinden sich zahlreiche Stellen, 
an welchen die Beter, als Abkömmlinge der biblischen Patri- 
archen, sich an den Gott ihrer Väter Abraham, Isaak und 
Jakob wenden, oder auf den Bund sich berufen, den Gott mit 
ihren Vätern geschlossen hat, oder aber auf die wunder- 
bare Vergangenheit, die geschichtliche Mission und die Zukunft 
ihres Volkes, Israels, hinweisen. Die jüdisch-religiöse Praxis, 
die sich diesbezüglich auf die Autorität Maimunis berufen 
kann, lässt die zum Judenthume Uebertretenen, ohne Rücksicht 
auf ihre Abstammung, alle diese Gebete ohneweiteres ver- 
richten, »weil Abraham, der der Welt den Glauben an den 
wahren Gott verkündete, als Vater der gesammten Menschheit 
zu betrachten ist.«^ Aber Pechi hat an diesen specifisoh jüdischen 
Stellen Anstoss genommen. Pflegte er doch mit seinen Gläu- 
bigen allsabbathlich das Lied zu singen, in dem es heisst: 

Wir — nicht Abraham war unser Vater 
Und nicht sind seinem Samen wir entsprossen — 
Wir entstammen Jafeths Hause, sind nur 
Von blinden Heiden Kinder und Genosse n.^ 

Die Sabbatharier hatten die lebhafte, man darf wohl sagen, 
schmerzliche Empfindung, dass Gott das Gesetz und das 
gelobte Land nicht ihren Vätern gegeben; dass die auf das 
Haus und auf die Kinder Israels bezughabenden Verheis- 
sungen sich nicht auf sie beziehen; dass sie nicht »Kinder 

■^ Zu der Stelle in Gabirols Kether-Malchuth, nach welcher der 
Planet Mercm* binnen 10 Tagen seine Umdrehung vollendet, schreibt 
Pechi folgende Anmerkung : „Binnen zehn Tagen — so finde ich es bei dem 
Autor, den ich übersetze ; ich bezweifle es wohl, aber ich kann es nicht 
umändern.* 

• Maimuni, Mischnah-Comment. zu Bikkurim I. 4; vgl. dessen Jad, 
Hüchoth-Bikkurira HI. 4. 

a A. S. G. B. 27, 8 ; vgl. ob. S. 96. 



184 



des Bundes« seien, den Gott mit seinem auserwählten Volk 
geschlossen hat, sondern, wie sie es in ihren religiösen Gesän- 
gen wiederholt hetonen, diesem Bunde nur beigetreten, 
als Fremde in das Lager Israels gekommen sind.^ Pechi hat 
daher zahlreiche Stellen der jüdischen Liturgie derart um- 
gestaltet, dass seine Szekler Sabbatharier, obwohl sie keine 
geborenen Juden, sondern, wie sie sich selber zu nennen 
pflegten, nur »Juden dem Geiste nach« waren, an denselben 
keinen Anstoss nehmen konnten. 

Ausdrücke, die ein Gebet als ein ausschliesslich auf 
Juden sich beziehendes erscheinen lassen, pflegt er zu ver- 
allgemeinern, oder zu umschreiben, oder gar einfach weg- 
zulassen. In dem Satze z. B., »Gelobt sei der Ewige, der die 
Sabbathruhe gegeben seinem Volke Israel«,^ hat er das Wort 
»Israel« ausfallen lassen; dafür aber in den Benedictionen : 
»Gelobt . . . der Du Israel gürtest mit Kraft« und »der Du 
Israel krönest mit Herrlichkeit«, zu Israel hinzugefügt »und 
Alle, die an Dich glauben.« Für »das Haus Israel«, oder 
»sein Volk Israel«, hat er an zahlreichen anderen Stellen »die 
Getreuen«, oder »seine Frommen« gesetzt. Die Stelle: »Wir sind 
Dein Volk, Kinder Deines Bundes, Kinder Deines 
Lieblings Abraham« gibt er folgendermassen wieder: Wir aber 
sind Dein V ol k, das Dein heiliges Gesetz beobachtet, 
Deine Getreuen, die wir an uns bewahren Deinen heiligen 
Bund und Dein Z eichen,^ Söhne und Töchter im Geiste 
von Abraham, Deinem Liebling und Freunde;« die hierauf fol- 
genden Sätze, in welchen die Betenden als »Nachkommen 
Isaaks« und »Gemeinde Jakobs« bezeichnet werden, fehlen ganz. 

Aus dem stereotypen »Unser Gott und Gott unserer 
Väter« wird bei Pechi »Unser Gott und Gott der alten 
heiligen Väter«,* und an den zahlreichen Stellen, wo die 

1 S. ob. S.96, 120, 122 u. s. w. 

^ Die hier folgenden Gilate sind allgemein bekannten Gebetstücken entlehnt, 
selbstverständlich nach dem von Pechi übersetzten sephardischen Siddur. 

3 Das hebräische berith, das Pechi hier „Bund und Zeichen" über- 
setzt, ist nach dem spätem Sprachgebrauche, der vom I. B. Mos. 17, 11 ausgeht 
die übliche Bezeichnung für das Bundeszeichen der Beschneidung. 
Dieses Zeichen bewahren sie an sich; ein Theil der Sabbatharier übte 
nämlich damals schon die Beschneidung ; vgl. das nächstfolgende Capitel. 

* Oder: „unser Gott und Gott aller Gerechten." Hierher gehört wahr- 
scheinlich auch die Stelle in dem Segenspruche nach der Haftarah: »der Du 
Zion erfreust durch seine Kinder," die P6chi übersetzt: durch seinen 
Wiederaufbau;" er las, offenbar absichtlich, „bebinjonah* für „bebonebab.' 



185 



jüdischen Beter auf die Vergangenheit ihres Volkes sich beziehen, 
setzt er statt der ersten Person, die dritte,^ oder nimmt zu 
Umschreibungen, oder gar zu weitgehenden Textänderungen 
seine Zuflucht. So lautet bei ihm der Satz: ))S0 wie Du uns 
auserwählt hast unter den Völkern der Länder« folgender- 
massen: »so wie Du uns durch die wahre Erkenn t- 
niss Deines Wesens und durch die Beobachtung' 
Deines heiligen Gesetzes auserwählt hast unter den 
vielen im Irrthum wandelnden Völkern dieser 
W e 1 1.« 

Noch bezeichnender für die Art und Weise, wie Pechi 
seinen specifisch sabbatharischen Standpunkt zu wahren pflegt, 
ist seine Uebersetzung von »Gelobt seisst Du . . ., der uns 
auserwählt hat unter den Völkern und uns seine Lehre ge- 
geben hat.« Diese kurze Benediction gibt Pechi folgendermas- 
sen wieder: 

»Gelobt seist Du . . ., der Du uns befreit hast aus 
der Finsterniss des Irrthum s, aus dem Glauben 
an mehrere und fremde Götter ausserDir, und uns 
gegeben hast die wahre Erkenntniss Deiner gött- 
lichen Allmacht in ihrer Einheit und Einzigkeit, 
wie sie keinen Genossen hat, Niemandem ähnlich 
und mit Nichts zu vergleichen ist, und uns zu 
Deiner, von jeder menschlichen Einrichtung und 
Erfindung freien -Verehrung gezeigt hast den 
gesegneten, heiligen und herrliichen Weg Deiner 
Lehre und Deiner Gebote, um Deine göttliche 
Gnade zu suchen, gelobt seist Du u. s. w.« 

Bei den vorzugsweise practischen Zwecken, die Pechi 
mit seinem Gebet- und Ritualienbuche verfolgte, war er stets 
darauf bedacht, von den Gläubigen nicht zu viel, oder gar 
Unmögliches zu fordern. 

Wo ihm die jüdische Liturgie zu weitschweifig, oder dem 
Fühlen und dem Verständnisse der Sabbatharier zu fernliegend 
erschien, dort nahm er in der Regel die weitgehendsten Kür- 
zungen vor. So bemerkt er in der Einleitung zu den Gebeten 



* ,Aus Egypten hast Du u n s erlöst, aus dem Hause der Sklaverei uns 
befreit" — dafür bei Pechi: „Aus Egypten hast Du Dein Volk erlöst . 
Mud es befreit." 



186 



»zum K i p p u r — oder Versöhnungstage«, dass er »jetzt 
nicht die Absicht haben könne, sämmtliche Gebete zu über- 
setzen, sondern nur so viel, als im allgemeinen möglich 
und zur. Zeit passend und nothwendigist für die 
Gläubigen, d i e s i c h zur Beobachtug des Gesetzes 
bekehrt hab.en, od^r noch bekeh ren werden.« Diese 
ßemork^ng ist ihm so wichtig, dass er sie am Schlüsse des 
»Morgengebetes ,zum Versöhnungstage« noch einmal mit den 
folgenden, ungleich klareren Worten wiederholt: 

„Es gäbe für den Kippur-Tag noch zwanzigmal so viel schöne 
und köstliche Sachen, die zur Heiligung desselben geschrieben worden sind. 
Der einer späteren Zeit Angehörige, der deren üebersetzung sucht, fälle nicht 
das Urtheil, dass ich dieselben nicht gesehen hät^e. Denn, die üebersetzung 
aller dieser Stücke passt, unter den gegenwärtigen Verhältnissen, 
nicht für die unserer Nation angehörigen Beobachter des 
Gesetzes, welchen vielleicht schon das hier Uebersetzte 
zuviel sein dürfte.** 

Aus demselben Grunde hat er die der Bibel oder dem 
Talmud entlehnten, mitunter umfangreichen Stellen fortgelassen, 
welche sich auf den altjüdischen Opfercultus beziehen.^ Reli- 
giöse Uebungen, welche an gewisse Aeusserlichkeiten geknüpft 
sind, zu welchen sich die Sabbatharier die nöthigen Behelfe 
nur schwer, oder gar nicht hätten beschaffen können, hat er 
gänzlich unberücksichtigt gelassen. So fehlen bei ihm sämmt- 
liche Benedictionen, die sich auf den Gebetmantel (Talith), 
die Gebetriemen (T e f i 1 1 i n), die Schaufäden (Z i z i t h), die 
Neujahrsposaune (S c h o f a r) und den Feststrauss (L u 1 a b hl 
beziehen. Ebenso wenig hat er das Rituale bei Beschneidungen 
aufgenommen. Offenbar wollte er diesen Ritus, welchen die 
eifrigeren Sabbatharier zu üben pflegten, den Sabbathariern nicht 
zur Pflicht machen, vielleicht aus Vorsicht, weil er zu Zeiten 
der Verfolgung die Gläubigen leicht verrathen konnte, vielleicht 
auch, weil es an den nöthigen erfahrenen Operateuren fehlte. 
Auffallender ist das Fehlen des jüdischen Trauungsrituales, das 
bei seiner scharf ausgeprägten specifisch jüdischen Fassung^ 



^ Auf dieselbe Ursache dürfte auch der Wegfall des M u s s a p h-Gebete^ 
zurückzuführen zu sein. Die alleinige Ausnahme bildet die M u s s a p h-T e f i 1 lab 
des ^eigahres, deren hauptsächlichen Inhalt Citate aus der Bibel bilden; aber 
auch sie ist als zum Morgengebete gehörig bezeichnet. 

* «Nach dem Gesetze Moses und Israels" und «der heiliget sein Volk 
srael durch G h u p p a h und Kidduschin.** 



187 



von .NichtJuden allerdings nicht leicht hätte benutzt werden 
können. 

Benierkenswerth ist, dQ,s& er kurze, der Bibel entlehnte 
Sätze, .welche wichtige. Glaubenslehren enthalten, auch mit dem, 
natürlich transscribirten, hebräischen Texte zu geben pflegt.^ 
In der Ueibersetzung ,des alphabetischem Psalms 119* gibt er 
die einzelnen Buchstaben des l;iebräischen Alphabets in heb- 
räischer Quadratschrift, was die späteren, des Hebräischen 
unkundigen Abschreiber in der Regel höchst ungeschikt nach- 
zumalen versuchen. 

Pechi hat den Zweck, den er bei Abfassung dieser schwie- 
rigen und umfengreichen^ Schrift verfolgte, vollständig erreicht; 
mit ihr hat er dem Sabbatharierthum eine gleichförmige, fest- 
stehende Liturgie und einen, das gesammte gottesdienstliche 
und Privatleben umfassenden, Ritualcodex gegeben. Sein Gebet- 
und Ritualienbuch ist bis zum heutigen Tage, also durch volle 
dreieinhalb Jährhunderte, das pietätsvoll gehütete, heilige Buch 
der Sabbatharier geblieben. 



Die religiösen Anschauungen und Bräuche des 
unter Pechis Leitung stehenden Sabbatharier- 

thums. (1624-1638.) 

Seitdem der ehemalige Reichskanzler die Fahne des Sab- 
batharierthums entrollt hatte, wurde er von Freunden und von 
Widersachern als Führer desselben anerkannt. Und er war es 
auch in der That. Wie sehr er sich als das kirchliche Ober- 
haupt dieser Secte fühlte, beweist unter anderem die Thatsache, 
dass er, wenn dem Lande, oder dem Sabbatharierthum Gefahren 
drohten, Fasttage anordnete, für welche er besondere Gebete 

1 ^Solche Verse sind: nSchmang (so die Transseription nach der Aus- 
sprache der Sephardim) Jiszrael** 5. B. M. 6, 4; ,Adonaj bu ha-Elohim'* 
I. Kön. 18, 39. 

' Ps; 119 wird nach dem sephardischen Ritus am SabbaÜi-Nachmittag 
gesagt. 

» Die verschiedenen Exemplare umfassen, obwohl Pechi jede Wiederholung 
vermeidet, imd auf bereits übersetzte Gebetstücke, wenn sie noch einmal vor- 
kommen, immer nur verweist, in der Regel zwischen 5 und 600 eng geschriebene 
Oetavseiten. 



188 



verfasste, die er an die Gemeinden seiner Getreuen verschickte.^ 
Von Szent-Erzsebet, seinem Wohnorte, gingen die Missionäre 
aus, welche in seinem Auftrage, zum Theil wohl auch in seinem 
Solde, das Sabbatharierthum verkündeten,^ von dort die Losungs- 
worte und Weisungen, welche den Anhängern desselben im 
ganzen Lande zur Richtschnur dienten. Und die neue Secte 
erblühte und erstarkte unter Pechis Führung, indem sie mit 
raschen Schritten unaufhaltsam in der Richtung vorwärts ging, 
die er ihr vorzeichnete. 

Vor Pechis öffentlichem Auftreten war das Sabbatharier- 
thum noch im Werden begriffen und bestrebt, die Grundlagen, 
auf welchen es sich erheben sollte, zu schaffen, zu festigen 
und zu vertheidigen: jetzt erscheint es als organisirte Secte, 
welche don Boden, auf dem sie steht, bereits für fest und 
sicher genug hält, um ihr religiöses Leben auf ihm auf- und 
auszubauen. Vordem war das Streben des Sabbatharierthums 
hauptsächlich darauf gerichtet, dass es die herrschenden reli- 
giösen Ansichten als irrige, und die eigene Glaubenslehre als 
die richtige erweise; das ist ihm jetzt ein überwundener Stand- 
punkt. Es polemisirt nur mehr selten gegen die übrigen Reli- 
gionen, noch seltener sucht es die Richtigkeit des eigenen 
Glaubens zu erhärten. Das Sabbatharierthum ist der 
allein wahre Glaube — das gilt ihm bereits als fest- 
stehende Thatsache, die mehr keines Beweises bedarf. Die Frage, 
deren Lösung es beschäftigt, ist nur mehr die: was folgt 
aus den Wahrheiten dieses Glaubens ! 

Indem Pechi diese Frage im Namen des Sabbatharierthums 
beantwortete, zog er aus den von Andreas E6ssi aufgestellten 
Thesen mit rücksichtsloser Kühnheit die letzten Gonsequenzen. 
Das Sabbatharierthum, das bis dahin zumeist nur religiöse 
Theorie gewesen, ward nun zur religiösen That. Allgemein 
gehaltene Lehren wurden in bestimmte Formen gegossen und 
in genau umschriebene religiöse Handlungen umgesetzt, und 
die kleine Gemeinde der Sabbatharier näherte sich, von Pechi 
mit fortgerissen, mit mächtigen Schritten dem Judenthume, 
zu dessen Grundlehren sie sich schon vordem bekannt hatte. 

In der Schule Eössis war das christliche Bewusstsein 
noch so stark, dass sie das Neue Testament über das Alte 

1 Auf zwei solche „Bittgebete" kommen wir noch im Folgenden zurück. 
» Vgl. die Beschwerdeschrift des reformirten Status ob. S. 172. 



1H9 



stellte, und die fortdauernde Gültigkeit des mosaischen Gesetzes 
vornehmlich damit zu begründen suchte, dass es auch von 
Jesus und seinen Aposteln beobachtet und gelehrt worden sei 
(ob. S. 89 u. 122). In dem Sabbatharierthume Pechis ist das Neue 
Testament bereits ganz in den Hintergrund gedrängt; nur das 
Alte gilt ihm als Heilige Schrift, und diese, oder einfach: das 
Gesetz ist ihm die alleinige Quelle des wahren Glaubens. 

Es hat den Versuch, das Christenthum mit dem Juden- 
thume auszugleichen, aufgegeben, aus dem einfachen Grunde, 
weil es das Christenthum selber aufgegeben hatte. 

Die Heilige Schrift muss als Gottes unabänderliches Wort, 
ihrem ganzen Umfange nach unbedingt und blindlings befolgt 
und selbst dann als Wahrheit angenommen werden, wenn 
die Wissenschaft, oder die Erfahrung gegen sie zu beweisen 
scheinen. Was sie sagt, muss wahr sein. »Wahre Wissen- 
schaft und richtiges Denken findet sich nirgends, es sei denn 
in dem göttlichen Gesetze; ausserhalb desselben klügeln wollen, 
ist Thorheit, . . . Irrthum 'Alles, was ohne und w i d e r das 
Gesetz geredet wird.«^ 

Neben dieser allein massgebenden Heiligen Schrift 
schrumpfen die Evangelien, welche vordem in der Do^-matik 
des Sabbatharierthums eine so hervorragende Bedeutung hatten, 
zu einem blossen wissenschaftlichen Behelf zusammen. Auf die 
Glaubenslehre, oder auf die religiöse Praxis wird ihnen mehr 
keinerlei Einfiuss eingeräumt. Ihre nur mehr selten und immer 
nur gelegentlich angeführten Angaben werden, so sie dem 
massoretischen Texte des Alten Testamentes widersprechen, 
rundweg als unrichtig bezeichnet, und Pechi beruft sich, um 
die wahre Bedeutung einer Psalmenstelle festzustellen, wader 
den Evangelisten Marcus auf — Rabbi David Kimchi.^ 

1 Pechi zu Ps. 119, 66 und 113. Zu das. 104, 3 bemerkt er: „Dass über 
den Himmeln Wasser seien, gibt die Wissenschaft nicht zu ; aber die Heilige 
Schrift, Genes. 1 und Psalm 148, beweiset klar, dass die Feste des Himmels 
die obern Wasser von den untern absondert, und dasselbe beweiset 
auch diese Stelle." Das. zu 104, 26 erzählt er, genau nach den jüdischen 
Quellen, die Legende vom Leviathan und fügt sodann hinzu : „Damit man das 
Alles nicht für eine Fabel halte, rühmt sich Gott selber, bei Hiob, 
mit der wunderbaren Beschaffenheit und mit der Beschreibung der Grösse 
desselben (d. j. das Leviathan,) S. das. Gap. 40 in fine et 41 in integro." 

* S. z. B. die Bemerkung Pechis zu Ps. 22, 2 und 17, die Leseart der 
Vulgata „foderunt" sowie das «lamma sabakthani" „stehe nicht im jüdischen 
Texte* wobei er sich zur richtigen Erklärung dieser Stellen auf Kimchi beruft. 



190 



Ein sabbatharisches Passahlied, das Pechi während seiner 
Kanzlerschaft schrieb, verherrlicht noch »den heiligen Jesus, 
Mariens Sohn«, den die' allen Sabbatharier, wenn auch nur 
ini figürlichen Sinne, noch als »Sohn Gottes« zu bezeichnen 
pflegten.^ Jetzt ist von allemdem keine Spür mehr zu entdecken. 
Die von Pechi und seinen jüngeren Zeitgenossen verfassten 
n e u ä n sabbatharischen Gesänge erwähnen nirgends mehr den 
Nanien Jesus. Dafür werden die älteren Gesänge einer genauen 
Durchsicht unterzogen. Die zahlreichen auf Jesus, die Apostel 
oder die Evangelien sich beziehenden Stellen werden ent- 
weder in jüdischem Sinne überarbeitet, oder einfach gestrichen, 
christianisirende Gesänge, wie z. B. P6chis obenerwähntes 
Passahlied, gänzlich bei Seite gelegt. ^ An den wenigen Stellen 
in anderweitigen sabbatharischen Schriften, die sich noch auf 
Jesus berufen, geschieht dies nur um die Berechtigung gewis- 
ser jüdischer Auffassungen und Bräuche nachzuweisen, die 
Jesus, der genau nach dem Gesetze Moses lebte, sicherlich 
genau gekannt und richtig geübt hat* 

Bei solchen Anschauungen konnte der mit dem ursprüng- 
lichen Sabbatharierthum organisch verbundene Chiliasmus 
mehr keinen Platz in der Dogmatik des durch Pechi verkün- 
deten Sabbatharierthums finden. Diesem war Jesus überhaupt 
nicht mehr der »grosse Messias;« es konnte daher auch den 
Glauben nicht aufrechterhalten, dass Jesus, der in Folge der 
Sündhaftigkeit seiner Zeitgenossen seine messianische Sendung 
nicht erfüllen konnte, neuerdings erscheinen werde, um sein 
unterbrochenes Werk zu vollenden und das tausendjährige 
Gottesreich zu errichten (ob. S. 92). Der Erlöser, auf den die 
Sabbatharier Pechis harren, ist der Messias der Juden, und was 
sie von ihm erwarten, ist die Erfüllung der Hoffnungen Israels. 

Sie beten mit den Juden, dass der Sohn Davids kommen 
möge »bald in ihren Tagen.« Er wird, so glauben sie, »dem 

1 Vgl. ob. S. 87. 

> Auf diese, zum Theil gewaltsame, Gorrecturen und Hinweglassungen 
kommen wir bei Besprechung des Neuen Sabbatharischen Gesangbuches zurück. 

8 Vgl. die Anmerkungen P6chis zu den Psalmen, welche die Kirche auf 
Jesus bezieht, (ob. S. 169). In der „Belehrung", die P6chi bezüglich der religiösen 
Bräuche während des Festmahles am Passah-Abend gibt, beruft er sich eben- 
falls auf Jesus, um zu beweisen, dass dieses Passahmahl (S e d e r) das richtige 
Heilige Abendmahl sei. Doch ist dieser Theil der Belehrung in den späteren 
Handschriften bereits weggelassen. 



191 



^esammten Israel bringen Befreiung aus seiner jetzigen Scla- 
verei und den grossen Tag, wo seine Knechtschaft in Freude 
und Ansehen sich wandelt. Ob es auch von dieser ganzen 
Welt verachtet und verfolgt wird: der Herr erhebt es wun- 
derbar, und dann bewundern es die Könige und Völker alle.«* 
Jerusalem »wird seine alte Schönheit verliehen, die ihm ver- 
heissene Herrlichkeit.« In dem Gottesreiche, das dann anbricht, 
»bekehren sich alle Heiden zu dem einen Gotte; alle Götzen 
und Götzendiener verschwinden: es bleibt nur ein wahrer 
Glaube und eine wahre Religion, das ist die wahre Erliennt- 
niss des einzigen Gottes durch seinen wahren Messias. 
So dass sodann das jüdische Volk nach dem ihm gegebenen 
Gesetze, die heidnischen Nationen aber nach den dem N o a h 
gegebenen sieben Geboten in Heiligkeit, Wahrheit 
und Reinheit Gott dienen werden.«- 

Diese sieben Gebote, die Pechi, dem Sabbatharierthum 
zuliebe, in mehreren Punkten eigenmächtig ungeändert hat,' 
sind seit Noah für alle »ausserhalb des Judenthums stehende 
Völker« bindend, und für diese auch genügend. Den Juden 
aber ist, »um sie zu grösserer Heiligkeit und Reinheit zu 
erheben, ein besonderes Gesetz gegeben worden, dieweil sie 
von Gott besonders auserkoren sind, zu sein ein heiliges Volk, 
ein Priestereich, ja sein geheimer Schatz.«* 



1 S. Pechi zu Ps. 118, 10 und 22. 

* Das. zu 107, 1. ; vgl. das. zu 104, 1 ; 23, 31 und 41, 46, sowie das 
Neue Sabbath. Gesangb. 36, 1—8. 

* Bei ihm lautet das 1. Gebot: „Er glaube nur an einen Gott und nur 
ihn bete er an und verehre er,** ferner das 3. „Er heilige den Sabbath 
als Bund und Zeichen der Weltenschöpfung. " Diese beiden Gebote kennt wedej- 
die jüdische Tradition (s. Synhedrin 56-a und Toszifta, Abodah-Sarah IX) noch 
das Evangelium (s. Math. 19, 18 — 19 und Acta Apost. 15, 20 und 29,) auf welch 
letzteres P6chi sich offenbar bezieht wenn er nach Aufzählung dieser sieben 
Gebote bemerkt : „Es scheint, dass auch die Apostel unter der Gesetzesbeobarh- 
tung der vom Heidenthum Bekehrten Aehnliches verständen haben." Nachdem 
Pechi die beiden Gardinalpunkte des Sabbatharierthums, die Einheit Gottes 
Tind die Sabbathruhe, unter die sieben noachidischen Gebote aufgenommen 
bat, musste er, um die Siebehzahl nicht zu überschreiten, zu dem Auskunftsmittel 
greifen, das Gebot der Gerechtigkeitsliebe mit dem der Nächstenliebe zu ver- 
schmelzen, das Verbot der Gotteslästerung aber gänzlich wegzulassen. 

* Pechi zu Ps. 117, 1; vgl. 2. B. M. 4 und 5 und 5. B. M. 2, 6 : 
Interessant ist der Gegensatz in einem Neujahrsliede, in welchem der Monat, 



192 



Bei den Juden, welche die Vorsehung noch heute in 
wunderbarer Weise beschützt,^ »ist die wahre Erkenntniss 
Gottes;« sie befolgen das Gesetz seinem ganzen Umfange 
nach und nach seiner einzig richtigen Auslegung.^ 

Schon das ältere Sabbatharierthum hat den Satz aufge- 
stellt: »die Heilige Schrift ist durchweg so zu verstehen, wie 
die im Stuhle Mosis sitzenden Schriftgelehrten sie erklärt 
haben« (ob. S. 94). Doch hat es sich mehr mit der Theorie 
als mit der Anwendung dieses Satzes beschäftigt; Pechis 
Sabbatharierthum hat ihm practische Geltung verschafft. 

Mit den Worten: »Es sagen die Weisen,« oder »die 
Weisen erklären das folgendermassen« beruft er sich auf jene 
Autorität in Glaubenssachen, nach welcher jede religiöse Frage, 
ohne weitere Prüfung, mit Sicherheit zu entscheiden ist- 
in den Schrifterklärungen der jüdischen Weisen erblickt er 
die einzig richtige Bibelexegese, in deren Ethik die höchste 
Sittenlehre, in deren Entscheidungen die Richtschnur für das 
gesammte religiöse Leben. Daher bezeichnen auch die Process- 
acten des über Pechi und seine Anhänger am Ende dieser 
Periode (1638) abgehaltenen Ketzergerichtes die angeklagten 
Sabbatharier nicht mehr als »Judais ir en de,« sondern direct 
als Juden, und das Sabbatharierthum selber nicht, wie vordem, 
als »J uden z er ei,« sondern rundweg als »jüdische Reli- 
g ion,«3 

Die von Pechi verkündete Lehre war thatsächlich ein 
energischer, wenn auch immer innerhalb der Grenzen des 
Möglichen und Erreichbaren bleibender Versuch, die letzten 

mit welchem das Neujahr beginnt, bezeichnet wird als j,Monat Tischri in der 
Sprache der Heiligen, — in unserer Sprache: (Tctober/ Neue? 
S. G. B. 25, 28. 

* Zu Ps. 44, 17 bemerkt P6chi : „Wenig fehlte, dass die Heiden sie 
(die Juden) nicht alle vernichtet haben. Gott beschützte sie in wunderbarer 
Weise ; so hat es auch die Geschichte Alberts, des Kaisers von Oesterreicli 
bewiesen, wie Gott gestritten hat, die Juden zu beschützen.* — Albert 11. hatte 
nämlich ein den Juden höchst feindliches Gesetz erlassen, starb aber bald 
darauf; vgl. Graetz, Gesch. d. Juden Vm. S. 190. 

« Neues S. G. B. 27, 38; 25, 28; 41, 12; Pechi zu Ps. 22, 1 und 4: 
41, 1 ; 104, 1 ; 118, 10 und 22 u. s. w. 

* Ihr Glaube ist „Judaica professio," und sie werden beschuldigt ,Judaicam 
professionem exercere;* so wiederholt in den beireffenden Actenstücken, Monum 
Gomit. R. Transs. X. S. 182—3 und 188—9. 



193 



Fäden, welche das Sabbatharierthum noch mit dem Christen- 
thume verbanden, .zu zerschneiden und in ersterem die jüdische 
Liturgie und die jüdischen Bräuche zur alleinigren (leltun^ zu 
bringen. Und diese Lehre ist von den Sabl)athariern, die seine 
Zeitgenossen waren, auch angenommen und genau hefolct 
worden. 

Von christlichen Bräuchen qder gottesdienstlichen Handlun- 
gen ist mehr keine Spur bei ihnen zu entdecken, es sei denn, dass 
manche unter ihnen gelegentlich noch das an sich confessions- 
lose »Vaterunser« beteten, wie es scheint zumeist dann, wenn 
es dem Einen oder dem Andern darum zu thun war, sein 
Christenthum in einer für ihn am wenigsten anstössigen Form 
vor Zeugen zu bethätigen.^ An ihren Kindern Hessen sie die 
Taufe nicht vollziehen, und wenn die^^ wider ihren. Willen 
dennoch geschah, so betrachteten sie es als ein Unglück für 
sich und für das Kind. Das Heilige Abendmal nahmen sie 
nicht, die Beichte legten sie nicht ab; wenn Familien- oder 
anderweitige Rücksichten sie nicht bestimmten, vermieden sie 
es sogar, die Kirche zu betreten. Die christlichen Feiertage 
beobachteten sie nicht, obwohl einzelne, bald aus Vorsicht, bald 
ihrem christlichen Gesinde zu Liebe, des Sonntags nicht 
arbeiten Hessen. Selbst das Beten mit gefalteten Händen unter- 
liessen sie, weil sie es als christliche Sitte betrachteten.^ 

Um so strenger beobachteten sie die jüdisch-religiösen 
Bräuche und Vorschriften. 

Pechis Lehren sind ihrem ganzen Umfange nach sicherlich 
nicht sofort befolgt worden. Es ist nicht anzunehmen, dass 
alle Sabbatharier schon damals sämmtliche Gebete und Cere- 
monien verrichtet haben, die in seinem Gebet- und Ritualien- 
buch vorgeschrieben sind. Dazu war ihnen die Sache, und 
das hat ja Pechi selber gefühlt, (ob. S. 186), viel zu neu und 
viel zu fremdartig. Im ganzen und grossen aber haben sie, 
wie sich aus beeideten Zeugenaussagen, gerichtlichen Urtheilen 
und anderwärtigen zeitgenössischen Quellen ergibt, sofort die 
entschieden jüdische Richtung eingeschlagen, die er ihnen 



' In solchen Fällen soll es auch Pechi gethan haben; s. die Zeugen- 
aussagen, Mon. Gomit. X. S. 186—7. 

* S. die Quellen in meinem „A Szombatosok" S. 300 flg. vgl. ob. S. 169, 
und weiter unten über die Frau des Franz Konjis. 

Dr. Kohn : Sabbatharier. 13 



194 



vorgezeichnet hat, und die wichtigsten, vielleicht die meisten 
seiner Vorschriften gewissenhaft geübt. 

Schon die älteren Sabbatharier haben sich, wenigstens 
zum Theil, des Genusses der »unreinen Thiere« enthalten; 
jetzt war die strenge Beobachtung der jüdischen Speisegesetze 
das sicherste allgemeine Kennzeichen derselben. Als ihnen 
der Process gemacht wurde, lautete die erste Frage, welche 
man den Ortsbehörden, beziehungsweise den Zeugen vorzu- 
legen pflegte: »Kennt ihr diejenigen, die Schweinefleisch, 
Krebse, Aale, schuppenlose Steinbutten und Gründlinge nicht 
essen?« Aber auch die als rein geltenden Thiere durft;en nur 
dann gegessen werden, »wenn sie keine schwere Krankheit, 
oder sonstige verbotene Zeichen an sich trugen« und nicht mit 
einem scharfen, sch^enlosen Messer geschlachtet wurden. 
Selbst schwer Kranke konnten nur »durch Ueberredung der 
Doctoren« bestimmt werden, verbotene Speisen zu geniessen; 
kleine Kinder, die es aus Genäschigkeit thaten, und etwa 
einen Krebsfuss, oder ein Stückchen Speck assen, wurden 
hart bestraft. Manche unter ihnen mochten, im Sinne der 
diesbezüglichen rabbinischen Vorschriften, nicht einmal die 
Küchengeräthe benützen, in welchen verbotene Speisen zube- 
reitet wurden, sondern hielten für ihr nichtsabbatharisches 
Gesinde »besondere Töpfe zum Kochen.« Schweine wurden 
nicht einmal im Hause geduldet.^ 

Die bei den Juden üblichen Händewaschungen beobach- 
teten sie unter den üblichen Benedictionen;^ vor und nach dem 
Genüsse der Speisen verrichteten sie die entsprechenden Ge- 
bete.* Bei besonderen Veranlassungen, speciell j^wenn einer 
einen bösen Traum gehabt«, gelobten sie einen freiwilligen 
Fasttag, den sie ganz nach dem betreffenden jüdischen Branche 
zu begehen pflegten. Die Sterbenden legten das jüdische Sünden- 



^ Die zeitgenössischen, ausschliesslich ungarischen Quellen s. in meinem 
«A Szombatosok" H. 301 flg. 

* In P6cbis Gebet- und Ritaalienbucb beisst es nach dem dbUchen 
Segenspruch beim Händewaschen : , Sollte er kein Wasser haben, so reibe er 
sich mit einem trockenen Tuche ab und spreche : Gelobt seist du* u. s. w., eine 
Vorschrifly die kaum in einem jüdischen Grebetbuche, wohl aber im Schulchan- 
Aruch, Orach-Ghajim 4, 23 zu finden ist. 

* Vor dem Tischgebete, «wenn drei Männer beisammen sind,* auch die 
übliche Aufforderung zum Verrichten des Gebetes (M es um an). 



19.J 



bekenntniss, oder, wie sie zu sagen pfleßrten, die »jüdiselie 
Beichte« ab. Ihre Todten begruben sie unter den üblichen 
jüdischen Grabgebeten, und beobachteten vor und nach der 
Beerdigung alle bei den damaligen sephardischen Juden üblichen 
Sitten und Trauergebräuche. ^ 

Die Beschneidung ist von Pechi, obwohl er sie als »hei- 
liges Hundeszeichen« anerkannte, nicht stricte gefordert worden. 
Nichtsdestoweniger gab es Einzelne, welche diese, den älteren 
Sabbathariern noch gänzlich unbekannte Ceremonie vollzogen, 
an deren Folgen manche angeblich auch gestorben sein sollen.' 

Die Ehe scheinen sie nicht nach jüdischem Ritus geschlos- 
sen, beziehungsweise aufgelöst zu haben; das jüdische Trauungs- 
rituale hat nicht einmal in Pechis Gebet- und Ritualienbuch 
eine Stelle gefunden. Es fehlte ihnen offenbar an Sachverstan- 
digen, welche befähigt waren, die Trauungsceremonie vorzu- 
nehmen, oder den rituellen Ehevertrag (Kethuba), beziehungs- 
weise Scheidebrief (Get) zu schreiben. Entscheidend mag wohl 
der Umstand gewesen sein, dass nach jüdischem Ritus vor- 
genommene Eheschliessungen und Ehescheidungen keine gesetz- 
liche Anerkennung gefunden hätten. So kam es, dass sie sich 
in solchen Fällen an den Geistlichen einer der recipirten Reli- 
gionen wenden mussten. 

Ihre Gebete waren die der türkischen sephardischen 
Juden in Pechis oben gekennzeichneter ungarischer Uebersetzung. 
An Wochentagen verrichteten sie dieselben zu Hause, an 
Sabbath- und Festtagen versammelten sie sich in ihrem Syna- 
gogen, oder im Hause eines ihrer Genossen und hielten, 
wenn sie zum mindesten »zu zehn« (M inj an) waren, einen 
gemeinsamen Gottesdienst ab^ wobei sie die entsprechenden 
Abschnitte aus der Bibel und den Propheten, natürlich eben- 
falls in ungarischer Uebersetzung, verlasen. Diese Vorleöungen, 
sowie die daran geknüpften Belehrungen hielt, wo sie keinen 



^ Die Sterbe- und Grabgebete finden sich am Schluss«", Boüinier am 
Anfange des Gebet- und Rituaiienbuchs. Unter den Vorschrifien, die Pecfai fCa 
Sterbefälle giebt, lautet der 5. Punkt: ^^Sobald ein Menseh gestorben ist, 
schüttet man sofort alles Wasser aus, welches in dem betreffenden 
H^use, oder in den benachbarten Häusern zu finden ist, denn man sagt, dass 
<^er Tode sengel seine Waffe, mit welcher er den Menschen 
Umgebracht hat, in diesem Wasser abwasche.* 

* Die Quellen s. in meinem ,A Szombatosok* S. 802 ; vgl. ob. S. 117 u. 186. 

13* 



ne 



eigenen Geistlichen hatten, das angesehenste Mitglied der 
Gemeinde, der auch das bei den Juden übliche Gebet für den 
Fürsten sprach. 

Den Sabbath beobachteten sie mit äusserster Strenge, 
wenn auch manche ihr Gesinde am Ruhetage arbeiten Hessen . 
Die Glaubens strengen »gingen am Samstag nicht einmal ins 
Dorf hinaus«, sondern hielten sich in ihren Häusern. Die Frauen 
»zogen solche weisse Kleider an, die sie an Wochentagen nicht 
trugen«; das Anzünden der Sabbathlichter war ihre specielle 
Pflicht. Die Speisen für den Sabbath wurden schon am Freitag 
zubereitet; was ihr Gesinde, oder ihre Feldarbeiter für ihren 
eigenen Gebrauch am Sabbath kochten, galt ihnen als verbotene 
Speise. Das Feuer auf dem Herde und im Ofen wurde schon 
Freitag nachmittags ausgelöscht, und erst am Sabbathausgang 
wieder angezündet. 

Neben der Sabbathruhe war es* namentlich die strenge 
Beobachtung des Passah, was die Sabbatharier als solche zu 
verrathen pflegte. In den Sabbatharierprocessen am Schlüsse 
dieser Periode wird gegen die Angeklagten regelmässig als 
stärkster Schuldbeweis die Zeugenaussage geltend gemacht, sie 
hätten »das Fest der ungesäuerten Kuchen beobachtet«, oder 
»während des Festes nur ungesäuertes Brod genossen.« 

Auch die übrigen jüdischen Feste feierten sie in ähnlicher 
Weise, wobei sie die betreffenden Bräuche und Ceremonien, 
soweit es die Verhältnisse gestatteten,^ aufs gewissenhafteste 
beobachteten, und die vorgeschriebenen Festgebete in feierlicher 
Versammlung verrichteten. ^ Zu diesen Gebeten kamen noch 
religiöse Lieder, in erster Linie die oben (S. 177) gekennzeich- 
neten neuen sabbatharischen Gesänge, sodann auch solche 
ältere, welche mit den streng jüdischen Tendenzen des neueren 
Sabbatharierthums nicht in Widersprüchen standen.» 

Dass die damaligen Sabbatharier, die in sechs verschie- 
denen Schriften Pechis* eingehend behandelte jüdische Sitten- 

1 Den Feststrauss am Hüttenfeste z. B. scheinen sie nicht gekannt zu 
haben; die Beschaffung des Gederapfels (E thro g) sowie der Palmen- und 
Myrtenzweige dürfte ihnen kaum möglich 'gewesen sein. 

» Für alle diese Angaben s. die zeitgenössischen Quellen, zumeist protocol- 
larischaufgenommeneZeugenaussagen, in meinem^A Szombatosok* S. 802—6. 
. » Vgl. weiter unten das über das Neue Sabbathar. Gesang- 
buch Gesagte. 

* S. ob. S. 178. 



197 



lehre gekannt und, wenigstens in der Theorie, auch angenom- 
men haben, unterliegt wohl keinem Zweifel. In wie weit sie 
dieselbe auch bethätigten, lässt sich, bei dem Fehlen aller dies- 
bezügliche Nachrichten, nicht mehr feststellen. 



Verbreitung und Schicksale des Sabbatharierthums 
während der zweiten Periode seiner Geschichte 

(1624—1638.) 

Seitdem sich Pechi an die Spitze des Sabl)atharierthums 
gestellt hatte, war Szent-Erzsebet das sabbatharische Jerusalem 
geworden, wo Pechis Herrenhof der Tempel, und Pechis Arbeits- 
zimmer das Allerheiligste des Tempels war. Von dort ging- 
die »Judenzerei« aus, welche zwei zeitgenössische Quellen 
gleichmässig als »Krebsschaden« bezeichnen, der rasch und 
unaufhaltsam um sich greift.^ 

Rings um das kleine Szeklerdorf entstanden, oder, so weit 
sie schon vorhanden waren, erstarkten und erblühten die 
meisten und grössten sabbatharischen Gemeinden. Der Udvar- 
helyer Szeklerstuhl, in welchem Szent-Erzsebet lag, war kaum 
anderthalb Jahre nach Pechis öffentlichem Auftreten bereits 
»ganz von der Judenzerei inficirt.« Dasselbe war in dem an- 
grenzenden Maroser Stuhl der Fall, namentlich in der Stadt 
Marosväsarhely, wo die schon vordem in ansehnlicher Zahl 
vorhandenen Sabbatharier sich beträchtlich vermehrten.^ 

Auch Klausenburg war, um den Ausdruck eines zeit- 
genössischen Chronisten zu gebrauchen, »eines der Fundamente 
des Sabbatharierthums« geworden. ^ Letzteres hatte überall 
Eingang gefunden, wo Szekler wohnten und in Siebenbürgen 
das ungarische Wort erscholl. In diesem Sinne hat Stephan 
Katona v. Gelej, der glaubenseifrige Superintendent der sieben- 
bürgischen Reformirten, wohl nicht zu viel behauptet, wenn er, 
kurz nach der Verfolgung der Sabbatharier im J. 1638, mit 
Bezug auf die Verbreitung derselben, die Worte niederschrieb: 



» S. ob. S. 172 und Stephan Katona v. Gelej, Titkok titka S. 271. 
a S. ob. S. 103 u. 107 ; vgl. Kereszt. Magvetö XVIII. S. 43. 
3 Szalärdi, Siralmas Kronika (= Trauerchronik) S. 133 ; vgl. Monuni. 
Gomit X. S. 26. 



lOS 



•>Es ist offenkundig, dass die Judenzerei das Land beinahe 
überschwemmt hat.»' 

Unter denen, die das Sabbatharierthum aufgriffen, befan- 
den sich Leibeigne und freie Bauern, Bürger, sogenannte Tra- 
banten, die das damalige Heer bildeten, Comitats- und Staats- 
beamte, zahlreiche Mitglieder des unter den Szeklern stark 
verbreiteten Kleinadels, nicht weniger vom höhern szekler 
Adel, vor allem aber unverhältnissmässig viele Frauen, die 
sich ja an allen religiösen Bewegungen in hervorragender 
Weise zu betheiligen pflegen. Sie waren die eifrigsten Anhän- 
ger und standhaftesten Märtyrer der verpönten Lehre, zumal 
jene, die allein stehend, ihrer religiösen Ueberzeugung unbe- 
hindert folgen konnten. Daher die auffallend grosse Anzahl 
von Witwen, die sich in den Listen derer findet, die als 
Judenzer angeklagt, oder verurtheilt wurden.^ Aber auch ver- 
heiratete Frauen haben, oft wider den Willen ihrer Gatten, ja ihren 
Männern Trotz bietend, ihre Küche und ihren Haushalt jüdisch 
eingerichtet, und alles daran gesetzt, ihre Kinder zu Sabba- 
thariern zu erziehen. 

Ein interessantes nnd lehrreiches Beispiel ist das folgende: 
Franz Komis, Oberrichter des Udvarhelyer Stuhls, war 
Pechis Schwager, der Bruder seiner ersten Frau. Ihn selber 
vermochte Pechi nicht für seine religiösen Ansichten zu 
gewinnen; um so besser gelang ihm dies bei dessen Frau, 
Judith, einer geborenen Bornemissza v. Käpolna, die eine glau- 
benseifrige Sabbatharierin wurde. So oft sie ein Kind gebar, 
setzte sie der Taufe desselben den hartnäckigsten Widerstand 
entgegen, so dass ihr Gatte das Kind jedesmal förmlich stehlen 
musste, um es hinter ihrem Rücken taufen zu lassen. Darüber 
»kränkte sie sich sehr und zürnte darob« und beklagte sich 
bitterlich, dass ihr Mann das Kind taufen und damit, wie sie 
sich auszudrücken pflegte, »misshandeln« liess. Die wider ihren 
Willen erfolgte Taufe ihrer Kinder suchte sie durch eine streng 
sabbatharische Erziehung derselben wett zu machen. Nach 
den übereinstimmenden Aussagen mehrerer beeideter Zeugen 
hielt sie ihre Tochter Barbara »in erschrecklich strenger Dis- 



1 Titkok-Titka S. 271. 

* S. weiter über den Gerichtstermin zu De6s ; vgl. die Zeugenaussagen, 
Kereszt, Magvetö XVIII. S. 43 flg. 



199 



ciplin bezüglich des Genusses von Schweinefleisch, Krebsen 
und schuppenlosen Fischen«, und als sie einmal »in der Tasche 
derselben den Fuss eines Krebses fand, prügelte sie sie tüch- 
tig durch.« Als sie das bereits erwachsene Mädchen einst heftig 
tadelte, dass es »sich nur an die Schriften der Apostel, nicht 
aber an Moses und die Propheten halte«, sagte sie unter anderm: 
»Erinnerst du dich Bärbchen, mit wie schweren Prügeln ich 
dich zurückgehalten habe, eine Calvinerin zu werden V« 

Und die fanatische Frau hat gerade bei dieser Tochter 
ihr Ziel vollständig erreicht. Barbara hat später, als CJattin des 
Peter Paczolay von Szentbenedek, ebenfalls wider den Willen 
ihres Gatten, als eifrige Sabbatharierin gelebt. Wohl Hess sie 
ihre Leibeigenen am Sabbath arbeiten, auch pflegte sie ihren 
Gatten in die unitarische Kirche zu begleiten: bei alledem 
aber »beobachtete sie die judaisirende Religion.« Sie erklärte 
die Taufe für unnütz, feierte den Sabbath, genoss durch das 
mosaische Ceremonialgesetz verbotene Speisen nicht, und ass 
am Osterfeste ungesäuerte Kuchen.«^ Im Jahre 1638 ist auch 
sie als Judenzerin verurtheilt worden. 

Bezeichnend für die Verbreitung und Bedeutung des 
damaligen Sabbatharierthums ist die grosse Anzahl Märtyrer, 
welchen wir in dem Verfolgungsjahre 1638 begegnen werden. 
Die Sabbatharier Hessen scharenweise die ihnen gewährte 
letzte Frist verstreichen, ohne sich, wenn auch nur zum Sehern, 
einer der recipirten Landeskirchen anzuschliessen. Sie warteten 
vielmehr ruhig ab, bis man sie vor Gericht stellte, und ertru- 
gen sodann mit Ergebung die über sie verhängten harten 
Strafen. Bloss im Verlaufe des »Deeser Gerichtstermins« 
wurden nahezu tausend Sabbatharier verurtheilt; zu diesen 
kamen noch die Vielen, die der Vorladung nicht Folge leisteten 
und über welche erst später abgeurtheilt wurde. Aber schon 
damals wurden sie zu Hunderten in Ketten geschlagen und in 
die verschiedenen Festungen des Landes geschleppt. Und das 
waren bloss die Männer, denn die, allem Anscheine nach 
in noch grösserer Anzahl verurtheilten Frauen wurden nur 
mit dem Verluste ihrer Habe bestraft.^ Nun aber lehrt die 
Geschichte der Religionsverfolgungen, dass auf einen Mär- 

1 S. die Zeugenaussagen Tört. T4r, Jahrg. 1884, S. 546—557. 
* S. weiter unten über den Gerichtstermin zu Dees. 



200. 



• tyrer immer und überall hundert, ja tausen!d Solcher zu 
kommen pflegen, die in der Stunde der Entscheidung nicht 
stark genug sind, für ihre Ueberzeugung zu dulden und zu 
leiden. Die Zahl der damaligen Sabbatharier kann demnach, 
ohne Uebertreibung, auf fünfzehn bis zwanzig Tausend 
angesetzt werden. 

Und alle diese waren tief durchdrungen von der Rich- 
tigkeit und Heiligkeit ihres Glaubens, und im Innersten über- 
zeugt, dass sie durch Annahme und Uebung des mosaischen 
Gesetzes und der rabbinischen Tradition Bekenner der allßin 
wahren Religion geworden sind. 

Vordem, so sangen sie am Versöhnungstage, haben sie 
in Unreinheit gelebt, in den Netzen Satans schmachtend. Aber 
Gott hat sie, wie einstens Israel, aus der Finsterniss erlöst 
und »mit grosser Gnade erwählt unter den Kindern dieser 
Welt, auf dass sie zu ihrer Schar nicht mehr gehören.« 
Sie haben sich losgesagt »von der Blindheit ihrer Vorfahren«, 
von dem ererbten »Götzendienst« und haben gebrochen mit 
den Traditionen ihrer Ahnen.^ Sie waren sich dessen wohl 
bewusst, dass sie nicht zu »dem Gott ihrer Väter« beten 
(ob. S.l 83), und wiederholten es deshalb mit immer andern 
Worten, dass sie mit Bezug auf den Glauben keine Väter 
haben, sondern sich als Waisen fühlen: 



Was unsere Väter einstens angenommen, 
Und wir als Erb' von ihnen überkommen — 
Wir weisen's von uns, gehn nicht ihre Wege. 
wolle Herr der vaterlosen Armen, 
Der Waisen Dich erbarmen !* 



Ihre irdischen Väter verlassend, haben sie ihren himm- 
lischen Vater gefunden, dessen Willen sie nunmehr in Gemein- 
schaft mit den Juden erfüllen, und dessen wahre Verehrung 
wie bei jenen, so auch in ihrem kleinen Lager ist. Ihre sämmt- 
lichen religiösen Gesänge aus dieser Zeit schliessen mit über- 
strömendem" Danke dafür, dass Gott sie, die »wilden Setz- 
linge« auf seinen alten heiligen Baum gepfropft und seiner 



i Neues Sabb. G. B. 31, 6—7 ; 41, 23 ; 30, 8 u. s. w. 
2 Das. 41, 74; vgl 41, 19 u. 43, 6. 



201 



Wahrheit und der richtigen Uebung seines Gesetzes theilhaftig 
gemacht hat.^ 

Dass das Sabbatharierthum seit dem Tode des Fürsten 
Gabriel Bethlen derart erstarken und solche Fortschritte machen 
konnte, hatte es, neben Pechis eifriger Propaganda, der Gunst 
der damaligen politischen Verhältnisse zu verdanken. 

Georg Räköczi L, der in den ersten Jahren seiner Regie- 
rung vollauf zu thun hatte, seinen von verschiedenen Seiten 
bedrohten Fürstenstuhl zu sichern und zu festigen, durfte 
unnöthigerweise keine Schwierigkeiten heraufbeschwören. 
Er brauchte Freunde und Parteigänger, und musste Alles 
vermeiden, was ihm neue Widersacher schaffen konnte. Nun 
stand aber Pechi den Bethlens, welche die meisten seiner con- 
fiscirten Güter besassen, feindlich gegenüber (ob. S. 173), was 
ihm in den Augen Räköczis, der in Johann Bethlen, dem 
Bruder des verstorbenen Fürsten, einen gefährlichen Gegner 
sah, zur nicht geringen Empfehlung gereichte. Dazu kam, dass 
der schon früher mit den mächtigsten Familien des Landes 
verschwägerte Pechi durch die Verheiratung seiner fünf Töchter 
zu ebenso vielen angesehenen Familien in neue verwandt- 
schaftliche Beziehungen getreten war.^ Räkoczi hatte demnach 
alle Ursache, den wieder zu Reichthum, Ansehen und Einfluss 
gelangten und von einer Schaar fanatischer Anhänger umgebe- 
nen Mann zunächst noch rücksichtsvoll zu behandeln, gegebe- 
nen Falls sogar seine guten Dienste in Anspruch zu nehmen. 
Pechi, der die Stelle eines Regierungsrathes bekleidet zu haben 
scheint,^ hatte beim Hofe freien Zutritt, und stand noch unmit- 
telbar vor seiner im Jahre 1638 erfolgten Verurtheilung in 
persönlichem Verkehr mit dem Fürsten.* 

Raköczi wurde, wie wir oben (S. 172) gesehen, bald nach 
seinem Regierungsantritte von der herrschenden reformirten 
Kirche mit bittern Klagen über das einem Krebsschaden gleich 
um sich fressende Sabbatharierthum und dessen Führer Pechi 

1 Das. 28, 1; 30,9; 29, 22; 41,20; 27,42; 31, 26. Diese Dank- 
sagungen fehlen nur in jenen Gesängen, welche poetische Bearbeitungen 
jüdischer Gebelstücke sind. 

* lieber die Familienverhältnisse P6chis s. weiter. 

« S. die i. J. 1633 im Namen des Regierungsrathes an den türkischen 
Feldherrn gerichtete Antwort P6chis, Monum. Comit. X. S. 244. 

* S. die Briefe P6chis aus d. J. 1637, Kereszt. Magvelö XVIII. S. 170. 



202 



bestürmt. »Deshalb — so schliesst die betreffende Beschwerde- 
schrift — bitten wir ergebenst, Ew\ Hoheit wolle in Ihrer 
Weisheit, im Vereine mit Ihren Käthen, Mittel und Wege 
finden, die Weiterverbreitung dieser schädlichen Secte zu ver- 
hindern, wofür der Herr Ew. Hoheit segnen und in der Regie- 
rung befestigen wird.« 

Rdköczi hat diese Beschwerdeschrift wohl mit dem eigen- 
händigen Vermerk versehen: »In der Sache muss serio requi- 
riret werden;« thatsächlich ist aber nicht einmal das geschehen. 
Pechi und sein Anhang blieben vollständig unbehelligt, trotz- 
dem sich kaum zwei Jahre später ein Ereigniss abspielte, das 
ganz danach angethan war, den Sabbathariern den Hass und 
die Rachsucht des ohnehin misstrauischen und gewaltthätigen 
Fürsten zuzuziehen. 

Moses Szekely, der Sohn des im Jahre 1603 gefallenen 
gleichnamigen siebenbürgischen Fürsten, Oberrichter des Udvar- 
helyer Szeklerstuhles, gin^ nämlich im Jahre 1633 mit mehre- 
ren Gesinnungsgenossen heimlich aus dem Lande und schloss 
sich dem Türken an, welchen er die Ueberlassung einiger 
siebenbürgischer Landestheile versprach, falls es ihm mit Hilfe 
der Pforte gelingen sollte, Räkoczi zu stürzen und dessen 
Fürstenstuhl einzunehmen. Mit den wenigen Truppen, die er 
vom Pascha in Temesvär erhielt, und einer kleinen Schar von 
Szeklern, die sich ihm angeschlossen hatte, versuchte er bald 
darauf in Siebenbürgen einzufallen, ward aber geschlagen, worauf 
er nach Konstantinopel flüchtete, wo er über Betreiben des 
Gesandten Räköczis eingekerkert wurde. 

Nun war aber die Mutter dieses Szekely eine Schwester 
von Pechis erster Frau (ob. S. 138). Der Verdacht, dass dieser an 
dem Unternehmen seines Neffen betheiligt war, lag umso näher, 
als auch ein zweiter Neffe Pechis, Franz Petki, sich den Auf- 
ständischen angeschlossen hatte, und die ersten, die mit Moses 
Szekely das Land verlassen hatten, um sich den Türken anzu- 
schliessen, zumeist Sabbatharier, sämmtlich aus dem Udvar- 
helyer Stuhle, also aus Pechis nächster Nachbarschaft waren. 
Räkoczi glaubte auch zu wissen, dass die Sabbatharier im 
ganzen Lande mit Szekely einen geheimen schriftlichen Ver- 
kehr unterhielten und ihm Nachrichten und Hilfsgelder zu- 
kommen Hessen. 

Alle diese Umstände sprechen dafür, dass Moses Szekely 



203 



gleich den meisten übrigen Verwandten Pochis, selber Sal)ba- 
tharier war. und dass die Sabbatharier sein Unternehmen, 
wenn auch nicht gerade veranlasst, so doch eifrig gefördert 
haben. Sie standen damals auf dem Gipfel ihrer, freilich nie- 
mals grossen Macht, ihr Selbstbewusstsein war mit der Zahl 
ihrer Anhänger gestiegen, und sie scheinen sich mit weit- 
gehenden Plänen getragen zu haben. Sie erwarteten offenbar, 
dass ein Fürst, der ihre religiösen Anschauungen theilte, wenn 
er durch ihre Hilfe zur Herrschaft gelangt, ihnen und ihrer 
Secte das goldene Zeitalter bringen werde.* 

Räköczi war zwar, wie er seinen Vertrauten gegenüber 
äusserte, im Innersten überzeugt, dass die Sabbatharier, na- 
mentlich Pechi, 'den Aufstand Szekelys unterstützten; nichts- 
destoweniger Hess er sie auch nach Niederwerfung des Auf- 
standes vollständig unbehelligt. Er konnte und wollte ihnen 
ihre Treulosigkeit nicht nachweisen. Auch war Pechi loyal, 
oder vorsichtig genug, im Verlaufe der Unterhandlungen, die 
während des Aufstandes mit den Türken geführt wurden, 
im Namen des Regierungsrathes entschieden für Räkoczi ein- 
zutreten.3 

Die Ruhe und Sicherheit, deren sich die Sabbatharier 
erfreuten, wurde auch durch die strengen Beschlüsse nicht 
gestört, w^elche der Landtag zwei Jahre später (1635) gegen sie 
fasste. Die zur Unterdrückung des Sabbatharierthums geschaf- 
fenen älteren Gesetze w^urden wohl neuerdings, jetzt zum 
sechstenmale bekräftigt, weil die versammelten Stände die 
Wahrnehmung machten, »in welchem Masse die im Lande 
befindlichen judaisirenden Menschen sich vermehren.« Es wurde 
beschlossen, dass Alle, die sich bis zu Weihnachten des kom- 
menden (1636-er) Jahres nicht feierlich vom Sabbatharierthum 
lossagen und öffentlich zu einer der recipirten christlichen 
Kirchen übertreten, mit dem Tode und mit Vermögenseinzie- 
hung bestraft werden. ^ 

Aber dieser Termin verstrich, und die Sabbatharier blieben 
gänzlich unbehelligt. Mittlerweile waren nämlich zwischen 

1 Diese Annahme erklärt den sonst unverständlichen, durch die Jamalige 
polilische Lage durchaus nicht motivirten Ausbruch und das schmähliche Ende 
der Empörung Sz6kelys ; s. über dieselbe K e m 6 n y, Selbstbiographie S. 259 ; 
Szalardi, a. a. 0. S. 45 u. Monum. Gomit. Tr^nss. IX. 163 u. X. S. 16. 

» Monum. Gomit. X. S. 244. 

8 Das. IX. S. 415. 



204 



Räköczi und Stephan Bethlen ernste Misshelligkeiten ausge- 
brochen, die zuletzt zum Kriege führten. 

Bethlen, der sich mit dem Pascha von Ofen verbündet 
hatte, griff mit einem aus ungarischen und türkischen Truppen 
bestehenden Heere die zu Siebenbürgen gehörigen ungarischen 
Landestheile an. Die siebenbürgischen Stände, unter welchen 
»aus Furcht vor den Türken eine grosse Beunruhigung herrschte« 
bezeigten nur wenig Eifer für die Sache Rakoczis, vi^ährend 
Pechi, schon infolge des feindseligen Verhältnisses, in welchem 
er zu Bethlen stand, den bedrängten Fürsten nach Kräften 
unterstützte. Seinem Beispiele folgten selbstverständlich alle 
Sabbatharier, die beim Ausbruch des Krieges einen allgemeinen 
Bet- und Bussetag abgehalten zu haben scheinen. Das von 
Pechi verfasste »Gebet wider Waffen gefahr«, welches von der 
schmerzlichen Klage ausgeht, »dass im Vereine mit einer 
fremden Nation, unser eigenes Volk aufgebrochen ist und 
unser Land und unsere Güter verwüstet«, ist nämlich wahr- 
scheinlich aus diesem Anlasse geschriebei;.^ Die fastenden 
Sabbatharier flehten »zu dem Herrn der Heerschaaren, dem 
allmächtigen und unbesiegbaren König, der auf den Cherubim 
thront«, er möge das Land »vor den gefährlichen Verwüstun- 
gen und den Waffen der grimmigen Völker beschützen« und 
die Feinde »vernichten und zu Schanden werden lassen.« 

Franz Parkas, einer der Schwiegersöhne Pechis, erschien 
noch vor Ausbruch des Krieges als Vertrauensmann und Ge- 
sandter Rakoczis wiederholt im Lager Bethlens, um mit diesem 
zu unterhandeln. Pechi selber hat nach Beendigung des Krieges 
sowohl den mit den Türken abgeschlossenen Friedensvertrag, 
als auch das mit Bethlen getroffene Uebereinkommen im Namen 
des Fürsten mitunterschrieben.^ 

Am Anfange des Jahres 1637 sah sich Räköczi endlich 
als Herrn der Situation und stark genug, gegen Pechi und die 
Sabbatharier, mit deren Hilfe er soeben gesiegt hatte, mit aller 
Strenge aufzutreten. Er beschloss, die ihm günstige Situation 
zu benützen, und gegen die Sectirer und ihr Oberhaupt einen 
entscheidenden, wenn möglich vernichtenden Streich zu führen. 

* Das betreffende Gebet ist in den meisten Handschriften von P6chis 
Gebet- und Ritualienbuch zu finden. 

8 Tört. Tar 1884, S. 309 flg. ; üj Magy. Muzeum (= Neues Ung. Museum; 
1856. S. 245—6 ; Monum. Comit. IX. S. 580. 



205 



Georg Räköczi I. bereitet einen vernichtenden 
Schlag gegen das Sabbatharierthum vor. 

Auf den Entschluss Georg Raköczis I., gegen das Sabba- 
tharierthum auf das rücksichtsloseste vorzugehen, haben (iründe 
der verschiedensten Art bestimmend eingewirkt. 

Die Sabbatharier bekannten sich zu einer Religion, deren 
l'ebung von der höchsten gesetzgebenden Körperschaft Siol)en- 
bürgens, dem Landtage, wiederholt aufs strengste verboten 
und mit den härtesten Strafen belegt worden war Das Sabl)atha- 
rierthum, das damals bereits ein halbes Jahrhundert bestand, 
war thatsächlich eine ebensolange fortgesetzte Ilerausforderunir 
und Verhöhnung des bestehenden Gesetzes. Rdkoezi konnte 
sich daher mit Recht darauf berufen, dass er mit der Unter- 
drückung desselben nur eine Regentenpflicht erfülle, und mit 
der Züchtigung der Sectirer das beleidigte Gesetz an Jenen 
räche, die es umgingen und verletzten. 

Er konnte sich ferner auf sein christliches Gefühl berufen, 
wenn er es nicht dulden mochte, dass eine aus dem Christ en- 
thum hervorgegangene, aber zu demselben in directem Wider- 
spruche stehende neue Religion in seinem Lande feste \\iirzel 
fasse. Eine solche Religion war aber das Sabbatharierthum, 
zumal seitdem es unter Pechis Führung die letzten Fäden, 
welche es noch mit dem Christenthum verbanden, gelöst und 
sich dem Judenthume so weit genähert hatte, dass seine 
Bekenner geradezu »der Uebung der jüdischen Religion« 
beschuldigt werden konnten (ob. S. 192). Der Uebertritt zum 
Judenthume galt aber, im Sinne der Traditionen und der 
Politik des damaligen -christlichen Staates, als schweres Ver- 
brechen, das überall mit grösster Strenge geahndet wurde. 

Dazu kam,' dass die durch ihre bisherige Straflosigkeit, 
durch Pechis offene Parteinahme und durch die rasche Ver- 
breitung ihrer Secte übermüthig gewordenen Sabbatharier 
immer herausfordernder aufzutreten begannen. Sie begnügten 
sich nicht damit, dass sie ihre jüdischen Bräuche öffentlich 
üben, Synagogen einrichten, hier und dort sogar christliche 
Kirchen für sich in Anspruch nehmen durften, sondern glaubten 
die Zeit bereits gekommen, dem Hohne und der Beschimpfung» 
mit welchen man sie überhäufte, mit denselben Waffen zu 



206 

begegnen. Sie schwiegen nicht mehr, wenn man sie lächerlich 
machte, oder verlästerte ; namentlich die den untern Volks- 
schichten angehörigen Sabbatharier pflegten auf die plumpen 
Angriffe ihrer, auf derselben niedrigen Bildungsstufe stehenden 
Umgebung nicht selten in der rücksichtslosesten Weise mit 
rohen und beleidigenden Worten zu erwidern. 

Solche Worte waren damals allerdings nichts Unge- 
wöhnliches, sondern der allgemein übliche Ausdruck des 
derben Tones, in welchem theologische Streitfragen, selbst in 
gebildeten und gelehrten Kreisen behandelt wurden. So nennt 
z. B. der damalige Hofprediger Parkas Katona v. Gelej, nach- 
mals Bischof der siebenhürgisch-calvinischen Kirche, in einer 
Räköczi I. gewidmeten theologischen Schrift die Unitarier 
bald »N u 1 1 i t a r i e r, d. h. Menschen ohne Gott,« bald Heiden, 
Ketzer, Narren, oder Blödsinnige. Georg Enyedi, den gelehrten 
Bischof der Unitarier, bezeichnet er ebendaselbst als »Glied 
des Teufels«, als »durch das Feuer der Hölle zu reinigende 
unreine Seele«, und die unitarische Religion als »verdammten 
Irrthum«, »pestilenzialische Ketzerei« und als »verfluchte, 
ansteckende, aussätzige Saat.« Und dabei versichert er in dem 
Vorworte: »Ich habe es nicht versucht, die Unitarier durch 
harte, unerträgliche, rachsüchtige Worte absichtlich zu belei- 
digen.«^ 

Bei alledem ist es unläugbar, dass das christliche Bewusst- 
sein sich tief verletzt fühlen musste, wenn über kirchliche 
Bräuche wegwerfend gesprochen und über Jesus Aeusserungen 
laut wurden, wie z. B.: »Meinetwegen, mag auch Christus 
mir nicht helfen, hat er sich doch selber nicht helfen können!« 
Solche und ähnliche Aeusserungen Hessen sich aber die Sab- 
batharier, und mehr noch die von ihnen zu unterscheidenden 
und in gewissem Sinne dennoch zu ihnen gehörigen sogenannten 
»Gotteslästerer,« wie es scheint, nicht sehen zu Schulden 
kommen. 2 

Um diese Zeit hatten nämlich, in Folge nationaler und 
persönlicher Eifersüchteleien und Streitigkeitidi^ die im Schosse 
der unitarischen Kirche ausgebrochen waren^ die gewaltsam 

1 S. Titkok titka, Vorwort aH den Leser vl das. S. 202—3, 272-5 
1072 u. s. w. 

« Keresztöny Magvetö XVm. S. 44; Moaum. Comit. X. S. 28 



207 



unterdrückten Lehren des unitarischen Reformators und Mär- 
tyrers Franz Davidis neuerdings zahlreiche Anhänger gefun- 
den. Es kam so weit, dass die sächsischen und polnischen^ 
Lnitarier Siebenbürgens gegen ihre ungarischen, beziehungs- 
weise szekler Glaubensbrüder öffentlich die Anklage erhoben, 
dass sie »die Anbetung Christi und den Glauben an ihn ent- 
weder vollständig verbieten, oder gar verlästern.«* Von 
Räköczi zur Formulirung ihres Glaubensbekenntnisses auf- 
gefordert, gaben sie erst nach langem Zaudern und nachdem 
sie drei Synoden abgehalten hatten, die Erklärung ab, dass 
sie den Glaubenssatz anerkennen, welcher die Anbetung 
Christi lehrt. 

Der obenerwähnte reformirte Bischof Katona v. Gelej 
mag, als geschworener Feind der Unitarier, in seinen Anklagen 
gegen dieselben zu weit gegangen sein: im Ganzen und Gros- 
sen waren sie sicherlich begründet. Was er zum Theil selber 
gesehen und erfahren haben will, stimmt mit den im Jahre 
1638 vor dem Gerichtshof in Dees gemachten Zeugenaussagen 
im wesentlichen überein. Unter den damaligen szekler Uni- 
tariern haben viele über Jesus und über christliche Dogmen 
und Bräuche ebenso rohe, ja noch verletzendere Aeusserungen 
fallen lassen, als die Sabbatharier.^ 

Diese im Lager der ungarischen Unitarier entstandene 
religiöse Bewegung lief mit der damaligen raschen Verbreitung 
des Sabbatharierthums parallel; die erstere hat der letztern 
unbestreitbar namhaften Vorschub geleistet. Ausserdem haben 
sich die szekler Sabbatharier, so oft sie im Namen des Ge- 
setzes verfolgt wurden, regelmässig hinter die ungarischen 
Sabbatharier versteckt, aus deren Mitte sie hervorgegangen 
waren, zu welchen sie äusserlich noch immer gehörten, und 
mit welchen sie, abgesehen von ihren jüdischen Bräuchen und 



^ Unter den sächsischen Unitariern sind selhstverständlich die siebenbüiger 
Sichsen za verstehen; die unifcarische Kirche im benachbarten Polen galt als 
Mutt^kirche, welcher der Streit der siebenbOrgischen Unitaricr zur Entscheidung 
▼oq^elegt wurde. Uebrigens gab es auch SiebenbOrger polnischer Nationalitftt, 
welche Unitarier waren. 

* Monnni. Comit. X. S. 17—8. 

s Ueber diese, mit dem Sabbatharierthum gleichzeitig unt^drückte Bewe- 
gung unter den siebenbürgischen, speciell ungarischen Unitariern s. die Quellen 
in meinem ,A Szombatosok'* S. 215—6. 



208 



Gebeten, in dogmatischer Beziehung die meisten Berührungs- 
punkte hatten.^ 

In dieser Sachlage musste Räköczi einen fernem Grund 
zur unerbittlichen Unterdrückung des Sabbatharierthums er- 
blicken. Er wollte, offenbar auf Betreiben seines fanatischen 
Hofpredigers Katona v. Gelej, die gute Gelegenheit benützen, 
gleichzeitig auch die Unitarier zu schwächen und zu schädigen 
— selbstverständlich zu Gunsten seiner eigenen Kirche, der 
calvinischen, die damals in Siebenbürgen die herrschende war. 
Wie fest er bei seinem Vorgehen gegen die Sabbatharier auch 
dieses Ziel im Auge behielt, wird sich aus den weiter unten 
erzählten Ereignissen ergeben. 

Dazu kamen noch ernste Rücksichten politischer Natur. 
Es IS bereits oben (S. 203) erzählt worden, dass Räköczi den 
vielleicht nicht ganz unbegründeten Verdacht hegte, dass Pechi 
und die Sabbatharier die Ränke des mit den Türken verbün- 
deten Thronprätendanten Szekely im geheimen unterstützten. 
Sein Verdacht wurde durch seine Gesandten in Konstantinopel 
genährt und wach erhalten. Einer derselben schrieb ihm noch 
am 14. September 1635, also zwei Jahre nach Vereitlung des 
Szekely'schen Putsches: »In Siebenbürgen glimmen noch Kohlen 
von dem Szekely'schen Brande; es müsste mit Wunder- 
dingen 5iugehn, wenn namentlich Simon Pechi 
nicht dabeibetheiligt wäre.w^ Der in Konstantinopel 
eingekerkerte Moses Szekely konnte in den Händen der Tür- 
ken gelegentlich noch als gefährliche Waffe gegen Räköczi 
benützt werden, dem noch im März 1636 ein Eilbote die 

* Als Räköczi die szekler Unilarier aufforderte, ihr Glaubensbekehnlniss 
vorzulegen, beschlossen sie in der i. J. 1637 zu Torda abgehaltenen Synode, 
dieser. AuffordÄrung mit der Ueberreichung des zur Widerlegung der Trinitäts- 
lehre geschriebenen Buches ihres einstigen Bischofs Georg Enyedi zu entsprechen, 
desselben Enyedi, der als „Halbjude " verschrien war. Dieses Buch (Explicationes 
Locorum Scripturae Veteris et Novi Testamenti, ex quibus Trinitatis dogma 
stabiliri solet S. a. e. 1.) enthält aber u. a. den Passus : „Es ist eine gewisse 
Sache, dass Christus und die Apostel mit Moses nicht im Widerspruche stehen/ 
Dieselbe Ansicht verficht noch in dem Vorworte seiner 16.19 erschienenen 
ungarischen Uebersetzung dieses Buches der damalige unitarische Bischof 
Matthäus Toroczköi, dessen Sohn später, während der De6ser Gerichtsverhand- 
lungen, gesteinigt wurde. S. das folg. Kap. Vgl. Kurz, Magaz. f. Gesch. u. Literat. 
Siebenbürgens H. S. 426. 

» Monum. Corait. Transs. IX. S. 193 u. X. S. 16. 



209 



alarmirende Nachricht brachte, in Belgrad sei das Gerücht 
verbreitet, däss Szekely aus der Haft entlassen wurde und dem- 
nächst dorthin kommen werde.^ Der beunruhigte Fürst glaubte 
demnach in Pechi und den Sabbathariern geheime Verbündete 
eines noch immer zu fürchtenden Feindes zu treffen. Durch 
ihre Vernichtung sollten die »noch glimmenden Kohlen des 
Szekely'schen Brandes« vollends ausgelöscht werden. 

Zu allen diesen Gründen gesellte sich noch Räkoczis 
unersättliche, erbarmungslose Habgier, die sich ihrer Opfer 
am liebsten unter gesetzlichen Vorwänden und Formen zu 
bemächtigen suchte. 

Zeitgenössisohe Berichte der verschiedensten Art wissen 
gleichmässig davon zu erzählen, dass der Fürst denjenigen, 
deren Güter ihm in die Augen stachen, unter irgend einem 
Vorwande einen Process anzuhängen pflegte, ki w^elchem er 
sie zum Verluste ihres Vermögens verurtheilen Hess, das er 
sodann für sich mit Beschlag belegte. Das rückt ihm ein zeitg- 
nössisches Spottgedicht mit den schärfsten und beissendsten 
Worten vor;^ der nachmalige Fürst Johann Kemeny wieder- 
holt es in ruhigem Tone und mit der Bemerkung »ich schreibe 
die Wahrheit cum reverentia,«» aber mit derselben Bestimmt- 
heit, und zahlreiche schreiende Thatsachen bestätigen diese 
Anklage, deren Wahrheit die richtende Geschichte anerkannt 
hat.* Neben religiösen und politischen Gründen war es sicher- 
lich auch Habgier, was Räköczi zur Verfolgung der Sabbatharier 
bestimmt hat. Die in den Sabbatharierprocessen erllossenon 
Urtheile lauteten bald auf Kerker-, bald auf Todesstrafe, dazu 
aber immer auf Confiscirung des Vermögens. Wir 
werden sehen, dass sie dem Fürsten thatsächlich ein bedeu- 
tendes Vermögen eingebracht haben. Die Freiheits- und Todes- 
strafen' sind nämlich fast immer erlassen, die confiscirten 
Güter aber n i e zurückgegeben worden. 

Der immer vorsichtige Raköczi bereitete den Streich, 
den er aus allen diesen Gründen gegen das Sabbatharierthum 
zu führen gedachte, auf das sorgfältigste vor. 

* Joseph Kemeny, Notitia bist. — diplom. II. S. 264. 

» Veröffentlicht von Koloman Thaly, Tört. Tär, 1881. S. 408. 
3 Selbstbiographie S. 236—7. 

* Köväry, Gesch. v. Siebenbürgen V. S. 29 flg.; Horväth, Gesch. v. 
Unj:am V. S. 390. 

Dp. Kohn ; Sabbatharier. 14 



210 



Zunächst Hess er, noch im Jahre 1637, an David Beke, 
den ungarischen Bischof der Unitarier, den strengen Befehl 
ergehen, er solle sein Glaubenbekenntniss klar formuliren und 
dem am 23. April des nächsten Jahres zusammentretenden Land- 
tage vorlegen. Räköczi sah voraus, der Bischof werde nur solche 
Glaubensartikel einzureichen wagen, welche die Gottheit und 
Anbetung Jesus anerkennen. 

Damit verfolgte und erreichte er einen doppelten Zweck. 
Er konnte die Unitarier, die sich gegen dieses Glaubensbe- 
kenntniss vergangen hatten, als Gotteslästerer zur Verantwor- 
tung ziehen ; anderseits verschloss er damit die Hinterthüre, 
durch welche sich die Sabbatharier bis jetzt noch jedesmal zu 
retten wussten: sie konnten sich nicht mehr hinter die Unita- 
rier verstecken. Die Unitarier, in deren Mitte heftige Streitig- 
keiten ausgeljFOchen waren, sahen sich selber von Räköczi 
bedroht, und wiesen jetzt die Sabbatharier, welchen sie vor- 
dem bereitwillig ihre Reihen geöffnet hatten, demonstrativ 
zurück. Die Sabbatharier aber mussten, wenn auch nur zum 
Schein, einer der vom Staate anerkannten vier Religionen 
angehören. Sie bekannten sich bis jetzt nach aussen hin als 
Unitarier; wurde ihnen dieser Name, der ihnen als Schild 
diente, genommen, standen sie der Strenge des Gesetzes, das 
sie verfolgte, schutzlos gegenüber. 

Der scharfsichtige Pechi erfasste sofort den vollen Ernst 
der Lage. Er kannte Räköczi und sah vorher, dass das heran- 
nahende Gewitter zumeist ihn und seine Habe bedrohe. Er 
übertrug daher seine sämmtlichen unbeweglichen Güter an 
seine vier Schwiegersöhne, von welchen er sich aber einen 
Revers ausstellen Hess, der ihm das Recht sicherte, diese 
Güter nach Gutdünken zu verwalten.^ 

Räköczi, der langsam, aber sicher vorzugehen liebte, 
Hess aber auch auf dem am 23. April 1638 in Karlsburg 
eröffneten Landtage noch keine entscheidenden Schritte gegen 
die Sabbatharier unternehmen. Die versammelten Stände 
beschränkten sich darauf, eine grössere Comission zu entsenden, 
in welche jede der vier recipirten Religionen siebzehn Mit- 

* Diese Vorsichtsmassregel erwies sich in der Folge als nutzlos ; Peclii? 
Güter wurden dennoch confiscirt. Er, oder einer seiner' Schwiegersöhne hat 
seinem Aerger später dadurch Luft gemacht, dass er auf die Aussenseite lle^ 
noch vorhandenen Reverses die Worte setzte : „Gut für den Hund.* 



an 



glieder zu wählen hatte. Diese Commission sollte am 1. Juli in 
Dees zusammentreten, sich dort als Gerichtshof constituiren, 
und zunächst über das den ungarischen Unitariern abgefor- 
derte Glaubensbekenntniss aburtheilen. 

Auf diesen »Deeser Termin« sollte der »Director des 
Fürsten«, dessen Stellung ungefähr der eines modernen Staats- 
anwaltes entsprach, auch sämmtliche Sabbatharier vorladen, 
welche bis zu dem von dem 1635-er Landtag festgesetzten 
Zeitpunkt zu keiner der gesetzlich anerkannten Religionen 
übertreten waren (ob.S.203). Mittlerweile sollte er die Angeklag- 
ten verhören, Zeugen vernehmen und alles derart vorbereiten, 
dass »die Sache in Dees finaliter erledigt werde.«^ 

Die exmittirte Commission versammelte sich bald nach 
dem Schlüsse des Landtages zu Dees und leitete die ent- 
sprechenden vorbereitenden Schritte ein. Unter anderem ver- 
ordnete sie die, auch sofort in Angriff genommene, Gon- 
fiscirung der sabbatharischen, sowie jener unitarischen Schrif- 
ten, die ebenfalls als ketzerisch galten.^ Gleichzeitig wurde im 
ganzen Szeklerlande mit der Eruirung und protocollarischen 
Vernehmung der Angeklagten und Zeugen begonnen. Jene, 
gegen welche belastende Aussagen gemacht wurden, erliielten 
den strengen Befehl am 1. Juli vor der Gerichtscommission in 
Dees zu erscheinen. »Es waren ihrer mehrere hundert, wenn 
nicht gar tausend«, unter ihnen Pechi, seine Töchter und viele 
seiner Hausgenossen und Verw^andten. 

Die Sabbatharier ergriff Furcht und Entsetzen. Viele 
unter ihnen, welche die ihnen vor drei Jahren gestellte Frist 
verstreichen Hessen, ohne ihre Irrthümer öflentlich abzuschwö- 
ren und sich einer der christlichen Confessionen anzuschliessen, 
beeilten sich jetzt, ihr Versäumniss nachträglich gut zu machen. 

Pechi blieb unerschütterlich. Er machte nicht einmal den 
Versuch, durch eine derartige Verleugnung seiner Ueberzeu- 
gungen, die Gefahr zu beschwören, welche ihn und sein Haus 
an\ meisten bedrohte. In frommer Ergebung sah er den Ereig- 
nissen entgegen, die ihre dunklen Schatten vorauswarfen, und 
Wickte voll Vertrauen zu Gott empor, auf den er auch die 



* Monum. Comit. X. S. 136. 

^ Das Verzeichn'ss der am 23. Mai in Klausenburg confiscirten sabbatha- 
'i^chen Bücher ist noch vorhanden, s. a. a. 0. das. S. 165 — 6. 

14* 



212 



Augen und Herzeii seitier Getreuen zu richten suchte. Et vei- 
fasste ein iVahrhaft ergreifetldes Gebet, in Welchem ef utn Hilfe 
und Errettung fleht, und verechickte es an die Sabbatharier. 
Aus diesem Gebete tönt uns die Stimme des unei*schutterlichen 
Glaubens entgegen, dei* von döt Heiligkeit seinei* Sache und 
der Ruchlosigkeit seiner Gegner tief durchdrungen Ist. Aus 
jeder einzelnen Zeile spricht die diesem Glauben entspringfende 
fanatische Begeisterung. 

Das »Bittgebet wider Verfolgung« verherrlicht zunächst 
die »einzige Einheit«, welche die Betenden erkannt haben, und 
fährt sodann fort: 

„Von einem andern, freknden Gölte hftben wir uns losgesagt und nur Dir, 
Alleinseiender, angeschlossen. Du hast uns weggerufen von der Freundschaft 
dieser Welt, und wir haben uns Dir zugewendet ; Du hast uns den menschlichen 
Erfindungen entfremdet, imd wir haben uns Deinem Bunde genähert. Diese Welt, 
dieweil wir von ihr abgefallen, ist mit hartem Grimme und grossem Hasse 
aufgestanden wider uns. Weil wir die ihrem Gehirn entsprungenen Irrthümer 
nicht mit ihnen verehren, rüsten sie sich, dem Satan gleich, wider uns, und 
weil wir dein aus deiner Schatzkammer uns Unwürdigen geschenktes, köstliches, 
heiliges Gesetz nicht im Vereiae mit ihnen in den Koth treten wollen, bedräuen 
sie uns.* 

»Siehe, o Herr ! Deinetwegen sind wir, wie Lämmer zur Schlachtbank 
bestimmt; unsere Verfolger haben ihren Rachen aufgesperrt wider uns, gleich 
dem brüllenden, reissenden Löwen. Sie, die Deine Heiligthümer hassen imd 
verlästern, haben einen Tag festgesetzt wider uns,^ an wel- 
chem sie unsere geringe Habe unter sich v ertheil en, uns 
aus unseren Häusern vertreiben u^ d mit unsern kleinen 
Kindern in fremde Länder jagen wollen.* 

jjErhabener, der Du erhaben bist Ober Alles ! Erbarme Dich der Viel- 
betrübten, die gequält von vielen Treibern und Drängern sind. — Zieh uns 
empor aus den tiefen Abgründen um Deiner grossen Barmherzigkeit willen, 
denn Gott der Barmherzigkeit ist Dein Name. Thue es an uns um 
Deines grossen Namens willen, und erbarme dich Deiner kleinen Herde. — 
Thue es um Deiner Gerechtigkeit, thue es um Deines heiligen Bundes willen! 
Thue es um willen der unschuldigen Kleinen an der Mutter brüst ! Thue es um jener 
Schwachen, Einfaltigen Willen, die erst jüngst zur Erkenntniss 
Deiner Wahrheit gelangt, und noch zu schwach sind, Prü- 
fungen zu ertragen; Thue es um Deinet,- wenn nicht um unseretwiUen, und 
befreie uns !* 

, Unser Gott und der heiligen Väter Gott, befreie uns um Deines Namens 
willen. In unserer Bedrängniss flehen wir zu Dir. — Befreie uns und merke 
heute auf unser Flehen, denn nur Du bist unsere Herrlichkeit. Erhöre uns, 

* Gemeint ist der 1. Juni, der zur Eröffnung des „Deeser Termins* 
bestimmte Tag, für welchen die Sabbatharier vor den dortigen Gerichtshof 
citirt waren. 



213 



unser Vatpr, erhöbe uns I Erhöre uus, iWßer Erlöser^ erhöre uns ! — Unsere 
Hasser mögen es sehen und erröthen, unsere Feinde beschämt werden. Mögen 
sie es erkennen, dass Du Heiliger, unser Gott, uns geholfen und getröstet hast. 
Lass unser Schreien Eingang bei Dir finden und erhöre unsere Gebete. — Denn 
nur Du bist der I^ilige, dfff da erhOfet das Gebet jegliohen Mundes. Gebenedeit 
seist Du, AllmAcbtiger, Erbörer der Geb«^ !" 

Diesem Gßbet/ in welchem mehrere Stücke aus den jüdi- 
schen Bugii^gebeton nufgenomn^en sind, wurde von den ge- 
ängstigten S^bbfttbariern entweder täglich, oder an bestinamten, 
aus dieseni Anlasse festgesetzten Fasttagen mit »traurigen 
Melodien« verrichtet. 

Sie haben vergebens gebetet. Gott hat sie nicht erhört. 



Der „Termin von Pees." Verurthellung Pechis und 

seiner Anhänger. 

Der »Deeser Termin« wurde, wie vorher festgesetzt, pünkt- 
lich am 1. Juli (1638) eröffnet. Die kleine Stadt vermochte die 
Menschenmenge, die zu demselben zusammenströmte, kaum 
zu fassen. Der Fürst war persönlich erschienen; in seiner 
Begleitung befanden sich seine Räthe, die Richter der fürst- 
lichen Tafel, mehrere Obergespäne und sonstige hohe Beamte. 
Die Stände, welche der Landtag nach Dees delegirt hatte, 
waren vollzählig versammelt. Mit dem Bischöfe und den Ver- 
tretern der angeklagten ungarischen Unitarier kamen, als An-* 
kläger, die Wortführer der sächsischen .und polnischen Uni- 
tarier, endlich aber erschienen zu hunderten die zu diesem 
»Termin« citirten Gotteslästerer und Sabbatharier, Männer und 
Frauen, Leibeigene, Bauern und Adelige. 

Die vom Landtage exmittirte Commission beschäftigte 
sieh, über R&köczis Antrag, zunächst mit der Ordnung der 
Wirren und Streitigkeiten innerhalb der unitarischen Kirche. 
Die dtesbexüglichen Verhandlungen, welche in der reförmirten 
Kirche stattfanden, führten, nach Anhörung der Parteien und 



* Das Bittgebet vvid^r VerfolgUWg fli^det sicji in (Jen meisten 
Exemplare» von P6cbis Gebet- u, Rituaü^abußh, in der Regel nach der Ueber- 
setzung der sephardiscben Bussgebete (Seliaboth), von welchen es« wie 
sich aus den. hier mitgetheilten SteUep ergibt, niehrere Stücke aufgenoninieii 
und den damaligen Verhältnissen der Sabbs^tb^fie? angep^st hat. 



2 14 

nach langen und heftigen Debatten, am 7. Juli zu der söge-; 
nannten »Complanation von De6s.« Im Sinne derselben erkann- 
ten die ungarischen Unitarier, gleich ihren sächsischen und 
polnischen Glaubensbrüdern, das unitarische Glaubensbenntniss 
vom Jahre 1579 von neuem an und gelobten demgemäss, in 
Zukunft Christus göttlich zu verehren und anzubeten, und die 
Taufe ihrer Kinder im Namen der Heiligen Dreifaltigkeif 
vorzunehmen. Geistliche, welche von diesem Bekenntnisse 
abweichende Lehren verbreiten, sollten strenge bestraft, Bücher 
und Schriften aller Art, welche ihm widersprechen, bis zu 
einem gewissen Termin abgeliefert und vernichtet werden. 
Ueber die uRitarische Religion sollte ohne Genehmigung des 
Fürsten nichts mehr gedruckt werden dürfen. Alle Beleidigungen 
und Ausschreitungeny . die mittlen bisherigen Parteikämpfen 
innerhalb des Unitari^rthums -^ui^ammenhängen, sollten straflos 
bleiben ; »aber die J u d e n z e r und die Lästerer der Gott- 
heit und Herrlichkeit Chr^pti sollen von dieser Amnestie jetzt 

' ■ . ' , ' ' ' •« 

und späterhin in perpetvium e^clu(Jiret sein.«^ 

Die vom Landtage exmittirto gemischte Comission hatte 
mit dem Zustandekommen dieser .»Complanation« ihre Aufgabe 
gelöst. An ihre Stelle, trat eine Gerichtscommission, welche 
ihre Sitzungen im Curialgebäude abhielt. Die Richter, Notare 
und Obergespäne, welche sie bildeten, waren vonRaköczi 
selber ernanntword e n. Das Präsidium führte, iiv 
•Vertretung des Fürsten, Michael Toldalagi, Capitän der beiden 
S^eklerstühle Maros und üdvarhely, welchen die meisten 
Angeklagten angehörten. : Als öffentlicher Ankläger fungirte 
der »fürstliche Director,« beziehungsweise dessen Stellvertreter. 
Zur Vertheidigung der Angeklagten waren zahlreiche Ad vo- 
caten erschienen. • . . . , 

' .'I.'-,' ■/.. . "i^* *- 

Vor den Schranken die$er ßerichtecomlnissiön erschienen 
die Juden zier und die' Go.tties lästerer, ^yelche Öie 
»Complanation« von d^r allgemdnen Amnestie ausgeschlossen 
hatte. ; 



* Ueber die „Complanation von De^a'^ s. Monuni. Comit. X. S. 17—26 u. 
S. 167—180; Gabriel Hallers Tagebuch in Erd. Tört. Adatok (= Siebenbürg. 
Historische Daten) IV. S. 48 — 60; Alexius Jak ab in seiner Anm. zu Segesvixfs 
Chronik, a. a. 0. das. S. 215—7 und Alexander Szdkely, UnitAria Talläs 
törtön. (= Gesch. d. umtarisch. Religion) S. 137—9^ 



21& 

Die Deeser Processacten* halten cli(»se l)ei(lon Kategorien 

von Angeklagten consequent auseinander. Es konnte nämlich 

jemand thatsächlich Juden zt, d. h. jüdisch-religiöse Bräuche 

geübt haben, ohne je ein verletzendes, oder un(»hrerbietige8 

Wort über Jesus zu sprechen. Ist doch ein solches in Pechis 

sämmtlichen Schriften, die Jesus nur als Autorität für die 

richtige Uebung jüdischer Religionsgebräuche anführen 

(ob. S. 190), nirgends zu finden. Anderseits konnte jemand, der 

sich von den Sabbathariern vollständig fern gehalten und nie 

judenzt hat, sondern ein guter Unitarier aus der Schule Franz 

Davidis ^war, dennoch als »Lästerer der wahren Gottheit und 

Herrlichkeit Jesus« angeklagt werden, wenn er des Dogma 

von der Göttlichkeit und Anbetung Christi zurückweisend, 

sich zu wegwerfenden Aeusserungen über Jesus hinreissen 

Hess. So werden Pechi, seine Kinder, Verwandten und sabbatha- 

rischen Freunde sowohl in der Anklageschrift, als auch in 

den Zeugen verhören und Urtheilspublicationen immer blos der 

Judenzerei, aber nie der Gotteslästerung bezichtigt. Andere, 

die sich geringschätzig und beleidigend über Jesus geäussert 

hatten, Avurden wieder blos als Gotteslästerer, aber nicht als 

Sabbatharier verurtheilt. 

Diese Unterscheidung hat aber nur die Deeser Gerichts- 
commission gemacht. In den anderweitigen zeitgenössischen 
Quellen erscheinen Judenzer und Gotteslästerer, die 
oft miteinander verwechselt werden, zumeist als identische 
Begriffe. RÄköczi selber schreibt kurz vor dem Deeser Termine, 
dass man die Judenzer und jene Unitarier, welche Christus nicht 
anbeten wollten, »jetzt über einen und denselben Rahmen 
spannen werde.« ^ Wo daher die Processacten fehlen, ist es 
zumeist unmöglich, genau festzustellen, ob jemand als Sabba- 
tharier, oder als Gotteslästerer angeklagt, beziehungsweise 
verurtheilt wurde. 

Die Gerichtscommission entfaltete eine wahrhaft fieber- 
hafte Thätigkeit. Die gesetzlichen Formen wurden beobachtet : 

» S. dieselben Monam. Comit. X. S. 174—202 u. S. 208—216. Der gelehrte 
Herausgeber, Alexander Szilagyi, gibt in der zu diesem Bande geschriebenen 
Einleitung (S. 14—29) eine zusammenfassende, wenn auch nicht vollständige 
und in manchen Einzelheiten nicht immer richtige Darstellung der Vorgänge 
in Dees. 

« Kereszt, Magvetö IX. S. 155. 



116 

der öffentliche Ankläger brachte die Anklagepunkte vor ; die 
Angeklagten, die einzeln vernommen wurden, konnten sich 
der Reihe nach entweder persönlich vertheidige», oder durch 
ihre Anwälte vertreten lassen. Nichtsdestoweniger wurden 
die nach vielen Hunderten zählenden Processe binnen sieben, 
höchstens neun Tagen erledigt.^ 

Das Gesetz war klar, das Vorgehen möglichst einfach, 
für den Urtheilssprueh alles vorbereitet. Diejenigen, welche 
durch die schon früher aufgenommenen Zeugenaussagen, oder 
durch ihr schon früher abgelegtes Geständniss überwiesen 
werden konnten, dass sie am Sabbath und an jüdischen Feier- 
tagen keine Arbeit verrichteten, am Passah ungesäuertes Brod 
assen, sich des Genusses der Thiere enthielten, welche das 
mosaische Gesetz für unrein erklärt, oder dass sie ihre Kinder 
nicht taufen Hessen, das heilige Abendmahl nicht nahmen, die 
Kirche mieden, oder über ein Dogma des Christenthums sich 
wegwerfend geäussert hatten, »wurden sammt und sonders zum 
Verluste ihres Lehens und ihrer Habe verurtheilt«, ohne dass 
sie an ein höheres Forum hätten appelliren können.^ 

Dasselbe Schicksal traf auch jene Sabbatharier, welche 
die ihnen bis zu Weihnachten des Jahres 1635 gewährte Frist 
verstreichen Hessen, ohne sich zu einer der christlichen Landes- 
religionen zu bekehren, aber diese Unterlassung noch kurz 
vor dem Deeser Termin nachgeholt hatten (ob. S. 211). Ihre Hoff- 
nung, straflos auszugehen, wenn sie als Bekehrte vor dem 
Gerichtshofe erscheinen, erwies sich als trügerisch. Gleich jenen, 
die sich noch vor den Schranken des Gerichtshofes als Sabba- 
tharier bekannten, wurden auch sie zum Tode und zum Ver- 
luste ihres Vermögens verurtheilt. 

Die Todestrafe wurde jedoch nur in einem einzigen Falle 
wirklich vollzogen, in der Regel aber in Kerkerhaft umge- 
wandelt. Den Frauen wurde auch die Freiheitsstrafe nach- 
gesehen. Dieselbe Milde Hess man auch gegen jEahlreiche den 
unteren Ständen angehörige Männer walten, wenn sie das 

* Die Deeser Gerichtscommission, die am 8. Juli zusammengetreten war 
schloss am 17, Juli ihre Wirksamkeit; aber Räköczy traf bereits am 16 
JuU Anordnungen bezüglich der verurtheilten Sabbatharier, die in der Festung 
Fogaras eingekerkert waren. S. H a 1 1 e r, a. a. 0., S. 50. 

> Die Zulassung der Appellation galt als Ausnahme; s. Monum. Comit. 
X. S. 191. 



217 



ßabbatbarierthum abschworen, sich von neuem taufen liessen, 
und durch einen feierlichen Eid und eine schriftliche Erklä- 
rung" verpflichteten, dem Christenthum unverbrüchlich treu zu 
bleiben.^ Die C on fi sei rung des V^ermögens wurde 
jedoch in keinem Falle erlassen, sondern an Frauen 
und minorennen Kindern mit derselben schonungslosen Härte 
vollzog-en, wie an jungen Männern und Greisen. Die g e- 
sammte bewegliche und unbewegliche Habe der 
Verurtheilten wurde zu Gunsten des Fürsten 
mit Beschlag beleg t.^ 

»Die Verurtheilten — so schreibt ein zeitgenössischer 
Chronist — wurden, nachdem ihnen die Sentenz gesprochen 
war, in eine vor dem Kammeramte befindliche alte, leerste- 
hende Kirche gesperrt, bis ihrer so viele wurden, dass sie z u 
hunderten und anderthalb hunderten unter guter 
Bedeckung in die verschiedenen Festungen verschickt wurden, 
so dass man in Grosswardein, Szekelyhid, Jeno, Deva, Fogaras, 
Szamosujvär und Kövär kaum im Stande war, genug 
Ketten für sie zu 'schmieden. Ueberall wurde ihnen, 
iusolange sie nicht zu einer besseren Einsicht gelangten, bei 
den vielen Bauten tagsüber Arbeit genug auferlegt.« ^ 

Am härtesten wurden die Gotteslästerer bestraft. 
Die aussergewöhnlichen, mitunter grausamen Urtheile, welche 
sie trafen, wurden am letzten Sitzungstage, den 17. Juli gefällt. 

»An dem Tage — so lautet der Bericht eines Zeitgenossen 
— erhielt zunächst ein alter Senator, namens Csipär, der gele- 
gentlich etwas wider die Würde Christi gesprochen hatte, 
neben dem Pranger auf der Erde liegend, von den städtischen 
Sqbergen sechzig Stockstreiche laut Urtheil des Landesgerichtes.« 
Ungleich schlimmer erging es dem Klausenburger Goldschmied 
Jobann Toroczkai, einem Sohne des gelehrten, damals schon 
verstorbenen Bischofs der ungarischen Unitarier, Mathias Tho- 
roczkai, der von Jesus gesagt haben sollte: »Wenn er auf die 
Erde käme, würde ich ihn in den Weingarten schicken, zu 
arbeiten.« Der arme Fanatiker wurde, offenbar unter Berufung 
auf das mosaische Gesetz: »Und wer den Namen des Ewigen 
lästert, soll getödtet werden; steinigen soll ihn die ganze 

1 Einen solchen Revers s. Kereszt. Magvetö XVII. S, 223. 

* Vgl. besonders Monum. Comit. X. S, 189 u. 93. 

» S E a 1 a r d i, Trauerchronik S. 134 ; vgl. H a 1 1 e r, Tageb. S. 50. 



218 

Gemeinde«, als Gotteslästerer zur Steinigung verurtheilt und 
noch am selben Tage »von fünf Z igeunern mit Steinen 
todtgeschlage n«, worauf »seine Frau aus der Stadt hinäus- 
gepeitscht wurde.«^ Diese schreckliche Hinrichtung erfreute 
sich des besonderen Beifalls des damaligen Hofpredigers 
Stephan Katona v. Gelej, der in einer umfangreichen theolo- 
gischen Schrift, die er später, als Oberhaupt der calvinischen 
Kirche in Siebenbürgen, erscheinen liess, dieses »gerechte Ur- 
theil« rühmt und den Fürsten lobpreist, weil es in seinem 
Namen gesprochen und vollzogen wurde.^ 

Während die Gerichtscommission diese Massenprocesse 
erledigte, verhandelten verschiedene engere RichtercoUegien die 
Processe einzelner vornehmer Angeklagten, namentlich solcher^ 
über welche, da sie nicht erschienen waren, in contumaciam 
abgeürtheilt werden musste. Es waren das zumeist solche 
Fälle, bei welchen es sich gleichzeitig um die Beschlagnahme 
ausgedehnter Besitzungen, oder eines grossen beweglichen Gutes 
liandelte, Weshalb Räköczy, der stets die Form zu wahren 
liebte, es für gut befand, gerade diese Processe nicht kurzer 
Hand unter der grossen Masse der übrigen, sondern einzeln 
und nach einer eingehenderen und, wenigstens scheinbar, 
ernsteren Verhandlung erledigen zu lassen. ^ 

Unter denen, deren Angelegenheit einer solchen Special- 
commission zugewiesen wurde, befand sich Stephan Borsos, ein 
angesehener Bürger von Marosväsärhely, offenbar ein Nach- 
komme der gleichnamigen dortigen Familie, deren Mitglieder 
zu den ersten und fanatischsten Sabbathariern zählten. Mit 
ihm war auch seine Frau angeklagt, aber gleich ihm nicht 
erschienen. Sie wurden als überwiesene Judenzer zum »Ver- 
luste ihres Hauptes und ihrer Habe« verurtheilt.* Ihre confis- 
cirten liegenden Güter schenkte Räkoczi dem Vice-Capitän 
der blauen Hoftrabanten, wie es in der betreffenden Urkunde 



1 Segesväry, Chronik, S. 216— 7; Szalärdi, a. a. 0. S. 136.; Monum. 
Comit. X. S. 203 u. Katona, Titkok titka, in der Zueignungsschrift und Vorrede. 

2 Katona, a. a. 0. das. — Das , gerechte Gesetz,* auf welches er sich 
l^ezüglich der Strafe der Steinigung beruft, kann kaum ein anderes sein, als 
das ohenangefQhrte mosaische Gesetz (3. B. Mos. 24, 16). 

' In den im Folgenden erwähnten Processen begegnen wir verschiedenen 
RichtercoUegien; vgl. Monum. Comit. X. S. 182 u. 195. 

* A. a. 0. das. S. 19t; über die Familie Borsos s. ob. S. 104 u. 107. 



219 



heisst, »als Belohnung seiner treuen Dienste und gegen 
Bezahlung von tausend Imperialt ha le rn.«^ 

Eine andere Gruppe der Angeklagten hildeten drei Mit- 
glieder der Familie Szabo, der Student^ Daniel Väsarhelyi, 
Johann Kallai und Katharina Beke, sämmtlich aus Klausonburg. 
In ihrer Vertretung erschien Pechis Schwiegersohn, der damals 
vielberühmte Rechtsanwalt Franz von Kenos, der das Schwer- 
gewicht seiner Vertheidigung darauf legte, seine dienten hätten 
von dem Gesetze, welches die Judenzerei untersagte, keine 
Kenntniss gehabt, weil es von dem unitarischen Superintendenten 
nicht publicirt wurde; es mögo'ihnen daher eine Frist gewährt 
werden, innerhalb welcher sie sich zu einer der staatlich aner- 
kannten christlichen Confessionen zu bekehren hätten. Die 
Richter folgerten aus dieser Vertheidigung, dass die Ange- 
klagten nicht nur Sabbatharier waren, sondern noch immer 
seien, und sprachen über alle das übliche strenge Urtheil 
aus.* Dasselbe Schicksal ereilte Sofie Kendelfv, die Witwe des 
einstigen fürstlichen Rathes und Gesandten in Konstantinopel, 
Paul V. Keresztessy.* 

In dem gegen die Frau des Peter Paczolai v. Szentbenedek 
angestrengten Processe währte das Zeugenverhör volle drei 
Tage. Die Angeklagte, eine Nichte Pechis, die Tochter des 
Oberrichters Franz Komis, jvar durch ihre fanatische Mutter, 
wider den Willen ihres Vaters, als Sabbatharierin erzogen 
worden (ob. S. 199). Kürz vor dem De6ser Termine Hess sie 
sich neuerdings als Unitarierin taufen, aber die eingeschüch- 
terte unitarische Synode gab ihr Gutachten dahin ab, dass 
die Neugetaufte noch immer als Sabbatharierin zu betrachten 
sei, und die ebenfalls vKxn Pechis Schwiegersohn Kenosi ver- 
theidigte, hochangesehene, Frau wurde zum Verluste ihrer 
gesammten Habe verurtheilt, und ausserdem noch zur Bezahlung 
von 66 Gulden »als Lösegeld für ihren Kopf.«^ 

* S. den Kalender des Öz6kler Vereines v. J. 1883, S. 76 — 7. 

* Student (deäk) hiessen nicht nur Sludirende, sondern auch solche, 
die studirt hatten. 

* Monum. Gomit. das. S. 191-r-5. 

* Das. S. 196—9. 

» Das Urtheil s. das. S. 203—212, die Zeugenaussagen Törtön. Tär, 
1884. S. 546 — 557. Das Lösegeld von 66 Gulden konnte, da die gesammte Habe 
der Verurtheilten confiscirt wurde, selbstverständlich nur von Verwandten, oder 
Freunden aufgebracht werden. 



220 



Bei Pechi waren bereits am 30. Mai zwei Secretäre der 
fürstlichen Hofkanzlei erschienen, die ihm den Befehl über- 
brachten, am 1. Juli persönlich vor dem Gerichtshof in Dees 
zu erscheinen; jede Stellvertretung sei ausg^sohlossen, der 
Gerichtshof werde auch im Falle seines Nichterscheinens über 
ihn aburtheilen. Der hochbetagte Mann, der grade dami^ls schv^^er 
leidend war, nahm die Vorladung mit den Worten entgegen- 
»Den Befehl seiner Hoheit habe ich verstanden. Ich bin aber in 
der Gefangenschaft Gottes (d. h ans Krankenlager gefesselt), 
und mein Leben ist in des Allerhöchsten H^nd; ich weiss nichts 
was bis [dahin geschehen kann, kann also auph nichts sicher 
versprechen.« Er hat auch der Vorladung thatsfiohlich k^in^ 
Folge geleistet und, im Sinne des ihm gewordenen Befehles, 
auch keinen Vertreter dahin gesendet. 

Der öffentliche Ankläger exmittirte hierauf zwei Secretäre 
der Hofkanzlei nach Szent-Erzsebet, damit sie in der Strafan- 
gelegenheit Pechis an dessen Wohnorte die nöthigen Zeugen- 
verhöre vornehmen. 

Am 7. Juli wurden 33 Zeugen, darunter der Ortsrichter 
und die Dienerschaft Pechis, protocoUarisch vernommen. Ihre, 
mit mehr oder minder bezeichnenden Einzelheiten belegten 
Aussagen stimmten darin überein, »dass Se. Exoellenz, Herr 
Simon P6chi die sabbatharische^ Religfon bekennt, für die 
übrigen Sabbatharier am Ende des Dorfes in einem aus Steinen 
gebauten Hause eine Synagoge hält, in welcher man ihnen 
allsabathlich vorliest;«^ ferner »dass er den Sabbath feiert, wenn 
er auch seine Leibeigene nicht zur Sonntagsarbeit verhält,« 
dass er »Schweinefleisch und die übrigen Speisen, welche die 
mosaischen Ceremonialgesetze verbieten, nicht geniesst und 
am Osterfeste ungesäuerte Kuchen isst.« 

»Uebereinstimmend sagen sie aus — so schliesst das 
mit den Zeugen aufgenommene, unifahgreiche ProtoooU — 
dass sie vordem einen einer anderen Religion angehörigen 
Geistlichen im Dörfe gehalten hätten, aber der gegenwär- 
tige ist ein Sabbatharier, und sie können, wider den 
Willen Pechis, keinen andern an diese Stelle bringen. Die Schul- 
meister haben sie, je nachdem sie einen guten bekommen konnten, 

^ Aus dem P^ptateuch nämlich; es ist die V^rleßung de§ J9weUigeB 
Wochenabschnittes gemeint. 



221 

altematim gehalten, sowohl sabbatharische als auch unitarische: 
der gegenwärtige ist aber ein Sabl)athar ier.« 

Mittlerweile war beim Gerichtshöfe ein Schreiben Pekhis 
angelangt) in welchem er sein Fernbleiben mit seiner, von 
Zeugen bestätigten, schweren Erkrankung rechtfertigte.' Der 
Gerichtshof bestimmte ihm daraufhin den 13. Juli als neuen 
Termin, an welchem er entweder persönlich in Dees zu er- 
scheinen, oder sich durch einen bevollmächtigten Vertheidiger 
vertreten zu lassen habe. 

Aber auch dieser Tag verstrich, ohne dass Pechi, oder 
sein Bevollmächtigter in Dees erschienen wäre. Der Gerichtshof 
erklärte ihn, auf Grund der in der Anklageschrift angeführten, 
durch Zeugen erhärteten Thatsachen, des Verbrechens der 
Judenzerei schuldig und verurtheilte ihn, »um diesen verdam- 
menswerthen Irrthum zu unterdrücken, dessen Veranlasser und 
Förderer auszurotten, und Andern ein warnendes Beispiel zu 
geben, zum Verluste seines Kopfes und seiner Habe.«^ Der kranke 
Greis \vurde nach der Festung Kövär gebracht und dort eingeker- 
kert; seine sämmtlichen, noch immer zahlreichen Besitzungen 
wurden zu Gunsten der fürstlichen Schatzkammer confiscirt und 
zur kleineren Hälfte der Fürstin als Schenkung übertragen.'^ 

Unmittelbar darauf wurde auch Pechis Töchtern, die mit 
Ausnahme der am Fürstenhofe erzogenen und von dort aus 
verheiratheten Elisabeth, ebenfalls des Sabbatharierthums ange- 
klagt waren, der Process gemacht. Sie wurden zur Confiscirung 
ihres gesammten Vermögens verurtheilt. Pechis fünfte Tochter, 
die aus seiner zweiten Ehe stammende Margarethe, wurde 
begnadigt, offenbar deshalb, weil das damals höchstens drei- 
zehnjährige Mädchen* ohnehin kein eigenes Vermögen besass. 
Doch musste sie die schriftliche Erklärung abgeben, dass sie 
auf die confiscirten Güter ihres Vaters niemals Anspruch er- 
heben, und diese Verzichtleistung durch eine neuerliche Urkunde 

1 Tört. Tär. 1887. S. 712. Sein Testament hatte er bereits i. J. 1835 
abgefasst, a. a. 0., das. Bezüglich seiner Krankheit s. seine Briefe, Kereszt. 
Magvetö XVIII. S. 169 flg. 

* S. die Processacten in Monum. Comit. X. S.* 182 — 190. * 

» Kövary, Erdely Törtenelme V. S. 30.; vgl. Kereszt. Magveto XIX. S. 
353 u. 355, u. Tört. Tär 1887 S. 712 flg. 

* P6chis zweite Ehe konnte erst nachdem ihn Gabriel Bethlen aus dem 
Kerker entlassen hatte, also frühestens nach dem 22. November 1624 geschlossen 
worden sein. 



222 



bekräftigen werde, »wenn Gott ihr einstens Glück gibt, und 
sie unter die Haube kommt.« ^ An ihren drei verheirateten 
Schwestern aber wurde das Urtheil mit grausamer Rücksichts- 
losigkeit vollstreckt; der einen, »die gerade im Wochenbette 
lag, wurde gelegentlich der Beschlagnahme ihrer Habe das 
Unterbette unter dem Leibe weggezogen. «^ 

Mit Pechi wurde auch dessen Hofgeistlicher Michael Szent- 
miklösi verurtheilt und in Fogaras eingekerkert, ^ ferner Franz 
Orbän, Obernotar des Udvarhelyer Szeklerstuhles, ein Schwa- 
ger EiSssis, der in die Festung Szamosujvär abgeführt w urde.* 
Der hochbetagte, ebenfalls verurtheilte Franz Maroti, der seiner 
Zeit an dem Putschversuche Moses Szekelys betheiligt war, 
und deshalb nicht vor dem Gerichtshof zu erscheinen wagte, 
entzog sich der Verfolgung durch die Flucht.^ 

Für jene Sabbatharier, deren Angelegenheit in Dees nicht 
ausgetragen werden konnte, wurde ein neuer »Termin« ange- 
setzt. Im Verlaufe der drei Monate später, anfangs November 
1638, in Bistritz abgehaltenen Gerichtsverhandlungen wurde 
über sämmtliche Angeklagte das bereits stereotyp gewordene 

Urtheil: »Verlust des Kopfes und der Habe« ausgesprochen. ^^ 

• 

Pechls Begnadigung und Tod. Seine Familie und 
seine Naciikommen. Seine Bedeutung als Schrift- 
steller und Hebraist. 

Den verurtheilten und in strenger Kerkerhaft gehaltenen 
Sabbathariern blieb nur ein Ausweg, die Freiheit wieder zu 
erlangen: sie mussten sich neuerdings taufen und in eine der 
recipirten Kirchen aufnehmen lassen, gleichzeitig aber ein 
Document unterfertigen, in welchem sie sich an Eidesstatt ver- 
pflichteten, dem neuen Glauben unverbrüchlich treu zu bleiben. 
Die Meisten, die bisher äusserlich den Unitarismus bekann- 
ten, gaben der oft gewaltthätigen Pression, die diesbezüglich 
auf sie geübt wurde, nach und traten zur calvinischen Kirche 

1 Monum, Comit. X. S. 212. 

2 Kereszt. Magvetö XIX. S. 355. 

3 B e n k ü, Transsylvania II. S. 243. 
* Szalärdi, a. a. 0. S. 135. 

6 Monum. Comit. X. S. 203 ; Tört. Tär 1887. S. 712. 

« Monum. das. S. 208—212 ; Tort. Tär 1884, S. 546—557. 



223 



Über, welcher auch Raköczi angehörte. Auf dioöem Wege 
konnten sie ihre Begnadigung am sichersten erwarten, mit- 
unter sogar die Rückerstattung eines Theiles ihrer confiscirten 
Hab.e. Paul Medgyesi, der Hofprediger Räköczis, hat an einem 
Tage, dem 24. September 1638, fün f un d f ün z ig solcher 
Sabbatharier getauft. ^ 

Auch die Führer und Vornehmsten unter den Sabbatha- 
riern griffen zu dem einzigen Rettungsmittel, das ihnen noch 
geblieben war: nach kürzerem, oder längerem Schwanken 
traten sie der Reihe nach »zur helvetisch-evangelischen 
wahren Religion über, ob von Herzen? — weiss nur Gott.« 
Nachdem sie aber, so schliesst der diesbezügliche Bericht des 
zeitgenössischen Chronisten,^ »ihren Uebertritt auch schriftlich 
mit einem Eide bekräftigt hatten, zeigten sie sich bis zu 
ihrem Tode so, als ob sie ihr wirklich angehört hätten.« 

Zu diesen neubekehrten Calvinern gehörte bald auch 
Pechis ganze Familie, so wie dessen sabbatharischer Hofprediger 
Michael Szentmiklösi, der später als caivinischer Geistlicher 
Carriere machte.^ Ihrem Beispiele folgte später auch Franz v. 
Orbdn, und zuletzt Pechi selber. F]rsterer wurde vollständig 
begnadigt; Raköczy Hess ihm seine Güter zurückerstatten und 
ernannte ihn zu seinem Hofmeister.* Pechi, der mit seiner 
Unterwerfung am längsten zögerte, erfuhr eine ungleich härtere 
Behandlung. 

Trotzdem die anfangs November (1638) in Bistritz erschie- 
Jienen Stände, unter welchen sich zahlreiche Verwandte und 
Freunde Pechis befanden, ihren ganzen Einfluss zu seinen 
Gunsten einsetzten, erwirkten sie doch erst nach längeren 
Unterhandlungen seine Bednadigung, welche Raköczy nur 
unter den folgenden Bedingungen zugestand. 

Pechi tritt zur calvinischen Kirche über und gelobt, »in 
der Wahrheit, die ihn Gott in seinen alten Tagen, wenn auch 
wider seinen Willen, erkennen Hess, standhaft, vollkommen 
und ohne Heuchelei zu verbleiben«, gegen Raköczy nicht zu 
*conspiriren, und Siebenbürgen nie zu verlassen. Ausserdem 

1 Szalardi, a. a. 0. S. 133—4; Monum. Com. Transs. X, S. 208— i212 : 
aCereszt. Magvetö XVI. S. 323. 

' Szalardi, a. a. 0. S. 135. 

3 Monum. Comit. X. S. 182—212; Benkö, a. a. 0. IL S. 243. 

* Szalardi a. a. 0. S. 195. 



224 



stellt er eine Urkunde aus, in welcher er für sich und für 
seine Nachkommen allen Ansprüchen auf seine confiscirten 
Güter für immer entsagt. ,Er und seine Frau erlegen tausend 
Thaler, wofür ihnen der Fürst den Herrenhof zu Szent-Erzsebet 
und einige Grundstücke, mit zusammen 70 Leibeignen, zur 
lebenslänglichen Nutzniessung überlässt. Nach ihrem Tode 
fällt das Haus mitsammt den Grundstücken wieder an Räköczi 
zurück, der dann ihren Erben die deponirten tausend Thaler 
zurückerstattet. Für die genaue Einhaltung dieser Bedingungen 
bürgen jene Adeligen und Stände, die zu Gunsten Pechis bei 
Räköczi intervenirt hatten; im Falle er wortbrüchig wird, »komme 
eo facto der Tod auf sein Haupt.u Sollten aber die Bürg'en 
nicht in der Lage sein, ihn stellig zu machen, haben sie dem 
Fürsten 10000 Gulden aus ihrem Eigenen zu bezahlen. 

Diese Haftungsurkunde^ wurde in Bistritzam 11. November 
von einundzwanzig Bürgen unterschrieben, unter welchen sich 
Gabriel Mindszenti, Pechis Schwiegersohn, Peter Orban, ein 
Neffe Andreas Eössis, Stephan Apafi, der Schwager des Fürsten, 
und mehrere der glänzendsten Namen des Landes befanden. 
Aber Pechi war lange nicht zur Annahme der ihm gestellten 
Bedingungen zu bestimmen. Erst im Feber 1639 unterschrieb 
er, dem Drängen und Zureden seiner Freunde und Angehörigen 
nachgebend, den zwischen seinen Bürgen und dem Fürsten 
zustande gekommenen Vertragt und trat zur calvinischen Kirche 
über, worauf er am 21. Mai seine Begnadigung erhielt, und 
nach ungefähr achtmonatlicher strenger Haft aus dem Kerker 
entlassen wurde. ^ 

Von da ab lebte er, wenn auch noch immer zu den 
Grossen des Landes zählend,* unter ärmlichen Verhältnissen und 
nahezu vereinsamt auf seinem Herrenhofe zu Szent-Erzsebet. 
Seine schriftstellerische Thätigkeit war ihm gründlich verleidet; 

^ S. die Urkunde Monum. Gomit. X. S. 213—6 und, mit einigen Abwei- 
chungen, Kereszt. Magvetö XVIII. S. 309—311. Der vorsichtige Räköczy liess sich 
von den 21 Bürgen Pechis, die ihm eventuell 10000 Gulden zu zahlen hatten, 
zusammen zv^rölftaus end Gulden unterschreiben. 

* S. die Urkunde im Nemzeti Tarsalkodö (Nationaler Gesellschafter) 1835. 
S. 273; vgl. Torten. Tar. 1887, S. 586 u. Kereszt. Magvetö XIX. S. 353. 

3 Kereszt. Magvetö III. S. 255 ; vgl. da«. XVII. S. 217. 

* Unter den Magnaten, die zu den Feieilichkeiten am Schlüsse des 1640-er 
Landtages nach Karlsburg beordert wurden, begegnen wir auch Simon Pechi; 
s. Acta Gomit. X. S. 295. 



225 



sie war stets ausschliesslich der Sache des Sabbatharier- 
thums gewidmet, und da er diese aufgeben musste, stellte 
er auch jene eini^ Aber seine Geisteskraft und Arbeitslust 
veriiessen ihn bis an sein Lebensende nicht. Er blieb nach 
wie vor der Berather seiner ferne von ihm lebenden Kinder, 
denen er, namentlich in Processangelegenheiten, mit seiner 
Erfahrung zur Seite stand, und der hochbetagte, kränkliche 
Mann beschäftigte sich bis kurz vor seinem Tode eifrig mit 
Feldarbeiten aller Art. Noch während der Ernte des Jahres 
1641 befand er sich auf einem fern von seinem Wohnort 
gelegenen Gütchen, von wo aus er seinen Kindern schrieb, 
er könne sie nicht besuchen, weil er empfindlichen Schaden 
erlitte, so er sich jetzt, wenn auch nur für eine Stunde, ent- 
fernen würde.2 Erstarb um 1643 »in sehr hohem Greisenalter«, 
zum mindesten im dreiundachzigsten Lebensjahre.* Der Tod 
dürfte ihn auf einem seiner Landgüter ereilt haben. In Szent- 
Erzsebet ist sein Grab, trotz eifrigem Suchen, nicht aufzufinden 
gewesen, und wir kennen die Stätte nicht, an der er nach einem 
langen und wechselvollen Leben die letzte Ruhestätte fand.* 
Auch sein Herrenhof ist psurlos untergegangen; der Platz, auf 
dem er stand, ist jetzt die Wohnstätte der Zigeuner und führt 
im Volksmunde den bezeichnenden Namen «die Einöde.« ^ 

* Die mehrfach wiederholte Angabe von Peter Bod (Athenas S. 223), 
Pechi habe, nachdem er Galviner geworden, die Bibel aus dem Hebräischen 
ins Ungarische übersetzt, und sei inmitten dieser Arbeit gestorben, ist bereits 
von K o n c z (Erd61yi FigyelÖ, 1880. No. 8) widerlegt worden. 

« S. P6chis Briefe im Kereszt. Magvetö XVm. S. 172—3. 

* Köväry (Kereszt. Magvetö VI. S. 47) setzt sein Todesjahr irrthümlich 
auf 1640 an. Unter Pechis bis jetzt veröffentlichten Briefen ist der letzte vorn 
25. August 1641 ; Herr Prof. K o n c z hat aber, wie er mir schriftlich mitzuth eilen 
die Güte hatte, einen vom October 1642 gesehen. Wenn wir sein Todesjahr auf 
1643 ansetzen ist der . spätestens um 1560 geborene Pechi zum mindestens 83 
Jahre alt geworden ; vgl. (ob. S. 132). Nach Johann K e m e n y (Selbstbiographie 
S. 11) ist er „in sehr hohem Greisenalter gestorben." 

* Orbän (Sz6kelyföld, I. S. 146, vgl. das. S. 154) lässt ihn in Szent- 
Erz86bet sterben; aber die Quelle, auf die er sich diesbezüglich beruft (Johann 
Kemeny, a. a. 0. S. 108 — 9), weiss nichts davon. Graf Joseph Kem6ny hat 
in Szent-Erzs^bet, das sein Eigenthum war, P6chis Grab vergebens gesucht ; 
s. Kurz. Magaz. f. Gesch. Literat, u. s. w. Siebenbürgens II. S. 423. Da Pechi 
in seinen letzten Lebensjahren wiederholt auf seinen Landgütern, z. B. in Särd, 
zu weilen pflegte (s. die QueUen, ob. Anm. 2), ist es nicht unmöijlich, dass er 
ausserhalb Szent-Erzs§bet's starb und beerdigt ^vurde ; 

6 Kurz, a. a. 0. II. S. 423; Orbän, a. a. 0. I. S. 154. 

Dr. Kohn : Sabbatharier. 15 



226 



Unter den Sabbathariern aber, die nichts davon wissen 
mochten, dass ihr vielbewunderter Held und Apostel als Cal- 
viner gestorben sei, lebt noch heute die sagenhafte Tradition, 
Pechi sei, nachdem er seine Freiheit wiedererlangte, niit einer 
Schar seiner Anhänger nach der Moldau, und von dort nach 
Konstantinopel geflüchtet, wohin ihm auch seine Frau und 
seine Kinder gefolgt sind. Dort haben sie unbehelligt als Sab- 
batharier gelebt, und Pechi, welcher als Director der türkischen 
Staatsdruckerei starb, habe an seine in Siebenbürgen zurück- 
gebliebenen Getreuen wiederholt Sendschreiben gerichtet, in 
welchen er sie eindringlich ermahnte, im Sabbatharierthum 
getreulich auszuharrend 

Pechi hat schon bei Lebzeiten eine verheiratete Tochter^ 
und zum mindesten zwei Söhne verloren, von wechen einer 
als achtzehnjähriger Jüngling durch den Hufschlag eines Pferdes 
get.ödtet wurde. 8 Seine zweite Frau und vier verheiratete 
Töchter überlebten ihn. Unter diesen wurde Christine die 
Stammutter der Baron Orbän'schen Familie, deren letzter 
Sprössling, der als ungarischer Schriftsteller und als eine der 
originellsten Gestalten des ungarischen Landtages bekannte 
Blasius Orbän war, der im J. 1890 starb. Eine andere Tochter 
Pechis, Elisabeth, schloss als Witwe des Obergespans Gabriel 
Mindszenti eine zweite Ehe mit Peter Haller, einem der Ahn- 
herrn der gräflichen Familie Haller von Hallerkö (Haller- 
stein.)* 

Margit, Pechis einzige Tochter aus zweiter Ehe wurde in 
noch sehr jugendlichem Alter von dem Fürsten Räkoczi mit 
Franz Gyulai verheiratet, der später zu den höchsten 
Aemtern und Würden des Landes gelangte. Sie wurden die 
Begründer der gräflichen Familie der Gyulai, deren Nach- 



1 Orbän, das. I. S. 147. 

* Judith, die im Sept. 1641 verstorbene Frau des Stephan Angyalos v. 
Kisegrestö. S. M i k ö, a. a. 0. IV. S. 72 ; über ihre Krankheit vgl. Kereszl. 
Magvetö XVIII. S. 173. 

3 Letzteren Umstand berichtet Pechis Urenkel, Baron Orbän Elek, in 
seinem mehrfach erwähnten Testamente. Pechi hatte abei*, als seine erste Frau 
starb, zum mindesten zwei Söhne. S. ob. S. 164. 

* Seine älteste Tochter, Susanna, die ihn ebenfalls überlebte, war zweimal 
verheiratet, starb aber kinderlos. Seine Schwester Anna wurde die Stammutter 
der noch heute in Siebenbürgen blühenden adeligen Familie Sim6n. 



gc 



' kommen sich in den letzten zwei Jahrhunderten mehrfach als 
hochgestellte Officiere und als Commandirende der öster- 
reichischen Armee ausgezeichnet haben. Sie blüht noch in 
einem kroatischen und in einem ungarischen Zweige fort, 
welch letzterem, mütterlicherseits, die siebenbürgische Grafen - 
familie Kuun entstammt.^ 

Es erübrigen nur noch einige Worte über Pechis Bedeu- 
tung als Schriftsteller und Hebraist. 

Pechi war ein Meister der Feder; er schrieb viel und 
vielerlei und arbeitete mit einer staunenswerthen Leichtigkeit 
und Raschheit. Er unterhielt einen ausgedehnten, zum grossen 
Theil noch erhaltenen, privaten und amtlichen Briefwecliscl, 

' dessen reichhaltiges historisches Material schon mannigfach, 
namentlich von Gindely, in seiner Geschichte des dreissigjäh- 
rigen Krieges, benutzt worden ist. Neben diesen, in den ver- 
schiedenen Archiven von Siebenbürgen und Ungarn, sowie in 
denen von Wien, Brüssel, München, Dresden, Berlin und Paris 
befindlichen, zumeist noch unedirten Briefen^, schrieb und ver- 
fasste er, oft gleichzeitig, Nuntien und Gesetzentwürfe und 
anderweitige Vorlagen für die Landtage, Instructionen lür 
Beamte und Gesandte, Armeebefehle, politische Denkschriften, 
Gebete, religiöse Gesänge und Uebersetzungen und Erklärun- 
gen der verschiedensten Werke der biblischen und nachbib- 
lischen jüdischen Literatur. Seine »Ausgewählte Belehrungen 
aus den Heiligen Vätern«, schrieb er während der bewegtesten 
Zeit seiner Kanzlerschaft, mitten im Waffenlärm und einer 
aufreibenden diplomatischen Thätigkeit.^ In den knappen vier- 

^ üeber die Kinder Pechis s. K ö v ä r y, Kereszt. Magveiö VI. S. 48, 
sowie dessen Erdely nevezetesebb csalädjai (= Die bedeutenderen Familien 
Siebenbürgens) s. v. Pechi, Orban, Gyulai u. Küun, sowie die ergänzenden 
Angaben in meinem ,A Szombatosok" S. 315—6. 

« Seine- in Brüssel befindlichen Briefe dürften ziemlich vollständig im 
4. Th. von H a t V a n i s Brüsseli Okmauytär zu finden sein. Zahlreiche in den 
Mgarischen und siebenbürgischen Archiven niedergelegte Briefe Pechis sind von 
Hikö, a. a. 0. Bd. III. u. IV., von Szilägyi, Bethlen Gabor kiadailan poli- 
tikai levelei (= Gabriel Bethlens unedirte politische Briefe), im Kereszt. Magvetö 
BJ. XVllL, namentlich ab'er im Tört. Tär. (s. die Jahrgg. v. 1878—81, 1884—5, 
1887 u. a.) edirt. Seine in den oben erwähnten ausländischen Archiven auf- 
tjewahrten Briefe werden von Gindely, a. a. 0. Bd. II— IV. häufig als Quelle 
angeführt. 

3 S. ob. S. 153. 

15* 



228 



zehn Jahren, die zwischen s,einer Befreiw»g aus dem Kerker 
im J. 1624 und der Katastrophe lagen, die ihn im J. 1638 
ereilte, hat er die Psalmen und einen grossen Theil des Pen- 
tateuch übersetzt und commentirt, sein Gebet- und Ritualien- 
buch geschrieben, und ausserdem noch acht, zum Theil um- 
fangreiche Werke verschiedenen Inhaltes und ungefähr neun- 
undzwanzig religiöse Lieder verfasst. Daneben führte er schier 
endlose Processe und verstand es, neuerdings ein bedeuten- 
des Vermögen zu erwerben, wobei er sich mit den klein- 
lichsten häuslichen und wirthschaftlichen Angelegenheiten 
befasste. 

Sein Stil ist klar und durchsichtig, dabei aber wortreich, 
stellenweise sogar weitschweifig. Er liebt es, die Epitheta zu 
häufen, und Begriffe, welche er nachdrücklich hervorzuhe- 
ben wünscht, durch zwei, drei, ja noch mehr gleichwertige 
Worte auszudrücken. Diese Eigenthümlichkeit, welche nach 
der Geschmacksrichtung der damaligen Zeit zu den Schönhei- 
ten eines eleganten und gebildeten Stils gehörte, gereicht 
namentlich seinen Uebersetzungen zu nicht geringem Nach- 
theile. Pechi kann, oder richtiger: will die gedrängte Sprache 
seiner hebräischen Texte nicht getreulich wiedergeben. Die 
alleinige Ausnahme bildet seine Uebersetzung des Pentateuch, 
die sich möglichst genau an den Urtext hält. Dieser gilt ihm 
als Gotteswort, dem »nichts hinzugefügt, und von dem nichts 
hinweggenommen werden darf.« 

Geradezu bewunderungswürdig ist aber die Geschicklich- 
keit, mit welcher er die, den Magyaren damals noch gänzlich 
unbekannten, Erzeugnisse der rabbinischen Literatur auf 
ungarischen Boden zu verpflanzen wusste. 

Es ist nicht leicht, diese dem modernen Bewusstsein 
fremdartigen Literaturerzeugnisse in eine moderne, nament- 
lich nicht-semitische Sprache zu übersetzen. Pechi hat diese 
schwierige Aufgabe, der sich nur wenige Auserwählte gewach- 
sen zeigen, vollständig gelöst, obwohl ihm, als dem Ersten, 
der sich an eine ungarische Uebersetzung rabbinischer Schrift- 
werke wagte, keinerlei einschlägigen Vorarbeiten vorlagen, und 
er für die eigenartigen Begriffe dieser Literatur erst eine 
ungarische Terminologie schaffen musste. Durch diese, noch 
mehr aber durch sein archaistisches, und eben darum urwüch- 
siges Magyarisch, bilden seine Schriften eine reichhaltige 



229 



Fundgrube werthvoller, aber noch nicht gehobener ungarischer 
Sprachschätze.* 

In seinen Uebersetzungen, beziehungsweise Bearbeitungen 
rabbinischer Schriftwerke zeigt sich Pechi als einer der gründ- 
lichsten Kenner des jüdisch religiösen Lebens und der heb- 
räischen, namentlich der neuhebräischen Sprache und Lite- 
ratur. Die einschlägigen Wissenschaften wurden damals in 
christlichen Kreisen, kirchlichen wie gelehrten, eifrig und mit 
Erfolg betrieben. So haben sich, um nur ein Beispiel anzu- 
führen, die beiden Buxtorf, Pechis Zeitgenossen, keine geringen 
Verdienste um dieselben erworben. Pechis diesbezügliche, 
ausschliesslich auf religiöse Zwecke gerichtete, und darum 
einseitig"e Thätigkeit ist mit dem Sabbatharierthum, dem sie 
gewidmet war, in Vergessenheit gerathen und für die Wissen 
Schaft unfruchtbar geblieben. Aber sie weist ihm darum doch 
den ersten Platz an unter den Hebraisten seiner Zeit, und 
sichert ihm eine hervorragende Stelle unter den Hebraisten 
aller Zeiten. Zumal unter NichtJuden hat es wohl noch keinen 
gegeben, der die neuhebräische Sprache so vollständig be- 
herrschte, in der rabbinischen Literatur eine so vielseitige 
und umfassende Belesenheit, und für den Geist und die Aus- 
drucksweise derselben ein so richtiges Verständniss besessen 
hätte, wie er. 

Thatsächlich hat noch kein christlicher Gelehrter aus 
fast allen Zweigen der altern und spätem jüdischen Literatur 
so viele und so verschiedenartige Schriftwerke übersetzt und 
bearbeitet, wie Pechi, der seinen Szeklern, unter anderem, auch 
solche rabbinische Schriften zugänglich gemacht hat, deren 
Uebersetzung anderweitig nicht einmal noch versucht worden 
ist. Von Joseph Chajuns Mille de-Aboth, von Mose ben- 
Jakobs Semag, Israel ben-Joseph Alnaquas oben (S. 178), 
erwähnten vier Schriften, sowie von Ascher ben-Jechiels 
Hanhaga existirt bis zum heutigen Tage keine andere 
Uebersetzung als Pechis ungarische. Die Uebersetzung 
der gesammten jüdischen Liturgie und die knappe, dabei 
erschöpfende und richtige Darstellung der gottesdienstliohen 
Bräuche, sowie des Ceremonialgesetzes der Juden, die er in 

* Auf diesen Umstand habe ich, unter Beibringung zahlreicher Beispiele, 
in einem ungarischen Pachblatte hingewiesen; s. Magyar Nyelvdr (Ung. Sprach- 
wart) XVIL S. 567—573. 



^30 

seinem »Gebet- und Ritualienbuch« geliefert hat, bilden eine 
geradezu imponirende Leistung, wie sie keine andere Literatur 
aus der Feder eines Mannes aufzuweisen hat. 

Den wissenschaftlichen Wert und die Bedeutung dieser 
Arbeiten vermögen nur Fachmänner voll zu würdigen, die die 
Schwierigkeiten kennen, welche die mit fremden Elementen 
stark durchsetzte Sprache der neuhebräischen Literatur, ihre 
oft künstlich, ja gewaltsam gebildeten Wortformen und Rede- 
wendungen, die Fremdartigkeit der von ihr behandelten 
Materien und die Eigenartigkeit ihrer Denk- und Ausdrucks- 
weise dem Uebersetzer entgegenstellen. Dazu kommen die 
zahlreichen Abbreviaturen, welche mit wenigen Buchstaben 
oft ganze Sätze bezeichnen, und der mit Vorliebe gebrauchte 
Musivstil, welcher der umfangreichen und vielgestaltigen alt- 
und neuhebräischen Literatur zahllose, aus dem Zusammen- 
hange gerissene Einzelheiten entlehnt, auf welche oft nur 
anspiel'ungsw^eise, von ferne hingedeutet wird. 

Wohl hat auch Pechi diese Schwierigkeiten nicht immer 
glücklich besiegt. Auch in seinen Schriften finden sich Irrthü- 
mer, falsche Auflassungen und unrichtige Auflösungen von 
Abbreviaturen: aber sie sind verhältnissmässig selten, ungleich 
seltener als bei dem altern Buxtorf und den übrigen als Heb- 
raisten vielgerühmten Zeitgenossen Pechis.^ Sie sprechen 
weniger gegen Pechis Sprach- und Sachkenntniss, als für die 
Selbstständigkeit seiner Arbeiten, bei welchen er sich offenbar 
nicht der Unterw^eisung, oder der Beihilfe jüdischer Lehrer 
bediente, wie es bei den damaligen christlichen Hebraisten 
gang und gäbe war. Solche Fehler und Irrthümer finden sich 
übrigens nur in jenen seiner Schriften, welche sich mit der 
späteren rabbinischen Literatur beschäftigen, in der sich 
die obenerwähnten Schwierigkeiten ganz besonders fühlbar 
machen. Den Pentateuch und die Psalmen, aber, auch den 
talmudischen Tractat Aboth und die jüdischen. Wochentags- 
und Festgebete, deren Sprache dem Althebräischen nahekommt, 
hat er, mit seltenen Ausnahmen, überall richtig übersetzt und 
commentirt. 

^ Auf solche Irrthümer und Fehler Pechis hahe ich in meinem, A Szom- 
batosok* S. 290 — 1 hingewiesen; bezüglich Buxtorfs s. meine Besprechung 
einer neuen Ausgabe seines Lexicon chald. in Frankeis Monatsschr. 1866 S. 192 
tlg. u. S. 233 flg. 



231 



Pechis Schriften sind noch sammt und sonders unedirt. 
Die ungarische Akademie der Wissenschaften bereitet gegen- 
wärtig die Herausgabe seiner Psalmen vor, welchen seine übrigen 
Werke voraussichtlich bald folgen werden. Dann wird sein 
einst glanzvoller Name wieder ehrenvoll genannt werden und 
fortleben in der Geschichte der jüdischen Wissenschaft und 
der ungarischen Literatur. 



Schicksale und Leiden der Sabbatharier während 
der letzten Periode ihrer Geschichte (1638—1863.) 

Fürst Räkoczi I. hatte dem Sabbatharierthum durch die 
Massenverurtheilung in Dees und Bistritz eine schwere, schier 
tödtliche Wunde geschlagen. Die Häupter und vornehmsten 
Bekenner dieser Secte waren theils eingekerkert, theils an den 
Bettelstab gebracht und zur Verleugnung ihres Glaubens ge- 
zwungen ; die führerlos gebliebene Menge war eingeschüchtert 
und sah rathlos und zagend den kommenden Dingen entgegen. 
Und Raköczi Hess den erschreckten Judenzern keine Zeit, sich 
zu sammeln und von dem Streiche zu erholen, mit dem er sie 
getroffen hatte. Er ernannte eine eigene Commission, welche 
die Ortschaften, in welchen das Sabbatharierthum Wurzel ge- 
fasst hatte, der Reihe nach bereisen und die noch vorfindlichen 
Sectirer zur Annahme des Christenthums, wenn möglich des 
calvinischen Bekenntnisses bestimmen sollte. Den Widerstre- 
benden sollte unverzüglich und schonungslos der Process ge- 
macht werden. 

Die Commission ging eifrig ans Werk und erzielte selbst- 
verständlich durchschlagende Erfolge. In Szent-Erzsebet, dem 
Stammsitze der Sabbatharier, traten im Feber 1639 sämmtliche 
Sabbatharier, bis auf sechzehn, zur calvinischen Kirche über, 
wobei an einem Tage, dem 14. dieses Monates, nicht weniger 
als achtzehn die Taufe erhielten. Aehnliches hatte die Com- 
mission ausNagy-Solymos zu berichten, wo nur sieben »Judenzer« 
übrig blieben, und aus Hidegküt, wo die Sectirerei gänzlich 
ausgerottet wurde. In Kis-Solymos wurden nur mehr zwei 
Sabbatharier gefunden, alle übrigen, und ihre Zahl war hier 



238 



eine sehr bedeutende, hatten bereits, wenigstens äusserlich, 
den Calvinischen Glauben angenomjx^n. In Bözöd, Bözöd- 
Ujfalü und Erdö-Szentgyörgy »haben aioh alle, die Judenzer 
waren, bekehrt.« An jedem Tage wurden neue Masseutaufen 
erzielt, und das ging so fort bis zum 4. März.^ 

Alle diese Neubekehrten musaten eine Erklärung aus- 
stellen, durch welche sie sich eidlich ver|)flic'hteten, ihrem 
neuen Glauben treu zu bleiben, christliche Prediger und 
Schulmeister anzustellen, diejenigen aber, die sie verleiten 
wollten, eine andere Religion anzunehmen, sofort dem Fürsten 
anzuzeigen. »Das Alles zu halten und zu erfüllen — so schliesst 
die in Rede stehende Erklärung — helfe uns der wahrhaftige, 
ewige Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, und der 
Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs genannt wird, 
und so gebe er uns das Heil unserer Seele.« Man glaubte 
offenbar, dass die Sabbatharier, die zu dem Gotte Abrahams, 
Isaaks und Jakobs zu beten pflegten, diese, an den damals 
üblichen Judeneid erinnernde Eidesformel, für bindender erachten 
werden als jeden andern Eid.^ 

Die aus den Reihen der Unitarier hervorgegangenen Sab- . 
batharier bekannten sich, da sie einer der recipirten christ- 
lichen Religionen angehören mussten, äusserlich fast ausnahms- 
los zum Unitarismus. Der eifrig calvinisch gesinnte Raköczi 
benutzte diesen Umstand, um mit den Sabbathariern auch zahl- 
reiche Unitarier der »wahren orthodoxen Kirche« zuzuführen. 
Viele der letzteren wurden, oft ohne jeden Grund, als der 
Judenzerei verdächtig, in Untersuchung gezogen und theils 
durch Drohungen und rohe Gewalt, theils durch Ueberredung 
und dadurch, dass ihnen Befreiung vom Militärdienst zuge- 
sichert wurde, zur Annahme der calvinischen Lehre veranlasst. 
Durch diese Massenübertritte der Sabbatharier und ünitarier 
erhielten die Calviner an vielen Orten, wo sie den Unitariern 
gegenüber bislang die Minderheit bildeten, plötzlich die Majo- 
rität. Dieser Umstand bot Räköczi den erwünschten Vorwand, 



1 Kereszt. Magvetö XVJ. S. 217—223. 

2 Das. XVII. S. 223—4. Vgl. den Amtseid des zum türkischen Dolmetsch 
ernannten Juden, Török-Magy. Okm&nytär (= Türkisch, ung. Dlplomatarium) 

VIT. s, «a 



283 



die Kirchen und Schulen der betreffenden Orte den Unitariern 
zu entreissen, und den Calvinern zu überantworten.^ 

Die Kraft der siebenbürgischen Unitarier, welchen, wie 
wir gesehen, auch das freie Wort entzogen wurde, war ge- 
brochen, das Sabbatharierthum allem Anscheine nach vollends 
vernichtet. Der calvinische Bischof Stephan Katona v. Gelej, 
der eben damals an seiner i. J. 1645 erschienenen, umfangreichen 
Streitschrift »Geheimniss der Geheimnisse« arbeitete, fleht in 
derselben (S. 271) den Segen des Himmels auf Räkoczi I. herab, 
der »die Pest der Judenzerei, welche nahezu das ganze Land 
ergriffen hatte, in ihrer Weiterverbreitung hinderte, ja sie derart 
ausrottete, dass man von denSabbathariern nun- 
mehr im ganzen Lande nichts mehr weiss, es sei 
denn, dass sie sich im geheimen noch irgendwo 
verborgen halten.« 

Und das war thatsächlich der Fall. Katonas Streit- 
schrift war noch unter der Presse, als die Sabbatharier sich aus 
ihrer kaum fünfjährigen Verborgenheit wieder an die Oeffent- 
lichkeit wagten. Katona seibor hebt hervor, dass diejenigen, 
die im vorgerückten Alter die Taufe angenommen hatten, es 
zumeist nur gezwungen thaten, »sodann aber ihren Spott damit 
trieben.« Es war ein offenes Geheimniss, dass die Sectirer 
»wider ihren Willen« und »nur der Gewalt weichend« zur 
calvinischen Kirche übertraten, im Herzen aber noch immer 
dem Sabbatharierthum anhingen und dessen Bräuche ini ver- 
borgenen übten. 2 Sie warteten nur auf eine günstige Gelegen- 
heit, das Joch der ihnen aufgezwungenen Religion abzuschütteln. 
Und diese Gelegenheit glaubten sie schon im J. 1644 gekom- 
men, als der Fürst, infolge kriegerischer Verwicklungen mit 
Ferdinand HL, mit dem Heere ausserhalb Siebenbürgens weilte. 
Aber der junge Räkoczi, der während der Abwesenheit seines 
Vaters die Regierung führte, trat sofort mit Entschiedenheit 
gegen sie auf Er ernannte eine Commission, der er den Auftrag 
ertheilte, »die Judenzer, die dem Vernehmen nach sich wieder 
zu vermehren anfangen«, im ganzen Szeklerlande auszuforschen, 



1 Kereszt. Magvelö XIII. S. 362—6 ; XIV. S. 35 ; XVI, S* 328 ; XVII. S: 
108 u. 217. 

' Monunn. Gomit. X, S. 214 ; Johann K e m 6 n y, SelbsÜHographie S. 409 ; 
Szalärdi, a. a. 0. S. 135. 



234 



da »viele, welche diese Secte bereits verlassen hatten, wieder 
zu ihr zurückkehren.« 1 

Die Commission, über deren Wirksamkeit wir nichts 
Näheres wissen, scheint mit Erfolg vorgegangen zu sein, denn 
in den nächsten acht Jahren ist von den Sabbathariern nichts 
zu hören. Aber nach dem Tode des Fürsten, dessen unerbitt- 
liche Strenge sie schmerzlich erfahren hatten, wurden sie 
immer kühner und begannen neuerdings offen aulzutreten. 
Fürst Räköczi IL verhängte in einer am 19. September 1652 
erlassenen Verordnung die härtesten Strafen über sie.^ Die um 
diese Zeit zusammengestellte siebenbürgische Gesetzessamm- 
lung (Approbatae constitutiones) erneuerte die alte Bestimmung, 
welche über die Judenzer »Verlust der Habe und des Kopfesa 
als Strafe verhängt.» 

Die fernere Geschichte des Sabbatharierthums ist eine 
lange, ununterbrochene Kette der Unterdrückungen und Ver- 
folgungen. Die kleine Secte duldete und litt mit der Begeis- 
terung religiöser Schwärmerei. Ihre Anhänger wurden mit dem 
Tode bedroht und mit den härtesten Strafen belegt; ihre Habe 
wurde confiscirt, sie selber jagte man aus den von ihren 
Vätern ererbten Häusern und Hütten, nicht selten sogar aus 
ihrem Vaterlande, das sie als Bettler in geheimer Flucht ver- 
lassen mussten. Ihre vornehmeren und reicheren Gesinnungs- 
genossen, die mehr als die Uebrigen zu verlieren hatten, fielen 
allmälig von ihnen ab; nur die Acrmern und niedriger Ste- 
henden, zumeist Bauern und Leibeigene, harrten aus, aber diese 
klammerten sich mit krampfhafter Hartnäckigkeit an ihre reli- 
giöse Ueberzeugung. Zu Zeiten, wenn sie verfolgt, oder mit beson- 
derer Strenge beaufsichtigt wurden, übten sie ihre religiösen 
Bräuche im geheimen, mitunter in W^äldern und in Felsen- 
schluchten. So oft aber die Behörden ein weniger wachsames 
Auge auf sie hatten, oder wichtige politische Ereignisse die 
Aufmerksamkeit von ihnen ablenkten, wurden sie sorgloser 
und veriethen sich. Mitunter warfen sie sogar völlig die Maske 
ab, und bekannten sich offen als Sabbatharier. Hierauf folgten 
über kurz oder lang neue Untersuchungen und unerbittliche 

^ Kereszt. Magvetö XI. S. 68. 
» Das. III. S. 260. 

* Approbatae Constitutiones Regni Transsyk. Pars I. Tit. 4 ; vgl. das. I. 
Tit. 1. Art. 4. 



235 



Strafen von Seite des Staates oder der Geistlichkeit, und aber- 
maliges Versteckenspielen von Seiten der Sabbatharier. Und 
das wiederholte sich in grösseren und kleineren Intervallen 
durch mehr als zwei Jahrhunderte. 

Seit der Sabbatharierver folgung im J. 1652 waren zehn 
Jahre verstrichen. Mit dem stolzen Heere, das Raköczi II. nach 
Polen führte, war die Blüthe des siebenbürgischen Adels ver- 
nichtet w^orden; Bürgerkriege und plündernde türkische Horden 
überzogen das unglückliche Land mit Schrecken und Ver- 
nichtung. Inmitten dieser allgemeinen Verwirrung, wo die ver- 
schiedenen Landeskirchen nicht einmal die üblichen Synoden 
abhalten konnten, blieben die Sabbatharier unbeachtet und, 
trotzdem sie wieder öffentlich hervortraten, eine Zeit lang unbe- 
helligt. Erst im J. 1662 fand Fürst Apafi Zeit und Gelegenheit, 
sich wieder mit ihnen zu beschäftigen und Commissäre aus- 
zusenden, welche sie wieder zum Christenthum zurückführen 
sollten. Aber die kühn gewordenen Sabbatharier fertigten die 
fürstlichen Commissäre mit den Worten ab: »Seine Hoheit hat 
jetzt andere Sorgen, als sich um die Religion zu kümmern.« 
Vergebens wurden sie ermahnt, des Gelöbnisses eingedenk zu 
sein, dass sie in Dees und Bistritz in Wort und Schrift unter 
Eid abgelegt hatten. Seit dem Jahre 1638 war eine neue sab- 
batharische Generation herangewachsen, und diese erklärte 
rund heraus: »Wir haben nichts beschworen, weder hier, noch 
dort. Wenn unsere Väter geschworen haben, sind wir nicht 
verpflichtet, es zu halten, sobald wir das nicht wollen, wozu 
sie sich verpflichtet haben.« An vielen Orten leisteten sie der 
Vorladung der Gommission überhaupt keine Folge. Zu Bözöd 
»sprach der sabbatharische Geistliche der Bauerngemeinde ge- 
waltiglich zu: derartige Admonitionen seien schon vordem öfter 
dg^ewesen, aber es sei nichts dabei herausgekommen, und so 
werde es .auch diesmal sein.« Nur zu Szent-Erzsebet Hessen 
sich einige herbei, ihren Rücktritt zur calvinischen Kirche zu 
versprechen.^ 

Krieg und innere Wirren Hessen es aber zumeist noch 
zu keinem ernsten Einschreiten gegen sie kommen. Ungescheut 
und eifriger denn je übten sie ihre religiösen Bräuche und 
sagten sie sich scharenweise von der calvinischen, beziehungs- 

' S. den Bericht Kereszt. Magyetö XVII. S.; 224—6. 



Sd6 



weise unitarischen Kirche los, der sie äusserlich angehören 
mussten. Sie mieden die Kirchen, die sie bisher zum Scheine 
zu besuchen pflegten, arbeiteten an den Sonntagen, hielten 
sich strenge an die jüdischen Speisegesetze und waren kühn 
genug, ihren Glauben und ihre Bräuche öffentlich zu verthei- 
digen, wobei es nicht selten zu heftigen Auseinandersetzungen 
mit andersdenkenden Nachbarn kam. Erst im J. 1670 entsen- 
dete Apafi neuerdings eine Regierungscommission, welche die 
Szeklerstühle bereisen, an jedem Orte eine Liste sämmtlicher 
Sabbatharier anlegen und, um deren Process vorzubereiten, 
das nöthige Beweismaterial gegen sie sammeln sollte Aus 
den vor der Commission gemachten, noch vorhandenen Zeugen- 
aussagen ergab sich, dass die Secte, welche man vernichtet 
zu habten glaubte, noch zahlreiche fanatische Anhänger besass 
und in den letzten Jahren neuerdings eine grosse Verbreitung 
gefunden hatte. In Nagy-Solymos und in Körös-Patak hat je 
ein Zeuge 23, beziehungsweise 46 Personen als Sabbatharier 
namhaft gemacht. Neben Bauern und Leibeigenen befand sich 
eine stattliche Anzahl von Kleinadeligen und Studenten unter 
ihnen; am stärksten waren aber die »rothen Trabanten« ver- 
treten, welche den Kern des damaligen stehenden Heeres in 
Siebenbürgen bildete.^ 

Ueber die weiteren Massregeln, die Apafi hierauf gegen 
die Sabbatharier ergriff, besitzen wir keinerlei Nachrichten; 
doch scheint er mit unerbittlicher Strenge gegen sie vorge- 
gangen und die sabbatharische Bewegung für eine geraume 
Zeit wenn auch nicht unterdrückt, so doch eingedämmt zu 
haben. Denn vom J. 1670 bis zum J. 1717 hören wir nichts 
von Judenzern in Siebenbürgen; sie schienen ausgestorben, 
zu sein. Nichtsdestoweniger ist es gewiss, dass sie am 
Anfang des XVIII. Jahrhunderts neuerdings auftauchten. Doch 
blieben sie. Dank dem freiem Geiste und den Wirren, 
welche den damals ausgebrochenen »Kurutzen«-Krieg beglei- 
teten, eine Zeit lang unbemerkt, zum mindesten unbehelligt. 
Als aber Siebenbürgen vollständig unter oesterreichische 
Herrschaft geriet, und die katholische Kirche im ganzen Lande 
zu immer grösserer Macht gelangte, begann für die Sabba- 
tharier eine neue, lange Periode grausamer V^folgungeft. 

^ S. den amtlichen Beiicht, Kweszt. Magvet6 IX. & 147 fig. 



237 



Im Verlauf derBelben treten die calvinischen Geistlichen all- 
mälig" in den Hintergrund; an ihrer Stelle wird der katholische 
Clerus der am meisten gefürchtete Feind der geängstigten 
Sectirer. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts begegnen 
wir zum erstenmale katholischen Sabbathariern, das heisst 
solchen, die dem auf sie geübten Zwange weichend, allerdings 
zumeist nur dem Scheine nach, zur katholischen Kirche über- 
treten. Vordem pflegten sie sich, unter ähnlichen Verhältnissen, 
regelmässig entweder den Unitariern, oder den Calvinern an- 
schliessen. 

Die schier endlose Reihe der Verfolgungen, welche die 
neue, sagen war: oesterreichische Periode den Sabbathariern 
brachte, eröffnete die vom Jahre 1717, in welchem Jahre das 
siebenbürgische »Gubernium« neuerdings strenge Massregeln 
gegen die Sectirer beschloss. Dieselben bedurften jedoch der 
Bestätigung des Wiener Hofes, so dass mit ihrer Durchführung 
erst i. J. 1722 begonnen werden konnte.^ Die Sabbatharier 
wurden im ganzen Lande conscribirt und in Anklagezustand 
versetzt. Es waren ihrer im Ganzen nur mehr 108, die als 
Judenzer überführt werden konnten, darunter 37 Männer und 
71 Frauen; in dem Oertchen Iklöd fanden sich bloss noch 
weibliche Sabbatharier, zehn Frauen und ein Mädchen. 2 

Dass sich unter den Angeklagten so unverhältniss- 
mässig viele Frauen befanden, ist neben dem Umstände, dass 
sie sich an der sabbatharischen Bewegung von jeher lebhaft 
betheiligt hatten (ob. S. 198), offenbar darauf zurückzuführen, 
dass die Gerichte die Schuldbeweise am leichtesten und 
sichersten, also auch am häufigsten, in der — Küche zu suchen 
pflegten. Wo am Sabbath nicht gekocht, statt des Schweine- 
fettes Gänseschmalz benutzt wurde und, im Sinne der mosai- 
schen Gesetzgebung, unreine Thiere aus der Küche verbannt 
waren, dort war »Judenzerei.« Diese Delicto konnten aber 



^ ,Sabbatistarum causa anno adhuc 717 inchoata in tabulaque 
regia decisa, sed ab altioribus necdum raüßGata;*^ s. das Actenstück im Landes- 
arcbiv zu Ofen, Arch. d. siebenb. Guberniums, sub A. 1724, No. 504. 

' Nach den Processacten wurden gefunden : „In Bözöd-Ujfalü : 27 Männer, 
24 verheiratete Frauen, 7 Witwen, 4 Mädchen ; in Bözöd : 1 Ehepaar ; in Ernye : 
9 Männer, 19 Frauen, 5 Mädchen ; in Iklöd 10 Frauen, ein Mädchen." Die Zahl 
der nicht überwiesenen Sabbatharier ist offenbar eine noch viel grössere gewesen. 
S. das Actenstück im Landesarch. zu Ofen, das. sub A.1722 No. 253. 



238 



• ■ • ■ • - ' - - 

naturgemäss in der Regel nur den Frauen nachgewiesen werden, 
während die Männer, wenn sie sich aufs Läugnen verlegten, so 
leicht nicht überführt werden konnten, im geheimen Sabba- 
tharier zu sein. 

Das Vermögen der 108 Angeklagten wurde aufgenommen 
und bald darauf mit Beschlag belegt,^ das weitere gerichtliche 
Vorgehen jedoch »wegen anderweitiger öffentlicher Angelegen- 
heiten« vorläufig eingestellt. Erst am 24. März 1724 forderte 
das Gubernium die Landesstände auf, den Process der Sabba- 
tharier endgiltig zu erledigen, »damit die fluchtwürdige Ketzerei, 
wenn sie noch länger geduldet würde, den Zorn Gottes nicht 
zur Strafe herausfordere.^« Infolge dessen erging am 22. Mai 
an die Behörden der Szeklerstühlo Udvarhely und Maros der 
Befehl, von den Sabbathariern, »nachdem sowohl sie selber, 
als auch ihre Habe unter guter Caution befindlich sind«, nur 
vier oder fünf vor Gericht zu stellen, diesen den Process zu 
machen, und das über sie gefällte Urtheil ohne Aufschub an 
allen Sabbathariern zu vollstrecken. ^ 

Im Sinne dieses Befehles w^urden im darauffolgenden Jahre 
{Ende März und Anfang April 1725) sämmtliche Angeklagte 
»zum Verluste ihres Vermögens« verurtheilt. Das Urtheil 
wurde sofort vollstreckt, und die confiscirten Liegenschaften 
der Sabbatharier in den drei kleinen Ortschaften Bözöd, Nagy- 
Ernye und Iklöd für 10.000 Gulden zu Gunsten des Aerars 
verkauft.* Die an den Bettelstab gekommenen Sabbatharier 
wanderten zum Theil nach der Türkei aus, die übrigen haben, 
nach der Aufzeichnung des Pfarrbuches zu Bözöd-Ujfalu, »dem 
Zwange weichend, die römisch-katholische Religion angenommen, 
sind aber deshalb doch Sabbatharier geblieben.«^ Sie. wurden 
unter die strenge Aufsicht ihrer Pfarrer gestellt, die es aber 
nicht zu hindern vermochten, dass sie nach wie vor ihre 

1 Landesarchiv zu Ofen sub A. 1722. No. 304. 

3 Das. sub. A. 1724, No. 504 u. 505. 

3 Das. sub. A. 1724, No. 187 u. 51. 

* S. den Process zwischen den Käufern u. den Nachkommen der ver- 
urlheilten Sabbatharier, das. sub. A. 1797, No. 825 ; vgl. r b a n, a. a. 
0. I. S. 147. 

6 S. Acta Parochiae B.-Ujfalvens. Ofner Landesarchiv, das. sub. A. 1868, 
No. 28479. Das umfangreiche Actenstück enthält die Gopie sämmtlicher auf die 
Sabbatharier bezughabender Stellen diss Pfarrbuches von BözÖd-Ujfalu mit den 
Bemerkungen des Gopisten, Garonicus Emerich B e t e g h. 



239 



jüdischen Bräuche übten. Im Jahre 1729 wurden die Jesuiten 
mit ihrer Bekehrung und Ueberwachung betraut.* Gleichzeitig 
fahndete man auf die in den übrigen Gegenden des Landes 
zerstreut wohnenden Sabbatharier, [deren Habe, wie z. B. die 
des Tordaer Bürgers Johann Pal, schonungslos confiscirt 
wurde. 2 

Den so hart verfolgten Sabbathariern blieb als letztes 
Rettungsmittel nur noch die Auswanderung, und sie suchten 
ihre Besitzthümer um jeden Preis zu Geld zu machen. Das Gu- 
bernium, welches in Erfahrung gebracht hatte, »dass es noch 
immer solche gebe, die der verdammten Religion der Sabba- 
tharier angehören, und jetzt ihre Güter zu verschleppen suchen,« 
erliess am 19. September 1744 eine strenge Verordnung, »dass 
kein Mensch diese Güter von ihnen ankaufe, ansonsten sie (die 
Käufer) casu contrario ohne Geld und ohne Güter bleiben, nachdem 
ihnen der königliche Fiscus diese Güter simpliciter wegnehmen 
wird.« 3 

In Vollführung dieser Verordnung w^urde im nächstfol- 
genden Jahre (1745) eine Liste der an die Scholle gebundenen 
Unglücklichen angefertigt, und öffentlich kundgemacht, dass 
die Betreffenden ihre Güter nicht verkaufen dürfen. Sie mussten 
ihren Besitz behalten, damit er ihnen strafweise weggenommen 
werden könne, falls sie der Jude^nzerei. oder auch nur der 
Vernachlässigung der kirchlichen Bräuche überführt werden 
sollten.* 

Zu diesem Behufe wurden sie aufs schärfste überwacht. 
In Bözöd-Ujfalu, dem damaligen Hauptsitze der Sabbatarier, 
achtete der katholische Pfarrer strenge darauf, ob sie an Sonn- 
und Feiertagen die Kirche besuchen und sich am Gottesdienste 
gebührend betheiligen? Ob mit Ausnahme des einen Familien- 
mitgliedes, das zur Bewachung des Hauses zurückbleiben durfte, 
die ganze Familie in der Kirche erschienen war? Ob sie 
keine geheimen Zusammenkünfte halten^? Ob sie ihre schwer 
Kranken mit den Sterbesacramenten versehen lassen ? Ob sie 

^ Acta Paroch. B.-Ujfalvens. das.; vgl. 1 1 1 i a, Orlus et progressus variarum 
in Dacia gentium S. 161. 

a Kereszt. Magvetö III. S. 161. 

3 Ofner Landesarchiv, Arch. d. siebenb. Guberniams sub. A. 1744, 
No. Ö73. 

* Acta Paroch. B.-Ujfalvens., das. 



aiQ 



die Särge und die Gräber nicht nach jüdischem Brauche anfer- 
tigen, und ob Me ihre Kinder pünktlich in die katholische 
Schule schicken? Wer sich; in der einen oder anderen Beziehung 
etwas zu Schulden kommen Hess, wurde sofort hart bestraft, 
in der Regel durch die Confiscirung seiner Güter.^ 

Die Lage der Sabbatharier war jetzt eine schier uner- 
trägliche geworden; es blieb ihnen kein anderes Rettung-s- 
mittel als die Flucht. Namentlich die Jüngeren und Kräftigeren 
unter ihnen schlichen sich bei Nacht und Nebel fort, und suchten 
auf unwegsamen Gebirgspfaden die benachbarte walachische 
Grenze zu erreichen, um in der Türkei die Ruhe und den 
Frieden zu suchen, die ihnen zuhause versagt waren. Die meis- 
ten Hessen sich in Adrianopel nieder, wo sie zum Judenthume 
übertraten, irgend ein Handwerk erlernten, und in Verhältnissen 
lebten, die, so bescheiden sie auch waren, den armen szekler 
Bauern als wahrhaft glänzende erschienen. 

Einer von ihnen, Joseph Koväcs, »der als Jude Ben- 
Abraham heisst«, schrieb noch im J. 1778 seinen in Bözöd-Ujfalu 
zurückgebliebenen greisen Eltern. Der in mehrfacher Beziehung 
interessante Brief zählt die vor Jahrzehnten ausgewanderten 
Szekler, die in Adrianopel als »Ger-Juden« leben,^ namentlich 
auf; es sind ihrer im Ganzen sechzehn, »die Uebrigen«, so 
heisst es, »sind schon alle gestorben.« Mich selbör, so fährt der 
Schreiber, nachdem er über seine Familienverhältnisse berichtet 
hat, fort »mich selber achten alle Menschen, selbst die Gross- 
rabbiner; auch die Arbeit schadet mir nicht. Ich betreibe das 
Buchbinderhandwerk und lebe gut; wie schönes weisses Linnen 
ist das Weissbrod, das ich esse, und den besten rothen Wein 
trinke ich, so oft ich Lust dazu habe . . . Euch, meine gelieb- 
ten jüngeren Brüder, bitte ich, den theueren Vater und die 
theuere Mutter nicht zu kränken. Solltet Ihr den Vorsatz haben, 
hierherzukommen, so lasset Eure theueren Eltern nicht dort; 
ich möchte sie wahrhaftig gar so gerne sehen !«8 

* Das. die Aufzeichnungen der Pfarrer Georg Lukäcs u. Paul 
V i n k 1 e r ; vgl. die Eingabe des Dechanlen Emericli Betegh, Ofner Landesarcb. 
das. sab. A. 1868, No. 28479. 

* G e r, die bei den Juden übliche hebräische Bezeichnung für P r o s e 1 y t. 
3 Der Brief, den die Familie Koväcs fast ein Jahrhundert als Reliquie 

bewahrte, gelangte durch Vermittlung des Verfassers dieser Schrift, der ihn 
später auch veröffentlichte, (Magy. Zsidö Szemle 11. S. 74— S) in den Besitz des 
ungarischen Nationalmuseums zu Budapest. 



241 

Solche Briefe und Nachrichten mussten bei den in Sieben- 
bürgen zurückgebliebenen Sabbathariern selbstverständlich den 
lebhaften Wunsdh rege machen, das gelobte Land aufzusuchen, 
in welchem ihre Brüder nicht verfolgt, sondern von allen Men- 
schen geachtet, in Ruhe und Sicherheit nach ihren religiösen 
Ueberzeugungen leben konnten. Die fluchtartige Auswanderung 
nach der Türkei wurde immer häufiger und währte bis tief 
in die erste Hälfte des XIX. Jahrhunderts. 

Die Häuser und Felder, welche die Flüchtlinge, da sie sie 
nicht verkaufen durften, einfach zurücklassen mussten, fielen 
dem Fiscus anheim, der sie um das Jahr 1747 der Pfarre von 
Bözöd-Ujfalu schenkte. Der damalige Pfarrer, Anton Bertalan, 
überwies diese Liegenschaften den nächsten Verwandten der 
Flüchtlinge »in Anhoffnung ihrer Bekehrung«, unter der Bedin- 
gung jedoch, dass die Schenkung jederzeit sofort rückgängig 
zu machen sei, wenn die Betreffenden sich nicht als gute 
Katholiken bewähren.^ 

Aber die Sabbatharier Hessen sich durch diese Schenkungen 
ebenso wenig bestechen, als sie sich in ihren Ueberzeugungen 
durch die strengen Massregeln wankend machen Hessen, welche 
die Kaiserin Maria Theresia bald darauf gegen sie ergriff. Auf 
Betreiben des siebenbürgischen Clerus entsendete sie i. J. 1750 
eine Schar von Ordensgeistlichen, welchen Soldaten und Pan- 
duren beigegeben waren, zur gewaltsamen Bekehrung der 
Sabbatharier. In jedes sabbatharische Haus wurde je ein Mönch 
einquartirt, der die betreffende Familie in Glaubenssachen 
unterweisen und gleichzeitig strengstens überwachen sollte.^ 
Unter dem Drucke solcher Gewaltmassregeln lichteten sich 
wohl die Reihen der Sabbatharier immer mehr, aber die aus 
den Jahren 1753 und 1764 stammenden Aufzeichnungen des 
Pfarrbuches zu Bözöd-Ujfalü enthalten noch immer die bittersten 
Klagen über die Hartnäckigkeit der Sectirer. Es sei nicht mög- 
lich, die Sabbatharier genügend zu überwachen; sie üben, so 
heisst es da, die christlichen Bräuche nur nachlässig und nur 
wenn sie dazu gezwungen werden; mit um so grösserem Eifer 
aber hängen sie an den jüdischen Riten, zu deren Beobachtung 
sie geheime Versammlungen abzuhalten pflegen. ^ Das alles 

* Acta Paroch. B.-Ujfalvens. das. ; Blasius O r b ä n a. a. 0. I. S. 187. 

* r b a n, a. a. 0., das. 

' S. die Aufzeichnungen der Pfarrer Lukacs und Vinkler, Acta Paroch., das. 

Dr Kolm : Sabbatharier. 16 



242 



wusste man nicht nur im Pfarrhause, sondern im ganzen 
Szeklerstuhle von Udvarhely; ja man kannte jeden einzelnen 
Sabbatharier genau. Diese gingen aber so vopsichtig zu Werke 
und wussten die Uebung ihrer religiösen Bräuche so geschickt 
zu verbergen/ dass man sie der Judenzerei nicht überführen 
konnte. So lebten sie wohl unter scharfer Controle, sonst aber 
bis 1781, ungestraft. 

In diesem Jahre erschien das Toleranzedict Josephs IL, 
welches das gegenseitige Verhältniss der vier in Siebenbürgen 
recipirten Religionen wohl in freisinniger Weise regelte, aber 
eben dadurch das Sabbatharierthum neuerdings aus der Reihe 
der vom Staate anerkannten Religionen, ausschloss. G(^en 
solche durch das Toleranzedict nicht anerkamite Confessionen 
pflegte aber Joseph IL recht unduldsam, ja sogar hart ^u ver- 
fahren, ^ und so wurden gerade nach dem Erlasse dieses Edictes 
die Processe gegen die Sabbatharier mit aller Streike wieder 
aufgenommen. Um den über sie verhängten harten Strafen 
zu entgehen, entwichen viele, mit Hinterlassung ihrer ge- 
sammten Habe, nach der Türkei und gelangten schliesslich 
nach Konstantinopel, wo sie sich niederliessen und, wie sie 
nachhause schrieben, »neben der türkischen Druckerei in* einer 
besonderen Gasse« wohnten, und ihre Gebete in ihrer Mutter- 
sprache verrichteten.» Wahrscheinlich sind auch diese, -gleich 
ihren nach Adrianopel geflüchteten Glaubensgenossen, Juden 
geworden und in der jüdischen Gemeinde aufgegangen. 

Im Jahre 1817 wurden abei^mals mehrere Sabbatharier, 
die man bei der Uebung jüdischer Bräuche ertappte, verurtheilt 
und ihrer Liegenschaften beraubt. In erbittertem Trotze ver- 
richteten sie hierauf einen ganzeti Sonntag hindurch öffentlich 
die schwersten Feldarbeiten, luden des Nachts ihre werth- 
voUeren Habseligkeiten auf Karren und flüchteten ebenfalls 
nach der Türkei. 



* lieber des diesbezügliche Vorgehen der Sabbatharier s. das folgende 
Capitel. 

3 Ein bezeichnendes Beispiel hierfür ist sem an Grausamkeit grenzendes 
Vorgehen gegen die Abrahamiten oder Deisten in Böhmen; s. die Quellen 
ob. S. 9 Anm. 4. 

3 Orbän, a. a. 0. I. S. 147. Diesen brieflichen Nachrichten verdankt 
wahrscheinlich die oben angeführte Sage ihre Entstehung, P6chi sei nach 
Konstantinopel geflüchtet und dort Director einer türkischen Druckerei. 



243 



Im Jahre 1827 war Alexander Czinczeri, der katholische 
Geistliche zu Bözöd-Ujfalu, ihr unerbittlicher Verfolger, von 
dem sie noch heute als von einem herzlosen Menschen zu 
erzählen wissen, den Gott für seine Grausamkeiten gestraft hat. 
Er zwang sie am Sabbath zu arbeiten. Des Sonntags gingen 
seine Emissäre von Haus zu Haus und schleppten sie gewalt- 
sam in die Kirche, wo sie während des Gottesdienstes ununter- 
brochen das Kreuzeszeichen machen mussten. Ueber die Wider- 
spenstigen wurde die übliche Strafe verhängt; drei Familien 
wurden von Haus und Hof vertrieben. Auch diese flüchteten 
nach der Türkei. Andere entschuldigten sich vor dem Gerichts- 
höfe damit, ihre Felder seien wiederholt gerade am Sabbath 
durch Hagel vernichtet worden; um diese Gottesstrafe von 
sich abzuwenden, hätten sie das Gelöbbniss gethan, am Sabbath 
zu ruhen; im übrigen seien sie keine Judenzer. Einige Mit- 
glieder des Gerichtshofes luden mehrere der Angeklagten zu 
Tische, um zu beobachten, wie sie sich zu den nach dem 
mosaischen Gesetze verbotenen Speisen verhalten. Die Sabba- 
tharier setzten aber der List List entgegen und schickten 
Nichtsabbatharier, welche sich für die Geladenen ausgaben. 
Bei dieser Gelegenheit sollen sie die Erlaubniss, den Sabbath 
im Sinne ihres Gelöbnisses feiern zu dürfen, erbeten und 
angeblich auch erhalten haben. 

Da die Sabhatharier immer nur unter einander zu heiraten 
pflegten, erliess jetzt Bischof Nicolaus Kovacs das Verbot, Braut- 
paare, deren Familien der Judenzerei verdächtig waren, zu 
trauen. Die Sabbatharier antworteten auf diese harte Maasregel 
mit einer neuerlichen Auswanderung nach der Türkei. Die 
übrigen traten zumeist zur calvinischen Kirche über, der sie 
selbstverrständlich eben so äusserlich und nur zum Scheine 
angehörten, als früher der katholischen.^ 

Im Jahre 1829 wurden in Bözöd-Ujfalu 39, in Ernye 8 
Personen als Sabbatharier in Anklagezustand versetzt, doch 
konnte ihnen, nach langwierigen Untersuchungen und Verhand- 
lungen, nur so viel nachgewiesen werden, dass sie an Sonn- 
und Feiertagen Arbeiten verrichtet hatten. Der Uebung jüdi- 
scher Bräuche konnten sie nicht überführt werden, so dass sie 

1 A. a. 0. das. S. 147 — 8. Bezüglich Gzinczeris s. noch Egyenlöseg, VI. 
No. 9, ferner im nächsten Gapitel den sagenhaften sabbatharischen Bericht 
über ihn. 

16* 



244 



im August 1833 wegen Mangel an Beweisen freigesprochei 
werden mussten. Der öffentliche Ankläger appellirte, abe: 
Kaiser Franz IL bestätigte am 13. Feber 1834 das freispre 
chende Urtheil mit dem Bemerken, die Angeklagten seien zui 
Beobachtung der christlichen Feiertage zu verhalten und dies 
bezüglich unter Aufsicht der Geistlichkeit zu stellen.^ 

Der nachmalige Cardinal Ludwig Haynald suchte, als ei 
i. J. 1851 Bischof von Siebenbürgen wurde, die] Sabbathariei 
durch Freundlichkeit und Ueberredung für die katholische 
Kirche zu gewinnen. Er beschenkte sie mit schönen metallenen 
Crucifixen, ging dann selbst nach Bözöd-Ujfalu und predigte 
vor ihnen, um sie^durch die Macht des Wortes zu bekehren. 
Die Sabbatharier blieben kalt; seine Bekehrungsreden konnten 
ihnen nur das Geständniss abringen: »Wie schön er reden 
kann! Schade, dass er kein Sabbatharier ist!«^ Im übrigen 
musste auch Haynald zu strengen Mitteln gegen sie greifen. 
Ein Sabbatharier, Namens Paul Koväcs, hatte nämlich seine 
Tochter, die im geheimen Jüdin geworden war, einem Juden 
zur Frau gegeben. Haynald, dem das angezeigt wurde, zwang 
die Frau, ihren jüdischen Gatten zu verlassen und mitsammt 
ihrem mittlerweile geborenen und als Jude erzogenen Sohne 
ins Vaterhaus zurückzukehren.« 

So war es auch Haynald nicht gelungen, die Sabbatharier 
in der Schoss des Christenthums zurückzuführen; sie setzten 
der Ueberredung denselben Widerstand entgegen, wie vordem 
der Gewalt. Man kannte und überwachte sie genau. Die Pfarrer 
von Bözöd-Ujfalu pflegten für ihre Amtsnachfolger förmliche 
Instructionen zu hinterlassen, in welchen sie die Merkmale 
angaben, an welchen die Judenzer zu erkennen, und die Art 
und Weise, wie sie am besten zu überwachen seien.* Aber die 
Sabbatharier waren so vorsichtig und verschlagen, und wussten 
ihre religiösen Uebungen in so geheimnissvolles Dunkel zu 
hüllen, dass es fast nie gelang, sie auf frischer That zu 
ertappen. Erst i. J. 1867 warfen sie die Maske ab und bekannten 
sich offen als Judenzer. Damit begann die vor der Öffentlich- 

1 Ofner Landesarchiv, das. s. A. 1833, No. 4125 u. A. 1834 No. 2011 

* Acta Paroch. Bözöd-Üjfalvens., a. a. 0. das., u. Blasius Orban a. a. 
I. S. 148. 

3 Acta Paroch. das. 

* S. die verschiedenen Aufzeichnungen das. 



245 

keit sich abspielende Bewegung, welche die letzten Reste der 
Sabbatharier, mit einigen wenigen Ausnahmen, dem Judenthum 
zuführte. 

Bevor wir jedoch die Geschichte dieser Bewegung erzählen, 
wollen wir das religiöse und das Geistesleben der Sabbatharier 
kennen lernen, wie es sich uns während dar 230 Jahre dar- 
stellt, die zwischen demJDeeser Gerichtstermin und dem J. 1867 
lagen. • 



Das religiöse und das Geistesleben des Sabbatha- 
rierthunns in der Periode seines Niederganges. 

1638—1868. 

Dem religiösen und Geistesleben des Sabbatharierthums 
während der letzten Periode seiner Geschichte hat die 230-jährige 
schonungslose Verfolgung, welche es erlitten, ihr trauriges 
Gepräge aufgedrückt. 

Die gewaltsam unterdrückte, ihrer Führer beraubte, immer 
mehr zusammenschmelzende und nur mehr heimlich fort- 
bestehende Secte war kaum im Stande, sich ihre älteren lite- 
rarischen Erzeugnisse zu bewahren und zu erhallen; neue zu 
schaffen, oder ihre Sache mit der Feder zu fördern und zu 
vertheidigen, war für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst 
die Abschreiber, welche ihre älteren Schriftwerke vervielfältigten, 
sind nicht mehr die geschulten Copisten von ehedem, sondern 
Bauern und Handwerker, deren ungelenke Schrift es deutlich 
verräth, dass ihre Hände besser mit dem Pfluge und Hand- 
werkzeuge, als mit der Feder umzugehen wissen. Die von ihnen 
gelieferten Abschriften sind um so mangelhafter, je jüngeren 
Datums sie sind; die aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts 
bereits von einer trostlosen Unbehilflichkeit. 

Die älteren sabbatharischen Handschriften präsentiren sich 
als stattliche Folianten oder Quartbände aus gleichmässigem, 
starkem Papier, die von geübter, sicherer Hand geschrieben 
und, wie deutlich erkennbar, durch die Werkstätte des Buch- 
binders gegangen sind. Die aus der Zeit nach 1638 stammen- 
den Handschriften sind ausschliesslich Octav-, oder gar Sedez- 
bände, weil solche leichter zu verbergen, und zu den geheimen 
gottesdienstlichen Versammlungen bequemer und sicherer mitzu- 



2i'3 



nehmen Wären, endlich' aber weil ftir dieses kleine Format das 
nöthige Papier am bill%sten und' am unanffäHigsten zu beschaffen 
war. Das Papier dieser Handschriften besteht nämlich in der 
Regel aus Stücken von verschiedener Grösse, Farbe und Qua- 
lität, die ungeschickt zusammengenäht und in höchst primi- 
tiver Art gebunden sind, mitunter in Einbandtafeln, die von 
andern Büchern genommen wurden.^ Die Abschreiber, oder 
Besitzer haben es offenbar nicht gewagt, sich an einen Buch 
binder zu wenden. Die plumpe, schwerfällige Schrift und die 
durchweg fehlerhafte Orthographie verrathen die Unwissenheit 
der Copisten, und können als voUgiltige Beweise für die auch 
anderweitig bezeugte Thatsache gelten, dass in dieser langen 
Periode allmäligen Verfalls nur noch Bauern Anhänger des 
Sabbatharierthums waren. Dabei sind diese Handschriften aus- 
schliesslich Gebet- und Ritualien-, sowie Gesangbücher, deren 
die Sabbatharier bei ihren gottesdienstlichen Verrichtungen 
nicht entrathen konnten. Alle übrigen Erzeugnisse ihrer altern 
Literatur blieben unbeachtet, und verschwanden allmälig aus 
den Häusern, zuletzt sogar aus dem Gedächtnisse der Sabba- 
lharier.2 

Seit der Katastrophe zu Dees i. J. 1638 ist keine einzige 
neue sabbatharisehe Schrift, nicht einmal ein neues sabbatha- 
risches Lied entstanden. Die gesammte Geistesthätigkeit der 
im Dunklen fortvegetirenden Secte äusserte sich in der theil- 
weisen Erhaltung ihrer altern Literaturerzeugnisse, sowie in 
den weiter tinten besprochenen Correcturen, die an ihrem 
Gesangbuche vorgenommen wurden. Einige kleine Verse und 
einige Volkssagen sind Alles, was sie im Verlaufe dieser 230 
Jahre zu schaffen im Stande war. 

Die in Rede stehenden Verse sind in der Regel am 
Anfange oder am Schlüsse der Gebet- und' Gesangbücher zu 
finden, und zumeist des Werk des Abschreibers, oder des 



^ Ein in meinem Besitze befindliches, um 1843 geschriebenes sabbatha- 
riscbes Gebet- u. Rilualienbuch in 8-** steckt in einem scljadhaflen, aber starken 
Ledereinband, dessen Rücken die eingedruckte Titelau ftchrift hat: „Pichler, 
Jag CÄöoüicura, Pars I.«* Zu mehreren aus der jüngsten Zeit (1850—1860) 
stammenden sabbatharischen Gebet^ und Liederbüchern sind, offenbiu: in irgend 
einem Papierladen gekaufte, Geschäfts- oder Notizbücher benutzt worden. 

» Die einzige Ausnahme bildet die 1708 angefertigte Abschrift der oben 
S. 179, Anm. 1) erwähnten Schrift Pechis. 



247 



Besitzers der betreffenden Handschrift. Nur eines von ihnen 
hat Mreitere Verbreitung gefunden. Es scheint in der ersten 
Hälfte des XVII. Jahrhunderts entstanden zu sein, und findet 
sich seitdem fast in jeder sabbatharischen Handschrift, ja sogar 
am Anfange sabbatharischer Briefe.^ Es lautet in wörtlicher 
Uebersetzung: 

Ruhm und Ehre sei dem Herrn der Herren, 
Abrahams, Isaaks uod Jakobs Könige, 
Der oberster Richter ist der ptnzen Well. 
Er gebe Befreiung den Nachkommen Israels ! 

Diesen vier, im Ungarischen mit einem und demselben 
Reime endigenden Zeilen sind seit dem Anfang dieses Jahr- 
hunderts in der Regel noch die Worte 

In Gemeinschaft mit uns 
oder einfach: 

Und auch uns 

hinzugefügt. 

Neben diesem Verslein^ ist noch ein anderes zu erwäh- 
nen, welches sich zwar in keiner sabbatharischen Handschrift 
findet, aber, nach einem vertrauenswürdigen Berichte, um die 
Mitte dieses Jahrhunderts bei den Sabbathariern von Bözöd- 
Ujfalü gang und gäbe war. Von dem Glauben ausgehend, dass 
der sehnlich erwartete Erlöser unter Donner und Blitz erschei- 
nen werde, pflegten sie während eines Gewitters die Thüren 
und Fenster zu öffnen und folgende, im ungarischen Originale 
volksthümlich gereimte, Strophe abzusingen: 

Mach auf, o Herr, mach auf uns 
Deiner Gnade Thore, 
Schicke uqs, o schick uns 
Den verheiss'nen Messias. ^ 

Einen lehrreichen Beitrag zur Entstehung der Volkssagen 
bieten die unter den Sabbathariern dieser Zeit entstandenen 
Sagen. 

* So z. ß. in dem oben (S. 240), erwähnten Briefe. 

2 llehiQi-e andere, die a)>er keine allgemeine Verbreitung gefunden 
haben, 3. in meinem „A Szombatosok" S. 331. 

2 Orbän a. a. O. I. S. 148 und Vasärnapi Ujsäg (= Sonntagszeitung) 
1873 S. 68; beide haben die handschrifüichen Aufzeichnungen des verlässhchen 
Alexander r m ö s i benutzt, der lange unter den Sabbathariern gelebt hat. 



248 



Die unterdrückte Secte bedurfte des Trostes für ihre jam- 
mervolle Lage und der Hoflfnung für ihre Zukunft, und da die 
Wirklichkeit ihr weder das Eine noch das Andere bot, suchte 
sie beides im Reiche der Phantasie. Zu den derart entstandenen 
Sagen gehört in erster Linie die oben (S. 226) erwähnte, welche 
von Pechi, den die späteren Sabbatharier als den eigentlichen 
und alleinigen Gründer ihrer Secte betrachten, zu erzählen 
weiss, dass er der von ihm verkündeten Religion nie untreu 
geworden, sondern nach Konstantinopel geflüchtet sei, wo er 
an der Spitze einer sabbatharischen Gemeinde stehend, seine 
Lehren weiter verkündet und die daheimgebliebenen Gläubigen 
zum Ausharren in der Wahrheit ermuntert habe. Diese Sage 
knüpft offenbar an die Thatsache an, dass Sabbatharier nach 
der Türkei ausgewandert sind, anderseits aber ist sie sicherlich 
nicht ohne Einfluss auf die öftere Wiederholung dieser Aus- 
wanderung geblieben. 2 

Eine ähnliche Tendenz verfolgt auch jene Sage, welche 
Pechi eine Jüdin zur Frau giebt, die ihm mitsammt ihren 
Kindern nach der Türkei gefolgt sein soll (ob. S. 226). Die Sabba- 
tharier, die um diese Zeit bereits nur unter sich heirateten, 
mochten von Pechis beiden christlichen Frauen und von seinen 
christlichen Kindern nichts wissen. Gleichzeitig sollte aber 
auch darauf hingewiesen werden, dass eine wahrhafte Sabba- 
tharierin dem Gatten auch in die Fremde folgt, um ihrer Re- 
ligion ungehindert leben zu können. 

Ein ganzer kleiner Sagenkreis verfolgt die Tendenz, nach- 
zuweisen, dass die Vorsehung diejenigen bestraft, welche den 
Fluch der verfolgten Sabbatharier auf sich laden, namentlich 
aber jene, welche sie zur Entweihung der Sabbathruhe zwingen. 

Die furchtbare Niederlage, welche Georg Räköczi IL auf 
seinem Kriegszug gegen Polen erlitten, war die Gottesstrafe 
für das grausame Vorgehen der beiden Räköczi gegen Pechi 
und die übrigen Sabbatharier. An dem Pfarrer Alexander Czin- 
czeri, der die Sabbatharier unmenschlich verfolgte und unter 
anderem zur Arbeit am Sabbath zwang (ob. S. 243), ging deren 
Fluch, »er soll nicht sterben können, bis ihn die Würmer nicht 
verzehren« buchstäblich in Erfüllung. Er wurde, als er eben 
eine heftige Rede gegen die Sabbatharier hielt, auf der Kanzel 

2 S. ob. S. 242. Antn. 2. 



249 



vom Schlage gerührt und musste noch lange leiden. In seinen 
Qualen berief er den Rabbiner der Sabbatharier zu sich, um 
dessen Verzeihung zu erlangen; aber die Sabbatharier wollten 
den Fluch nicht zurücknehmen, und er musste an einer ekel- 
haften Krankheit sterben.^ 

An dieselbe Persönlichkeit und an dieselben Verhältnisse 
knüpft noch einer anderen Sage an, welche ein zum Juden- 
ihume bekehrter Sabbatharier mit folgenden Worten erzählt:* 

Auch das geschah mit den Sabbathariern. Es war in den Zeiten der noch 
lebenden Greise, da war hier (in Bözöd-Ujfalü) ein katholischer Geistlicher, der 
über die Sabbalharier derart herfiel, dass er sie des Sabbaths hinausjagte, 
Heu für ihn zu machen. Es war vollständig klares, warmes Wetter ; aber schon 
nach einigen Stunden stieg eine Wolke auf, und erhob sich ein derartiger Slurm, 
dass das verwehte Heu die ganze Gemarkung bedeckte, und ihm (dem Geistlichen) 
das viele Heu verloren ging. Dabei entstand aber ein Platzregen und ein solches 
Gewitter, dass ein Mann aus einem Nachbardorfe derart vom Blitze getroffen 
ward, dass er sofort starb. Als sie das grosse Unglück sahen, rief ein chrisUicher 
Herr mit lauter Stimme: „Geht nach Hause, ihr Sabbatharier, sonst gehen wir 
noch alle zu Grunde !" — Seitdem zwang man die Sabbatharier nicht mehr, 
am Sabbath zu arbeiten. 

Echter szekler Volkshumor spricht aus der folgenden 
JSage, die ganz gut als lustige Anekdote gelten kann. 

Paul Miklösi, Polizeicommissär des bözöder Bezirkes, 
war ebenfalls ein grausamer Verfolger der Sabbatharier, die 
er grade am Samstag zu öffentlichen Arbeiten, wie zum 
Anlegen und Ausbessern der Fahrstrassen verhielt und dabei 
»Kälber« zu schimpfen pflegte. Daraufhin sprachen sie über 
ihn den Fluch aus: er möge ein Kalb gebären! Der 
dem Trünke ergebene Mann kommt eines Abends nach mannig- 
fachen Abenteuern mit einem tüchtigen Rausche nachhause, 
und wird von der Frau zu Bette gebracht. Da träumt er, 
fler Fluch der Sabbatharier sei in Erfüllung gegangen und er 
habe ein Kalb geboren. Er erwacht, den Angstschweiss auf 
der Stirn, und fühlt, dass etwas ihm die Fussohle leckt ; er 
schaut hin und sieht zu seinem Entsetzen, dass dieses Etwas 
ein — neugeborenes Kälbchen ist. Seine Kuh hatte nämlich, 
während er schlief, ein Junges geworfen, welches seine Frau, 
des kalten Wetters wegen, in die Stube brachte. Der noch 
immer beduselte Miklösi glaubt nun steif und fest, er habe 

* Orban, a. a. 0. I. S. 149; vgl Egyenlös6g, 1887, No. 9. 
» „Dan Abraham, vormals Moses Koväcs* in einem an den Verfasser 
gerichteten Briefe, de dato Bözöd-Ujfalü, 1. März 1875. 



260 



das Kalb geboren; er trägt es hinaus und wirft es, um die 
Sache zu vertuschen, in den offenen Brunnen. Frühmorgem 
wird das Kalb vermisst, und unter Lärmen und Schreien ver 
gebens gesucht. Da nimmt der Unglückliche seine Frau geheim 
nissvöll beiseite und flüstert ihr zu: »Weib, der Fluch dei 
Siabbatharier hat mich ereilt: ich habe nachts ein Kalb geboren 
und es, um meine Schande zu verbergen, in den Brunnen ge- 
worfen.« Seine zungenfertige Frau schalt ihn tüchtig aus, 
rfie Leute des Dorfes aber neckten und höhnten ihn derart 
mit dem Kalbe, welches er geboren, dass er sein Amt niederlegen 
musste, die Gesellschaft der Menschen mied, und den Rest 
seiner Tage einsam und freudlos verlebte.^ 

Zum Schlüsse sei hier noch die in mehrfacher Beziehung 
interessante Volkssage angeführt, welche der i. J. 1808 nach 
Bözöd-Ujfalu exmittirte Dechant Emerich Betegh aus dem 
Munde eines dortigen Sabbathariers hat. Nach seinem amt- 
lichen Bericht lautet sie wie folgt :2 

Im ersten Viertel dieses Jahrhunderts machten sich drei Sz^fer aiu? 
BözöJ-Ujfalü auf den Weg, um nach dem Scythenlande zu gehen, damit sie 
daselbst die Wohnsitze unserer Ahnen» aufsuchen; der Ueb erlief erung nach, 
soll der eine Michael Loväsz, der andere Franz Csukor gewesen sein, den 
Namen des Dritten habe ich nicht nennen gehört. Sie reisten gen Osten, irrten 
neun Jahre umher, durchzogen Asien, und waren sogar in dem Heiligen Lande. 
Endlich trafen sie auf das Land unserer Ahnen, wo sie einen Mann sahen, der 
mit Feldarbeiten beschäftigt war. Sie begannen ein Gespräch mit iliua, und er 
hörte staunend, das^ die Fremden, mit einigen Abweichungen, in seiner eigenen 
Sprt'whe mit ihm reden. Er frug, wer sie wären, worauf sie ihm zu wissen 
thaten, dass sie Nachkommen der Hunnen Attilas seien, und gegen Westen in 
dem Siebenbürgen genannten Theile des Ungarlandes wohnen. Darob freute 
sich der Vetter aus dem Osten ; nur war er sehr verwundert, dass ihre Rasse 
s6 klein geworden sei. Dabei sagen mir Leute, die den Michael Lovasz und 
den Franz Csukor persönlich gekannt haben, dass sie hochgewachsene 
Männer waren ; aber der Vetter im Osten war so gross wie ein Riese. Er trug 
den Sz6klern auf, sie mögen ins Dorf gehen, seine Frau aufsuchen und ihr. 
unter Vorzeigung eines Erkennungszeichens, in seinem Namen sagen, sie solle 
ein junges Huhn schlachten und ein grosses Festmahl vorbereiten, denn er werde 
nach Beendigung seiner Arbeit binnen kurzem naehhausekommea. Die drei 
Sa6kler zogeq dem Dorfe zu und überlegten unterwegs, wie sie drei, sowie der 
Hausherr wid seine Familie, mit einem jungen Huhn ein grosses Festmahl 

* Ausführlicher bei Orbän, a. a. 0. das. 
3 Beilage zu den Acta Paroch. Bdzödujfalv., a. a. 0., das. 
» Selbstverständlich sind die Ahnen der Sz^kler, beziehungsweise Ungarn 
gemeint 



251 



sollien hallen können, und sie kamen Oberein, der Fruu zu sagen, ihr Mann 
trage ihr auf, zwei junge Hühner zu schlachten, und ihn mit einem t^utuu 
Festmahle zu erwarten« denn er werde bald nachliausekonimen. Die Frau schenkte 
iler Botschaft Glauben, obwohl sie sich gar sehr verwunderte, dass ihr Mann 
den Auftrag gab, zwei junge Huhner zu schlachten. Sie beginnt den ihr gewor- 
denen Auflr:;g zu vollfuhren, und bringt eine grosse Mulde voll mit Fleisch ins 
Zimmer, worüber die Szekl'or gewaltiglich erstaunten. Mittlerweile ian^t il- r 
Hausherr an, geht in die Stube und sieht verwundert das viele Fleisch. Er frä^'t 
die Frau, was das viele Fleisch bedeute ? Habe er doch durch diese Vettern 
sagen lassen, dass sie nur ein junges Huhn scljlachton solle? Darauf erwiedcrle 
die Frau, jene hätten ihr von zweien j:( sprochon. Der Hausherr, obwohl 
hierüber sehr aufgebracht, unterdrückte seinen Zorn, und trieb die Frau an, 
sie möge schnell ein gutes Mahl bereiten. Als des Essen fertig? war, bewirtete er 
seine Gaste mit orientalischer Gastfreundlichkeit. Am Schlüsse der Tafel aber 
sprach er folgendermassen zu seiner Gästen: „Meine Freunde, was ihr gegessen 
und getrunken habt, thut m'r nicht leid, denn ich habe es von Herzen gegeben ; 
aber leid thut es mir, dass im Westen solche Stammverwandte von uns wohnen, 
die nicht die Walirheit reden. In diesem Lande frilt Lü^'cn für die grösste 
Sonde; wer bei einer Lüge ertappt wird, für den ist hier kein Platz. Drum 
brecht auf und verschwindet aus diesem Lande, denn wenn das Volk des Landes 
erfahren würde, dass ihr gelogen habt, würde es euch schlecht ergehen." Wie 
er gesprochen, so geschah es. Sie machten sich auf den Rückweg, und lanj:ten 
nach neun Jahren wieder in der Heimat an. Hier lebten sie noch lange, und o? 
gibt in unserer Gemeinde Leute, die sie gekannt haben. 

Dieser Sage liegt, wie schon der Dechant Betegh bemerkt, 
offenbar die Thatsache zugrunde, dass Michael Loväsz, Franz 
Csukor und noch ein dritter Szekler wirklich nach dem Osten 
reisten und dort nach ihren Ahnen suchten. Nur reisten sie 
nicht hin, die im Scythenlande zurückgebliebenen Ungarn, son- 
dern die nach der Türkei ausgew^anderten Sabbat harier zu 
suchen. 

Die Familien der Loväsz und Csukor sind nämlich alte 

Sabbatharierfamilien, deren Angehörigen wir unter den im J. 

1638 in Dees verurtheilten, sowie unter den 1868 und 1869 
zum Judenthum übertretenen Sabbathariern widerholt begegnen. 

Auch unter den um die Mitte des vorigen Jahrhunderts nach 
der Türkei ausgewanderten Sabbathariern befanden sich Mit- 
glieder dieser beiden Familien. Die als Reliquien aufbewahrten 
Briefe derselben, welche aus der neuen Heimat so viel Erfreu- 
liches zu berichten hatten, mögen die biederen drei Szekler 
bestimmt haben, die Nachkommen dieser Auswanderer aufzu- 
suchen.^ Es scheint, dass sie dieselben vergebens gesucht, und 

* lieber den Brief dieser Auswanderer s. oh. S. 240. Die Frau des Brief- 
schreibers war die ebenfalls nach Adrianopel ausgewanderte Sarah G s u k o r 



242 



wusste man nicht nur im Pfarrhause, sondern im ganzen 
Szeklerstuhle von Udvarhely; ja man kannte jeden einzelnen 
Sabbatharier genau. Diese gingen aber so vo»sichtig zu Werke 
und wussten die Uebung ihrer religiösen Bräuche so geschickt 
zu verbergen/ dass man sie der Judenzerei nicht überführen 
konnte. So lebten sie wohl unter scharfer Controle, sonst aber 
bis 1781, ungestraft. 

In diesem Jahre erschien das Toleranzedict Josephs II., 
welches das gegenseitige Verhältniss der vier in Siebenbürgen 
recipirten Religionen wohl in freisinniger Weise regelte, aber 
eben dadurch das Sabbatharierthum neuerdings aus der Reihe 
der vom Staate anerkannten Religionen, ausschloss. G^en 
solche durch das Toleranzedict nicht anerkannte Confessionen 
pflegte aber Joseph II. recht unduldsam, ja sogar hart zu ver- 
fahren,2 und so wurden gerade nach dem Erlasse dieses Edictes 
die Processe gegen die Sabbatharier mit aller Strenge wieder 
aufgenommen. Um den über sie verhängten harten Strafen 
zu entgehen, entwichen viele, mit Hinterlassung ihrer ge- 
sammten Habe, nach der Türkei und gelangten schliesslich 
nach Konstantinopel, wo sie sich niederliessen und, wie sie 
nachhause schrieben, »neben der türkischen Druckerei in einer 
besonderen Gasse« wohnten, und ihre Gebete in ihrer Mutter- 
sprache verrichteten.* Wahrscheinlich sind auch diese, gleich 
ihren nach Adrianopel geflüchteten Glaubensgenossen, Juden 
geworden und in der jüdischen Gemeinde aufgegangen. 

Im Jahre 1817 wurden abefmals mehrere Sabbatharier, 
die man bei der Uebung jüdischer Bräuche ertappte, verurtheilt 
und ihrer Liegenschaften beraubt. In erbittertem Trotze ver- 
richteten sie hierauf einen ganzen Sonntag hindurch öffentlich 
die schwersten Feldarbeiten, luden des Nachts ihre werth- 
voUeren Habseligkeiten auf Karren und flü<5hteten ebenfalls 
nach der Türkei. 



* Ueber des diesbezügliche Vorgehen der Sabbalbari^r s. das folgende 
Capitel. 

^ Ein bezeichnendes Beispiel hierfür ist sein an Grausamkeit grenzendes 
Vorgehen gegen die Abrahamiten oder Deisten in Böhmen; s. die Quellen 
ob. S. 9 Anm. 4. 

* r b a n, a. a. 0. I. S. 147. Diesen brieflichen Nachrichten verdankt 
wahrscheinlich die oben angeführte Sage ihre Entstehung, P6chi sei nach 
Konstantinopel geflüchtet und dort Director einer türkischen Druckerei. 



243 



Im Jahre 1827 war Alexander Czinczeri, der katholische 
Geistliche zu Bözöd-Ujfalu, ihr unerbittlicher Verfolger, von 
dem sie noch heute als von einem herzlosen Menschen zu 
erzählen wissen, den Gott für seine Grausamkeiten gestraft hat. 
Er zwang" sie am Sabbath zu arbeiten. Des Sonntags gingen 
seine Emissäre von Haus zu Haus und schleppten sie gewalt- 
sam in die Kirche, wo sie während des Gottesdienstes ununter- 
brochen das Kreuzeszeichen machen mussten. Ueber die Wider- 
spenstigen wurde die übliche Strafe verhängt; drei Familien 
wurden von Haus und Hof vertrieben. Auch diese flüchteten 
nach der Türkei. Andere entschuldigten sich vor dem Gerichts- 
hofe damit, ihre Felder seien wiederholt gerade am Sabbath 
durch Hagel vernichtet worden; um diese Gottesstrafe von 
sich abzuwenden, hätten sie das Gelöbbniss gethan, am Sabbath 
zu ruhen; im übrigen seien sie keine Judenzer. Einige Mit- 
glieder des Gerichtshofes luden mehrere der Angeklagten zu 
Tische, um zu beobachten, wie sie sich zu den nach dem 
mosaischen Gesetze verbotenen Speisen verhalten. Die Sabba- 
tharier setzten aber der List List entgegen und schickten 
Nichtsabbatharier, welche sich für die Geladenen ausgaben. 
Bei dieser Gelegenheit sollen sie die Erlaubniss, den Sabbath 
im Sinne ihres Gelöbnisses feiern zu dürfen, erbeten und 
angeblich auch erhalten haben. 

Da die Sabhatharier immer nur unter einander zu heiraten 
pflegten, erliess jetzt Bischof Nicolaus Koväcs das Verbot, Braut- 
paare, deren Familien der Judenzerei verdächtig waren, zu 
trauen. Die.Sabbatharier antworteten auf diese harte Maasregel 
mit einer neuerlichen Auswanderung nach der Türkei. Die 
übrigen traten zumeist zur calvinischen Kirche über, der sie 
selbstverständlich eben so äusserlich und nur zum Scheine 
angehörten, als früher der katholischen.^ 

Im Jahre 1829 wurden in Bözöd-Ujfalu 39, in Ernye 8 
Personen als Sabbatharier in Anklagezustand versetzt, doch 
konnte ihnen, nach langwierigen Untersuchungen und Verhand- 
lungen, nur so viel nachgewiesen werden, dass sie an Sonn- 
und Feiertagen Arbeiten verrichtet hatten. Der Uebung jüdi- 
scher Bräuche konnten sie nicht überführt werden, so dass sie 

1 A. a. 0. das. S. 147—8. Bezüglich Gzinczeris s. noch Egyenlös6g, VI. 
No. 9, ferner im nächsten Gapitel den sagenhaften sabbatharischen Bericht 
über ihn. 

16* 



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wusste man nicht nur im Pfarrhause, sondern im ganzen 
Szeklerstuhle von Udvarhely; ja man kannte jeden einzelnen 
Sabbatharier genau. Diese gingen aber so votsichtig zu Werke 
und wussten die Uebung ihrer religiösen Bräuche so geschickt 
zu verbergen,^ dass man sie der Judenzerei nicht überführen 
konnte. So lebten sie wohl unter scharfer Controle, sonst aber 
bis 1781, ungestraft. 

In diesem Jahre erschien das Toleranzedict Josephs II., 
welches das gegenseitige Verhältniss der vier in Siebenbürgen 
recipirten Religionen wohl in freisinniger Weise regelte, aber 
eben dadurch das Sabbatharierthum neuerdings aus der Reihe 
der vom Staate anerkannten Religionen, ausschloss. G(^en 
solche durch das Toleranzedict nicht anerkaimte Confessionen 
pflegte aber Joseph II. recht unduldsam, ja sogar hart ^u ver- 
fahren,2 und so wurden gerade nach dem Erlasse dieses Edictes 
die Processe gegen die Sabbatharier mit aller Strenge wieder 
aufgenommen. Um den über sie verhängten harten Strafen 
zu entgehen, entwichen viele, mit Hinterlassung ihrer ge- 
sammten Habe, nach der Türkei und gelangten schliesslich 
nach Konstantinopel, wo sie sich niederliessen und, wie sie 
nachhause schrieben, »neben der türkischen Druckerei in einer 
besonderen Gasse« wohnten, und ihre Gebete in ihrer Mutter- 
sprache verrichteten.» Wahrscheinlich sind auch diese, -gleich 
ihren nach Adrianopel geflüchteten Glaubensgenossen, Juden 
geworden und in der jüdischen Gemeinde aufgegangen. 

Im Jahre 1817 wurden abermals mehrere Sabbatharier, 
die man bei der Uebung jüdischer Bräuche ertappte, verurtheilt 
und ihrer Liegenschaften beraubt. In erbittertem Trotze ver- 
richteten sie hierauf einen ganzeti Sonntag hindurch öffentlich 
die schwersten Feldarbeiten, luden des Nachts ihre werth- 
voUeren Habseligkeiten auf Karren und flüchteten ebenfalls 
nach der Türkei. 



* lieber des diesbezügliche Vorgehen der Sabbatharier s. das folgende 
Capitel. 

^ Ein bezeichnendes Beispiel hierfür ist sein an Grausamkeit grenzendes 
Vorgehen gegen die Abrahamiten oder Deisten in Böhmen; s. die Quellen 
ob. S. 9 Anm. 4. 

3 Orban, a. a. O. I, S. 147. Diesen brieflichen Nachrichten verdankt 
wahrscheinlich die oben angeführte Sage ihre Entstehung, P6chi sei nach 
Konstantinopel geflüchtet und dort Director einer türkischen Druck ereL 



245 

keit sich abspielende Bewegung, welche die letzten Reste der 
Sabbatharier, mit einigen wenigen Ausnahmen, dem Judenthum 
zuführte. 

Bevor wir jedoch die Geschichte dieser Bewegung erzählen, 
wollen wir das religiöse und das Geistesleben der Sabbatharier 
kennen lernen, wie es sich uns während dar 230 Jahre dar- 
stellt, die zwischen demJDeeser Gerichtstermin und dem J. 1867 
lagen. • 



Das religiöse und das Geistesleben des Sabbatha- 
rierthums in der Periode seines Niederganges. 

1638—1868. 

Dem religiösen und Geistesleben des Sabbatharierthums 
während der letzten Periode seiner Geschichte hat die 230-jährige 
schonungslose Verfolgung, welche es erlitten, ihr trauriges 
Gepräge aufgedrückt. 

Die gewaltsam unterdrückte, ihrer Führer beraubte, immer 
mehr zusammenschmelzende und nur mehr heimlich forl- 
bestehende Secte war kaum im Stande, sich ihre älteren lite- 
rarischen Erzeugnisse zu bewahren und zu erhallen; neue zu 
schaffen, oder ihre Sache mit der Feder zu fördern und zu 
vertheidigen, war für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst 
die Abschreiber, welche ihre älteren Schriftwerke vervielfältigten, 
sind nicht mehr die geschulten Copisten von ehedem, sondern 
Bauern und Handwerker, deren ungelenke Schrift es deutlich 
verräth, dass ihre Hände besser mit dem Pfluge und Hand- 
werkzeuge, als mit der Feder umzugehen wissen. Die von ihnen 
gelieferten Abschriften sind um so mangelhafter, je jüngeren 
Datums sie sind; die aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts 
bereits von einer trostlosen Unbehilflichkeit. 

Die älteren sabbatharischen Handschriften präsentiren sich 
^Is stattliche Folianten oder Quartbände aus gleichmässigem, 
starkem Papier, die von geübter, sicherer Hand geschrieben 
rnid, wie deutlich erkennbar, durch die Werkstätte des Buch- 
binders gegangen sind. Die aus der Zeit nach 1638 stammen- 
den Handschriften sind ausschliesslich Octav-, oder gar Sedez- 
bände, weil solche leichter zu verbergen, und zu den geheimen 
gottesdienstlichen Versammlungen bequemer und sicherer mitzu- 



2^3 



nehmen Wären, endlich' aber weil für dieses kleine Format das 
iVöthige Papier am billigsten und am' unanffälligsten zu beschaffen 
war. Das Papier dieser Handschriften besteht nämlich in der 
Regel aus Stücken von verschiedener Grösse, Farbe und Qua- 
lität, die ungeschickt zusammengenäht und' in höchst primi- 
tiver Art gebunden sind, mitunter in Einbandtafelti, di^ von 
andern Büchern genommen wurden.^ Di^ Abschreiber, oder 
Besitzer haben es offenbar nicht gewagt, sich an einen Buch 
binder zu wenden. Die plumpe, schwerfällige Schrift und die 
durchweg fehlerhafte Orthographie verrathen die Unwissenheit 
der Copisten, und können als vollgiltige Beweise für die auch 
anderweitig bezeugte Thatsache gelten, dass in dieser langen 
Periode allmäligen Verfalls nur noch Bauern Anhänger des 
Sabbatharierthums waren. Dabei sind diese Handschriften aus- 
schliesslich Gebet- und Ritualien-, sowie Gesangbücher, deren 
die Sabbatharier bei ihren gottesdienstlichen Verrichtungen 
nicht entrathen konnten. Alle übrigen Erzeugnisse ihrer altern 
Literatur blieben unbeachtet, und verschwanden allmälig aus 
den Häusern, zuletzt sogar aus dem Gedächtnisse der Sabba- 
tharier. 2 

Seit der Katastrophe zu Dees i. J. 1638 ist keine einzige 
neue sabbatharisehe Schrift, nicht einmal ein neues sabbatha- 
risches Lied entstanden. Die gesammte Geistesthätigkeit der 
im Dunklen fortvegetirenden Secte äusserte sich in der theil- 
weisen Erhaltung ihrer altern Literaturerzeugnisse, sowie in 
den weiter unten besprochenen Correcturen, die an ihrem 
Gesangbuche vorgenommen wurden. Einige kleine Verse und 
einige Volkssagen sind Alles, was sie im Verlaufe dieser 230 
Jahre zu schaffen im Stande war. 

Die in Rede stehenden Verse sind in der Regel am 
Anfange oder am Schlüsse der Gebet- und» Gesangbücher zu 
finden, und zumeist des Werk des Abschreibers, oder des 



^ Ein in meinem Besitze befindliches, um 1843 geschiiebenes sabbatha- 
risches Gebet- u. Ritualienbuch in 8-^ steckt in einem scljadhaflen, aber starkei; 
Ledeföinband, dessen Rücken die eingedruckte Titelau ftchrift hat: „Pichler, 
Jaö Gfttioaicura, Pars L* Zu mehreren aus der jüngste» Zeit (1850—1860) 
stammenden sabbatharischen Gebet^ und Liederbüchern sind, offenbar in irgend 
einem Papierladen gekaufte, Geschäfts- oder Notizbücher benutzt worden. 

» Die einzige Ausnahme bildet die 1708 angefertigte Abschrift der oben 
S. 179, Anm. 1) erwähnten Schrift Pechis. 



247 



Besitzers der betrefYenden Handschrift. Nur eines von ilinc^n 
hat breitere Verbreitung gefunden. Es scheint in der ersten 
HäHte des XVIL Jahrhunderts entstanden zu sein, und findet 
sieh seitdem fast in jeder sabbatharischen Handschrift, ja sogar 
am Anfange sabbatharischer Briefe.^ Es lautet in wörtlicher 
Uebersetzung: 

Ruhm und Ehre sei dem Herrn der Herren, 
Abrahams, Isaaks und Jakobs Könige, 
Der oberster Richter ist der pranzen Welt. 
Er gebe Befreiung den Nachkommen Israel 



s! 



Diesen vier, im Ungarischen mit einem und demselben 
Reime endigenden Zeilen sind seit dem Anfang dieses Jalir- 

hunderts in der Regel noch die Worte 

In Gemeinschaft mit uns 
oder einfach: 

Und auch uns 
hinzugefügt. 

Neben diesem Verslein^ ist noch ein anderes zu erwäh- 
nen, welches sich zwar in keiner sabbatharischen Handschrift 
findet, aber, nach einem vertrauenswürdigen Berichte, um die 
Mitte dieses Jahrhunderts bei den Sabbathariern von Bözöd- 
Ujfalü gang und gäbe w^ar. Von dem Glauben ausgehend, dass 
der sehnlich erwartete Erlöser unter Donner und Blitz erschei- 
nen werde, pflegten sie während eines Gewitters die Thüren 
und Fenster zu öffnen und folgende, im ungarischen Originale 
volksthümlich gereimte, Strophe abzusingen: 

Mach auf, o Herr, mach auf uns 
Deiner Gnade Thore, 
Schicke uqs, o schick uns 
Den verbeiss'nen Messias.» 

Einen lehrreichen Beitrag zur Entstehung der Volkssagen 
bieten die unter den Babbathariern dieser Zeit entstandenen 
Sagen. 

^ So z. B. in dem oben (S. 240), erwähnten Briefe. 

2 llehr^re andere, die aber keine allgenieine Verbreitung gefunden 
haben, g. in meinem ,A Szombatosok" S. 331. 

* Orban a. a. 0. I. S. 148 und Vasärnapi Ujsäg (= Sonntagszeitung) 
1873 S. 68; beide haben die handschriftUchen Aufzeichnungen des verlässhchen 
Alexander r m ö s i benützt, der lange unter den Sabbathariern gelebt hat. 



248 



Die unterdrückte Seote bedurfte des Trostes für ihre jam- 
mervolle Lage und der Hoffnung für ihre Zukunft, und da die 
Wirkliclikeit ihr weder das Eine noch das Andere bot, suchte 
sie beides im Reiche der Phantasie. Zu den derart entstandenen 
Sagen gehört in erster Linie die oben (S. 226) erwähnte, welche 
von Pechi, den die späteren Sabbatharier als den eigentlichen 
und alleinigen Gründer ihrer Secte betrachten, zu erzählen 
weiss, dass er der von ihm verkündeten Religion nie untreu 
geworden, sondern nach Konstantinopel geflüchtet sei, wo er 
an der Spitze einer sabbatharischen Gemeinde stehend, seine 
Lehren weiter verkündet und die daheimgebliebenen Gläubigen 
zum Ausharren in der Wahrheit ermuntert habe. Diese Sage 
knüpft offenbar an die Thatsache an, dass Sabbatharier nach 
der Türkei ausgewandert sind, anderseits aber ist sie sicherlich 
nicht ohne Einfluss aut die öftere Wiederholung dieser Aus- 
wanderung geblieben. 2 

Eine ähnliche Tendenz verfolgt auch jene Sage, welche 
Pechi eine Jüdin zur Frau giebt, die ihm mitsammt ihren 
Kindern nach der Türkei gefolgt sein soll (ob. S. 226). Die Sabba- 
tharier, die um diese Zeit bereits nur unter sich heirateten, 
mochten von Pechis beiden christlichen Frauen und von seinen 
christlichen Kindern nichts wissen. Gleichzeitig sollte aber 
auch darauf hingewiesen werden, dass eine wahrhafte Sabba- 
tharierin dem Gatten auch in die Fremde folgt, um ihrer Re- 
ligion ungehindert leben zu können. 

Ein ganzer kleiner Sagenkreis verfolgt die Tendenz, nach- 
zuweisen, dass die Vorsehung diejenigen bestraft, welche den 
Fluch der verfolgten Sabbatharier auf sich laden, namentlich 
aber jene, welche sie zur Entweihung der Sabbathruhe zwingen. 

Die furchtbare Niederlage, welche Georg Raköczi II. auf 
seinem Kriegszug gegen Polen erlitten, war die Gottesstrafe 
für das grausame Vorgehen der beiden Raköczi gegen Pechi 
und die übrigen Sabbatharier. An dem Pfarrer Alexander Czin- 
czeri, der die Sabbatharier unmenschlich verfolgte und unter 
anderem zur Arbeit am Sabbath zwang (ob. S. 243), ging deren 
Fluch, »er soll nicht sterben können, bis ihn die Würmer nicht 
verzehren« buchstäblich in Erfüllung. Er wurde, als er eben 
eine heftige Rede gegen die Sabbatharier hielt, auf der Kanzel 

2 S. ob. S. 242. Anm. 2. 



J 



249 



vom Schlage gerührt und musste noch lange leiden. In seinen 
Qualen berief er den Rabbiner der Sabbatharier zu sich, um 
dessen Verzeihung zu erlangen; aber die Sabbatharier wollten 
den Fluch nicht zurücknehmen, und er musste an einer ekel- 
haften Krankheit sterben.^ 

An dieselbe Persönlichkeit und an dieselben Verhältnisse 
knüpft noch einer anderen Sage an, welche ein zum Juden- 
thume bekehrter Sabbatharier mit folgenden Worten erzählt:^ 

Auch das geschah mit den Sabbat hariern. Es war in den Zeiten der noch 
lebenden Greise, da war hier (in Bözöd-Ujfalü) ein katholischer Geistlicher, der 
über die Sabbatharier derart herfiel, dass er sie des Sabbaths hinausjagte, 
Heu für ihn zu machen. Es war vollständig klares, warmes Wetter ; aber schon 
nach einigen Stunden stieg eine Wolke auf, und erhob sich ein derartiger Slurm, 
dass das verwehte Heu die ganze Gemarkung bedeckte, und ihm (dem Geistlichen) 
das viele Heu verloren ging. Dabei entstand aber ein Platzregen und ein solches 
Gewitter, dass ein Mann aus einem Naclibardorfe derart vom Blitze getroffen 
ward, dass er sofort starb. Als sie das grosse Unglück sahen, rief ein christlicher 
Herr mit lauter Stimme: „Geht nach Hause, ihr Sabbatharier, sonst gehen wir 
Doch alle zu Grunde !" — Seitdem zwang man die Sabbatharier nicht mehr, 
am Sabbath zu arbeiten. 

Echter szekler Volkshumor spricht aus der folgenden 
Sage, die ganz gut als lustige Anekdote gelten kann. 

Paul Miklösi, Polizeicommissär des bözöder Bezirkes, 
war ebenfalls ein grausamer Verfolger der Sabbatharier, die 
er grade am Samstag zu öffentlichen Arbeiten, wie zum 
Anlegen und Ausbessern der Fahrstrassen verhielt und dabei 
»Kälber« zu schimpfen pflegte. Daraufhin sprachen sie über 
ihn den Fluch aus: er möge ein Kalb gebären! Der 
dem Trünke ergebene Mann kommt eines Abends nach mannig- 
fachen Abenteuern mit einem tüchtigen Rausche nachhause, 
und wird von der Frau zu Bette gebracht. Da träumt er, 
der Fluch der Sabbatharier sei in Erfüllung gegangen und er 
habe ein Kalb geboren. Er erwacht, den Angstschweiss auf 
der Stirn, und fühlt, dass etwas ihm die Fussohle leckt ; er 
schaut hin und sieht zu seinem Entsetzen, dass dieses Etw^as 
ein — neugeborenes Kälbchen ist. Seine Kuh hatte nämlich, 
während er schlief, ein Junges geworfen, welches seine Frau, 
Aes kalten Wetters wegen, in die Stube brachte. Der noch 
immer beduselte Miklösi glaubt nun steif und fest, er habe 

1 Orban, a. a. 0. I. S. 149; vgl. Egyenlös6g, 1887, No. 9. 
« „Dan Abraham, vormals Moses Kovacs« in einem an den Verfasser 
?erichteten Briefe, de dato Bözöd-Ujfalü, 1. März 1875. 



2Ö0 



das Kalb geboren; er trägt es hinaus und wirft es, um die 
Sache zu vertuschen, in den offenen Brunnen. Frühmorgens 
wird das Kalb vermisst, und unter Lärmen und Schreien ver 
gebens gesucht. Da nimmt der Unglückliche seine Frau geheim- 
nissvöU beiseite und flüstert ihr zu: »Weib, der Fluch der 
Sabbatharier hat mich ereilt: ich habe nachts ein Kalb geboren 
und es, um meine Schande zu verbergen, in den Brunnen ge- 
worfen.« Seine zungenfertige Frau schalt ihn tüchtig aus, 
die Leute des Dorfes aber neckten und höhnten ihn derart 
mit dem Kalbe, welches er geboren, dass er sein Amt niederlegen 
musste, die Gesellschaft der Menschen mied, und den Rest 
seiner Tage ein^aam und freudlos verlebte.^ 

Zum Schlüsse sei hier noch die in mehrfacher Beziehung 
interessante Volkssage angeführt, welche der i. J. 1808 nach 
Bözöd-Ujfalu exmittirte Dechant Emerich Betegh aus dem 
Munde eines dortigen Sabbathariers hat. Nach seinem amt- 
lichen Bericht lautet sie wie folgt :2 

Im ersten Viertel dieses Jahrhunderts machten sich drei Szekfer aus 
DozöJ>Ujfalü auf den Weg, um nach dem Scythenlandc zu gehen, damit sie 
daselbst die Wohnsitze unserer Ahnen^ aufsuchen; der Ueberlieferung nach, 
soll der eine Michael Loväsz, der andere Franz Csukor gewesen sein, den 
Namen des Dritten habe ich nicht nennen gehört. Sie reisten gen Osten, irrten 
neun Jahre umher, durchzogen Asien, und waren sogar in dem Heiligen Lande. 
Endlich trafen sie auf das Land unserer Ahnen, wo sie einen Mann sahen, der 
mit Feldarbeiten beschäftigt war. Sie begannen ein Gespräch mit iliua, und er 
hörte staunend, das^ die Fremden, mit einigen Abweichungen, in seiner eigenen 
Sprache mit ihm reden. Er frug, wer sie wären, worauf sie ihm zu wissen 
thaten, dass sie Nachkommen der Hunnen Attilas seien, und gegen W^esten in 
dem Siebenbürgen genannten Theile des Ungarlandes wohnen. Darob freute 
sich der Vetter aus dem Osten ; nur war er sehr verwundert, dass ihre Rasse 
so klein geworden sei. Dabei sagen mir Leute, die den Michael Lovasz und 
den Franz Csukor persönlich gekannt haben, dass sie hochgewachsene 
MSnner wai*en ; aber der Vetter im Osten war so gross wie ein Riese. Er trug 
den Sz6klern auf, sie mögen ins Dorf gehen, seine Frau aufsuchen und ihi. 
unter Vorzeigung eines Erkennungszeichens, in seinem Namen sagen, sie soll-? 
ein junges Huhn schlachten und ein grosses Festmahl vorbereiten, denn er werde 
nach Beendigung seiner Arbeit binnen kurzem nachhausekommea. Die drei 
Sa6kler zogen dem Dorfe zu und überlegten unterwegs, wie sie drei, sowie der 
Hausherr und seine Familie, mit einem jungen Huhn ein grosses Festmahl 

* Ausführlicher bei Orbän, a. a. 0. das. 

* Beilage zu den Acta Paroch. Bdzödujfalv., a. a. 0., das. 
^ Selbstverständlich sind die Ahnen der Szekler, beziehungsweise Ungarn 

gemeint. 



251 



sollten haltcu können, und sie kamen überein, der Frau zu sagen, ihr Mann 
trage ihr auf, zwei junge Hühner zu schlachten, und ihn mit einem gutcu 
Festmahle zu erwarten, denn er werde bald nacbliausekomnien. Die Frau schenkte 
der Botschaft Glauben, obwohl sie sich gar sehr verwunderte, dass ihr Mann 
den Auftrag gab, zwei junge Hühner zu schlachten. Sie beginnt den ihr gewor- 
denen Auftrag zu vollführen, und bringt eine grosse Mulde voU mit Fleisch ins 
Zimmer, worüber die Szekl'or gewaltiglicli erstaunten. Mittlerweile langt d>M* 
Hauslien* an, geht in die Stube und sieht verwundert das viele Fleisch. Er frä^'t 
die Frau, was das viele Fleisch bedeute ? Habe er doch durch diese Vettern 
sagen lassen, dass sie nur ein junges Huhn schlachten solle ? Darauf erwiederte 
die Frau, jene hätten ihr von zweien gesprochen. Der Hausherr, obwohl 
hierüber sehr aufgebracht, unterdrückte seinen Zorn, und trieb die Frau an. 
sie möge schnell ein gutes Mahl bereiten. Als des Essen fertig war, bewirtete er 
seine Gäste mit orientalischer Gastfreundlichkeit. Am Schlüsse der Tafel al)er 
sprach er folgendermassen zu seiner Gästen : „Meine Freunde, was ihr gegessen 
und getrunken habt, thut m r nicht leid, denn ich habe es von Herzen gegeben ; 
aber leid thut es mir, dass im Westen solche Stammverwandte von uns wohnen, 
die nicht die Wahrheit reden. In diesem Lande gilt Lügen für die grösste 
Sande ; wer bei einer Lüge ertappt wird, für den ist hier kein Platz. Drum 
brecht auf und verschwindet aus diesem Lande, denn wenn das Volk des Landes 
erfahren würde, dass ihr gelogen habt, würde es euch schlecht ergehen." Wie 
er gesprochen, so geschah es. Sie machten sich auf den Rückweg, und langten 
nach neun Jahren wieder in der Heimat an. Hier lebten sie noch lange, und e? 
gibt in unserer Gemeinde Leute, die sie gekannt haben. 

Dieser Sage liegt, wie schon der Dechant Betegh bemerkt, 
offenbar die Thatsache zugrunde, dass Michael Loväsz, Franz 
Csukor und noch ein dritter Szekler wirklich nach dem Osten 
reisten und dort nach ihren Ahnen suchten. Nur reisten sie 
nicht hin, die im Scythenlande zurückgebliebenen Ungarn, son- 
dern die nach der Türkei ausgewanderten Sabbatharier zu 
suchen. 

Die Familien der Loväsz und Csukor sind nämlich alte 

Sabbatharierfamilien, deren Angehörigen wir unter den im J. 

1638 in Dees verurtheilten, sowie unter den 1868 und 1869 
zum Judenthum übertretenen Sabbatharierri widerholt begegnen. 

Auch unter den um die Mitte des vorigen Jahrhunderts nach 
der Türkei ausgewanderten Sabbathariern befanden sich Mit- 
glieder dieser beiden Familien. Die als Reliquien aufbewahrten 
Briefe derselben, welche aus der neuen Heimat so viel Erfreu- 
liches zu berichten hatten, mögen die biederen drei Szekler 
bestimmt haben, die Nachkommen dieser Auswanderer aufzu- 
suchen.^ Es scheint, dass sie dieselben vergebens gesucht, und 

* lieber den Brief dieser Auswanderer s. ob. S. 240. Die Frau des Brief- 
schreibers war die ebenfalls nach Adrianopel ausgewanderte Sarah G s u k o r 



244 



im August 1833 wegen Mangel an Beweisen freigesproche: 
werden mussten. Der öCFentliche Ankläger appellirte, abe 
Kaiser Franz IL bestätigte am 13. Feber 1834 das freisprc 
chende Urtheil mit dem Bemerken, die Angeklagten seien zu 
Beobachtung der christlichen Feiertage zu verhalten und dies 
bezüglich unter Aufsicht der Geistlichkeit zu stellen.^ 

Der nachmalige Cardinal Ludwig Haynald suchte, als e 
i. J. 1851 Bischof von Siebenbürgen wurde, die] Sabbathariei 
durch Freundlichkeit und Ueberredung für die katholische 
Kirche zu gewinnen. Er beschenkte sie mit schönen metallener 
Crucifixen, ging dann selbst nach Bözöd-Ujfalu und predigte 
vor ihnen, um sie^durch die Macht des Wortes zu bekehren. 
Die Sabbatharier blieben kalt; seine Bekehrungsreden konnten 
ihnen nur das Geständniss abringen: »Wie schön er reden 
kann! Schade, dass er kein Sabbatharier ist!«^ Im übrigen 
musste auch Haynald zu strengen Mitteln gegen sie greifen. 
Ein Sabbatharier, Namens Paul Koväcs, hatte nämlich seine 
Tochter, die im geheimen Jüdin geworden war, einem Juden 
zur Frau gegeben. Haynald, dem das angezeigt wurde, zwang 
die Frau, ihren jüdischen Gatten zu verlassen und mitsammt 
ilirem mittlerweile geborenen und als Jude erzogenen Sohne 
ins Vaterhaus zurückzukehren.* 

So war es auch Haynald nicht gelungen, die Sabbatharier 
in der Schoss des Christenthums zurückzuführen; sie setzten 
der Ueberredung denselben Widerstand entgegen, wie vordem 
der Gewalt. Man kannte und überwachte sie genau. Die Pfarrer 
von Bözöd-Ujfalu pflegten für ihre Amtsnachfolger förmliche 
.Instructionen zu hinterlassen, in welchen sie die Merkmale 
angaben, an welchen die Judenzer zu erkennen, und die Art 
und Weise, wie sie am besten zu überwachen seien.* Aber die 
Sabbatharier waren so vorsichtig und verschlagen, und wussten 
ihre religiösen Uebungen in so geheimnissvolles Dunkel zu 
hüllen, dass es fast nie gelang, sie auf frischer That zu 
ertappen. Erst i. J. 1867 warfen sie die Maske ab und bekannten 
sich offen als Judenzer. Damit begann die vor der Öffentlich- 

1 Ofner Landesarchiv, das. s. A. 1833, No. 4125 u. A. 1834 No. 2011 

* Acta Paroch. Bözöd-Ujfalvens., a. a. 0. das., u. Blasius Orbän a. a. 
I. S. 148. 

* Acta Paroch. das. 

* S. die verschiedenen Aufzeichnungen das. 



245 

keit sich abspielende Bewegung, welch« die letzten Reste der 
Sabbatharier, mit einigen wenigen Ausnahmen, dem Judenthum 
zuführte. 

Bevor wir jedoch die Geschichte dieser Bewegung erzählen, 
wollen wir das religiöse und das Geistesleben der Sabbatharier 
kennen lernen, wie es sich uns während dar 230 Jahre dar- 
stellt, die zwischen dem^Deeser Gerichtstermin und dem J. 1867 
lagen. • 



Das religiöse und das Geistesleben des Sabbatha- 
rierthunris in der Periode seines Niederganges. 

1638—1868. 

Dem religiösen und Geistesleben des Sabbatharierthums 
während der letzten Periode seiner Geschichte hat die 230-jährige 
schonungslose Verfolgung, welche es erlitten, ihr trauriges 
Gepräge aufgedrückt. 

Die gewaltsam unterdrückte, ihrer Führer beraubte, immer 
mehr zusammenschmelzende und nur mehr heimlich forl- 
\i^stehende Secte war kaum im Stande, sich ihre älteren lite- 
rarischen Erzeugnisse zu bewahren und zu erhalten; neue zu 
schaffen, oder ihre Sache mit der Feder zu fördern und zu 
vertheidigen, war für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst 
die Abschreiber, welche ihre älteren Schriftwerke vervielfältigten, 
sind nicht mehr die geschulten Copisten von ehedem, sondern 
Bauern und Handwerker, deren ungelenke Schrift es deutlich 
verräth, dass ihre Hände besser mit dem Pfluge und Hand- 
werkzeuge, als mit der Feder umzugehen wissen. Die von ihnen 
gelieferten Abschriften sind um so mangelhafter, je jüngeren 
Datums sie sind; die aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts 
bereits von einer trostlosen Unbehilflichkeit. 

Die älteren sabbatharischen Handschriften präsentiren sich 
als stattliche Folianten oder Quartbände aus gleichmässigem, 
starkem Papier, die von geübter, sicherer Hand geschrieben 
und, wie deutlich erkennbar, durch die Werkstätte des Buch- 
binders gegangen sind. Die aus der Zeit nach 1638 stammen- 
den Handschriften sind ausschliesslich Octav-, oder gar Sedez- 
bände, weil solche leichter zu verbergen, und zu den geheimen 
gottesdienstlichen Versammlungen bequemer und sicherer mitzu- 



242 



wusste man nicht nur im Pfarrhause, sondern im ganzen 
Szeklerstuhle von Udvarhely; ja man kannte jeden einzelnen 
Sabbatharier genau. Diese gingen aber so vo»eiohtig zu Werke 
und wussten die Uebung ihrer religiösen Bräuche so geschickt 
zu verbergen,! dass man sie der Judenzerei nicht überführen 
konnte. So lebten sie wohl unter scharfer Controle, sonst aber 
bis 1781, ungestraft. 

In diesem Jahre erschien das Toleranzedict Josephs II., 
welches das gegenseitige Verhältniss der vier in Siebenbürgen 
recipirten Religionen wohl in freisinniger Weise regelte, aber 
eben dadurch das Sabbatharierthum neuerdings aus der Reihe 
der vom Staate anerkannten Religionen, ausschloss. Gegen 
solche durch das Toleranzedict nicht anerkannte Confessionen 
pflegte aber Joseph IL recht unduldsam, ja sogar hart zu ver- 
fahren,^ und so wurden gerade nach dem Erlasse dieses Edictes 
die Processe gegen die Sabbatharier mit aller Strenge wieder 
aufgenommen. Um den über sie verhängten harten Strafen 
zu entgehen, entwichen viele, mit Hinterlassung ihrer ge- 
sammten Habe, nach der Türkei und gelangten schliesslich 
nach Konstantinopel, wo sie sich niederliessen und, wie sie 
nachhause schrieben, »neben der türkischen Druckerei in* einer 
besonderen Gasse« wohnten, und ihre Gebete in ihrer Mutter- 
sprache verrichteten.» Wahrscheinlich sind auch diese, gleich 
ihren nach Adrianopel geflüchteten Glaubensgenossen, Juden 
geworden und in der jüdischen Gemeinde aufgegangen. 

Im Jahre 1817 wurden abei^mals mehrere Sabbatharier, 
die man bei der Uebung jüdischer Bräuche ertappte, verurtheilt 
und ihrer Liegenschaften beraubt. In erbittertem Trotze ver- 
richteten sie hierauf einen ganzeti Sonntag hindurch öffentlich 
die schwersten Feldarbeiten, luden des Nachts ihre werth- 
voUeren Habseligkeiten auf Karren und flüchteten ebenfalls 
nach der Türkei. 



* Ueber des diesbezti gliche Vorgehen der Sabbatharier s. das folgende 
Capilel. 

* Ein bezeichnendes Beispiel hierfür ist sein an Grausamkeit grenzendes 
Vorgehen gegen die Abrahamiten oder Deisten in Böhmen; s. die Quellen 
ob. S. 9 Anm. 4. 

8 Orban, a. a. 0. I. S. 147. Diesen brieflichen Nachrichten verdankt 
wahrscheinlich die oben angeführte Sage ihre Entstehung, P6chi sei nach 
Konstantinopel geflüchtet und dort Director einer türkischen Druckerei. 



243 



Im Jahre 1827 war Alexander Czinczeri, der katholische 
Geistliche zu Bözöd-Ujfalu, ihr unerbittlicher Verfolger, von 
dem sie noch heute als von einem herzlosen Menschen zu 
erzählen wissen, den Gott für seine Grausamkeiten gestraft hat. 
Er zwang sie am Sabbath zu arbeiten. Des Sonntags gingen 
seine Emissäre von Haus zu Haus und schleppten sie gewalt- 
sam in die Kirche, wo sie während des Gottesdienstes ununter- 
brochen das Kreuzeszeichen machen mussten. lieber die Wider- 
spensligen wurde die übliche Strafe verhängt; drei Familien 
wurden von Haus und Hof vertrieben. Auch diese flüchteten 
nach der Türkei. Andere entschuldigten sich vor dem Gerichts- 
hofe damit, ihre Felder seien wiederholt gerade am Sabbath 
durch Hagel vernichtet worden; um diese Gottesstrafe von 
sich abzuwenden, hätten sie das Gelöbbniss gethan, am Sabbath 
zu ruhen; im übrigen seien sie keine Judenzer. Einige Mit- 
glieder des Gerichtshofes luden mehrere der Angeklagten zu 
Tische, um zu beobachten, wie sie sich zu den nach dem 
mosaischen Gesetze verbotenen Speisen verhalten. Die Sabba- 
tharier setzten aber der List List entgegen und schickten 
Nichtsabbatharier, welche sich für die Geladenen ausgaben. 
Bei dieser Gelegenheit sollen sie die Erlaubniss, den Sabbath 
im Sinne ihres Gelöbnisses feiern zu dürfen, erbeten und 
angeblich auch erhalten haben. 

Da die Sabbatharier immer nur unter einander zu heiraten 
pflegten, erliess jetzt Bischof Nicolaus Koväcs das Verbot, Braut- 
paare, deren Familien der Judenzerei verdächtig waren, zu 
trauen. Die Sabbatharier antworteten auf diese harte Maasregel 
mit einer neuerlichen Auswanderung nach der Türkei. Die 
übrigen traten zumeist zur calvinischen Kirche über, der sie 
selbstverständlich eben so äusserlich und nur zum Scheine 
angehörten, als früher der katholischen.^ 

Im Jahre 1829 wurden in Bözöd-Ujfalu 39, in Ernye 8 
Personen als Sabbatharier in Anklagezustand versetzt, doch 
konnte ihnen, nach langwierigen Untersuchungen und Verhand- 
lungen, nur so viel nachgewiesen werden, dass sie an Sonn- 
und Feiertagen Arbeiten verrichtet hatten. Der Uebung jüdi- 
scher Bräuche konnten sie nicht überführt werden, so dass sie 

* A. a. 0. das. S. 147—8. Bezüglich Gzinczeris s. noch Egyenlös6g, VI. 
No. 9, ferner im nächsten Gapitel den sagenhaften sabbatharischen Bericht 
über ihn. 

16* 



244 



im August 1833 wegen Mangel an Beweisen freigesprochen 
werden mussten. Der öffentliche Ankläger appellirte, aber 
Kaiser Franz IL bestätigte am 13. Feber 1834 das freispre- 
chende Urtheil mit dem Bemerken, die Angeklagten seien zur 
Beobachtung der christlichen Feiertage zu verhalten und dies- 
bezüglich unter Aufsicht der Geistlichkeit zu stellen.^ 

Der nachmalige Cardinal Ludwig Haynald suchte, als er 
i. J. 1851 Bischof von Siebenbürgen wurde, die] Sabbatharier 
durch Freundlichkeit und Ueberredung für die katholische 
Kirche zu gewinnen. Er beschenkte sie mit schönen metallenen 
Crucifixen, ging dann selbst nach Bözöd-Ujfalu und predigte 
vor ihnen, um sier.durch die Macht des Wortes zu bekehren. 
Die Sabbatharier blieben kalt; seine Bekehrungsreden konnten 
ihnen nur das Geständniss abringen: »Wie schön er reden 
kann! Schade, dass er kein Sabbatharier ist!«^ Im übrigen 
musste auch Haynald zu strengen Mitteln gegen sie greifen. 
Ein Sabbatharier, Namens Paul Koväcs, hatte nämlich seine 
Tochter, die im geheimen Jüdin geworden war, einem Juden 
zur Frau gegeben. Haynald, dem das angezeigt wurde, zwang 
die Frau, ihren jüdischen Gatten zu verlassen und mitsammt 
ihrem mittlerweile geborenen und als Jude erzogenen Sohne 
ins Vaterhaus zurückzukehren.' 

So war es auch Haynald nicht gelungen, die Sabbatharier 
in der Schoss des Christenthums zurückzuführen; sie setzten 
der Ueberredung denselben Widerstand entgegen, wie vordem 
der Gewalt. Man kannte und überwachte sie genau. Die Pfarrer 
von Bözöd-Ujfalu pflegten für ihre Amtsnachfolger förmliche 
.Instructionen zu hinterlassen, in welchen sie die Merkmale 
angaben, an welchen die Judenzer zu erkennen, und die Art 
und Weise, wie sie am besten zu überwachen seien.* Aber die 
Sabbatharier waren so vorsichtig und verschlagen, und wussten 
ihre religiösen Uebungen in so geheimnissvolles Dunkel zu 
hüllen, dass es fast nie gelang, sie auf frischer That zu 
ertappen. Erst i. J. 1867 warfen sie die Maske ab und bekannten 
sich offen als Judenzer. Damit begann die vor der Öffentlich- 

1 Ofner Landesarchiv, das. s. A. 1833, No. 4125 u. A. 1834 No. 2011 
» Acta Paroch. Bözöd-Üjfalvens., a. a. 0. das., u. Blasius Orbän a. a. 
I. S. 148. 

* Acta Paroch. das. 

* S. die verschiedenen Aufzeichnungen das. 



245 



keit sich abspielende Bewegung, welche die letzten Reste der 
Sabbatharier, mit einigen wenigen Ausnahmen, dem Judenthum 
zuführte. 

Bevor wir jedoch die Geschichte dieser Bewegung erzählen, 
wollen wir das religiöse und das Geistesleben der Sabbatharier 
kennen lernen, wie es sich uns während dar 230 Jahre dar- 
stellt, die zwischen dem^Deeser Gerichtstermin und dem J. 1867 
lagen. • 



Das religiöse und das Geistesleben des Sabbatha- 
rierthums in der Periode seines Niederganges. 

1638—1868. 

Dem religiösen und Geistesleben des Sabbatharierthums 
während der letzten Periode seiner Geschichte hat die 230-jährige 
schonungslose Verfolgung, welche es erlitten, ihr trauriges 
Gepräge aufgedrückt. 

Die gewaltsam unterdrückte, ihrer Führer beraubte, immer 
mehr zusammenschmelzende und nur mehr heimlich fort- 
bestehende Secte war kaum im Stande, sich ihre älteren lite- 
rarischen Erzeugnisse zu bewahren und zu erhallen; neue zu 
schaffen, oder ihre Sache mit der Feder zu fördern und zu 
vertheidigen, war für sie ein Ding der Unmöglichkeit. Selbst 
die Abschreiber, welche ihre älteren Schriftwerke vervielfältigten, 
sind nicht mehr die geschulten Copisten von ehedem, sondern 
Bauern und Handwerker, deren ungelenke Schrift es deutlich 
verräth, dass ihre Hände besser mit dem Pfluge und Hand- 
werkzeuge, als mit der Feder umzugehen wissen. Die von ihnen 
gelieferten Abschriften sind um so mangelhafter, je jüngeren 
Datums sie sind; (Jie aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts 
bereits von einer trostlosen Unbehilflichkeit. 

Die älteren sabbatharischen Handschriften präsentiren sich 
als stattliche Folianten oder Quartbände aus gleichmässigem, 
starkem Papier, die von geübter, sicherer Hand geschrieben 
und, wie deutlich erkennbar, durch die Werkstätte des Buch- 
binders gegangen sind. Die aus der Zeit nach 1638 stammen- 
den Handschriften sind ausschliesslich Octav-, oder gar Sedez- 
bände, weil solche leichter zu verbergen, und zu den geheimen 
gottesdienstlichen Versammlungen bequemer und sicherer mitzu- 



nehmen wären, endlich' aber weil ftir dieses kleine Format das 
nöthige Papier am billigsten und' am* unanflalligsten zu beschaffen 
war. Das Papier dieser Handschriften besteht nämlich in der 
Regel aus Stücken von verschiedener Grösse, Farbe und- Qua- 
lität, die ungeschickt zusammengenäht und in höchst primi- 
tiver Art gebunden sind, mitunter in Einbandtafelti, die von 
andern Küchern genommen wurden.^ Die Abschreiber, oder 
Besitzer haben es offenbar nicht gewagt, sich an einen Buch 
binder zu wenden. Die plumpe, schwerfällige Schrift und die 
durchweg fehlerhafte Orthographie verrathen die Unwissenheit 
der Copi'sten, und können als vollgiltige Beweise für die auch 
anderweitig bezeugte Thatsache gelten, dass in dieser langen 
Periode allmäligen Verfalls nur noch Bauern Anhänger des 
Sabbatharierthums waren. Dabei sind diese Handschriften aus- 
schliesslich Gebet- und Ritualien-, sowie Gesangbücher, deren 
die Sabbatharier bei ihren gottesdienstlichen Verrichtungen 
nicht entrathen konnten. Alle übrigen Erzeugnisse ihrer altern 
Literatur blieben unbeachtet, und verschwanden allmälig aus 
den Häusern, zuletzt sogar aus dem Gedächtnisse der Sabba- 
tharier. ^ 

Seit der Katastrophe zu Dees i. J. 1638 ist keine einzige 
neue sabbatharische Schrift, nicht einmal ein neues sabbatha- 
risches Lied entstanden. Die gesammte Geistesthätigkeit der 
im Dunklen fortvegetirenden Secte äusserte sich in der theil- 
weisen Erhaltung ihrer altern Literaturerzeugnisse, sowie in 
den weiter unten besprochenen Correcturen, die an ihrem 
Gesangbuche vorgenommen wurden. Einige kleine Verse und 
einige Volkssagen sind Alles, was sie im Verlaufe dieser 230 
Jahre zu schaffen im Stande war. 

Die in Rede stehenden Verse sind in der Regel am 
Anfange oder am Schlüsse der Gebet- und^ Gesangbücher zu 
finden, und zumeist des Werk des Abschreibers, oder des 



1 Ein in meinem Besitze befindliches, um 1843 geschriebenes sabbatha- 
risches Gebet- u. Ritualienbuch in 8-*^ steckt in einem schadhaften, aber starkem 
Lederöinband, dessen Rücken die eingedruckte Titelau ftchrift hat: ^Pichler, 
Jas Gatioiiicum, Pars 1/ Zu mehreren aus der jüngsten Zeit (1850—1860) 
staidmenden sabbatharischen Gebet^ und Liederbüchern sind, offenbar in irgend 
einem Papierladen gekaufte, Geschäfts- oder Notizbücher benutzt worden. 

* Die einzige Ausnahme bildet die 1708 angefertigte Abschrift der oben 
S. 179, Anm. 1) erwähnten Schrift Pechis. 



247 



Besitzers der betreffenden Handschrift. Nur eines von ilinen 
hat weitere Verbreitung gefunden. Es scheint in der ersten 
Hälfte des XVII. Jahrhunderts entstanden zu sein, und findet 
sich seitdem fast in jeder sabbatharischen Handschrift, ja sogar 
am Anfange sabbatharischer Briefe.^ Es lautet in wörtlicher 
Ueb ersetz ung: 

Ruhm und Ehre sei dem Herrn der Herren, 
Abrahams, Isaaks und Jakobs Könige, 
Der oberster Richter ist der granzen Welt. 
Er gebe Befreiung den Nachkommen Israels ! 

Diesen vier, im Ungarischen mit einem und demselben 
Reime endigenden Zeilen sind seit dem Anfang dieses Jahr- 
hunderts in der Regel noch die Worte 

In Gemeinschaft mit uns 
oder einfach: 

Und auch uns 
hinzugefügt. 

Neben diesem Verslein^ ist noch ein anderes zu erwäh- 
nen, welches sich zwar in keiner sabbatharischen Handschrift 
findet, aber, nach einem vertrauenswürdigen Berichte, um die 
Mitte dieses Jahrhunderts bei den Sabbathariern von Bözöd- 
Ujfalü gang und gäbe w^ar. Von dem Glauben ausgehend, dass 
der sehnlich erwartete Erlöser unter Donner und Blitz erschei- 
nen werde, pflegten sie während eines Gewitters die Thüren 
und Fenster zu öffnen und folgende, im ungarischen Originale 
volksthümlich gereimte, Strophe abzusingen: 

Mach auf, o Herr, mach auf uns 
Deiner Gnade Thore, 
Schicke uns, o schick uns 
Den verheißs'nen Messias. ^ 

Einen lehrreichen Beitrag zur Entstehung der Volkssagen 
bieten die unter den Sabbathariern dieser Zeit entstandenen 
Sagen. 

^ So z. ß. in dem oben (S. 240), erwähnten Briefe. 

2 Vehr^ve andere, die aber keine allgemeine Verbreitung gefunden 
haben, s. in meinem ,A Szorabatosok" S. 331. 

8 Orbän a. a. 0. I. S. 148 und Vasärnapi Ujsag (= Sonntagszeitung) 
1873 S. 68; beide haben die handschriftlichen Aufzeichnungen des verlässlichen 
Alexander r m ö s i benützt, der lange unter den Sabbathariern gelebt hat. 



248 



Die unterdrückte Secte bedurfte des Trostes für ihre jam- 
mervolle Lage und der Hoffnung für ihre Zukunft, und da die 
Wirkliclikeit ihr weder das Eine noch das Andere bot, suchte 
sie beides im Reiche der Phantasie. Zu den derart entstandenen 
Sagen gehört in erster Linie die oben (S. 226) erwähnte, welche 
von Pechi, den die späteren Sabbatharier als den eigentlichen 
und alleinigen Gründer ihrer Secte betrachten, zu erzählen 
weiss, dass er der von ihm verkündeten Religion nie untreu 
geworden, sondern nach Konstantinopel geflüchtet sei, wo er 
an der Spitze einer sabbatharischen Gemeinde stehend, seine 
Lehren weiter verkündet und die daheimgebliebenen Gläubigen 
zum Ausharren in der Wahrheit ermuntert habe. Diese Sage 
knüpft offenbar an die Thatsache an, dass Sabbatharier nach 
der Türkei ausgewandert sind, anderseits aber ist sie sicherlich 
nicht ohne Einfluss aui die öftere Wiederholung dieser Aus- 
wanderung geblieben. 2 

Eine ähnliche Tendenz verfolgt auch jene Sage, welche 
Pechi eine Jüdin zur Frau giebt, die ihm mitsammt ihren 
Kindern nach der Türkei gefolgt sein soll (ob. S. 226). Die Sabba- 
tharier, die um diese Zeit bereits nur unter sich heirateten, 
mochten von Pechis beiden christlichen Frauen und von seinen 
christlichen Kindern nichts wissen. Gleichzeitig sollte aber 
auch darauf hingewiesen werden, dass eine wahrhafte Sabba- 
tharierin dem Gatten auch in die Fremde folgt, um ihrer Re- 
ligion ungehindert leben zu können. 

Ein ganzer kleiner Sagenkreis verfolgt die Tendenz, nach- 
zuweisen, dass die Vorsehung diejenigen bestraft, welche den 
Fluch der verfolgten Sabbatharier auf sich laden, namentlich 
aber jene, welche sie zur Entweihung der Sabbathruhe zwingen. 

Die furchtbare Niederlage, welche Georg Räköczi II. auf 
seinem Kriegszug gegen Polen erlitten, war die Gottesstrate 
für das grausame Vorgehen der beiden Räköczi gegen Pechi 
und die übrigen Sabbatharier. An dem Pfarrer Alexander Czin- 
czeri, der die Sabbatharier unmenschlich verfolgte und unter 
anderem zur Arbeit am Sabbath zwang (ob. S. 243), ging deren 
Fluch, »er soll nicht sterben können, bis ihn die Würmer nicht 
verzehren« buchstäblich in Erfüllung. Er wurde, als er eben 
eine heftige Rede gegen die Sabbatharier hielt, auf der Kanzel 

3 S. ob. S. 242. Anm. 2. 



249 



vom Schlage gerührt und musste noch lange leiden. In seinen 
Qualen berief er den Rabbiner der Sabbatharier zu sich, um 
dessen Verzeihung zu erlangen; aber die Sabbatharier wollten 
den Fluch nicht zurücknehmen, und er musste an einer ekel- 
haften Krankheit sterben.^ 

An dieselbe Persönlichkeit und an dieselben Verhältnisse 
knüpft noch einer anderen Sage an, welche ein zum Juden- 
thume bekehrter Sabbatharier mit folgenden Worten erzählt:^ 

Auch das geschah mit den Sabbathariern. Es war in den Zeiten der noch 
lebenden Greise, da war hier (in Bözöd-Ujfalü) ein katholischer Geistlicher, der 
über die Sabbatharier derart herfiel, dass er sie des Sabbaths hinausjagte, 
Heu für ihn zu machen. Es war vollständig klares, warmes Wetter ; aber schon 
nach einigen Stunden stieg eine Wolke auf, und erhob sich ein derartiger Slurm, 
dass das verwehte Heu die ganze Gemarkung bedeckte, und ihm (dem Geistlichen) 
das viele Heu verloren ging. Dabei entstand aber ein Platzregen und ein solches 
Gewitter, dass ein Mann aus einem Nachbardorfe derart vom Blitze getroffen 
ward, dass er sofort starb. Als sie das grosse Unglück sahen, rief ein christlicher 
Herr mit lauter Stimme: „Geht nach Hause, ihr Sabbatharier, sonst gehen wir 
noch alle zu Grunde !** — Seitdem zwang man die Sabbatharier nicht mehr, 
am Sabbath zu arbeiten. 

Echter szekler Volkshumor spricht aus der folgenden 
Sage, die ganz gut als lustige Anekdote gelten kann. 

Paul Miklösi, Polizeicommissär des bözöder Bezirkes, 
war ebenfalls ein grausamer Verfolger der Sabbatharier, die 
er grade am Samstag zu öffentlichen Arbeiten, wie zum 
Anlegen und Ausbessern der Fahrstrassen verhielt und dabei 
»Kälber« zu schimpfen pflegte. Daraufhin sprachen sie über 
ihn den Fluch aus: er möge ein Kalb gebären! Der 
dem Trünke ergebene Mann kommt eines Abends nach mannig- 
fachen Abenteuern mit einem tüchtigen Rausche nachhause, 
und wird von der Frau zu Bette gebracht. Da träumt er, 
der Fluch der Sabbatharier sei in Erfüllung gegangen und er 
habe ein Kalb geboren. Er erwacht, den Angstschweiss auf 
der Stirn, und fühlt, dass etwas ihm die Fussohle leckt ; er 
schaut hin und sieht zu seinem Entsetzen, dass dieses Etwas 
ein — neugeborenes Kälbchen ist. Seine Kuh hatte nämlich, 
während er schlief, ein Junges geworfen, welches seine Frau, 
des kalten Wetters wegen, in die Stube brachte. Der noch 
immer beduselte Miklösi glaubt nun steif und fest, er habe 

1 Orban, a. a. 0. I. S. 149; vgl, Egyenlös6g, 1887, No. 9. 
8 „Dan Abraham, vormals Moses Koväcs« m einem an den Verfasser 
gerichteten Briefe, de dato Bözöd-Ujfalü, 1. März 1875. 



250 



das Kalb geboren; er trägt es hinaus und wirft es, um die 
Sache zu vertuschen, in den offenen Brunnen. Frühmorgens 
wird dteis Kalb vermisst, und unter Lärmen und Schreien ver- 
gebens gesucht. Da nimmt der Unglückliche seine Frau geheinn- 
nissvöll beiseite und flüstert ihr zu: »Weib, der Fluch der 
Sabbatharier hat mich ereilt: ich habe nachts ein Kalb geboren 
und es, um meine Schande zu verbergen, in den Brunnen ge- 
worfen.« Seine zungenfertige Frau schalt ihn tüchtig aus, 
die Leute des Dorfes aber neckten und höhnten ihn derart 
mit dem Kalbe, welches er geboren, dass er sein Amt niederlegen 
lÄUSste, die Gesellschaft der Menschen mied, und den Rest 
seiner Tage einsam und freudlos verlebte.^ 

Zum Schlüsse sei hier noch die in mehrfacher Beziehung 
interessante Volkssage angeführt, welche der i. J. 1808 nach 
Bözöd-Ujfalu exmittirte Dechant Emerich Betegh aus dem 
Munde eines dortigen Sabbathariers hat. Nach seinem amt- 
lichen Bericht lautet sie wie folgt:^ 

Im ersten Viertel dieses Jahrhunderts machten sich drei Szökler aus 
BOzöd'Ujfalü auf den Weg, um nach dem Scythenlandc zu gehen, damit sie 
daselbst die Wohnsitze unserer Ahnen^ aufsuchen; der Ueh erlief eruDg nach, 
soll der eine Michael Loväsz, der andere Franz Csukor gewesen sein, den 
Namen des Dritten habe ich nicht nennen j^^ehört. Sie reisten gen Osten, irrten 
neun Jahre umher, durchzogen Asien, und waren sogar in dem Heiligen Lande. 
Endlich trafen sie auf das Land unserer Ahnen, wo sie einen Mann sahen, der 
mit Feldarbeiten beschäftigt war. Sie begannen ein Gespräch mit ilim, und er 
hörte staunend, dass die Fremden, mit einigen Abweichungen, in seiner eigeaen 
Spr^iche mit ihm reden. Er frug, wer sie wären, worauf sie ihm zu wissen 
thaten, dass sie Nachkommen der Hunnen Attilas seien, und gegen Westen in 
dem Siebenbürgen genannten Theile des Ungarlandes wohnen. Darob freute 
sich der Vetter aus dem Osten ; nur war er sehr verwundert, dass ihre Rasse 
so klein geworden sei. Dabei sagen mir Leute, die den Michael Lovasz und 
den Franz Csukor persönlich gekannt haben, dass sie hochgewachsene 
Mönner waren; aber der Vetter im Osten war so gross wie ein Riese. Er trug 
den Sz6klern auf, sie mögen ins Dorf gehen, seine Frau aufsuchen und ihr. 
unter Vorzeigung eines Erkennungszeichens, in seinem Namen sagen, sie solle 
ein junges Huhn schlachten und ein grosses Festmahl vorbereiten, denn er werde 
nach Beendigung seiner Arbeit binnen kurzem nachhausekommeB. Die doci 
Sanier zogen dem Dorfe zu und überlegten unterwegs, wie sie drei, sowie der 
Hausherr und seine Familie, mit einem jungen Huhn ein grosses Festmahl 

* Ausführlicher bei Orbän, a. a. 0. das. 
^ Beilage zu den Acta Paroch. Bözödujfalv., a. a. 0., das. 
' Selbstverständlich sind die Ahnen der Sz^kler, beziehungsweise Ungarn 
gemeint 



251 



solllcn halten können, und sie kamen überein, dier Frau zu sagen, ihr Mann 
tnnre ihr auf, zwei junge Hühner zu schlachten, und ihn mit einem guten 
Festmahle zu erwarten, denn er werde bald nachhausekommen. Die Frau schenkte 
der BotsQhaft Glauben, obwohl sie sich gar sehr verwunderte, dass ihr Mann 
den Auftrag gab, zwei junge Hühner zu schlachten. Sie beginnt den ihr gewor- 
denen Auftr.'ig zu vollführen, und bringt eine grosse Mulde voH mit Fleisch ins 
Zimmer, worüber die Szekl'er gewaltiglicU erstaunten. Mittlerweile langt d<M* 
Hausiien* aai, geht in die Stube und sieht verwundert das viele Fleisch. Er frä^jt 
die Frau, was das viele Fleisch bedeute ? Habe er doch durch diese Vettern 
sagen lassen, dass sie nur ein junges Huhn schlachten solle ? Darauf erwiederte 
die Frau, jene hätten ihr von zweien gesprochen. Der Hausherr, obwohl 
hierüber sehr aufgebracht, unterdrückte seinen Zorn, und trieb die Frau an, 
sie raögfr schnell ein gutes Mahl bereiten. Als des Essen fertig war, bewirtete er 
seine Gäste mit orientalischer Gastfreundlichkeit. Am Schlüsse der Tafel aber 
sprach er folgendermassen zu seiner Gästen : „Meine Freunde, was ihr gegessen 
und getrunken habt, thut m r nicht leid, denn ich habe es von Herzen gegeben ; 
aber leid thut es mir, dass im Westen solche Stammverwandte von uns wohnen, 
die nicht die Wahrheit reden. In diesem Lande gilt Lügen für die grösste 
Sünde ; wer bei einer Lüge ertappt wird, für den ist hier kein Platz. Drum 
biecht auf und verschwindet aus diesem Lande, denn wenn das Volk des Landes 
erfahren würde, dass ihr gelogen habt, würde es euch schlecht ergehen.** Wie 
er gesprochen, so geschah es. Sie machten sich auf den Rückweg, und langten 
nach neun Jahren wieder in der Heimat an. Hier lebten sie noch lange, und es 
gibt in unserer Gemeinde Leute, die sie gekannt haben. 

Dieser Sage liegt, wie schon der Dechant Betegh bemerkt, 
ojffenbar die Thatsache zugrunde, dass Michael Loväsz, Franz 
Csukor und noch ein dritter Szekler wirklich nach dem Osten 
reisten und dort nach ihren Ahnen suchten. Nur reisten sie 
nicht hin, die im Scythenlande zurückgebliebenen Ungarn, son- 
dern die nach der Türkei ausgewanderten Sabbatharier zu 
suchen. 

Die Familien der Loväsz und Csukor sind nämlich alte 

* 

Sabbatharierfamilien, deren Angehörigen wir unter den im J. 

1638 in Dees verurtheilten, sowie unter den 1868 und 1869 
zum Judenthum übertretenen Sabbatharierri widerholt begegnen. 

Auch unter den um die Mitte des vorigen Jahrhunderts nach 
der Türkei ausgewanderten Sabbathariern befanden sich Mit- 
glieder dieser beiden Familien. Die als Reliquien aufbewahrten 
Briefe derselben, w^elche aus der neuen Heimat so viel Erfreu- 
liches zu berichten hatten, mögen die biederen drei Szekler 
bestimmt haben, die Nachkommen dieser Auswanderer aufzu- 
suchen.^ Es scheint, dass sie dieselben vergebens gesucht, und 

1 Ueber den Brief dieser Auswanderer s. ob. S. 240. Die Frau des Brief- 
schreibers war die ebenfalls nach Adrianopel ausgewanderte Sarah G s u k o r 



252 



ihre Spuren, vielleicht auf Grund ungenauer Angaben, oder 
blosser Gerüchte, bis nach Palästina verfolgt haben. In ihren 
Hoffnungen getäuscht, kehrten sie nach Siebenbürgen zurück, 
wo sie ihre mehrjährigen Irrfahrten durch die oben erzählte 
Sage zu erklären suchten. 

Wie das Geistesleben der Sabbatharier, so zeigt auch 
ihr religiöses Leben in dieser langen Periode die unverkenn- 
baren Spuren der harten Verfolgungen, die sie erlitten. Je 
gewaltthätiger man gegen sie verfuhr, und je länger man sie 
unterdrückte, desto hartnäckiger hielten sie an den Ueber- 
zeugungen fest, welche man ihnen rauben wollte, desto theuerer 
wurde ihnen der Glaube, für den sie duldeten und litten, und 
desto mehr entfremdeten sich der Religion, in deren Namen 
sie verfolgt wurden. 

Am bezeichnendsten hiefür ist ihre stetig wachsende 
Entfremdung vom Christenthum, welche sie allmälig dahin 
führte, Alles zurückzuweisen und zu verläugnen, was sie nur 
im entferntesten an die Religion erinnern konnte, von der sie 
ursprünglich ausgegangen waren. 

In den ersten Jahrzehnten nach dem Deeser Gerichtstermin 
nahmen die meisten Sabbatharier noch keinen Anstand, den 
Namen Jesus gelegentlich auszusprechen. Nur thaten sie es 
nicht im Sinne der christlichen Auffassung^ sondern nahmen 
das Wort, nach dem Vorgange Bogäthis und Pechis (ob. S. 80 
und 169) als allgemeine Bezeichnung für den Begriff »Messias«, 
ohne dabei an die Person Jesus zu denken. Wo dies dennoch 
der Fall war, geschah es entweder in gewissen landläufigen 
Redensarten und Ausrufungen, oder gar zur Unterstützung 
sabbatharjscher Ansichten, wie z. B. von Seiten jener Frau, 
die nach einem Hagelschlage ihren Nachbarn zurief: »Christus 
gibt der Gemarkung keinen Segen, weil ihr den Sabbath 
nicht feiert.«- Sie erklärten offen, »Christus war ebenfalls 

und unter den Auswanderern, die 1778 noch am Leben waren, nennt der Brief 
auch eine Susanna Loväsz. Ueber die i. J. 1868 — 9 zum Judenthume über- 
tretenen Sabbatharier s. weiter unten. 

^ In den Sabbatharierprocessen vom Jahre 1670 sagten die Zeugen gegen 
Georg Kelemen aus Körispatak aus : „er unterichte verschiedene Leute im 
Alten Testamente, damit sie im Sinne desselben an Christus glauben, nicht aber 
im Sinne des Neuen Testamentes." Eereszt. Magvetö IX. S. 259. 

« A. a. 0. das. S. 250. 



253 



ein solcher Mensch, wie wer immer unter uns.«^ In noch rück- 
sichtsloserer, mitunter geradezu roher Weise äusserten sie sich, 
wenn ihnen, der Wein die Zunge löste, oder wenn sie sich im 
Eifer religiöser Disputationen von ihrer Heftigkeit hinreissen 
Hessen. 2 Unter allen Umständen abergingen sie Allem und Jedem 
sorgfältig aus dem Wege, was nur im entferntesten an die Anbe- 
tung Christus' erinnerte. Manche unter ihnen wollten bereits 
damals (1670) den Namen Jesus nicht einmal mehr aussprechen.^ 
Bei solchen Anschauungen konnte sich das alte sabbatha- 
rische Gesangbuch, das noch von dem Glauben an Jesus aus- 
ging, unmöglich im Gebrauch behaupten, wenigstens nicht in 
seiner ursprünglichen Gestalt. Die Lage der kleinen sabbatha- 
rischen Gemeinden, die nur noch im geheimen ein kümmer- 
liches Dasein fristeten, war aber viel zu trostlos, als dass sie 
ein einheitliches neues Gesangbuch hätten schaffen können; 
besassen sie doch keine Organisation und, seit Pechis Tode, 
auch keinen Führer mehr. Da nahmen denn einzelne Gemein- 
den, wie es scheint sogar einzelne Familienkreise, die Sache 
in die Hand und stellten, unter mehr oder minder starker 
Benützung des alten Gesangbuchs, neue religiöse Lieder- 
sammlungen zusammen, welche das Neue Sabbatharische Ge- 
sangbuch bilden. Dasselbe liegt in zahlreichen, in der Zeit 
von 1638 — 1868 entstandenen Handschriften vor, die nur in den 
Hauptstücken übereinstimmen, dabei aber, trotz allen namhaften 
Abweichungen, unverkennbar dieselben Tendenz verrathen.^ 

* Diese Aesserung haben, genau mit derselben Worten, verschiedene 
Angeklagte an verschiedenen Orten gelhan ; s. die Zeugenaussagen a. a. 0., das 
S. 250 u. 255. 

* Georg Nagybüni — so sagte ein i. J. 1670 vernommener Zeuge aus — 
.behauptete gelegentlich einer Disputation, die ich mit ihm hatte, 
David sei grösser als Christus.** Thomas Borbely aus Keresztür sprach während 
des Trinkens folgendes : „Umsonst, denn wahrhaftig, ich glaube au 
keinen gehenkten Gott, und bete ihn auch nicht an." A. a. 0. das. S. 
250 u. 247. 

3 Während eines starken Gewitters rief Einer aus : „Herr Jesus verlass 
mich nicht;* hierauf erwiederte der in Kis-Solymos wohnhafte Studiosus Johann 
vom Sz6kler Kleinadel : „Was sprichst du ! Auch du rufst den Kleineren 
(offenbar: den Sohn Gottes) zu Hilfe !** S. die Zeugenaussagen, a. a. O. S. 248. 

* Ueber diese Handschriften s. meine A Szombatosok S. 253 flg. Zahl- 
reiche andere, mehr oder minder vollständige Liedersammlungen sind den meisten, 
aus dieser Zeit stammenden Exemplaren von P6chis Gebet- und Ritualienbuch 
beigegeben. 



254 



Zunächst sind sämmtliche Stücke des Alten Sabbathacischen 
Gesangbuches einer genauen Durchsicht unterzogen und die- 
jenigen, welche christliche Elemente enthalten, theils durch 
einfache Weglassung der betreffenden Strophen, Zeilen, oder 
Worte, theils durch Umarbeitung, den Anschauungen der dama- 
ligen Sabbatharier angepasst. 

Diese Correcturen sind mitunter dem Inhalte, dem 
Metrum und dem Reime des Liedes recht geschickt angepasst, 
mitunter wieder so plump, dass sie sofort zu erkennen sind. 

Ein Sabbathlied des Alten Gesangbuches enthält, zum 
Beispiel, unter anderem die Zeilen: 

In grosser Freud' erwarten wir des Herrn grossen Tag, 
Des Herrn Jesus herrlichen und glorwürdigen Tag;* 

in den verschiedenen Exemplaren des Neuen Gesangbuchs steht 
statt der Worte »des Herrn Jesus« bald: Unseres Herrn, 
bald: des Messias, bald: Gottes. Die 5 Strophe desselben 
Liedes beginnt: 

Dann werden Deine heil'ge Stadt wir schaun in Wirklichkeit, 
Das AntHtz Deines heil'gen Sohns in seiner Herrlichkeit ; 

statt »Deines heiligen Sohnes« haben einige Exemplare des 
Neuen Gesangbuchs: Deiner Heiligen, andere: des Messias, 
in den übrigen ist die ganze Strophe weggeblieben. 
Aus einem alten Passahliede ist die Zeile 

Jesus Christ, sein heiliger Sohii mög' auch uns erlösen 

in einigen neuen Gesangbüchern durch die Zeile 

Deine heil'ge Majestät mög' uns gnädig schützen 

ersetzt; in den meisten fehlt des ganze Lied. 

Ein, ursprünglich den Alt-Unitariern entlehntes, Morgen- 
lied beginnt in dem Alten Gesangbuche: 

Lasst Dank uns geben Gott dem Herrn, 
Dem Vater Jesu Christi. 



1 Zu den hier folgenden Citaten aus dem Alten und dem Neuen Sabbath. 
Oesangb. s. die betreffenden Stellen und Codices a. a. 0. S. 338 — 340, wo 
noch auf zahlreiche ähnliche Beispiele hingewiesen ^vird. 



265 



Diese 2. Zeile lautet in manchen Exemplaren des Neuen 
Gesangbuches: 

Dem einen Gölte Abrahams, — 

in andern ist diese Zeile einfach weggelassen; die übrigen 
haben das ganze Lied nicht aufgenommen. 

Aehnliche gewaltsame Aenderungen werden selbst an 
solchen Stellen vorgenommen, welche an sich belanglose 
Anspielungen auf die Evangelien enthalten. So heisst es z. B. 
in einem alten Sabbathliede: 

Selig, wer dem Beispiele der weisen Jungfrau'n folgt ; 

da aber diese Zeile auf Mathäus 25,1 — 12 Bezug nimmt, ist sie 
in einem Exemplare des Neuen Gesangbuchs in 

Selig, wer dem Beispiele der Weisen folgt 

umgeändert, sowie das in diesem Liede öfter vorkommende 
Chris^tus jedesmal in Abraham. In allen übrigen Exem- 
plaren fehlt das ganze, stark christlich gefärbte Lied. 

Die von christlichen Anschauungen ausgehenden Stücke 
des Alten Gesangbuches, deren ausgesprochen christliche 
Färbung durch ähnliche Correcturen, oder durch Streichung 
einiger Zeilen nicht zu verwischen war, sind überall gänzlich 
Wöggelassen, selbst jene, die von Andreas Eössi, dem Stifter 
des Sabbatharierthums herrühren, oder das Akrostichon »Simon 
Pechi« zeigen. Aus diesem Grunde fehlen von den 1 10 Liedern 
aus welchen das Alte Gesangbuch besteht, in sämmtlichen 
Exempliaren des Neuen nicht weniger als zweiundzwanzig. 
An ihre Stelle sind 45 andere, ausgesprochen jüdische Gesänge 
getreten, zumeist Uebertragungen poetischer Stücke aus der 
jüdischen Liturgie und freie Bearbeitungen jüdischer Ueber- 
lieferungen und Legenden, oder einzelner Capitel der Heiligen 
Schrift. Sie rühren zunieist von Pechi her, der sie nach seinem 
Sturze als Reichskanzler schrieb, als er eine immer entschie- 
dener judaisirende Richtung einzuschlagen begann. Unter den 
ungefähr 15 Liedern, die nicht aus seiner Feder geflossen 
sind, zeigen einige die Akrosticha: Johannes Sändor, Johannes 
Bökeny, Petrus Magyari, Georg Sinka und Gerghli (Georg), 



die Namen sonst fast, oder ganz unbekannter Männer, die 
Gesinnungsgenossen und Mitarbeiter Pechis waren.' 



Das religiöse und das Geisterleben des Sabba- 

tharierthums in der Periode seines Niedergangs. 

1638-1868. 

(SchluES.) 

Das Neue Gesangbuch, welches die christlichen Elemente 
des Alten von sich weist und durch jüdische ersetzt, ist 
bezeichnend für das religiöse Leben des Sabbatharierthums 
dieser Periode. Es entfernt sich immer weiter vom Christen- 
thum, um sich in demselben Verhältnisse dem Judenthume 
anzunähern, und schliesslich in ihm aufzugehen. 

Das Gebet- und Ritualienbuch Pechis fehlte in keinem 
sabbatharischen Hause. Aus ihm wurden die jüdischen Gebete, 
die täglichen, sowie die Festgebete, nach dem sephardischen 
Ritus, und wie die zerlesenen, stark abgegriffenen Blätter der 
noch vorhandenen Exemplare beweisen, pünktlich und mit Eifer 
verrichtet. Die in ihm vorgeschriebenen jüdisch-religiösen Cere- 
monien und Bräuche wurden gewissenhaft geübt. Aus den Verhö- 
ren und Zeugenaussagen vom Jahre 1670 ergibt sich, dass Pechis 
Lichren und Vorschriften schon 25 Jahre nach seinem Tode 
illen Sabbathariern bereits als unverbrüchliche religiöse Norm 
jalten; namentlich die jüdischen Speisegesetze wurden allge- 
nein und mit grösster Strenge beobachtet. An Stelle des ver- 
abscheuten Borstenviehs wurden Gänse gezüchtet und gemästet, 
jnd es galt als untrügliches Kennzeichen eines sabbatharischen 
Hauses, dass sie dort Gänseschmalz statt des Schweinefettes halten 
und gemessen.« 8 

Eben so allgemein war die Beobachtung der jüdischen 
Festtage, die genau nach den von Pechi angegebenen Vor- 
gchriften mit den üblichen jüdischen Gebeten und Bräuchen 
»efeiert wurden. Sie begnügten sich lieber mit trockenem 
Brode, oder hungerten gar, und erlitten eher nahmhafte Ver- 

■ lieber das Neue Sabbath. Geäangbucb s. AusführltchereE in memem 
A Szombalosok S. S60— 264. Zu den das. aufgezählten 43 Liedern kommen noch 
2, die ich in einer später erworbenen Handschrift fand ; s. das. S. 339, Anm. 1. 

< S. die Zeugenaussagen des Kereszt, MagvetÖ XI. S. 346—269. 



257 



luste. an Habe und Gut, als dass sie die Sabbathruhe durch 
Kochen oder anderweitige Arbeiten entweiht hätten.^ 

Am fanatischsten waren die Frauen, welche, nach der 
aus dem Jahre 1753 stammenden Aufzeichnung des Pfarrbuches 
von Bözöd-Ujfalu, »ihrer Secte ungleich fester anhangen und 
halsstarriger sind als die Männer.« Sie bildeten den Kern und 
das erhaltende Element des Sabbatharierthums. In nicht seltenen 
Fällen pflegten bei dem sabbatharischen Gottesdienste, mit Aus- 
nahme des Mannes, der ihn leitete, bloss Frauen anwesend zu 
sein.2 Eine derselben erklärte öffentlich: »Und stünde auch der 
Fürst mit dem Richtsch werte neben meinem Haupte, würde 
ich doch kein Schweinefleisch essen;« eine zweite »konnte 
nicht einmal den Geruch des Schweinefleisches vertragen.« 
Noch eine andere »pflegte sich, um den Sabbath desto unge^^ 
störter feiern zu können, Freitag abends sterbenskrank zu 
stellen, aber am Sonntag wieder kerngesund zu sein. »Viele 
Sabbatharierinnen gingen am Sabbath nicht einmal auf die Strasse, 
sondern verbrachten, offenbar in wörtlicher Auslegung einer 
Bibelstelle,8 den ganzen Ruhetag im Hause. Andere befolgten 
den Brauch frommer Jüdinnen und »legten am Sabbath solche 
weisse Kleider an, die sie an sonstigen Tagen nicht trugen.«* 
Jüdischen Reisenden, die sich in ihre entlegenen Dörfer ver- 
irrten, liefen sie entgegen, nöthigten sie ins Haus und über- 
häuften sie mit Ehren und Aufmerksamkeiten, während sie 
christliche Gäste, von welchen sie leicht verrathen werden 
konnten, nur ungern bei sich sahen.^ 

Geradezu staunenswerth ist die Macht, mit welcher diese 
verbotene und verfolgte Religion die Gemüther ihrer Anhänger 
beherrschte. Aus den Häusern, in welchen das Sabbatharier- 
thum einmal Wurzel gefasst hatte, war es so leicht nicht 
wieder auszurotten. Den Familien Koväcs, Csukor, Sükös, Nagy, 
Loväsz, Acs, Gäl, Sipos u. s. w., deren Mitglieder und Nach- 

1 Beispiele s. a. a. 0. S. 247 und 258. 

a Das. S. 254. 

«2 B. M. 16, 29: ,, Bleibet, ein Jeder an seinem Orte; Niemand gehe von 
seinem Platze am siebenten Tage weg.' Samaritaner und Karäer haben diese 
Bibelstelle bekanntlich ebenfalls wörtlich aufgefasst. 

* Kereszt. Magvetö IX. S. 247, 250 und 252—4. 
. * Acta Paroch. a. a. 0. Aufzeichnungen des Pfarrers Georg Lukäcs . vom 
Jahre 1753. 

Dr. Kohn : Sabbatharier. 17 



S68 



kommen seit dem Massenprocess zu Dees durch zwei Jahr- 
hunderte in den Reihen der angeklagten, veruH;heilten, od^t 
ausgewanderten Sabbatharier zu finden stad, begegnet! ^vir 
noch am Ende dieser Periode untei" den zum Jud^äthume 
übertretenen Sabbathariern. Jener alte Sabbatharier, der seiti 
Kind »noch in seinem Testamente ei'ilnahnte: Meine geliebte 
Tochter, lasse dein Lebenlang nicht von dieser schönen Röli- 
gion,«^ hat offenbar nur das gethan, was sie, Wie die That- 
Sachen beweisen, ihren Kindern gegenüber gewöhnlich beobach- 
teten. »Mein Vater war Judenzer, auch ich Will ein solcher 
sein«, das war der gewichtigste und in der Regel letzte 
Grund, den sie selbst ihren Richtern gegeiitibör als Ursache 
ihrer Sectirerei anzugeben pflegten.^ 

Das aus dem öfTentlichen Leben verdrängte Sabbatha- 
rierthum musste sich aufs Haus beschränken, und gewann 
dadurch eine immer grössere Herrschaft über das Familien- 
leben. Der Gottesdienst, den sie aus Furcht vor Entdeckung 
nur selten gemeinsam, oder in grösseren Versammlungen zu 
begehen wagten, wurde in der Regel zuhause abgehalten. 
Ihre Kinder, die sie in die christliche Schule nicht schicken 
mochten, unterrichteten sie zuhause im Lesen und Schreiben, 
welche Kenntnisse, bei der allgemeinen eifrigen Benutzung 
ihrer handschriftlichen Gebet- und Gesangbücher, als uner- 
lässlich galten, und deshalb bei den Sabbathariern, im Gegen- 
satz zu der übrigen Dorfbevölkerung, allgemiein zu finden 
waren.» So war das sabbatharische Haus z^ugleich auch Tempel 
und Schule. Um es in dieser Eigenschaft zu ethalten, und vor 
fremden Einflüssen sicher zu stellen, pflegten die Sabbatharier 
bereits am Anfange dic^ser Periode am liebsten untereinander 
zu heiraten, ein Vorgang, der später allgettieifie Regel tvurde.* 
In den seltenen Fällen, wo ein Sabbatharier dennoch eine 



1 Kereszt. Magvetö IX. S. 254. 

* Das. S. 249. 

« Acta Paroch. Bözödi^gfalv., Aufzeichnung des Pfarrers Paul YinUer das. 
Vgl. Orbän, a. a. O. I. S. 148. 

*• S. die Zeugenaussagen aus dem J. 1&70: j^Die vi^r Brftder Aes haeben 
sämrotlich aus Judenzerhäusern Frauen genommen*, und dasse&e von den Fami- 
lien Haraagläbi und G41, Kereszt. Magvetö, a. a. 0. S. 256 und 266. Vgl. das 
folgende Gapitel. 



.59 



Christin zur Frau nahm, musste diese vorher schwören, den 
Glauben und die religiösen Bräuche des Hauses geheim zu 
halten. Konnte sie sich mit der strengen, abgeschlossenen 
Lebensweise und mit der jüdisch-rituellen Haushaltung nicht 
befreunden, wurde sie entlassen, nachdem sie zuvor einen Eid 
abgelegt hatte, ihren Mann nicht als Sabbatharier zu verrathen. 
Dieser Eid beschwor unter den fürchterlichsten Flüchen die 
Rache des Himmels auf das Haupt der Treulosen herab, die 
ihn brechen sollte. Nach den Aufzeichnungen eines gründlichen 
Kenners der sabbatharischen Verhältnisse, soll es auch »that- 
sächlich nie vorgekommen sein, dass eine solche Renegatin 
über die Angelegenheiten der Sabbatharier auch nur ein Wort 
gesprochen hätte.« ^ 

Diese Vorsichtsmassregel ist eine von den vielen, zu 
welchen die Sabbatharier greifen mussten, um die Uebung 
ihrer Religion vor den Augen der Aufpasser und Angeber zu 
verbergen, die sie von allen Seiten umgaben. Die schweren 
Verfolgungen, die sie ihres Glaubens wegen erlitten, nöthigten 
sie zur Geheimhaltung desselben, und zwangen sie zur List 
und Heuchelei. 

Noch um die Mitte des XVII. Jahrhunderts pflegten sie 
sich allsabbathlich in Häusern, oder gar in Gärten zum gemein- 
samen Gottesdienst zu versammeln ;2 zwei Jahrzehnte später 
(um 1670) erkannte man sie bereits daran, dass sie »des Sabbaths 
nicht arbeiten; sondern sich verbergen und verstecken 
und den Sabbath feiern.«'^ Später richteten sie in ihren Häusern 
abgesperrte, oder durch Vorhänge verdeckte, kleine Kammern 
ein, in welchen sie Familiengottesdienst hielten und ihre Gebet- 
und Gesangbücher in Verstecken aufbewahrten.* An den hohen 
jüdischen Feiertagen pflegten sie sich in Wäldern, Gräben, 
oder in Gebirgen zum gemeinsamen Gebete zusammenzufinden. 
Die betreffenden Plät-ze, mit welchen sie zu jedem Feste wech- 
selten, wussten sie sorgfältig auszuwählen und so vorsichtig 



1 r b a D, a. a. Ö. I. S. 149. Der Verfasser benutzt hier (vgl. das. S. 146) 
die schriftlichen AufzeicbDungen Alexander Ormössis» der lange unter den 
Sabbathariern gelebt hat. 

» Kereszt. Magvetö tX. S. 254 und 257; XIII. S. 362—866 1. 

8 Das. IX. S. 247. 

* ö r i) ä n, a. a. Ö. I. S. 146 undi 148. 

17* 



260 



aufzusuchen, dass sie nie auf der That ertappt werden konnten.^ 
Wurden sie aber unter Eid verhört, oder zur Zeugenaussage 
verhalten, schwiegen sie hartnäckig und erlegten lieber die 
über - sie verhängten Geldstrafen, als dass sie einander, oder 
ihre gemeinsame Sache verrathen hätten.^ 

Noch um die Mitte des XVII. Jahrhundertes hatten die 
Sabbatharier, wo sie in grösserer Anzahl vorhanden waren, 
ihren ständigen Geistlichen und Lehrer ;» späterhin übernehmen 
die eifrigeren und unterrichteteren unter ihnen diese Aemter, 
die sie für längere oder kürzere Zeit, oder nur bei gewissen 
Gelegenheiten versahen.* Diese leiteten die Festgottesdienste, 
lehrten den Pentateuch und vollzogen die rituelle Schlachtung 
der zum Genüsse bestimmten Thiere. Währenddem sie dieses 
Amt versahen, mussten sie die jüdische Vorschrift, welche das 
Rasiren verbietet, beobachten. Aus diesem Grunde wechselten 
sie diese Functionäre in möglichst kurzen Zwischenräumen, 
angeblich alle sechs Wochen, »damit man sie an den langen, 
unrasirten Barten nicht erkenne, und die Christen nicht darauf 
kommen können, wer der Geistliche und Schächter der Sabba- 
tharier ist.«*^ 

Um die Uebung jüdischer Riten zu bemänteln, und sich 
von den ihnen aufgezwungenen christlichen Ceremonien zu 
befreien, mussten sie zu allerlei Listen, zum Betrug und zur 
Lüge greifen. So gaben sie vor, Hasen- oder Schweinefleisch 
nur deshalb nicht zu essen, »weil ihre Natur es nicht 
verträgt.« Wurden sie von Christen zu Tisch gebeten, so 
lehnten sie die Einladung ab, oder blieben unter den ver- 
schiedensten Vorwänden weg; wo sie nicht persönlich ge- 



^ Das. I. S. 148. In dem oben (S. 249) erwähnten, an mich gerichteten 
Briefe des zum Judenthurae übertretenen Moses Koväcs heisst es u. a.: ,Wenn 
Roscheschöne und J a n k i p u r (volksthümlich ausgesprochene hebräische 
Hezeichnungen für das Neujahr und das Versöhnungsfest) herannahte, suchten 
sie (die Sabbatharier) vorher im Walde den grössten wilden und finstern 
Graben aus, gingen hin, zündeten Kerzen an und feierten das Fest unter 
grosser Angst." 

* Acta Paroch., Aufzeichnungen des Pfarrers Georg Lukacs vom J. 1753. 
« Kereszt. Magvetö XlII. S. 365—6 und XVII. S. 225. 

* Das. IX. S. 254 und 259. 

* Acta Paroch., Bericht des Emerich Betegh ; vgl. Orbän, a. a. O. J. S. 
148 und Vasdrnapi Ujsäg (Sonntagszeitung) 1878, S. 168. 



261 



kannt waren, jschickten. sie Andere hin, di« sich für sie 
ausgaben.^ 

Am Anfange der hier behandelten Periode (nach 1638) 
wichen sie den christlichen Kirchen noch offen aus, und es 
gab viele unter ibnen, die unter keinen Umständen dahin 
gingen. 2 Seitdem sie unter die Aufsicht der Geistlichkeit ge- 
stellt wurden, und ihr Wegbleiben von der Kirche als Schuld- 
beweis betrachten wurde, liess sich an Sonn- und Feiertagen 
jedes Haus durch ein oder zwei Mitglieder vertreten, die, nach 
der Aufzeichnung des Pfarrers von Bözöd-Ujfalu, »aus Furcht« 
abwechselnd in die Kirche gingen, wo sie sich gleichgiltig, 
mitunter sogar unanständig betrugen. Die Predigt hörten sie 
mit zu Boden gesenkten Blicken und finsteren aufgeregten 
Mienen an, namentlich wenn von christlichen Dogmen, oder 
von Jesus die Rede war. Sobald aber über ein mosaisches 
Gesetz gesprochen, oder ein Vers aus dem Alten Testamente 
citirt wurde, wandten sie sich wie electrisirt dem Redner zu, 
und lauschten mit gespannter Aufmerksamkeit und flammenden 
Gesichtern den Worten des Geistlichen. Wenn sie das Heilige 
Abendmahl nehmen mussten, behielten sie die Hostie im Munde 
und versuchten sie später in unauffälliger Weise wieder zu 
entfernen. Kreuze und Rosenkränze trugen sie nur in der 
Kirche, weil sie es mussten, in ihren Häusern benutzten sie 
dieselben nie. Wenn man ihnen Crucifixe oder Heiligenbilder 
schenkte, die sie nicht zurückzuweisen wagten, nahmen sie 
dieselben an, aber nur um sich ihrer baldmöglichst zu entledigen 
Den Sterbenden Hessen sie nie die letzte Oelung reichen, 
sondern schickten erst nachdem der Todesfall bereits einge- 
treten war um den Geistlichen, dem sie sodann sagten, der 
Kranke sei mittlerweile verschieden. Nach Verrichtung der 
Sterbe- und Grabgebete beerdigten sie die Leiche wenn möglich 
ohne Geistlichen, oft des Nachts im geheimen. Mitunter sollen 
sie dem Geistlichen einen leeren, oder mit Steinen gefüllten, 
verschlossenen Sarg zur Beerdigung übergeben haben, indem 
sie vorgaben, der Sargdeckel hätte vernagelt werden müssen, 
weil die Leiche einen unerträglichen Geruch verbreitet.^ Sie 

1 Acta Paroch., Aufzeichnung des Georg Lukacs ; vgl. ob. S. 
s S. die Zeugenverhöre Kereszt Magvetö IX. S. 246 flg. 
3 Dass sie das, wie der Dechant Betegh berichtet, regelmässig gethan 
haben sollen, klingt höchst unwahrscheinlich. 



261 



vermieden es, den christlichen Gottesacker zu betreten, and 
l)etheiligten sich überhaupt nur dann an einer christiichen 
Cer'emonie, »wenn sie Strafe fürchteten, et 

Unter solchen Un\ständen ist es nicht überraschend, dags 
der Pfarrer von Bö^od-Ujfelu, Anton Bertalan, nachdem er 
hervorhebt, dass er von den zur katholischen kirche übertre- 
tenen Sabbathariern kaum zwei für wahre KathoHken halte, 
i. J. 1747 in das dortige Pfeirrbuch, anter anderm, auch Fol- 
gendes eintrug: »Wenn eine au%enöthigte Tugend keine Tugend 
ist, kann ich die Taufe Vieler nicht billigen; denn Viele haben 
gestanden, dass sie nur aus Furcht die Taufe angenommen 
haben.«* 



Die letzten Sabbatharter und ihre Gemeinde in 

Bözöd-Ujfalu. 

Infolge der ununtert>rQchenen Verfplgungen und häufigen 
Auswanderungen begannen d\e Reihen dßr Sabbatharier sich 
immer mehr zu lichten ; ihre meistep Gemeinden lösten sich 
allmö^lig auf. In der zweiten Hälfte dos XVII. Jahrhunderts 
waren sie noch in mindestens elf sz6kler Städten und Dörfern 
zahlreich vertreten ;2 ein Jahrhundert später warßn sie nur noch 



i ,Si coacta virtus nulla virtus : ego multorun» baptismum nee approbo 
mulli enim fassi sunt, quod [timore perculsi suscepeiint." Acta Paroch. — 
Die obigen Angaben sind ciiese^ Aufzeicbnungen, so wie dem weiter unten er- 
wähnten Berichte des Dechanten ^ßmeriph Betegh, ferner dem mehrfach ange- 
führten Buche r b ä n s und endlich der Artikelserie im 1873-er Jahrg. der 
Vasärnapi Ujsäg entlehnt. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass die Acta 
Paroch., so hart sie sich auch über die Sabbatharier zu äussern pflegen, sich 
von jeder Uebertreibung, oder gar Erdichtung fem halten, und fär die Schil- 
derung zeitgenössischer Zustände vollkommen verlässlich sind. Von dem 
Berichte Beteghs lässt sich nicht dasselbe behaupten. Betegh lebte nicht ständig 
unter den Sabbathariern, sondern hielt sich nur einige Tage, zum Zwecke der 
BerichterstattuDg, in Bözöd-Ujfalu auf ui^d schrieb, wie er selber erzählt, nach 
den ihm dort gemachten Mittbeüungen, die sich mitunter als unverlässlich . er- 
weisen. Die beiden an letzter Stell« angeführten Quellen sind, was das religiöse 
Leben der Sabbatharier anbetrifft, nur mit Vorsicht zu benutzen. 

> In Sz6kely-Keresztür, Köröspatak und in den Dörfern Nagy- und Kis- 
Solymos, Szent-Erzs^bet, Uj-Szekely, Szent-Demeter, Ernye, Ikland, Bözöd und 
Bözöd-Ujfalü ; ergibt sich aus Kereszt. Magvetö IX. S. 846—259 und XDI. 
36-2—866. 1. 



ia Bözöd-Ujfalü und in Ernye in grösserer Anzahl vorhanden, 
Wi die Mitte des gegenwärtigen Jahrhunderts gab es nur noch 
eine sabbatharische Gemeinde, die su Bözöd-Ujfalü. 

Böaöd-Ujfalü, ein Dörfchen im Szeklerstuhle Udvarhely, 
m^ht fern von der ruma^nischea Grenze, liegt in einem von 
steilen Bergen uipgebeaen, schwer zugänglichen, romantischen 
Tbale> Eine Eisenbahn ist in der ganzen Umgebung nicht vor- 
handen, und da es sogar an einer ordentlichen Landstrasse 
fehlt, verkehrt nicht einmal der Postwagen nach dem Dorfe. 
Bpiefe und andere Poatsendungen müssen eine Stunde Weges 
naoh Erd6-Szt.-GyöFgy getragen, beziehungsweise von dort 
abgeholt \siferdea. Ein Wirfcshaus, oder eine Herberge gibt es 
noch heute nicht im Dorfe, denn Reisende, die sich eines 
gemieteten Bauernwagens bedienen müssen, pflegen nur selten 
dorthin verschlagen a^u werden. Die Bevölkerung ist arm 
u»d besteht, neben Holaschlägern und Steinhauern, zumeist 
aua Ackerbauern, welchen der steinige und wenig fruchtbare 
Boden die mühevolle Arbeit nur kärglich lohnt. Bei gerin- 
gerem Verdienste sind auch die Bedürfnisse gering, und die 
Ansprüche an das Leben die denkbar bescheidensten. 

Unter den ungefähr 700 Einwohnern des Dorfes sind nicht 
weniger als sechs Confessionen vertreten: die katholische, 
calvinische, unitarische, griechisch-uniirte und nicht-uniirte und 
endlich die sabb^harische. Zu diese» kamen um 1865 noch 
einige Jude«., usd si^t tS&S die %uiia Judenthume übertretenen 
Sabbatharier. Uncfc^alle diese lebten und leben im besten Ein- 
vernehmk^D^ friedlich nebeneinander; denn in Religionssachen 
gibt e» kaum; ^n toleranteres Volk aJjs die Szekler. Ueberdies 
sind die unter ärmlichen Verhältnissen lebenden Menschen auf 
(Ues00i. v<i^nidef ü^brig^n Welt abgeschltDssenen, kleinen Stückchen 
Erde mehr denn and^^swo auf einander angewiesen. 

Noch in d^n sechziger Jahren kam nur eine Zeitung in 
(ks I>ouf, Ujnd diese auf gemeinsame. Kosten gehaltene »Zeitung 
des Dorfea<^ pflegte, der Richter oder Notar dem aufhorchenden 
Volke öffentlich vorzulesen. Anderweitige Nachrichten von den 

^ Ueber die geographische Lage und die gegenwärtigen Verhältnisse des 
Dorfes s. Vasämapi Ujsdg 1873. S. 167 ; Siebenbürg. Volkskalender für d J. 
me, S, 61.; Szäzadok 1876. a 288; Orbdn a. a. O. I. S. 150; Adolf Dux, 
i^s Ungarn, S. 270' flg. ; Magyar Zsidö Szemle U, S. 654— 66a und das IV. & 
88^98 ; £gyentös^ 1887. Nr. 9 und Jewish Chronicle 1889. Nr. 1044. 



264 



Vorgängen in der grossen Welt gelangten nur selten dahin. 
Derartige isolirt lebende, einfache Menschen pflegen in allen 
Dingen conservativ zu sein; sie bewahren getreulich ihre Pro- 
vincialismen, ihre Volkstracht und ihre althergebrachten Ge- 
wohnheiten, und beharren unentwegt bei den religiösen An- 
schauungen und Bräuchen, die sie einmal angenommen haben. 

Dieses abseits vom Weltgetriebe liegende, zwischen Bergen 
verborgene Dorf war demnach durch die Natur, wie durch die 
örtlichen Verhältnisse so recht danach angethan, den schwachen 
Ueberresten einer nur noch im Geheimen fortvegetirenden, 
verfolgten Secte eine letzte Zufluchtsstätte zu gewähren. Zur 
Blütezeit des Sabbatharierthums stand es unter dem Patronate 
des dort begüterten Simon P6chi;^ seitdem war es eine der 
stärksten und ältesten Burgen dieser Secte, und schliesslich 
der Sitz ihrer letzten und einzigen gemeinde. Nur in dem 
benachbarten Nagy-Ernye lebten noch einige sabbatharische 
Familien, die gleich den wenigen in der Umgebung zerstreut 
lebenden, übrigen Sabbathariern zur Feier der hohen jüdischen 
Festtage nach Bözöd-Ujfalü zu kommen pflegten. Die Ereignisse, 
welche das letzte Capitel in der Geschichte des Sabbatharier- 
thums bilden, haben sich alle hier abgespielt. 

Um 1865 befanden sich in Bözöd-Ujfalü noch ungefähr 
vierzig sabbatharische Familien mit zusammen 170 bis 180 
Seelen,^ die demnach den vollen vierten Theil der gesammten, 
und den Kern der magyarischen Bevölkerung* ausmachten, und 
da sie alle lesen und schreiben konnten, in gewissem Sinne 
auch die Intelligenz des Dorfes bildeten. Im allgemeinen galten 
sie als fleissige, nüchterne und redliche Menschen,* die man 
als solche achtete, wenn man sie auch ihres Glaubens wegen 
verlachte. Sogar der Dorfrichter war ein notorischer Sabbatharier. 

Das Verhältniss zwischen ihnen und der übrigen Dorf- 
bevölkerung war das friedlichste und beste, wenn auch durchaus 
kein inniges. Andersgläubigen gegenüber waren sie noch immer 
zurückhaltend und misstrauisch, wie sie es von ihren Vätern 



1 Kereszt. Magvetö XVIII. S. 41. 
s S. das flg. Capitel. 

» Ein Theil der Dorfbevölkerung besteht aus Walachen (Rumänen), von 
welchen sich aber kein einziger den Sabbathariern angeschlossen hat 

* r b ä n, a. a. 0. I. S. 146 hebt diesen Umstand nachdrücklich hervor. 



265 



Überkommen hatten, die Jahrhunderte lang vor Angel)erei zu 
zittern hatten. Wohl wurden sie seit dem Sturze des Absolu- 
tismus und der Wiederherstellung der freisinnigen ungarischen 
Verfassung ihres Glaubens wegen nicht mehr verfolgt, aber 
das alte Gesetz, welches diesen Glauben mit den strengsten 
Strafen verfolgte, bestand noch immer in Kraft. Die schonungs- 
volle Nachsicht, deren sie sich zu erfreuen hatten, konnte über 
kurz oder lang wieder der schonungslosesten Verfolgung weichen^ 
und die traurigen Erfahrungen der Vergangenheit mahnten sie 
dringend zur Vorsicht. Uebermüthige und ausgelassene Sabba- 
tharierkinder, die vor ihren Spielgefährten mit Crucifixen, 
Rosenkränzen und Heiligenbildern ihren Spott trieben, ver- 
riethen wohl hie und da den Geist, in dem sie zuhause erzogen 
wurden :i aber die Erwachsenen unterdrückten jede Aousserung 
und verbargen sorgfältig jede religiöse Uebung, aus welcher 
man über kurz oder lang eine verhängnissvolle Anklage gegen 
sie schmieden konnte. Darum sahen sie Christen noch immer 
nicht gerne in ihren Häusern. Dazu kamen noch mehrere reli- 
giöse Bräuche und Vorschriften, die sie ängstlich beobachteten. 
So benutzten sie unter keinen Umständen von Christen gebrauch- 
tes Küchengeräth, weil es zur Anfertigung oder Aufbewahrung 
solcher Speisen diente, die ihnen als verboten galten; noch 
weniger mochten sie ihr eigenes Küchengeräth den Christen 
zum Gebrauche leihen, oder aus einer Schüssel mit ihnen essen. 
Desshalb erschienen sie nie bei den Hochzeits- oder Leichen- 
mahlen ihrer Nachbarn. Ehen mit Nicht-Sabbathariern ' galten 
für verpönt: »ein sabbatharisches Mädchen heiratete nie einen 
Christen, ein sabbatharischer Mann nahm nie eine Christin zum 
Weibe, es sei denn, dass sie vorher Sabbatharierin wurde.»» 
Den Juden gegenüber beobachteten sie genau das ent- 
gegengesetzte Verhalten. In der Umgebung von Bözöd-Ujfalü 
hatten sich nämlich mittlerweile einige Juden niedergelassen, 
in dem benachbarten Erdö-Szt -György war sogar eine kleine 
jüdische Gemeinde entstanden, und seitdem pflegten sich hie 
und da auch jüdische Reisende, oder wandernde Gesellen im 
Dorfe blicken zu lassen. So oft das geschah, suchten die Sabba- 
tharier den betreffenden Juden auf und waren glücklich, wenn 

^ Acta Paroch., Bericht des Dechanten Betegh. 
« r b ä n, a. a. 0. I. S. 149. 



8#6 



0t i^mft dpmgenden BinlÄdiWff felgeTid, vo^ ifep^r QastfreuiKi- 
ßßkf^ Göbrauoh n^obte.^ Ih^^e dur(?h SeliöBh^it weitbefühmten 
T&^btef^ Wltrea gßvfk/^ bereit, ^i^ QfMmikB^ ^^o^ Jinien z^u werden, 
wran sioH solche fanden^ die t^ heivaten mochten. 

Di^ benn^bbarten Juden epwiedeBli^p nämlich keinesweg's 
da0 freuBdUahen Gefühle, welche die ^bb^thapier ihnen ent- 
§P«90nb7aphteQ. Wohl waren ^ie l^et^terei^ was religiöse An- 
SPhl^UUngen und Bräuche anbetrifft, nahezu Juden geworden, 
ßib^v es gab doch noch mehrere, im Sinne des Ji^denthumes 
wißhtlge religiöse Vorschriften, welche sie entweder gar nicht, 
od» nur unvollständig erfüllten. So übten sie z. B. die rituelle 
Beschneidung, welche vordem bei ihnen gebräuchlich war, sie 
a^er auch ihren Anklägern und Verfolgern ausliefern konnte, 
dMf^als schon seit vielen Pecennien nicht mehr.^ Und waiB die 
Hauptsache way: weder sie noch ihre Eltern waren ja förmliph 
in ÖBn Verband des Judenthums aufgenommen worden. Infolge 
dessen galten sie den rigorosen Anschauungen huldigenden 
orthodoxen Juden — und die Juden dieser Gegend sind noch 
heute solche — vollständig als Andersgläubige. Ja noch mehr, 
sie wurden von den Juden verspottet und Fledermäuse 
genannt, das heisst, Geschöpfe, die weder Vögel noch Mäuse, 
weder Christen noch Juden sind.* Kein Jude ass mit ihnen aus 
einer Schüssel. Eine Jüdin wurde nie die Frau eines Sabba- 
th«riers, und nur unter den von andern Gegenden dorthin 
verschlagenen, in Glaubenssachen weniger strengen Juden 
fanden sich einige, die ausnahmsweise eine Sabbatharierin 



* Acta Paroch. Aufzeichnungen des PfaiTers Georg Lukäcs; Orbän 
a. a. 0. I. S. 160. 

» Kin sz^ler Sprichwort lautet: „Schön, wie die Weiber von Bözöd.] 

» Orban, a. a. 0. I. S, HS und 149 und Vasarnapi Ujsäg 1873 S. 202 
bebauptei), wie sich aus dem folgenden Qs^pitel ergabt, mit Unrecht das Entgegen- 
gesetzte. Beschnittene Sabbatharier gab es nur bis gegen Ende des XVIF. Jahr- 
hunderts und dann wieder i. J. 1868, als sie anfingen zum Judenthurae zu über- 
tieten. Unter allen sabbathaidschen Knaben, Männern und Greisen, die damals 
inkien wurden, war kein emsiger bereits besohnitten. 

^ r b a Q, s^. a. 0. S, 150. Betegh, in seinem melu'fach erwS^nten Berichte 
er?,ähjt zweimal, 4ass die Sabbatharier von den Juden »bunte Hunde* (halb 
Juden, halb Christen) genannt werden, und fügt hinzu: »ein der Juden würdiges 
Wort;* thatsächlich hat es aber der unitarische Pfarrer von Bözöd-Ujfolu auf 
die dortigen Sabbatharier angewendet. S. Duz, Aus Ungarn S. 274 u. Szäzadok , 
1876, S. 220. 



267 



heirateten, aber erst nachdem sie zum Judenthume über- 
treten war.^ 

Bei alledem haben die benachbarten Juden- einen unver- 
kennbaren Einfluss auf das religiöse Leben der letzten Sabba- 
tharieF geübt. Diese sahen nämlich in religiösen Angelegen- 
heiten in den Juden ihre Lehrmeister, welchen sie bestrebt 
waren, das Eine oder das Andere abzulauschen. Zu diesem 
Zwecke suchten sie ihre Kinder in den Häusern der benach- 
barten Juden von Erdö-Szent-György als Dienstboten, wenn 
auch ohne Bezahlung, unterzubringen.* Dieser Umstand erklärt 
die Thatsache, dass bei den Sabbathariern seit ungefähr dem 
Jahre 1850 auch solche jüdische, speciell kabbalistische Bräuche 
und Anschauungen Eingang fanden, die ihnen vordem fremd 
gewesen sind. 

Wenn sie eine Ehe schlössen, Hessen sie die Trauung 
zunächst durch den Geistlichen jener Kirche vornehmen, der 
sie äusserlich angehörten, sodann aber Hessen sie das Braut- 
paar durch ihren zeitweiligen »Rabbiner« unter dem Trauhim 
mel und genau nach jüdischem Ritus von neuem trauen. Der 
jungen Frau wurden nach orthodox-jüdischem Brauche sofort 
die Haare abgeschnitten; von da ab durfte sie öffentlich nicht 
anders, als mit bedecktem Haupte, in der Regel mit einem bis 
zur Stirne reichenden Kopftuch erscheinen. Neben ihre Leichen 
stellten sie eine brennende Kerze, oder Lampe und ein Gefass 
mit Wasser hin.* Ausserdem hatten sie den jüdischen Volks- 
glauben übernommen, nach welchem einige Tage nach der 
Beerdigung am betreffenden Grabe ein Engel erscheint, dem 
der Todte alle Sünden und Verirrungen seines Lebens auf- 
zählen muss. Je nach der Anzahl und Grösse derselben wird 

^ Orbän, a. a. 0. das. Vgl. ob. S. 244 und das im folgenden Gapitel 
über Salomon Wolfinger Gesagte. 

• Egyenluseg, VI. Jahrg. Nr. 9, S. 4. Die dort enthaltenen Angaben sind 
nur mit Bezug auf die hier besprochenen zeitgenössischen Verhältnisse der 
letzten Sabbatbarier verlässlich. 

* Unter den im Berichte des Dechant«n Betegh (s. ob. S. 262 Anm. 1) 
angegebenen «abergläubischen, brahrainischen (?) Bräuchen", mit welchen die 
Sabbatbarier ihre Todten betrauern, dürften nur die hier angeführten jüdischen 
wirklich in üebung gewesen sein : davon, dass sie „auf ihre Gräber Speise und 
Trank zu geben pflegten*, wissen die übrigen Quellen nichts zu erzählen, es 
wäre auch schwer abzusehen, woher die Sabbatbarier diesen Brauch genommen 
haben sollten. 



268 



er sodann von dem Engel — die Juden nennen in Duma — 
mit feurigen Ruthen gezüchtigt, seine Seele geht aber erst 
nach kürzerem, oder längerem qualvollem Umherirren in die 
Ewigkeit ein. Ferner glaubten sie an böse Geister und fasteten 
häufig, um sich gegen deren Verfolgungen zu schützen; auch 
die üblen Folgen böser Träume suchten sie durch Fasten und 
durch die für diesen Zweck bestimmten jüdischen Gebete und 
Formeln abzuwenden.^ Sie kannten die jüdische Legende vom 
Sambation, dem sagenhaften Flusse, der die Grenze des 
Reiches der exilirten zehn jüdischen Stämme schützt, die ganze 
Woche über Steine auswirft, am Sabbath aber ruht. Sogar die 
Märchen und Lügen, welche über den Wunderrabbi von Sada- 
gora cursirten, wurden von ihnen begierig aufgegriffen. 

Die Betstuben in ihren Häusern (ob. 259) wurden jetzt, 
nach Art der Synagogen, derart eingerichtet, dass sie gen Osten 
lagen. Dort zündeten sie Freitag abends die Sabbathlichter an, 
und dort sollen sie auch, nach einem übrigens kaum verläss- 
lichen Berichte, ihre Gebete, in Nachahmung des bekannten 
jüdischen Brauches, bereits im Gebetmantel und mit Gebet- 
riemen verrichtet haben. Die zum Genüsse bestimmten Thiere 
Hessen sie nur durch ihren jeweiligen »Rabbiner« schlachten, 
der dafür nach jedem Stücke ein kleine Taxe erhob; von Juden 
geschlachtete Thiere, oder von jüdischen Metzgern feilgebotenes 
Fleisch assen sie ohne weiteres.^ Als bezeichnend sei noch der 
Umstand hervorgehoben, dass ein um 1850 — 1860 entstandenes 
Exemplar des sabbatharischen Gesangbuchs auf der letzten 
Seite des Heftes beginnt. Der Copist hat die ungarischen Lieder 
derart abgeschrieben, dass er die einzelnen Blätter, wie es bei 
hebräischen Büchern üblich ist, von rechts nach links 
aufeinander folgen lässt.' 

^ Die betreffenden Gebete und Formeln finden sich in zahlreichen Exem- 
plaren das Gebet- und Ritualienbuches als offenbar sehr späte Nachträge. 

> Ueber das religiöse Leben im letzten Decennium des Sabbatharierthums 
vgl. r b a n, a. a. 0. I. S. 146 u. 148—150 ; Vasarnapi Ujsäg 1873. S. 167—8 
u. 202 flg. ; Egyenlös^g VI. Jahrg. No. 9 ; femer den Bericht des Dechanten 
B e t e gh ; den des katholischen Pfarrers von Bözöd-Ujfalü| Joseph Sehest 
V. 22. Novemb. 1868 im Landesarchiv zu Ofen, Abtheilung des Gultus- u. Unter- 
richtsministeriums ad 28. Z. 979 — 1868, sowie den Bericht des Oberrichters von 
Udvarhelyszök, das. Z. 2419—1869. 

' Das betreffende Exemplar befindet sich unter. den Handschriften des 
Ung. Nationalmuseums zu Budapest. 



269 



Bei solchen religiösen Anschauungen und Bräuchen ist 
es nicht überraschend, dass ein durch Bozöd-Ujfalü reisender 
»Volkslehrer mosaischer Religion« in einem älteren sabbatha- 
rischen Gebet- und Ritualienbuche, sicherlich zur nicht geringen 
Befriedigung des Besitzers, in ungarischer Sprache folgendes 
vermerkte: »Die der szekler Nation angehörigen 
Bekenner der mosaischen Religion hatte ich das 
Glück zu besuchen am 11. Tammus d. J. 5623, das ist am 28- 
Juni 1863.«^ 

Die damaligen Sabbatharier waren bereits thatsächlich 
nur noch einen Schritt vom Judenthume entfernt, und dieser 
letzte Schritt, der formelle Uebertritt zum Judenthum, sollte 
kaum fünf Jahre später geschehen. Sie warteten schon lange 
auf die günstige Gelegenheit dazu; sie ergriffen sie, sobald sie 
sie gekommen wähnten. 

Der Uebertritt der Sabbatharier zum Judenthum. 

Am 22. December 1867 sprach der ungarische Landtage 
am darauffolgenden Tage das ungarische Oberhaus die Eman- 
cipation der Juden aus. Dieses Ereigniss wurde von den 
Sabbathariern als Vorbote der Erlösung begrüsst. Kaum war 
die grosse Neuigkeit zu ihnen gedrungen, dass, wie einer von 
ihnen sich später, gelegentlich seiner gerichtlichen Vernehmung^ 
ausdrückte, »der Jude in einen Rang mit dem Ungarn erhoben 
wurde, und der Landtag gestattet hat, dass der Jude gleich 
jedem Andern seinem Gotte frei dienen darf:» als die Sabba- 
tharier, die sich schon längst als Juden fühlten, ihrer Freude 
um so lärmendem Ausdruck gaben, je länger sie ihre innersten 
Gefühle hatten verbergen müssen. Die Bözöd-Ujfaluer begingen 
ein dreitägiges Freudenfest und zogen nach dem benachbarten 
Erdö-Szent-György, wo sie die erfolgte Gleichberechtigung der 
Juden vor der Synagoge mit öffentlichen Aufzügen und Tänzen 
feierten.2 Sodann aber ersuchten mehrere von ihnen den in 

1 Darunter ebenfalls ungarisch: „Julius (Schermer) Gsernyei, Volkslehrer 
mosaischer Religion.* Das betreffende Exemplar ist Eigenthum der Bibliothek 
der Landesrabbinersehule zu Budapest. 

* S. den Bericht des Dechanten B e t e g h, sowie den des bischöflichea 
Vertreters Johann Raduly v. 27. Juni 1868 im Landesarchiv zu Ofen Gultus- 
u. Unterr. Minist. Z. 12802—868. 



270 



ihrer Mitte fnhfwidftiR Juden Salomon Woifinger, er möchte sie 
hebräisch Lesen und Bfeptea lehren: Wolflnger erfüllte ihre 
Bitte, und seine Schüler, ger eifte ^, zumeist schon ergraute 
Männer, lauschten in den langen WintdratlQülden mit g-efspantiter 
Aufmerksamkeit den Worten ihres jungeli Leders, deseeii 
gesammtes jüdisch-theologisches Wissen sich auf cbe^ Lesen 
des Hebräischen und auf die gewöhnlichen Kenntnisse des 
jüdischen Alltagslebens beschränkte.^ 

Dieser Wolfinger war in Zenta, in Südungam, geboren, 
und als wandernder Seifensiedergeselle nach Bözöd-Ujfalu ge- 
kommen. Dort heiratete er im Jahre 1864 die Tochter des 
wohlhabenden Sabbathariers Samuel Paul Koväcs, die im ge- 
heimen Jüdin geworden und, wie oben (S. 244) erzählt wurde, 
von dem damaligen Bischof Hajnald gezwungen ward, ihren 
jüdischen Gatten, einen gewissen Jacob Rosner in Heviz, zu 
verlassen, und mit ihrem Kind ins Elternhaus zurückkehren. 
Die von ihrem Gatten gewaltsam Getrennte nahm von dem- 
selben den rituellen Scheidebrief entgegen und wurde sodann 
die Gattin WolGngers, der sich i. J. 1865 als Seifensieder in 
Maros-Ludas niederliess. Als seine dortige Werkstätte nieder- 
brannte, kehrte er nach Bözöd-Ujfalu zurück, wo er mit Hilfe 
seines Schwiegervaters einen Kaufladen eröffnete und in den 
Ereignissen, welche den Uebertritt der Sabbatharier begleiteten, 
eine nicht geringe Rolle spielte. 

Ein noch freudigeres Aufsehen, als die gEmancipation der 
Juden erregte im Lager der Sabbatharier der bald darauf dem 
Landtage unterbreitete Gesetzentwurf zur Regelung der con- 
fessionellen Verhältnisse. Die betrefiende Nachricht wurde 
ihnen von dem Dorfnotar Alexander Koväcs, der selber Sabba- 
tharier war, mitgetheilt; er hatte sie dem »Zeitungsblattea ent- 
nommen, welches auf Kosten der Dorfgemeinde gehalten wurde, 
und sie so dargestellt, als ob der Gesetzentwurf bereits sanc- 

* Nach dctei Berichte von Raduly hfttte er sich vob |edem seiner 
Schüler fünf Gulden zahlen lassen, was Wolfinger, den ich zweimal persönlich 
sprach, entschieden in Abrede stellt Derselbe — er wohnt -gegenwärtig in 
Homorod-Szent-Pal (Siebenbürgen) — hat mir erst mündlich, später auch sishrift- 
lich die Geschichte des Uebertrittes der Sabbatharier dargestellt, scmie die Rolle, 
die er selber dabei spielte. Seine Angaben berichUgen, beziehungsweise ergänzen 
die anderweitigen, zumeist von Mäanern der Xirche herrührenden, amtlichen 
Berichte. 



971 



tionirtes Gesetz wäre. Die Sabbatharier griffen die grosse 
Neuig-keit begierig auf und glaubten fest, »d^ss jetzt Jeder, dör 
achtzehn Jahre alt geworden ist, zu welcher Religion immcir 
übertreten könne,« selbstverständlich auch zu der der emän- 
cipirten Juden. In diesem Glauben bestärkte sie auch Wol- 
finger, der aus einem jüdisch-confessionellen Blatte Aehnliches 
hinausgelesen hatte, ferner ein jüdischer »Schreiber« aus Dics6- 
Szent-Märton, namens Geiger, der um diese Zeit durch Bözöd- 
Ujfalu reiste, und auf die Frage der Sabbatharier, ob der 
Uebertritt zum Judenthume jetzt wirklich gestattet sei, mit 
einem entschiedenen Ja antwortete.^ 

Unter den Sabbathariern begann jetzt edne mächtige, 
wie sich später zeigte, unaufhaltsame Bewegung, deren End- 
ziel der öffentliche Uebertitt zum Judenthume war. 

Auch bei dieser Gelegenheit zeichneten sich die Frauen 
durch ihren fanatischen Eifer aus. Sie waren die ersten, die 
den Muth hatten, an die Verwirklichung des geplanten Reli- 
gionswechsels zu gehen. Einzelne Sabbatharierinnen gaben näm- 
lich bereits am Anfang des Jahres 1868 vor dem Pfarrer von 
Bözöd-Ujfalu die Erklärung ab, dass sie aus der katholischen 
Kirche austreten und Jüdinnen werden wollen, was sie sich 
von den Zeugen," die sie bei Abgabe dieser Erklärung mit- 
nahmen, schriftlich bestätigen Hessen. 2 Bald darauf stellten sich 
zwei alte Sabbatharier, der 67-jährige Paul Stephan Koväcs in 
Bözöd-Ujfalu und der 66-jährige Moses Koväcs in Ernye, wo 
damals noch 6 sabbatharische Familien lebten, an die Spitze 
der bis dahin planlos verlaufenden Bewegung. Diese beiden 
wandten sich gegen Ende April 1868 an Wolfinger und ersuch- 
ten ihn, er möge ihnen dazu verhelfen, dass sie und ihre 
Familienangehörigen in den Verband des Judenthumes auf- 
genommen werden. 

Das Resultat ihrer gemeinschaftlichen Berathungen war 
der Beschluss, in dieser Angelegenheit eine Eingabe an das 
ungarische Cultusministerium zu machen. Wolfinger, der sich 
die Fähigkeit zur Abfassung eines solchen nicht zutraute, Hess 



* S. den Bericht B e t e g h s, sowie den des Gubfemimns vöö S^henbürgen 
V, 4. März 1869 im Ofner Landesarchiv Z. 2469—1869. 

« S. Magyar-Zsidö Szemle II. S. 551; die Originale raöfapertst ähnfichör 
Zeugnisse sind in meinem Besitze. 



272 



dieselbe von dem obenerwähnten »Schreiber« namens Geiger, 
einer sonst ganz •unbekannten, aber den Sabbathariern offenbar 
als Autorität geltenden Persönlichkeit, in deutscher Sprache 
anfertigen. In dieser Eingabe setzten sie auseinander, sie seien 
die Nachkommen Jener, die bereits seit 380 Jahren,^ bald im 
geheimen, bald öffentlich jüdische Bräuche und Ceremonien 
üben, jetzt aber »mitsammt^ihren Hausleuten mit Leib und Seele 
Juden geworden sind.« Sodann beriefen sie sich auf den Erlass 
des siebenbürgischen Guberniums vom 26. April 1834, der, wie 
wir oben (S. 244) gesehen, das weitere Verfahren gegen die 
angeklagten Sabbatharier wegen Mangel an Beweisen sistirt 
hatte, durch den sie, ihrer Darstellung nach, bereits als Juden 
anerkannt worden seien. Hierauf sich berufend, »flehen sie, die 
hohe Regierung möge sie in der Reihe der übrigen Juden als 
Juden anerkennen.« Das ziemlich ungeschickt und dazu noch 
fehlerhaft geschriebene Gesuch wurde von neunzehn Sabba- 
thariern, darunter nicht weniger als vierzehn Koväcs, unter- 
schrieben und am 1. Mai nach Ofen, dem damaligen Sitze der 
ungarischen Regierung, abgeschickt.'-^ 

Die Bittsteller waren jedoch viel zu ungeduldig, die Er- 
ledigung dieses Gesuches abzuwarten; vielleicht wollten sie 
auch vollendete Thatsachen schaffen, genug, sie gingen sofort 
daran, ihren Uebertritt zu verwirklichen. Schon am 2. Mai, also 
einen Tag nach Absendung des Gesuches, erschienen die oben- 
erwähnten beiden alten Koväcs vor dem Pfarrer Joseph Sebesi 
und meldeten ihm ihren Austritt aus der katholischen Kirche 
mit dem Bemerken an, dass sie Juden werden wollen. Dieselbe 
Erklärung wiederholten sie noch zweimal, worüber sie sich 
von den zu diesem Behufe mitgenommene Zeugen eine schrift- 
liche Bestätigung ausstellen Hessen,» sodann aber ersuchten 
sie Wolfinger um seine Vermittlung bei dem Rabbiner von 



* EiDe, wahrscheinlich durch Unwissenheit unterstützte pia frans, die das 
Sabbat harierthum um ein Jahrhundert älter, und dadurch ehrwürdiger machen 
sollte. Die um 1588 entstandene Secte bestand damals (1868) erst zweihundert- 
achtzig Jahre. 

> Ung. Landesarchiv in dem Fascikel Nr. 12660—1868. Dass die Eingabe nach 
Wolfingers Angaben von dem oben genannten Geiger abgefasst wurde, hat mir 
Ersterer berichtet. 

* Die betreffenden Schriftstücke sind in meinem Besitze. 



273 



Erdö-Szent-György, bei dem sie ihren Uebertritt zum Juden- 
thum bewerksteUigen wollten. 

»Ich habe nicht geglaubt — schreibt Wolfinger — dass 
sie sich mit solcher Hingebung der schweren Operation und 
der darauf folgenden Krankheit aussetzen werden. Ich setzte 
ihnen die Schwierigkeiten ihres Vorhabens auseinander, aber 
sie verharrten fest bei ihrem ernsten Entschlüsse. Sie beriefen 
den Schächter von Erdö-Szt.-György, der dort auch die rituellen 
Beschneidungen vorzunehmen pflegte, nach Bözöd-Üjfalu, wo er 
am 31. Mai an beiden die schmerzhafte Operation vollzog. 
Drei Wochen später waren sie vollständig geheilt. Paul Stephan 
Koväcs erhielt den Proselytennamen Abraham, Moses Koväcs 
den Namen Abraham Isaak «^ 

Das Beispiel wirkte. Von da ab erschienen die Sabba- 
tharier, von ihren Zeugen begleitet, in immer grösserer Anzahl 
vor dem katholischen, beziehungsweise calvinischen Geistlichen 
des Dorfes, um ihren Austritt aus der Kirche, der sie auch 
bisher nur äusserlich angehört hatten, und ihren Uebertritt 
zum Juden thum anzumelden. 2 

Die Aufsehen erregenden Vorgänge in Bözöd-Ujfalu konn- 
ten nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit der kirchlichen Be- 
hörden auf sich zu lenken und deren Eingreifen herauszufor- 
dern. Am schnellsten und entschiedensten ging die am besten 
organisirte Kirche des Landes, die katholische vor. Auf An- 
ordnung des bischöflichen Amtes der siebenbürgischen Katho- 
liken erschien bereits am 15. Juni eine Commission in Bözöd- 
Ujfalu, welche gegen den dortigen Pfarrer Joseph Sebesi, »unter 
dessen Leitung die Sache der katholischen Kirche daselbst 
nicht nur nicht gedeiht, sondern binnen kurzem unterzugehen 
droht«, eine Untersuchung einleitete. Dieselbe erstreckte sich 

^ Wolfingers brieflicher Bericht an mich, bestätigt durch das Original 
der in meinem Besitze befindlichen Beschneidungsliste des als Operateur fungi- 
renden Schächter^'. Dass Letzlerem, der gleichzeitig Pächter der Fleischbank in 
Erdö-Szt.-György war, j,die dortigen Christen und Juden das Recht der weiteren 
Fleischausschrotung entzogen, weil er sein Schlachtmesser zur 
Beschneidung der Sabbatharier von Bözöd-Ujfalu benutzt hatte", ist eine 
der in Beteghs Berichten häufig vorkommenden Märchen, die man ihn 
während seines kurzen Aufenthaltes in Bözöd-Ujfalu glauben gemacht hatte ; 
vgl. ob S. 262 Anm. 1. 

* Die betreffenden, von den mitgenommenen Zeugen unterfertigten Schrift- 
slücke sind ebenfalls in meinem Besitze. 

Dr Kobn : Sabbatharier. 18 



274 



auch auf die Angelegenheit der Sabbatharier, die damals bereits 
»ohne jede Geheimthuerei, öffentlich erklärten, dass sie mo- 
saischer Religion seien und sämmtlich Juden werden wollen.« * 
Auf Grund der einlangenden Berichte erstattete Bischof Fogarasy 
am 27. Juni an das siebenbürgische Gubernium eine amtliche 
Anzeige über die Vorgänge in Bözöd-Ujfalu, und forderte mit 
Entschiedenheit die Bestrafung der gesetzwidrigen Ausschrei- 
tungen und der dem Christenthum widerfahrenen Belei- 
digungen.2 

Mittlerweile hatte das Cultus- und Unterrichtsministerium 
(am 12. Juni) das Bittgesuch der Sabbatharier dem siebenbür- 
gischen Gubernium zugestellt mit dem Auftrage, es möge die 
auf die Rechtsverhältnisse der Sabbatharier Bezug habenden 
älteren und neueren Urkunden und sonstigen Schriftstücke 
beschaffen und einsenden, und gleichzeitig »einen erschöpfenden 
Bericht erstatten über die gegenwärtige Seelenanzahl und die 
Aufenthaltsorte dieser angeblichen Confession, über ihre sitt- 
lichen Zustände, ihr Verhältniss zu den andern Confessionen, 
und über ihre gesammten Verhältnisse im allgemeinen.«* 

Das Gubernium ging mit grossem Fleisse daran, in den 
verschiedenen Archiven des Landes nach den geforderten Docu- 
menten zu forschen, forderte aber erst am 30. November den 
Oberstuhlrichter des UdvarhelyerSzeklerstuhlesauf, dienöthigen 
Erhebungen über die dermaligen Verhältnisse der Sabbatharier 
zu machen.* 

Während über die Vergangenheit und Gegenwart der 
Sabbatharier Nachforschungen angestellt wurden, waren diese 
in der einmal eingeschlagenen Richtung mit Entschiedenheit 
weiter vorwärts gegangen. Bis zum 30. November hatten sich 
bereits 37 sabbatharische Männer in den Bund Abrahams auf- 
nehmen lassen, an einem Tage, dem 15. November, nicht 
weniger als elf.ß Die Zahl der zum Judenthum übergetretenen 

^ Vgl. den Bericht des bischöflichen Verwesers Jobann R a d u 1 y v. S7. Juni 
1869, Z. 1911 im Ung. Landesarchiv, Cultus- und Ünterr.-Minist. Nr. 12802—1869 
und den Bericht Beteghs. a. a. 0. das. 

• üng. Landesarchiv, das. ad Z. 28779—1866, das betreffende Actenstück 
trägt die Z. 3817—1868. 

3 Das. Z. 6750 ad 12560—368. 
« Das. ad 12560—368. 

* Nach dem obenerwähnten Beschneidungsregister. 



276 

Frauen und Mädchen dürfte kaum eine geringere gewesen sein.^ 
Säihmtliche Proselyten nahmen den Namen Abraham an, 
welchem sie zur Unterscheidung noch einen zweiten hinzu- 
fügten, so dass der erste Proselyt Abraham Isaalj hiess, der 
zweite Abraham Jakob, der dritte Abraham Rüben, und so 
weiter nach der Reihenfolge der biblischen Patriarchen. Die 
Frauen erhielten gelegentlich ihres Uebertrittes theils biblische, 
theils anderweitige jüdische Namen.2 

Der Massenübertritt der Sabbatharier zum Judenthumc 
überraschte und verblüffte und galt, namentlich in den Kreisen 
der katholischen Kirche, als eine räthselhafte Erscheinung. Da 
man die mehr als dritthalbhundertjährige Geschichte dieser 
Secte und die allmälige Entwicklung ihrer religiösen Ansichten 
nicht kannte, vermochte man sich die Ereignisse in Bözöd- 
Ujfalu nur durch eine im geheimen betriebene Agitation zu 
erklären. Man glaubte und verbreitete, dass die ganze Bewegung 
von den Juden hervorgerufen und unterhalten werde, welche 
den Sabbathariern den Uebertritt zum Judenthum mit klin- 
gender Münze bezahlen. 

Joseph Csatö, Erzdechant des Udvarhely-Szekler Bezirks, 
forderte den schon mehrfach genannten Pfarrer von Bözöd-Ujfalu, 
Joseph Sebesi, anfangs November zur Berichterstattung über 
den Stand der sabbatharischen Angelegenheit auf. Der Pfarrer 
bestätigt in seiner Antwort vom 22. November, dass der grösste 
Theil der Sabbatharier bereits zum Judenthum übertreten sei, 
woran neben der Emancipation der Juden hauptsächlich die 
Ueberredungskünste und listigen Vorspiegelungen Wolfingers 
Schuld seien. Er zählt neunundzwanzig Sabbatharier, 9 Männer, 
6 Frauen und 14 Kinder, darunter sechzehn der Familie Kovacs 
Angehörige auf, die sich vordem als Katholiken bekannten, 
jetzt aber erklärt haben, dass sie »nicht zweien Herren 
dienen wollen«« und deshalb »zu dem von ihnen im geheimen 
von Herzen verehrten Judenthum zu übertreten wünschen.« 
Ferner berichtet er, dass die Beschneidung »an vielen, namenl- 



1 S. die Berichte von Sebesi und B e t e g h, verglichen mit dem Be- 
schneidungsregister. 

' Bezüglich der Namen s. den Bericht von Betegh und das Beschnei- 
dungsregister. 

» D. h. im Herzen Juden, äusserlich Katholiken sein wollen. 

17* 



276 



lieh an den Jünglingen, mit Gewalt vorgenommen wird, inden 
man sie ans Bett bindet, oder in demselben festhält,« und füg 
hinzu: »auch das wird erzählt, dass diejenigen, die siel 
freiwillig der Beschneidung unterziehen, 50 Gulden als Beloh 
nung bekommen.« Sein in mehrfacher Beziehung auf falsclie] 
Informationen^ beruhender Bericht schliesst mit der Klage, dasj 
die Behörden, trotzdem sie von allem dem Kenntniss haben 
gegen die Vorgänge, die auf der »verfluchten Erde diesej 
Sodom und Gomorrha« stattgefunden, durchaus nicht eing-e 
schritten sind.^ 

Mittlerweile hatte aber der Erzdechant, ohne erst den 
Bericht des Pfarrers abzuwarten, bereits am 20 Novenibei 
den Dechanten des Udvarhelyer Bezirks, Emerich Betegh, nach 
BÖzöd-Ujfalu entsendet, damit er die Angelegenheit der Sabba- 
tharier in möglichst geräuschloser Weise untersuche. Beteg-h 
erschien am 26. November in Bözöd-üjfalu, Hess die vordem 
katholisch gewesenen Sabbatharier vorrufen, und unterzog sie 
einzeln einem eingehenden Verhöre. Aus dem mit ihnen auf- 
genommenen Protokolle mögen einige interessante und für die 
Entstehung und den weiteren Verlauf dieser Uebertrittsbewe- 
gung, sowie für die naive Auffassung der Proselyten lehrreiche 
Einzelheiten hier eine Stelle finden. 

Das von dem Dechanten abgefasste Protokoll' beginnt 
folgendermassen : 

1. Es erschien der wohlhabendste Sabbatharier, so zu sagen ihr Haupt, 
Samuel Paul Koväcs, 68 Jahre alt, in seiner eigenen und seines Bruders Daniel 
Vertretung. Freundlich befragt, ob es wahr sei, was wir über sie hören und 
sogar in den Zeitungen lesen, dass sie nämUch Juden geworden seien, antwortete 
er aufrichtig und mit der grössten OflFenheiL: ,Ja, es ist wahrl War es doch, 
so sagte er, auch früher schon bekannt, dass sie im geheimen die Religion 



1 Zu diesen gehört, ausser der gewaltsamen Beschneidung und der 
Bezahlung von 50 Gulden für die freiwillige, auch die Angabe, dass der Rabbiner 
von Erdö-Szt.-György, die in christlicher Ehe lebenden Proselyten, erst scheide 
und, nachdem er ihre Ehe aufgelöst hat, von neuem traue. Es existirt 
kein jüdisches Gesetz, welches in dem vorUegenden Falle die verbergende Auf- 
lösung der Ehe fordern würde. 

' S. den Bericht v. 22. Novcmb., Z. 28 im Ung. Landesarchiv. Das. Nr. 
28979- 1868. 

» S. das seinem Berichte beigelegte Protokoll im Ung. Landesarchiv das 
in dem Fascikel ad Nr. 23979—1868. 



277 



Moses beobachten, weshalb sie und ihre Väter viel gequält worden sind, so sehr, 
dass ein Theil ihrer Verwandten im vorigen Jahrhunderte gezwungen war, zum 
Wanderstab zu greifen und nach der Türkei zu flüchten. Jetzt aber, nachdem, 
Gott sei Dank dafür, der Jude in einen Rang mit den Ungarn erhoben wurde, 
sind wir alle gleich geworden, und der Landtag bat gestattet, dass der Jude, 
gleich jedem Andern, seinem Gölte frei dienen darf, und dass Jeder, der sein 
ahtzehntes Lebensjahr erreicht hat, zu welcher Religion immer übertreten kann.". 
Hierauf sagte ich: Gevatter Samuel! Die Emancipation der Juden und die ihnen 
gewährte freie Uebung ihrer eigenen Religion ist etwas ganz anderes als die 
Irlaubniss, aus der einen staatlich anerkannten christlichen Religion zu der 
andern zu übertreten ; aber darüber, dass ein Christ Jude werden könne, gibt 
es kein Gesetz. Hierauf erwiederte er, ihnen sei in der Zeitung die Nachricht 
zugekommen, dass der üebertritt frei sei, und sollte es nöthig sein, werden sie 
es auch zeigen. Hierauf sagte ich ihm, der Gultusminister habe dem Landtag 
einen Gesetzentwurf bezügUch des freien Uebertrittes von der einen christüchen 
Confession zu der anderen vorgelegt, in demselben ist aber keine Rede von der 
Gestaltung des üebertrilts zum Judenlhum : endlich aber ist auch dieser Gesetz- 
entwurf noch nicht bestätigt worden. Er erwiederte, ihr Üebertritt ist gesetzlich 
und es gebe nichts auf Erden, was sie zurückhalten könnte, 
das Jüdenthum zu bekennen; in demselben lebten, sprach 
er, unsere Ahnen, auch wir entfernen uns nicht von ihm. 
Schliesshch frug ich ihn, wie er auf seine alten Tage dahin kommen konnte, 
>ich beschneiden zu lassen? Ob ihm denn sein Christenthum nicht leid thäte? 
Ob er sich denn nicht schäme, seine ruhmvolle szekler Nationalität mit der 
überall verachteten, an manchen Orten* sogar gehassten und noch immer ver- 
folgten jüdischen Nationalität zu vertauschen ? Auf die er=te Frage erwiederte 
er; er lasse sich nicht nur mit Freuden beschneiden, son- 
dern wäre auch gerne bereit sich die Kehle abschneiden 
zulassen, um in das gelobte Land zu gelangen. Auf die zweite : 
^f halte es nicht nur für keine Schande, sondern es ist 
seine F reude und sein Ruhm, dass er zu den Nachkommen 
'Abrahams gehört, denn aus ihrer Nation wird der Messias hervorgehen; 
-ie seien auch bereits die wohlhabendste und einfluss- 
feichste Nation, deshalb habe sie der ungarische Landlag auch anerkannt, 
Soda nn aber können einst nur si e und sonst keinAnderer 
D das gelobte Land gelangen. „Und nachde*n — so fuhr er fort — 
(iis Sprichwort sagt: .Ob ich trinke, oder nicht, man von mir als von einem 
^^tmnkenen spricht', und man uns bereits damals mit dem Schimpfwort Juden 
belegte, als wir unsere ReUgion noch im geheimen übten: wollen wir jetzt 
(^ffenund freudig unseren Glauben b ek^nnen. damit wir mit 
Hecht den Namen Jude führen. Wir hatten und haben, Gottlob, ein schönes 
jüdisches Gebetbuch in ungarischer Sprache, nach demselben verrichten wir 
unsere religiösen Obligenheiten.^ Ich bin zwar noch nicht beschnitten ; wenn ich 
aber lebe, werde ich binnen kurzem meinen Herzenswunsch 



* P^his Gebete mid Rilualienbuch enthält auch ilie Anweisungen zur 
Übung der jüdisch-religiösen Bräuche; s. ob. S. 181 flg: 



278 



erfüllt haben; ich bin auch bereits zweimal vor dem ehrwürdigen Herrn 
erschienen und bereit, wenn nöthig, es jetzt noch ein drittesmal zu thun.** 

Anmerkung. Nachdem ich die traurige Ueberzeugung von den m u- 
tbigen, offenen Aeusserungen des Samuel Paul Koväcs gewonnen 
hatte, frug ich ihn, ob jemand sie hiezu verleitet, ihnen Versprechungen oder 
Geschenke gemacht hat ? Er antwortete : Nein ! Hierauf entliess ich ihn mit der 
Ermahnung, dass er das Christenthum und den glorreichen ungarischen und 
sz6kler Namen durch seinen unbesonnenen Schritt nicht beflecken möge — «ed 
jam serum est ! . . .* 

Als Zweiter erschien Paul Nagy, 24 Jahre alt, vordem katholisch, ein 
Kernszekler. Er ist vor drei Wochen durch den Schächter von Szent-György, 
wie er sägt, auf sein eigenes Verlangen beschnitten worden und, seiner Angabe 
nach, bereils wieder geheilt. Auf meine Frage, wer ihn zur Religion Moses 
verleitet habe ? erwiederte er:Niemand; er habe nichts bekommen 
und erwarte auch nichts dafür, denn er ist aus innerster 
Ueberzeugung zu der jüdischen Religion übertreten. Gele- 
gentlich der Beschneidung hat er den Namen Abraham Josef angenommen. 

Aehnlich äusserten sich alle übrigen. »Der Stimme meines 
Gewissens folgend — so schliesst die Aussage des zuletzt 
vernommenen Sabbathariers — habe ich mich beschneiden 
lassen und den Namen Abraham Daniel angenommen. Uns hat 
Niemand zu diesem Schritte verleitet, weder mit Worten noch 
mit Versprechungen, noch auch mit Geld; wir sind unserem 
eigenen Antriebe gefolgt.« 

Der Dechant Betegh kannte die Vergangenheit der Sabba- 
tharier bloss aus den lückenhaften Aufzeichnungen des Pfarr- 
buches von Bözöd-Ujfalu, die ihren Uebertritt begleitenden 
Vorgänge nur aus der Darstellung des dortigen Pfarrers Sebesi.* 
Neben seinem verletzten religiösen Gefühle durfte es zumeist 
diesem Umstände zuzuschreiben sein, dass er in den vor ihm 
abgelegten, wie er selber sagt, »muthigen und offenen« Erklä- 
rungen keine ausreichende Antwort auf ♦die von ihm aufge- 
worfene Frage fand: »Was hat diese edlen, echt szekler Fa- 



* Nämlich, noch ein dritlesmal vor dem Pftirrer zu erscheinen und seinen 
Austritt ans der katholischen Kirche zu erklären. 

* Diese Anmerkung erzählt sodann, dass dieser Kovacs und sein Bruder 
Daniel „in der Regel die' Functionen des Geistlichen und Schächters versehen 
haben*', und setzf auseinander, woirah der „sabbatharische Rabbiner^** als solcher, 
zu erkennen sei. Vgl. ob. S. 260. 

* Der Bericht Beteghs gibt im ganzen und grossen den Sebesis wieder, 
nur ist er ausführlicher und hat als Beilage die mit den verhörten Sabbathariern 
aufgenommenen Protokolle.' 



279 



milien in diesem Jahre dahin gebracht, dass sie zur jüdischen 
Nation und Religion übertraten? »Er sucht deshalb die Ursache 
dieser, wie er mit Recht hervorhebt, »unerhörten Sache«, neben 
den Verlockungen Wolfingers und den listigen Praktiken des 
alten Koväcs, in erster Linie darin, dass »der weltberühmte 
Banquier, der Jude Rothschild, die Sabbatharier, wie es 
scheint, unterstützt und in jüngster Zeit durch Geschenke 
und Versprechungen, die er ihnen durch die Juden machen 
Hess, sogar dazu bestimmt hat, dass sie Juden werden sollen.« 

Die ungarischen Juden waren aber während dieser ganzen 
Zeit (1868 und 1869) von ihren eigenen Angelegenheiten, dem 
durch Eötvös einberufenen jüdischen Landescongress und den 
erbitterten Parteikämpfen, die diesem vorangingen und folgten, 
derart in Anspruch genommen, dass sie von der gleichzeitigen 
sabbatharischen Bewegung thatsächlichlich nicht einmal Notiz 
genommen haben. ^ Von den übrigen Juden erhielten die deutschen, 
und zwar ein Jahr nach dem Uebertritt der Sabbatharier, durch 
die Protestantische Kirchenzeitung die erste Nach- 
richt von den Vorgängen, die sich an der äussersten Grenze 
von Siebenbürgen abspielten^. 

Bischof Fogarasy aber betrachtete sämmtliche in dem 
Berichte Beteghs enthaltene Angaben als fesstehende That- 
sachen, auf die er sich in seiner an den königlichen Commissär 
von Siebenbürgen gerichteten Eingabe vom 19. December 
beruft. Auf Grund dieser Angaben forderte er in energischem 



* Der Verfassjer dieses Buches, damals bereits Rabbiner und Prediger 
der jüdischen Grossgenieinde der ungarischen Hauptstadt, erhielt die erste Kunde 
von dem Uebertritt der Sabbatharier erst durch den ein Jahr später in Frank- 
furt a. M. geschriebeuen Artikel Geigers. S. die folg, Anm. 

» Geiger, (Jüdische Zeitschrift Jahrg. 1869. S. 227) beklagt sich da- 
raber, dass er von der, den Uebertritt zum Judenthum bezweckenden Bev/egung 
der Sabbatharier erst durch einen Artikel der P r o t e s t. K i r c h e n z e i t u n g, 
den er für seine jüdischen Leser abdruckt, Kenntniss erhalten habe. Sod mn 
fordert er die österreichisch-ungarischen Leser seines Blattes auf, ihn; genaue 
Nachrichten über die, ihnen räumlich näher liegenden Ereignisse in Siebenbür- 
bfirgen zukommen zu lassen. Nichtsdestoweniger fand sich bis zum Jahre 187 i 
kein Jude, der die Angelegenheit der Sabbatharier seiner Aufmerksamkeit ge- 
würdigt hätte. Leopold Low, der damats in Kiss, Zsidö Evköny v, (Jüd. Jahrbuch) 
S. 99 flg. einen sie betreffenden Artikel schrieb, wusste von ihnen und ihrem 
Gebetbuche nur so viel, als er aus zwei in der ung. Akademie der Wissenschaften 
von Christen gehaltenen Vorträgen erfahren konnte. 



280 



Tone ein strenges Verbat gegen die Judenzerei, und die Ein- 
stellung, beziehungsweise Nichtanerkennung des Uebertritts 
zum Judenthum. Wolfinger sollte aus Bözöd-Ujfalu gejagt, die 
übrigen Proselytenmacher ausfindig gemacht und ebenfalls aus- 
gewiesen werden. Die Behörden, welche bisher eine unver- 
zeihliche Gleichgiltigkeit an den Tag legten, müssten dieser, 
der Christenheit uud dem SzeUerthum gleichmässig zur Schande 
gereichenden Bewegung endlich einmal ein^ Ende machen.^ 

Infolge dieser Eingabe erliess der königliehe Commissär, 
Graf Emanuel Pechy, eine neuerliche Verordnung an den Ober- 
stuhlrichter des Udvarhelyer Stuhles mit dem Auftrage, bezüg- 
lich sämmtlicher vom Bischof vorgebrachter Beschwerdepunkte 
eine strenge Untersuchung einzuleiten. Ausserdem ward ihm 
zur Pflicht gemacht, das Nöthige zu veranlassen, »dass das in 
Bözöd-Ujfalu und vielleicht auch in andern benachbarten Ge- 
meinden begonnene Aergerniss erregende Vorgehen, insolange 
die Legislative keine principielle Entscheidung trifft, sofort 
eingestellt werde.« Diese Verordnung notificirte der könig- 
liche Commissär sowohl dem Bischof Fogarasy, als auch dem 
ungarischen Cultusministerium.^ 

Der Uebertritt der Sabbatharier zum Judenthum. 

(Schluss.) 

Der Oberstuhlrichter Johann Daniel entsendete, sofort 
nachdem er den Befehl des königlichen Commissärs erhalten, 
einen Untersuchungsrichter in Begleitung zweier Notare nach 
Bözöd-Ujfalu. Dort unterzogen sie die Sabbatharier einzeln 
einem strengen Verhöre, um zu eruiren, wer sie zum Ueber- 
tritt verleitet hat, und ob es wahr sei, dass sie sich ihren 
Uebertritt bezahlen Hessen? Sie wiederholten ihre früheren, 
vor dem Dechanten Betegh abgegebenen Aussagen und erklärten 
einstimmig: sie haben von Niemandem Geld bekommen; Nie- 
mand habe sie verleitet, sondern sie seien Einzig und allein 
ihrem Gewissen und ihrer Ueberzeugung gefolgt, als sie Juden 
geworden sind. Zuletzt wurde auch Wolfinger vernommen. Das 
mit ihm aufgenommene Protokoll musste dreimal umgeändert 

i S. die sub Z. 8817—1868 ausgestelile Eingabe im Ung. Landesarchiv, 
das. ad Nr. 28979-868. 

• Ung. Landesarchiv, a. a. O. das. 



281 



werden, bis er sich dazu verstand, es zu unterschreiben, worauf 
er in Haft genommen und nach Szekely-Udvarhely gebracht 
wurde, w^eil, nach der Meinung des Pfarrers, »mit den Sabba- 
thariern, so lange er bei ihnen ist, durchaus nichts anzufangen 
sei.« In Udvarhely wurde er zwölf Tage lang gefangen gehalten 
und sodann, ohne jede gerichtliche Verhandlung, wieder frei* 
gelassen, worauf er nach Bözöd-Ujfalu zurückkehrte. 

Nachdem sämmtliche Verhörsprotokolle aufgenommen uiid 
unterzeichnet waren, erklärte der Untersuchungsrichter, dfer 
Uebertritt zum Judenthum sei gesetzlich verboten, daher wenn 
auch bereits erfolgt, als null und nichtig zu betrachten. Etwaige 
neue Uebertritte würden strengstens geahndet werden.^ 

Aber das Eingreifen der Comitatsbehördo blieb vollständig 
erfolg-los. Die ins Rollen gekommene Bewegung war durch 
Verbote und Drohungen nicht mehr aufzuhalten, sie wuchs 
vielmehr stetig und schöpfte neue Kraft aus der Einmengung 
der Behörden, welche den Fanatismus der Sabbatharier nur 
steig'erte. Unmittelbar nach der Entfernung des Untersuchungs- 
richters und seiner Notare erschienen neuerdings mehrere 
Sabbatharier in Begleitung ihrer Zeugen vor dem Pfarrer Sebesi, 
sow^ie vor dem calvinischen Geistlichen Georg Sändor und 
machten die Anzeige, es sei »ihr fester Entschluss, den jüdi- 
schen Glauben anzunehmen.« 2 Viele andere, die ihren Austritt 
aus der katholischen, beziehungsweise calvinischen Kirche schon 
früher angezeigt hatten und sich bereits öffentlich als Juden 
l>ekannten, aber ihren Uebertritt zum Judenthum noch nicht 
l3ew^erkstelligt hatten, beeilten sich jetzt, es zu thun und that- 
sächlich Juden zu werden. Sie wollten um jeden Preis vollen- 
dete Thatsachen schaffen. Tag für Tag meldeten sich mehrere, 
am 29. December sieben Männer, darunter einige Greise, welche 
die Aufnahmsceremonie ah sich vollziehen liessen; die Liste 
der Proiselyten wurde immer umfangreicher.' 

* S. den Bericht des Oberstuhlrichters an den königl. Commissär, Ung. 
Landesarchiv E. K. B. (Erdifelyi Kirälyi Biztos =t Siebcnbürgisch-königliches 
Commissariat) Nr. 2419—1869. Mit Bezug auf Wolfinger s. das. Nr. 3772; einige 
sein Verhör und seine Detenirung betreffende Einzelheilen hat er mir mündlich 
und schriftlich milgetheilt. 

* Die von den betreffenden Zeugen ausgestellten Documente, von welchen 
eines imMagy. Zsidö Szemle (11. S. 151) veröffentlicht ist, sind in meinem Besitze. 

« S. das oben erwähnte Beschneidungsregister. 



288 



Während die Sabbatharier auf dem einmal betretenen 
Wege entschlossen un-d rücksichtslos vorwärts gingen, sahen 
die Behörden der weiteren Entwickelung der Dinge ungefähr 
drpi Monate lang uhthätig zu. Der Oberstuhlrichter, der den 
Ucbertritt der Sabbatharier für ungiltig und strafbar erklären 
Hess, hatte sich damit des ihm gewordenen Auftrages entledig-t, 
und wartete auf neue Befehle von Seiten des Commissärs, der 
seinerseits auf Instructionen von Ofen wartete. Im Cultus- und 
Unterrichtsministerium zu Ofen wartete man wieder ungedul- 
dig auf den bereits im Juni des vorhergehenden Jahres einver- 
langten, actenmässig belegten, ausführlichen Bericht über die 
Vergangenheit und Gegenwart des Sabbatharierthums. Dieser 
Bericht war nämlich noch dem siebenbürgischen Gubernium 
abgefordert worden (ob. S. 274), das auch die Vorarbeiten be- 
gonnen hatte^ aber mittlerweile, als eine noch vom absolutisti- 
schen Regime herrührende, nicht-constitutionelle Einrichtung, 
aufgehoben und provisorisch durch ein königlich ungarisches 
Commissariat ersetzt wurde Der zum königlichen Commissär 
ernannte Graf Emanuel Pechy war aber während dieses Uebcr- 
gangstadiums so sehr mit den allgemeinen Angelegenheiten des 
mit Ungarn wiedervereinigten Landes beschäftigt, dass er die 
für den Bericht erforderlichen umfassenden Vorarbeiten nicht 
sofort in Angriff nehmen und auch später nicht energisch fort- 
führen konnte. Baron Josef Eötvös, der erste Cultus- und Un- 
terrichtsminister des wiedererstandenen Ungarn, wollte aber 
vor Eintreffen dieses Berichtes keine endgiltige Entscheidung 
treffen, durch welche nothwendiger Weise das noch zu Recht 
bestehende Gesetz, oder aber die Religions- und Gewissens- 
freiheit verletzt werden musste: ersteres, wenn er den Ueber- 
tritt der Sabbatharier zum Judenthum anerkannte, letztere, 
weiin er die Sabbatharier zwang, im Christenthume zu ver- 
bleiben. Eötvös, der das Gesetz und die Gewissensfreiheit gleich 
hoch und heilig hielt, stand somit vor einer heiklen und schwie- 
rigen Frage, an deren Lösung er nicht früher gehen wollte, als 
bis die gewünschten genauen Informationen aus Siebenbürgen 
eingetroffen waren. Aber diese blieben noch immer aus; die 
Bewegung unter den Sabbathariern nahm ihren Fortgang; die 
Ereignisse drängten, und er sah sich schliesslich gezwungen, 
in dex, immer brennender werdenden Frage Stellung zu nehmen. 

Der edle, warhaft freisinnige Mann, musste sich näm- 



283 

lieh durch den amtlichen Bericht des Grafen Pechi, er habe den 
Uebertritt zum Judenthume strenge verboten und, wo 
er bereits erfolgt war, für null und nichtig erklärt, 
nicht wenig beunruhigt fühlen. Dazu mag noch die Befürch- 
tung gekommen sein, die siebenbürgischen Behörden werden 
infolge dieses Verbotes zwangsweise gegen die Sabba- 
tharier vorgehen, wovon Eötvös, der jede gewaltthätige Einmi- 
schung in Sachen der Religion verurtheilte, nichts wissen 
mochte. Drum erliess er am 12. Mai 1869 an den Grafen Pechy 
eine Verordnung, in welcher er erklärte, dass der Uebertritt 
zum Judenthum im Sinne des Gesetzes wohl noch immer ver- 
boten sei, »aber anderseits dürfe auch nicht übersehen werden, 
dass in religiösen Fragen die Anwendung von 
Zwangsmassregeln mit den Interessen sowohl 
der Religion als auch des Staates in Wider- 
spruch steht.« Infolge dessen — so fährt er fort — fordere 
ich Ew. Excellenz auf, es den mit dieser Angelegenheit be- 
trauten Executionsbehörden zur Pflicht zu machen, die Betref- 
fenden darüber aufzuklären, dass im Sinne der bestehenden 
Gesetze der Uebertritt zum Judenthume noch nicht gestattet 
ist; sollte aber diese Aufklärung nicht den gewünschten Erfolg 
haben, sollen sie factisch keinerlei Zwangsmass- 
regel anwenden, dieselben zum Christenthume 
zurückzuführe n.«^ 

Dieser Erlass bezeichnete die Richtung, welche zu ver- 
folgen Eötvös entschlossen war. Das hier verkündete Princip 
musste die obschwebende Frage endgiltig zu Gunsten der 
Sabbatharier entscheiden. Doch wurde dieser Erlass zunächst 
nicht sonderlich glücklich interpretirt, und noch weniger glück- 
lich ausgeführt. 

Der Oberstuhlrichter von Udvarhelyszek exmittirte näm- 
lich, sofort nach dem Empfange dieses Erlasses, eine aus geist- 
lichen und weltlichen Mitgliedern zusammengesetzte Commission 
nach Bözöd-Ujfalu. Dort angelangt, berief sie sämmtliche Sabba- 
tharier vor das Gemeindehaus des Dorfes, wo sie die ganze 
Schar derselbeh in Gegenwart einer grosser Zuschauermenge 



» S. den sub. Z. 1818 erflossenen Erlass im Ung. Landesarchiv E. K. K. 
(Erd6:yi Kirälyi Kormänybiztos, Siebenbürgisch-Königl. Gommissär)Nr.701— 869? 
vgl. Blagy. Zsidö Szemle I. S. 351. 



284 



»öffentlich belehrte, auf die zu erwartenden schädlichen Folgen 
ihres Vorgehens aufmerksam machte und hierüber ein Protokoll 
aufnahm, dass sie von den Betreffenden unterschreiben liess.cc 
So Wurde die von Eötvös angeordnete »Auflilärung« der Sabba- 
tharier, nach dem amtlichen Berichte des Grafen Pechy, »mit 
grosser Ostentation und in amtlicher Form« vorgenommen, ein 
Vorgehen, das Pechy selber »weder tactvoll, noch zweckmässig'« 
fand.i Es war aber noch mehr geschehen, wovon der königliche 
Commissär keine amtliche Kenntniss erhalten zu haben scheint. 
Man hat die zusammengerufenen Sabbatharier nicht nur »be- 
lehrt,« sondern auch bedroht, gegen die vormals katholischen 
Sabbatharier sogar mit der Anwendung von Gewaltsmassregeln 
begonnen. 

Hierauf richtete Wolfinger, »als Bevollmächtigter der zum 
jüdischen Glauben übergetretenen 105 Sabbatharier von Bözöd- 
Ujfalu« ein Bittgesuch an das Ministerium, »dass man sie durch 
die Behörden nicht zwingen lassen möge, zur katholischen 
Religion zurückzukehren.« Eötvös, dem das Gesuch durch Ver 
mittlung des damaligen Altofner Rabbiners Marcus Hirsch 
zugekommen war, überschickte dasselbe an den Grafen Pechy 
mit dem Auftrage, er möge den Behörden des Udvarhelyer 
Stuhles die Weisung ^ zukommen lassen, dass sie sich genau 
an die in dieser Angelegenheit erflossene frühere ministe 
rielle Verordnung zu halten haben, »in deren Sinne es nicht 
gestattet ist, zum Zwecke der Wiederbekehrung der Sabba- 
tharier zur Anwendung von Zwangsmassregeln zu greifen.« 
Gleichzeitig urgirte er abermals, jetzt schon zum drittenmale^ 
den bereits seit einem Jahre vergeblich erwarteten, mit den 
betreffenden Actenstücken belegten Bericht über die Geschichte, 
die Rechtsverhältnisse und die gegenwärtigen Zustände der 
Sabbatharier. 2 

Graf Pechy, nebenbei gesagt, kein Nachkomme und auch 
kein Verwandter Simon Pechis, Hess, sofort die -entsprechenden 
Instructionen ergehen, und forderte den Oberstuhlrichter von 
Udvarhely auf, sein Vorgehen gegen die Sabbatharier zu recht- 
fertigen. Dieser . antwortete sofort. Die durch ihn exmittirten 

*■ S. den vom 7. Juli datirten Bericht im. Un^. Landesarchiv, £. K. B. Nr. 
2149-869. 

* S. den Minis terialerlass a. ». 0., das. Nr. 12455. 



285 



Commissäre, die er deshalb zur Rechenschaft gezogen, stellten 
es in Abrede, dass sie die Sabbatharier mit Drohungen ge- 
schreckt haben; davon, dass ihnen, oder dem Wolfinger etwas 
zu Leide geschehen, hat er keine Kenntniss. Letzterer wurde 
zwar eingekerkert, das geschah aber wegen anderweitiger 
Ausschreitungen, die mit den Bekehrungen zum Judenthume nicht 
in Zusammenhang stehen. ^ 

Bald darauf traf auch der so oft urgirte Bericht des 
siebenbürgischen königlichen Commissariates in Ofen ein. Es 
hatte voller acht Monate bedurft, bis das nöthige Material be- 
schafft und das umfangreiche Schriftstück am 4. März (1869) 
vollendet werden konnte. Infolge des oben angedeuteten Sys- 
tem- und Personenwechsels in der Verwaltung Siebenbürgens 
blieb es aber noch mehrere Monate in Klausenburg liegen, 
bis es endlich im August expedirt^ wurde. Der Bericht 
kam spät, aber mit «inem um so umfangreicheren und reich- 
haltigeren Actenmaterial; nicht weniger als 42 Actenstücko 
älteren und jüngeren Datums waren ihm beigelegt und dazu 
noch der XVII. Band des Liber Regius, der unter anderm 
die Documente aus der Zeit Rdköczi I. enthält, die sich auf 
Simon Pechi, sowie im allgemeinen auf die damaligen Sabba- 
tharier beziehen. 

Der erschöpfende Bericht bespricht zunächst mit aner- 
kennenswerther Objectivität den Glauben und die religiösen 
Bräuche des Sabbatharierthums und gibt sodann in allgemeinen, 
im ganzen und grossen richtigen Umrissen die äussere Geschichte 
derselben von Simon Pechi ab. Er weiset nach, dass die aller- 
höchsten EntSchliessungen vom Jahre 1834, auf welche sich 
die Sabbalharier, als auf die gesetzliche Anerkennung ihrer 
Secte berufen (ob. S. 272), nicht nur keine solche Anerkennung 
enthalten, sondern vielmehr die gegen diese Secte erlassenen 
früheren gesetzlichen Verbote von neuem bestätigen. Von den, 
zusammen 173 Seelen zählenden, 39 sabbatharischen Familien 
ivaren gegen Ende vorigen (1868) Jahres bereits 11 römisch- 
katholische Familien mit 44 Seelen, 12 calvinische mit 43 Seelen, 



^ S. den vom 23. August dalirten Bericht des Grafen Fecijy a. a. 0. das. 
Nr. 2961— 869. 

* S. das am 4. März 1869, sub Z. 2419 erflosseno Actenstück a. a. O. 
das. Nr. 28879 ; die dazu gehörigen Beilagen bilden das Fascikel : Ad 28879—1869. 



286 



5 unitarische mit 24 Seelen zum jüdischen Glauben übertreten. 
Unter den Frauen, die sich dem Abschneiden des Haupthaares 
und dem üblichen Tauchbade unterzogen, »ist eine, die in 
schwangerem Zustand war, infolge der Erkältung gestorben und 
durch den jüdischen Rabbiner beerdigt worden,« 

»Man kann nicht läugnen — fährt der Bericht des 
königlichen Commissärs fort — da'sssiedas aus voller 
Ueberzeugung thaten und noch gegenwärtig- 
thun. Ferner muss auch das zugegeben werden, dass die 
Gewissensfreiheit, inso ferne es sich hier nicht 
um den Uebertritt vom Ghristenthum zum Hei- 
de nthum handelt, heute bereits mehr Anspruch 
auf Anerkennung hat, als zur Zeit, wo die gegen 
die Sabbatharier gerichteten Gesetze gegeben 
wurden.« Trotz alledem beantragt er, das Ministerium möge, 
im Sinne dieser noch nicht aufgehobenen Gesetze, die bereits 
erfolgten Uebertritte zum Judenthum für null 
und nichtig erklären und die übergetretenen 
Sabbatharier gebührend bestrafen. Gegen Wolfinger, 
gegen den Rabbiner und den Schächter von Erdö-Szent-György, 
sowie gegen den Schreiber Geiger aus Dicsö-Szentmärton 
(s. ob. S. 271) sei, als gegen Verführer, beziehungs- 
weise Mitschuldige, dieCriminaluntersuchung 
einzuleiten. 

Eötvös zögerte nicht lange mit der Antwort. Nach Durch- 
sicht der dem Berichte beigelegten Documente musste er zu 
der Ueberzeugung gelangen, dass das gegen Ende des XVI. 
Jahrhunderts gegebene Gesetz, welches über die Sabbatharier 
den Verlust des Lebens und des Vermögens verhängte, in der 
zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts schon aus dem Grunde 
nicht mehr angewendet werden könne, weil die Erfahrungen 
der dazwischen liegenden Jahrhunderte die Zwecklosigkeit, ja 
Schädlichkeit eines Gesetzes bewiesen, das nur Druck und 
Verfolgung, Auswanderung und religiöse Heuchelei zur Folge 
hatte, aber nicht im Stande war, die Sectirerei zu unterdrü- 
cken. Anderseits schöpfte er aus den ihm unterbreiteten ge- 
schichtlichen Quellen und amtlichen Daten und Berichten die 
Ueberzeugung, dass das, was in Bözöd-Ujfalu geschah, nicht 
Ausfluss einer durch geheime Hände künstlich hervorgeru- 
fenen, neuen Bewegung, sondern der naturgemässo Abschluss 



287 

eines vielhundertjährigen geschichtlichen Processes war. Was 
aber die erfolgten Uebertritte zum Judenthum anbetraf, war 
für ihn die Aeusserung in dem Berichte Pechys mass- und aus- 
seh lagg-ebend, dass sie »unläugbar aus Ueberzeugung« 
erfolgten. 

Angesichts dieser Thatsachen schwankte Eötvös keinen 
Aug-enblick, das Princip der Religionsfreiheit, deren überzeugter 
Verfechter er war, auch in der Sache der Sabbatbarier zur 
Geltung zu bringen. 

Am 2. September 1869 richtete er an den königlichen 
Commissär für Siebenbürgen einen Ministerialerlass, in welchem 
er den^ das Vorgehen des Oberstuhlrichters von Udvarhely 
rechtfertigenden Bericht wohl zur Kenntniss nimmt, gleichzei- 
tig aber den Commissär auffordert, er möge den gennanten 
Oberstuhlrichter dahin instruiren, »dass die behördlichen 
Organe jeden ferneren Versuch, die zurjüdi- 
sc h e n Religion übergetretenen Sabbatbarier zu 
rückzubekehren, zu unterlassen und den gegen- 
wärtigen Zustand unverändert aufrecht zu er- 
halten haben.^( 

Die liberale Strömung, welche damals in Ungarn herrschte, 
war so mächtig, dass von keiner Seite der Versuch gemacht 
wurde, den Minister zurZurückziehung oder Einschränkung seines 
Erlasses zu bestimmen, oder die Durchführung desselben zu 
verhindern. Der Uebertritt der Sabbatharianer zur Religion 
des Judenthums war eine vollendete Thatsache, gegen welche 
nicht einmal Einsprache erhoben wurde. Ein winziges Bruch- 
theilchen des Christenthums war zu der uralten Quelle zurück- 
gekehrt, aus welcher es vor achtzenhundert Jahren hervorge- 
gangen war. 



Die „Proselyten-Gemeinde" in Bözöd-Ujfalü. 

Sobald die Sabbatbarier ihren Uebertritt anerkannt und 
sich in der freien Uebung der jüdischen Religion gesichert 
wussten, constituirten sie sich als »Israelitische Proselyten- 
Gemeinde von Bözöd-Ujfalu »eine Bezeichnung, die sie bis zum 

* A. a. 0. das. E. K. B. Nr. 3272. 



288 



heutigen Tage beibehalten haben,^ obwohl gegenwärtig bereits 
einige Familien von geborenen Juden zu ihnen gehören. 

Die zusammen 136 Seelen zählende neue Gemeinde ging 
sofort eifrig ans Werk, sich als solche zu organisiren. Sie 
stellte einen approbirten Schächter an, der gleichzeitig die 
Agenden des Vorbeters zu versehen hatte. Zum Notar und 
Matrikelführer wurde einer der Ihrigen, der alte Abraham Dan 
Kovdcs gewählt, den seine Wohlhabenheit und Intelligenz für 
dieses Amt empfahlen. Mit dem hebräischen und dem Reli- 
gionsunterrichte, der den Erwachsenen und den Kindern in 
besonderen L^hrstunden ertheilt wurde, wurde zunächst Sala- 
mon Wolfinger betraut, der gleichzeitig das Ehrenannt des 
»Tempelvorstehers« versah,^ aber bald darauf das Dorf verliess- 
Ein provisorischer Betsaal, sowie ein für Schulzwecke be- 
stimmtes Zimmer wurde sofort, und binnen kurzer Zeit, bereits 
i. J. 1870, auch ein rituelles Tauchbad eingerichtet und ein 
eigener ' Gottesacker angelegt. Gleichzeitig nahm die kleine 
Gemeinde den Bau einer Synagoge in Angriff, welche i. J. 1874, 
nach nicht geringen Kämpfen, glücklich vollendet wurde. 

Das bescheidene, aber nicht ungefällige Bethaus ist eine 
im szekler Geschmacke gebaute und eingerichtete orthodoxe 
Synagoge. Das Mauerwerk ist aus Stein, die Fagade aus ge- 
achnitztem Holzwerk. Der innere Raum enthält 67 Betstühle 
für Männer, die mit einem dichten und hohen Gitter umgebene 
Frauengallerie 40 Sitze. Die Estrade, auf welcher die Vorlesung 
der Thora geschieht, das sogenannte »Almemor« steht in der 
Mitte des Tempels; in der Bundeslade sind drei Thorarollen 
aufbewahrt. An den Bänken und Sitzplätzen sind die Tulpen- 
und sonstigen Blumenmalereien angebracht, mit welchen die 
Szekler ihre Kästen und Möbel zu verzieren pflegen, die Wände 
mit den im Udvarhelyer Szeklerstuhle üblichen Holzschnitze- 
reien geschmückt. 



^ Das Geineindesiegel hat die ungarische Umschrift ; ,,A b.-ujfalvi Izraelit.i 
Hitközsög pecs6tje * (Siegel der isr. Religionsgemeinde in B.-Ujfalü). Das hier 
fehlende, aber in ihrem amtlichen Verkehre stets gebrauchte Wort „proselita" 
(Proselyte n-Gem.) ist in der innerhalb der ungarischen Umschrift enthaltenen 
hebräischen InschriR wiedergegeben : K'hal g e r i m u. s. w. 

* Der Inhaber dieses Ehrenamtes wurde und wird von den aus^schliesslich 
ungarisch sprechenden Proselyten stets mit dem üblichen neuhebräischen Worte 
als „Gabbai" bezeichnet. 



289 



Diese Bauten und Einrichtungen, deren Kosten nur zum 
kleineren Theile durch die milden Gaben gedeckt wurden 
welche zwei zu diesem Zwecke ausgesandte Proselyten in 
einigen grösseren jüdischen Gemeinden Ungarns sammelten 
erschöpften die Kräfte der kleinen Gemeinde. Ihre Mitglieder 
waren, mit geringen Ausnahmen, unbemittelt, ja sogar arm, 
zumeist Ackerbauer, die von dem Erträgnisse ihres kleinen 
Bauerrgütchens, oder der Feldarbeiten, die sie für andere ver- 
richteten, nur kümmerlich leben konnten. Zu den christlichen 
Feiertagen, an welchen sie nicht öffentlich arbeiten durften 
kamen die jüdischen Sabbath- und Festtage, an welchen sie 
nicht arbeiten wollten, so dass sie wöchentlich mindestens 
zwei Tage feiern mussten, was ihnen selbstverständlich zu 
nicht geringem Schaden gereichte. Ihre neuen Glaubensgenossen 
kümmerten sich, bei der traditionellen Gleic]^giltigkeit, welche 
die Juden den Proselyten und der Proselytenmacherei gegen- 
über zu beobachten pflegen, nur blutwenig um sie. Die wenigen 
Juden in ihrer Nachbarschaft lebten selber in ärmlichen Ver- 
hältnissen; die grosse ungarische Judenheit aber schien von 
der neuen Gemeinde, die unter so eigenartigen Verhältnissen 
in ihrer Mitte entstanden war, kaum Notiz nehmen zu wollen. 
Im Auslande blieb sie lange gänzlich unbeachtet, und die auf 
ihre eigene Kraft angewiesenen Proselyten vermochten die 
nöthigsten Institutionen einer jüdischen Gemeinde nur schwer 
und mangelhaft zu erhalten. 

Ihr einziger bezahlter Beamter war der Vorbeter und 
Schächter, der, seitdem Wolfinger das Dorf verlassen, auch die 
^^telle des Lehrers vertrat und gleichzeitig auch als Rabbinats- 
verweser fungirte, da er der einzige war, an den man sich in 
religiösen Angelegenheiten um Rath und Aufklärung wenden 
konnte. Dieses vielseitige, wichtige Amt konnten sie aber nur 
mit einem Jahresgehalt von 100 bis 120 Gulden dotiren, eine 
selbst für ein szekler Dorf geringfügige Bezahlung, für welche 
sie selbstverständlich keine entsprechende, brauchbare Persön- 
lichkeit gewinnen konnten. Sie mussten sich damit begnügen, 
einen polnischen Juden anzustellen, der das rituelle Schlachten 
als Handw^erk erlernt hatte, und bei seiner gänzlichen Unbil- 
dung nur wenig geeignet war, einen günstigen Einfluss auf 
ihr religiöses und ihr Geistesleben zu üben. 

Ihren Gottesdienst verrichteten sie anfangs in ungarischer 

Dr Kohn : Sabbatharier. 1 d 



290 



Sprache, und zwar so, dass der Vorbeter die Gebete hebräisch 
recitirte, die Gemeinde aber die entsprechende Uebersetzuni^ 
aus ihren alten handschriftlichen sabbatharischen Gebetbüchern 
las. Die in diesen fehlenden Gebetstücke, wie z. B. das »Mussaf « - 
Gebet, ergänzten sie nach dem ersten besten, mit einer unga- 
rischen Uebersetzung versehenen jüdischen Gebetbuches Ihr 
Schächter-Cantor aus Galizien, der kein Ungarisch verstand 
und zudem der Ansicht huldigte, dass jüdische Gebete nur in 
der »heiligen Sprache« verrichtet werden dürfen, brachte es 
jedoch in kurzer Zeit dahin, dass auch die Gemeinde ihre 
Andacht in hebräischer Sprache verrichtete. Freilich konnten 
die meisten die ihnen unverständlichen Gebetstücke anfangs 
nur mit schwerer Mühe, manche gar nicht lesen, ein Uebel- 
stand, dem sie dadurch abzuhelfen suchten, dass sie die hebräi- 
schen Texte der wichtigsten jüdischen Gebete mit ungarischen 
Buchstaben transscribirten.^ 

Bei ihren eigenartigen, schwierigen Verhältnissen hätten 
sie dringender als jede andere Dorfgemeinde eines intelligen- 
ten, theologisch gebildeten und berufseifrigen Lehrers bedurft, 
der mit ihnen in ihrer Muttersprache hätte verkehren können. 
Aber an die Anstellung eines solchen war vorerst nicht zu denken. 
Mussten sie doch zeitweilig sogar des Schächters entrathen, der 
ihnen den Lehrer ersetzen sollte. Leute, die in kleinen Gemein- 
den dieses Amt zu versehen pflegen, sind in der Regel an ein 
Wanderleben gewöhnt und bleiben selten lange auf einem 
Platze,» und es findet sich nicht immer sofort ein anderer, der 
auf eine solche armselig dotirte Stelle reflectirt. Die Gemeinde 
hatte oft monatelang keinen Schächter und keinen Vorbeter, 
und da blieben die Kinder ohne Unterricht, sie alle — ohne 
Fleisch. Letzteres musste dann aus dem benachbarten Erdo- 
Szent-György bezogen werden. So oft in solchen Fällen der 
wohlbeladene Karren des dortigen jüdischen Fleischers anlangte. 



* Derartige Ergänzungen finden sich in fast allen damals in Gebrauch 
gewesenen Gebetbüchern der Proselyten. 

' Solchen, nach der polnisch-judischen Aussprache des Hebräischen ge- 
machten Transscriptionen begegnen wir in mehreren Gebet- sowie in manchen 
Gesangbüchern der ersten Proselyten. 

« Von 1876 bis 1885 hat die Gemeinde den Schächter, beziehuogs eise 
Vorbeter und Lehrer nicht weniger als. neunmal gewechselt. 



291 



wurde im Dorfe ausgerufen, dass »das Koscher-Fleisch ge- 
kommen ist«, und die Frauen beeilten sich, ihre Vorrathskam- 
mern wieder mit dem mitunter lange entbehrten Nahrungs- 
mittel zu versehen. Mit den im jüdisch-religiösen Leben, na- 
mentlich in einem jüdischen Haushalte so häufigen rituellen 
Fragen mussten sie sich in jedem einzelnen F'alle an den Rab- 
:>iner, oder wie sie ihn zu tituliren pflegten, den »jüdischen 
I)ischof(( von Erdö-Szent-György wenden. 

Unter solchen traurigen materiellen und geistigen Ver- 
hältnissen konnte die neue Gemeinde unmöglich gedeihen. 
Der Rabbiner und Prediger von Bukarest, Dr. Moritz Beck, 
'!er i. J. 1855 gelegentlich einer Badereise einen Abstecher nach 
Büzöd-Ujfalu machte, fand zu seiner peinlichen Ueberraschung, 
[lass sich »die Proselytengemeinde in dem denkbar traurigsten 
Zustande befindet.« Das Tempelgebäude war vernachlässigt 
und schadhaft; die meisten Mitglieder der Gemeinde, die den 
'jottesdienst w^ohl eifrig besuchten, konnten die hebräischen 
'iebete noch immer nicht geläufig lesen, geschweige denn ver- 
stehen. Das rituelle Tauchbad war eingestürzt und konnte 
^^^'ht benutzt werden, weil die zur Wiederherstellung dessel- 
l>en erforderlichen 25 Gulden nicht zu beschaffen waren. Der 
^trnachlässigte Gottesacker hatte keinerlei Einfriedung, und 
^^'»r nicht einmal durch eine Dornenhecke, oder einen Graben 
^^•n den benachbarten Feldern geschieden. Einen Lehrer hat- 
^^n sie nicht, weil sie ihn nicht bezahlen konnten, und da im 
I^orfe eine Schule überhaupt nicht vorhanden war, w^uchsen 
^lö zweiundzwanzig schulpflichtigen Kinder der Gemeinde 
^ine religiöse Unterweisung und ohne jeden anderen Unter- 
'^At heran. Als Schächter, Vorbeter und Rabbinatsverweser 
^ungirte ein ungebildeter polnischer Jude, der der Landesspra- 
^^^ nicht mächtig war, aber auch im Hebräischen und in den 
Geologischen Fachwissenschaften nicht recht Bescheid wusste. 
Zwei Proselyten-Familien Ovaren bereits wieder zum Christen- 
''^ume zurückgekehrt, die übrigen zum Gespötte der Nach- 
wn geworden, die mit Schadenfreude auf die jämmerlichen 
^^^hältnisse der zum Judenthume übertretenen Szekler hin- 
^viesen. 

Der bukarester Rabbiner, ein geborener Ungar, veröffent- 
'^^'hte in einer ungarisch-jüdischen Monatsschrift einen ausführ- 
'' hen Bericht über die traurigen Erfahrungen, die er in 

19* 



292 



Bözöd-Ujfalu gemacht. Der warm geschriebene Artikel^ blieb 
nicht wirkungslos. Die*Redaction der betreffenten Monatsschrift 
knüpfte einen Aufruf an denselben, worauf neben Bibeln, Gebet- 
und Schulbüchen allmällig ungefähr 1100 Gulden zu Gunsten 
der hilfsbedürftigen Gemeinde einliefen. Die »Landeskanzlei 
der Juden Ungarns und Siebenbürgens« erwirkte, dass das 
Matrikelamt für sämmtliche Juden des udvarhelyer Bezirks 
nach Bözöd-Ujfalu verlegt wurde.^ Der Cultusminister Trefort, 
an welchen die Gemeinde sich bittlich gewendet hatte, Hess ihr 
»zur Erhaltung ihrer Cultuseinrichtungen« für das Jahr 1886 
eine Staatssubvention von 100 Gulden anweisen.» Zu demsel- 
ben Zwecke erhielt sie bald darauf dieselbe Summe von der 
»Pester israelitischen Religionsgemeinde« in Budapest; endlich 
aber stellte ihr die »Alliance israelite universelle« über Inter- 
vention einiger ihrer ungarischen Mitglieder, 500 francs für 
Unterrichts- und Schulzwecke zur Verfügung. 

Mit Hilfe dieser verhältnissmässig spärlichen Unterstü- 
tzungen vermochte die arme Gemeinde ihre dem Verfalle ent- 
gegengehenden wichtigsten Institutionen und, was die Haupt- 
sache war, ihr Schulwesen zu reorganisiren und in besten 
. Stand zu setzen. Ihre Bedürfnisse waren bescheiden und mit 
geringen Mitteln zu decken; denn in Bözöd-Ujfalu ist nur das 
Geld theuer, alles Andere billig zu beschaffen. 

Statt der bisherigen 120 Gulden wurden 400 Gulden als 
jährliche Bezahlung festgesetzt »für einen solchen Religions- 
lehrer, der gleichzitig das Schächteramt versehen könnte und 
in dem jüdischen Religionsgesetze so bewandert wäre, dass er 
den altern Gemeindemitgliedern die im religiösen Leben 
auftauchenden Fragen als Fachmann, und zwar in ungarischer 
Sprache beantworten, den Kindern aber einen möglichst er- 
schöpfenden Unterricht in allen Lehrgegenständen der Religion 
ertheilen könnte.« Für die Restaurirungskosten der Syna- 
goge und für den Wiederaufbau ^des rituellen Tauchbades 

^ S. denselben Magy. Zsidö Szemle II. S. 254 flg. 

* S. den Brief der genannten Kanzlei vom 26. November 1885 Z. 10193 : 
vgl. Magy. Zsidö Szemle II. S. 707. 

« S. das Gesuch des stellvertretenden Gemeindevorstehers Mendel Koväc^ 
vom 1. Feber 1886, das Rescript des Cultusministers Trefort vom 10. Mai d. 
Jahres Z. 11131, sowie den Brief der Isr. Landeskanzlei vom 23. Mai Z. 107^6. 
Die beglaubigten Abschriften dieser Actenstücke befinden sich in meinem Besitze 



293 



wurden 180 Gulden angewiesen. Bei alledem waren die gesamm- 
ten Ausgaben für das Jahr 1886 bloss mit 696 (iulden und 
5 Kreuzern veranschlagt, welchen jedoch nur 360 Gulden, darunter 
140 Gulden »Cultussteuern,« als Bedeckung gegenüberstanden.^ 
Die fehlenden 336 Gulden wurden aus dem von der Redaction 
des »Magyar Zsido Szemle« gesammelten und von ihr 
verwalteten Hilfsfond gedeckt, aus welchem der Gemeinde noch 
für fernere drei Jahre eine ähnliche Subvention gereicht werden 
konnte. Seit 1890 lässt ihr die »Wiener Allianz« jährlich 300 
Gulden zur Bezahlung ihres Religionslehrers zukommen. 

Seit dieser Zeit haben sich die Verhältnisse der Gemeinde 
langsam, aber stetig gebessert. Die Synagoge wurde gründlich 
restaurirt, der Gottesacker vergrössert und eingefriedet, und 
ein Grundstück erworben, auf welchem ein neues rituelles 



* Der am 27. Deceraber 1885 angenomroene Voranschlag für 1886 lautet, 
nach der in meinem Besitze befindlichen Abschrift, in wörthcher üfebersetzung 
folgendermassen : 

Bedarf. Bedeckung. 

/. Cullus. I. CuUus, 

Gulden Gulden 

1. Bezahlung des Religionsleh- 1. Cultussteuern 150 

rers und Schächters . . . 400 2. Tempelspenden .... 50 

2. Tempeldiener 20 3. Rituelles Tauchbad ... 40 

3. Feuerversicherung für den 

Tempel 10 ^^' Schule. 

4. Bedarf für Restaurirung des 4. Schulgelder 120_ 

Tempels 30 Zusammen: 360 

5. Staatssteuer für den Tempel 4*5 

6. Für Untersttitzungen an hie- 
sige u. durchreisende Arme 10 

7. Für Drucksorten .... 2 

8. Aussergew. Ausgaben . . 20 

9. Zur Wiederherstellung der 
Mik we (des rituellen Tauch- 
bades) 150 

10. Beleuchtung des Tempels . 20 

//. Schule. 

11. Mietzins für die SchuUoca- 
lität und für die Lehrer- 
wohnung 20 

12. Für Reinigung und Behei- 
zung der Sch üUocalität . . 10 Fehlbetrag . - _^ _- » » ■ 336-5 

Zusammen ; 696*5 Zusammen: 696*5 



294 



Badehaus, ein entsprechendes Schulgebäude und die Amts 
Wohnung des Lehrers errichtet wurde. Auch auf dem Gebiete 
des Jugendunterrichtes ist ein erfreulicher Fortschritt zu ver 
zeichnen. Im Schuljahre 1885—6 wurde nämlich in Bözöd-Ujfalt 
eine auf Staatskosten errichtete Volksschule eröffnet, und mil 
der Leitung derselben ein von der Dorfgemeinde gewählter 
Schulstuhl betraut, der den damaligen Notar der Proselyten- 
Gemeinde, Abraham Dan Koväcs zum »Schulstuhlökonomen« 
ernannte. Seitdem besuchen die Kinder der jüdischen Gemeinde 
mit der übrigen Dorfjugend die neue Volksschule, an welcher 
sie des Sabbaths nur eine Unterrichtsstunde haben, damit sie 
sich mit den Erwachsenen an dem öffentlichen Gottesdienste 
betheiligen können. Vom Schreiben und Zeichnen sind sie auch 
in dieser Stunde dispensirt. 

Die Gemeinde, welche gegenwärtig 39 Familien, darunter 
32 rein sabbatharische zählt, bildet eine erträglich gut orga- 
nisirte jüdisch-orthodoxe Gemeinde. Ihr Vorsteher ist Oscher 
Koväcs; in ihrer Repräsentanz befindet sich nur ein geborener 
Jude, der Cassier der Gemeinde, Salomon Teichmann, alle üb- 
rigen sind ehemalige Sabbatharier und, mit einer einzigen Aus- 
nahme, sämmtlich Koväcs's.^ Als Religionslehrer, der gleich- 
zeitig die Agenden des Vorbeters, Schächters und Notars ver- 
sieht, wirkt seit 1889 der pädagogisch gebildete Lehrer Isaak 
Hirsch, der die Landessprache vollkommen beherrscht und 
sich allgemeiner Achtung erfreut. Der Rabbiner der Nachbar- 
gemeinde Erdö-Szent-György und einige intelligente und eifrige 
Mitglieder derselben unterstützen die Proselytengemeinde, 
welche sie in wichtigeren Angelegenheiten ihren Sitzungen bei- 
zuziehen pflegt, mit ihrem Rathe und ihrer Erfahrung.^ 

Die Synagoge, welche sie mit dem, ihren früheren pol- 
nischen Schächtern abgelernten Worte »Schil« (Schul) zu nennen 
pflegen, ist an Sabbath- und Festtagen mit Andächtigen dicht 

• » • • 

* Nach dem mit yorliegenden Aclenstücke wird die Vertretung der Ge- 
meinde (i. J. 1889) ausser von dem obengenannten Öscher Koväcs (Präses) und 
Salomon Teichmann (Gassier) noch von den folgenden gebildet : Mendel Koväcs, 
Herman Koväcs, Ghajem Koväcs, Samli Gsukor, Sewilin (Sebulun) Koväcs und 
Lazar Koväcs. 

* Unter diesen verdanke ich Herrn Med. Dr. Leo B e r g e r und dem Reli- 
gionslehrer Leopold Abraham manchen interessanten Beitrag bezüglich der i 
Lebens- und Gemeindeverhältnisse der Proselvten. 



295 



gefüllt; auch die Frauen gehören zu den regelmässigen Be- 
suchern des öffentlichen Gottesdienstes. An Wochentagen, mit 
Ausnahme des Neumonds- und solcher Tage, an welchen ein 
jemeindemitglied »Jahrzeit« hat, d. h. die Wiederkehr des 
^Sterbetages seines Vaters oder seiner Mutter mit den ü])lichen 
'iebeten begeht, bleibt die Synagoge geschlossen. Denn der 
zrösste Theil der Gemeinde besteht aus Arbeitern, zumeist 
Ackerbauern, die schon bei Tagesanbruch an die Arbeit gehen 
und erst am späten Abend von den Feldern und Wiesen heim- 
kehren. Den Gottesdienst verrichten sie streng nach jüdisch- 
•^rthodoxem Brauche, wobei sie sich bereits ausnahmslos des 
gewöhnlichen jüdischen Gebetbuches bedienen, in welchem 
sich die meisten bereits gut zurechtzufinden weissen. 

Ihre Sprache, Tracht und Lebensweise ist genau die der 
ü/jrigen szekler Bauern, nur dass die Männer nach orthodoxem 
Brauche nie barhaupt erscheinen und des Sommers, wenn sie 
den grauen, kurzen Szeklerrock ablegen und in ihren engan- 
passenden Beinkleidern, oft barfuss, in Hemdärmeln durch die 
Strassen gehen, über dem Hemde des Arba-Kanfoth ge- 
nannte rituelle Kleidungsstück tragen, an dessen vier Enden 
die Schaufäde frei herunterhängen.^ In derselben Tracht arbeiten 
sie auf den Feldern, oder im Walde. Mehrere von ihnen tra- 
g:en nach Art der polnischen Juden mehr oder minder lange 
'Schläfelocken. Die verheirateten Frauen bedecken das in der 
Regel abgeschnittene Haar sorgfältig mit einem Kopftuche. 

Ihre materielle Lage ist noch immer eine recht traurige. 
Die meisten beschäftigen sich mit dem in dieser gebirgigen 
Gegend nur spärlich lohnenden Ackerbau. Ihre ohnehin 
kleinen, ererbten Bauerngüter sind infolge der Vermehruno: 
der Familienmitglieder derartig aufgetheilt und zerstückelt, 
dass sie zur Erhaltung der Familie nicht mehr ausreichen. 
Manche, die Lastthiere besitzen, nähren sich kümmerlich durch 
Holzzuführen, noch andere dadurch, dass sie, nach Bestellung 
ihres Ackers, als Taglöhner 20 — 30 Kreuzer täglich verdienen. 
Die Jüngern müssen eine Zeitlang anderwärts Beschäftigung 
suchen. Die 16 — 17-jährigeji Burschen gehen in irgend eine 
benachbarte Stadt, zumeist nach Karlsburg, wo sie bei Juden 
als Kutscher oder Ackerknechte Dienste suchen, während die 

1 S. IV. B. Mos. 15, 37—38. 



296 



Mädchen sich als Mägde verdingen. In jüngster Zeit sind einigi 
Knaben zu jüdischen Handwerkern in Maros-Väsärhely unc 
anderwärts in die Lehre gegangen. Ein junger Proselyte be 
sucht seit mehreren Jahren die orthodoxe Rabbinerschule (Je 
sohiwah) zu Pressburg. 

Ausser in Bözöd-Ujfälu leben noch in einigen siebenbür 
gischen Ortschaften, ja sogar in Ungarn, einzelne zum Juden 
thum übergetretene SabbatharieF, die aber überall in der betref 
fenden jüdischen Ortsgemeinde aufgegangen sind. Sie stamm er 
alle entweder aus Bözöd-Ujfalu, oder aus Nagy-Ernye, an welcli 
letzterem Orte gegenwärtig zwar mehr kein Sabbatharier zu fin- 
den ist, aber die Ruinen ihres einstigen Bethauses noch immei 
gezeigt werden. 1 

In Bözöd-Ujfalu selber leben, neben der nunmehrigen Pro 
selytengemeinde, noch 5 sabbatharische Familien mit zusammen 
siebzehn Seelen, 9 Männer und 8 Frauen, die nicht' Juden ge- 
worden, sondern ihrem alten Glauben, so wie er von Pechi 
gelehrt wurde, treu geblieben sind. Zu diesen gehört d^rTBö*^ 
richter Josef Sallös, dessen älterer Bruder die Functionen ihres 
Rabbiners versieht. Wenn sie nicht in der Lage sind, für eigen% 
Rechnung ein Stück Vieh durch ihren Rabbiner schlachten zu 
lassen, versorgen sie ihre Küche aus der jüdischen, niemals 
aus einer christlichen Fleischbank. Den Sabbat und die übri- 
gen jüdischen Gesetze begehen sie auf das gewissenhafteste; 
ihre Gebete verrichten sie noch heute aus dem handschriftli- 
chen Gebet- und Ritualienbuche Simon Pechis von welchem 
in jedem ihrer Häuser zum mindesten ein Exemplar zu fin- 
den ist. Mit Christen gehen sie keine Ehe ein; die Juden mögen 
sich mit ihnen nicht verschwägern: und so dürften die letzten 
Bekenner des nunmehr über dreihundert Jahre bestehenden 
Sabbatharierthums in Siebenbürgen in nicht ferner Zeit vol- 
lends verschwunden sein. 

I 

i Diese Notiz verdanke ich der Güte des Herrn Dr. Moritz Turnovsky in 
Maros-Väsärhely. Ueber die ausserhalb 3öEöd-üjfalüs lebenden einstigen Sabba- 
tharier s. Egyenlöseg, VI., Nr. 9. 



2SB 



heutigen Tage beibehalten haben, ^ obwohl gegenwärtig bereits 
einige Familien von geborenen Juden zu ihnen gehören. "^ 

Die zusammen 136 Seelen zählende neue Gemeinde ging: 
sofort eifrig ans Werk, sich als solche zu organisiren. Sie 
stellte einen approbirten Schächter an, der gleichzeitig die j 
Agenden des Vorbeters zu versehen hatte. Zum Notar und 
Matrikelführer wurde einer der Ihrigen, der alte Abraham Dan ' 
Koväcs gewählt, den seine Wohlhabenheit und Intelligenz für ' 
dieses Amt empfahlen. Mit dem hebräischen und dem Reli- 
gionsunterrichte, der den Erwachsenen und den Kindern in 
besonderen Lohrstunden ertheilt wurde, wurde zunächst Sala- 
mon Wolfinger betraut, der gleichzeitig das Ehrenamt des 
»Tempelvorstehers« versah,^ aber bald darauf das Dorf verliess- 
Ein provisorischer Betsaal, sowie ein für Schulzwecke be- 
stimmtes Zimmer wurde sofort, und binnen kurzer Zeit, bereits 
i. J. 1870, auch ein rituelles Tauchbad eingerichtet und ein 
eigener ' Gottesacker angelegt. Gleichzeitig nahm die kleine 
Gemeinde den Bau einer Synagoge in Angriff, welche i. J. 1874, 
nach nicht geringen Kämpfen, glücklich vollendet wurde. 

Das bescheidene, aber nicht ungefällige Bethaus ist eine 
im szekler Geschmacke gebaute und eingerichtete orthodoxe 
Synagoge. Das Mauerwerk ist aus Stein, die Fagade aus ge- 
schnitztem Holzwerk. Der innere Raum enthält 67 Betstühle 
für Männer, die mit einem dichten und hohen Gitter umgebene 
Frauengallerie 40 Sitze. Die Estrade, auf welcher die Vorlesung 
der Thora geschieht, das sogenannte »Almemor« steht in der 
Mitte des Tempels; in der Bundeslade sind drei Thorarollen 
aufbewahrt. An den Bänken und Sitzplätzen sind die Tulpen- 
und sonstigen Blumenmalereien angebracht, mit welchen die 
Szekler ihre Kästen und Möbel zu verzieren pflegen, die Wände 
mit den im Udvarhelyer Szeklerstuhle üblichen Holzschnitze- 
reien geschmückt. 



^ Das Geiiieindesiegel hat die ungarische Umschrift ; „A b.-ujfalvi Izraelila 
Hitközs6g pecselje* (Siegel der isr. Religionsgemeinde in B.-Uj'falü). Das hier 
fehlende, aber in ihrem amtlichen Verkehre stets gebrauchte Wort „proselita" 
(Proselyte n-6em.) ist in der innerhalb der ungarischen Umschrift enthaltenen 
hebräischen Inschrift wiedergegeben : K'hal g e r i m u. s. w. 

• Der Inhaber dieses Ehrenamtes wurde und wird von den auj^schliesslich 
ungarisch sprechenden Proselyten stets mit dem üblichen neuhebräischen Worte 
als „Gabbai'' bozeiclmet. 



289 



Diese Bauten und f]inrichtungen, deren Kosten nur zum 
kleineren Theile durch die milden Gaben gedeckt wurden 
welche zwei zu diesem Zwecke ausgesandte Proselyten in 
nnigen grösseren jüdischen Gemeinden Ungarns sammelten 
erschöpften die Kräfte der kleinen Gemeinde. Ihre Mitglieder 
waren, mit geringen Ausnahmen, unbemittelt, ja sogar arm, 
zumeist Ackerbauer, die von dem Erträgnisse ihres kleinen 
Bauerngütchens, oder der Feldarbeiten, die sie für andere ver- 
richteten, nur kümmerlich leben konnten. Zu den christlichen 
Feiertagen, an welchen sie nicht öffentlich arbeiten durften 
kamen die jüdischen Sabbath- und Festtage, an welchen sie 
nicht arbeiten wollten, so dass sie wöchentlich mindestens 
zwei Tage feiern mussten, was ihnen selbstverständlich zu 
nicht geringem Schaden gereichte. Ihre neuen Glaubensgenossen 
kümmerten sich, bei der traditionellen Gleicjjigiltigkeit, welche 
die Juden den Proselyten und der Proselytenmacherei gegen- 
über zu beobachten pflegen, nur blutwenig um sie. Die wenigen 
.luden in ihrer Nachbarschaft lebten selber in ärmlichen Ver- 
hältnissen; die grosse ungarische Judenheit aber schien von 
der neuen Gemeinde, die unter so eigenartigen Verhältnissen 
in ihrer Mitte entstanden war, kaum Notiz nehmen zu wollen. 
Im Auslande blieb sie lange gänzlich unbeachtet, und die auf 
ihre eigene Kraft angewiesenen Proselyten vermochten die 
nöthigsten Institutionen einer jüdischen Gemeinde nur schwer 
und mangelhaft zu erhalten. 

Ihr einziger bezahlter Beamter war der Vorbeter und 
^^chächter, der, seitdem Wolfinger das Dorf verlassen, auch die 
Stelle des Lehrers vertrat und gleichzeitig auch als Rabbinats- 
verweser fungirte, da er der einzige war, an den man sich in 
religiösen Angelegenheiten um Rath und Aufklärung wenden 
konnte. Dieses vielseitige, wichtige Amt konnten sie aber nur 
mit einem Jahresgehalt von 100 bis 120 Gulden dotiren, eine 
selbst für ein szekler Dorf geringfügige Bezahlung, für welche 
sie selbstverständlich keine entsprechende, brauchbare Persön- 
lichkeit gewinnen konnten. Sie mussten sich damit begnügen, 
einen polnischen Juden anzustellen, der das rituelle Schlachten 
als Handwerk erlernt hatte, und bei seiner gänzlichen Unbil- 
dung nur wenig geeignet war, einen günstigen Einfluss auf 
ihr religiöses und ihr Geistesleben zu üben. 

Ihren Gottesdienst verrichteten sie anfangs in ungarischer 

Dr Kohn : Sabbaiharier. 19 



290 



Sprache, und zwar so, dass der Vorbeter die Gebete hebräiscla 
recitirte, die Gemeinde aber die entsprechende Uebersetzung- 
aus ihren alten handschriftlichen sabbatharischen Gebetbüchern 
las. Die in diesen fehlenden Gebetstücke, wie z. B. das »Mussaf« - 
Gebet, ergänzten sie nach dem ersten besten, mit einer unga- 
rischen Uebersetzung versehenen jüdischen Gebetbuches Ihr 
Schächter-Cantor aus Galizien, der kein Ungarisch verstand 
und zudem der Ansicht huldigte, dass jüdische Gebete nur in 
der »heiligen Sprache« verrichtet werden dürfen, brachte es 
jedoch in kurzer Zeit dahin, dass auch die Gemeinde ihre 
Andacht in hebräischer Sprache verrichtete. Freilich konnten 
die meisten die ihnen unverständlichen Gebetstücke anfangs 
nur mit schwerer Mühe, manche gar nicht lesen, ein Uebel- 
stand, dem sie dadurch abzuhelfen suchten, dass sie die hebräi- 
schen Texte der wichtigsten jüdischen Gebete mit ungarischen 
Buchstaben transscribirten.^ 

Bei ihren eigenartigen, schwierigen Verhältnissen hätten 
sie dringender als jede andere Dorfgemeinde eines intelligen- 
ten, theologisch gebildeten und berufseifrigen Lehrers bedurft, 
der mit ihnen in ihrer Muttersprache hätte verkehren können. 
Aber an die Anstellung eines solchen war vorerst nicht zu denken. 
Mussten sie doch zeitweilig sogar des Schächters entrathen, der 
ihnen den Lehrer ersetzen sollte. Leute, die in kleinen Gemein- 
den dieses Amt zu versehen pflegen, sind in der Regel an ein 
Wanderleben gewöhnt und bleiben selten lange auf einem 
Platze,^ und es findet sich nicht immer sofort ein anderer, der 
auf eine solche armselig dotirte Stelle reflectirt. Die Gemeinde 
hatte oft monatelang keinen Schächter und keinen Vorbeter, 
und da blieben die Kinder ohne Unterricht, sie alle — ohne 
Fleisch. Letzteres musste dann aus dem benachbarten Erdö- 
Szent-György bezogen werden. So oft in solchen Fällen der 
wohlbeladene Karren des dortigen jüdischen Fleischers anlangte. 



* Derartige Ergänzungen finden sich in fast allen damals in Gebrauch 
gewesenen Gebetbüchern der Proselyten. 

' Solchen, nach der polnisch-jüdischen Aussprache des Hebräischen ge- 
machten Trans Scriptionen begegnen wir in mehreren Gebet- sowie in manchen 
Gesangbüchern der ersten Proselyten. 

» Von 1876 bis 1885 hat die Gemeinde den Schächter, beziehungs eise 
Vorbeter und Lehrer nicht weniger als. neunmal gewechselt. 



291 



wurde im Dorfe ausgerufen, dass »das Koscher- Fleisch ge- 
kommen ist«, und die Frauen beeilten sich, ihre Vorrathskam- 
mern wieder mit dem mitunter lange entbehrten Nahrungs- 
nnittel zu versehen. Mit den im jüdisch-religiösen Leben, na- 
mentlich in einem jüdischen Haushalte so häufigen rituellen 
Fragen mussten sie sich in jedem einzelnen Falle an den Rab- 
biner, oder wie sie ihn zu tituliren pflegten, den »jüdischen 
Rischof« von Erdo-Szent-György wenden. 

Unter solchen traurigen materiellen und geistigen Ver- 
hältnissen konnte die neue Gemeinde unmöglich gedeihen. 
Der Rabbiner und Prediger von Bukarest, Dr. Moritz Beck, 
der i. J. 1855 gelegentlich einer Badereise einen Abstecher nach 
Bözöd-Ujfalu machte, fand zu seiner peinlichen Ueberraschung, 
dass sich »die Proselytengemeinde in dem denkbar traurigsten 
Zustande befindet.« Das Tempelgebäude war vernachlässigt 
und schadhaft; die meisten Mitglieder der Gemeinde, die den 
Gottesdienst wohl eifrig besuchten, konnten die hebräischen 
Gebete noch immer nicht geläufig lesen, geschweige denn ver- 
stehen. Das rituelle Tauchbad war eingestürzt und konnte 
nicht benutzt werden, weil die zur Wiederherstellung dessel- 
l)en erforderlichen 25 Gulden nicht zu beschaffen waren. Der 
vernachlässigte Gottesacker hatte keinerlei Einfriedung, und 
war nicht einmal durch eine Dornenhecke, oder einen Graben 
von den benachbarten Feldern geschieden. Einen Lehrer hat- 
ten sie nicht, weil sie ihn nicht bezahlen konnten, und da im 
Dorfe eine Schule überhaupt nicht vorhanden war, wuchsen 
die zweiundzwanzig schulpflichtigen Kinder der Gemeinde 
ohne religiöse Unterweisung und ohne jeden anderen Unter- 
richt heran. Als Schächter, Vorbeter und Rabbinatsverweser 
fungirte ein ungebildeter polnischer Jude, der der Landesspra- 
che nicht mächtig war, aber auch im Hebräischen und in den 
theologischen Fachwissenschaften nicht recht Bescheid wusste. 
Zwei Proselyten-Familien ^tvaren bereits wieder zum Christen- 
thume zurückgekehrt, die übrigen zum Gespötte der Nach- 
harn geworden, die mit Schadenfreude auf die jämmerlichen 
Verhältnisse der zum Judenthume übertretenen Szekler hin- 
wiesen. 

Der bukarester Rabbiner, ein geborener Ungar, veröffent- 
lichte in einer ungarisch-jüdischen Monatsschrift einen ausführ- 
lichen Bericht über die traurigen Erfahrungen, die er in 

19* 



288 



heutigen Tage beibehalten haben, ^ obwohl gegenwärtig bereits 
einige Familien von geborenen Juden zu ihnen gehören. 

Die zusammen 136 Seelen zählende neue Gemeinde ging 
sofort eifrig ans Werk, sich als solche zu organisiren. Sie 
stellte einen approbirten Schächter an, der gleichzeitig die 
Agenden des Vorbeters zu versehen hatte. Zum Notar und 
Matrikelführer wurde einer der Ihrigen, der alte Abraham Dan 
Koväcs gewählt, den seine Wohlhabenheit und Intelligenz für 
dieses Amt empfahlen. Mit dem hebräischen und dem Reli- 
gionsunterrichte, der den Erwachsenen und den Kindern in 
besonderen Lohrstunden ertheilt wurde, wurde zunächst Sala- 
mon Wolfmger betraut, der gleichzeitig das Ehrenamt des 
»Tempelvorstehers« versah,^ aber bald darauf das Dorf verliess- 
Ein provisorischer Betsaal, sowie ein für Schulzwecke be- 
stimmtes Zimmer wurde sofort, und binnen kurzer Zeit, bereits 
i. J. 1870, auch ein rituelles Tauchbad eingerichtet und ein 
eigener ' Gottesacker angelegt. Gleichzeitig nahm die kleine 
Gemeinde den Bau einer Synagoge in Angriff, welche i. J. 1874, 
nach nicht geringen Kämpfen, glücklich vollendet wurde. 

Das bescheidene, aber nicht ungefällige Bethaus ist eine 
im szekler Geschmacke gebaute und eingerichtete orthodoxe 
Synagoge. Das Mauerwerk ist aus Stein, die Fagade aus ge- 
schnitztem Holzwerk. Der innere Raum enthält 67 Betstühle 
für Männer, die mit einem dichten und hohen Gitter umgebene 
Frauengallerie 40 Sitze. Die Estrade, auf welcher die Vorlesung 
der Thora geschieht, das sogenannte »Almemor« steht in der 
Mitte des Tempels; in der Bundeslade sind drei Thorarollen 
aufbewahrt. An den Bänken und Sitzplätzen sind die Tulpen- 
und sonstigen Blumenmalereien angebracht, mit welchen die 
Szekler ihre Kästen und Möbel zu verzieren pflegen, die Wände 
mit den im Udvarhelyer Szeklerstuhle üblichen Holzschnitze- 
reien geschmückt. 



^ Das Geiueindesiegd hat die ungarische Umschrift ; ,,A b.-ujfalvi Izraelila 
Hitközsög pecs6lje^ (Siegel der isr. Religionsgemeinde in B.-Ujfalü). Das hier 
fehlende, aber in ihrem amtlichen Verkehre stets gebrauchte Wort ,,proselita'* 
(Proselyte n-6em.) ist in der innerhalb der ungarischen Umschrift enthaltenen 
hebräischen Inschrift wiedergegeben : K'hal g e r i m u. s. w. 

• Der Inhaber dieses Ehrenamtes wurde und wird von den ausjschliesslicli 
ungarisch sprechenden Proselyten stets mit dem üblichen neuhebröischen Worte 
als „Gabbai" bezeichnet. 



289 



Diese Bauten und Einrichtungen, deren Kosten nur zum 
klei neren Theile durch die milden Gaben gedeckt wurden 
welche zwei zu diesem Zwecke ausgesandte Proselyten in 
einigen grösseren jüdischen Gemeinden Ungarns sammelten 
erschöpften die Kräfte der kleinen Gemeinde. Ihre Mitglieder 
waren, mit geringen Ausnahmen, unbemittelt, ja sogar arm, 
zunieist Ackerbauer, die von dem Erträgnisse ihres kleinen 
Hauerngütchens, oder der Feldarbeiten, die sie für andere ver- 
richteten, nur kümmerlich leben konnten. Zu den christlichen 
Feiertagen, an welchen sie nicht öffentlich arbeiten durften 
kannen die jüdischen Sabbath- und Festtage, an welchen sie 
nicht arbeiten wollten, so dass sie wöchentlich mindestens 
zw^ei Tage feiern mussten, was ihnen selbstverständlich zu 
nicht geringem Schaden gereichte. Ihre neuen Glaubensgenossen 
kümmerten sich, bei der traditionellen Gleic|j[giltigkeit, welche 
die Juden den Proselyten und der Proselytenmacherei gegen- 
über zu beobachten pflegen, nur blutwenig um sie. Die wenigen 
Juden in ihrer Nachbarschaft lebten selber in ärmlichen Ver- 
hältnissen; die grosse ungarische Judenheit aber schien von 
der neuen Gemeinde, die unter so eigenartigen Verhältnissen 
in ihrer Mitte entstanden war, kaum Notiz nehmen zu wollen. 
Im Auslande blieb sie lange gänzlich unbeachtet, und die auf 
ihre eigene Kraft angewiesenen Proselyten vermochten die 
nöthigsten Institutionen einer jüdischen Gemeinde nur schwer 
und mangelhaft zu erhalten. 

Ihr einziger bezahlter Beamter war der Vorbeter und 
Schächter, der, seitdem Wolfinger das Dorf verlassen, auch die 
Stelle des Lehrers vertrat und gleichzeitig auch als Rabbinats- 
verweser fungirte, da er der einzige war, an den man sich in 
religiösen Angelegenheiten um Rath und Aufklärung wenden 
konnte. Dieses vielseitige, wichtige Amt konnten sie aber nur 
mit einem Jahresgehalt von 100 bis 120 Gulden dotiren, eine 
selbst für ein szekler Dorf geringfügige Bezahlung, für welche 
sie selbstverständlich keine entsprechende, brauchbare Persön- 
lichkeit gewinnen konnten. Sie mussten sich damit begnügen, 
einen polnischen Juden anzustellen, der das rituelle Schlachten 
als Handwerk erlernt hatte, und bei seiner gänzlichen Unbil- 
dung nur wenig geeignet war, einen günstigen Einfluss auf 
ihr religiöses und ihr Geistesleben zu üben. 

Ihren Gottesdienst verrichteten sie anfangs in ungarischer 

Dr Kohn : Sabbatharier. ^ 9 



l 



290 

Sprache, und zwar so, dass der Vorbeter die Gebete hebräiscli 
recitirte, die Gemeinde aber die entsprechende Uebersetzuing- 
aus ihren alten handschriftlichen sabbatharischen Gebetbüchern 
las. Die in diesen fehlenden Gebetstücke, wie z. B. das »Musssif « - 
Gebet, ergänzten sie nach dem ersten besten, mit einer unga- 
rischen Uebersetzung versehenen jüdischen Gebetbuches Ilir 
Schächter-Cantor aus Galizien, der kein Ungarisch verstand 
und zudem der Ansicht huldigte, dass jüdische Gebete nur in 
der »heiligen Sprache« verrichtet werden dürfen, brachte es 
jedoch in kurzer Zeit dahin, dass auch die Gemeinde ihre 
Andacht in hebräischer Sprache verrichtete. Freilich konnten 
die meisten die ihnen unverständlichen Gebetstücke anfang-s 
nur mit schwerer Mühe, manche gar nicht lesen, ein Uebel- 
stand, dem sie dadurch abzuhelfen suchten, dass sie die hebräi- 
schen Texte der wichtigsten jüdischen Gebete mit ungarischen 
Buchstaben transscribirten.^ 

Bei ihren eigenartigen, schwierigen Verhältnissen hätten 
sie dringender als jede andere Dorfgemeinde eines intelligen- 
ten, theologisch gebildeten und berufseifrigen Lehrers bedurft, 
der mit ihnen in ihrer Muttersprache hätte verkehren können. 
Aber an die Anstellung eines solchen war vorerst nicht zu denken . 
Mussten sie doch zeitweilig sogar des Schächters entrathen, der 
ihnen den Lehrer ersetzen sollte. Leute, die in kleinen Gemein- 
den dieses Amt zu versehen pflegen, sind in der Regel an ein 
Wanderleben gewöhnt und bleiben selten lange auf einem 
Platze,^ und es findet sich nicht immer sofort ein anderer, der 
auf eine solche armselig dotirte Stelle reflectirt. Die Gemeinde 
hatte oft monatelang keinen Schächter und keinen Vorbeter, 
und da blieben die Kinder ohne Unterricht, sie alle — ohne 
Fleisch. Letzteres musste dann aus dem benachbarten Erdö- 
Szent-György bezogen werden. So oft in solchen Fällen der 
wohlbeladene Karren des dortigen jüdischen Fleischers anlangte, 



^ Derartige Ergänzungen finden sich in fast allen damals in Gebrauch 
gewesenen Gebetbüchern der Proselyten. : 

' Solchen, nach der polnisch-jüdischen Aussprache des Hebräischen ge- I 
machten Transscriptionen begegnen wir in mehreren Gebet- sowie in manchen ^ 
Gesangbüchern der ersten Proselyten. : 

» Von 1876 bis 1885 hat die Gemeinde den Schächter, beziehungs eise 
Vorbeter und Lehrer nicht weniger als. neunmal gewechselt. 



291 



wurde im Dorfe ausgerufen, dass »das Koscher-Fleisch ge- 
kommen ist«, und die Frauen beeilten sich, ihre Vorrathskam- 
mern wieder mit dem mitunter lange entbehrten Nahrungs- 
mittel zu versehen. Mit den im jüdisch-religiösen Leben, na- 
mentlich in einem jüdischen Haushalte so häufigen rituellen 
Fragen mussten sie sich in jedem einzelnen Falle an den Rab- 
biner, oder wie sie ihn zu tituliren pflegten, den »jüdischen 
Hischof« von Erdö-8zent-György wenden. 

Unter solchen traurigen materiellen und geistigen Ver- 
hältnissen konnte die neue Gemeinde unmöglich gedeihen. 
Der Rabbiner und Prediger von Bukarest, Dr. Moritz Beck, 
der i. J. 1855 gelegentlich einer Badereise einen Abstecher nach 
Bözöd-Ujfalu machte, fand zu seiner peinlichen Ueberraschung, 
dass sich »die Proselytengemeinde in dem denkbar traurigsten 
Zustande befindet.« Das Tempelgebäude war vernachlässigt 
und schadhaft; die meisten Mitglieder der Gemeinde, die den 
Gottesdienst wohl eifrig besuchten, konnten die hebräischen 
Gebete noch immer nicht geläufig lesen, geschweige denn ver- 
stehen. Das rituelle Tauchbad war eingestürzt und konnte 
nicht benutzt werden, weil die zur Wiederherstellung dessel- 
ben erforderlichen 25 Gulden nicht zu beschaffen waren. Der 
vernachlässigte Gottesacker hatte keinerlei Einfriedung, und 
war nicht einmal durch eine Dornenhecke, oder einen Graben 
von den benachbarten Feldern geschieden. Einen Lehrer hat- 
ten sie nicht, weil sie ihn nicht bezahlen konnten, und da im 
Dorfe eine Schule überhaupt nicht vorhanden war, wuchsen 
die zweiundzwanzig schulpflichtigen Kinder der Gemeinde 
olme religiöse Unterweisung und ohne jeden anderen Unter- 
richt heran. Als Schächter, Vorbeter und Rabbinatsverweser 
l'ungirte ein ungebildeter polnischer Jude, der der Landesspra- 
che nicht mächtig war, aber auch im Hebräischen und in den 
theologischen Fachwissenschaften nicht recht Bescheid wusste. 
Zwei Proselyten-Familien •varen bereits wieder zum Christen- 
thume zurückgekehrt, die übrigen zum Gespötte der Nach- 
l)arn geworden, die mit Schadenfreude auf die jämmerlichen 
\'erhältnisse der zum Judenthume übertretenen Szekler hin- 
wiesen. 

Der bukarester Rabbiner, ein geborener Ungar, veröffent- 
lichte in einer ungarisch-jüdischen Monatsschrift einen ausführ- 
lichen Bericht über die traurigen. Erfahrungen, die er in 

19* 



292 



Bözöd-Ujfalu gemacht. Der warm geschriebene Artikel^ blieb^^S 
nicht wirkungslos. Die^Redaction der betreffenten Monatsschrift ^-'^ 
knüpfte einen Aufruf an denselben, worauf neben Bibeln, Gebet-^^r 
und Schulbüchen allmällig ungefähr 1100 Gulden zu Gunsten lid 
der hilfsbedürftigen Gemeinde einliefen. Die »Landeskanzlei ^^ 
der Juden Ungarns und Siebenbürgens« erwirkte, dass das la 
Matrikelamt für sämmtliche Juden des udvarhelyer Bezirks iif 
nach Bözöd-Ujfalu verlegt wurde.^ Der Cultusminister Trefort, 'm 
an welchen die Gemeinde sich bittlich gewendet hatte, Hess ihr >. 
»zur Erhaltung ihrer Cultuseinrichtungen« für das Jahr 1886 ta 
eine Staatssubvention von 100 Gulden anweisen. » Zu demsel- St 
ben Zwecke erhielt sie bald darauf dieselbe Summe von der vj 
»Pester israelitischen Religionsgemeinde« in Budapest; endlich . r 
aber stellte ihr die »Alliance israelite universelle« über Inter- i 
vention einiger ihrer ungarischen Mitglieder, 500 francs für 
Unterrichts- und Schulzwecke zur Verfügung. 

Mit Hilfe dieser verhältnissmässig spärlichen Unterstü- 
tzungen vermochte die arme Gemeinde ihre dem Verfalle ent- 
gegengehenden wichtigsten Institutionen und, was die Haupt- 
sache war, ihr Schulwesen zu reorganisiren und in besten 
Stand zu setzen. Ihre Bedürfnisse waren bescheiden und mit 
geringen Mitteln zu decken; denn in Bözöd-Ujfalu ist nur das 
Geld theuer, alles Andere billig zu beschaffen. 

Statt der bisherigen 120 Gulden wurden 400 Gulden als 
jährliche Bezahlung festgesetzt »für einen solchen Religions- 
lehrer, der gleichzitig das Schächteramt versehen könnte und 
in dem jüdischen Religionsgesetze so bewandert wäre, dass er 
den altern Gemeindemitgliedern die im religiösen Leben 
auftauchenden Fragen als Fachmann, und zwar in ungarischer 
Sprache beantworten, den Kindern aber einen möglichst er- 
schöpfenden Unterricht in allen Lehrgegenständen der Religion 
ertheilen könnte.« Für die Restaurirungskosten der Syna- 
goge und für den Wiederaufbau ^des rituellen Tauchbades 

1 S. denselben Ma;y. Zsidö Szemle II. S. 254 flg. 

* S. den Brief der genannten Kanzlei vom 26. November 1885 Z. 10193 ; 
vgl. Magy. Zsidö Szemle II. S. 707. 

» S. das Gesuch des stellvertretenden Gemeindevorstehers Mendel Kovä es 
vom 1. Feber 1886, das Rescript des Gultusministers Trefort vom 10. Mai d. 
Jahres Z. 11131, sowie den Brief der Isr. Landeskanzlei vom 28. Mai Z. 10726. 
Die beglaubigten Abschriften dieser Actenstücke befinden sich in meinem Besitze 



293 



vurdon 180 Gulden angewiesen. Bei alledem waren die gesamm- 
ten Ausgaben für das Jahr 1886 bloss mit 696 (iulden und 
5 Kreuzern veranschlagt, welchen jedoch nur 360 Gulden, darunter 
140 Gulden »Cultussteuern,« als Bedeckung gegenüberstanden.^ 
Die fehlenden 336 Gulden wurden aus dem von der Redaction 
des »Magyar Zsidö Szemle« gesammelten und von ihr 
verwalteten Hilfsfond gedeckt, aus welchem der Gemeinde noch 
für fernere drei Jahre eine ähnliche Subvention gereicht werden 
konnte- Seit 1890 lässt ihr die »Wiener Allianz« jährlich 300 
Gulden zur Bezahlung ihres Religionslehrers zukommen. 

Seit dieser Zeit haben sich die Verhältnisse der Gemeinde 
langsam, aber stetig gebessert. Die Synagoge wurde gründlich 
restaurirt, der Gottesacker vergrössert und eingefriedet, und 
ein Grundstück erworben, auf welchem ein neues rituelles 



* Der am 27. Deceraber 1885 angenomroene Voranschlag für 1886 lautet, 
nach der in meinem Besitze befindlichen Abschrift, in wörthcher üöberselzung 
folgendermassen : 

Bedarf. Bedeckung. 

J. Cullus. I. Cultus, 

Gulden Giihicn 

1. Bezahlung des Rehgionsleh- 1. Cultussteuern 150 

rers und Schächters . . . 400 2. Tempelspenden .... 50 

2. Tempeldiener 20 3. Rituelles Tauchbad ... 40 

3. Feuerversicherung für den 

Tempel 10 I^- Schule. 

4. Bedarf für Restaurirung des 4. Schulgelder 120_ 

Tempels 30 Zusammen : 360 

5. Staatssteuer für den Tempel 4*5 

6. Für Unterstützungen an hie- 
sige u. durchreisende Arme 10 

7. Für Drucksorten .... 2 

8. Aussergew. Ausgaben . . 20 

9. Zur Wiederherstellung der 
Mikwe (des rituellen Tauch- 
bades) 150 

10. Beleuchtung des Tempels . 20 

//. Schule, 

11. Mietzins für die Schulioc a- 
lität und für die Lehrer- 
wohnung 20 

12. Für Reinigung und Behei- 
zung der Sch üllocalität . . 10 Fehlbetrag . . ^ ■ > ■ • 336-5 

Zusammen: 696-5 Zusammen: 696*5 



294 

Badehaus, ein entsprechendes Schulgebäude und die Amts- j 
Wohnung des Lehrers errichtet wurde. Auch auf dem Gebiete ; 
des Jugendunterrichtes ist ein erfreulicher Fortschritt zu ver- ^ 
zeichnen. Im Schuljahre 1885—6 wurde nämlich in Bözöd-Ujfalu ^ 
eine auf Staatskosten errichtete Volksschule eröffnet, und mit , 
der Leitung derselben ein von der Dorfgemeinde gewählter . 
Schulstuhl betraut, der den damaligen Notar der Proselyten« : 
Gemeinde, Abraham Dan Koväcs zum »Schulstuhlökonomen« 
ernannte. Seitdem besuchen die Kinder der jüdischen Gemeinde , ^ 
mit der übrigen Dorfjugend die neue Volksschule, an welcher , 
sie des Sabbaths nur eine Unterrichtsstunde haben, damit sie . 
sich mit den Erwachsenen an dem öffentlichen Gottesdienste 
betheiligen können. Vom Schreiben und Zeichnen sind sie auch , 
in dieser Stunde dispensirt. 

Die Gemeinde, welche gegenwärtig 39 Familien, darunter 
32 rein sabbatharische zählt, bildet eine erträglich gut orga- 
nisirte jüdisch-orthodoxe Gemeinde. Ihr Vorsteher ist Oscher 
Koväcs; in ihrer Repräsentanz befindet sich nur ein geborener 
Jude, der Cassier der Gemeinde, Salomon Teichmann, alle üb- 
rigen sind ehemalige Sabbatharier und, mit einer einzigen Aus- 
nahme, sämmtlich Koväcs's> Als Religionslehrer, der gleich- 
zeitig die Agenden des Vorbeters, Schächters und Notars ver- 
sieht, wirkt seit 1889 der pädagogisch gebildete Lehrer Isaak 
Hirsch, der die Landessprache vollkommen beherrscht und 
sich allgemeiner Achtung erfreut. Der Rabbiner der Nachbar- 
gemeinde Erdö-Szent-György und einige intelligente und eifrige 
Mitglieder derselben unterstützen die Proselytengemeinde, 
welche sie in wichtigeren Angelegenheiten ihren Sitzungen bei- 
zuziehen pflegt, mit ihrem Rathe und ihrer Erfahrung.^ 

Die Synagoge, welche sie mit dem, ihren früheren pol- 
nischen Schächtern abgelernten Worte »Schil« (Schul) zu nennen 
pflegen, ist an Sabbath- und Festtagen mit Andächtigen dicht 



^ Nach dem mit vorliegenden Aclenstücke wird die Vertretung der Ge- 
meinde (i. J. 1889) ausser von dem obengenannten Oscher Koväcs (Präses) und 
Salomon Teichmann (Gassier) noch von den folgenden gebildet: Mendel Koväcs, 
Herman Koväcs, Ghajem Koväcs, Samli Gsukor, Sewilin (Sebulun) Koväcs und 
Lazar Koväcs. 

2 Unter diesen verdanke ich Herrn Med. Dr. Leo B e r g e r und dem Reli- 
gionslehrer Leopold Abraham manchen interessanten Beitrag bezüglich der 
Lebens- und Gemeindeverhältnisse der Proselvten. 



295 



jefüllt; auch die Frauen gehören zu den regelmässigen Be- 
wuchern des ülTent liehen Gottesdienstes. An Wochentag-en. mit 
Ausnahme des Neumonds- und solcher Tage, an welchen ein 
iemeindemitglied »Jahrzeit« hat, d. h. die Wiederkehr des 
"Sterbetages seines Vaters oder seiner Mutter mit den ül)lichen 
iebeten begeht, bleibt die Synagoge gesclilossen. DcMin der 
.Tösste Theil der Gemeinde besteht aus Arbeitern, zumeist 
Ackerbauern, die schon bei Tagesanbruch an die Ar])ei( gehen 
lind erst am späten Abend von den Feldern und Wiesen heim- 
it'hren. Den Gottesdienst verrichten sie streng nach jüdisch- 
'rthodoxem Brauche, wobei sie sich bereits ausnahmslos des 
^gewöhnlichen jüdischen Gebetbuches bedienen, in welchem 
ijicb die meisten bereits gut zurechtzufinden wissen. 

Ihre Sprache, Tracht und Lebensweise ist genau die der 
i/irigen szekler Bauern, nur dass die Männer nach orthodoxem 
Brauche nie barhaupt erscheinen und des Sommers, wenn sie 
den grauen, kurzen Szeklerrock ablegen und in ihren engan- 
passenden Beinkleidern, oft barfuss, in Ilemdärmeln durch die 
Strassen gehen, über dem Hemde des Arba-Kanfoth ge- 
nannte rituelle Kleidungsstück tragen, an dessen vier Enden 
die Schaufäde frei herunterhängen. ^ In derselben Tracht arbeiten 
sie auf den Feldern, oder im Walde. Mehrere von ihnen tra- 
fen nach Art der polnischen Juden mehr oder minder lange 
Schläfelocken. Die verheirateten Frauen bedecken das in der 
Regel abgeschnittene Haar sorgfältig mit einem Kopftuche. 

Ihre materielle Lage ist noch immer eine recht traurige. 
Die meisten beschäftigen sich mit dem in dieser gebirgigen 
Gegend nur spärlich lohnenden Ackerbau. Ihre ohnehin 
kleinen, ererbten Bauerngüter sind infolge der Vermehruno: 
der Familienmitglieder derartig aufgetheilt und zerstückelt, 
dass sie zur Erhaltung der Familie nicht mehr ausreichen. 
Manche, die Lastthiere besitzen, nähren sich kümmerlich durch 
Vlolzzuführen, noch andere dadurch, dass sie, nach Bestellung 
ihres Ackers, als Taglöhner 20 — 30 Kreuzer täglich verdienen. 
Die Jüngern müssen eine Zeitlang anderwärts Beschäftigung 
suchen. Die 16 — 17-jährigeji Burschen gehen in irgend eine 
benachbarte Stadt, zumeist nach Karlsburg, wo sie bei Juden 
als Kutscher oder Ackerknechte Dienste suchen, während die 

1 S. IV. B. Mos. 15, 37—38. 



296 



Mädchen sich als Mägde verdingen. In jüngster Zeit sind einige 
Knaben zu jüdischen Handwerkern in Maros-Väsärhely und 
anderwärts in die Lehre gegangen. Ein junger Proselyte be- 
sucht seit mehreren Jahren die orthodoxe Rabbinerschule (Je- 
sohiwah) zu Pressburg. 

Ausser in Bözöd-Ujfälu leben noch in einigen siebenbür- 
gischen Ortschaften, ja sogar in Ungarn, einzelne zum Juden- 
thum übergetretene Sabbatharier, die aber überall in der betref- 
fenden jüdischen Ortsgemeinde aufgegangen sind. Sie stammen 
alle entweder aus Bözöd-Ujfalu, oder aus Nagy-Ernye, an welch 
letzterem Orte gegenwärtig zwar mehr kein Sabbatharier zu fin- 
den ist, aber die Ruinen ihres einstigen Bethauses noch immer 
gezeigt werden.^ 

In Bözöd-Ujfalu selber leben, neben der nunmehrigen Pro- 
selytengemeinde, noch 5 sabbatharische Familien mit zusammen 
siebzehn Seelen, 9 Männer und 8 Frauen, die nicht* Juden ge- 
worden, sondern ihrem alten Glauben, so wie er von Pechi 
gelehrt wurde, treu geblieben sind. Zu diesen gehört dj^r"DOl^ 
richter Josef Sallos, dessen älterer Bruder die Functionim ihres 
Rabbiners versieht. Wenn sie nicht in der Lage sind, für eigcnV 
Rechnung ein Stück Vieh durch ihren Rabbiner schlachten zu 
lassen, versorgen sie ihre Küche aus der jüdischen, niemals 
aus einer christlichen Fleischbank. Den Sabbat und die übri- 
gen jüdischen Gesetze begehen sie auf das gewissenhafteste; 
ihre Gebete verrichten sie noch heute aus dem handschriftli- 
chen Gebet- und Ritualienbuche Simon Pechis von welchem 
in jedem ihrer Häuser zum mindesten ein Exemplar zu fin- 
den ist. Mit Christen gehen sie keine Ehe ein; die Juden mögen 
sich mit ihnen nicht verschwägern: und so dürften die letzten 
Bekenner des nunmehr über dreihundert Jahre bestehenden 
Sabbatharierthums in Siebenbürgen in nicht ferner Zeit vol- 
lends verschwunden sein. 

1 Diese Notiz verdanke ich der Güte des Herrn Dr. Moritz Turnovsky in 
Maros-Vasarhely. Ueber die ausserhalb .Bözöd-Ujfalüs lebenden einstigen Sabba- 
tharier s. Egyenlöseg, VI., Nr. 9. 



\\\ 



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