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MONOGRAPHIEN
DES KUNSTGEWERBES
BAND III: BRÜNING-ROHDE
DIE SCHMIEDEKUNST
BIS ZUM AUSGANG DES
18. JÄHRHUNDERTS
ZWEITE ERWEITERTE AUFLÄGE
MONOGRAPHIEN
DES KUNSTGEWERBES
III.
BRÜNING-ROHDE:
DIE SCHMIEDEKUNST
BIS ZUM AUSGANG DES
18. JAHRHUNDERTS
VERLAG VON KLINKHflRDT & BIERMANN IN LEIPZIG
DIE SCHMIEDEKUNST
BIS ZUM AUSGANG DES
18. JÄHRHUNDERTS
VON
ADOLF BRÜNING
ZWEITE ERWEITERTE AUFLÄGE
BEARBEITET VON
ALFRED ROHDE-HAMBURG
MIT 171 ABBILDUNGEN
484906
— m
1922
VERLAG VON KLINKHARDT & BIERMANN IN LEIPZIG
Alle Rechte vom Verleger vorbehalten
^ Den Druck dieses Werkes
^ besorgte die Offizin von
Julius Klinkhardt in Leipzig
VORWORT
Die NeiiausgabG eines Buches, das sicli bewährt hat, und das jahrzehntelang das
Handbuch der künstlerischen Gesdiiclite des Sdimiedeeisens gewesen ist, ver-
pflichtet in mehrfaclier Hinsicht. Der Verfasser, der die Grundlinien festgelegt hatte,
mußte bei aller notwendigen Umarbeitung doch in seiner anerkannten Leistung be-
stehen bleiben. Das Gefühl der Pietät bindet den Neubearbeiter, aber es kann ihn
nur zwingen, das unangetastet zu lassen, was die wissenschaftliche Stärke des Buches
immer ausgemacht hat. Die umfassende Kenntnis des Ornamentstichmaterials, das
Brüning in Berlin zur Verfügung stand, seine nahezu vollständige Ausnutzung für
das Sclimiedeeisen hat die Behandlung des 18. Jahrhunderts zum Mittelpunkt des
ganzen Budies werden lassen.
Aber die Einstellung auf diese allerdings höchste Blütezeit verkümmerte alles
andere. Die Entwicklung der Barockzeit war die Vorbedingung und ist als solche
audi zur Geltung gekommen. Jedoch schon die Renaissancezeit war nur durch einige
Beispiele vertreten und fällt entschieden ab. Sie spielt die Rolle eines Auftaktes, wo
sie eigentlich Abschluß ist. Für die Geschichte des deutschen Schmiedeeisens im 18. Jahr-
hundert ist sie schlechthin überhaupt entbehrlich, da hier Gegensätze vorhanden sind,
die eine organische Entwicklung ausschließen. Nur die französische Spätrenaissance
ist Vorbedingung für das deutsdie Schmiedeeisen des Barock und Rokoko, hier liegen
die Wurzeln des architektonisdien Gitteraufbaues im Gegensatz zur dekorativen Flädien-
aufteilung der deutschen Renaissance. Wollte man daher auf die deutsche Renaissance
nicht ganz verzichten, so war es ratsam, den Rahmen weiter zu fassen und das
Mittelalter hineinzuziehen.
Nur wenn man sidi zu diesem Schritt entschließt, kann man die beiden formalen
Richtungslinien im großen umreißen: das dekorative Prinzip in der Schmiedeeisen-
kunst Deutsdilands bis zum Ende des 17. Jahrhunderts und das architektonische
Prinzip in Frankreich (England) und im Deutschland des 18. Jahrhunderts. Diese
Erweiterung liegt auch im Sinne unserer modernen Zeit, die dem Mittelalter ungleich
näher und wahlverwandtcr gegenübersteht, als die Zeit um 1900 es tat. In diesem
weitergesteckten Rahmen des Buches schien es ratsam, an Stelle der geographischen
Einteilung Brünings die historisch -stilistische durchzuführen. Der Eisenguß ist absicht-
lich in dieser Darstellung unberücksichtigt geblieben, da er ein Kapitel für sich bildet.
Damit sind die wesentlidien Punkte gesagt, die sich die vorliegende Neuausgabe
als Programm gesetzt hat. Die Ergänzung des Buches durch das Hineinarbeiten
neuerer Forschungsergebnisse bereitete keine Schwierigkeiten, da solche kaum zu
verzeichnen sind. Richtlinien, die Paul F. Schmidt in einem Aufsatz „Zur Geschichte
des Eisengitters" in „Kunst und Kunsthandwerk" Bd. XIX, 1916, S. 127 gab, sind in
dankenswerter Weise verarbeitet. Eine beachtenswerte Dissertation von Siegfried
Kracauer, „Die Entwicklung der Schmiedekunst in Berlin, Potsdam und einigen
Städten der Mark vom 17. Jahrhundert bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts",
Worms 1915, wurde ebenfalls herangezogen und gab audi Gelegenheit, einige Er-
gänzungen zum technischen Kapitel zu machen.
Hamburg, im Mai 1922. Alfred Rohdc.
Inhaltsangabe
Seite
Vorwort V
LitcraturnachweisG VIII
Einleitung: Technik des Schmiedeeisens 1 — 15
I. Mittelalter 16—26
II. Renaissance 27—42
III. Barock 43 — 104
1. Frankreidi 43 — 75
2. England 76—81
3. Deutschland 81 — 104
IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreich .... 105—129
V. Rokoko und Zopfstil in Deutschland .... 130 157
Register 158—160
LiteraturnadiweisG
(Ornamentstidifolgen sind nur im Text erwähnt.)
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15. 18 Jahrhunderts. Berlin Wasmuth 1884.
Einleitung
Technik des Schmiedeeisens
I. Die Bearbeitung des Schmiedeeisens
Die Verwendung des Eisens reicht bis in prähistorische Zeit zurück, wo wir eine
ganze Periode nadi diesem Material die Eisenzeit zu nennen pflegen. Aber der
Rost hat die meisten Erzeugnisse zerstört, so daß wir auch da, wo uns schon
literarische Quellen oder greifbare Vorstellungen zu Hilfe kommen, nämlich in der
ägyptischen und griechisclien Kullur, uns nur ein unscharf umrissenes Bild machen
können^). Aber wir haben Kunde von ausgedehnten Fundorten, deren Schätze dem
Altertum zur Verfügung standen. In Nubien, Kordofan, Sinai, Palästina, im Kaukasus,
Kappadokien, Böotien, Makedonien, Sardinien, Spanien und in vielen anderen Gegenden
treffen wir E senerzlager, die schon von Schriftstellern wie Xenophon, Strabon,
Plutardi und Plinius erwähnt werden. Audi die beiden wichtigen Eigenschaften der
Formgebung, die Schmiedbarkeit und die Schweißbarkeit waren den Alten schon bekannt,
wie wir audi bei Heraclius") schon die Erhärtung des Schmiedeeisens zu Stahl durch
rasches Abkühlen erwähnt finden. Die Schmiedbarkeit besteht darin, daß das Eisen
sich in rotglühendem Zustande durch Schlag und Druck, also durch Hämmern und
Walzen in beliebige Formen bringen läßt. Diese Eigenschaft ermöglicht eine reiche
plastische Bildung des Schmiedeeisens. Auf einem Vasenbilde'') (Abb. 1) finden wir
eine soldic Schmiede dargestellt. Daß es sich dabei um die Bearbeitung des Eisens
handelt, beweisen die gearbeiteten Werkzeuge, die an der Wand hängen: Doppel-
äxte, Beil, Doldimesser, Scheide, Schraubet?) und Säge. Ein gebückter Mann hat
links aus einem niedrigen, konisch geformten Schmelzofen mit der Zange ein glühen-
des Stück Eisen herausgeholt, das er auf einen Ambos hält, während ein anderer,
ebenfalls nackter Mann stehend mit über dem Kopf geschwungenem Hammer, den
er mit beiden Händen festhält, im Begriff ist, auf das zu schmiedende Stück Eisen
niederzuschlagen. Rechts von dieser Gruppe sitzen zwei mit dem Himation bekleidete
Zuschauer, von denen der eine Anweisungen zu geben scheint. Zahlreich sind ähn-
liche Darstellungen in der Antike, besonders wenn es sich darum handelt, uns die
Schmiede des Hephästos vorzuführen, während in der römisdien Kunst besonders
bei Sarkophagen häufig Putten und Eroten Waffen schmieden. Es ist sicher, daß
auch die zweite Eigenschaft des Schmiedeeisens, die Schweißbarkeit, den Alten bekannt
war, da sie von der Schmiedbarkeit nicht zu trennen ist. Sie besteht darin, daß
sich zwei Stücke Eisen in der Weißgluthitze in eines zusammenhämmern lassen,
ähnlich wie man etwa zwei Kügelchen Wachs durdi Kneten mit den Fingern in eins
verwandeln kann. Diese Eigenschaft gestattet eine innige, höchst dauerhafte Ver-
^) Vgl. Blümner, Tedinologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei den Griedien
und Römern, 4. Band, Leipzig 1887, S. 69.
') Heraclius, Von den Farben und Künsten der Römer. Herausgcg. von Ilg. Wien 1873.
*) Attische schwarzRgurigc Amphora, früher Samml. Bourgignon, Neapel, jetzt Boston.
Brüning-Rohde, Schmiedekunst. 1
Brüning - Rohdc, Scliiniedekunst.
bindung der clnzclnGn EiscnteilG zu einem Ganzen. Über die Bearbeitung des
Sdimicdceisens gibt uns die Literatur der Griedien und Römer wenig, Heraclius
erwähnt außer der Erhärtung zu StahP) durcii Wasser oder durdi das „Fett eines
brünstigen Bockes" nidits. Aber Bilder spredien dafür um so deutUdier. Für das
Abendländisdie Mittelalter fehlen uns audi diese, aber wir dürfen annehmen, daß
die alte Tedinik des Sdimiedens und Sdiweißens nie verlorengegangen ist, ebenso-
wenig, wie vvnr uns die alte Tedinik als wesentlidi von der modernen Handtedinik
versdiiedcn vorzustellen haben. Ebenso wie der Vierländer Bauer seine sdimiede-
eisernen Huthalter in den Kirdien oder der Tiroler Bauer seine Grabkreuze bis ins
19. Jahrhundert liinein mit den einfadisten Mitteln, Handhämmern und Zangen, aus
glühendem Eisen auf dem Amboß sdimiedete, so arbeiteten audi sdion die Ägypter,
die Griedien, die Römer, so arbeitete der Schmied des Mittelalters. So kommt es,
daß audi Theophilus Presbyter in seiner „Sdiedula Diversarum Artium"-) die Be-
flbb. 1. Schmiedewerkstatt auf einer attischen sdiwarzfigurigen
Amphora. (Museum Boston.)
arbeitung nur ganz kurz streift. „Das Eisen", schreibt Theophilus, „wächst in der
Erde, nach Art der Steine, es wird ausgegraben auf ebendie Weise, wie oben vom
Kupfer gesagt worden, gebrochen und in Klumpen geschmolzen, dann im Ofen des
Sdimiedes weich gemacht (liquator)-^) und gehämmert, um zu einem jeden Werk zu
taugen." Wenn wir Theophilus als mittelalterliche Quelle auffassen dürfen, so be-
stätigt er noch für seine Zeit, daß der Schlosser sich jeden Stab und jedes Blech,
das er brauchte, selbst ausstrecken mußte. Er bekam das Eisen in der Form der
Rohluppe, welche allenfalls ein wenig übergeschmiedet war, d. h. er erhielt das
Eisen in der rohesten Form direkt aus dem Bergwerk. Wahrscheinlich erst mit der
Heranziehung der Wasserkraft im Eisenhüttenwesen wurde dem Schlosser die Vor-
arbeit abgenommen, die darin bestand, die Rohluppe in handliche Formen, Stäbe,
Schienen, Bleche u. dergl. zu verwandeln.
1) Pähle.^ Die Lösdiung des Stahles bei den Alten, Wiesbaden 1885.
2) Herausgegeben von Ilg, Quellensdiriften Bd. 7, Wien 1874, Kap. 40, S, 3^
^) Die Übersetzung von Ilg: „flüssig gemacht" entspricht nidit der Technik, es wird in
WeiBgluthitze gebracht, d. h. erweidit.
I. Die Bearbeitung des Sditniedeeisens.
1. Die Vorarbeit, von der Rohluppe zum schmiedbarGn Eisen
Diese Abtrennung vollzog sidi vermutlich schon im 14. Jahrhundert. Die jetzt
entstehenden Hammer- und Walzwerke benutzten die Wasserkraft sowohl zur Be-
wegung der Podiwerke als audi der Blasebälge und großen eisernen Sdimiede-
hämmer. Mit den Eisenhütten, in denen das Eisen aus den Erzen gewonnen wurde,
wurden die Stab- und Blechhämmer verbunden, in denen das Eisen in handliche,
versdiiedenartige Stäbe, Schienen und Bleche verwandelt wurde. Außer den üblichen
Eisensorten ließen sidi die Schlosser audi nadi eingeschickten Modellen bestimmte
Formen, weldie öfter gebraudit wurden, auf Vorrat anfertigen. In den Stab-
hämmern wurden zugleidi gröbere Werkzeuge und solche Gegenstände gefertigt,
deren Herstellung den Schlossern mit ihren kleinen Handhämmern nicht möglidi
war, wie Anker, Ambosse, große Hämmer, Pflugscharen, Zapfen und Ringe zu
Mühlrädern usw.
Diese Hammerwerke erfüllten auch den Zweck, das Eisen zu reinigen und zu
verbessern. Dies geschah besonders dadurch, daß man die Rohluppen zu Stäben
ausschmiedete, mehrere derselben zu einem Paket oder einer Garbe, wie man es
nannte, vereinigte, diese zusammenschweißte und daraus einen Stab herstellte, der
an Güte und Gleichmäßigkeit der Textur die früheren Produkte weit übertraf. Denn
durch das wiederholte Schweißen und Schmieden wurden nicht nur die Unreinlich-
keiten, die der Rohluppe infolge der mangelhaften Gewinnung aus den Erzen an-
hafteten, herausgetrieben, sondern auch das ganze Gefüge des Metalls wurde dichter
und gleichmäßiger.
Vielfach entstanden auch besondere, von den Eisenhütten unabhängige Hammer-
werke, die sogenannten Reck- oder Zainhämmer, die von einem eigenen Gewerk,
den Zainern, betrieben wurden. Das Innere eines derartigen Zainhammers stellt die
Abbildung 2 dar'). Die Hämmer, drei an der Zahl, von verschiedener Größe, hängen
in einem aus kräftigen Balken gezimmerten Gerüst. Sie werden durch eine von
einem Wasserrade gedrehte Welle bewegt, an der in radialer Anordnung starke
Zapfen, sogenannte Daumen, befestigt sind. Mehrere derselben sind zwischen den
Balken sichtbar. Diese Daumen drücken auf das Ende des Hammers und heben ihn
dadurch empor, sobald ein Daumen sich infolge der Drehung der Welle wieder ent-
fernt hat, fällt der Hammer durch seine Schwere nieder, um sogleich wieder vom
folgenden Zapfen ergriffen und emporgehoben zu werden. Der Zainer braucht also
bloß das Eisen unter den Hammer zu halten und darauf zu sehen, daß derselbe
immer die richtige Stelle trifft.
Der große Umfang, weldien die Verwendung des Eisens im 17. und 18. Jahr-
hundert annahm, ließ dann auf weitere Hilfsmittel sinnen, dem rohen Eisenstück
möglidist schnell handliche Formen für die weitere Verarbeitung zu geben. Man
erfand zu diesem Zwecke die Walz- und Schneidewerke. Schon Lionardo da Vincis
allumfassender Geist hatte den Plan zu einem Walzwerk entworfen. 1532 beschreibt
Eobanus Hessus in seinem Gedicht „Urbs Norimberga" eine Eisenspalterei mit Streck-
und Schneidewerk, die aber wohl nur zur Herstellung von Draht- und Nageleisen
verwandt wurde. Auch in den Münzen, wo es besonders auf eine gleichmäßige
Dicke und Breite der Flachschienen ankam, aus denen die Münzen geschlagen werden
sollten, finden wir schon im 16. Jahrhundert zur Herstellung solcher Flachschienen
Streckwalzwerke im Gebrauch.
1) Christoph Weigel, Abbildungen der Gemein-Nützlichen Hauptstände von denen Regenten
und ihren so in Friedens- und Kriegszeiten zugeordneten Bedienten an bis auf alle Künstler
und Handwerker, Regensburg 1698.
Briininc] - Rohdc, Sdiiiiiedekunst.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts scheinen die zunädist in kleinen Maßstäben
arbeitenden Eisenspaltereien allmählidi größeren Umfang gewonnen zu haben.
1685 erbot sidi ein gewisser Johann Friedridi Müller, eine Eisensdineidemühle auf
dem Harz anzulegen, auf der man unter anderem sdion Eisenstäbe zu Hufeisen bis
mei^
5^e^^fen5 aro^^^^^tnufiticm
Hbb. 2. Zainhammer. (Ch. Weigel, Abbildung der Gemein-
Nützlichen Hauptstände, Regeniburg 1698.)
zu 12 Fuß Länge herstellen konnte. Die erste Abbildung einer soldien Eisenspalterei
aus der Gegend von Lüttidi bringt das Werk von Swedenborg De Ferro aus dem
Jahre 1734. Von Lüttidi sollen nadi Swedenborgs Angabe diese Eisenspaltereien
nadi Deutsdiland und England verbreitet worden und audi in Sdiweden in Gebraudi
gekommen sein.
Eine ansdiaulidie Darstellung soldier Schneidewerke bringt sodann der 3. Tafel-
band der großen französischen Enzyklopädie von Diderot und d'Älembert vom
I. Die Bearbeitung dos SdiiuiedeGiscns.
Jahre 1773 (Abb. 3), Im Hintcrcirunde erscheint der große Glühofen, in welchem die
Eisenstäbe, die gestreckt und dann zersclinitlen werden sollen, zunäclist erhitzt werden.
Ein Arbeiter nimmt mit der Zange das glühende Eisenstück aus dem Ofen heraus
und läßt es zwisclien zwei Walzen hindurchgehen, welche sich in derselben Weise
bewegen wie die Walzen einer Wäscherolle. Beim Durcliziehen durcli die Walzen
wird das Eisenstück sowohl düimer und breiter als auch bedeutend länger. Die so
gestreckte Flachschienc wird dann von dem Manne, der auf seine Zange gestützt
dasteht, ergriffen, über das Walzwerk seinem Genossen auf der anderen Seite
hinübergercicht und geht dann, nocli in glühendem Zustande, durch die Schneide-
walzen, von denen sie in dünne Stäbe zerschnitten wird. Die Drehung der Walzen
Abb. 3. Eisenspalterei (Diderot et d'Alembert, Encyclopedie, 1773, Plandies, III, 125).
gesdiieht durch Mühlräder. Um die bei der Arbeit sich erhitzenden Walzen ab-
zukühlen, ist eine Leitung eingerichtet, welche ständig Wasser in die siebartigen
Schalen oberhalb der beiden Walzenpaare führt, von wo aus es in Tropfen auf die
Walzen herabfällt. Jede der Schneidewalzen (Abb. 4) besteht aus mehreren stählernen
Scheiben, welche in Zwisclienräumen, die der Dicke der Scheiben gleich sind, neben-
einander auf einer Welle befestigt sind. Indem die Scheiben der oberen Schneide-
walze zwischen die Scheiben der unteren greifen, wirken sie wie die Schneiden
einer Schere und zerlegen die zwischen sie gebrachte Eisenplatine in einzelne schmale
Stäbe, deren Breite der Dicke der Schneidescheiben entspricht, während ihre Höhe
von der Stärke der eingeschobenen Platine abhängt. Die Anzahl der auf diese Weise
hergestellten Stäbe ist gleich der Summe der Scheiben beider Walzen weniger zwei.
Es gab auch Eisenspaltereien, bei denen, wie bei der im Werke von Swedenborg
abgebildeten, die beiden Walzenpaare nidit nebeneinander, sondern hintereinander
Brüniiig - Rohdc, Sdimiedekiinst.
lagen, so daß die gestredde Eisenscliicnc direkt zwisdien die Sdineidewalzen gebradit
werden konnte, das lästige, einen besonderen Arbeiter erfordernde Herüberreidien
der gestrediten Sdiiene infolgedessen
fortfiel. Die Strcdtwalzen wurden nicht
nur in Verbindung mit den Schneide-
walzen, sondern auch für sich allein
zur Herstellung flacher Eisensorten
und von Blechen verwandt. In der
noch näher zu besprechenden „Art du
serrurier" von Duhamel du Monceau
von 1767 werden die von den Walz-
werken angefertigten Flachschienen
wegen ihrer regelmäßigen Gestalt als
besonders braudibar hervorgehoben.
Auch Walzwerke zur Gewinnung
von Stäben von verschiedenen Quer-
schnitten kamen im Laufe des 18. Jahr-
hunderts auf. Schon 1728 erhält der
Engländer John Payne ein Patent
für ein Faqonwalzwerk. Auch der
Schwede Christoph Polhem erwähnt
1746 in seinem „Patriotischen Testa-
ment" Walzwerke zur Herstellung von
Stäben verschiedenen Durchschnitts,
Teilen von Schlössern und Schlüsseln.
Ein Pariser Schlosser namens Cho-
pitel') errichtete zu Essone bei
Corbeil ein derartiges Walzwerk, das am 28. Januar 1751 von einer Kommission der
französisdien Akademie der Wissenschaften geprüft wurde, es ist ebenfalls in der Enzy-
klopädie abgebildet(Abb.5).
Dieses Fac^onwalzwerk un-
terscheidet sich von dem
Streckwalzwerk insofern,
als in die obere Walze
eineumlaufende Vertiefung
eingegraben ist, und zwar
von der Form, welche dem
Stabe mitgeteilt werden
soll. Ließ man nun einen
glühenden Stab durch die
Mitte der beiden Walzen
gehen, so wurde er nicht
nur seiner Lage nadi ge-
streckt, sondern er erhielt
auch das in die obereWalze
eingeschnittene Profil. In
der Abbildung ist die obere
Walze noch besonders für sich dargestellt. Darunter ist ein Stück der Welle, welche
die untere Walze bewegt, sowie die Kuppelung der Welle und Walze abgebildet.
^) Siehe Duhamel du Monceau, Rrt du serrurier 1767, S. 64.
Abb. 4. Sdineidewalzen der in Abb. 3 dargestellten
Eisenspalterei (Diderot et d'Alembert, Encyclopedie,
1773. Planches III, 140).
Abb. 5. Fa^onwalzwerk (Diderot et d'Alembert, Encyclopedie,
1773, Planches III, 137).
1. Die Bearbeitung des Sdiiiiiedeeisens.
Im 19. Jahrhundert sind dann diese Walzwerke bedeutend vervollkommnet wor-
den. Die Einführung der Eisenbahnen um 1830 und der dadurdi hervorgerufene
kolossale Verbraudi von Eisensdiienen gab den Anstoß dazu. Der größte Teil des
Stabeisens wird jetzt in den Walzwerken hergestellt. Die Profile sind meistens in
beide Walzen je zur Hälfte eingesdinitten, man nennt diese Vertiefungen Kaliber;
da GS in der Regel nidit möglidi ist, sofort bei einem einmaligen Durdiziehen durdi
ein Walzenpaar dem Stabe die gewünsdite Form zu geben, so pflegt man mehrere
Walzenpaare hintcreinanderzustellen, deren Kaliber allmählidi zu der endgültigen
Form hinüberführen. Auf diesen Walzwerken werden nidit nur die Rohsdiienen
sowie die versdiiedensten Sorten des Stab- und Profileisens, sondern audi Zierformen
allerlei Art, weldie in die Walzen eingesdinitten sind, hergestellt.
2. Die Techniken des Kunstschmiedens
Während die Vorarbeit demnadi im Laufe der Jahrhunderte sidi wesentlidi ver-
ändert hat, ist dagegen die weitere Verarbeitung des Sdimiedeeisens zu künstlerisdien
Zwedien, abgesehen von einigen besonderen Zierverfahren, zu allen Zeiten ungefähr
dieselbe gewesen. Audi die Werkzeuge haben sidi nur wenig in den letzten Jahr-
hunderten verändert. Wenn audi die moderne Masdiine mandierlei Handleistungen
untergeordneter Art übernommen hat, weldie der Sdilosser früher mit mangelhaften
Instrumenten auszuführen pflegte, z. B. Bohrungen, so sind dodi die Werkzeuge,
mit denen die eigentlidie Formgebung des Sdimiedeeisens sidi vollzieht, fast genau
dieselben geblieben. Eine ansdiaulidie Vorstellung von der Einriditung einer Sdimiede-
werkstatt und die widitigsten Arbeiten des Sdimiedes im 18. Jahrhundert gibt uns
eine ausführlidie Abhandlung, weldie auf Anregung der französisdien Akademie der
Wissensdiaften 1767 herausgegeben worden ist. Sie ist der Teil eines umfangreidien
Sammelwerkes, in weldiem eine größere Anzahl von Handwerken und Industrien
besdirieben werden. Die Akademie hatte anfangs Reaumur, den Erfinder des nadi
ihm benannten Thermometers, mit dieser Aufgabe betraut. Reaumur hinterließ nadi
seinem Tode nur Brudistüd^e einzelner Abhandlungen. Dieses Material wurde dann
1759 samt 200 Kupfertafeln, die sdion fertiggestellt worden waren, versdiiedenen
Gelehrten zur Herstellung der „Dcscriptions des arts et metiers" übergeben. Duhamel
du Monceau unternahm u. a. audi die „Arts du serrurier", weldie 1767 heraus-
kam, während der größere Teil der darin enthaltenen Kupferstidie aus den
Jahren 1716 und 1717 stammen. Das ganze Sammelwerk ersdiien seit 1762 in
einer deutsdien Übersetzung unter dem Titel „Sdiauplatz der Künste und Hand-
werke", herausgegeben von dem Nationalökonomen Joh. Heinr. Gottlieb von Justi.
Das Budi Duhamel du Monceaus wurde von Damiel Gottfried Sdireber unter dem
Titel „Die Sdilösserkunst" übersetzt.
Die erste Tafel des Werkes gibt die Einriditung einer Sdimiedewerkstatt und
die widitigsten Werkzeuge des Sdilossers wieder (Abb. 6). Links im Hintergrunde
ersdieint der Herd, dessen Feuer durdi zwei Blasebälge in die zum Erhitzen des
Eisens nötige Glut gebradit wird. Zwei Lehrjungen bewirken, indem sie an Ketten
ziehen, die Bewegung der Bälge. Ungefähr in der Mitte des Raumes steht ein
großer Amboß mit reditedciger Bahn, an dem der Meister selbst arbeitet. Er hält
mit einer Zange ein glühend gemadites Eisenstüdi und bezeidinet durdi Aufsdilagen
des Hammers die Stellen, auf weldie die Sdiläge der von den beiden Gesellen ge-
handhabten großen Hämmer fallen sollen. An einem zweiten Amboß mit zwei
Hörnern ist ein anderer Geselle im Begriff, mit Meißel und Hammer einen Eisenstab
in zwei Teile zu zerlegen, Redits daneben führt ein Mann an einem großen Sdiraub-
8 Brüniiig-Rohdc, Sdimicdekunst.
Stock eine Vernietung aus. Vier andere Gehilfen arbeiten an der Werkbank vor
den Fenstern und links im Vordergrunde mit Feilen.
Unter der Werkstatt sind eine große Anzahl Werkzeuge des Schlossers dar-
gestellt, zunädist einige Ämboßc (Fig. 1 — 6) von verschiedener Größe und Gestalt.
Die kleineren wurden entweder in eine besondere Öffnung eines der großen Amboße
eingezapft (Fig. 2 b) oder in einen Sdiraubstod^ eingespannt. In Fig. 7 — 12 sind
Hämmer, in 17 — 23 Zangen mannigfaltiger Form und in 51—56 große und kleine
Feilen abgebildet. Zum Festhalten des zu bearbeitenden Eisenstücks dienen die
Sdiraubstöcke (Fig. 48, 49). Der betreffende Gegenstand wird in die Backen der-
selben, die sidi zusammenschrauben lassen, eingespannt. Sie werden an dem Werk-
tisch, wie aus der Darstellung ersichtlidi ist, befestigt. Ein kleiner Schraubstock zum
Handgebraudi, Handsdiraube oder Feilkloben genannt, ist in Fig. 50 abgebildet.
Feine Gegenstände bringt man nicht direkt zwischen die Backen des Schraubstockes,
da sie durch das Gebiß derselben beschädigt werden könnten, sondern sie werden
von Kluppen festgehalten (63 66), die man in die Mäuler der Schraubstöcke ein-
spannt. In der hölzernen Kluppe 63 wurden polierte Stücke befestigt. Unentbehr-
lidie Werkzeuge sind alsdann die Meißel (Fig. 45—47, 62 u. 63). Sie dienen zum
Abtrennen, Aushauen und zum Einhauen von furchenartig?n Vertiefungen. Die Sefz-
hämmer und Setzmeißel (41 — 44) werden mit der breiten Bahn oder der Schneide
auf das Arbeitsstück gesetzt, auf das andere Ende wird dann mit dem Hammer
aufgeschlagen. Will man ein Eisenstück mit viereckigen oder runden Löchern ver-
sehen, so bedient man sich zur Erweiterung derselben der Dorne. Vier von ver-
schiedener Gestalt sind in Fig. 30 — 33 abgebildet. Unter den zu durchlochenden
Gegenständen legt man beim Einhauen der Löcher sog. Lochringe (71 u. 72) oder ein
Eisen von der Form des in Fig. 73 dargestellten. Anstatt der mannigfaltigen modernen
Bohrapparate ist hier nur die primitive Bohrrolle (Fiedelbohrer) vorhanden. Dieselbe
besteht aus drei Teilen, zunächst einem ovalen Brett mit Handgriff (58), auf dem ein
Eisenband mit kleinen Vertiefungen angebradit ist. Dieses setzte sich der Schlosser,
wenn er ein Lodi bohren wollte, auf die Brust, stellte in eine der Aushöhlungen
das untere Ende des Bohrers (57), das andere Ende mit der Schneide richtete er auf
die Stelle, wo das Loch gebohrt werden sollte. Die Drehung des Bohrers geschah
nun in der Weise, daß der Schlosser die Schnur des Bogens (59) um die Rolle des
Bohrers schlang und dann den Bogen auf- und abwärts bewegte, so daß die Rolle
samt dem Bohrer sich herumdrehte. Übrigens gab es außer diesem Instrument auch
nodi andere Bohrer, welche aber auch nicht viel vollkommener waren. Von den
übrigen Werkzeugen ist nodi die Sprenggabel (60) zu erwähnen. Mit ihr biegt man
Eisenstäbe, indem man sie vermittels des Hakens festhält. Außerdem bedarf der
Kunstschmied nodi verschiedenartiger Meßinstrumente, von denen hier zwei Zirkel
(37 u. 38), ein Zollstab (34) und Winkelmaße (35 u. 36) abgebildet sind. Zum Be-
dienen des Feuers sind endlich Kohlenschaufeln (26 u. 27), ein Löschspieß (25), ein
Schüreisen (2^) und ein Löschwedel (29) zum Anfeuchten der Kohlen erforderlich.
Die Arbeit des Kunstschmiedes, der mit den eben beschriebenen Werkzeugen
arbeitet, war dreifacher Art. Sie bestand
1. in den Verfahren, wodurdi eine weitere Formveränderung des Materials
erzielt wird, nämlich das Schmieden, Treiben, Gravieren, der Eisenschnitt
und das Ätzen;
2. in der Verbindung der einzelnen Teile zu einem Ganzen, das Schweißen,
Löten, Nieten;
3. in der farbigen Behandlung, das Tauschieren, Blauanlaufen, Überziehen mit
anderen Metallen wie Gold, Zinn usw., und endlich die Bemalung.
I. Die Bearbeitung des Sdimiedeeisens.
flbb.6. Die Werkzeuge des Schlossers (Duhamel du Monceau, Art du serrurier, 1767, pl. 1).
10 Brüiiing-Rolidc, Sdunicdckunst.
Unter den versdiiedenen Arbeiten des Kiinstsdimiedes steht obenan das Schmieden
als das dem Cliarakter des Sdimiedecisens am meisten angemessene Bearbeitungs-
verfahren. In der Rotglut wird das Eisen so weicli, daß es sidi leidit mit dem
Hammer bearbeiten und in die versdiiedcnsten Formen bringen läßt. Durdi wieder-
holte Hammcrsdiläge kann das Eisenstüd^ verlängert oder verbreitert werden, man
nennt das Strecken. Andererseits kann es aber audi verkürzt oder verdickt werden,
indem man das Arbeitsstück in der Längsriditung gegen den Amboß oder einen be-
sonderen Klotz stößt, oder indem man mit dem Hammer auf das Ende desselben
kräftig zusdilägt. Diesen Vorgang bezcidmet man als Stauchen. Ein Biegen des
Eisenstabes läßt sidi leicht bewirken. Ein Abbiegen im rediten Winkel erfolgt durch
Herumsdilagen um eine Kante des Ambosses, während runde Biegungen an den
Hörnern des Ambosses, von denen nach Duhamel das eine eine viereckige, das
andere eine runde Spitze haben soll, ausgeführt werden, Hammer und Amboß sind
hier also allein formgebend.
Von den übrigen beim Schmieden vorkommenden Handgriffen, die natürlich
höchst mannigfaltig sind und sich nidit in jedem Falle besonders bezeidmen lassen,
ist das Sdimieden in Gesenken ein für die Formgebung des Eisens sehr wichtiges
Verfahren. Man bedient sich desselben, um einem Stabe ein bestimmtes Profil zu
geben oder um kleine Zierate, welche sich in größerer Anzahl wiederholen sollen,
herzustellen. Während die Gesenke heutzutage durch die Vorarbeit der Walzwerke,
weldie Stäbe mit den verschiedensten Querschnittprofilen und allerlei Zierat fertig
den Sdilossern liefern, für zahlreiche Formen entbehrlich geworden sind, spielten sie
in den früheren Jahrhunderten in der Schmiedearbeit eine große Rolle. Ihr mannig-
faltiger Gebrauch im 18. Jahrhundert wird auf Tafel IX (Abb. 7) der „Art du serrurier"
von Duhamel du Monceau erläutert, in dem gezeigt wird, wie der Schlosser am
zweckmäßigsten Balkon- und Treppengeländer von der Art der in Fig. 7 u. 9 ab-
gebildeten herstellen kann, besonders wie er sidi die Verfertigung der einzelnen
Zierteile durch die Benutzung von Gesenken erleichtern kann. Als Beispiele sind
der Teil eines Balkongitters (Fig. 9) und eines nach links umbiegenden Treppen-
geländers (Fig. 7), welche beide dem Stile nach dem Anfang des 18. Jahrhunderts
angehören, gewählt. Um die Umbiegung des Geländers richtig herauszubekommen,
bediente man sidi eines gewölbten Brettes (Fig. 8), auf dem die Stäbe und Zierteile
des Geländers abgepaßt wurden, links in der Werkstatt ist ein Geselle (Fig. 5) mit
dieser Arbeit beschäftigt. Da die Gitter sich aus einer großen Zahl gleichartiger
Formen zusammensetzen, so erleichterte man sich die Herstellung dieser oft wieder-
kehrenden Zierteile durch verschiedene Hilfsmittel. Für die C-förmig gebogenen
Stäbe waren besondere eiserne Lehren vorhanden (Fig. 10), an denen die in Fig. 11
dargestellten Schnörkel gebogen wurden. Die Verbindung der Stäbe zu einem
Ganzen geschah zum Teil durdi umgelegte profilierte Leisten, die man Bunde
nennt (Fig. 7N, 9N u. a.). Die verschiedenen Teile eines solchen Bundes sind in
Fig. 12 dargestellt, unter aa die Leisten, aus denen die Bunde angefertigt wurden.
Fig. 13 gibt eine Spannkluppe zum Festhalten der Bunde bei der Arbeit wieder.
Um nun das Profil dieser Leisten herzustellen, bedient man sich der Gesenke, d. h. ver-
stählter Hohlformen, welche auf dem Amboß (Fig. 15 u. 16) durch Bänder befestigt
werden. Wird nämlidi ein Eisenstab glühend in das Gesenk eingeschlagen, wie es
in der Werkstatt rechts geschieht (Fig. 1 u. 2), so erhält er die Form des eingegrabe-
nen Profils, ebenso wie glühendes Siegellack die Gestalt des in das Petschaft ein-
gegrabenen Siegels annimmt. Um den zweiten Arbeiter zu ersparen, war zum Fest-
halten des Stabes auf dem Gesenk zuweilen noch eine Klammer an dem Amboß
befestigt (Fig. 161, k, 1).
I. Die Bearbeitung des Sdimiedeeisens.
11
Abb. 7. Das Schmieden in Gesenken (Duhamel du Monceau, Art du serrurier, 1767, pl. IX).
12 Brüning-Rolide, Sdiiiiicdekunst.
Audi bei der Verfertigung der sidi wiederholenden Pflanzenformen wird von
Gesenken Gebraudi gemadit. Die zum Sdimud^ der beiden Gitterteile verwandten
ausgezadden (Akanthus-) Blätter (Fig. 7K u. 9K) können nämlidi in folgender Weise
ausgeführt werden. Zunädist wird ein Stüdt Bledi zu der in Fig. 18 u abgebildeten
Form ausgesdinittcn. Um sodann dem Oberteil dieses Blattes die Form zu geben,
die es in u., und U:> hat, benutzt man ein doppeltes Gesenk, ein Unter- und Ober-
gesenk (Fig. 19ti u. t.J. Leider gibt die Abbildung keine gute Vorstellung, da der
Maßstab beider dodi zusammengehörender Gesenke versdiieden ist. Audi sonst läßt
die Zcidinung sowohl bei dieser wie bei anderen Tafeln viel zu wünsdien übrig.
In dem Untergesenk (Quersdinitt desselben in t.,) ist die Form der Blattspitze hohl,
auf dem Obergesenk erhaben dargestellt. Legt man nun die Spitze des Bledies u
auf das Untergesenk, setzt das Obergesenk darüber und sdilägt kräftig mit dem
Hammer auf dieses, wie der Mann in Fig. 3, so erhält das Blatt die in U2 vorgeführte
Form. Man kann audi diese Form mit dem einfadien Gesenk t, zustande bringen. Dann
gilt es, dem bis dahin fladien Blatte eine rinnenförmige Gestalt zu geben, wie in u^.
Das erreidit man leidit durdi Einhämmern in das runde Gesenk t.-,. Die Umbiegung
der Blätter U|ff. gesdiieht mit Hilfe der Gabel t,,, in welche man die Spitze des
Blattes hineinlegt. Die wellenförmige Auszackung des Blattes endlidi (u,., u. u-) wird
aus freier Hand auf besonderen kleinen Ambossen t^ verrichtet. Ebenso werden die
Zierknöpfe des aus den Blättern hervorwachsenden Schosses (Fig. 7 u. 9M) ver-
mittels eines Doppelgesenkes (Fig. 21) hergestellt. Zur Verfertigung kleiner Zierate
benutzt man auch Doppelgesenkc in Form von Zangen. Fig. 200., stellt einen Palm-
zweig dar, der von Epheuranken umwunc'en ist. Die Palmblätter werden aus den
Bledien B., mit Benutzung der Zangen A.,-, geformt. Die Schneiden dieser Zange
bilden nämlich ein Ober- und Untergesenk (Querschnitt in mangelhafter Darstellung
in A:;). Die einzelnen so gewonnenen Palmblätter werden dann zu mehreren zu-
sammengeschweißt und mit Nieten (B^) am Zweige befestigt. Die allmähliche Ent-
stehung der Epheuranken wird aus den Fig. Ec, - ersichtlich. Die übrigen auf der
Tafel in Fig. 22—24 dargestellten Werkzeuge sind Bohrwerkzeuge. Eines derselben
wird von dem Manne Fig. 6 benutzt.
Einen wesentlichen Anteil an der Herstellung von Kunstformen hat sodann die
Treibarbeit, die bei dünnen Blechen auch in kaltem Zustande ausgeführt werden
kann. Auch hier mag eine Tafel (XI) des Werkes von Duhamel du Monceau, weldie
die Unterschrift trägt: „Reniere del 1717 Lucas scul.", als Illustration dienen (Abb. 8).
Als Beispiel ist hier ein Akanthusblalt gewählt, das in seiner vollen Größe zunächst
auf Papier vorgezeichnet (Fig. 8n) und dann auf Blech gepaust wurde, oder die
Papierzeidinung wurde direkt auf das Blech aufgeklebt. Aus den Bledien wird es
darauf ausgehauen, und zwar in drei Stücken T, V, X. Diese Teile werden ge-
trieben (To, V.,, X.) und mit Nieten aneinander befestigt. Die endgültige Form des
Blattes ersdieint in Fig. Y.
Die Treibarbeit, bei der das Eisen leicht hart und brüchig wird, und das deshalb
öfter ausgeglüht werden muß, gesdiah zunächst auf sogenannten Untersätzen, von
denen mehrere in Fig. 6E — K abgebildet sind. Der Untersatz K dient als Lochring,
L als Dorn; zu denselben Zwecken, nämlich zur Herstellung von Löchern oder kleiner
grubenartiger Vertiefungen, kann M gebraucht werden. Die Untersätze wurden in
den Schraubstock gespannt und dann das Blech mit Hämmern (Fig. 7A — D) bearbeitet.
Die verschiedenartige Form der Untersätze und Hammerbahnen kamen der Herstellung
vielfacher Formen, Furchen, runder und länglicher Vertiefungen usw. entgegen. In
der Werkstatt sind die beiden Leute rechts und links im Vordergrunde mit dieser Art
der Arbeit beschäftigt. Die feinere Treibarbeit wird auf einem Holzklotz (Fig. 12)
I. Die Bearbeitung des Sdimiedeeisens.
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Abb. 8. Die Treibarbeit (Duhamel du Monceau, Art du serrurier, 1767, pl. XI).
14 Brüiiinci- Rhode, Sdimicdckunst.
oder besser auf Blei ausgeführt. Das auf den Untersätzen vertiefte Bledi wird auf
der Rüdtseite mit Blei ausgegossen und dann von vorn mit Punzen versdiiedener
Gestalt (Fig. 16c— h) bearbeitet. Zum Festhalten des Bleclies auf dem Holzklotz
dienen die in Fig. 13 dargestellten Nägel. In der Werkstatt treiben die beiden
Arbeiter in der Mitte auf Blei. Handelt es sicli darum, einen Gegenstand herzustellen,
der aus zwei gleiclien Hälften besteht, wie der Akanthuskeldi Fig. 9 m, so kann man
beide Seiten zugleidi treiben, indem man, wie aus Fig. 9i ersiditlidi ist, zwei Bledie
übereinanderlegt und sie dadurdi vor dem Versdiieben bewahrt, daß man ihre
Ed<cn umsdilägt. Die in Fig. 1 1 A — Y dargestellten Studie veransdiaulidien die Her-
stellung einer großen eisernen Vase.
Außer durdi Treibarbeit kann audi durdi Gravierung die breite Flädic des
Eisenbledies in kaltem Zustande Belebung erfahren. Sie besteht darin, daß mit dem
Grabstidiel eine Zeidinung in den Grund vertieft eingesdinitten wird. Mit dieser
Tedinik verwandt ist das Verfahren, durdi Einhauen mit dem Meißel oder durch das
Einsdilagen von Punzen Linien und Punkte hervorzubringen.
Audi der Eisensdinitt geschieht ebenso wie das Gravieren in kaltem Zustande.
Der betreffende Gegenstand, Türklopfer, Sdilüsselgriff u. a., wird zunächst in rohen
Formen vorgesdimiedet und dann mit Bohrern, Meißeln, Grabsticheln usw. weiter
bearbeitet. Die Kunstform wird auf diese Weise aus dem rohen Eisenstück heraus-
geholt wie die Statue aus dem Marmorblock. Gleichmäßige Rundungen werden auf
der Drehbank ausgeführt.
Ein besonderes, im 16. Jahrhundert geübtes Verfahren, welches im 19. Jahrhundert
wieder hier und da aufgenommen worden ist, ist das Ätzen. Es ist eine ähnliche
Technik, wie sie bei der Radierung in Gebrauch ist. Die Eisenfläche wird zunächst
mit dem sog. Atzgrund überzogen, für den es verschiedene Rezepte gibt, z. B. Asphalt-
Terpentinlack oder Wachs und Asphalt zu gleichen Teilen in Terpentin aufgelöst.
Wie aber audi seine Zusammensetzung sein mag, jedenfalls muß er die Eigenschaft
haben, das Eisen vor dem Angriff von Säuren zu schützen. In diesen auf das er-
wärmte Eisen aufgetragenen Atzgrund wird die Zeichnung mit einem Griffel ein-
geritzt, der das Eisen bloßlegt. Dann wird ein Rand von Wachs um die Platte
gelegt und auf die Zeichnung Atzwasser gebracht, welcher den freigelegten Grund
tief ätzt. Als geeignetes Ätzwasser werden vier Teile konzentrierter Essigsäure, ein
Teil absoluten Alkohols und ein Teil konzentrierter Salpetersäure empfohlen. Wird
schließlich, nachdem das Ätzwasser genügend lange gewirkt, der Ätzgrund entfernt,
so steht die Zeichnung vertieft auf dem blanken Eisengrunde oder umgekehrt. Um
die Ornamente noch besser hervorzuheben, reibt man die Vertiefungen mit einer
sdiwarzen oder andersfarbigen Masse ein. Charakteristisch für die geätzte Arbeit
sind die kleinen Unregelmäßigkeiten der Linien, welche nie so gleichmäßig glatt ge-
zogen sind, als es bei der Gravierung der Fall ist. Aber auch gerade darin liegt
wieder ein besonderer Reiz der geätzten Arbeit.
Unter den Arbeiten des Schmiedes, welche die Zusammensetzung der einzelnen
Teile zu einem Ganzen bezwecken, steht obenan die Schweißarbeit als die dauer-
hafteste Eisenverbindung. Gewöhnlich werden die beiden Eisenstücke, welche an-
einandergeschweißt werden sollen, an den Verbindungsstellen abgeschrägt und diese
sdirägen Flächen beim Schweißen aufeinandergelegt. Da bei größeren Stücken die
Sdiweißung mit sehr viel Schwierigkeiten verbunden ist, so ersetzt man sie vielfach
durch die kalte Nietung, bei der die zu verbindenden Teile durchlocht und vermittels
eines Nietnagels vereinigt werden. Das Löten mit Kupfer und Messing findet nur
selten Anwendung und auch dann nur bei kleineren Stücken. Von anderen Eisen-
verbindungen ist der Bund schon erwähnt (S. 10). Die Durchschiebung, bei welcher
I. Die BoarbeitiiiKj des SdiinicdGeisens. ]5
der eine Stab durdi AiifhauGn gelocht und ein zweiter diirchsclioben wird, ist ein
besonders beliebtes Verfahren bei deutsclien Gittern des 16. nnd 17. Jahrhunderts,
aber audi sdion der Gotik bei kantigen Stäben.
Der vornehmste farbige Sdiinuck des Eisens ist die Tausdiierarbeit, bei der
Gold-, Silber-, Kupfer- oder Messingteildien in das Eisen eingelegt werden. Ent-
weder rauht man den Grund feilenartig auf, ein Verfahren, das sdion Theophilus
kennt und umständlidi sdiildert, hämmert die ein bestimmtes Ornament bildenden
Goldteildien darauf fest und glättet dann die Oberflädie wieder, oder man graviert
Linien in die Oberflädie des Eiseus und sdilägt dünne Drähte des andersfarbigen
Metalls ein.
Während die Tausdiierarbeit nidit nur auf Eisen, sondern audi auf Messing
und Bronze vorkommt, ist dagegen die sog. Blaumalerei eine dem Eisen speziell
eigentümlidie Dekoration. Sie beruht auf der Eigensdiaft des polierten Eisens, beim
Erhitzen anzulaufen und versdiiedene, sdiließlidi die blaue Farbe anzunehmen. Man
läßt zunädist die Flädie blau anlaufen, überzieht sie dann mit Wadis und stellt
durdi Abnehmen desselben das erwünsditc Bild oder Ornament her. Die Bläuung
entfernt man von den bloßgelegten Stellen, indem man das Eisenstüd^ für eine kurze
Zeit in eine sdiwadie Säure taudit. Nadi dem Abwasdien des Ätzgrundes steht
dann die Zeidinung blank auf blauem Grunde oder umgekehrt. Zumeist wird die
Zeidinung noch durch eingravierte Linien umsdirieben, um sie schärfer vom Grunde
abzuheben. Man kann auch die Zeichnung aus dem blauen Grunde ausschaben.
Soll ein Teil der Oberfläche oder auch der ganze Gegenstand den blanken Glanz
des Stahles erhalten, so feilt man die obere Haut ab, schleift das Eisen mit Schmirgel
oder poliert es mit feinem Pulver.
Ein anderes Mittel, die Oberflädie des Eisens zu veredeln, besteht in dem Über-
ziehen mit anderen Metallen, mit Gold, Zinn usw. Beim Vergolden bedient man
sich entweder der Feuervergoldung, bei der das Gold als Amalgan aufgetragen und
dann das Quecksilber durch Erhitzen verdampft wird, oder der Blattvergoldung, bei
der das Gold in Blattform aufgetragen wird.
Sowohl zur Verfeinerung der Oberfläche wie zum Verhüten des Rostes dient
auch die Bemalung mit Öl- oder Lackfarben. Während man heutzutage Gitter und
andere Eisenarbeiten gewöhnlich schwarz anzustreichen pflegt, liebte man in früheren
Jahrhunderten eine reiche Vergoldung und Bemalung. Zur Zeit der Renaissance
prangte das Gitterwerk im Schmucke verschiedener Farben und Vergoldung. Später
pflegte man zumeist das Stabwerk grün oder schwarz anzustreichen, die Ornamente
aber zu vergolden, nicht nur in einfarbigem, sondern auch mehrfarbigem Golde. Doch
machte man auch noch im 18. Jahrhundert von der bunten Bemalung Gebrauch.
Kapitel I
Mittelalter
Hatte im römischen KimstgevvcrbG das Eisen') neben edleren Materialien eine nur
untergeordnete Bedeutung, trat es in den ersten Jahrhunderten unserer Zeit-
reciinung in Begleitung der kriegerisclien Völkerverscliiebungen in den Dienst dieser
Bewegungen als Waffenhandwerk, so
war erst mit der friedlichen Ausbreitung
und der Mission der Kirchen und
Klöster an eine friedliche Einstellung
dieses Materials zu denken. Die Denk-
mäler sind überaus spärlich. Wir sahen,
daß der Schmied dieser Zeit — war
er wirklicli schon Handwerker, oder
war er noch Mönch — mit der müh-
samen Bearbeitung der Rohluppe be-
gann, und daß ihm keine mechanischen
Werkzeuge zur Verfügung standen. So
war für ihn der Hammer allein form-
gebend und dementsprechend die Ver-
wendung des Materials rein zweck-
mäßig. Als Verbindung und Ver-
ankerung von Steinquadern in der Art
einfacher Klammern, die oft schon auf
einer Seite gespalten waren und auf
diese Weise dreifach griffen, so finden
wir das Schmiedeeisen an romanischen
Bauwerken verwendet.
Die wichtigste Verwendung war
aber, ebenfalls rein konstruktiv, die-
jenige zur Verstärkung des Holzes als
Beschlag an Türen und Toren. In
primitiver Form ist das Ornament meist
aus dem einfachen Eisenstab heraus
entwickelt: der einfache Stab gebogen,
nach den Enden dünner zulaufend und
in den Spitzen spiralförmig aufgerollt,
in reicherer Form auch schon mit dem
Setzeisen gespalten und die abgespalte-
ten Teile ebenfalls gerollt, daneben auch
mehrere Stäbe zusammengeschweißt
und wieder getrennt oder gespalten.
So war ein mannigfacher Formreichtum aus der Technik des primitiven Werkzugs heraus
möglich, wie sie uns romanisch-gotische Kirchen besonders in Frankreich zeigen.
') Vgl. Beck, Geschichte des Eisens, Braunschweig 1884, Bd. I, S. 837-844. F. S. Meyer,
Handbuch der Schmiedekunst. Leipzig 1888, S. 31— 57. Krauth u. F. S. Meyer, Das Sdilosserbudi,
Leipzig 1891, S. 124-127. Violett-le-Duc, Dictionnaire de l'architecture, Bd. VIII, Paris 1875, S. 291.
Abb. 9. Kloster Maulbronn, Südportal.
Kapitel I. Mittelalter.
17
In seiner konstruktiven Sdiliditheit am anziehendsten sind die Türbeschläge des
Südportals der St. Georgenkirdie zu Sdilettstadt^). Reidier in der Ornamenlik, aber
auf den gleidien primitiven Grundlagen aufgebaut ist der Türbesdilag am Südpoital
des Klosters zu Maulbronn (Abb. 9), audi hier wirken nodi die aus einem Stabe
gebogenen C-förmigen Ornamente als formgebend. In die gleidie Gruppe, in Einzel-
heiten wieder reidier ausgestaltet, gehören die Türbesdilägc der Kathedrale von
Lüttidi, die dem 13. Jahrhundert angehören mögen, während die Türbesdiläge von
Notre Dame zu Paris (Abb. 10), derselben Zeit etwa angehörend, den Höhepunkt
Abb. 10. Eisenbeschiäga am Portal von Notre Dame, Paris.
dieser spätromanisdi-frühgotisdien Sdimiedeeisenkunst festhalten. Dieser Reiditum,
aufgebaut auf den primitiven Tediniken des Sdimiedens und Sdiweißens, war für
alle Zeiten etwas so Unerhörtes, daß sidi ein Kranz von Sagen sdion früh spann,
der diese Arbeit als leibhaftes Werk des Teufels hinzustellen versudite. Es sind an
an diesen Besdilägen ganze Bündel von Fladistäben zusammengesdiweißt und lösen
sidi zu einem Strauß von Blumen und Blättern auf, während die Sdiwcißstellen
durdi Blätter und Bänder möglidist verded^t sind.
Hier war das Äußerste der zugrunde liegenden primitiven Tedinik erreidit: eine
Steigerung war nur zu denken auf Grund neuer Tediniken. So stand die Zeit
gleidisam sdion in Erwartung von Neuerungen, wie wir so oft erleben, daß neue
1) Abbildung vergleiche Fr. X. Kraus, Kunst u. Altertum im Unterclsaß, Straßburg 1876, S. 277.
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst. 2
18
Brüninci - Rohde, Sdimicdckiinst.
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Tcdiniken Geburten der Entwicklungsnotwendigkeiten sind. Die wichtigen technischen
Fortsdiritte dieser Zeit sind einmal das Sclimieden in Gesenken, das vermutlich auch
bei den Pariser Türbesclilägen sdion verwendet wurde, und zum anderen die kalte
Nietung, d. h. die Umgehung der mühevollen Sdiweißung, die besonders bei großen
Arbeiten nidit immer auszuführen war, oder die die Ausführung großer Arbeiten
unmöglidi madite. Daneben nahm die Aussduieidearbeit aus Eisenblech einen größe-
ren Raum ein. War vorher der Hammer das einzige Instrument des Schlossers, so
treten jetzt die Gesenke und die Grabstidiel hinzu. Die Folge dieser technischen
Umwälzung, die die größte in
der Gesdiichte der Schmiede-
eisenkunst genannt werden darf,
war die meisterhafte Beherr-
schung des Materials und die
größere Möglidikeit eines reiche-
ren Formreichtums. Historisch
begründet das die hervorragende
Bedeutung des Schmiedeeisens
seit der Gotik, wo wir als Gitter
oder Beschläge immer das Eisen
verwendet finden, wo wir es
aber auch als Schlüssel, Kästen
und für andere Gegenstände auf-
treten sehen.
Es kann hier nicht unsere
Aufgabe sein, den ganzen Form-
reichtum gotischer Beschläge auf-
zuzeichnen, so mag die Abb. 11
nur einen kleinen Aussdinitt
geben. Das namhafteste Bei-
spiel eines großen Torbesdilages
ist der Beschlag vom Nordost-
portal des Domes zu Erfurt
(Abb. 12). Hier knüpft die linke
Tür unmittelbar an jene Gruppe
von Beschlägen an, die wir in
dem Beispiel von Lüttich oder
in höchster Vollkommenheit in
dem von Paris kennen lernten.
In seiner Verwendung konstruktiv sind die vertikalen Eisenleisten durch die sym-
metrische Anordnung des Rankenwerks stark betont, den gleichen Meister erkennen
wir unschwer in der Erfurter Rathausschranktür (Abb. 13) wieder. Anders ist die
rechte Hälfte der Domtür gestaltet, hier liegt der Wert auf der dekorativen Auf-
teilung der Fläche. Ein textiles Muster breitet sich gleidisam auf einem Rahmen
aus, das, anstatt die vertikale Gliederung zu unterstreichen, diese auflöst und die
ganze Fläche mit einem Gewebe von Eisenbändern überzieht.
Der gleiche lose Zusammenhang mit Textilien kommt auch bei Gittern zum
Ausdruck.
Wir haben in der Gotik eine große Gruppe von Gittern, die lediglich den
Zweckgedanken formal auswertet. Das Gerichtsgitter in einem Bilde von Meister
Franke (1424, Abb. 14) zeigt einfache, schräg gestellte kantige Stäbe, die durdigesteckt
Abb. 11.
Gotisdie Schrankbeschläge (Hamburg, Museum
für Kunst und Gewerbe).
K.ipitcl I. Mittelalter.
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20
Brüniiig-Rohdc, Sdimiedckunst.
V. - —
Abb. 14. Meister Franke, Ausschnitt mit Gitter aus der
Geißelung Christi (Hamburg, Kunsthalle).
sind, die gleidie Technik, aus
der sidi Beispiele auch noch aus
anderen Gemälden des 15. Jahr-
hunderts heranziehen ließen,
zeigt eine Gittertür von einem
Sakramentshaus im Hamburgi-
sdicn Museum für Kunst und
Gewerbe (Abb. 15). Ein vor-
zügliches Beispiel ist das Gitter
des Marburger Elisabethsdireins,
das dem la. Jahrhundert ancje-
hört, und dessen Reiz noch in
der alten Bekrönung aus aus-
gesdinittcncm und bemaltem
Eisenblech besteht (Abb. 16).
Diese einfache Schrägmusterung
der Gitter von kantigen durch-
gesteckten Stäben hat sich weit
in das 17. Jahrhundert hinein
erhalten. So zeigt ein Korb-
gittor aus Erfurt, Fischmarkt 27
(Abb. 17), das um 1600 entstan-
den sein mag, diese überlieferte
gotischeTedinik und Ausführung
in Verbindung mit reiner Re-
naissanceumrahmung und Re-
naissancefüllungen. Textilartig
wirkt dagegen das eiserne Gitter-
tor in der Seitenkapelle der St.
Ulrichskirche zu Augsburg, das
zusammen mit dieser KapeUe
der Familie Haustätten 1471
entstanden sein mag (Abb. 18).
Die dekorativ behandelte Fläche
ist zwischen schmalen Lang-
streifen brokatartig gefüllt mit
einer Musterung, wie wir sie
bei Seidengeweben dieser Zeit
finden.
Neben der konstruktiven
und der mehr dekorativen kön-
nen wir nun noch eine dritte
Gruppe zusammenstellen, die
ihre Formwelt der Baukunst
entlehnt und so das Material
als solches negiert. Die über-
ragende Bedeutung der goti-
schen Bauschule hatte dazu gc-
Äbb. 15. Sakramentshausgiiter (Hamburg, Museum f. Kunst ^ührt, daß ihr Einfluß nicht nur
und Gewerbe).
den engeren Kreis der Stein-
Kapitel I. Mittelalter.
21
Hbb. 17. Fenstergitter (Erfurt, Fisdimarkt 27).
Abb. 16. Gitter für den Elisabethsdirein (Marburg, Elisabethkirche).
22
Brüning - Rohde, Sdimiedekunst.
metzen umfaßte, sondern jedes Kunstgewerbe. Wir bcobacliten, wie mit der Gotik
ardiitektonisdie Formen in den Chorgestühlen, Sdiränken, Kcldien, Monstranzen usw.
Eingang finden. Der glcidie Formgedanke faßt alles zusammen. So sehen wir
audi beim Sduniedeeisen Fialen, Kreuzblumen, gotisdie Spitzbögen, Fisdiblasen-
ornamente und gotisdie Kerbsdinittwirkungen mit kantigen Graten auftreten. Das
Sakramentshausgittcr des Hamburgisdien Museums für Kunst und Gewerbe (Abb. 19)
ist aus zwei übereinander genieteten, durdibrodienen Eisenplatten hergestellt. Die
vordere stärkere Platte bildet den Körper des Maßwerkes und die Stäbe, die hintere
aus dünnem Eiscnbledi gibt die Zacken. In dem oben absdiließendcn Rundbogen
zeigt sidi eine Fisdiblasenrosette, wie sie in der Architektur vielfadi verwendet ist.
Das Sdiloß der Sammlung Figdor-
Wien (Abb. 20), vermutlich aus
Frankreich stammend, wirkt im
kleinen wie eine mächtige gotische
Fassade und ist so sehr aufgelöst
in seine Architektonik, daß seine
Zweckbestimmung ganz versteckt
ist, das eigentliche Schlüsselloch
ist hinter dem Schild mit den
drei heraldischen Lilien und der
Krone verborgen. Der große
Kronenleuchter der Kirche in
Vreden in Westfalen (Abb. 21),
eine Arbeit des Schmiedemeisters
Gert Bulfink, wurde, 1489 voll-
endet, von der Schmiedezunft
von Vreden der Kirche gestiftet;
er steckt der Form nach in der
Tradition der alten Ringkrone.
Zwei übereinander liegende Ringe
tragen zwölf gotische Tabernakel,
vom Fuße dieser Tabernakel
strecken sich die Kerzenträger vor.
In dieses schmiedeeiserne Gerüst
sind Figuren aus Holz, dar-
stellend Christus und elf Apostel, sowie die Madonna auf der Mondsichel, hinein-
gestellt.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts trat zu dieser Gruppe gotischen Schmiede-
eisens noch eine neue entsdieidende Form hinzu: der Aststab, der ein Weg zum
Rundstab der Renaissance wurde. Der ausgezogene Eisenstab wurde zu einem
naturalistischen Ast mit knotigen Ansätzen geschmiedet und dieser rankenförmig ge-
staltet, die Flädie überwuchernd. Die Stäbe wurden dort, wo sie sich trafen, um-
einander herumgeführt. Beispiele sind weniger häufig, hier sei ein Portalgitter aus
Hall in Tirol abgebildet (Abb. 22), das zwischen 1500 und 1520 entstanden sein
mag. Wichtig ist diese Gruppe, da die formalen Vorbedingungen für den kommen-
den Rundstabstil hier schon gegeben sind. Das berühmteste Denkmal dieser Astgotik
im Schmiedeeisen ist ein Brunnen von 1470 in Antwerpen, den Abb. 23 wiedergibt,
und der früher als ein Werk des Malers Qinten Massys irrtümlich angesprochen
wurde. Es kommt dafür ein Schmied gleichen Namens in Frage. ^)
^) In Löwen gab es im 15. Jahrh. einen Schmied Joost Massys, in Antwerpen einen Jan Massys.
Abb. 18. Gitter (Augsburg, St. Ulrich skirche).
Kapitel I. Mittelalter.
23
Es mag an dieser Stelle nodi etwas über den Handwerker, der hinter den
Arbeiten steht, eingefügt werden. Wenngleich es in den seltensten Fällen bei Eisen-
arbeiten gelingen wird, diese in Verbindung mit Verfertigernanien zu bringen und
so die Namen, die uns aus Zunftlisten bekannt sind, immer nur neben und außer-
halb bestimmter Arbeiten herlaufen werden, so gilt es dodi, sidi Klarheit über das
Gewerbe') zu madien in dem Augenblick, wo es als soldies hervortritt, dies um so
mehr, als gerade das Gewerbe, um das es sich hier handelt, durch seine Vielseitig-
keit sehr kompliziert ist. Für die Früh-
zeit mag nur erwähnt werden, daß bei
-* ^^5ii'f"^__,^^^^^^*^M den Germanen jeder Handwerker LeiD-
Abb. 19. Sakranientshausgitter (Hamburg,
Museum für Kunst und Gewerbe).
flbb. 20. Truhensdiloß aus Frankreich
(Wien, Sammlung Figdor).
eigener war, der aber höher geachtet wurde als der Knecht. Die alemannischen
Gesetze (um 620) sehen für einen erschlagenen Schmied — und das spricht zu-
gleidi für die Stellung dieses Handwerkers — ein Sühnegeld vor, das ein Viertel
von dem eines Freien betrug. Im gleichen Werte standen nur die Bäcker und die
Goldschmiede. Schon zur Zeit Karls des Großen beobachten wir eine Teilung des
Handwerks, in seinem Capitulare de villis werden neben den Grobschmieden (fabri
ferrarii) die Schildmacher (Scutatores) genannt. Das war eine grundlegende Tren-
nung in solche Schmiede, die dem friedlichen Gebrauch, und solche, weldie dem
kriegerischen Gebrauch des Eisens dienten. Aus letzteren entwickelten sich die
') Vgl. Berlesdi, Chronik der Gewerke, St. Gallen, Bd. 7; Grenser, Zunft -Wappen und
Handwerker -Insignien, Frankfurt 1889, S. 84; Volkmann, Alte Gewerbe und Gewerbegassen,
Würzburg 1921, S. 104.
24
Bröniiig - Rohde, Sdiniiedekunst.
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Kapitel I. Mittelalter.
25
Abb. 23. Brunnen in Antwerpen 1470.
zahlreichen Zweige der Waffenschmiede, die sich dann wieder stark teilten, u. a. in
Plattner, Harnischer, Panzerer, Rinker, Helmer usw., ein Zweig des Handwerks, der
außerhalb der Betrachtung in dem uns gesteckten Rahmen liegt. Wann die eigent-
lichen Kleinschmiede, von den Grobschmieden abgesondert, entstanden, wissen wir
nidit, das Amt der Schmiede hat wohl meistens alle umfaßt. Schon 1307 heißt die
Lübecker Schmiedestraße Platea fabrorum, und wir wissen, daß sich zwischen 1322
und 1331 24 Schmiede als Bürger in Lübeck^) niederließen, aber es wird nichts davon
*) Warnd<e, Handwerk und Zünfte in Lübeck, 1912.
26 Brüning-Rohdc, Sdiiniedekunst.
erwähnt, um was für SdimiGde es sicli handelte. In Frankfurt begegnen wir
sdion 1317 chicm Cunradus faber dictus scloccre, und audi in den Bedebüdiern
finden wir sdion die Bczeidinung sclozer oder scrrator, aber die Bezeidinungen
sdicinen dodi mir sehr versdiwonunen zu sein, da die Bürgerbüdier sie lange Zeit
nodi nidit kennen. Das Handwerk umfaßte eben eine größere Gruppe, die von
gröberen Arbeiten bis zur Feinmedianik reidite (die Uhrmadier gehörten ebenfalls
zur Zunft). Grenzstreitigkeiten innerhalb der Zunft sdieint es hier oft gegeben zu
haben; so erfahren wir aus dem Jahre 1773 etwas über einen Streit zwischen den
Potsdamer Grob- und Kleinsdunicden oder Sdilössern über die Verfertigung ver-
sdiiedener Arbeiten, die in ihren Gewerksprivilcgien nidit völlig genau bestimmt
waren, der viele Jahre nadieinander fortdauerte und der sdiließlich zuungunsten der
Sdilosser ausfiel, diese mußten sidi außer den Tür- und Fensterbesdilägen besdiränken
auf die Treppengeländer, die Stidianker, die Dübel und Klammern für Steinmetzen
und die Rüstkammern und Ofeneisen').
Innerhalb der anderen Zünfte hatten die Sdimiede eine ansehnliche Stellung.
In den Verhandlungen über Streitigkeiten mit dem Stadtregiment in Lübeck zur Zeit
der Reformation gehörten sie zu den großen Ämtern, die allein verhandelten, es
waren dieses die Bäd<er, die Schmiede, die Schneider und die Schuster.
') Vgl. Manger, Baugesdiiclite von Potsdam, Berlin und Stettin, 1789, III, 61, und
Krakauer, Entwicklung der Sdimiedekunst in Berlin, Potsdam und einigen Städten der Mark
vom 17. bis zum Beginn des 19. Jatirhunderts, Worms 1915, S. 8.
Kapitel II
Renaissance
Die Starrheit der Zunft, die bis weit ins 18. Jahrhundert hineinreichte, und die sidi
ewig glciclibleibenden Bestimmungen über Meisterstücke waren nicht zum ge-
ringsten die Ursache, daß audi eine Starrheit in die Formwelt der künstlerischen
Gewerbe einzog, so wurde die Sprache der Gotik als Ballast durdi Jahrhunderte
gesdileppt, und über das Neue hinaus, belebt und genährt durch die Ausstrahlungen
einer hohen Kunst, madit sich das Alte noch lange geltend. Das ist besonders
augenfällig bei der Bearbeitung des Sdimiedeeisens. Die Gotik hatte sdion alle
technischen Möglichkeiten eingesetzt, seit der Erfindung der Gesenke und der kalten
Nietung bedeutete jede Steigerung technischen Könnens nur eine größere Routine.
Die Dimensionen wuchsen. Die Kleinwerke wie Sdilösser, Besdiläge, Türklopfer usw.
treten etwas zurüdt gegenüber großen Giftern, die uns in erster Linie die Formwelt
der Renaissance widerspiegeln. Wie sehr gerade in den Kleinwerken die Gotik
haftet und fortlebt, zeigen uns die Meisterstücke in Frankreich. Hier hat drei Jahr-
hunderte die Zunft an der Verfertigung eines mit besonderen Zieraten versehenen
Truhenschlosses als Meisterstück festgehalten, das schon Karl VI. 1411 im 17. Artikel
der Statuten'), die er den Sdilossern gegeben, verlangte. Die gotischen Ornamente,
mit denen die Schauseite der Schlösser im 15. Jahrhundert geschmückt worden war,
wurden bis zum 18. Jahrhundert zum größten Teil beibehalten. Die Formgebung
der figürlichen Zierate und mancher Einzelheiten konnte sich freilich der wechselnden
Mode nicht ganz entziehen.
In der Art du serrurier von Duhamel ist in dem Abschnitt über die Sdilösser,
welcher noch von Reaumur selbst verfaßt ist, ein derartiges Truhenschloß auf der
Tafel 29 abgebildet, die Tafel ist im Jahre 1716 gestochen. Vielleicht ist auch
Reaumurs Abhandlung nicht viel später entstanden. Nach des Verfassers Angaben
sei das Schloß vor mehr als AO Jahren von einem Schlosser namens Bridou an-
gefertigt, der zu den Ältesten der Innung gehört habe. Es ist also wohl in den
letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts entstanden.
Auch Jan Lamour, der berühmte Hofschlosser des Königs Stanislaus Leszcinski
in Nancy, bildet in seinem Recueil des ouvrages en Serrurerie von 1767-) ein der-
artiges Sdiloß ab, das nach der Grifform des zugehörigen Schlüssels zu Anfang des
18. Jahrhunderts hergestellt sein wird (Abb. 24). Nach Lamour wurden auch noch
zu seiner Zeit solche Schlösser, die damals den sonderbaren Namen serrures ä la
moderne führten, angefertigt. Der Oberteil des Mittelstückes und die beiden Säulen
bilden den Fallriegel, der, in einem Sdiarnier laufend (vgl. den Querschnitt), am Deckel
der Truhe befestigt wurde. Zwischen den Säulen stehen Johannes der Täufer und
Moses, von gotischen Spitzbaldachinen überdacht. Johannes weist auf das Kreuzes-
lamm über ihnen hin, das ebenfalls von einem Baldachin überragt wird. Unter dem
Lamm ist auf einer besonderen Platte das Kreuz mit Marterwerkzeugen und Toten-
schädel angebracht. Wahrscheinlich verdeckte diese Platte das Schlüsselloch, das stets
auf ähnliche Weise gesichert war. Durch den Druck auf eine Feder, die nur dem
Besitzer des Schlosses bekannt war, sprang die Platte auf. Lamour verrät das Ge-
1) Duhamel du Monceau a. a. 0. S. 203.
"-) Abbildung in La collection Spitzer, Bd. II, Serrurerie, pl. 1.
28
Brünitic] - Rohdc, Sdiiiiiedekunst.
4m^.
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Bei
war
die-
noch
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heimnis seines Sdilosses nidit. Rings um das Mittelstiick sind Füllungen mit gotischen
Maßwerkornamenten usw. angebradit. Im 15. Jahrhundert') pflegten diese Schlösser
nidit selten mit zahlrcidicn Heiligenfiguren oder audi biblisdien Szenen geschmückt
zu sein. Beliebt war besonders die Darstellung der Kreuzigung. Eines der schönsten
Schlösser dieser Art stellt das Jüngste Gericht dar. — Auch der bei Lamour ab-
gebildete zugehörige Sdilüssel, der übrigens mit den alten gotischen Schlüsseln in
der Form wenig gemein hat, ist besonders kunstvoll gearbeitet. Der Griff zeigt in
der Mitte eine Rosette, die von Maßwerkornamenten umgeben ist, als Verbindung
mit dem Rohr dient ein
kapitälartiges Ornament.
Der Bart ist mit 14 Ein-
strichen versehen,
anderen Schlüsseln
der Bart außer mit
sen Zähnen auch
mit zahlreichen Durch-
brechungen versehen, de-
nen natürlidi in der
Schlüsselhülse Führungen
von gleichem Querschnitt
entsprechen müßten. Nach
den Mitteilungen Rcau-
murs betrug die geringste
Anzahl der Durchbrediun-
gen sieben, sie konnten
aber bei den Bewerbern,
die kein besonderes Vor-
recht, wie etwa die Söhne
von Meistern, besaßen,
bis auf 21 erhöht werden.
Gewöhnlich pflegte man,
wenn mehrere Gesellen
zu gleicher Zeit sich be-
warben, jedem eineDurdi-
brechung mehr wie seinem
Vorgänger zu geben. Die Arbeit an einem solchen Schlosse dauerte ein bis zwei
Jahre. Da das Ganze nur darauf hinauskam, möglidist viele von der Bewerbung
um das Meisterrecht abzuschrecken, so wurden nach Reaumur durch eine Bestimmung
vom 20. Juli 1699 andere, leichtere Meisterstücke den Gesellen auferlegt.
Ähnlich wie bei diesen Schlössern steht es bei den Beschlägen. Neben Arbeiten,
die mit der Zeit schreiten, laufen hier viele, die in erstarrter Formwelt das Alte
ewig neu schaffen, und so gehören manche Beschläge, die gotisch anmuten, schon
dem 16. und 17. Jahrhundert an und leben schließlich in mancher Volkskunst, z. B, in
Tirol, noch weit in das 18. Jahrhundert hinein.
Aber Beschläge und Schlösser werden seit der Mitte des 17. Jahrhunderts
seltener. Die Sitte, die Türen und Kastenmöbel mit breiten Bändern und reich aus-
gebildeten Schlössern und Griffen auszustatten, ist fast ganz verschwunden. Nur
bei der Truhe wird in einzelnen Gegenden, wie Westfalen oder Holstein, der die
Abb. 24. Truhensdiloß ausLamour, Recueildesouvrag. enserrurerie.
*) Vgl, audi das Sdiloß der Sammlung Figdor Abb, 20.
Kapitel II. Renaissance.
29
ganze Oberfläche überspinnende Eisenbesdilag beibehalten (Abb. 25), er lebt hier
in bäuerliclien Werkstätten bis ins 18. Jahrhundert hinein. Außerhalb dieser bäuer-
lidien Produktion wird das Sdiloß jetzt zumeist völlig im Holzwerk verborgen.
Nadi außen tritt es fast nur in dürftigen, meist aus Messing gearbeiteten Sdilüssel-
sdiildern in die Ersdieinung. Und dodi sorgten die Satzungen der Zünfte, die als
Meisterstüdt in der Regel ein kunstvolles Sdiloß verlangten, daß das Sdiloß nodi
immer mit einem gewissen Reiditum von Ornamenten versehen ward. Der Haupt-
wert bei diesen als Meisterstüd^e gearbeiteten Vorhänge- und Kastensdilössern wurde
freilidi weniger auf den äußeren Sdimudt als auf den kunstvollen Versdiluß-
medianismus gelegt, in dem die Sdilüssel und Sdilösser sehr kompliziert gestaltet
wurden. Die Sdilösser,
sonst außen siditbar und
ein ornamentaler Faktor
des Ganzen, lagen daher
jetzt meistens im Innern
und füllten den ganzen
Boden eines Ded^els einer
kleinen Truhe aus, wie
beispielsweise bei den ge-
ätzten kleinen Kästdien, die
in Augsburg oder Nürnberg
hergestellt wurden. Audi
bei den bekannten Mann-
kästdien ist der Medianis-
mus der Sdilösser ein tedi-
nisdies Kunstwerk. Kunst-
fertigkeit tritt hier an die
Stelle von Kunstsdiaffen.
Die eigentlidie Glanz-
leistung der Renaissance lag auf dem Gebiet des großen Gilters. Und hier gab die
Gotik kein Vorbild, denn der kantige Stab der Gotik in Verbindung mit der kalten
Nietung erlaubte immerhin nur einen ärmlichen Formreichtum. Nichts ist daher formal
so wesentlidi wie der Übergang zum Rundstab; wir sahen, wie die Astgotik um 1500
schon die Vorbedingungen für diesen technischen Weg gab.
Erst der Rundstab machte das Material geschmeidig und biegsam. Der Über-
gang vollzog sich im 16. Jahrhundert. Man setzte das Gitter aus Rundstäben zu-
sammen, welche sidi mannigfach verschlangen. Dort, wo zwei Stäbe sich begegneten,
wurde der eine durchbohrt, der andere durch die so entstandene Öffnung durch-
gcsdioben. So entstand ein Gitter, das Festigkeit und Leichtigkeit zugleich besaß.
In der Ornamentik lassen sich zwei Gruppen scheiden. Die eine hat eine mehr
naturalistische Gestaltung, indem z. B. die ganze Komposition einer Gitterfüllung als
eine große, aus einer Vase herauswachsende Pflanze aufgefaßt wird, deren Zweige
sich in regelmäßig gezogenen Spiralen nach den Seiten ausbreiten und mit ihren
Blättern, Blüten und Früchten die Fläche füllen. Diese pflanzenartigen Bildungen
gehen offenbar auf das Rankenwerk der Kleinmeister wie Aldcgrevcr, der Behaim u. a.
zurück. Die zweite Gruppe verwendet mehr lineare Motive und lehnt sich an die
süddeutschen Kaligraphen des 16. Jahrhunderts an, deren Urvater Dürers Maximilians-
gebetbuch ist. Ein beliebtes Ziermotiv beider Gruppen ist die Spindelblume. Ein
spindelförmig gewundener Draht bildet das Mittelstück, um weldies dünne gebogene
Rundstäbe oder schmale schilfförmige Blätter im Kreise angeordnet sind. Das Ganze
Abb. 25. Truhe (Kunst- u. Industrieausstellung zu Kopenhagen 1879).
30 Brüning-Rohdc, Sdimiedekunst.
stellt eine Phantasicblumc mit Fiuditknotcn, Staubfäden, Blüten- oder Keldiblättern
dar. Die Spindclbliimen, über einem Holzkern, der später ausgebrannt wird, ge-
sdimicdet, kommen als Sdimudt der durdisdiobcncn Rundstäbe innerhalb des Gitters
vor, oder sie dienen als freie Endigungen und sind dann zumeist nidit senkredit
gestellt, sondern nadi außen geneigt, wie von ihrer eigenen Sdiwere herabgezogen.
Die ganze Zusammensetzung des Gitters bringt es mit sidi, daß man immer nur
verhältnismäßig kleine Füllungen herstellt, aus denen dann wieder größere Gitter
gebildet werden.
Die Verwendung des Rundstabes ist das formale Moment, das die ganze
deutsdie Renaissance belierrsdite, das in der Zeit des Äkanthusbarodt nodi fortlebt
und bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts in konservativer Art noch hin und wieder auftritt.
Wir werden sehen, wie die Entwicklung in Frankreich ganz andere künstlerische
Wege in der gleidien Zeit geht. Man beobaditet in Deutschland trotz des spielerischen
Reizes der geschwungenen Linie eine gewisse formale Eintönigkeit, über die man
nidit hinauskommt. Es ist, als ob in der Blütezeit deutschen Kunstgewerbes das
Abb. 26. Oberliditgitter, 1559, Sadisen (Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe).
Schmiedeeisen stiefmütterlich behandelt wird. Dazu wütete während des 17. Jahr-
hunderts in Deutschland der dreißigjährige Krieg, und es bedurfte, als die Friedens-
boten des Jahres 1648 eine bessere Zeit verkündeten, vieler Jahrzehnte, bis die
Wunden, die der Krieg geschlagen, wieder geheilt waren. Auch aus diesem Grunde
heraus dürfen wir für die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, in der die französische
Sdimiedekunst sich sdion glänzend betätigte, von Deutschlands Schmiedekunst nur
wenig erwarten. Man hatte notwendigere Dinge zu tun, als Paläste und Kirchen
zu erbauen und mit kostbaren Gitterwerken zu schmücken.
Die Datierungen stoßen auf Schwierigkeiten. Ornamentstiche stehen hier für das
Sdimicdeeisen nicht zur Seite, so daß die Eintönigkeit des Typs in Verbindung mit
dem Konservatismus des Handwerks Datierungsschwankungen zwischen der zweiten
Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bedingen. Das zeigen
uns schon die urkundlich oder durch andere Umstände fest zu datierenden Stücke.
Wohl das früheste Renaissancegitter ist ein 1559 datiertes und mit den Besitzer-
budistaben B. S. bezeidinetes Oberliditgitter im Hamburgischen Museum für Kunst
und Gewerbe (Abb. 26); es stammt aus Sachsen. In der Mitte sind sdiräg gekreuzte
Stäbe, von denen Ranken mit flachen Blumen auswachsen. 1560 ist ein Brunnen
am kleinen Ring in Prag datiert (Abb. 27). Aus dem Datierungsjahr stammt jedoch
Kapitel II. Renaissance.
31
flbb. 27. Brunnen am kleinen Ring in Prag.
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
wohl nur der Unterbau, die Streben mit den Spindelblumen und den aus Eisenblech
geschnittenen Engeln, während die Bckrönung erst dem Ende des 17. Jahrhunderts
anzugehören sclieint. Der Unterbau zeigt kantige Diagonalstäbe mit Durchstechungen
und Kreisen, Herzen und Vierpässe an den Kreuzpunkten in Rundstäben, hier noch
konstruktiv als Verstärkung der Kreuzpunkte verwandt. Ebenfalls eines der frühesten
Beispiele, um 1570 entstanden, ist das herrliche Gitter vom Grabmal Maximilians I.
in der Hofkirdie zu Innsbrud^ (Abb. 28).
Die Jahreszahl 1576 trägt im Rathaus zu Lüneburg das prächtige Gitter (Abb. 29),
das die Öffnung eines dunklen Raumes nach der Rathausdiele hin abschließt. Die
zusammengesetzten Felder sind durch Spiralen, die in Spindelblumen endigen, gefüllt,
die Pfeilerstäbe, zwisdien denen oben ebenfalls Spiralen die Verbindung herstellen.
Abb. 28. Umfriedigungsgitter des Maximiliansgrabes in der
Hofkirche zu Innsbruck, um 1570.
gehen in reiche Blumen über. Auf den Türfeldern des Gitters befindet sich das
geschmiedete Wappen der Stadt Lüneburg und die Jahreszahl 1575, darunter der
Name des Herstellers, des Schlossers Hans Rüge.
Etwa ein Jahrzehnt später, 1587, ist das alte Gitter des schönen Brunnens in
Nürnberg (Abb. 30) hergestellt'); auch hier sind wir in der glücklichen Lage, außer
der genauen Datierung auch den Namen des Schlossers nennen zu können. Der
gotische, dem 14. Jahrhundert angehörende Brunnen war ursprünglich mit einem ein-
fachen Gitler aus diagonal- durchgesteckten Vierkantstäben umgeben, das nach oben
hin gotische Abschlüsse gehabt haben muß, 1587 wurde der inzwischen arg zer-
fallene Brunnen wieder hergestellt und auch das Gitter erneuert. Die Idee des
diagonalen Unterbaues übernimmt der Schlosser von dem alten Gitter, er verwendet
hier daher ebenfalls kantige Stäbe, das geschah auch sonst hin und wieder, Fenster-
vergitterungen arbeitete man bis fast ins 18, Jahrhundert hinein in dem Rautenmuster
der diagonal durchgesteckten Vierkantstäbc gotischer Zeit. Ein Beispiel dafür ist das
*) Vgl, Bergau, R., Der Schöne Brunnen zu Nürnberg, Berlin 1871,
Kapitel II. Renaissance.
33
■schon auf Seite 20 erwähnte Korbgitter aus Erfurt am Hause Fisdimarkt 27, das
um 1600 entstanden sein mag (Abb. 17, S. 21), oder ein Gitter aus dem südlichen
Querscliiff der Rostod^er Marienkirdie, das ebenfalls die gotisdien Diagonalstäbe für
den Unterbau verwendet (Abb. 31). Eine Handhabe für eine besonders frühe Datierung,
<iie Annahme etwa eines Übergangsstiles, ist hiermit nicht gegeben. Bei dem schönen
Abb. 29, Gitter im Lüneburger Rathaus, Geriditsgang, von Hans Rüge, 1576,
Brunnen in Nürnberg wurde der Schlosser anscheinend durch das alte Gitter zu
-seinem Unterbau geführt, auf dem er seine Renaissancebekrönung mit Spiralen,
kaligraphischen Schnörkeln und großen, fast grotesk wirkenden Pfeilerblumen an-
bringt. „Viel schöner und künstlidier als es ihm angedingt worden" hat der Augs-
burger Schlosser Paulus Kuhn es hergestellt, weshalb man ihm über den Kontrakt
hinaus 1 Kreuzer mehr für das Pfund Eisen zahlte, 102 Zentner 47 Pfund soll das
Gitter gewogen und 854 Gulden soll der Schlosser dafür erhalten haben. Außerdem
wurde das Gitter reich vergoldet, was weitere 400 Gulden kostete. Ein Stich des
17, Jahrhunderts, den der bekannte Kunsthändler und Verleger Paulus Fürst heraus-
Brüning-RohdG, Sdimiedekunst. 3
34
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
gab, gibt uns eine Vorstellung von dem Brunnen mit dem Gitter. Der Mann, der
i'm Vordergrund an dem Gitter emporklettert, bewegt einen eingeschmiedeten Ring —
Spielereien, wie die Sdilosser sie oft bei großen Arbeiten anbrachten, um einen
Beweis ihrer tedinisdien Gesdiiddidikeit zu geben — , der zu den Merkwürdigkeiten
und Wahrzeichen der Stadt Nürn-
berg wurde. Der Zeit der Romantik
und Neugotik vom Anfang des
19. Jahrhunderts blieb es vorbe-
halten, zu der „Erkenntnis" zu
kommen, daß „der obere, sehr
reiche, in Formen des 16. Jahr-
hunderts ausgebildete Teil zum Stil
des Ganzen nidit zu passen schien
und durch sein dicht versdilungenes
Eisenwerk einen Teil des Brunnens
verdeckte". Man nahm diesen Teil
daher ab und ersetzte ihn „durch
eine neue, einfachere Bekrönung mit
gotischen Formen", die der Schlos-
ser Pickel 1 823 fertigte, das bis dahin
reich vergoldeteGitterwurde damals
mit schwarzer Ölfarbe angestrichen.
1646 ist ein Taufsteingitter
datiert, das, aus Erfurt stammend,
sich heute im Thüringerwald-
Museum befindet (Abb. 32). Audi
für dieses Gitter lassen sich die
Meister feststellen. Das Gitter stand
früher als Einfassung des 16'-l0 ge-
stifteten Taufsteins in der Prediger-
kirche, es umgibt den Taufstein im
Zehneck. Die Felder sind mit
Spiralen, kaligraphischen Schnör-
keln und in Eisenblech ausge-
schnittenen Masken und Figuren
gefüllt. Auf den Eisenblechen haben
sich neben anderen die Meister
Hans Schuhes und Daniel Reichart,
zwei Erfurter Schlosser, mit ihren
Handwerksabzeichen und Namen
gezeichnet. 1649 ist das Gitter an
der Lorenzkirche in Nürnberg da-
tiert (Abb. 33), das im unteren Teil
vertikale kantige Stäbe aneinander-
reiht und die Bekrönung der einzel-
nen Vertikalfelder dreieckig oder
durch Eselsbogen begrenzt und
diese mit Spindelwerk füllt, wäh-
rend es die Pfeiler für sich in
Blumen endigen läßt.
i>y^yii^-.ev(\iäiK,
u\
v!7 - i?M<;
^^^ninqtbinunbixytU^tn. '-^ ^-^ \D
' ' - ■' '---"- -Ji^ifiät«/».i?iUm.. ^^
Abb. 30. Kupferstich „Der Schöne Brunnen in Nürnberg"
Paulus Fürst excudit. (Nürnberg, German Museum).
Kapitel II. Renaissance,
35
Abb. 31. Gitter der Marienkirche in Rostock.
Abb. 32. Taufsteingitter, 1646 (Erfurt, Thüringerwald- Museum)
36
Briininci-Rohde, Sdiriiiodckunst.
Abb. 33. Gitter an der Lorenzkirchc in Nürnberg, bez. 1649.
Abb. 34. Gitter des St. Floriansbrunnens zu Salzburg.
Kapitel II. Renaissance.
37
Erst 1687, also über 100 Jahre nadi dem Maximiliansgrabnial, entstand das
Gitter des Floriansbrunnens in Salzburg (Abb. 34). Es zehrt nocli von denselben
Spiralen kaligraphischer Art und läßt die Trennungspfeiler in eine offene Blume sich
auswadisen. An dem Salzburger Brunnengilter sind wie an dem Erfurter Gitter aus
Blech geschnittene Wappen und Figuren, Einhörner, Engelsköpfe und mehrfach
wiederkehrend ein drachentötender St. Georg und St. Martin, wie er dem Bettler
die Hälfte seines Mantels sdienkt, angefügt. Die Innenzcidinung ist bei diesen Blech-
zieraten durdi Bemalung gegeben. Es lebt hier also nodi die gotische Tedinik des
Blcchausschneidens fort, die wir in einem besonders schönen Beispiel, dem Sdirein-
gitter der Elisabethkirche von Marburg
(Abb. 16, S. 21) kennen lernten, eine Tedi-
nik, die die französisdie Kunst des 1 7. Jahr-
hunderts nidit mehr geübt hat, weil sie
das schmiedeeiserne Gitter ganz anders
aufbaute. Die Arbeit an dem Salzburger
Brunnen wurde nach hartem Kampf mit
dem Stadtsdilosser Wolf Hapadier, der
die Ausführung als sein gutes Recht be-
anspruchte, vom Rat der Stadt dem
Schlosser Wolf Guggenberger übergeben.
Als das Werk, das Guggenberger nadi
eigenem Entwurf fertigstellte, vollendet
war, wurde es zur öffentlichen Besiditi-
gung auf dem Tanzboden des Rathauses
aufgestellt, und der ganze Rat der Stadt
kam zusammen, um die Arbeit zu prüfen.
Man war so zufrieden damit, daß man
statt der ausgemachten 10 Pfennig für das
Pfund Eisen 12 Pfennig bewilligte. So
erhielt Guggenberger für das 982 Pfund
schwere Gitter 49 fl. 24 Pf., dazu 1 fl.
Trinkgeld für den Gesellen. Das Gitter
wurde bemalt, und zwar die Stäbe grün,
die Rosetten und Bünde golden, die
Wappen usw. in ihren natürlichen Farben.
Der Maler verlangte 40 fl. dafür, er er-
hielt aber nur 28, erst als er noch die
Engelsköpfe vergoldete, bekam er noch
14 fl. dazu.
Weitere Gitter dieser Art sind das Grabmal der Königin Anna im Dom zu Prag,
das Gitter der Fugger in der Ulrichskirche zu Augsburg, das Denkmalgitter des Kur-
fürsten Moritz zu Freiberg in Sachsen, 1662 ist ein Gitter in der Benediktinerkirche
zu Lambach datiert, 1666 ein Glockenstuhl, der sidi in Wiener Privatbesitz be-
findet (Abb. 35), 1678 das Umfassungsgitter der Bosseschen Grabkapelle in der
Marienkirche zu Zwickau, die Jahreszahl 1696 trägt ein Weihkerzenständer im South
Kensington Museum zu London, und mit 1726 ist schließlich ein Kirchhofkreuz ausLauingen
im bayrischen Nationalmuseum zu München datiert. Die Kirchhofkreuze der Tiroler
Gegend bewahren diesen Stil bis ins Ende des 18. Jahrhunderts in volkstümlicher Form.
Auch bei anderen Gegenständen, Wandarmen, Beleuchtungskörpern usw., wird
die Ornamentik mit Gittermotiven oft bestritten. Dieses Fortleben des Gitters aus
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Abb. 35. Glodtengestell, bez. 1666
(Wien, Privatbesitz).
38
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
dem 16. Jahrhundert darf man also nicht nur für das Gitter im eigentlichen Sinne
annehmen, sondern audi für alle anderen Gegenstände, die ihre wesentlichste
Dekoration dem Gitterwerk entlehnen.
Neben dieser älteren Form des Renaissancegitters mit glatten Rundstäben tritt
zu Anfang des 17. Jahrhunderts eine neue Bildung auf, die ebenfalls bis ins dritte
Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts hinein weiterlebte. Das Rundeisen mit Durchzügen
in scliön gezogenen Spiralen und kalligraphischen Schnörkeln wird beibehalten. Dort
aber, wo sidi mehrere Stäbe abzweigen, also an den Scliweißstellen, wird die Ver-
bindungsstelle durdi gravierte oder vielmehr eingehauene Ornamente, welche zumeist
pflanzenartige Formen darstellen, verziert. An anderen Stellen wachsen die Stäbe
flbb. 36. Gitter in der Georgskirdie zu Prag.
zu größeren phantastischen Gebilden, Greifen und ähnlichen aus, die ebenfalls mit
eigenartiger Innenzeichnung versehen sind. Häufig erinnern die eingehauenen Orna-
mente in ihren weichlichen, verschwommenen Zügen an die Formen des Ohrmuschel-
ornaments. Eines der frühesten Beispiele dieser Art von Gitterwerk stellt ein Grab-
kreuz auf dem Friedhof zu Alfdorf bei Nürnberg von 1614^) dar. Ebenfalls in diese
Gruppe gehört die Bekrönung des Prager Brunnengitters vom kleinen Ring (Abb. 27,
Seite 31). Wohl eines der spätesten Beispiele ist das Gitter der alten Kapelle in
Regensburg vom Jahre 1726'-). Sie lassen sich in allen Gegenden Deutschlands von
Zürich bis Königsberg und Schleswig nachweisen. Ein besonders schönes Gitter
») Die Sdimiedekunst nadi Originalen des XV.— XVIII. Jahrhunderts. Berlin, E. Wasmuth
1887, Tafel 41.
*) Roeperu Bösdi, Gesdimiedete Gitter des XVI.— XVIII. Jahrhunderts aus Süddeutsdiland.
MCndien, Tafel 35 u. 36.
Kapitel II. Renaissance.
39
dieses Typus bildet den Absdiluß einer Gruft in der Georgskirche am Hradschin in
Prag (Abb. 36).
Während hier und bei ähnlichen Arbeiten der Rundstab nodi zum größten Teil
seine glatte Form beibehalten hat, sind bei anderen Werken die Stäbe flach ge-
schmiedet und völlig mit eingeschlagenen Ornamenten bedeckt, wie bei dem „Schönen
Brunnen " inNeiße (Abb.37).
Auf einerSteinbrüstung er-
hebt sich eine zylindrisdie
Eisenlaube mit einem Kup-
peldach. Die geschlossene
Laube ist hier an die Stelle
der früher üblichen, auf
Pfeilern emporgehobenen
Baldachine getreten. Der
Brunnen wurde von dem
Konsul Kaspar Naar ge-
stiftet und 1686 vollendet.
Die mittlere Bandschiene
trägt die Inschrift „ Ao 1686
aus Belieben eines lob-
lichen Magistrates machte
midi Wilhelm Helleweg
Zeugwarter". Unter Zeug-
warter ist jedenfalls einer
zu verstehen, dem die Auf-
sicht über das städtische
Zeughaus oblag. Helle-
weg war also wahrschein-
lich zugleidi Sdilosser und
Büdisenmacher.
Auch der im bayri-
schen National -Museum
aufbewahrte Zunftpokal
in Gestalt eines großen
Schlüssels vom Jahre 1680
(Abb. 38), der aus einer
Zunftstube der Schlosser
in Unterfranken stammt,
zeigt eine verwandte Or-
namentik. An den Bügeln,
welche vom Griff zum
Rohr überführen, sind acht
Figürchen angebracht, von
denen vier die Abzeichen der Gewerke tragen, welche zu der Zunft gehörten, näm-
lidi Schlüssel, Büchse, Winde und Uhr. Auch als Aushängeschild wurden ähnliche
Schlüssel angefertigt.
Der flächenartige Charakter, den das Stabwerk in der Umgestaltung, wie es z. B.
bei dem Brunnen zu Neiße auftritt, angenommen hat, gestattete auch eine leichte
Übertragung dieser Ornamentik auf Beschläge, Türklopfer, Schloßbleche u. a. Die
meisten dieser Arbeiten sind allerdings roh und unerfreulich. Sie sind mehr oder
Abb. 37. Der „Schöne Brunnen" in Neiße.
40
Brüiiiiig - Rohdc, Sdimiedekunst.
weniger eine Vergröberung und Entartung der Formen des 16. Jahrhunderts. Auch
hier läßt sidi die Entstchungszeit der erhaltenen Sclimiedewerke nur dann bestimmen,
wenn die betreffenden Stücke auf irgendeine Art datiert sind. So ist die Zeit der
hübsdicn Griffe und Sdilüsseisdiilder an den Sakristeisdiränken der Kirche zu Ober-
mardital in Bayern durdi die an den Sdiränken angcbradite Jahreszahl 1672 festgelegt.
Außerhalb von Dcutsdiland sdiwingt sidi
die Sdilosserkunst im 16. Jahrhundert nur in
Spanien zu besonders stattlidien Leistungen auf-
Abb. 38. Zunftpokal im bayrisAen National-
musGum in München.
flbb. 39. Laterne am Palazzo Strozzi
in Florenz.
Die eigentümliche Einrichtung der spanisdien Kathedralen erforderte eine weitgehende
Verwendung von Gitterwerk. Der Coro (Chor) mit den Sitzen der Geistlichkeit be-
findet sich als ein für sich abgeschlossener Raum im Mittelsdiiff. Um nun den Geist-
lichen den Anblick des Hauptaltares in der Capilla major zu gestatten, ist die Seite
des Chors nadi dem Altarraum hin durch ein hohes Gitter abgegrenzt. Ein noch
größeres und schöneres, oft bis zu 15 Meter Höhe ansteigendes Gitter erhebt sidi
vor der Capilla major, andere kleinere vor den übrigen Kapellen. Auch eiserne
Kanzeln kommen in Spanien vor. Die in der Waffensdimiedekunst großgezogene
Treibarbeit findet dabei in umfangreichem Maße Anwendung.
In Italien lassen kostbarere Stoffe, Marmor und Bronze, das Schmiedeeisen — von
der Waffenschmiedekunst abgesehen — nicht so sehr zu Worte kommen. Als ver-
Kapitel II. Renaissance.
41
€inzGltc Leistungen virtuoser Technik stellen sidi die Laternen und Fackelhalter des
Palazzo Strozzi in Florenz (Abb. 39), Werke des Niccolo Grosso, genannt Capara, dar.
Das Gitterwerk in Italien steht an
technischerVollcndung hinter den
Denkmälern in Deutschland zu-
rück. Seine Musterung (Abb. 40)
zeigt die Aufteilung gleiclizeitiger
Webernuster, es ist aus kurzen
C- und S-förmigen Stäben durcli
umgelegte Bünde zu einfadiem
Sprossenwerk zusammengefügt.
Im 17. Jahrhundert tritt zu dem
Eisen als Zierat noch gegosse-
nes Messing. Das Fenstergitfer
aus einer Kirche zu Bologna,
das sich heute im Hamburgi-
sdhen Museum für Kunst und
Gewerbe befindet (Abb. 41), hat
als Mittelpunkt in Messing die
Schere des heiligen Fortunatus.
Das italienische einfache Spros-
senwerkgitter ist im Norden bis
in die Alpengegend gedrungen,
wo es sich mit dem Typus
des deutschen Rcnaissancegitters
vermischt. Beim Gitter zum Hochschloß von Schloß Ambras in Tirol (Abb. 42)
ist der untere Teil im Sprossenwerk textiler Art gehalten, während als Bekrönung
das spiralige Durdisteckwerk mit Spindelblumen verwendet worden ist, u^ie es die
deutsche Renaissance beherrscht.
Abb. 40. Gitterwerk, Italien.
Abb. 41. Fenstergitler, Italien (Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe).
42
Briining - Rohdc, Schniiedckunst.
Audi in Frankrcicii ist von größeren Arbeiten der Renaissance nichts erhalten,
man beschränkte sidi im wescntüchen auf die HersteHung kunstvoller Schlüssel,
Schlösser, Riegel und Türklopfer. Erst der Regierungsantritt Ludwigs XiV. bedeutete
den Beginn einer neuen Epodie. Stilistisch stehen wir mit diesen französischen
Abb. 42. Gitter zum Hodischloß von Schloß Ambras.
Arbeiten schon im Barock. Die Entwicklung in Frankreich ist maßgebend geworden
für die Entwicklung in Deutschland. Ihr Einfluß erst hat die formale Starrheit der
deutschen Renaissanceschmiedekunst mit ihrem im Grunde genommen doch ziemlidi
eintönigen und einförmigen Durchsteckwerk gebrochen und zu der gewaltigen Blüte
geführt, die die deutsche Schmiedekunst des ganzen 18. Jahrhunderts beherrschte.
An Stelle des dekorativen Prinzips der bisherigen Entwicklung in Deutschland trat
durch diesen Einfluß von Frankreich her das architektonische Prinzip.
Kapitel III
Barock
1. Frankreich
In Frankreidi ist das SclimiedeGisen nicht in dem Maße wie in Deutschland durch die
Technik in seiner Form bedingt; so hat man sich hier nie mit dem spiraligen
Durchsteckwerk abgegeben, sondern man hat früh das Schmiedeeisen über seine
Materialbedingung hinaus in die Entwicklung der gesamten Kunstübung hinein-
getragen. Daher ist der Zusammenhang mit Ornamentsticlien, jenen Kupferstichen von
Entwürfen für die dekorativen Künste, und mit Abbildungen ausgeführter Arbeiten,
die als Vorbilder verbreitet wurden, ein
KIGVBE. XLVI.
F lOf
sehr viel lebhafterer als zur gleichen
Zeit in Deutsdiland. Diese Ornament-
stiche sind zum Teil von Schlossern
selbst, zum anderen Teil von Archi-
tekten und berufsmäßigen „dessina-
teurs", d. h. Zeichnern für das Kunst-
gewerbe ausgeführt worden. Sie unter-
stützen wesentlich da unsere Kennt-
nisse, wo die Werke verlorengegangen
sind. Denn — das Schicksal eines ver-
gänglichen oder wieder verwertbaren
Materials — von all den zahlreichen
Schmiedewerken, welche die französi-
schen Schlösser, Kirchen, Siaatsgebäude
und Privathäuser schmückten, ist nur
noch wenig erhalten. Was nicht im
natürlichen Verlauf der Dinge der Zeit
zum Opfer fiel, vernichteten die Stürme
der Revolution. Die köstlichen Schmiede-
arbeiten wurden zu Waffen gegen das
eigene Volk und auswärtige Feinde um-
gesdimiedet.
An der Spitze der obenerwähnten
Vorbilderbücher steht ein Buch, das bis
tief ins 18. Jahrhundert hinein sich eines hohen Ansehens erfreute, das Schlosserbuch
des Mathurin Jousse „La fidele ouverture de l'art de Serrurier", welches zu La Fleche
an der Loire 1627 erschien. Das Buch ist von Felibien in seinen „Principes de l'archi-
tecture" 1697 benutzt und wird sowohl im Schlosserbuch von Duhamel du Monceau,
wie in dem Werk von Lamour erwähnt. Der größte Teil der Abbildungen in dem
Budi von Jousse stellt Schlüssel, Schloßbleche und Schlüsselschilder mit gravierten
Dekorationen dar (Abb. 43). Die Ornamentik zeigt groteske Kompositionen, aus
Figuren und Pflanzenmoliven gebildet. Noch von Renaissancegefühl durchdrungen,
oft das Rollwerk ausgiebig benutzend, spielt der Akanthus in den Stichen doch schon
eine große formale Rolle, weshalb das Buch trotz seines Übergangscharakters hier
an die Einleitung zur barocken Schmiedekunst gesetzt sei.
Abb. 43. Abbildung Nr. 46 aus Jousse de la Fledie
Ouverture de l'art de serrurier 1627.
44
Briiniiig - Rolide, Sdimiedekunst.
Ganz denselben Charakter tragen nun audi eine Reihe von Stichen des 17. Jahr-
hunderts, wenn aucli im einzehien kleine Abwandlungen stattgefunden haben. Sie
sind zumeist von zicmlidi roher und ungelenker Stridiführung, weldie die sdiwere
Hand des Sdilossers, die mehr an die Arbeit mit dem Hammer als mit dem Grab-
stidicl gewohnt ist, verraten. Audi direkte Abreibungen von ausgeführten Arbeiten
kommen vor.
Ein großer Teil derselben ist datiert und mit Meisternamen versehen. Unter
den Arbeiten, weldie den ersten Jahrzehnten der Regierungszeit Ludwigs XIV. an-
gehören, sind die Stidie des Nicolas Prunier, Nicolas d'Jardins, Andre le Provan(;aU
Didier Fion, Gaspar Mazelin und Denis Loche zu nennen. Ein Schlüsselschild mit der
Bezeidinung H. T. 1649 stellt Abb. 44 dar. Es ist mit einer um das Schlüsselloch sich
gruppierenden, den Grund ausfüllenden Kom-
position versehen: zwei mit dem Rücken ein-
ander zugekehrte Chimären, die nach unten
in akanthusartige, mit Blumen geschmückte
Blattranken von lappiger Bildung auslaufen,
ganz ähnlich, wie auch Jousse seine Schlüssel-
schilder zu dekorieren pflegte. Auch die mit
Mathurin le Breton') ohne Datum bezeichneten
Stiche gehören hierher, ebenso eine größere
Folge von Stichen, herausgegeben 1658 von
Loriot unter dem Titel; „Differents portraitz
pour les Serruriers nouuellement inventez par
moy Aubert Loriot" und das „Liure Nouueau
Pour l'Art de Serrurier Inuente par Jean de
Rembeur et Nicolas Seigneuric Paris 1668".
Sie enthalten Entwürfe für gravierte Schloß-
bleche, Schlüsselschilder, Anschlagplatten für
Türgriffe und beliebig zu verwertende orna-
mentale Friese. Ein Schloß im South Ken-
sington Museum in London (Nr. 2065—1855)-)
ist mit Gravierungen geschmückt, die mit den
Stichen des Rembeur und Seigneurie sehr
verwandt sind. Besonders die linkische Hal-
tung der aus Blüten herauswachsenden Halb-
figuren, deren Locken zu regelmäßigen Spiralen aufgerollt sind, zeigen eine unver-
kennbare Ähnlichkeit mit den Figuren der Stiche. Sonst sind ausgeführte Arbeiten
dieser Art kaum erhalten.
Demselben Formenkreise gehört auch das Vorlagewerk des Hugues Brisville^),
eines Schlossermeisters in Paris, von 1663 an, das alle genannten Arbeiten sowohl
in der künstlerischen Erfindung wie zeichnerischen Ausführung übertrifft. Es besteht
mit Einschluß des hübsdien Titelbildes, des Porträts Brisvilles, und der Widmung an
den Grand Audancicr de France Mr. Longuet aus 17 Tafeln, von denen 12 von Jean
Berain, 2 von G. Ladame gestochen sind. Das Porträt Brisvilles von Ladame ist mit
der Jahreszahl 1663 versehen, wodurch auch die Zeit der übrigen Stiche bestimmt ist.
Das Büchlein enthält neben rein ornamentalen Zeichnungen Entwürfe für gravierte
Sdiloßbleche (Abb. 45), Schlüsselschilder, Schlüssel, Türgriffe, Besdilagplatten und
1) Vielleicht identisch mit dem noch später zu erwähnenden Schlosser (S. 52 und 55).
"-) Abgebildet in Ornamental Ironwork. B. Quaritch, London 1898, pl. 23.
''j Neudruck: Quaritch, B., Hugues Briseville. London 1888.
Abb. 44. Schlüsselschild. Stich, bez. H.T. 1649.
Kapitel III. Barock.
45
Gitter. Der groteske Forinenkreis des Jousse und seiner Nadifolger tritt bei Brisville
in einem moderneren, künstlerisdi vollkommeneren Gewände auf. Das Laubwerk in
Form des antiken Akanthus ist weidier und eleganter gezeidinet, die Linienführung
fließender, die grotesken Figuren zeigen die volle Bcherrsdiung der mensdilidien
und tierisdien Körperformen.
Neben den Nadiklängen einer älteren Formenspradie enthalten die Entwürfe
Brisvilles aber audi Anlehnungen an jüngere Formen, nämlidi an die Ornamentik,
wie sie in den beiden Hauptwerken der Sdimiedekunst aus dem Anfange der
Regierungszeit Ludwigs XIV. niedergelegt ist. Es sind das zwei Portale, weldie sidi
Abb. 45. SchloBbledie aus dem Sdilosserbudie von H. Brisville.
jetzt am Eingang zur Apollogalerie und zum Saal der antiken Bronzen im Louvre
zu Paris befinden (Abb. 46—48). Ursprünglidi im Sdilosse Maisons-sur- Seine bei
St. Germain-en-Laye aufgestellt, wurden sie während der Revolution arg mitgenommen.
Unter der Leitung des Percier und Fontaine, der führenden Ardiitekten zur Zeit des
ersten Kaiserreidies, wurden sie vom Sdilosser Varin wiederhergestellt, nadidem
dieser sidi und seine Gehilfen für die sdiwierige Arbeit besonders gesdiult hatte.
Die Portale sind blank gefeilt und poliert und zeigen eine soldie Feinheit der Aus-
führung und Formvollendung, wie sie nur die besten Broncearbeiten bieten.
Das Sdiloß Maisons wurde 1642 bis 1651 für den Präsidenten des Parlaments
zü Paris, Rene de Longueil, erbaut. Es ist das Hauptwerk des Ardiitekten Fran(;ois
Mansart, zugleidi das vornehmste Denkmal jener um die Mitte des 17. Jahrhunderts
sidi geltend madienden klassizistisdien Riditung, die auf die reine, klare Formen-
spradie der Antike zurüd^zugehen sidi bemühte, und deren Entstehung man an den
Stidien eines Philippon, Stella, Errard u. a. verfolgen kann. Ein Hauptvertretcr
dieser antikisierenden Tendenzen war audi der Ardiitekt Jean Marot, auf den die
A6
Brüning - Rhode, Sdimiedekunst.
Abb 46. Portal aus dem Schlosse Maisons-sur-Seine im Louvre zu Paris.
beiden Gittertore von Maisons zurückzuführen sind. Wir besitzen von Jean Marot
außer einer großen Anzahl von Entwürfen schmiedeeiserner Tore, Oberlichtgitter und
Balustraden auch den Stich einer Tür, die dem Portal der Apollogalerie sehr ähnlidi,
aber nidit identisdi damit ist und die Bezeidinung trägt: „Porte de fer du vestibulc
du Chasteau de Maisons. Jean Marot fecit". Vielleicht ist es die Abbildung eines
anderen Portales, das als Gegenstück zu dem noch erhaltenen gedient hat. Auch
Marots sonstige Stiche mit Gitterwerken verraten große Verwandtschaft mit den
Portalen von Maisons. Das Portal der Apollogalerie zeidinet sich vor allen anderen
Kapitel III. Barock.
47
durch besonders reidien Schmuck aus. Jede Türfüllung ist in ein mittleres ovales
und in vier längliche Felder geteilt, die von einem aus Rosetten gebildeten Ornament-
bande eingerahmt sind. Das Oval in der Mitte nimmt ein Merkurstab mit Ähren
und Eichenzweigen ein; die sdimalen Felder sind mit spiralig aufgerolltem Akanthus-
werk ausgefüllt, durcli welches sidi Sdilangen ringeln; die oberen Ranken endigen
in Adlerköpfe. Die Oberliditfüllung wird von einer figürlidien Komposition [ein-
genommen: einer bärtigen geflügelten Gestalt, welche nadi unten in Akanthusranken,
m
W^S^IB
Abb. 47. Teil des in Abbildung M dargestellten Portals.
die sich seitlich verästeln, ausläuft, setzen zwei aus Blüten heraussteigende Knaben
eine Krone auf. Als Umrahmung der Tür und des Oberlichtes dient ein aus sidi
übersdineidenden Kreisen gebildetes Ornament, durch acht in bestimmten Zwischen-
räumen angebrachte Löwenköpfe belebt. Auf den Friesstreifen unterhalb des Ober-
lichtes ist ein Satyrkopf aufgesetzt. Ganz ähnlich ist das zweite Portal gestaltet (Abb. 48),
nur daß die sdimalen Felder auf den Türflügeln eine andere Ornamentik zeigen: zier-
lidi ausgebildete Baluster innerhalb eines Fleditwerkrahmens. Die strenge, regel-
mäßige Gliederung der Flächen, der in gleidimäßig gerundeten Spiralen sich ent-
48
Brüiiing - Rohde, Sdimicdekunst.
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Abb. 48. Portal aus dem Schlosse Maisons-sur-Seine im Louvre zu Paris.
wickelnde Äkanthus, die Verbindung menschlicher Figuren mit demselben in grotesker
Art und andere Motive lassen den Einfluß antiker Monumente deutlich erkennen.
Die Datierung dieser beiden Praditwerke, fast der einzigen Denkmäler aus dem Ge-
biete der Kleinkünste, die jene antikisierende Kunstrichtung hinterlassen hat, wird
sdion durch die angeführte Zeit der Erbauung des Schlosses gegeben. Außerdem
weisen aber audi die verwandten, zeitlich bestimmten Ornamentstiche des H. Pierritz
Kapitel III. Barock.
49
und anderer auf die Mitte des 17. Jaiirhunderts als die Zeit der Entstehung dieser
Arbeiten hin.
Die Stiche Jean Marots mit Vorlagen für Sdimiedearbeiten zeigen eine ähnliche
Ornamentik, wie die Portale von Maison. Zum Teil sind seine Entwürfe etwas kalt
und trocken, oder sie ermüden durch die langweilige Teilung der Flächen in regel-
mäßige geometrische Figuren. Am glücklichsten sind noch die Geländer komponiert,
Abb. 49. Ballustrade nadi einem Stiche von J. Marot.
Abb. 50. Ballustrade nadi einem Stiche von J. Marot.
in denen die Baluster der Steinschranken in lockeres Stabwerk aufgelöst erscheinen
(Abb. 49 und 50).
Die Gittertore von Maisons-sur-Seine bedeuten indessen, ebenso wie die Orna-
mentstidie Jean Marots, für die Geschichte der Sdimiedekunst nur eine vorüber-
gehende Episode. Von weitgehendem Einfluß auf die Entwicklung der Schmiede-
kunst konnten sie schon deswegen nicht sein, weil die Ornamentik derselben in
ihrer sauber ziselierten Ausführung mehr für die Gußtechnik als für Schmiedearbeit
berechnet scheint.
Dagegen sollte ein anderer Bau, nämlich das Schloß zu Versailles für die Weiter-
bildung der Schmiedekunst von höchster Bedeutung werden, indem nicht nur zum
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst. 4
50 Brüning-Rohde, Schmiedekunst.
ersten Male hier die SdimiedearbGlt in einem Umfange, wie nie zuvor bei einem
Profanbau, herangezogen wurde, sondern auch bei der vorbildHdien Bedeutung,
weldic das Versailier Sdiloß in der Kunstentwidilung des übrigen Europa erlangen
sollte, die hier auftretende ausgedehnte Beteiligung der Sdimiedekunst an der Aus-
sdimüd^ung von Bauwerken weitgehende Nadiahmung in allen Ländern fand. Leider
ist von den überaus zahlreidien Eisenarbeiten, weldie diesen Riesenbau sdimüdtten
und seine äußere Ersdieinung wesentlidi beeinflußten, fast nidits mehr erhalten
geblieben. Wir sind fast allein auf die Stidie eines Silvestre, Lepautre, Rigaud u. a.
angewiesen, wenn wir uns ein Bild von ihnen versdiaffen wollen. Eine zweite,
reidilidi fließende Quelle bilden die von Jules Guiffrey herausgegebenen Comptes des
bätiments, die ausführlidicn Redinungsbüdier über die königlidien Bauten, weldie
auf einen ganz kolossalen Verbraudi des Sdimiedeeisens in künstlerisdier Form bei
diesem gewaltigen Bauwerke sdiließen lassen.
Sdion der Bau Ludwigs XIII. (begonnen 1624) vom Ärdiitekten Lemercier besaß
einen wirkungsvollen Sdimudt von Sdimiedewerken. Auf den Stidien des Israel
Silvestre von 1664 zieht sidi rings um das ganze Sdiloß in der Höhe des zweiten
Stodtwerkes ein fortlaufender vergoldeter Balkon, der audi über die Mauer hinweg-
geht, weldie die beiden Flügel des Sdilosses verbindet. Er diente auf diese Weise
audi dazu, die Räume des Obergesdiosses miteinander in Zusammenhang zu bringen
Die den Hof absdiließcnde Mauer öffnet sidi in sieben rundbogigen Arkaden, weldie
mit Gittern versehen waren, bei denen nadi dem Beridite der Mademoiselle de Scudery
„Gold und Grün in gutem Einklänge standen". Das Sdiloß, dessen Dädier fast ganz
vergoldet und mit Vasen und anderen Ornamenten von blauer Farbe gesdimüd^t
waren, und dessen Mauern aus roten Ziegeln und weißen Hausteinen bestanden,
gewährte infolgedessen ein sehr farbenreidies Aussehen'). Nadi beiden Gartenseiten
hin zeigen die Stidie lange Gitter, durdi Steinpilaster gegliedert.
Der verhältnismäßig kleine Bau seines Vorgängers genügte Ludwig XIV. nidit.
Er braudite ein Sdiloß, groß genug, den ganzen Adel seines Reidies zu beherbergen
und so in beständiger Obhut zu halten. Im Jahre 1662 beginnt Louis Levau den
Umbau, dessen Leitung er bis zu seinem Tode im Jahre 1670 behält. Das Sdiloß
erhielt in dieser Zeit sdion im wesentlidien die Anlage, die es nodi heute hat: in
der Hauptadise drei immer kleiner werdende Höfe, um weldie die Gebäulidikeiten
des Sdilosses sidi gruppieren, der letzte führt direkt zu den Wohngemädiern des
Königs selbst. Ein Stidi Silvestres von 1674 zeigt die neue Anlage, bei der die
beiden ersten Höfe, die Avant-cour (oder Cour des Ministres) und die Cour Royale
durdi Gitter abgesdilossen sind. Diese Gitter werden gegliedert durdi Steinpfeiler
mit bekrönenden Vasen, die in bestimmten Zwisdienräumen nebeneinander gesetzt
sind; dazwisdien sind die ziemlidi einfadi gebildeten Eisengitter eingesdialtet. Die
Endigungen der Stäbe sind wellenartig gebogen. Die Portale bestehen ebenfalls aus
einer Vereinigung von Mauerwerk und Eisenstäben. Die reidien Bekrönungen sdieinen
aus Stein gehauen gewesen zu sein. Das Gitter, weldies die Avant-cour im Kreis-
bogen abschloß, nahm dieselbe Stellung ein wie das Gitter, welches sich noch heute
dort befindet. Die Cour Royale, dem jetzt ein Abschlußgitter fehlt, wurde von der
Avant-cour durch ein in gerader Linie sich zwischen den beiden Höfen hinziehendes
Gitter getrennt, welches sidi zwischen den Säulen der Front der beiden die Cour
Royale seitlich begrenzenden Gebäuden fortsetzte und im weiteren Verlauf die rechts
und links von der Cour Royale befindlichen kleineren Höfe, der Cour des Princes
und der Cour de la Chapelle, absdiloß. Die Cour Royale schmückten ebenso wie
') Vgl. Dussieux, L., Le diäteau de Versailles, I, S. 19.
Kapitel 111. Barock.
51
52 Briining-Rohde, Sdiniiedekunst.
die dritte kleinste in der Hauptachse des Sdilosses liegende Cour de Marbre ver-
goldete Balkone.
Die Cour de Marbre trug damals außerdem in den beiden inneren Winkeln des
Hofes eine ungewöhnliclie, aus Schmiedeeisen gebildete Dekoration, nämlich zwei
große, über ein Stockwerk hohe Volieren, welclie 1671 von den Sdilossern Mathurin
Ic Breton und Christophe Maugin hergestellt und von Goy vergoldet wurden. Für
jede Voliere wurden 5600 livres gezahlt. Mathurin le Breton ist vielleicht derselbe
Sdilosscr, von dem die erwähnte Stidifolge stammt (S. 44). Die Volieren finden
sich auf den Stidien Lepautres dargestellt, in denen die sechs Tage währenden
Festlidikeiten verewigt sind, welche der König 1674 nach der Unterwerfung der
Frandie Comte in Versailles veranstaltete. Am ersten Tage fand eine Aufführung
der Oper „Alceste" von Quinault und LuUi in der als Theater hergeriditeten Cour
de Marbre statt. Der Stidi Lepautres vom Jahre 1676 zeigt außer den Baikonen
und beiden Volieren im Hintergrunde drei schmiedeeiserne Portale. Der hier dar-
gestellte Stidi (Abb. 51) steUt das Fest des 4. Tages dar, an welchem abends in der
Cour de Marbre soupiert wurde. In der Mitte erhob sidi eine große Lichtersäule.
Im Jahre 1776 wurde Jules-Hardouin Mansart die Oberleitung der Bauarbeiten
übertragen. Schon die Stiche Silvestres von 1682 und 1684 zeigen bedeutende
Veränderungen in bezug auf die die Höfe des Sdilosses zierenden Eisenarbeiten.
Die Volieren fehlen vollständig. An die Stelle der durch Steinpfeiler gegliederten
Abschlußgitter der beiden Höfe sind neue getreten, bei denen die Steinpfeiler durch
Eisenpilaster mit reichem Schmuckwerk: Sonnenmasken, Lyren, Kronen usw. ersetzt
und auch die Tore ganz aus Eisen gebildet sind. Das Gitter, welches die Avant-cour
abschließt, behielt den Umfang und die Anordnung des ersten Gitters bei. Es sdimückt
nodi heute den Vorhof, aber nicht mehr in seiner ursprünglidien Gestalt. Da es in
den Sdireckcnszeiten der Revolution stark beschädigt worden war, wurde es zur Zeit
des ersten Kaiserreidies unter der Leitung des damaligen Architekten des Schlosses,
Dufour, wieder hergestellt, und zwar mit starker Abweichung von der ursprünglichen
Form des Portals'). Eine weitere Ausbesserung fand 1879 statt"-). Den jetzigen Zu-
stand veranschaulicht die Abbildung 52. Dagegen fehlt jetzt vollständig das umfang-
reidie Gitter, welches früher die Cour Royale von der Avant-cour trennte. Dieses
um 1680 errichtete Gitter befand sich nicht genau an derselben Stelle, wie das ältere,
durdi Steinpfeiler gegliederte Gitter. Es trat vielmehr in der Mitte, entsprechend
dem Gitter der Avant-cour, bogenförmig vor. Sein Eingang war ungefähr an dem
Platze, wo heute die 1834 errichtete Reiterstatue Ludwigs XIV. steht. Das ganz aus
Eisen gebildete Gitter war nur durch zwei steinerne, mit Skulpturen geschmückte
Schilderhäuser unterbrochen. Zwischen den Säulenreihen der Front der beiden Seiten-
gebäude der Cour Royale sich hinziehend, fand das Gitter rechts und links seine
Fortsetzung in den Gittern, welche einerseits die Cour de la Chapelie und die jetzige
Rue des Reservoires und andererseits die Cour des Princes und die jetzige Rue
Gambetta abschlössen; jedes dieser vier Gitter war mit einem besonderen Tor ver-
sehen (Abb. 53).
Diese ganz ausgedehnte Gitteranlage wurde am 6. Oktober 1789 von den Scharen
der entzügclten Volksmassen, welche die königliche Familie zwangen, Versailles zu
verlassen und sich nadi Paris zu begeben, zerstört. Die als Lanzen gestalteten
Eisenstäbc wurden in ihrer Hand zur Waffe, auf denen die Köpfe der ermordeten
Leibgardisten im Zuge vorangetragen wurden.
^) Vgl. Bury, Modeles de serrurier. Paris, Seite 8.
-) Siehe Dussieux, L., Le chäteau de Versailles, I, Seite 98, Anmerkung 4.
Kapitel III. Barock.
53
Audi die gegenüber dem Schloß auf dem Place d'armes erriditeten und zur
ganzen Anlage in Beziehung gesetzten Flügelbauten, die, als Grande und Petite
Ecurie von Mansart 1679 — 1682 erriclitet, jetzt als Kasernen dienen, waren mit
ähnlidi gestalteten Gittern versehen.
Berücksichtigt man, daß alle diese umfangreichen Gitterwerke, sowie die Balkone
im Sdimudi reicher Vergoldung prangten, so wird man begreifen, daß besonders
durch das Fehlen des großen Hauptgitters vor der Cour Royale der Eindruck des
ganzen Baues erheblidi beeinträditigt wird. Erst durdi dieses Gitter erhielt die ge-
waltige Anlage die nötige Teilung, wurde die jetzt unerträglich große Tiefen-
ausdehnung wohltätig untcrbrodien.
Abb. 52. Gitter der Avant-cour des Schlosses von Versailles (jetziger Zustand).
Rechnet man die in ihrer Anordnung zur Schloßanlage gehörige Place d'armes
dazu, so gliedert sich das ganze Bauwerk in der Richtung der Hauptaxe in vier
immer enger werdende Höfe, weldie nur ein allmähliches Annähern an den eigent-
lichen Wohnsitz des Monarchen gestatteten. Während das Gitter vor der Avant-
Cour von jedem Wagen passiert werden durfte, öffnete sich das große Gitter vor
der Cour Royale nur den Karossen derjenigen, welche die Honneurs du Louvre
besaßen, eine Ehre, die den königlichen Prinzen, den Marschällen Frankreidis und
den Gesandten der fremden Staaten vorbehalten waren; die übrigen Besucher mußten
vorher aussteigen und sich in Sänften in das Schloß tragen lassen. Zur Zeit
Ludwigs XVI. wurde das Haupttor erst gegen 11 '/e Uhr morgens, der Zeit des Levers
des Königs, geöffnet^). — Unwillkürlich wird man an jene altägyptischen Tempel
erinnert, bei denen auch eine Anzahl Vorhöfe, die allmählich auf die Nähe der
Gottheit vorbereiteten, zu dem weiter zurückliegenden Heiligtum führten.
1) Vgl. d'Hezecques, Souvenirs d'un page de la cour de Louis XVI., S. 135.
54
Brüning - Rohde, Sdiinicdekunst.
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Kapitel 111. Barock.
55
Aber niclit nur die äußere Erscheinung des Schlosses erhielt durdi solche kunst-
vollen Schmiedewerke eine bedeutende Erhöhung, auch im Innern waren zahlreiche
Eisenarbeiten, Portale, Geländer, Balustraden usw. angebradit, die ebenfalls zumeist
versdiwunden sind. So war z. B. das Vestibül der beiden Haupttreppen, der escalier
der ambassadeurs und der escalier de la reine, von schönen Gittertoren abgesdilossen.
Von der umfangreidien Verwendung sdmiiedeeiserner Arbeiten im Park läßt
sidi kaum nodi eine Vorstellung gewinnen. Von Gittern und Portalen zur Abgrenzung
einzelner Teile des Parks, vor Grotten und sonstigen Bauten, von Balustraden und
Fontänen u. dgl., ferner von jenen aus Eisen und Holz errichteten Laubengängen
und Ardiitekturen muß sehr weitgehender Gebrauch gemacht worden sein. Einzelnes
flbb. 54. Bosquet de l'flrc de Triomphe im Park von Versailles nach einer von M. Baqoy
gestochenen Zeichnung von F. Delamonce, 1714.
läßt sidi noch aus Stichen und sonstigen Mitteilungen ungefähr rekonstruieren. Nur
weniges hat sich, wie das Eingangsgitter zum großen Gemüsegarten, noch erhalten.
Manches ist schon zu Ludwigs XIV. Zeit entfernt worden, wie die reich geschmückten
Portale, welche die drei Arkaden der Grotte der Thetis abschlössen. Sie waren 1666
von Mathurin le Breton (siehe S. 44 und 52) ausgeführt und von Goy vergoldet
worden. Die Grotte wurde schon 1686 zerstört, als Mansart den Nordflügel des
Schlosses erbaute.
Eine der großartigsten Schöpfungen der Schmiedekunst im Park war der große
Triumphbogen, der den Hauptschmuck des Bosquet de l'Arc de Triomphe bildete
(Abb. 54). Drei große Fontainen zierten den Vordergrund der theatralisch sidi ab-
stufenden, von Heckenmauern eingefaßten Anlage. Eine Marmorterrasse führte dann
zum Vorplatz; hier standen vier sdimiedeeiserne durchbrochene Obelisken, in welchen
Wasserstrahlen emporsprangen. Rechts und links an den Seiten befanden sich büfett-
56
Brüning - Rohdc, Sdimicdekunst.
artige Aufbauten, ebenfalls aus Sdimiedeeisen gebildet. Im Hintergrunde endlich
erhob sidi auf mehreren Stufen der Triumphbogen, sidi in drei Arkaden öffnend,
von einem Giebel bekrönt. Das Giebelfeld nahm eine symmetrische Komposition mit
dem königlidicn Wappen in der Mitte ein. Audi die übrigen Teile der Architektur
des Triumphbogens, der stufenförmige Unterbau sowie die erwähnten Büfetts und
Obelisken waren mit mannigfaltigen sdimiedeeisernen und vergoldeten Ornamenten
gesdimückt. Delobel, von dem audi ein großer Teil der Balkone des Sdilosses, die
Abb. 55. Chorgitter in Val de Gräce zu Paris.
Portale des Vestibüls der Gesandtentreppe sowie andere Schmiedearbeiten herrühren,
war der Verfertiger dieser großartigen Eisenwerke, die von 1677 — 83 etwa her-
gestellt wurden. „Wahrlich," sagt Blondel, „es ist unmöglich, wenn man es nicht
gesehen hat, sich den wunderbaren Eindruck vorzustellen, welchen diese Dekoration
hervorruft; die Kunst scheint hier den höchsten Gipfel erreicht zu haben und die Natur
neidisch mit ihr um den Vorrang zu streiten." — 1801 wurde die ganze Anlage
zerstört.
Wie in Versailles, so spielte auch bei den anderen unter Ludwig XIV. errichteten
Schlössern das Eisen in der äußeren und inneren Dekoration eine große Rolle. Auch
hier lassen allein die Comptes des bätiments ahnen, welche Massen kunstvoller
Schmiedearbeit zugrunde gegangen sind. Ähnlich wie in Versailles hatte auch das
Kapitel III. Barock.
57
Schloß zu Sceaux ein doppeltes Vorhofgitter, das Schloß Choisy, Clagny, St. Cloud,
St. Gerniain u. a. zierten ebenfalls ausgedehnte Gitterwerke. Besonders gesdimack-
volle Sdimiedearbeiten befanden sidi in Marly, einem Schlößchen in einem ganz von
Hügeln eingesdilossenen, versteckten Tale, wo Ludwig XIV., wenn er des lauten
Treibens in Versailles müde war, sidi mit wenigen Günstlingen auf einige Tage zurück-
zuziehen pflegte. Abgesehen von einem sdilichten Vorhofgitter war das Schloß selbst
von einer sdiönen Balustrade umgeben, welche zwischen marmornen Sphinxen an-
gebradit war. Audi die Fontänen und Wasserbecken des Parks waren von hübschen
schmiedeeisernen Umfriedigungen eingeschlossen^).
Ahnlidi wie die Vorhöfe und Parks der Schlösser pflegte man auch die Chöre
und Seitenkapellen der Kirdien mit großen
Gittern abzugrenzen, eine Sitte, die bis
dahin in größerem Umfange nur, wie er-
wähnt, in Spanien geübt worden war.
Eines der frühesten Beispiele eines der-
artigen Chorgitters ist das der Abteikirche
Val de Gräce zu Paris, das 1666 von den
Schlossern Jean Demouchy und Sebastien
Matherion hergestellt wurde (Abb. 55).
Außerdem aber fand das Sdimiedeeisen
auch in der Form von Kanzelgittern,
Kommuniongittern, d. h. niedrigen Balu-
straden vor dem Altar, an die die Gläu-
bigen zum Empfange des Abendmahls
herantraten, ferner als Kronleuchter, Kan-
delaber, Lesepulte usw. reiche Verwen-
dung, während in den Sdilössern diese
Geräte zumeist aus Bronze oder auch aus
Edelmetall bestanden.
Leider sind fast alle diese zahllosen
Schmiedearbeiten, welche Versailles und
die anderen Schlösser Ludwigs XIV. und
des französischen Adels schmückten, ver-
sdiwunden. Wir können uns indessen,
wie schon gesagt, aus den Ornament-
stichen jener Zeit eine annähernde Vor-
stellung von ihrem Aussehen verschaffen.
Für die in dem Zeiträume von 1660 bis
etwa 1690 entstandenen Werke geben uns unter anderem die Stiche des Jean
Lepautre, Pierretz le Jeune und Michel Haste einen Anhalt.
Wohl noch in die sechziger Jahre ist das Livre de serrurerie von Jean Lepautre,
gestochen von Jacques Lepautre, zu setzen. Jean Lepautre (1617 — 1682), der frucht-
barste Ornamentstecher jener Zeit, ein Mitarbeiter und künstlerischer Gesinnungs-
genosse Lebruns, gibt hier auf 12 Blättern Entwürfe von ungleichem Charakter
für Gitter, Portale, Balustraden, Wandarme, Kaminböcke, Türklopfer, Sdilüssel und
Schlüsselschilder. Seine großen Gitter und Tore zeigen zum Teil einfache Bildung,
die in einem schlichten Nebeneinanderreihen von Stäben quadratischen Querschnitts
besteht. Nur an den Enden der Stäbe wird der Zwischenraum zwischen je zwei
Abb. 56.
Gittertore aus dem Schlosserbudie
von J. Lepautre.
^) Siehe Guillaumot, A. H., Chäteau de Marly-le-Roy. Paris 1865.
58
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
Stäben wie beim Chorgitter von Val de Gräce mit einem kleinen, spitzenartigen
Ornament gefüllt. Eine reidie Ausgestaltung erfahren nur die Bekrönungen der
Portale, die mit Wappen, Monogrammen, dicken Akanthusspiralen und oft auch mit
Figuren geziert sind. Andere Gittertore besitzen eine mannigfaltigere Formgebung.
Die gewöhnlich in ein größeres oberes und ein kleineres unteres Feld zerfallenden
Türflügel sind mit symmctrisdien Kompositionen gefüllt, welche aus Stabwerk, das
sich meist in rundlichen Linien
bewegt, in Verbindung mit
üppigen Akanthusranken be-
steht (Abb. 56). Ein der Tisch-
lerei entnommenes Motiv ist
die Einfassung der Füllungen
durch Stabwerk, das einen
Holzrahmen mit auf Gehrung
geschnittenen Ecken nach-
ahmt. Es entsteht dadurch
fast eine perspektivische Wir-
kung, indem die Füllungen
scheinbar zurücktreten. Die
Balkongitter sind ähnlich die-
sen Füllungen gebildet. Die
Wandarme bestehen aus
großen Akanthusspiralen, die
in Halbfiguren als Träger der
Aushängeschilder auswach-
sen. Die Entwürfe für Kamin-
böcke, Türklopfer und Schlüs-
selschilder sind mit Akanthus,
schweren, dicken Girlanden,
Masken, Figuren, Trophäen
und Emblemen reichlich aus-
gestattet; in Treibarbeit und
Eisenschnitt ausführbar, ent-
halten sie in ihrer Form-
gebung nichts, was sie von
Arbeiten in Gußmetall unter-
scheiden könnte. Jedenfalls
wird auch ein großer Teil
derselben für Bronzeguß be-
stimmt gewesen sein.
Stark beeinflußt von Le-
pautre ist das ebenfalls aus 12 Tafeln bestehende Schlosserbuch des Pierretz le Jeune,
das ungefähr derselben Zeit angehören dürfte. Seine Entwürfe für Klopfer, Riegel,
Schlüsselschilder und Schlüssel (Abb. 57) sind von ähnlichem Formenreichtum, wie die
gleichen Arbeiten seines Vorbildes. In schroffem Gegensatz zu der in diesen Gegenständen
niedergelegten Fülle von Motiven stehen dagegen die Zeichnungen für Balkone und
Treppengeländer, welche aus beinahe sdimucklosen Stäben bestehen, die in regelmäßigen
Bogenlinien gezogen sind, eine Formgebung, die an die unter Ludwig XIII. übliche
Gitterbildung erinnert. Ein auch dort beliebtes Ziermotiv, von dem Pierretz häufig
Gebrauch madit, ist der wellig gebogene Stab als freie Endigung.
Abb. 57.
Schlüsselgriffe aus dem Schlosserbuche
von Pierretz le Jeune.
Kapitel III. Barock.
59
Dem Formcnkreise, der bei Lepautrc und Pierretz le Jeune erscheint, gehören
auch sechs Blatt mit Sdimiedearbeiten an, welche von dem Pariser Sclilossermeister
Micliel Haste dem Architekten de Lespine gewidmet sind. Da die Widmung, weldie
über dem auf dem ersten Blatte dargestellten Portale angebracht ist, uns über die
künstlerisdie Urheberschaft dieser Vorlageblätter Aufsdiluß gibt, so möge sie unverkürzt
hier folgen: „A Monsieur
de l'Espine Arcliitecte des
Bastimens du Roy. Mon-
sieur II est bien raisonnable,
que ces Ouurages soint
honorez de vostre Nom
puis qu'ils ont eu l'honneur
de vostre aprobation come
vous estes le sage Archi-
tecte qui a esleue des Basti-
mens considerables dans
Icsquels iay executc ces
desseins sous vos ordres,
c'est vous rendre ce, qui
vous appartient que de
vous les Consacrer vous
Icur auez donne i'Estre, et
Ion peut dire que vous en
estes le Pere et le premier
Mobile: et que c'est a vous
que le public en sera plus
oblige qu'a moy qui feray
gloire de me dire toute ma
vic Monsieur Vostre tres
humble et tres oblige serui-
teur Mic. Haste M. Serurier
a Paris." Aus diesen Wor-
ten geht nicht nur hervor,
daß die in den herausge-
gebenen Stichen dargestell-
ten Sdilosserarbeiten für die
Bauten de Lespines aus-
geführt worden sind, son-
dern man darf wohl aucli
daraus entnehmen, daß der
ursprüngliche Entwurf oder
wenigstens die Skizzen zu
allen diesen Gitterwerken
usw. von de Lespine her-
rühren. Die ungeschickte ängstliche Zeichnung der Stidie spricht ebenfalls dafür,
daß Haste mehr Handwerker als entwerfender Künstler war. Die dargestellten
Arbeiten, Gittertore, Treppengeländer, Wandarme, Wandleuchter und Kaminböcke,
sind zumeist im Stile Lepautres gehalten (Abb. 58).
Wahrsdieinlich ist Haste auch eine zweite unbezeichnete Folge von sechs Blatt
zuzuschreiben, die bei demselben Verleger (F. Poilly rue St. Jacques ä l'image H. Benoist)
Hbb. 58. Vorlagen für Schlosserarbeiten von M. Haste.
60
Brüning-Rohdc, Sdimiedekunst.
crscliienen ist, wie die bezeidinetcn Stiche. Daß diese Folge nicht den Namen des
Haste trägt, kann kein Hinderungsgrund sein, sie auf ihn zurückzuführen, da audi
die erste Folge, abgesehen von der Unterschrift der Widmung, keine weitere Be-
zeichnung des Verfassers enthält. Auch diese Entwürfe stehen den Stichen des
Lepautre und Pierretz sehr nahe und gehören ungefähr in dieselbe Zeit. Die Gitter
zeigen eine besondere Bildung, insofern bei mehreren die Stäbe durch breite Bunde
zu je zweien vereinigt sind, wodurch die Eintönigkeit der nebeneinander gereihten
parallelen Stäbe angenehm unterbrochen wird. Das erste Blatt stellt die Hälften
zweier Chorgitter dar, von denen das eine eine sehr große Verwandtschaft mit dem
noch zu erwähnenden Chorgitter von St. Eustache besitzt (Abb. 59). Auf dem zweiten
Blatt ist dagegen unverkennbar das Chor-
gitter von Val de Gräce abgebildet (Abb. 55).
Audi bei diesem Gitter ist die Monotonie,
die leicht durch das Aneinanderreihen gleich-
artiger Stäbe entsteht, geschickt aufgehoben,
indem je zwei Stäbe zu einer Art von Pilaster
verbunden sind. Eine etwas starre architek-
tonische Bildung weisen die Eisenpfeiler zu
beiden Seiten des Portals auf, die kannelierte,
von Vasen bekrönte Steinpfeiler nachahmen.
Auch drei weitere Folgen, jede zu sechs
Blatt, untereinander sehr verwandt, gehen
vielleicht auf denselben Haste zurück. Alle
drei tragen die Bezeichnung: Chez NDe Poilly
rue St. Jacques ä la belle Image, außerdem
sind sämtliche 18 Blätter von fünf bis sechs
dünnen cnggestellten Linien eingerahmt. Die
eine derselben gibt auf fünf Tafeln einen Teil
der großen Gitterwerke des Schlosses zu
Versailles, das sechste Blatt enthält das schon
erwähnte Chorgitter von St. Eustache, sämt-
liche Blätter besitzen diesbezügliche Unter-
schriften. Die zweite Folge gibt Treppen-
geländer und Balkone, die dritte Türklopfer,
Schlüsselschilder, Riegel, Kaminböcke und
Wandarme (Abb. 60), alles dem Stile der
Versailler Arbeiten nahe verwandt. Alle drei
Folgen müssen etwa zwischen 1680 und 1690 erschienen sein. Für ihre Zuteilung
an Haste spricht auch der Umstand, daß ein Schlosser namens Michel Haste am
Versailler Schloß beschäftigt war. In den Comptes des bätiments wird seit 1676 ein
Schlosser Haste erwähnt, der Arbeiten für Clagny, Fontainebleau, St. Germain und
Versailles ausführte; von 1679 bis 1686 wird von einem Michel Haste l'aisne ge-
sprochen, der für Versailles, Marly und Noisy arbeitete. Seit 1685 erscheint auch
ein Michel Haste le jeune unter den für Versailles tätigen Schlossern. Möglicher-
weise ist der ältere Haste, der anfangs nur bei seinem Zunamen genannt wird, der
Verfasser der genannten Ornamentstichfolgen, in denen er neben ausgeführten, zum
Teil von ihm selbst geschmiedeten Arbeiten auch einige Entwürfe eigener Erfindung
abgebildet haben mag.
Außer den angeführten fünf Tafeln mit Stichen von Versailler Gitterwerken sind
auch bei le Blond zehn Blatt mit Versailler Schmiedearbeiten erschienen, welche zum
flbb. 59. Stidi mit dem Chorgitter von
St. Eustache zu Paris.
Kapitel III. Barock.
61
Teil die dem Haste zugeschriebenen Stiche ergänzen. Da die meisten dieser Gitter
nidit mehr vorhanden sind, die wenigen nodi erhaltenen zum Teil, wie das Gitter
des Vorhofes, nicht mehr ihre ursprünglidie Gestalt bewahrt haben, so geben uns
diese Stiche im Verein mit denen von Silvestre und Rigaud den einzigen authentischen
Anhalt zur Feststellung der Form jener Gitterwerke. Sie stellen die Hauptteile der
Gitter der beiden großen Höfe und deren Portale, der Stallungen, zwei Tore des
Vestibüls der großen Treppe, das Abschlußgitter der Kapelle und mehrere Balkone
dar. Davon sind die Portale der Haupttreppe 1677 79 von Delobel, die Gitter der
Höfe und Stallungen von Delobel, Luchet, Haste und Gilles Fordrin in den Jahren
1679 und 1680 gescliaffen worden.
Gegenüber den zum Teil etwas überladenen, an den überquellenden Formen-
aufwand Lebruns erinnernden Entwürfen von Lepautre und Pierretz zeichnen sidi
flbb. 60, Wandarme nach einem Stiche von M. Haste.
alle diese Arbeiten durch ziemlidie Einfachheit aus, was vielleidit der maßvollen,
zurückhaltenden Ornamentkunst Mansarts zuzuschreiben ist. Die Gitter bestehen aus
einem Spalier von Stäben in Lanzenform, welche in bestimmten Entfernungen von
pilasterartigen, den früheren Steinpfeilern entsprechenden Zwischensätzen unterbrochen
sind. Beim Gitter der Cour Royale wechselt jedesmal ein lanzenförmiger Stab mit
einem Stabe ab, der in eine heraldische Lilie, das Wappenzeidien der Bourbonen,
endigt (Abb. 61). Die Pilaster sind mit beziehungsreidien Emblemen ausgestattet:
die der Avant- cour zeigen als Hauptschmuck eine große Lyra, darunter die Maske
des Sonnengottes, beides ein Hinweis auf Phöbus Apollo, mit welchem Ludwig XIV.
sich gern in stolzer Selbstgefälligkeit vergleichen ließ. Nach oben laufen sie in die
drei bourbonischen Lilien aus. Die Pilaster des großen Gitters vor der Cour Royale
tragen in der Mitte eine große Sonnenmaske. Als Krönung ist auf einer Art von
Sockel, von dem ein Behang herunterfällt, das von einer Krone überragte Monogramm
des Königs, das Doppel-L, zwischen Füllhörnern und Palmzweigcn angebradit. Die
62
Brflning - Rohde, Sdimiedekunst.
Pilaster des Gitters der Petite Ecurie enthalten Peitsclien, Striegel und ähnliche auf'
die Bestimmung des Gebäudes hinweisende Abzeidien, die der Grande Ecurie Degen
und dergleidien, was wohl auf die dort wohnenden Pagen hindeuten soll. Die
Eingangstore sind ähnlicli wie das Portal des Chorgitters von Val de Gräce aus
sdilicliten Stäben gebildet, zwischen denen oben und
unten sowie zu beiden Seiten des Querstabes kleine
Füllornamente in Form einer Lyra und ähnlidies ein-
gesetzt sind. Den Hauptzierat des Portals bildet der
Aufsatz, das von einer Krone überdachte Wappen oder
Monogramm des Königs, umgeben von großen S-förmi-
gen Voluten, Äkanthusranken usw. Zu beiden Seiten
des Portals der Cour Royale befinden sidi noch zwei
niedrigere Steinpfeiler, auf welche das Tor sich ver-
mittels zweier großen Eisenvoluten gleichsam wie auf
Krücken stützt.
Reicher in ihrer Bildung sind die von Rundbogen
abgesdilossenen Portale der großen Treppe. Die Um-
rahmung der auf folgender Seite (Abb. 62) dargestellten
Gittertür besteht aus einem
Friesstreifen, der sich aus
Kreisen zusammensetzt. Das
Oberlicht enthält auf einem
aus Stäben gebildeten Sockel
das Wappen des Königs.
Bei den Türflügeln laufen
die Stäbe nicht durdi beide
Felder hindurdi, sondern
jedes Feld zeigt eine für
sich abgesonderte Kompo-
sition. Im oberen Felde sind
jedesmal die paarigen und
unpaarigen Stäbe gleich-
artig gebildet, sämtliche aber
untereinander oben und
unten verbunden. Im unte-
ren Felde sind die Stäbe
paarweise zusammengefaßt
und diese Paare durch Quer-
leisten und Rosetten ver-
einigt. Die Balkone glie-
dern sich in schmalere und
breitere Absdinitte, die von
einer Komposition gefüllt
sind, welche das königlidie
Wappen, das Doppel-L oder die Sonnenmaske zum Mittelpunkt hat. Diese Embleme
ruhen gewöhnlidi auf einem aus Stäben gebildeten Sockel mit oder ohne Behang,
seitlidi sind sie von Akanthusspiralen umgeben. Bei anderen Baikonen schließt sidi
ein mit einem Eierstab geschmückter breiter Rahmen um das Zentrum. Außer den
angeführten Stichen befindet sidi noch eine Federzeichnung von mehreren Baikonen
der Cour de Marbre im Musee des arts decoratifs zu Paris (Abb. 63).
Abb. 61. Stich mit dem Portal des Gitters der Cour Royale
in Versailles.
Kapitel III. Barock.
63
Dem Formenkrcis, wie er in den Stidicn
der angeführten Meister und in den Versailler
Arbeiten ausgebildet erscheint, gctiören noch
mehrere große Gitter an, die als Chor- oder
Kapellenabsdiiüsse gedient haben. Einzelne
derselben haben sich noch erhalten, wie das
Gitter einer Kapelle in der Kathedrale zu
Dijon, dessen Bekrönung lebhaft an den
Aufsatz des Portals auf dem ersten Blatt
der Stichfolge des Haste mit der Widmung
an de Lespine erinnert. Die Gestalt anderer,
nidit mehr vorhandener, ist wenigstens in
Stichen aufbewahrt. So stellt das letzte Blatt
der dem Midiel Haste zugeschriebenen Folge
mit Gitterwerken von Versailles das Chor-
gitter von St. Eustache in Paris dar, das um
dieselbe Zeit wie die Versailler Arbeiten ent-
standen sein muß. Die Flügel der von
korinthischem Pilaster flankierten Tür ent-
halten in ihrem unteren Felde eine sym-
metrische Äkanthuskomposition, die in ihrer
raumfüllenden Eigenschaft gewissermaßen zu
dem das Gitter tragenden Sockel die Fort-
setzung bildet. Dieser muß, nach seiner
Gliederung in Rahmen und Füllung zu ur-
teilen, aus Holz bestanden haben. Die Stäbe
des oberen Feldes sind durch Bunde zu
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Abb. 62. Stich mit dem Portal an der großen
Treppe im Schloß zu Versailles.
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Abb. 63. Entwurf für die Balkongitter des Schlosses zu Versailles.
64
Brüning-Rohde, Sdiniiedekunst.
Paaren vereinigt. Die Bekrönung des Portals zeigt den aus den Versailler Toren
bekannten Aufsatz. Das Gitter ist ebenfalls mit einem besonderen fortlaufenden,
niedrigen Aufsatz versehen (Abb. 59).
Audi die formpräclitigen Chorgitter von St. Sulpice und von St. Denis, welches
letztere in seiner Gestaltung an das Chorgitter von Val de Gräce anklingt, aber sehr
viel reidicr ausgesdimückt ist, sind uns durdi Stidie des Nicolas Guerard und Nie.
Bonnard bekannt. Wie aus diesen und den anderen angeführten Beispielen ersicht-
lidi ist, wurden diese Gitter, welche den Chor sowohl von vorn als auch an den
Seiten gegen den Chorumgang hin abzusperren pflegten, nicht nur in neue Kirchen,
sondern audi in die alten mittelalterlichen Kathedralen hineingebaut, ohne daß man
irgendweldie stilkritische Bedenken dabei gehabt hätte.
Als Nachzügler einer älteren Stilrichtung, als die zuletzt vorgeführten Arbeiten
Abb. 6^. Gitter, abgebildet in einer Handschrift von Barras de la Penne, 1698.
vertreten, kann man zwei in Marseille tätige Künstler, den Pierre und Jean Gautier,
betrachten, von denen der erstere sich als königlichen Schlossermeister im Schiffs-
arsenal zu Marseille bezeichnet. Pierre Gautier hat ein Büchlein mit Stichen nach
seinen ausgeführten Arbeiten, im ganzen 16 Blatt, 1685 herausgegeben. Daneben
existieren noch sechs Tafeln mit der Bezeidinung J. G., von denen eine die Jahres-
zahl 1688 trägt. Es sind Gitter, Kaminböcke, ein Wandarm und eine Laterne. Die
Stiche beider, die sich nur wenig voneinander unterscheiden, zeigen zum Teil noch
eine Hinneigung zu den Schmiedearbeiten der Zeit Ludwigs XIII., was vielleicht mit
der großen Entfernung des Ortes ihrer Tätigkeit von der Hauptstadt in Verbindung
zu bringen ist. Besonders fällt die häufige Verwendung des Motivs der bourbonisdien
Lilien in verschiedenen Maßstäben auf. Daneben spielt die Akanthusranke in regel-
mäßig gezogenen vollrunden Spiralen von einer etwas flauen, marklosen Zeichnung
eine große Rolle; audi natürliche Pflanzen, Ähren, Tulpen und andere Blumen kommen
vor. Die Linienführung des Stabwerks besitzt in ihrer Hinneigung zu rundlichen
Formen einen weichlichen Charakter. Gebrochene Linien treten bei Jean Gautier nur
in besdieidenem Maße auf, bei Pierre fehlen sie völlig. Ein Teil der Arbeiten fand
Kapitel III. Barock.
65
vielleidit auf den Prunksdiiffen des Königs Verwendung. Ein Manuskript von Barras
de la Penne vom Jahre 1698 enthält die Darstellung eines Gitters von der Galeere
Ludwigs XIV., weldies genau dieselbe Zeidinung zeigt wie ein Stich des Pierre
Gautier (Abb. 64).
Mit dem Jahre 1690 etwa tritt die französische Schmiedekunst zugleich mit den
übrigen dekorativen Künsten in die Gefolgschaft der Kunst eines der bedeutendsten
sdiöpferisdien Geister auf dem Gebiete der Ornamentik, nämlich des Jean Berain.
Auch in Deutsdiland steht die Schmiedekunst in den folgenden Jahrzehnten durchaus
im Zeichen dieses Künst-
lers. Um jedoch die Be- ji%^ i^
deutung Berains für die
Schmiedekunst ganz zu ver-
stehen, bedarf es eines
kurzen Rückblicks auf das,
was bisher geschaffen wor-
den war.
Jean Marots Entwürfe
für Schmiedearbeiten hatten
keine weitere Verbreitung
gefunden. Indessen war
doch der Eindruck, den
die großartigen Portale von
Maisons-sur-Seine auf die
Zeitgenossen ausübten, so
groß, daß noch lange ein-
zelne Motive der in den-
selben angewandten Orna-
mentikweiterlebten. Daviler
bezeichnet in seinem Cours
d'Architecture von 1691 aus-
drücklich die Gittertore von
Maisons neben den Ver-
saillern als die schönsten
Eisenportale. Den neuen
Aufgaben gegenüber, die
dann Versailles und die
anderen gleichzeitig er- Abb. 65. Gitter nach einem Stiche von J. Berain.
bauten Schlösser an die
Schmiedekunst stellten, zeigte man sich, was die künstlerische Erfindung angeht, zum
Teil noch nicht ganz gewachsen. Vielfach kehrte man zu den Motiven aus der Zeit
Ludwigs X!ll. zurück. Die neuen Entwürfe, wie z. B. die Gittertore von Versailles
oder von Val de Gräce, sind ziemlich dürftige und trockene Leistungen, reicheren
Kompositionen fehlt die Eleganz der Linienführung; die Pflanzenornamentik, die in
der Form des Akanthus auftritt, überwiegt vielfach noch zu sehr. Vor allem aber
fehlt es der Schmiedekunst noch an einem einheitlichen Formenkreis, der sämtliche
in ihren Bereich fallende Arbeiten gleichmäßig umfaßt. Diesen Mangel zeigen be-
sonders die Schlosserbücher des Lepautre und Pierretz; während die Gitterbildung
sich vielfach mit rein linearen Motiven begnügt, sind die Türklopfer, Schlüssel-
schilder, Wandarme usw. mit mannigfaltigem figürlichen und pflanzlichen Dekor
ausgestattet.
Brüning-Rohde, Schmiedekunst.
66
ßrüning-Rohde, Sdimiedekunst.
Schon einmal ist Bcrain uns in der Gescliidite der Sdimiedekunst begegnet. 16 Tafeln
des um 1665 veröffentliditen Sdilosscrbudies von Brisville wurden von seiner Hand
graviert, nadidem er selbst 1659 eine Folge von Ornamentstidien zum Gebraudi für
Büdiscnmadier in Paris herausgegeben hatte. Was von seinem Wirken vorher liegte
ist uns unbekannt. Wir wissen nur, daß er wahrsdieinlidi im Jahre 1637 zu Saint-
Mihiel in Lothringen geboren wurde und mit seinem älteren Bruder Claude, der
audi Graveur war, sdion früh nadi Paris gekommen sein muß. 1671 ersdieint er
zum ersten Male in den Comptes des bätiments als Stedier zweier Tafeln mit Orna-
menten der von Lebrun dekorierten Apollogalerie. Aber nicht nur als geschickter
Stecher, sondern auch als er-
findungsreicher Künstler muß
er sich bewährt haben, denn
drei Jahre später wird er zum
^wr^'^W.rJW',^ „dessinateur de la chambre
^pnWfpWW ßt du cabinetduroi" ernannt,
^ "" mit dem besonderen Auftrage,
für das Theater und sonstige
Festlichkeiten Dekorationen
und Kostüme zu entwerfen.
Im Jahre 1679 erhält er als
besondere Auszeichnung eine
Wohnung im Louvre, die er
bis zu seinem 1711 erfolgten
Tode innebehielt. Der größte
Teil der Entwürfe Berains
ist erst nach seinem Tode
durch Thuret in Stichen von
Lepautre, Dolivar und D. Ma-
rot veröffentlicht worden, Sie
bieten große ornamentale, für
Wandmalerei und Wand-
teppiche bestimmte Flädien-
dekorationcn, sog. Grotesken,
d. h. rechteckige Felder aus-
füllende Kompositionen mit
phantastischen Architekturen
nebst eingestellten Figuren
und ähnliches, ferner Ent-
würfe für Decken, Kamine, Möbel, Beleuchtungsgerät, für Gartenanlagen, Gitter usw.
An Vorlagen für Schmiedearbeiten sind fünf Tafeln vorhanden, welche die Bezeich-
nung tragen: J. Berain delin. aux Galleries du Louvre.^) Schon aus der Beifügung
aux Galleries du Louvre erhellt, daß sie nicht vor 1679 gezeichnet sein können. Von
den genannten Tafeln enthalten vier Zeichnungen zu großen Gittern und Baikonen,
die fünfte Friese und Kapitale, bei denen die ardiitektonischen Formen in leichtes Stab-
und Laubwerk in Verbindung mit Masken, Wappen, Namenszügen aufgelöst sind.
Das Gerüst aller dieser Eisenkompositionen bildet ein festes Stabwerk von be-
stimmter, leidit faßlicher Linienführung. Die Linienzüge setzen sich aus abwechselnd
geraden und gebogenen Stäben zusammen, die Endigungen der Bogenlinien sind in
') Neudruck der Stidie für Seh mi adeeisen in: 10') Piandics principales de l'oeuvre complet
de Jean Berain. Paris, A. Quantin. —Über Berain vgl. Revue des arts decoratifs Bd. VI, S. Iff.
Abb. 66. Gitter nach einem Stiche von J. Berain
Kapitel III. Barock. 67
der Regel volutenartig aufgerollt. Dieses Stabwerk ist belebt durdi Blattwerk von
akanthusartiger Bildung, das die Biegungen und Voluten begleitet oder auch wohl
einhüllt. Bezeiclinend ist es, daß das Laubwerk nicht selbständig als Ranke auftritt,
sondern nur als Begleitung des Stabwerkes erscheint, ein wesentliclier Unterschied
gegen die bisherige Verwendung des Akanthus, der als besondere sich entwickelnde
Ranke in den Entwürfen der früheren Ornamentstecher, vor allem bei Jean Marot,
einen so bedeutenden Anteil an der Komposition und Ornamentik der Eisenarbeiten
besaß. Daß dieses Hervortreten des Stabwerkes und das Zurückweichen des Akanthus
einen Fortsdiritt für die Sdimiedekunst bedeutet, braudit wohl nicht besonders be-
tont zu werden. Als gelegentlidier Schmuck erscheinen neben diesen Hauptelementen
der Berainsdien Eisenornamentik Rosetten, kleine Palmetten, die königlichen Embleme:
Szepter, Krone, die Lilie usw., sowie vereinzelt Masken und Tierköpfe, ferner jenes
für die Dekoration des 18. Jahrhunderts so charakteristische Gittermuster mit kleinen
Rosetten oder Blüten auf den Sdinittpunkten der Bänder, dessen Ursprung wohl in
dem Lattenwerk der Laubengänge in den Gärten der damaligen Zeit zu suchen ist
(Abb. t5 und 66).
Die Entwürfe Berains für Schmiedewerk bilden gewissermaßen die reinste Ab-
straktion seines Stiles, dem die deutschen Ornamentstecher, welche ihn zu Anfang
des 18. Jahrhunderts aufnahmen und weiterbildeten, den bezeichnenden Namen „Laub-
und Bandelwerk" gaben. Wie hier, so bilden auch in seinen Flädienornamenten
die gebrochenen, abwechselnd geraden und gebogenen Linien des dort als Bänder
erscheinenden Stabwerks im Verein mit dem sdimückenden Laubwerk die charakteristi-
schen Merkmale des ihm eigentümlidien Stils. Indem Berain an die Stelle der etwas
sdiwülstigen Akanthusranken des italienischen Barocks, wie sie in Lebruns und
Lepautres Werken vorherrsdien, die klaren Linien seines Bandwerks setzt, greift er
auf ähnliche Ornamentformen der deutschen Renaissance zurüd<. Denn die Ver-
wandtschaft der Bandornamente Berains mit Rollwerk- oder Maureskenmotiven des
16. Jahrhunderts — als beliebiges Beispiel mögen die 1579 in Nürnberg vom Maler
Georg Wechter herausgegebenen Entwürfe für Goldschmiede erwähnt sein — ist bei
eingehendem Verqleidi nicht zu verkennen.
Die gewaltige Einwirkung, welche Berain auf die Formgebung der Schmiede-
kunst, und zwar, wie es scheint, weniger in Frankreich als in Deutschland, während
eines halben Jahrhunderts ausüben sollte, liegt nidit so sehr in den wenigen für die
Schmiedekunst entworfenen Zeichnungen, als vielmehr in dem großen Erfolge be-
gründet, den sein Stil überhaupt davontrug, indem er eine leichte Anwendung auf
die verschiedensten Gebiete des Kunstgewerbes geslattete. Was Berain für Wand-
dekorationen, Kamine, Möbel erfand, übertrugen seine Nadifolger auf andere Gegen-
stände mit geringer Mühe.
Der bedeutendste unter diesen war der Sohn des Jean Marot, Daniel Marot,
den die Aufhebung des Edikts von Nantes im Jahre 1685 zwang, nach Holland
auszuwandern. Hier fand er günstige Aufnahme bei Wilhelm von Oranien, dem
späteren König von England. Sein Werk kam 1712 zu Amsterdam heraus.') Zuletzt
begegnet uns sein Name auf den Illustrationen zu einer jüdischen Bibel, welche die
Inschrift tragen: Daniel Marot, invenit et fecit 1718.'-) Marots Stil ist stark durch
Berains Laub- und Bandelwerk beeinflußt. Vielfach erscheinen seine Stiche nur als
eine erweiterte Anwendung der Berainsdien Formen, die freilich bei ihm schon in-
folge der reicheren Verwendung des Akanthus schwerer erscheinen. Vielfach geht
^) Neudrucke im: Ornamentwerk des Daniel Marot. Berlin, E. Wasmuth, 1892.
'-) Berard, R . Catalogue de toutes les estampes qui forment l'oeuvre de Daniel Marot
S. 5. Bruxelles 1865.
68
Brüniiig -Rohde, Sdimiedekunst.
er auch auf den massigen Pomp Lepautres zurück. Für die Sdilosser hat er eine
Folge von sechs Blatt entworfen, welche die Aufsdirift trägt: „Nouveau Liure de
Serrurerie Inuente et Grauee Par D. Marot Architecte de Sa Majeste Britanicque fait
aux Preuilege des Etats Generaux des Provinces Unies ce vend ä la HayechezL'auteur."
y '-'-Ä. ßrricJ^
Thrtz^ tn ■7ia.a«LLüC
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^^/'Taraf iniivVt, Ct pcit oaa. Inujhot dn C ta/i (fmirau/x. ii
Abb. 67. Entwürfe für Sdilosserarbeiten von Daniel Marot
J rcnurXCt V/T
Kapitel III. Barod<.
69
Sie enthält Portale, Gitter, Treppengeländer, Balkone, Schlüsselsdiilder und Schlüssel-
griffe (Abb. 67). Mehrere Entwürfe zeigen deutliclic Anklänge an die Versailler
Arbeiten. Einer der Balkone, dessen Mitte ein Monogramm einnimmt, ließe sidi
ohne weiteres in die Reihe der Balkone der Cour de Marbre setzen.
Ahnlich wie bei Berain ist auch Marots Einfluß auf die Schmiedekunst nicht nur
in der besclieidenen Zahl seiner Entwürfe für Eisenarbeiten begrenzt, bedeutend
wichtiger für die Entwicklung des Formenkreises der Schmiedekunst besonders in
Deutsdiland war die durcli ihn erfolgte weitere Ausbildung und Festlegung des Laub-
und Bandelwerkstils überhaupt.
Unter den Ornamentsteclicrn, weldie ausschließlich auf dem Gebiet des Schmiede-
eisens tätig waren, das Ornamentkapital Berains weiter auszunutzen und die Laub-
und Bandelwerkformen, die ihr Vorbild in Gitterwerken niedergelegt hatte, auch auf
alle anderen in den Bereicli der Schmiedekunst fallenden Gegenstände, Sdilösser,
Schlüssel, Beschläge, Klopfer, Geräte usw.
zu übertragen , hat sidi besondere Ver-
dienste S. Vallce erworben, der nicht nur
Balkone, sondern audi Chorpulte, Kron-
leuchter, große Kandelaber für die Oster-
kerze, Wandarme (Abb. 68), Schlüsselgriffe
entwarf. Zum Teil sind seine Linien schon
weidier und geschmeidiger, als die Berains.
Eine Ergänzung dazu bilden die Stiche des
Nicolas Guerard mit Chor- und Kommunion-
gittern, Türklopfern und Schlüsselschildern.
Übrigens scheint Berains Einfluß auf
die französisdie Schmiedekunst nur wenige
Jahrzehnte gedauert zu haben, soweit sich
das bei dem fast gänzlichen Mangel an
erhaltenen Schmiedearbeiten jener Zeit be-
urteilen läßt. Sdion gegen Ende der Re-
gierung Ludwigs XIV. tauchen neue künst-
lerische Kräfte auf, die von den strengeren
Formen Berains allmählich zu dem bewegteren, freieren Linienfluß des Rokoko
hinüberführen. Sie stehen auf jener vermittelnden Kunststufe, die man mit dem
Namen Regence zu bezeichnen pflegt.
Der führende Geist unter ihnen war Robert de Colte, damals „der erste Architekt
des Königs", von dem die berühmten, leider nur noch in Stichen des Nie. Bonnard
erhaltenen Chorgitter der Notre Dame-Kirche in Paris entworfen wurden. Ludwig Xlll.
hatte 1638 ein Gelübde getan, zu Ehren der Gottesmutter den Hauptaltar der Kathedrale
neu aufzubauen. Erst 1699 dachte sein Nachfolger daran, das Versprechen des Vaters
zu erfüllen. Er übertrug Jules-Hardouin Mansart die Ausführung der Aufgabe. Die
begonnenen Arbeiten wurden aber plötzlich wieder abgebrochen und erst 1708 nach
dem Tode Mansarts unter Leitung de Cottes wieder aufgenommen, der den ganzen
Chor samt Gestühl und Gitter im Geschmack der damaligen Zeit ohne historische
Ängstlichkeit neu errichtete. In der Architecture fran(;aise von Jacques Franc^oisBlondel,
die 1752 erschien, sind Pläne und Ansichten des Chors (Livre IV, No. III, pl. II u. ff.)
enthalten, woraus die Stellung der einzelnen Gitter ersichtlich ist. Äußer dem Haupt-
portale am Eingang des Chores befanden sich auf der Mitte der Langseiten zwei
kleinere Türen. Die Seiten des Chores nach dem Umgang hin waren durch sechs
Gitter abgeschlossen. An der Ausführung der von Robert de Cotte entworfenen.
Abb. 68. Wandarm nadi einem Stiche
von S. Vallee.
70
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
reidi vergoldeten Sclimiedewerke hatten mehrere Sdilosser gearbeitet, das Hauptportal
verfertigte Franc^ois Caffin, die beiden Seitentüren Louis Fordrin (Foudrain), die Ab-
sdilußgitter Nicolas Parent, Jacques Petit und Ridiard.') 1714 war die ganze An-
lage vollendet. Zur Zeit der Revolution wurden die Gitter zerstört (1793).
Gegenüber den strenger
gefügten bisherigen Linien-
kompositionen herrschtjetzt
(ine leichte Gefälligkeit.
Die Stäbe schwingen sich
in rundlich geschweiften
Linien, jede gerade Rich-
tung ist vermieden. Das
Akanthuslaub, welches das
Stabwerk verziert, ist von
dünner, zierlicher Bildung.
Die Mit'e der Flügel des
Eingangstores (Abb. 69)
nimmt ein großes, rundes
Medaillon mit einem ge-
krönten Doppel-L ein, der
Rahmen ist mit breiten
Akanthusblättern geziert.
Die ganze Füllung umgibt
ein Wellenband, die vier
Ecken sind mit großen
Lilien geschmückt. Elegant
geschwungene Voluten mit
dem königliclien Wappen
in der Mitte bilden den
Aufsatz. Die Seitentüren
und Abschlußgitter sind
ähnlidi gestaltet.
Einer der bei der Her-
stellung der Gitter von
Notre Dame tätigen Sdilos-
ser besaß auch bedeutende
künstlerische Talente, näm-
lich Louis Fordrin, der uns
ein ziemlich umfangreiches
Foliowerk mit Entwürfen
für Schmiedearbeiten hinter-
lassen hat. Das Privileg
dazu ist 1723 ausgestellt. Dafür, daß der Verfasser dieses Nouveau Livre de Serrurerie
identisdi ist mit dem bei den soeben erwähnten Gittern Robert de Gottes beschäftigten
Sdilosser, spricht der Umstand, daß ein Teil der Entwürfe Anlehnungen an die
Gitterwerke der Pariser Kathedrale verraten, wie z. B. der Stich mit der Unterschrift:
Porte pour une choeur d'eglise. Fordrin nennt sich im Titel „Maitre serrurier
ordinaire des bätiments du Roy et de ses monnaies". Er scheint einer Schlosser-
Einteilung
Abb. 69.
Portal des Cliorgitters von Notre Dame zu Paris
nadi einem Stiche des Nie. Bonnard.
^) Vgl. Nouveau Livre de Serrurerie par Louis Fordrin.
Seite 2 (Neudruck).
Ä. Calavas. Paris.
Kapitel III. Barock.
71
familic zu Gntstammen. flußer sGinem Namen, der 1703 in dpn Comptes des bätiments
auftritt, werden ebendort noch seit 1686 ein Gilles, Alexis, Fran(;ois und eine Witwe
Jean Fordrin erwähnt.
Neben Kompositionen, deren sdiön geschweifte Linienzüge an Robert de Gottes
Formgebung erinnert, weist ein großer Teil der veröffentlichten Arbeiten auf ein den
Gittern von Notre Dame um 20 Jahre vorausliegendes Ornamentwerk hin, nämlich
das Sdilosscrbuch des Jean Tijou von 1695, dessen für England hochbedeutsame
Tätigkeit noch zu würdigen sein wird. Fordrin benutzte nicht nur das Titelblatt des
Werkes von Tijou in seinem Schlosserbuche von neuem, sondern er gab audi eine
Neuauflage des Tijouschen Buches heraus, die noch in mehreren Exemplaren vor-
handen ist. In einigen der-
selben tragen die Stiche die
Bczeidinung Tijou inv. et
del, (von Tijou erfunden
und gezeiclinet), in anderen
ist dagegen statt dessen
L. Fordrin exe. (von L. For-
drin herausgegeben) ein-
gesetzt, der Name Tijous
also vollständig unterdrückt.
Auf Tijous Ornamentik weist
in den Stichen Fordrins der
in reichem Umfange ver-
wandte Akanthus hin, der
freilich in einer zierlicher
und dünner gezeichneten
Gestalt auftritt als bei Tijou,
ferner die in Akanthus-
ranken auswachsendenTier-
köpfe und phantastischen
Masken und die gebroche-
nen Lmien der Stäbe. Auch
die eigentümlidien langen
Blätter in Lanzettform mit
gewellten Kanten finden sich
ebensowohl bei Tijou wie
bei Fordrin. Besonders die Treppengeländer und Balkone sind in dieser älteren
Manier entworfen.
Trotz dieser Anlehnung an Tijou und de Cotte ist Fordrin eine reiche schöpferische
Phantasie nicht abzusprechen. Vielmehr erfreut er durch seine mannigfaltigen Gitter-
kompositionen, die zum Teil ganz neue, wirkungsvolle und großzügige Motive ent-
halten. Er liebt es besonders, die Rahmen seiner Gitterwerke mit einer großen
Komposition in Fächer- oder Palmettenform oder in Gestalt einer ovalen Rosette zu
füllen, oder er bildet das Stabwerk seiner Türflügel als eine Art von großem Sockel,
auf dem das Monogramm des Königs oder anderes steht, ähnlich wie Daniel Marot,
mit dem er sich auch zuweilen berührt, es getan (Abb. 70). Jedenfalls gehört Fordrin
zu den hervorragendsten Ornamentstechern, welche die Geschichte der Schmiedekunst
aufzuweisen hat.
Fragt man nadi erhaltenen Schmiedearbeiten aus der Spätzeit Ludwigs XIV.
undaus der Regence, so erhält man nur eine dürftige Antwort. Ein aus Balustern ge-
Äbb. 70. Portal aus dem Schlosserbuche von L. Fordrin.
72
Brüning - Rohdc, Sdimicdckunst.
bildctes Geländer befindet sich nocli an der Nordseite des Sdilößdiens Grand Trianon,
das Ludwig für die Frau von Maintenon durch Mansart in den Jahren 1687 und 1688
erbauen Heß. Die Ballustrade, welche einen terassenartigen Ausbau und die von
demselben hinabführende Treppe einfaßt, ist von dem bereits auf S. 71 genannten
Alexis Fordrin hergestcUt worden (Abb. 71).
Die schon auf S. 57 erwähnten, zu Anfang des 18. Jahrhunderts errichteten
Gitterwerke von Marli), die schönen Balustradengitter, welche zwischen Marmor-
gruppen von Sphinxen und spielenden Putten das Sdiloß einrahmten, und die Um-
friedigungen der Teidie und Fontänen des Parkes sind uns dagegen nur aus Ab-
bildungen nodi bekannt.
Abb. 71. Gitter am Schloß Grand Trianon.
Etwas besser sieht es mit den kirchlichen Schmiedearbeiten aus. Hier sind zu-
nächst das durch besonders kunstvolle Arbeit sich auszeidinende Chorgitter von
St. Ouen zu Ronen und das einfachere, aber gefällige Chorgitter der Kathedrale zu
Beauvais zu nennen (Abb. 72). Der geschmeidige, leichte Linienfluß des Stabwerks
weist sie dem Kreise der Arbeiten de Cottes und Fordrins zu. Etwas später als
diese beiden Werke scheint das herrliche Portal zu sein, welches jetzt den Hof des
erzbischöflichen Palais in Sens (Abb. 73) abschließt. Während die Gesamtkomposition
noch im Geschmack Berains gehalten ist, zeigen einzelne Ornamente schon starke
Anklänge an das Muschelwerk des Rokoko. Die ovalen Felder in der Mitte eines
jeden Türflügels enthalten kirchliche Embleme, Kreuz und Monstranz, sowie Kelch
und Ciborium mit Trauben und Ähren. Im Aufsatz sind die Troddeln des Kardinals-
hutes hübsch dekorativ verwendet worden.
Von schmiedeeisernen Chorpulten, die, nach den Stichen Vallees zu schließen,
damals beliebt gewesen sein müssen, haben sich noch mehrere erhalten. Wohl das
schönste besitzt Mr. Secq des Tournelles, Eigentümer einer wertvollen Sammlung
Kapitel 111. Barock.
73
Abb. 72. Chorgitter der Kathedrale zu Beauvals.
74
Briiniiig - Rolide, Sdiinicdekunst.
alter Sdimiedcarbeiten. Die geneigten Flächen des Pultes sind mit dem strahlen-
umflossenen Monogramm Christi gesdimüclü (Abb. 74). Einer der sehr seltenen
schmiedeeisernen Kronlcuditer befindet sich im Musce de Cluny zu Paris (Abb. 75)
Er erinnert an einen ähnlidien Entwurf Bcrains für einen Kronleuditer, bei dem
audi das Mittelstadt die Gestalt einer Kugel mit den drei bourbonisdien Lilien und
Abb. 73. Gitter im Garten des erzbischöflichen Palais zu Sens.
der Krone hat. Als Beispiel einer Schlosserarbeit kleineren Maßstabes mag der
Türklopfer der Ecole Saint- Franc^ois de Sales, Rue de la vannerie in Dijon dienen
(Abb. 76). Während bei diesem Klopfer und den verwandten Entwürfen der
Ornamentstecher die Anschlagplatte den Hauptschmuck trägt, der Klopfring in der
bescheidenen Form des Bügels auftritt, gab es daneben auch Klopfer mit figür-
lichem Schmuck, bei dessen Herstellung die Kunst des Eisenschneiders reiche Be-
tätigung fand.
Kapitel III. Barock.
75
Abb. 75. Kronleuchter im Musee de Cluny, Paris.
:m.
Abb. 74. Chorpult in der Sammlung Secq Abb. 76. Klopfer an der Ecole Saint-Fran(;ois
des Tournelles. de Sales zu Dijon.
76
Brüniiig - Rohdc, Sdimiedekunst.
2. England
In engster Anlehnung an Frankreidi erlebt auch England vom Ende des 17. Jahr-
hunderts ab eine Blüte der Sdimiedeeiscnkunst. Ihr Höhepunkt fällt zusammen mit
der Regierung des Oraniers Wilhelm 111. (1688—1702). Was an dieser erneuten
Blüte der cnglisclicn Sdimiedekunst besonders merkwürdig ist, das ist der Umstand,
Abb. 77. Titelblatt zu Jean Tijous Schlosserbuch.
Kapitel III. Barock.
77
daß sie durch die Tätigkeit eines einzigen Mannes, nämlich des Franzosen Jean
Tijou, herbeigeführt wurde.
Man vermutet, daß Christopher Wren, der führende englische Architekt in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der „Sdiöpfer des modernen Londons", Jean
Tijou nach England gezogen habe. Die Hauptwerke Tijous sind wenigstens für
Bauten Wrens ausgeführt worden. Von 1689—1700 arbeitete er für das königliche
Schloß Hampton Court, das damals von Wren erweitert wurde, von 1693 — 1711 wird
er in den Baurechnungen der St. Paulskirclie in London, dem Hauptwerk Wrens,
Abb. 78. Stich aus Jean Tijous Sdilosserbudi.
erwähnt. Auch für die Architekten Talman und John Vanbrugh hat Tijou Schmiede-
arbeiten entworfen und vielleicht auch selbst ausgeführt. Die Hauptquelle zur Er-
kenntnis seiner Kunst bildet ein von ihm selbst herausgegebenes Werk mit franzö-
sischem und englischem Titel. Derselbe lautet in der Übersetzung: „Neues Vorlagewerk,
entworfen und gezeichnet von Jean Tijou, mit mancherlei Arten von Eisenarbeiten
wie Toren, Bekrönungen, Treppengeländern, Füllungen usw., von denen der größte
Teil für das königliche Schloß zu Hampton Court und die Häuser mehrerer Personen
von Rang in diesem Königreiche ausgeführt worden sind. Alles zum Nutzen der-
jenigen, welche das Eisen mit Vollendung und Kunst bearbeiten wollen. Verkäuflich
beim Autor, London 1693"'). Der Titel steht auf einem Vorhange, vor dem mehrere
Männer mit einem Teil einer kunstvoll geschmiedeten Bekrönung beschäftigt sind.
Im oberen Teil des Stiches führt Merkur der Athene, welche umgeben von den
Musen verschiedener Künste auf einer Wolke erscheint, eine Gitterfüllung vor. Im
^) Neudruck: Starkie Gardner. Ä new booke of drawings by John Tijou. London 1890.
78
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
Hintergründe sieht man in einer Höhle Cyklopen bei der Schmiedearbeit (Abb. 77).
Das Bild ist entworfen und gezeichnet von Louis Laguerre, dem Scliwiegersohne
Tijous, graviert von P. Van Somer, einem in Amsterdam gebürtigen Stecher. Die
übrigen 19 Tafeln sind von Van der Banck, P. P. Bouclie und Van der Gudit, sämt-
lidi niederländischer Herkunft, gestodien worden. Sie enthalten außer den im Titel
genannten Gegenständen Wandarme, Schlüsselsdiilder und Schlüsselgriffe.
Die Formenspradie Tijous ist ziemlich sdiwülstig und weitsdiweifig. Er macht
sehr reidie Verwendung vom Akanthus, der bei ihm stark ins Kraut geschossen ist
und eine breite, lappige Bildung zeigt. So entsteht der Eindruck einer üppigen
Vegetation, in der eine reiche Tierwelt sidi tummelt. Die bei Fordrin erwähnten
lanzettförmigen Blätter mit gewellten Kanten scheinen bei Tijou zum ersten Male in
Anwendung gekommen zu sein. Der Einfluß der Versailler Arbeiten läßt sich deut-
lidi verfolgen (vgl. Abb. 78), ebenso scheinen die Portale von Maisons eine nach-
Äbb. 79. Gilter im Park von Hampton Court nadi einem Stiche von S. Tijou.
haltige Einwirkung auf Tijous Formgebung ausgeübt zu haben. Auch Motive der
zwischen den Arbeiten von Maisons und Versailles liegenden Schmiedewerke kom-
men vor — so zeigen z. B. mehrere der auf Tafel 18 dargestellten Entwürfe starke
Anklänge an Brisville — , so daß seine Ornamentik fast wie ein gedrängter Auszug
der französischen Schmiedekunst von 1650 — 1690 erscheint.
Die Bestimmung eines großen Teiles der in seinen Werken enthaltenen Eisen-
arbeiten läßt sich noch nachweisen. Auf den Tafeln 2, 4, 12, 16, 19 und 20 sind
Schmiedewerke dargestellt, welche für Hampton Court ausgeführt worden sind. Auf
der Tafel 20 (Abb. 79) ist ein Teil des berühmten Gitters aus dem Park von Hampton
Court dargestellt. Zwölf der Füllungen haben sich noch samt den einfassenden
Pilastern erhalten, das Portal in der Mitte dagegen fehlt. Sie sind nadi London
geschafft worden und von da auf das South Kensington Museum und auf ver-
schiedene Städte, Edinburgh, Dublin, Nottingham, Wolverhampton, Sheffield usw.
verteilt. Den Mittelpunkt jeder Füllung bilden Zeichen des englisdien Königswappens,
die Harfe, Distel, Rose, ferner heraldische Lilien, das Monogramm des Königs usw.
Die Masken darüber, welche den Abschluß der Füllungen nach oben bilden, sind
nochmals auf den Tafeln 12 und 16 in größerem Maßstabe wiedergegeben, sowohl
die Maske der noch vorhandenen Füllung in der Abbildung 78, wie die auf den
beiden Füllungen des Stiches. Tafel 6—10 enthalten Arbeiten, die für Chatsworth
Kapitel III. Barod<.
79
ausgeführt worden sind, darunter ein Balkon mit dem Wappen des Herzogs von
Devonshire (drei Hirschköpfe); Tafel 17 führt die Gitter des Hofgartens zu Burleigh
vor, die genau so ausgeführt worden sind, was nicht auf alle Stidie zutrifft. Ein
Treppenbalüster auf der Tafel 18 ist in der Bibliothek des Trinity College zu Cambridge,
wclclie aucli von Wren gebaut wurde, als Motiv für ein Geländer verwandt worden.
Die Schmiedearbeiten dieses Geländers wurden von dem Londoner Schlosser Patridge
angefertigt, der in den Redinungen der Bibliothek aus den Jahren 1691 und 1692
auftritt. An den Schmiedewerken zu Hampton Court dürfte der Schlosser Huntington
Abb. 80. Teil eines Gitters aus dem Park von Hampton Court im South Kensington Museum
zu London (vgl. Abb. 79).
Shaw zu Nottingham beschäftigt gewesen sein. Bei der gewaltigen Anzahl von
Schmiedearbeiten, die auf Tijou zurückzuführen sind, wird nur ein kleiner Teil von
seiner eigenen Hand ausgeführt worden sein.
Wohl die bedeutendsten Arbeiten seiner späteren Zeit sind die Gitter der St
Paulskirche zu London, welche zwischen 1693 und 1711 entstanden sind, also nicht
in seinem Vorlagewerk abgebildet sein können. Besonders stattliche Gitter schließen
die Seitenschiffe zu beiden Seiten des Chors ab^). Die Stäbe der oberen Hälfte des
Gitters sind zu Pilasterreihen zusammengefaßt. Die Türen sind von kanneliierten
korinthischen Pilastern flankiert. Die Spitzen der reichen Bekrönung bilden flammende
Vasen. Ebenfalls die Westminster-Abtei besitzt Arbeiten im Stile Tijous.
Auch außerhalb Londons scheint Tijou eine reiche Tätigkeit entfaltet zu haben.
So sind noch Werke seiner Formensprache in Hampstead, Old Langthon, Hall in Essex,
>) Abbildung in:Ebbets, D. J., Examples of decorative wrought ironwork. London 1879, pl. 10.
80
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
Lincoln, Carshalton, Beverlei], Oxford usw. vorhanden (Abb. 81 und 82). Ein be-
sonders präditiges Werk ist das Portal von All Souls in Oxford^). Alle diese
Beispiele zeigen den für Tijou so charakteristisdicn breitlappigen Akanthus in reicher
Verwendung.
Zahlrcidie andere englische Gitter der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind
mit weniger reichhaltigem Laubwerk ausgestattet und lassen das Stabwerk mehr
Abb. 81. Gittertür an der „Clarendon Press" zu Oxford.
hervortreten, eine Besdiränkung, die allerdings den eigentümlichen Charakter der
Ornamentik Tijous verwischt, aber aus praktischen Gründen Anerkennung verdient.
Indessen lassen auch in dieser Abwandlung die meisten derselben ihre Herkunft von
diesem so fruchtbaren Meister deutlich erkennen.
Von Kleinarbeiten jener Zeit ist eine im Berliner Kunstgewerbemuseum auf-
bewahrte Eisenkasette (K 4455) zu erwähnen mit rotem Sammetbezug und Bronze-
besdilägen, auf die durchbrochene Eisenornamente aufgesetzt sind. Sie trägt das
Monogramm Wilhelms III. und seiner Gemahlin Maria und soll aus dem Nachlaß
1) Vgl. Bloemfield, R., Ä history of Renaissance Hrdiitecture in England. London 1897,
II, S. 388 u. f.
Kapitel III. Barodt.
81
der 1694 gGstorbenen Königin stammen. Der sehr zierlidi gearbeitetG Schlüssel zeigt
besonders starke Anklänge an die Formenspradie Tijous. Ähnliche Schlüssel mit
Wappen und Monogrammen englischer
Aristokraten haben sidi noch zahlreicli er-
halten. Auch sonst findet man eine gleiche
Verbindung von Eisen und Messing bei
englischen Schlössern, indem der eiserne
Schloßkasten in einen durdibrochenen
Mantel mit graviertem Messing einge-
gehüllt ist').
Ein sprediendes Zeugnis für die
lange Lebensdauer der Tijouschen For-
men gibt das Architekturwerk: „The City
and Country Builders and Workmans
Treasury of Designs" von Battey Lang-
ley London 1740, in welchem auf den
Tafeln 179 bis 186 Nachstiche aus Tijous
Schlosserbuch als Vorlagen für Eisen-
arbeiten vorgeführt werden. Sie sind
von Thomas Langley gestochen. Die
Tafeln 179 und 180 enthalten die Be-
zeichnung: Batty Langley Invent(or) 1739,
enthüllen also ein ähnliches Plagiat, wie
Fordrin es begangen.
Der Stil Tijous wurde in gewissem
Sinne Englands nationaler Eiscnstil. Das
Rokoko fand kaum Aufnahme in der eng-
lischen Schmiedekunst. Die dürftige Er-
findung eines Taylor und anderer im
Empiregeschmack können keinen Anspruch
auf Kunst erheben. So stirbt denn mit dem Ausklingen der Formen Tijous auch
die Schmiedekunst Englands allmählich wieder ab.
Abb. 82. Gestell aus der Pfarrkirche von New-
castle-under-Lyne, Staffordshire, im South
Kensington Museum zu London.
3. Deutschland
Der barocke Geist im deutschen Schmiedeeisen offenbart sidi in zwei Formen.
Einmal in der Aufnahme des Akanthus, zum andern in der Verwendung per-
spektivischer Gitter. Beide verbinden sich anfangs durchaus noch mit dem Spiral-
gittertyp der Renaissance. Der Akanthus oder akanthusartige Blätterformen beleben
und begleiten die Spiralen, die jetzt allerdings weniger oft durcheinander geschoben,
sondern wie bei der Spätgotik (Seite 22) dort, wo sie sich begegnen, übereinander
hergeführt werden. Die Endigungen der Grundstäbe bestehen regelmäßig aus
akanthusartigen, geschnittenen länglichen Blättern, welche, die Bewegung der Spiralen
fortsetzend, sich nach innen biegen. Masken, die in ähnliches Laubwerk auswachsen,
und kleine Halbfiguren in Blattkelchen beleben das Rankenwerk. Auch hier werden
1) Abgebildet in Quaritch, B., Ornamental Ironwork. London 1898, pl. 11 u. ff.
Brünlng-Rohde, Scbmiedekunst. "
82
Brüning-Rohde, Sditniedekunst,
die Stäbe nicht selten mit eingehauenen Ornamenten versehen. Durdi diese lockere
Akanthusornamcntik tritt die Spirale in ihrer formalen Bedingtheit zurück, sie sinkt
zum tedmisdien Gerüst herab, das sdiließlicli jede Formbedeutung verloren hat.
Soldien Übcrgangsdiarakter zeigt ein Fensterkorb aus Bayern, der sidi im
Hamburgisdien Museum für Kunst und Gewerbe befindet (Abb. 83); er weist neben
den Spiralen audi nodi die Spindelblumc der Renaissance als Bekrönung der Pfeiler
auf. Die Spiralen zeigen bei geringer Verwendung der Durchsdiiebungen meist
Umschlingungcn, vereinzelt Sdiweißverbindungen. Von den zahlreichen noch vor-
handenen Gitterwerken in diesem Geschmack, der im Norden ebenso wie im Süden
hcrrsdite, ist vielleicht das merkwürdigste eine zehn Meter hohe Gartenpyramide im
Besitz des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg (Abb. 84). Es ist eines
der wenigen erhaltenen Beispiele dieser Art der Verwendung des Eisens in der
Abb. 83. Fensterkorb, Bayern (Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe).
Gartenarchitektur, weldie, wie schon bei der Besprechung der Gitterwerke im Park
zu Versailles erwähnt wurde, nicht selten gewesen sein muß. Im dortigen Bosquet
de l'arc de triomphe waren ähnliche Pyramiden aus Eisen aufgestellt (vgl. Abb. 54).
Die Hamburger Pyramide schmückte einen Garten in Billwärder, den der reiche Kauf-
herr Wilhelm von Hertoghe 1684 erwarb. Sie bildete den Endpunkt einer auf per-
spektivische Wirkung berechneten großen Anlage. Eine Ansicht des Gartens aus
den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, in denen er als Tippenhauerscher Garten
ein bekannter Ausflugsort der Hamburger war (Abb. 85), zeigt im Hintergrund die
aufgestellte Pyramide, die sich jetzt gegenüber dem Museumseingang befindet.
Die dem Gitterwerk dieses Stiles entsprechenden Kleinarbeiten, Beschläge,
Schlösser, Schlüssel, Klopfer usw. verwenden den Akanthus in getriebener (Abb. 86),
gravierter, geschmiedeter und geschnittener Form. Bei den gravierten Arbeiten ist
der Grund zwisdien den Akanthusranken häufig blau angelassen. Gewöhnlich pflegt
die ganze Fläche mit verschlungenen Akanthusranken, die sich zu Spiralen aufrollen
und mit Masken und Halbfiguren wie beim Gitterwerk geziert sind, gefüllt zu sein.
Bei den umfangreichen Kastenschlössern ist sowohl die Schloßdecke wie die An-
Kapitel III. Barock.
83
schlagplatte, mit der der Sdiloßkasten auf der Tür befestigt wird, mit Akanthus-
ranken verziert. Der Umriß der Ansclilagplatte folgt den geschweiften Linien des
Akanthiis (vgl. Abb. 86). Zuweilen findet man die getriebene und gravierte Arbeit
an einem Stück vereinigt.
Zum Beispiel ist bei einem
Schloß des Kunstgewerbe-
museums zu Berlin die
Ansclilagplatte mit gra-
viertem Akanthus auf blau
angelassenem Grunde ge-
sclimückt, der Sdiloßkasten
aber ist mit durdibrodie-
nen getriebenen Akan-
thusranken aus Mcssing-
bledi versehen, die sich
vom blauen Grunde der
Schloßdecke wirkungsvoll
abheben.
Die Schlüssel sind zu-
meist einfach gebildet, dodi
kommen audi sehr reidi
verzierte Beispiele vor, an
denen der Eisenschneider
seine Kunst hat zeigen
wollen. So besitzt das
Berliner Kunstgewerbe-
museum einen zierlichen,
überaus kunstvoll gearbei-
teten Sdilüssel, der als
Hauptschlüssel des Jagd-
schlosses Grunewald ge-
dient haben soll. Der Griff
enthält in einer von Palm-
zweigcn und zwei Adlern
umgebenen und von der
preußischen Krone über-
ragten Kartusche das Mo-
nogramm Friedrich Wil-
helms I. (1713-1740). Das
durchbrochene Rohr und
der Bart sind mit ge-
schnittenen und gravierten
Akanthusblättern und Ran-
ken in feinster Arbeit aus-
gestattet (Abb. 87). Von
sonstigen Arbeiten dieses
Stiles verdient noch eine
im South Kensington Mu-
seum m London befind- ^j^^ 84. SdimlGdeeiserne Pyramide (Hamburg, Museum für
liehe Eisenkassette vom Kunst und Gewerbe).
84
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
-ox..;tek-fcgä^W
Abb. 85. Änsidit des Tippenhauersdien Gartens in Hamburg. (Im Hintergrunde die
aufgestellte Pyramide.)
Hbb. 86 und Abb. 87.
Schloß und Schlüssel
im Kunstgewerbe-
museum zu Berlin.
j Abb. 88. Türklopfer aus dem
Schlosserbuche von H. Oelcker.
Kapitel III. Barock.
85
Jahre 1716, deren Deckel mit durchbrochenen und getriebenen Akanthusranken ge-
sdirnückt ist, besondere Erwähnung.
Vorlagen für Scliloßbleche, Anschlagplatten, Schlüsselschilder und Türklopfer ent-
hält das von Joh. Christ. Weigel in Augsburg verlegte „Reiß- Büchlein Heinrich
Oelckers Pürger und Hoffschlossers in Sprcmberg, Gebürtig in Buxtehude. Gelernt
in Hamburg Anno 1710". Es ist meines Wissens eines der frühesten deutschen
Ornamcntstidiwerke für Sclilosserarbeiten überhaupt, eine interessante Tatsache, die
zum Teil das lange Fortleben älterer Formen in der deutsdien Schmiedekunst erklärt.
Abb. 89. Chorgitter der Stiftskirche Maria -Einsiedeln.
Die Akanthusspiralen sind auch hier mit Tierköpfen, menschlichen Masken und Halb-
figuren durchsetzt. Besonders beachtenswert ist die Tafel mit Klopfern (Abb. 88).
Anregungen von dem Schlosserbuch des Mathurin Jousse sind hierbei verarbeitet.
Links ist die Hälfte eines Klopfers in Bügelform dargestellt, aus dessen Seite eine
menschliche Büste herauswächst. Dann folgt ein Klopfer in Gestalt eines Seepferdes
mit Akanthusblättern statt der Flossen. Ganz merkwürdig ist der dritte Türklopfer,
der eine weibliche Halbfigur darstellt. Über ihren Kopf beugt sidi ein Adler, der
seine Krallen um ihren Leib gelegt hat — nichts anderes als eine sonderbare Ent-
stellung einer bekannten antiken Gruppe, welche den Raub des Ganimedes durch den
Adler des Jupiter darstellt. Ähnliche Klopfer besitzt auch das Kunstgewerbemuseum
zu Berlin, sowie S-förmig geschwungene Klopfer in Gestalt von Delphinen mit einer
Kugel im Maul und einen bügeiförmigen mit seitlicher Menschenbüste, über welche
ein Adlerkopf sidi neigt. In die gleiche Richtung, aber künstlerisch befangener, gehört
86 Brüning-Rohde, Sdimiedckunst.
„Ein neues Laubcr-Büdilcin vor Schlosser und Büdisenmadier, gezeidinet von Johann
Friedridi Hindt, Sdilosscrgescllen von Hamburg, Joseph Friedridi Leopold excudit
Aug. Vindel. Anno 1700". Es enthält in sdiwerem Akanthus sedis Blätter mit Ver-
zierungen für Besdiläge in Eisen mit Gravierungen und leiditer Bud^elung "^j.
Eine besondere Gruppe von Sdimiedeeisen für sidi bilden die perspektivisdien
Gitter, weldie besonders in der Sdiweiz und im südlidien Deutsdiland seit der Mitte
des 17. Jahrhunderts in Aufnahme kamen. Eines der frühesten ist das Chorgittcr
im Dom zu Luzern, das in den Jahren 1641 — 1644 von dem Stadtsdilosser zu
Konstanz, Johann Reifeil, angefertigt worden ist. Von demselben rühren audi möglidier-
weise die perspektivisdien Gitter im Dom zu Konstanz her. Andere befinden sidi
zu Kostel in Mähren, in der welsdien Kapelle des Collegium Clementinum zu Prag,
in der Vincenzkirdie zu Breslau usw.
Ein besonders stattlidies Gitter dieser Art ist das Chorgitter der Kirdie Maria-
Einsiedeln in der Sdiweiz (Abb. 89). Es wurde bei Gelegenheit des Neubaues des
Chores unter dem Fürstabt Augustin IL von Reding von dem Klosterbruder Vincenz
Nußbaumer von Aegeri und seinen Gesellen in dem Zeitraum von 1675 — 1684 ge-
sdimiedet'-). 1798 woHte der Führer des französisdien Revolutionsheeres dasselbe
ausbredien und nadi Paris sdiaffen lassen. Es kam aber zum G üdt nidit dazu.
Die Bildung dieses Gitters ist nun sehr absonderlidi. Es besteht aus drei großen
PortalaufDauten, weldie durdi reditediige Gitterteile miteinander verbunden sind. Das
mittlere Portal ist mit einer Flügeltür, die beiden seitUdien mit einfadien Türen ver-
sehen. Alle drei sind so komponiert, als sähe man in lange, von einem Tonnen-
gewölbe beded^te Galerien hinein. Dabei liegen aber sämtlidie Eisenteile, aus weldien
das Gitter besteht, in einer Flädie. Die Seitenwände dieser Sdieingalerien sind von
Pilastern eingefaßt; ober- und unterhalb dieser Pilaster befinden sidi Reihen kleiner
Baluster, weldie sidi in perspektivisdier Linienführung durdi das ganze Gitter hindurdi-
ziehen. Die Gewölbe sind aus sidi übersdineidenden Fladieisen gebildet, auf deren
Kreuzungspunkte Rosetten aufgesetzt sind. Die Füllungen der Türen, die Zwisdien-
sätze zwisdien den Portalen, sowie die Bekrönungen zeigen die sdiön gesdiwungenen
Spiralen der Renaissancegitter der zweiten Form mit eingehauenen Ornamenten. Jedes
Portal trägt außerdem in der Mitte noch einen Aufsatz mit drei tulpenartigen Blumen.
Die Oberlichte der Türen enthalten in der Mitte das Zeichen Jesu, auf den Seiten
die Namen Maria und Joseph in einer den übrigen Ornamenten des Stabwerks ent-
sprechenden Gestalt. Ungefähr in gleicher Höhe damit ist auf den die Portale ver-
bindenden Gitterteilen das Wappen des Fürstables angebracht.
Ein perspektivisches Gitter in den Formen des durch den Akanthus bereicherten
Renaissancegitters befindet sich in der St. Ulrichskirdic zu Augsburg (Abb. 90). Es
schließt gleich hinter dem Eingange den Kirchenraum ab. Derartige Abschlußgitter
kommen in süddeutschen Kirchen häufiger vor, sie sind wohl aus rein praktischen
Gesichtspunkten entstanden. Man wollte die Kirche absdiließen und doch den Gläubigen
Gelegenheit geben, zu allen Stunden des Tages in dem so gebildeten Vorraum ihre
Andacht angesichts des Altares zu verrichten.
Das Gitter, das 1712 entstanden ist, ist in einen Holzrahmen eingelassen, der
in den Formen der damaligen Schrankarchitektur gehalten ist. Getragen wird er
von einem Sockel mit verkröpften Füllungen, korinthische Pilaster trennen die einzel-
nen Gitterteile, und ein reich profiliertes Gesims m.it verkröpftem Gebälk, bekrönt von
Akanthusvoluten mit Kartuschen und kleinen Engeln, bildet den oberen Abschluß.
0 Vgl Brindtmann, Mitteil. d. Vereins f. Hamb. Geschichte, Bd. V, Hamburg 1893, S. 60/61.
-) Vgl. Kuhn, P.A., Der jetzige Stiftsbau Maria-Einsiedeln, Einsiedeln 1883, S.32.
Kapitel III. Barodt.
87
Ähnlich wie beim Chorgitter von Maria-Einsiedeln ist die Tür in der Mitte, abgesehen
von den beiden unteren Füllungen, die als Fortsetzungen des Holzsockcls gedacht
sind, so komponiert, als sähe man in einen langen, rundgewölbten Laubengang oder
eine Galerie hinein. Die sdieinbar das Ende des Ganges abschließende Tür ist aus
Rundeisen mit Akanthus gebildet, ähnlidi sind audi die übrigen Füllungen gestaltet.
Die Seitenwändc des Scheinganges sind mit Balustern aus Bandeisen besetzt. Auch
die an die Mitteltür sidi rechts und links anschließenden Gitterteile sind als zurück-
weidiend dargestellt. Die dann folgenden Fenster erwecken die Vorstellung, als
lägen sie tief zwischen dicken Mauern. Im übrigen ist der Versuch, das Auge irre
zu führen, so mißlungen, wie nur etwas, denn die Täuschung wird leicht durch den
_ Abb. 90. Gitter in der St. Ulridiskirdie zu Augsburg.
für das Auge in einer Fläche liegenden Holzsockel aufgehoben, während die ge-
sdiweiften Linien des Gesimses wohl den Anschein des Zurückweichens erwecken
könnten; trotzdem ist aber die Wirkung des Ganzen nicht unschön.
Wenn diese perspektivischen Gitter auch in der Ornamentik noch zum großen
Teil die Formen des Renaissancegitters in seinen verschiedenen Umbildungen bewahrt
haben, so ist doch ihre Komposition im Sinne einer neuen Kunst gestaltet. Denn
die Fläche des Gitters nicht als Raumabschluß, sondern als Raumerweiterung zu be-
handeln, ist ein Gedanke, der ganz dem Geiste des Barocks angehört. Ist doch die
Scheinperspektive eines der vornehmsten Mittel, mit welchem die Architektur des
Barocks zu wirken pflegte. Mit großartigem Erfolge hatte sie Lorenzo Bernini bei
der Scala Regia des Vatikans angewandt, indem er die beiden Seitenmauern dei
Treppe allmählidi sich nähern ließ und so den Eindruck einer viel größeren Länge
der Treppe hervorrief, als dieselbe in Wirklichkeit besitzt. Auf mannigfache Weise
wurde auch sonst von diesem effektvollen Mittel Gebrauch gemacht; durch kulissen-
artig vorgeschobene Säulen oder gemalte Architekturteile eine größere Tiefe und
Ausdehnung vorgetäuscht, die Höhe einer Kirche oder eines Saales durch perspektivische
88 Brüning-Rohdc, Sdimicdekunst.
Deckenmalerei über die Wirklichkeit hinaus für den Anblick vergrößert u. dergl. m.
Etwas Ähnliclics beabsiditigte man audi mit diesen perspektivischen Gittern.
Die Annahme, daß diese eigentümliche Gitterbildung zuerst bei Oberlichtgittern
in Anwendung gebracht sei^), läßt sicli meines Wissens durch kein Beispiel belegen.
Eher könnte man daran denken, daß die perspektivischen Gitter zuerst in der Garten-
ardiitektur aufgekommen seien. Hier pflegte man gern an das Ende größerer einheit-
licher gärtnerisdier Anlagen Ardiitekturen zu setzen, sogenannte Berceaux, aus Eisen
und Holz konstruiert. Man konnte nun leicht auf den Gedanken kommen, an die
Stelle solcher wirklidien Raumbauten bei Anlagen, welche nur auf die Fernwirkung
beredinet waren, Sdieinardiitekturen zu setzen, da sie doch denselben Zweck erfüllten.
Besonders am Ende laubengangartiger Alleen würde solch perspektivisches Gitter gut
am Platze gewesen sein, indem es einerseits ein gutes Bild gab, andererseits auch
sidieren Abschluß nadi außen hin bot. Ein solches Gitter hat sich z. B. noch im
Park der Favorita in Wien, des heutigen Theresianums, das unter Karl VI. angelegt
wurde, erhalten. Es schließt den Park nach dem Gemüsegarten ab. Das Portal ahmt
einen langen Weinlaubengang nach, und zwar so geschickt, daß man von einem
bestimmten Punkte aus wohl getäuscht werden kann.
Mag das perspektivische Gitter bei soldier Anwendung in weiträumigen Parks
als Abschluß langer Alleen u. dergl. eine gewisse Berechtigung haben, indem es die
natürlidie Perspektive eines solchen Ganges fortsetzt und so in dem Besitzer das
Gefühl einer bedeutenden Raumerweiterung seines Grundstückes sdiafft, so ist seine
Überführung in geschlossene Räume nicht glücklich zu nennen, weil die beabsiditigte
Illusion hier durch die nahe hinter dem Gitter befindlichen Gegenstände bald auf-
gehoben wird.
Nur wenige Namen kunstreicher Schlosser und Eisenschneider jener Zeit sind der
Nachwelt überliefert worden. Unter den nürnbergisdien Eisenkünstlern aus der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts, von denen uns Doppelmayr in seiner „Historischen Nach-
ridit von den Nürnbergischen Mathematicis und Künstlern. Nürnberg 1730" berichtet,
zeichnet er zwei besonders aus, indem er ihre Hauptwerke in Stichen darstellt; es
sind Bartholomäus Hoppert und der auch sonst rühmlichst bekannte Gottfried Leygebe.
Hoppert wurde 1648 im Markgrafentum Ansbach geboren. Nach seiner Lehrzeit
begab er sich auf die Wanderschaft und hat auf seinen Reisen Holland, England,
Frankreich, Dänemark und Schweden besucht. In Paris arbeitete er auch für Ludwig XIV.
1677 ließ er sidi dauernd in Nürnberg nieder. Als Meisterstück verfertigte er hier
eine kunstvolle große Eisenkassette mit Ornamenten in getriebener Arbeit, welche
zum Preise von 1000 Talern als Geschenk für Kaiser Leopold I. angekauft wurde.
Das Sdiloß war unter einem liegenden Löwen verborgen. Die Ornamentik verrät
französischen Einfluß aus dem Kreis des französischen Schlossers Brisville, trägt aber
doch im ganzen Übergangscharakter an sich, da der Akanthus nicht die formale Be-
deutung hat wie bei Brisville. Von sonstigen Arbeiten des Hoppert wissen wir, daß
er sich besonders auf die Herstellung kunstvoller Schlösser verstand. Er starb 1715.
Einen ungleich klangvolleren Namen hat Gottfried Leygebe-) sich erworben, der
im Jahre 1630 zu Freistadt in Schlesien geboren wurde. Seine künstlerische Erziehung
erhielt er in Nürnberg, wo er seit 1645 lebte und das Schwertfegerhandwerk er-
lernte. Schon früh zeigte er eine besondere Kunstfertigkeit in der Herstellung ge-
schnittener Eisenzierate. Seine Degengefäße, Hirschfängergriffe, Pistolenbeschläge usw.
mit in Eisen geschnittenen Jagden, Reitern, Kriegswaffen u. dergl. machten ihn bald
') Minkus, F., Flädiendekoration und Perspektive. Kunstgewerbeblatt, Neue Folge IX, S. 40.
*) Über Leygebe vgl. Ernst Friedländer, Gottfried Leygebe, Zeitsdir. f. Numismatik XIII, und
Paul Seidel, Der Große Kurfürst in der Plastik seiner Zeit. Hohenzollcrnjahrbuch 1898.
Kapitel III. Barock. 89
bekannt. Im Besitz des Fürsten Reuß zu Gera befindet sidi noch eine Arbeit aus
seiner Nürnberger Zeit, ein Stichblatt mit Degenknopf in Gestalt eines antiken Reiters,
welches die Jahreszahl 1655 trägt. Durcli diese Arbeiten gelangte er allmählich zu
solcher Meisterscliaft, daß er sogar statuarisdie Kunstwerke in dieser schwierigsten
aller Handfertigkeiten auszuführen unternahm. In den Jahren 1660 — 1662 schnitt er
aus einem Eisenblock die Reiterstatuette des Kaisers Leopold I., die sich jetzt im Schloß
Rosenborg zu Kopenhagen befindet, und um dieselbe Zeit ein anderes Bildwerk,
welches den König Karl II. von England zu Pferde als Sankt Georg darstellt. Leygebc
bradite dieses Stück nacli Berlin, wo es der Große Kurfürst für 600 Taler ankaufte
und 1667 als Geschenk an den Kurfürsten von Sachsen nach Dresden sandte. Hier
befindet es sich nodi heute im Grünen Gewölbe. Die Bemühungen des Kurfürsten,
Leygebe in seinen Dienst zu ziehen, blieben erfolglos, da Leygebe damals „noch
nicht gesonnen gewcst, in großer Herren Diensten zu stehen". Indessen übernahm
er einen Auftrag des Kurfürsten, einen Degen herzustellen, auf dem die Bildnisse
der oranischen Prinzen und des Kurfürsten, jedes wie ein Pfennig groß, in Eisen
geschnitten waren. Leygebe führte denselben in Nürnberg aus und sandte ihn dann
auf Geheiß Friedrich Wilhelms nach Cleve. Auf einer Reise nach Frankfurt, wohin
man ihn zur Ausführung einer Arbeit gerufen hatte, kommt Leygebe dann zum
zweiten Male nach Berlin, ohne jedoch zu wissen, daß der Kurfürst ihn ebenfalls
für einen neuen Auftrag dahin beschieden hatte. Noch an demselben Abend, an dem
er eingetroffen, wird ihm mitgeteilt, daß der Kurfürst ihn am andern Tage zu sprechen
wünsche. Obschon Leygebe andere Verpflichtungen hatte, konnte er doch den
dringenden Wünschen des Kurfürsten, der eilige Aufträge für ihn hatte, nicht
widerstehen.
Der längere Aufenthalt in Berlin, der durch diese Arbeiten und den Umstand,
daß die Bezahlung derselben sidi lange hinzögerte, veranlaßt wurde, hatte zur Folge,
daß Leygebe sich endlich entschloß, dauernd dazubleiben. Der Große Kurfürst über-
reichte ihm persönlich die vom 6. April 1668 datierte Bestallung als Münzeisen-
schneider. Als Gehalt wurden ihm 400 Taler, sowie freie Wohnung in der Münze
zugesprochen, ein bestimmtes Quantum Holz und Roggen, das er verlangt hatte,
wurde ihm nicht bewilligt. Leygebc verpflichtete sidi dafür, alle verlangten Münz-
stempel zu schneiden, Medaillen zu verfertigen und sonstige Arbeiten in Wachs oder
Ton zu modellieren. Es scheint, daß Leygebe anfangs bei seinen Kollegen in der
Münze keine günstige Aufnahme gefunden und sich deshalb beim Kurfürsten beklagt
hat. Denn wir besitzen noch ein Schreiben Friedrich Wilhelms an den Geh. Rat,
Oberhofmarschall und Amtskammerpräsidenten Raban von Canstein, in welchem er
unter besonderer Anerkennung der künstlerischen Leistungen Leygebes befiehlt, den-
selben bei der ihm erteilten Bestallung zu schützen und in der Münze die Verfügung
zu tun, „daß sie sich darnach gehorsambst achten sollen". Die Wohnung in der
Münze hat Leygebc freilich nie erhalten, und ebenso wenig wurde ihm je sein Gehalt
voll ausbezahlt, so daß er sein ganzes Leben hindurch mit Nahrungssorgen zu
kämpfen hatte und seine Familie bei seinem 1683 erfolgten Tode in dürftigen Ver-
hältnissen zurückließ.
Das Hauptwerk Leygebes in geschnittener Eisenarbeit während seiner Berliner Zeit
ist die im Neuen Museum zu Berlin aufbewahrte, 29 cm hohe Statuette des Großen
Kurfürsten zu Pferde, wie er als St. Georg einen dreiköpfigen Drachen tötet (Abb. 91).
Man darf sich über diese für uns befremdliche Maskerade nicht wundern. Solche
allegorischen Verkleidungen lagen im Geschmack der damaligen Zeit. Leygebe vollendete
das schwierige Werk nach einer mühseligen Arbeit von drei Jahren 1680, ruinierte
aber, wie er selbst klagt, seine Gesundheit dabei.
90
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
Von sonstigen in Eisen gesdinittenen Arbeiten Leygebes hat sich noch außer
einem kleinen Relief mit der Austreibung des Heliodor im Neuen Museum eine kleine
Kapsel im Berliner Kunstgewerbemuseum erhalten. Dieselbe stellt auf den beiden
Außenseiten in einem Rahmen von Blattkränzen die vier Elemente in Gestalt von
Putten mit Dradicn, Delphin, Adler, Füllhorn und anderen Attributen dar und zwar
Abb. 91. Der Große Kurfürst, in Eisen geschnitten von G. Leygebe (Berlin, Neues Museum).
auf der einen Seite vier, auf der anderen drei Elemente. Im Innern ist auf der
einen Hälfte in gepunzter Manier das strahlenumflossene Haupt Christi auf einer
Korkziehersäule zwischen zwei Blumenranken dargestellt, auf der anderen Hälfte
befindet sich wieder ein Reliefbild; ein geflügelter Knabe steht vor einer Staffelei
und malt nach einem Bilde, das ein auf einer Erhöhung rechts neben ihm stehender
Putto ihm vorhält, eine Mondsichel. Links von der Staffelei steht ein dritter Knabe
und hält einen Totenkopf empor. Die Darstellung umschließt eine fortlaufende, vom.
Rande sich nach innen neigende Reihe abwechselnd goldener und silberner Blätter
Kapitel Hl. Barock.
91
Audi andere Teile des Bildes, die Körper der Putten usw. sind mit Gold und Silber
tausdiiert. Am Boden redits steht auf einem Budie das Monogramm Gottfr. Leygebes.
Audi sonst entwidtelte Leygebe neben seiner Berufsarbeit in der Münze eine
hödist mannigfaltige Tätigkeit. Er gab den Söhnen des Kurfürsten Unterridit im
Zeidinen, für die Kurfürstin und den Prinzen Ludwig entwarf er Fahnen für ihre
Regimenter und verfertigte Siegel und Petsdiafte für die ganze kurfürstlidie Familie.
Für die Glashütten des Kurfürsten stellte er Formen für Verzierungen der Gläser her,
für die Gesdiützgießereien modeliierte er allerlei Orna-
mente zum Sdimudte der Kanonen, Wappen, das Bild-
nis des Kurfürsten und sonstige Zierate. Ferner arbeitete
er ein kunstvolles Sdiadibrett aus Gold und Silber, sowie
für den Kurfürsten mit Silber eingelegte Sdinallen. Audi
größere Aufträge traten an ihn heran. Im Hohenzollern-
niuseum zu Berlin befindet sidi nodi ein großes Bronce-
medaillon des Kurfürsten, das ursprünglidi den Marmor-
saal des Stadtsdilosses zu Potsdam sdimüd^en sollte.
Gegen Ende seines Lebens modellierte er eine Statue
seines Gönners in Lebensgröße, Sie sollte als Probe
dienen; der Kurfürst beabsiditigte nämlidi, sämtlidie Mit-
glieder seines Hauses in gleidiem Maßstabe in Erz gießen
zu lassen.
Neben Leygebe hat es sidier nodi andere gesdiid^te
Eisensdmeider zu jener Zeit gegeben. Das Museum für
Kunst und Gewerbe in Hamburg besitzt das Siegel-
petsdiaft (Abb. 92) der Sdiloß-, Büdisen-, Uhr- und
Windenmadier von Sdiwabadi, das als vortrefflidie
kleine Eisensdinittarbeit sidi würdig den Glanzleistungen
Leygebes, denen es stilistisdi nahe steht, an die Seite
stellen läßt.
Einer der frühesten Versudie, den französisdien
Formen Eingang in die deutsdie Sdimiedekunst zu vcr-
sdiaffen, stellt, abgesehen von der erwähnten, nur in
einer dürftigen Abbildung erhaltenen Kassette des Bar-
tholomäus Hoppert, das Chorgitter in der Kirdie zu Ober-
mardithal in Bayern dar'). Das Gitter zeigt eine Misdiung
von französisdien Ornamenten und deutsdien Renaissance-
formen. Wir wissen, daß Abt Nikolaus den Riß zu
diesem Gitter 1688 durdi einen Herrn Lodier aus Ulm
in Paris bestellen ließ. Ausgeführt wurde es durdi den Klostersdilosser Hans Rieger
von Obermardithal. Die X'ereinigung deutsdier und französisdier Motive erklärt sidi
wohl daraus, daß Rieger den Pariser Entwurf selbständig verändert hat.
Mit Ausnahme soldier vereinzelten Vorläufer läßt sidi eine entsdieidende Wen-
dung der deutsdien Sdimiedekunst nadi Frankreidi hin erst im 18. Jahrhundert fest-
stellen. Besondere Verdienste um die Einführung der neuen Formen des Laub- und
Bandelwerks, die damals ja in Frankreidi in Mode waren, erwarb sidi der Verleger
Johann Christoph Weigel in Nürnberg, der in der Zeit von 1710—1725 eine große
Anzahl von Stidifolgen mit Vodagen für Sdimitdewerke herausgab. Das früheste
Abb. 92. Gesdinittenes Zunft-
siegel der Schloß-, Büchsen-,
Uhr- und Windenmacher zu
Sdiwabach (Hamburg, Mus.
für Kunst und Gewerbe).
1) Abgebildet in Kick, W„ Barock, Rokoko und Louis XIV. aus Schwaben und der Schweiz.
Stuttgart. Tafel 4.
92
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
Schlosscrbudi, das von Oclcker, war nodi unberührt von französisdiem Einfluß. Neben
den alten Akanthusformen ersdieinen die gebrodienen Bänder zuerst, wenn audi nodi
sdiüditcrn, in dem Sdilosscrbudi des Sdilossergesellen Christian von der Heyden aus
Groß-Zerbst, dessen Entwürfe im übrigen sidi an die Formen Oeld^ers anlehnen.
Abb. 93. Oberliditgitter an einem Hause in Zürich.
Völlig ausgeprägt zeigt sidi dann das Laub- und Bandelwerk in einer Folge
Weigels mit dem Titel „Neues Bändel Werd^ Büdilein vor Sdilosser auffgezeidinet.
Erster Theil" mit der Verlagsnummer 140; die Tafeln sind von ungelenker Hand ge-
stodien und dürftig in der Erfindung. Vielleidit als Fortsetzung dieser Folge ist ein
anderes, ebenfalls anonymes Werkdien anzusehen, das den Titel führt: „Des vor
Sdilosser aufgezeidinete neuen Bandel-Werd^s anderer Theil jedes Stud^ gehalbirt
von einen Sdilosser in Nürnberg Nr. 203".
Unter dem Titel, der zwisdien den Hälften
zweier Klopfer angebradit ist, steht der
Zusatz: „Weil einige Sdilosser davor ge-
aditet, der Erste Theil des Bändel V/erd^s
sey nidit alles zu hauen und zu treiben
nur zum ättern (ätzen?), so ist ja jeden
frey in diesen und Ersten Theil alles zu
vergrößern, zu erweitern vieles auszulas-
sen, und nadi seinen gefallen zu riditen",
eine interessante Erklärung, wie der Ver-
leger seine Stidie benutzt wissen wollte.
Die Tafeln dieser Folge enthalten Vor-
lagen zu Wandarmen, zu einem Grab-
kreuz, zu „Wagen Stützen in Apothedten",
„Kohl Pfannen zu Caffe", Balustraden,
Gittertoren, Bekrönungen usw. (Abb. 94).
Mehrere Gitterentwürfe verraten deutlidie
Entlehnungen von Berain. Audi die Stidie
dieser Folge sind mäßig und trodien.
Reidier, aber nidit viel besser sind die
Entwürfe einer von Christoph Weigel jun.
herausgegebenen Folge, benannt: „Neu
inventirtes Sdilosser -Reiss Budi gezeidi-
net von einem Sdilosser in Nürnberg",
in weldiem die Formen des Laub- und
Abb. 95. Türklopfer (Germ. Museum zu Nürnberg). Bandelwerks durdi eingefügte Halbfiguren,
Kapitel III. Barock.
93
Büsten, Tiere, Baldadiine u. dergl. belebt sind, ähnlich wie Marot sie in seinen Vor-
lagen anwendet, freilidi ohne die elegante Linienführung des französischen Meisters.
Recht hausbacken und langweilig nimmt sidi z. B. die Frau aus, welche auf der
Volute eines großen Klop- ^ ,
fers sitzt und einen Sdilüssel
in der Hand hält. Verwandt
damit ist das ebenfalls
wenig bedeutende „Neu in-
ventirte Schlosser Büchlein
gezeichnet durdi Heinridi
Gottfried Förster Sdilosser
Gesell von Leipzig", von
dem älteren Weigel verlegt.
Dem Formenkreise dieser
Stidie entspricht ungefähr
ein im Germanischen Mu-
seum zu Nürnberg befind-
licher Klopfer mit reidi ge-
sdimückter Änschlagplatte
(Abb. 95).
Auch der bekannte
Architekt Paul Decker ver-
öffentlichte bei dem Nürn-
berger Kupferstecher Hiero-
nymus Bölmann ein Büchlein
mit Schloßblechen, Schlüs-
seln, Riegeln, Klopfern und
dergleichen von flotter Zeich-
nung, aber ungleichmäßi-
gem Charakter und mit teil-
weise starker Anlehnung an
die Ornamentik französi-
scher Stecher; es scheint in-
dessen keine große Anwen-
dung gefunden zu haben.
Ebenso zeigen auch die in
seiner „Civilbaukunst" ge-
legentlich abgebildeten Gitter
auffällige Anklänge an die
Schmiedearbeiten, die Da-
viler in seinem Coursd'Archi-
tecture vorführt. Überhaupt
scheint Decker einer aus-
gedehnten Verwendung von Schmiedewerken in der Architektur ferngestanden zu
haben. Sein „Fürstlicher Baumeister" bringt nur in der „Perspektive des fürstlichen
Schlosses zu Christian Erlang" ein großes Vorhofgitter; hier und da kommen auch
einige Parkgitter vor.
Interessant sind die Gitterentwürfe Johann Jakob Schüblers, die ebenfalls bei
Weigel und bei Johann Trautner in Nürnberg herauskamen. Sie zeigen eine lebendig
bewegte Linienführung von selbständiger Erfindung, die schon stark zum Rokoko
Abb. 94. Entwürfe für Schmiedearbeiten aus einer bei J. C. Weigel
in Nürnberg erschienenen Ornamentstidifolge.
94 Brüning-Rolide, Sdiniiedekunst.
hinneigt. Ebenso eigenwillig und absonderlicli sind die durch eigentümliche spitz-
winkelige Linienzüge sidi kennzeidinenden Entwürfe von Christian Friedrich Rudolph
in Augsburg. Die Vorlagen beider sclieinen indessen wenig benutzt worden zu sein.
Audi sonst hat Augsburg an Ornamentstichen für Schmiedekunst beigesteuert. So
gab Gottfr. Hartmann, Sdilossergesell aus Breslau, nacheinander mehrere Folgen zum
Teil mit denselben Tafeln bei versdiiedenen Verlegern, bei Kaspar Rad, bei Hieronymus
Martin Ostertag und 1736 bei Joh. Andr. Steisslinger heraus. Während seine Ent-
würfe, die in der reidien Verwendung des Akanthus auf ältere Vorbilder zurück-
greifen, wenig bedeutend sind, erfreut dagegen Johann Georg Rummel, der ein
Sdilosserbudi bei Joh. Georg Hertel in Augsburg herausgab, durch einige selbständig
erfundene hübsche Entwürfe, von denen einer sich sogar, wenigstens in teilweiser
Ausführung nachweisen läßt. Es ist das Abschlußgitter des Langhauses der Kirche
zum hl. Kreuz in Augsburg (Abb. 96). Besonders gut gelungen ist die Gitterbildung
des Portals. Die Bekrönung enthäU als Mittelstück eine Vase, aus der nach den
Seiten Weinreben und Ähren, als Symbole des Weines und Brotes im Abendmahl,
wadisen. Unterhalb der Vase steht auf dem Türgesims die Jahreszahl 1744. Außer-
dem trägt das Gitter die Namen des Stadtschlossermeisters Johann Michael Hoch
und seines Gesellen Joh. Georg Rummel, des Herausgebers des Schlosserbuches, dem
wohl der Löwenanteil an der Herstellung des Gitters zufiel, da er sonst wohl nicht
genannt sein würde. Nach Fertigstellung des Gitters, dessen Arbeit drei Jahre dauerte,
erhielt Rummel auf Grund dieser hervorragenden Leistung das Meisterrecht unter
den Augsburger Schlossern'). Der Stich stimmt mit dem Gitter im großen und ganzen
überein, nur die Bekrönung weicht ab.
Eines der besten Vorlagewerke dieser Zeit ist das „Neu inventirte Schlosser
Reiss-Budi gezeichnet von Frantz Leopold Schmittner Sdilossergesell". Schmittner,
der 1703 in Wien geboren wurde und zuerst das Schmiedehandwerk erlernte, wurde
später Kupferstecher. 1732 wird er als civis academicus der Universität bezeichnet,
zu deren korporativem Verbände damals auch die Künstler gehörten. Er stach unter
anderen Porträts von Mitgliedern der kaiserlichen Familie und religiöse Darstellungen.
Er starb 1761. Die sieben Tafeln seines Schlosserbuches zeigen ein flott und sicher
gezeichnetes und gut komponiertes Laub- und Bandelwerk, bereichert durch allerlei
figürliche Zutaten, gewappnete Halbfiguren, Büsten, Adler, Wappenschilder usw.
Sie geben sowohl Türbeschläge, Schlösser u. dergl., sowie Gitter. Audi ein vor-
treffliches perspektivisches Gitter befindet sich darunter, das sehr stark an das
Meidlingertor in Schönbrunn erinnert; besonders die Seitenteile des Portals in Gestalt
von rundbogigen Nischen mit eingestellten Vasen sind bei beiden sehr ähnlich. Auch
die übrigen Arbeiten sind ganz im Stile der noch vorhandenen Wiener Schlosser-
arbeiten jener Zeit gehalten (Abb. 97). Schmittner ist offenbar von Marot sehr be-
einflußt, dessen Formenwelt überhaupt bei den deutschen Schmieden gute Aufnahme
fand. Möglicherweise ist aber auch Schmittner, wie vielleicht manch anderer seiner
Genossen, nicht der Erfinder der Arbeiten, die er in seinen Stichen uns vorführt,
sondern er wiederholt nur zum Teil oder ganz schon ausgeführte, von anderen ent-
worfene Schmiedewerke-).
An Reichtum der erhaltenen Schmiedearbeiten im Laub- und Bandelwerk-
gesdimack läßt sich wohl kaum eine andere Stadt mit Wien vergleichen. Überhaupt
ist die Schmiedekunst dieser Zeit in den österreichischen Ländern noch sehr gut
>) Vgl. Kempf, H., Alt-Hugsburg. Berlin 1898, S. 15.
-) Über Schmittner vgl. Ilg, Ä., Der Schlosser und Kupferstecher F. L. Schmittner, in den
Mittellungen des k. k. österreidi. Museums für Kunst und Industrie 1886/7, S. ^89 ff.
Kapitel III. Barock.
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Brüning - Rohde, Sdimiedckunst.
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Abb. 97. Schmiedearbeiten, gestodien von F. L. Sdimittner.
Kapitel III. Barock.
97
vertreten^). In Wien und Umgegend weisen besonders die präditigen Paläste und
Sommerresidenzen, weldie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von einem
Joh. Beruh. Fisdier von Erlach, Joh. Lukas von Hildebrand und anderen erbaut
wurden, eine große Zahl stattlidier Sdimiedearbeiten dieses Stiles auf. Was diese
Arbeiten vor den französischen Sclimiedewerken auszeidinet, ist nicht so sehr die
Zeichnung und Komposition, die wohl zuweilen die sichere Eleganz und Sdiönheit
der französisdien Vorbilder vermissen lassen, als vielmehr ihre hervorragende technische
Ausführung. Während das Stabwerk in Frankreich meist aus Quadrat- oder Flach-
eisen gebildet ist, haben die Stäbe hier versdiiedene Querschnittprofile, die Endigungen
sind gewöhnlidi zu starken Schnecken aufgerollt. Auch sonst zeichnen sich die
deutsdien Arbeiten durch mannigfaltige plastische Bildung aus.
Abb. 98. Stütze an einem Portal des Belvedere
zu Wien.
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Abb. 99. Mittelteil eines Portals des Belvedere
zu Wien.
Zu den Hauptwerken der Wiener Schlosserkunst gehören die Schmiedearbeiten,
weldie das Lustschloß Belvedere sdimücken, das für den Prinzen Eugen von Savoyen
durch den Hofardiitekten Joh. Lukas von Hildebrand (geb. zu Genua 1668, gest. in
Wien 1745) in den Jahren 1693 — 1724 erbaut wurde. Der Garten hat neun pracht-
volle Gittertore, von denen drei zu den Straßen führen, die das Gebäude umgeben,
sechs aber einzelne Teile des Gartens im Innern voneinander trennen. Die urwüchsige
derbe Kraft, weldie die deutschen Arbeiten vor den französischen auszeichnet, offen-
bart sidi besonders in den Streben eines der Gartentore. Sie endigen in einen massiv
gesdimiedeten Löwenkopf, bei den beschränkten technischen Hilfsmitteln der damaligen
Zeit eine ganz gewaltige Leistung (Abb. 98).
Sehr verwandt mit den Gittertoren des Belvedere sind die Schmiedewerke, die
für ein anderes Lustschloß für den Prinzen Eugen von Savoyen hergestellt wurden,
nämlidi für das Sdiloß Schloßhof an der Mardi, das ebenfalls von Hildebrand um 1728
*) Vgl. Ilg und Kabdebo, Wiener Schmiedewerk des 17. u. 18. Jahrhunderts. Dresden 1883.
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst. 7
98
Brüning- Rolide, Sdiiniedekunst.
erbaut wurde. Der Haupteingang ist von drei sdimiedeeisernen Portalen abgesdiiossen,
einem mittleren größeren und zwei seitlichen kleineren, welche ähnlich wie beim
Bclvederc von mäditigen steinernen, mit reichem figürlidien Sdimuck versehenen
Pfeilern flankiert werden. Sdion diese schwere ardiitektonisdie Einrahmung mußte
zu kräftigen mannigfaltigen Formen führen. Audi hier sind die Portale von mächtigen
eisernen Streben gestützt. Das Sdiloß ist nidit als besonderer Teil aufgesetzt, sondern
ebenso wie bei den Portalen des Belvedere (Abb. 99) als ein der Komposition des
Ganzen sidi unterordnender SdimudUeil behandelt und in zentraler Anordnung um
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Abb. 100. Gittertor des Schlosses Schloßhof.
den Mittelpilaster, der die Fuge zwischen den beiden Torflügeln verdedd, angebradit.
Die Zusammenfassung je zweier Stäbe des Gitterwerks durch horizontale breite
Bunde ist französischen Vorbildern entlehnt. Besonders gefällig wirkt der geschweifte
obere Abschluß der Torflügel, der zu der stattlichen Bekrönung hinüberleitet. Die
Mitte dieses Aufsatzes nimmt ein aus den Buchstaben E und S gebildetes Monogramm
ein, von dem Herzogshut überdacht. Die Endigungen der Buchstaben rollen sich zu
starken, schön geformten Schnecken auf (Abb. 100). Man wird wohl nicht fehlgehen,
wenn man Hildebrandt selbst als den geistigen Urheber dieser großartigen Gitter-
werke, sowohl des Belvedere als von Schloßhof, bezeichnet. Wissen wir doch aus
der Baugeschichte der Würzburger Residenz, daß er für das große Gitter des Ehren-
hofes dieses Schlosses einen Entwurf angefertigt hat. Ein Sdilosser aus Hollitsch
soll die Schmiedearbeiten von Schloßhof verfertigt haben (Abb. 101).
Kapitel III. Barock.
99
Audi der Schönbrunner Park, das Salesianerinnenkloster, die Stephanskirche in
Wien haben schöne Gilter dieser Art. Wohl die sdiiiuickvoUsten unter allen befinden
sidi in der Johanniskapelle an der Donau. Das Kirdilein war von einem Wiener
Bürger namens Kirdilehner, 1744 dem Johannes von Nepomuk gestiftet worden zum
Gedäditnis an das gewaltige Hodiwasser, weldies im Frühjahre dieses Jahres die
an der Donau gelegenen Stadtteile bedroht hatte. Die vier Gitter, die das Portal
und die Fenster zieren, sind jedodi älter; wahrsdieinlidi einem früheren Bau ent-
nommen, trägt das eine von ihnen das Datum 1738. Audi der auf demselben an-
gebradite Doppeladler mit dem Hauptländerwappen des kaiserlidien Hauses sdieint
auf eine ursprünglidi andere Verwendung der Gitter hinzudeuten. Die Abbildung 102
stellt die obere Hälfte eines der Gitter dar.
In den Straßen der Stadt selbst, die damals mit zahlreidien stattlidien Palästen
und öffentlidien Gebäuden geschmüdit wurden, konnte natürlidi das Eisen nur be-
Äbb. 101. Geländer im Schlosse SchloBhof.
sdieidenere Anwendung finden, als in den freigelegenen Lustsdilössern mit ihren
weiträumigen Gärten. Man besdiränkte sidi im großen und ganzen auf Balkone
und Oberliditgitter. Diese Besdiränkung führte aber dazu, daß man, besonders bei
den Oberliditgittern, auf diese naturgemäß wenig umfangreidien Arbeiten allen
Sdimud^ konzentrierte, den man bei den größeren Gitterwerken auf eine ausgedehntere
Flädie verteilte. Dazu kam nodi, daß die Oberliditgitter einer kräftig ausladenden
Bildung des Eisenwerkes sdion deshalb bedurften, um sidi gegen den umsdiließen-
den, stark profilierten Steinrahmen zu behaupten und aus dem dunklen Hintergrunde
herauszulösen. Man blieb bei der Konstruktion des Gitterwerkes also nidit in der
Flädie, sondern ließ einzelne Teile aus derselben herausspringen, so daß eine
energisdie plastisdie Wirkung mit Lidit und Sdiatten erzielt wurde. Eines der
glänzendsten Beispiele derartiger Oberlidite befindet sidi am Eingang des Ministeriums
des Innern in der Wipplingerstraße, des Gebäudes der ehemaligen böhmisdien
und österreidiisdien Hofkanzlei, weldies von Fisdier von Erladi erriditet wurde
(Abb. 103). Das Gitter wurde wahrsdieinlidi bei der 1753 vorgenommenen Ver-
größerung des Gebäudes angebradit. Der Doppeladler und die Vasen sind in voller
100
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
körperlicher Rundung aus Eisenblcdi getrieben, das Laubwerk und die reich aus-
gebildeten Voluten der Stäbe sind aus dem Vollen gesdimiedct. Während bei den
bisher vorgeführten Gittern, wie z. B. den Versaillern (vgl. Abb. 63), die Sockel mit
Behängen stets in der Fläche dargestellt wurden, treten sie hier völlig plastisch heraus
und dienen wie wirklidie Konsolen als Träger der Vasen, die auf ihnen stehen.
Wegen ihrer kunstvollen Arbeit sind auch die Brüstungsgilter im Portikus des
Abb. 102. Gitter der Johanniskapelle in Wien.
Sdiwarzenbergischen Sommerpalais besonders hervorzuheben. Den Entwurf dazu
schreibt man Daniel Gran zu, der die malerische Ausstattung des Palastes ausführte.
Audi für Beschläge und Geräte im Laub und Bandelwerkstil lassen sich die
besten Arbeiten auf dem Gebiete der österreichischen Monarchie nachweisen. In Prag
findet man mehrere sehr gute Beispiele eisenbeschlagener Türen, welche sich in ihrer
Gestalt von den Gittertoren nur dadurch unterscheiden, daß das Stabwerk auf einem
Grunde von Eisenblech befestigt ist. Bei der Tür der Thomaskirche ist die Form
des perspektivischen Gitters gewählt worden. Als außergewöhnlich schöne Arbeiten
stellen sich das Schloß und der Klopfer der dortigen Nikolaikirche dar (Abb. 104).
Schlüsselschild und Anschlagplatte bestehen aus durchbrochenem getriebenen Eisen-
blech, Drücker und Klopfer sind aus massiven Eisenstücken geschmiedet und ge-
Kapitel III. Barock.
101
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Abb. 103. Oberliditgitter am Ministerium des Innern in Wien.
Abb. 104. Türbeschlag an der Nikolaikirche in Prag.
102
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
sdinitten. Besonders gefällig ist die Türklinke gestaltet. Der scliöngeschwungene,
mit Laubwerk verzierte Stab versinnlicht in seiner Bewegung das Auf- und Abwärts-
gehen des Drückers. Als Auflage für die Hand dient eine kräftig ausgebildete Volute.
Schloß und Klopfer sind geradezu musterhafte Bei-
spiele der Übertragung des Laub- und Bandelwerks
auf die Kleinarbeit.
VVahrscheinlidi österreidiisdier Herkunft ist auch
ein sehr kunstvoll gearbeitetes Kastensdiloß im Kunst-
gewerbemuseum zu Berlin. Die durchbrochene und
gravierte Sdiloßdecke aus Messing stellt oberhalb
der Messingkappe des Schlüsselgehäuscs die Kaiser-
krone auf einem Sockel mit Behang unter einem
Baldadiine dar. Durdi die Öffnung der Decke sieht
man den künstlichen Medianismus des mit vier
Riegeln und einer schießenden Falle versehenen
Schlosses. Einzelne Teile des Mechanismus sind
durch Gravierungen verziert. Der Umschweif (die
Seitenwände) zeigt auf gepunztem Grunde fein gra-
viertes Ornament. Das Schloßblech ist von einer
durdibrochenen Borte aus Laub- und Bandelwerk
in geschnittener Arbeit umgeben (Abb. 105).
Abb. 105. Schloß im Kunstgewerbemuseum
in Berlin.
Abb. 106. Kandelaber im
Schlosse Eisgrub.
Seltener sind Geräte, doch finden sich auch dafür einige gute Beispiele. Einen
schmiedeeisernen Kandelaber im Stile der genannten Arbeiten, der sich in dem
Schlosse Eisgrub befindet, stellt die Abbildung 106 dar. Während hier der Schaft
eine gelungene Auflösung des massiven Stammes des Holz- oder Bronzekandelabers
in die durchbrochenen, aus Stabwerk gebildeten Formen des Schmiedeeisens zeigt,
ist der schmiedeeiserne Kronleuchter des Landesmuseums in Graz eine geschickte
Übersetzung der sogenannten holländischen Messingkrone in die Spradie des
Schmiedeeisens. Die große Messingkugel am unteren Ende des Schaftes ist hier
durch große Akanthusblätter dargestellt. Auch am oberen Teile des Schaftes sind
an die Stelle der geschlossenen Knäufe und Kugeln durchbrochene Formen ge-
treten (Abb. 107).
Kapitel III. Barock.
103
Abb. 108. Portal in der St. Emmeranskirdic in Regensburg.
104
BrQning-Rohde, Sdimiedekunst.
Die österreichischen Länder sind zur Erkenntnis der Ausbildung des Laub- und
Bandelwerks in der Sdimiedekunst nur deshalb vor dem übrigen Deutschland be-
vorzugt worden, weil sidi in ihnen dieser Eisenstil am glänzendsten entwickelte.
Er hielt sidi in Wien und Umgegend sogar bis in die zweite Hälfte des 18. Jahr-
hunderts hinein. Im übrigen fanden die Laub- und Bandelwerkformen ihre Ver-
breitung durdi das ganze deutsche Spradigebiet. So befinden sich, um nur einige
Beispiele anzuführen, Sdimiedearbeiten dieser Art in Züridi (Abb. 93), in der
St. Emmeranskirdie zu Regensburg (Abb. 108); stattlidie Tore besitzt der Römer zu
Frankfurt a. M., ein Gitter mit reichem Aufsatz von 1725 schirmt das Grabmal des
Ministers von Kraut in der Nikolaikirche zu Berlin. Um 1741 sind die Gitter ent-
standen, welche den Moltkestuhl in der Nikolaikirche zu Rostock schmücken, und
auch der Dom zu Riga hat Schmiedearbeiten dieses Stiles aufzuweisen.
Abb. 107. Kronleuchter im Landesmuseum in Graz.
Kapitel IV
Rokoko und Louis XVL in Frankreich
Die allmähliche Abwandlung der in gebrochenen Linien sich bewegenden, etwas
strengen und schweren Formen des Sdimiedeeisens der Zeit Ludwigs XIV. zu
den gefälligen und geschmeidigen Linienzügen dfes Rokoko ließ sich schon in den
Arbeiten von Robert de Cotte und den Entwürfen Louis Fordrins verfolgen. Einen
weiteren Schritt vorwärts bedeuten die in der Distribution des maisons de plaisance
von Jacques Franc^ois Blondel 1738 erschienenen Gitterentwürfe. (Abb. 109). Das
Stabwerk derselben zeichnet sidi durch reizvolle Motive in weich gezogenen,
gesdiweiften Linien aus; das maßvoll beigefügte Laubwerk erinnert in seiner Bil-
dung noch stark an den Akanthus des Louis XIV., ist aber dünner und zierlicher
und von unbestimmter Zeichnung. Abgesehen von einigen schüchternen Andeutungen
fehlt das eigentlidie Ornament des Rokoko-Muschelwerks noch ganz, während es in
den Wanddekorationen u. a. desselben Werkes schon häufiger auftritt, ein weiterer
Beleg für die in der Geschichte der Schmiedekunst so häufig auftretenden Er-
scheinung, daß die Ornamentik des Schmiedeeisens immer erst langsam den all-
gemeinen Fortschritten der Kunst folgt. Blondel gibt auch einige Bemerkungen über
die Anwendung des Schmiedeeisens. So empfiehlt er bei den das Stabgerüst des
Gitters schmückenden Ornamenten Bronze oder Blei statt des Schmiedeeisens, weil
die geschmiedeten Zierate leicht die Kleider beschädigten. Für das Abschlußgitter
des Vorhofes eines Schlosses schlägt er grün angestrichene Eisenstäbe mit Bronze-
ornamenten vor.
Ahnlich leicht und gefällig, ohne besonders reichen Ornamentschmuck, sind die
Zeichnungen für Balkone u. dgl. von Babin. Die früheren Entwürfe dieses Stediers
zeigen ebenso wie die Blondelschen Stiche ein ziemlidi schlichtes Stabgerüst mit
wenig akanthusartigem Blattwerk; auch jene schon von Tijou und Fordrin angewand-
ten lanzettförmigen Blätter mit gewellten Kanten kommen vor. Seine späteren Ar-
beiten haben schon etwas Muschelwerk. Babin gab seine Vorlagen in sieben Heften
zu je zehn Blatt heraus. Das sechste enthält Umrißzeichnungen von wappenhalten-
den Figuren, wilden Männern und Tieren aller Art, die zumeist als Schmuck von
Portalbekrönungen dienen. Bei ihrer häufigen Anwendung entsprachen solche Vor-
lagen durchaus den Bedürfnissen des Schlossers.
Das bedeutendste Schlosserbuch des Rokoko, das etwa um 17^0 ersdiienen sein
dürfte, ist das des Gabriel Huquier (1695—1772); es enthält 60 Tafeln, di2 in zehn
Heften zu je sechs Blatt gegliedert sind.') Die Entwürfe sind außerordentlich flott
und sicher gezeichnet und offenbaren große Erfindungskraft und reidie künstlerische
Phantasie. Auch Huquier verwendet als Ornament noch den dünnen Akanthus wie
Blondel, aber bei ihm wächst er zum Teil zu langen palmenartigen Schößlingen aus,
die das schön geschwungene Stabwerk begleiten. Daneben kommen auch natürlidie
Blumen in sparsamer Verwendung vor. Vom Muschelwerk macht er in seinen Ent-
würfen für Schmiedeeisen auch noch wenig Gebrauch. Dagegen zeigen seine
Schlüsselschilder u. dgl., die für Bronzeguß bestimmt sind, schon das ausgereifte
Muschelwerk Meissonniers. Sehr lehrreich für die Kenntnis des Arbeitsfeldes der da-
1) Neudruck der Hälfte des Sdilosserbudis von Huquier: Entwürfe für Schmiedeeisen in
Stil des Rokoko nadi G. Huquier. 30 Lichtdrucke. Paul Schahl. Berlin 1889.
106
Brüning -Rolide, Sdiniiedekunst,
maligcn Sdilosserkunst ist die Auswahl der Gegenstände. Neben Gittern aller Art,
unter denen die großen Gitter für Vorhöfe, Gärten und Kirchen von besonders gra-
ziöser Zeidinung und mannigfaltiger Erfindung sind (Abb. HO), und Sdiloßzubehör
sind audi versdiiedene Geräte für kirdilidien Gebraudi, Beleuchtungskörper, Tische usw.
dargestellt. (Abb. 111.) Die letzte Tafel enthält eine Anweisung, wie man eine
reditediigc Füllung vermittels eines Liniennetzes in eine schräg ansteigende (für
Treppengeländer) verwandeln kann. Huquier hat sidi auf jedem Stich als der Er-
finder der dargestellten Gegenstände bezeidinet. Zu einem Zweifel an der Wahrheit
dieser Behauptung könnte man dyrdi einige Tafeln des „Livre Nouveau d'Architec-
ture par Mr. B . . . Ardiitecte du Roy 1767" veranlaßt werden, die Entwürfe aus
dem Sdilosserbudic des Huquier enthalten, aber die Bezeichnung tragen: Oppenord
inv. und Meissonnier inv. Da indessen auf denselben Tafeln auch mehrere stilistisch
mit beiden Meistern unverträgliche Arbeiten aus dem noch zu nennenden Schlosscr-
buche von Fontaine dargestellt sind, so verlieren jene Bezeichnungen völlig ihren
Wert. Allerdings verraten ja viele der in Huquiers Werk dargestellten Gegenstände
große Verwandtsdiaft mit Oppenord sowohl wie Meissonnier. Aber diese erklärt sich
Abb. 109. Gitter (J. F. Blonde!, Distribution des maisons de plaisance II, pl. 55).
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreidi.
107
leicht daraus, daß Huquier beinahe das ganze Werk von Oppenords und Meissonniers,
wie audi das von Gillot, Watteau und anderen gestochen hat. Die in dem Werk
von Oppenord selbst enthaltenen Gitterentwürfe zeigen, wie z. B. das Chorportal
der Kathedrale zu Meaux, ganz andere, zum Teil noch ältere Formen, als die Ar-
beiten Huquiers. Es ist also an der Urheberscliaft Huquiers wohl nicht zu zweifeln.
Ein reiferes, üppiges Rokoko in stark bewegter Zeichnung mit ausgebildetem
Musdielwerk und reicher Verwendung figürlicher Zutaten bietet das Schlosserbuch
des erwähnten J. V. Fontaine, der sich „Königlichen Schlosser in der Gobelin-
Äbb. 110. Rokoko-Kirdiengitter aus dem Schlosserbudie von G. Huquier um 1740.
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Abb. 111. Kohlenbeckenträger und Tisdie aus dem Sdilosserbudie von G. Huquier.
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankrcidi.
109
manufaktur" nennt. Es enthält Wandarme, einen Lampenträger, einen Osterkerzen-
leuditer (Abb. 112), ein Lesepult, ein Taufbecken und Aushängescliiider eines Uhr-
machers. In einer anderen Ornamentstichfolge gibt er Bekrönungen für Schloß- und
Kirchengitter, in einer dritten Ornamente in natürlichem Maßstabe zum Gebrauch für
die Sdilosser. Von dem Buche des Schlossers C. Michel, das 1750 ersdiien, liegt
nur noch das Titelblatt mit zwei Wandarmen und zwei Konsoltischen vor, die gefade
keine besonders hohe Vorstellung von dem Können ihres Schöpfers geben.
Durch großzügige Motive mit kräftig betontem Stabwerk, das durch Blumen-
Girlanden, Vasen und sonstige Attribute bereidiert ist, zeichnen sidi die zahlreichen
Gitterentwürfe im Traite du beau essentiel dans les arts appliques von C. E. Briseux
aus dem Jahre 1752 und der L'art du bätir
des Maisons de campagne desselben Ver-
fassers vom Jahre 1761 aus. Ein Teil der in
dem letzteren Werk enthaltenen Stiche mit
Schmiedewerken trägt die Bezeichnung Bri
(seux) inv. Bab(el) sc. Sämtlidie Entwürfe
zeigen große Verwandtsdiaft mit einer
größeren Anzahl von Stichen mit Gittern,
die Babel selbst als seine eigenen Erfin-
dungen herausgab. (Abb. 113). Es liegt
also hier wohl ein ähnliches Verhältnis vor,
wie zwischen Oppenord und Huquier. Der
Siedler Babel hat sich so in die Formenwelt
des Briseux eingelebt, daß sie zu seiner
eigenen geworden ist. Einer der spätesten
Stecher für Schmiedeeisen in Rokokoformen
endlich ist Moreau, der unter anderen 1762
eine Sammlung von Entwürfen für Balkone
nnd Treppengeländer veröffentlichte. Die
Zeichnung seines Gitterwerkes ist unklar
und wenig bedeutend.
Der höchste Triumph, den die Schlosser-
kunst unter Ludwig XV. feierte, knüpft sich
an den Namen Jean Lamours. des Hofsdilossers des Königs Stanislaus Leszczynski
in Nancy, dessen Werk sich noch zum größten Teil — ein seltenes Glück — fast
unversehrt erhalten hat. Lamours Vater war Stadtsdilosser in Nancy. Indessen
sein Sohn (geb. 1G98) begnügte sich nicht mit dem väterlichen Unterricht; schon als
Vierzehnjährigen treffen wir ihn in Metz. Dann unternahm er zwei Reisen nach
Paris, um sich in der Schlosserkunst und im Zeichnen weiter auszubilden. Nadi
dem Tode des Vaters übernimmt Jean 1720 die Stelle des Stadtsdilossers in Nancy.
Unter anderem mußte er auch die Verpflichtung eingehen, für die Instandhaltung
der öffentlichen Laternen und Glocken der Pfarrkirchen zu sorgen. An größeren
Schmiedearbeiten finden wir zuerst ein Gitter mit dem Stadtwappen in der Kirche
Saint Epure erwähnt, für welches er 1728 eine Zahlung von 1150 Livres erhielt.
Zwei Jahre später ist er mit den Vorbereitungen zu einem großen Feuerwerk be-
schäftigt, welches beim Einzug des Herzogs Franz III. in Nancy abgebrannt werden
sollte.^)
Abb. 112. Osterkerzenleuditer nadi einem
Stiche von J. V. Fontaine
1) Vgl. Cournault, C, Jean Lamour (Les artistes celebres). Librairie d'art. Paris, D. Rouam.
London, Gilbert Wood & Co.
110
Brüning - Rohde, Schmiedekunst.
Nouveaux de^sems de Balcons.
Zu einer vollen Entfaltung seiner Talente gelangte er aber erst, als im Jahre 1737
auf Grund des Wiener Friedens Lothringen als selbständiges Herzogtum dem ehe-
maligen Polenkönig Stanislaus Leszczynski anheimfiel, nachdem dieser Fürst im pol-
nischen Erbfolgekriege zum zweiten Male seinen Thron verloren hatte. Seinen
politisdien Ruhmesträumen entsagend, widmete der König sich hinfort in seinem
neuen Wirkungskreise sei-
nen wissenschaftlichen und
künstlerischen Liebhabe-
reien. Durdi seinen Archi-
tekten Emanuel Here ließ
er in Nancy und an an-
deren Orten Lothringens
eine größere Anzahl Bau-
ten errichten, in denen sich
die Steinarchitektur mit den
Schmiedearbeiten Lamours
zu glücklicher harmonischer
Wirkung vereinigte. Nancy
wurde unter seiner Für-
sorge eine Perle unter den
französischen Städten.
Schon 1738 hatte La-
mour Gelegenheit, dem
Könige mit seiner Kunst
zu dienen. Für die Grab-
kapelle, welche Stanislaus
für sich und seine Ge-
mahlin in Notre Dame de
Bon Secours, der Haupt-
kirche Nancys, ausschmük-
ken ließ, verfertigte er ein
schönes vergoldetes Gitter,
das aber schon 1792 einem
Kunsthändler in die Hände
J'e J^nd a Pan.\ c/tcdi Ceureau ruc S^Jiuaicca cut OtojlJ S ■ fitjwu ^ifcc frt vJcfft du Ji^-u
Hbb. 113. Balkone, Stidi von Babel.
geriet. Ebenfalls fielen der
Vernichtung anheim die
Schmiedearbeiten, die er
einige Jahre später für das
von Here erbaute Schloß
Chanteheux bei Luncville
hergestellt hatte. Es ist
uns aber wenigstens in der Abbildung in Lamours Werk, auf das noch näher ein-
zugehen sein wird, das Treppengeländer erhalten, welches schon die ausgesprochenen
Rokokoformen zeigt, wie sie in den späteren Arbeiten Lamours erscheinen. Lamour
erzählt uns, daß dasselbe, als Ludwig XV. 1744 durch Nancy kam, die Bewunderung
aller Kenner im Gefolge des Königs erweckt hätte. Dann folgen die für Commercy
hergestellten Gitterwerke, von denen ebenfalls mehrere auf einer Kupfertafel des
Lamourschen Werkes dargestellt sind. Sic zeidinen sich durch eine lebendige, gra-
ziöse Linienführung des Stabwerks aus, sind aber etwas gedrängt und überladen in
den Ornamenten.
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreich.
111
Unter den zahlreichen nodi vorhandenen Arbeiten, die Lamour für Nancy selbst
schuf, bilden die Schmiedewerke, weldie den Place Royale (jetzt Place Stanislas)
sdimücken, den Höhepunkt. Hier gelangte nämlich das Sclimiedeeisen in einer
monumentalen Form zur Anwendung, wie nie vorher nocli nachher in ähnlidiem
Maßstabe. Der Platz bildet ein Rechteck von 124,44 m Länge und 166 m Breite
und ist rings umher von Gebäuden umgeben. Die ganze Südseite ist vom Hotel
de ville eingenommen, das mit seinen gewaltigen Massen den Platz beherrscht. An
den vier Ecken sind Offnungen zwischen
den den Platz umgebenden Bauten gelassen,
außerdem münden an den beiden Schmal-
seiten Straßen ein. Diese sechs Zwischen-
räume sind nun von prächtigen schmiede-
eisernen Aufbauten ausgefüllt, die dem
Platz die zu einer künstlerischen Wirkung
nötige Gesclilossenheit geben. Die beiden
Winkel des Platzes gegenüber dem Hotel
de ville nehmen zwei große triumphbogen-
artige Eisenbauten ein. Die übrigen vier
Öffnungen — sämtlich Staßenmündungen —
sind mit einfacheren, aber nicht minder
kunstvollen portalartigen Anlagen abge-
schlossen. Außerdem schmücken die Ge-
bäude schöne Laternenträger, sowie eine
fortlaufende Reihe von prächtigen Baikonen.
Das Hotel de ville besitzt 14 Balkone, von
denen der mittlere allein eine Länge von
19 m hat, die übrigen Gebäude haben zu-
sammen 56 .Balkone. Auch die in der
Mitte des Platzes stehende Statue des Kö-
nigs (früher Ludwigs XV.) umgibt ein
schmiedeeisernes Gitter. Alles prangt in
reidier Vergoldung, im 18. Jahrhundert
zum Teil in verschieden getönten Gold-
farben. Den ganzen Platz umrahmt also
ein fortlaufender Kranz herrlicher, im
Glanz der Sonne strahlender Schmiede-
werke, vergleichbar einem köstlichen Ge-
schmeide am Halse einer schönen Frau.
Diese unvergleichliche Anlage ist zweifellos in ihren Grundzügen eine Schöpfung
Emmanuel Heres, welcher, indem er die Kunstfertigkeit Lamours zu würdigen ver-
stand, diesem einen bedeutenden Anteil an der künstlerischen Ausschmückung des
Platzes einräumte. Der Entwurf der Eisenarbeiten im einzelnen und ihre Ausführung
geht indessen direkt auf Lamour zurück. Das Verhältnis beider zu einander wird
klargelegt durch das Kupferwerk Heres: Plans et Elevations de la Place Royale de
Nancy vom Jahre 1753, als die Schmiedewerke noch in Arbeit waren. Auf den
Tafeln, welche den Platz darstellen, sind sämtliche sechs Lücken mit gleichen Triumph-
bogen abgeschlossen, während doch bei der späteren Ausführung, wie schon erwähnt,
vier eine ganz andere Gestalt erhielten. Ein besonderer Stich bringt dann die Ab-
bildung eines der wirklich ausgeführten Abschlußgitter mit der Poseidongruppe; er
trägt die Bezeichnung: Fait par J. Lamour Serrurier du Roy. Vergleicht man in-
Äbb. 114.
Mittelteil des Äbsdilußgitters
der Abb. 115.
112
ßrüning - Rohdc, Sdiniiedekuiist.
Rhh. 115. AbsdiluBgitter des Place Stanislas in Nancy,
Abb. 116. AbsdiluBgitter des Place Stanislas in Nancy.
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreich.
113
dessen diesen Entwurf mit der vorhandenen Anlage, so ergeben sich verschiedene
Untersdiiede. Die kleineren Felder unter den großen Füllungen zu beiden Seiten
der Nebenportale fehlen. Die Bekrönung der Hauptportale ist niedriger. Außerdem
hat dieser Vorentwurf doppelte Pilaster zu Seiten der mittleren Öffnung, während
das ausgeführte Werk nur einfache Pilaster besitzt. Es ist leidit ersichtlich, worauf
diese Veränderungen, die das fertige Werk gegenüber diesem ersten Entwurf auf-
weist, hinzielen; sie sollen dem Triumphbogen eine größere Höhenausdehnung
geben gegenüber dem erwähnten Entwürfe, der etwas gedrückt und in die Breite
Abb. 117, Eingangsgitter zum Platze Stanislas in Nancy.
gezogen erscheint. Vielleicht hat der König selbst den Anstoß zu dieser Umgestal-
tung gegeben. Lamour berichtet uns wenigstens in der Einleitung seines Werkes,
daß Stanislaus seine Werkstatt besucht und seine Zeichnung korrigiert habe. Die
angeführte Unterschrift des Stiches kann demnach nur auf die geistige Urheberschaft
Lamours sich beziehen.
Die beiden Abschlußgitter, bei denen die Kunst Lamours sich am höchsten er-
hebt, dienen als Umrahmungen zweier Fontänen, von denen die eine mit der Figur
des Poseidon, die andere mit der der Amphitrite, beide umgeben von Meergottheiten
und Amoretten, geschmückt ist. In den seitlichen Portalen des einen Aufbaues sind
kleine Gruppen mit Amoretten und Delphinen eingestellt, die des Gegenstückes dienen
als Durchgänge. Die in Blei gegossenen Gruppen sind ein Werk des Bildhauers
Barthelemy Guibal, von dessen Hand auch die früher in der Mitte des Platzes
stehende Statue Ludwigs XV. herrührte. Reicher Baumschlag dient den beiden Auf-
bauten als wirksamer Hintergrund. Die Gitterwerke selbst sind mit Ausnahme des
Brüning-Rohdc, Schmiedekunst.
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114
Brütiiiig- Rolide, Sdimiedekunst.
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Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreidi.
115
kleinen Steinsockels mit vieler Kunst aus Eisen gebildet. Sie haben eine Breite
von 23,45 m, eine Höhe von 10.60 m. Besonders prächtigen Schmuck trägt das
Mittelportal. Die Kapitelle der Pilaster tragen als Zierat einen Hahn und eine
Sonnenmaske, die Zwickel zwisdien Architrav und Rundbogen sind mit Waffen-
trophäen ausgefüllt. Die hochaufragende Bekrönung zeigte ursprünglich in ihrer Mitte
das Wappen der französischen Könige. Zur Zeit der Revolution wurde dasselbe in-
dessen, ebenso wie die Namenszüge des Königs Stanislaus in den Aufsätzen der
seitliclien Portale, aus-
gebrochen. Bei einer
Wiederherstellung des
Gitters im Jahre 1864
ersetzte man die drei
Lilien des bourbonischen
Wappens durch die Distel
der Stadt Nancy. Auch
die beiden pyramiden-
förmigen Aufsätze ober-
halb der Pilaster, welche
die Medaillons des Mars,
der Minerva, des Apollo
und der Ceres, um-
geben von Fahnen und
kriegerischen Emblemen,
zeigen, waren 1831 we-
gen ihres schlechten Er-
haltungszustandes ent-
fernt worden. Erst als
man 1879 in der Rumpel-
kammer eines Schlossers
einen dieser Aufsätze
wiederfand, entschloß
man sich, sie zu erneuern.
Der Schlosser Lipmann
in Straßburg stellte die
vier Aufsätze für 1 1 000
Eres, wieder her. (Abb.
114—116).
Nicht nur als ge-
waltige tedinische Lei-
stungen, sondern auch als vollendete Kunstwerke zwingen uns diese beiden Sdimiede-
werkc hohe Bewunderung ab. Es ist ein reifes, abgeklärtes Rokoko, das mit
mannigfaltiger Ausbildung des Ornaments im einzelnen klare Linienführung im
ganzen und ein weises Maßhalten in der Anwendung der Ziermotive verrät. Neben
jener palmenschoßartigen Bildung, die sich als Ausläufer des Laubwerks aus der
Zeit Ludwigs XIV. ergab, erscheint das Muschelwerk in voller Ausgestaltung.
Während dieses Muschelwerk als unpersönlidies Ornament die Schwingungen des
Stabwerkes begleitet, findet daneben auch das naturalistische Pflanzenornament, den
Gesetzen seines natürlichen Wuchses folgend, eine bescheidene Anwendung, weniger
bei den Triumphbogen, als bei den übrigen vier die Zugänge des Platzes einfassen-
den Portalanlagen, bei denen es in den Gesimsbekrönungen, den Laternenarmen
Abb. 119. Treppengeländer im Hotel de ville zu Nancy.
116
Brüning - Rohde, Sdimiedekunst.
und Vasen auftritt. Diese Portale sdiieben sidi von den die Straßenmündungen
einrahmenden Häusern auf den hier erweiterten Trottoirs in die Straßen hinein; nacli
dem Fahrdamm zu sclilicßen sie mit einem sehr sdiön gezeidineten Pfeiler ab, der
eine Blumenvase trägt. An diesen Pfeilern sind Laternenträger angebradit, deren
Endigungen als Hähne u. dgl. gestaltet sind, die in ihren Sdinäbeln Laternen von
Abb. 120. Tafel mit der Widmung in „Lamour, Recueil des ouvrages en serrurerie*
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreich.
117
gefälligen Formen tragen. Zwisdien den Pfeilern ist ein offener Raum gelassen,
hinlänglicli breit, um zwei Wagen den Durcligang zu gestatten. Es ist möglich, daß
man lediglicli aus Verkehrsrücksichten von den ursprünglich auch hier geplanten
Triumphbogen abgegangen ist. Die Zeichnung der Füllungen dieser Portale ent-
spridit den betreffenden Gegenstücken an den Triumphbogen fast genau (Abb 117).
Von den den Platz umgebenden Baikonen ist der mittlere der ersten Etage des
Hotel de ville besonders prunkvoll ausgestattet (Abb. 118). Die Mitte nimmt das
Wappen des Königs ein mit den Ordenskelten des h. Geistes und des h. Michael.
Zwei große Adler halten das Wappensdiild, sie heben sich von einem Gittermuster
ab, bei welchem die rautenförmigen Öffnungen mit einem Vierblattornament gefüllt
sind. Wir erfahren von Lamour, daß er bei diesem Stück die Wirkung der ziselierten
Abb. 121. Bekrönung (Lamour, Recueil des ouvrages en serrurerie).
Bronze habe erreidien wollen. Auch das Innere des Hotel de ville birgt eine be-
deutende Leistung Lamours, das Treppengeländer, das mit einer überströmenden
Fülle von Muschelwerk ausgestattet ist. Die stark bewegten Linien des Stabwerks
scheinen in ihrem vorwärts drängenden Streben den , der die Treppe hinaufsteigt,
mit sich fortzuziehen (Abb. 119). Mit besonderem Stolz hebt Lamour hervor, daß
die 25 m lange Handleiste des Geländers so geschickt zusammengefügt sei, daß sie
aus einem Stück zu bestehen scheine. Lamour erhielt für die zum Schmuck des
Hotel de ville ausgeführten Arbeiten 60411 Livres, für die Gitterwerke der Place
RoLjale 149324 Livres. Für die Vergoldung der Gitter und Balkone bekam die
Witwe des Philipp Niclos 1372, Nicolas Gastaldy 17328 Livres, für den Anstrich
wurde dem Maler Charles Devarennes 776 Livres ausgezahlt.') Nadi vierjähriger
Arbeit waren die Gitter samt dem übrigen Schmuck des Platzes vollendet. Den
festlichen Abschluß bildete die Enthüllung des Denkmals Ludwigs XV., welche am
26. November 1755 unter großen Feierlichkeiten begangen wurde. Die Fontänen
speiten an diesem Tage Wein aus, und vier Stadträte warfen von den Baikonen
des Platzes Geld unter das Volk.
1) Vgl. Compte general de la depense des edifices et bätiment que le roi de Pologne a
fait construire pour rembellissement de Nancy. Luneville 1761.
118
Briining - Rohde, Sdimiedekuiist.
Audi die benadibartc Place de la Carriere ist mit Gitterwerken von Lamour
ausgestattet, die in ihrer Bildung an die Portale der Place Royale erinnern. Zwei
präditige Gitter von seiner Hand besitzt audi die Kathedrale; das eine schließt die
Grabkapelle des Kardinals Karl von Lothringen ab, das andere die des Prälaten du
Bouzcy. Die vier anderen Kapellengitter stammen von anderer Hand, sie sind be-
zeichnet: Jean Maire 1759. Von den übrigen nodi in großer Zahl in Nancy er-
haltenen Arbeiten Lamours verdienen die Balkone der ersten Etage seines Hauses,
rue Notre Dame Nr. 32,
wegen der hohen Voll-
endung der Arbeit beson-
dere Erwähnung.
Lamour hat selber
dafür gesorgt, daß sein
Name der Nachwelt er-
halten blieb, indem er
1767 seine besten Ar-
beiten in einem aufs
prächtigste ausgestatteten
Kupferslichwerk in Groß-
folio unter dem Titel:
„Recueil des ouvrages en
serrurerie, que Stanislas
le Bienfaisant, Roy de Po-
logne, Duc de Lorraine
et de Bar, a fait poser
sur la place Royale de
Nancy, ä la gloire de
Louis le Bien-Aime; com-
pose et executc par Jean
Lamour son serrurier or-
dinaire avcc un discours
sur l'art de Serrurerie et
plusieurs autres desseins
de son invention Dedie
au Roy" veröffentlichte
und dem König widmete/)
Die Widmung an den
König ist auf dem ersten
Blatt innerhalb einer schönen Rokokoumrahmung angebradit, welche im Stile seiner
Schmiedearbeiten gehalten ist. Auf der unteren Leiste des Rahmens sind in einer
kleinen Vignette schmiedende Amoretten in einer Grotte dargestellt. Der obere Teil
des Rahmens umsdiließt ein größeres, von Collin gestochenes Bild, welches den Be-
such des Königs in der Sdimiede Lamours nach einem jetzt in Luneville befindlidien
Gemälde Benards vorführt (Abb. 120). Man ist gerade mit der Herstellung eines der
beiden Triumphbogen der Place Royale beschäftigt. In der Mitte der Schmiedewerk-
statt steht der König, ein wohlbeleibter Herr und mustert, mit einem Augenglas be-
waffnet, einen der Pfeiler, auf den Lamour mit der rechten Hand hinweist, während
er in der Linken den Plan des Ganzen hält. Im Hintergrunde sind mehrere Arbeiter
Abb. 122. Portal vor dem Hotel Dieu zu Troyes.
') Neudrudt: Jean Lamour, Recueil des ouvrages cn serrurerie. R. Levy. Paris.
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreich.
119
mit der Montierung des Triumphbogens beschäftigt, im Aufsatz des mittleren Portals
sind deutlich die drei Lilien der Bourbonen zu erkennen. Rechts davon arbeitet
ein Mann mit einer großen Feile an einem Schraubstock, links im Vordergrunde
vergleichen mehrere Leute, über einen Tisch gebeugt, die geschmiedeten Eisenteile
mit der Werkzeichnung. Die Kamine der beiden Schmiedeessen führen direkt zu
den Fenstern hinaus. Es
war eine alte, nicht mehr
im Gebraucli befindliche
Kirdie, in der Lamour
seine Werkstatt eingerich-
tet hatte.
In großen Stichen
führt uns dann Lamour
seine widitigsten Werke
vor. Besonders wertvoll
sind die Abbildungen sol-
cher Schmiedearbeiten, die
nicht mehr vorhanden sind,
wie die von Commercy
und Chanteheux. Andere
Entwürfe scheinen über-
haupt nicht zur Ausführung
gelangt, sondern als Vor-
lagen gezeidinet zu sein.
Dazu gehören eine größere
Anzahl von Wandarmen
für Laternen und Aus-
hängeschilder mit den
Wappen des Königs, des
Dauphins usw., ferner Be-
krönungen aller Art, zum
Teil mit kirchlichen Em-
blemen und Kerzenhaltern
versehen. Einer dieser
Aufsätze enthält das Wap-
pen, das den französischen
Schlossern verliehen wur-
de; an den beiden Pyra-
miden rechts und links sind
Schlosserwerkzeugc u. dgl.
angebracht (Abb. 121). Des
gotischen Schlosses, das Lamour abbildet, ist sdion Erwähnung getan (S. 27). Die
letzte Tafel bietet Ornamente in natürlicher Größe.
Stanislaus wußte in wahrhaft königlicher Art seinen Hofsdilosser zu ehren. Er
ließ sein eigenes Porträt und das Lamours als Gegenstücke in gleidier Größe in
Pastell malen und schenkte beide dem Künstler. Die Bilder befinden sich jetzt im
lothringischen Museum zu Nancy. Lamour trägt auf dem Porträt die Tracht des
Hofmannes, Rock und Weste von blauem Sammet mit goldenen Borten. Im Hinter-
grunde wird ein Stück eines der Triumpbogen der Place Royale sichtbar.
Mit dem Tode des Königs im Jahre 1766 sdieint auch Lamours Tätigkeit im
Abb. 123. Gitter in der Kathedrale zu Ämiens.
120
Brüning-Rohde, Sdiiniedekunst.
vvescntlidicn ihren Absdiluß erreidit zu haben. Die reidien Aufträge, die während
der Regierung Stanislaus' ihm zugeflossen waren, hatten ihm nidit nur einen ehren-
vollen Namen, sondern audi einen nidit unbedeutenden Reiditum versdiafft. So
war er in der Lage, eine Sammlung von Gemälden und anderen Kunstsadien allmäh-
lidi zu erwerben, weldie er Freunden der Kunst gern zu zeigen pflegte. Unter
seinen Mitbürgern genoß er hohes Ansehen. Die Advokaten Nancys erwiesen ihm
die Ehre der Aufnahme
in ihre religiöse Brüder-
sdiaft. Er starb 1771.
Gegenüber dem Reidi-
tum an Sdimiedewerken,
weldie die Stadt Nancy
der Tätigkeit Lamours ver-
dankt, ist das, was in
anderen Städten Frank-
reichs von Eisenarbeiten
in Rokokoformen sich er-
halten hat, verschwindend
gering. Zu nennen ist
noch das prachtvolle Por-
tal, welches den v'orhof
des Hotel Dieu in Troyes
abschließt, eine Arbeit des
Schlossers Pierre Delphin.
Es dürfte etwa der Zeit
von 1730 — 1740 angehö-
ren und soll ursprünglich,
für die Abtei Clairveaux
angefertigt worden sein
(Abb. 122). Besonders
schön baut sich die Be-
krönung auf. An den
aufsteigenden Seiten ran-
ken sich üppige, palmen-
schoßartige Blattbüschel
empor. Rechts und links
vom Portal sind die Wap-
pen der Champagne und
von Navarra angebracht,
während die Torbekrönung
das Königswappen trägt. Die Gestaltung der Torflügel mit den parallel laufenden
Stäben, von denen jedesmal der zweite und dritte durch einen breiten Bund zu-
sammengefaßt sind, weist auf ähnliche Bildungen aus der Zeit Ludwigs XIV. zurück.
Unter den stattlichen und umfangreichen Gitterwerken, von denen sich in den
Kirchen noch mehrere an Ort und Stelle befinden, verdienen eine besondere Hervor-
hebung die den Chor und die Kapellen abschließenden Gitter in der gotischen Ka-
thedrale zu Amiens (Abb. 123). Der vornehmste Schmuck der Gitterfüllung sind
palmetten- und kartuschenartige Ornamente aus zackigem Muschelwerk. In den Auf-
sätzen ist reiche Verwendung von natürlichen Blumen gemacht. Der Schlosser
Veyrens zu Corbie führte das Gitter nach Entwürfen von Rene Michel Slodtz aus.
Abb. 124. Portal nach einem Stiche von J. Breslau.
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreich.
121
Veyrens verfertigte auch einen Baldachin in Gestalt einer Palme für den Haupt-
altar der Abteikirclic zu Valvire, der vor der Ablieferung in Aniiens ausgestellt wurde.
Auch sonst pflegten die Schlosser besonders kunstvolle Arbeiten nach ihrer Her-
stellung dem Publikum zu zeigen. So konnte der berühmte, aus vier Palmen mit dem
flbb. 125. Fenstergitter nadi einem Stiche
von J.-F. Forty.
Abb. 126. Fenstergitter nadi einem Stiche
von J.-F. Forty.
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Abb. 127. Treppengeländer in der Ecole militaire zu Paris.
Osterlamm und anbetenden Engeln bestehende Baldachin, den der Schlosser Gerard
1769 für die Kirche St. Genevieve in Paris herstellte, drei Tage lang gegen Eintritts-
geld besichtigt werden.^)
Entsprechend ihrer konservativen Tendenz, längere Zeit als die übrigen Kunst-
übungen sich Neuerungen gegenüber zu verschließen, gewährt die Schmiedekunst auch
dem Stil, den man mit dem Namen Ludwigs XVI. zu bezeichnen pflegt, erst verhältnis-
mäßig spät Aufnahme. Während auf anderen Gebieten schon um die Mitte des 18. Jahr-
hunderts klassizistische Neigungen sich geltend machen, treten dieselben in Eisen-
1) Vgl. Qavard, H., Dlctionnaire de l'ameublement unter dem Worte Serrurerle.
122
Brüning - Rohde, Schmiedekunst.
arbeiten im großen und ganzen erst in den siebziger Jaiiren auf. So kommt es,
daß wenigstens in der Sdimiedekunst so ziemlich der Stil Ludwigs XVI. sidi mit
der Regierungszeit dieses unglüddichen Monarchen deckt.
Ludwig XVI. übte, ebenso wie Ludwig XIII., selbst das Schlosserhandwerk aus.
Noch jetzt existiert seine Schmiedewerkstatt. Sie befindet sich im Dachstockwerk der
Hauptfassade der Cour de Marbre in Versailles redits von der Uhr. Hier verfertigte
Ludwig XVI. mit Unterstützung des Schlossers Gamain, der während der Revolution
in sdiändlidister Weise den König verraten sollte, und eines Gehilfen, namens Durey,
Sdilösser, Sdilüssel, Riegel, Hämmer u. a. Der robusten Natur des Königs sagten
diese alle Körperkräfte anspannenden Arbeiten besonders zu. Seine delikate Ge-
mahlin nahm freilidi öfter Anstoß, wenn er mit Händen, die die Arbeit geschwärzt
hatte, erschien. Sic nannte ihn wohl im Scherze ihren Vulkan. Es wird erzählt,
daß der König, als einst Feuer in einem benachbarten Gemach ausgebrochen war
Abb. 128. Geländer am Schlosse Grand-Trianon.
und man die Pforten desselben nicht öffnen konnte, selbst mit seinen Werkzeugen
herbeigeeilt und die Tür aufgebrochen habe, so daß man des Feuers Herr werden
konnte.^) Im Conservatoire des arts et metiers zu Paris werden noch die Werkzeuge,
deren der König sich bediente, aufbewahrt.
Auch für den Stil Ludwigs XVI. sind wir in der Schmiedekunst vor allem auf
die Ornamentstiche angewiesen. Sie zeigen uns im allgemeinen ein starkes Sinken
der künstlerischen Erfindung, es sind meistens trockene öde Kompositionen, die
mit der sonstigen zierlichen Eleganz und Grazie dieses Stiles wenig gemein haben.
Zu den frühesten Stidien von Sdimiedewerken dieser Art gehören die im 5. Bande
der Recueil elementaire d'Ardiitecture des Architekten Neufforge erschienenen Tafeln
mit Eisenarbeiten. Es sind ziemlich langweilige und geschmacklose Entwürfe von
sdilichter, meist gradliniger Bildung; wo gebogene Linien vorkommen, bewegen sie
sich meistens in der Kreisform. Auch die in dem etwa zehn Jahre später veröffent-
lichten Supplementbande abgebildeten zahlreidien Schmiedearbeiten weisen keinen
nennenswerten Fortschritt auf.
Neben solchen radikalen Unternehmungen, an die Stelle der keck gesdiwungenen
Linienzüge des Rokoko streng symmetrisdie Linienkompositionen zu setzen, stehen
^) Siehe d'Hezecques a. a. 0. S. 159.
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreich.
123
dann Arbeiten, die nodi das geschweifte Stabwerk beibehalten haben, wie z. B. das
Vorlageweri< des Sdilossermeisters Gabriel Bonthomme von 1775, in dem nur die
mäanderförmigen Endigungen der Stäbe eine ernstere Note in die im übrigen leben-
dige Bewegung des Stabwerkes bringen. Die ungefähr in dieselbe Zeit fallenden
Veröffentlichungen des Schlossermeisters J. Breslau bieten Vorlagen für Gitter, welche
in ihrer Komposition lebhaft an Arbeiten aus der Zeit Ludwigs XIV. anklingen; sie
sind nur insofern abgewandelt, als die Linienführung durch eine ausgedehnte Ver-
wendung gerader Linien statt der gebogenen lebloser und kälter geworden ist
(Abb. 124). Die großen, reicli ausgestatteten Portale sind mit Bekrönungen versehen,
welclie mit Trophäen, Wappen, Figuren u. dgl. gesclimückt sind. Einen Anhalt zur
Abb. 129. Treppengeländer nach einem Stiche von J.-F. Forty.
Bestimmung der Zeit, in welcher die Stiche Breslaus entstanden sind, geben mehrere
Folgen von Entwürfen mit der Bezeichnung: Invente et dessine par B . . . en 1775,
welche zum großen Teil Gegenstiche nach Breslau enthalten.
Der führende Meister unter den Ornamentstechern für Schmiedeeisen aus jener
Zeit ist Jean-Fran(;ois Forty, der sich selbst als Dessinateur bezeichnet. Er bietet in
drei Folgen zu je sechs Blatt Fensterbrüstungen, Balkone und Treppengeländer.
Unter Fensterbrüstungen (appuis des fenetres) sind in den Fensterrahmen eingespannte
niedrige Gitter im Gegensatz zu den aus der Fläche der Mauer hervortretenden
Baikonen zu verstehen. Alle seine Entwürfe erfreuen durch flotte, sichere Linien-
führung und Großzügigkeit der Motive, die von eigenartiger, selbständiger Erfindung
sind. Die Füllungen seiner Fensterbrüstungen und Balkone enthalten gewöhnlidi ein
einheitlidies, großes Ornamentmotiv von schöner und mannigfaltiger Zeidinung
(Abb. 125/6). Bei manchen herrscht das Stabwerk fast allein vor, bei den meisten
wird ein größerer oder geringerer Gebraudi von Akanthusblättern, -rosetten und
kelchen gemadit. Bei reicheren Arbeiten kommen dicke Blattgirlanden, Vasen und
124
Brüning-Rolide, Schmiedckunst.
Embleme allerlei Art hinzu. Besonders stattlich und prunkvoll sind seine Treppen-
geländer. Neben der aus einer Folge von Balustern bestehenden älteren Form des
Treppengeländers bringt er mehrere in dieser Zeit beliebte Bildungen, bei der die
ganze Füllung des Geländers sidi aus einem einzigen Motiv zusammensetzt, dem
sogenannten „laufenden Hunde", weldies aus einer Aneinanderreihung von schräg-
gestellten S förmigen Stäben oder Bändern besteht. Diese S-Schnörkel stoßen ent-
weder mit ihren Spitzen zusammen, oder sie sind so aneinander gefügt, daß die
übereinanderliegenden Teile zweier sich begegnenden S-Stäbe kleinere oder größere
Kreise oder Ovale mit eingesdiriebenen Akanthusrosetten bilden, wie bei dem
Treppengeländer der Ecole militaire (Abb. 127) oder dem Geländer am Scliloß Grand
Abb. 130. Treppengeländer nach einem Stidie von J.-F. Forty.
Trianon (Abb. 128). Die aufsteigende Bewegung dieses Ornaments eignet sich vor-
trefflich für den Zweck des Treppengeländers und bietet eine der besten Lösungen
dieser schwierigen Aufgabe, die stets dem Schlosser viel Kopfzerbrechen gemacht hat.
Ein besonders prächtiger Entwurf stellt in der Füllung sich wiederholende heraldische
Lilien in einer nierenförmigen Umrahmung als Hauptmotiv dar, dazwischen sind
jedesmal Szepter auf gekreuzten Palmen- und Lorbeer- bezw. Efeuzweigen an-
gebracht. Die mit der Sonnenmaske und einem Medaillon geschmückten Pfeiler
tragen eine Kriegstrophäe und zwei Putten mit dem königlichen Wappen. Wie aus
den erhaltenen Originalen jener Zeit ersichtlich ist, waren die Ornamente wohl zur
Ausführung in Bronze bestimmt, nur das Stabgerüst wurde aus Eisen gebildet
(Abb. 129,30).
Verwandt mit Fortys Arbeiten, aber etwas nüchterner und trockener sind die
Entwürfe des Architekten Desboeufs du Saint-Laurent, welche, von Pelletier graviert,
in drei Heften zu sechs Tafeln (Balkone, Treppengeländer und Portalbekrönungen)
erschienen. Das erste Heft trägt das Datum 1775. Bei seinen Treppengeländern
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankrcidi.
125
benutzt Desboeufs neben dem laufenden Hunde eine Reihe von zwei konzentrischen
Kreisen, die entweder sldi mit ihren Peripherien berühren (Abb. 131) oder sich über-
schneiden, wie bei der Treppe im Sciiloß zu Compicgne (Abb. 1 32). Weniger glücklich sind
die Entwürfe für Balkonc, bei denen er Muster benutzt, die nicht nur in der horizon-
talen , sondern auch in der vertikalen
Richtung, also nach allen vier Seiten
hin rapportieren, d. h. nicht abschließen,
sondern beliebig weiter fortgesetzt wer-
den können.
Die übrigen Zeichner für Schmiede-
arbeiten im Stil Ludwigs XVI., Boucher
fils, Caillouet, Fay, Aubert Parent vcr-
Hbb. 132. Treppengeländer im Schlosse
zu Compiegne
Abb. 131. Geländer nadi einem Stidie von
Desboeufs du Saint-Laurent.
Abb. 135. Gitter in St. Germain-I'Äuxerrois
zu Paris,
dienen kaum Berücksichtigung. Ihre Arbeiten sind dürftig, phantasielos und ohne
jeden Reiz. Auch Lalonde, sonst ein fruchtbarer Geist, kommt in seinen Entwürfen
für Gitter selten über steife langweilige Stabgerüste hinaus. Seine Schlösser, Schlüssel,
Riegel und Klopfer sind zur Ausführung in Bronze bestimmt. Man beschränkte sich
für das Schmiedeeisen jetzt fast ausschließlich auf das Gitterwerk, und auch hier
verwandte man für die Ornamente nunmehr vorzugsweise Bronze, das mit den zu-
meist blank gefeilten Eisenstäben durch Niete verbunden wurde.
126
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
Eines der sdiönsten nodi vorhandenen Beispiele dieser Verbindung von Schmiede-
eisen mit Bronzcornamenten ist das Geländer der Haupttreppe in Petit -Trianon
(Abb. 133). Hier sind die Eisenstäbe mit einem grünen Anstriche versehen, der
vortrcfflidi zu den vergoldeten Bronzeornamenten steht. Besonders prächtig ist der
wie ein Schlangenleib sidi aufbäumende Anlauf gestaltet. Der Knauf hat die Form
einer Vase. Die erste Füllung hinter dem Anlauf ist mit reichem Schmuck versehen,
eine an einem Bande aufgehängte Lyra und ein Merkurstab zwischen einem Palmen-
und Lorbeerzweige; das mittlere Feld des ganzen Geländers trägt die Initialen der
Königin Marie Antoinette, die indessen erst später hinzugefügt sind, da das Geländer
wahrsdieinlidi zwischen 1765 und 1768 geschaffen ist und zwar von Gamain, dem
Vater des erwähn-
ten Gehilfen Lud-
wigs XVI. Gamain
verfertigte auch in
Gemeinschaft mit
dem Mechaniker
Ridier die Maschi-
nerie jenes „Tisch-
lein deck' dich",
das sich LudwigXV.
in Petit Trianon
hatte einrichten las-
sen. Dasselbe ver-
schwand auf den
Druck einer Feder
hin im Fußboden,
um voll besetzt
wieder empor zu
tauchen. Nach einem
Rechnungsbericht
von 1791 hatte Ga-
main eine Rech-
nung von 13264
Frcs. für seine in
Petit Trianon ge-
leisteten Schlosser-
arbeiten aufgestellt;
7700 Frcs. hatte er
schon erhalten, den Rest schuldete man ihm noch. Auch das einfache, fast schmuck-
lose Gitter der Cours d'honneur stammt wohl von ihm; hier sind die Ornamente
ebenfalls Bronze. Es ist wahrscheinlich, daß die Erfindung des schönen Treppen-
gitters auf den Erbauer des Schlosses, den jüngeren Gabriel, zurückgeht.^)
Ganz aus Eisen gebildet ist dagegen die stattliche Balustrade, die sich an der
Nord-Westecke des Schlosses Grand Trianon befindet. Der ansteigende Gitterteil
ist mit einem „laufenden Hunde" gefüllt, welcher hier drei große Ovale mit
AkanthusrosGtten einschließt, während in die Zwickel breite Akanthuskelche gesetzt
sind. Der dann folgende, horizontal liegende Abschnitt des Gitters ist mit zwei
symmetrischen, starken Akanthusspiralen gefüllt, das ovale Medaillon in der Mitte,
flbb. 133. Treppengeländer im Schlosse Petit-Trianon.
1) Desjardins, G., Le Petit-Trianon. Versailles 1885. S. 33 und 406.
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreidi.
127
unterhalb dessen zwei Schlangen ihre Leiber zusammenringeln, ist mit einem Blitz
geschmückt (Abb. 128).
Auch sonst sind die Bauten Jean-Jaques Gabriels mit prächtigen Gitterwerken
versehen. Im Schlosse zu Compiegne, das er umbaute, legte er eine große Fest-
treppe an mit einem praditvollen Geländer, das ähnlidi wie bei der Treppe von
Petit Trianon hinter dem als große Volute gestalteten Anlauf zunächst ein besonders
reich ausgestaltetes Feld zeigt. Audi hier sind die vier Ecken dieses Feldes durch
rautenförmige Rosetten mar-
kiert. Den Hauptsdimuck
bildet eine Sonnenmaske auf
gekreuzten Szeptern zwi-
sdien Lorbeerzweigen. Dann
folgt eine fortlaufende Reihe
sich überschneidender Kreise,
durch Rosetten verbunden,
welche einen konzentrisdi
einbesdiriebenen Lorbeer-
oder Efeuzweig umschließen
(Abb. 132).
In Paris besitzt die
Ecole Militaire auf dem
Marsfelde, die Gabriel in
den Jahren 1752—1773
erbaute, in dem Portale
des Vorhofes und dem
Treppengeländer vortreff-
liche Sdimiedearbeiten. Die
Wirkung des Portals ist
leider durch das Fehlen des
Oberteils der ßekrönung
stark geschädigt (Abb. 134).
Sehr einfach, aber dabei
doch von gutem harmoni-
schen Zusammenklang sind
die übrigen Teile des Por-
tals. Die Türflügel sind
aus glatten, paarweis zu-
sammengefaßten Stäben ge-
bildet. Nur ein unschein-
bares, aber hödist wirkungsvolles Motiv bringt Leben in die sonst starre Regel-
mäßigkeit der parallelen Linien hinein: das sind die kleinen gewellten Stacheln, die
von dem die Enden der Stäbe vereinigenden Bunde ausgehen. Sowohl die jede
Füllung in zwei ungleiche Hälften teilende Querleiste, wie die Flächen der einrahmen-
den Pilaster und des Architravs sind mit dem am Treppengeländer von Compiegne
im großen angewandten Ornament der sich überschneidenden Kreise mit einbeschrie-
benen Rosetten gefüllt. Die unterhalb der Kapitale seitlich neben den Pfeilern aus-
ladenden, auf kurzen kräftigen Eisenpfeilern ruhenden Voluten erinnern lebhaft an das
gleiche Motiv am Portal des Gitters der Cour Royale zu Versailles. Auch die Gitter-
stäbe in Form von Lanzen mit Fransenbehang stammen ebendaher. Sie sind über-
haupt in dieser Zeit wieder sehr beliebt. Das herrliche Treppengeländer der Ecole
Abb. 134. Portal der Ecole militaire zu Paris.
128
Brüning - Rohde, Sdimicdckunst.
militairc mit sdiwungvoll gezeidinGtem Anlauf und einer zierlidien Vase als Knauf
setzt sidi aus langgestrcd^ten Feldern zwisdien gedrungenen, breiten kannelierten
Pilastern zusammen. Die großen Felder füllt ein viergliedriger, in sidi gesdilossener
„laufender Hund" mit Akanthusblättern aus, die die Stabspiralen fast in ihrer ganzen
Länge begleiten (Abb. 135). Das von Gabriel erbaute Ministerium der Marine be-
sitzt ebenfalls nodi ein gutes Treppengeländer.
Ein sehr stattlidies
Geländer befindet sidi audi
in dem 1763 von Constant
d'Jvry erriditeten Treppen-
hause des Palais Royal.
Es ist aus blank gefeiltem
Eisen mit vergoldeten
Bronzeornamenten gebil-
det. Seine Füllung setzt
sidi aus Kreisen mit einbe-
sdiriebenen Rosetten, wel-
die mit ihren Peripherien
aneinanderstoßen, zusam-
men, die Zwidtel sind mit
Akanthuskeldien besetzt.
Das Gitter soll vom Sdilos-
ser Corbin nadi Modellen
des Jacques Caffieri an-
gefertigt sein.^) Das Trep-
pengeländer des früheren
Hotel des Postes (Hotel
d'Armenonville), das mit
einem „laufenden Hunde"
gesdimüdit ist, wird jetzt
in den Sammlungen des
Musce des arts decoratifs
zu Paris aufbewahrt.
Von sonstigen nodi
vorhandenen Treppen-
brüstungen ist nodi das
der Kanzel in St. Rodi zu
erwähnen, das ebenfalls
aus blank gefeiltem Eisen
mit Bronzezieraten besteht und wahrsdieinlidi von Garnier verfertigt ist.') Von
gleidier Arbeit ist audi das sdiöne Kommuniongitter in St. Germain l'Auxerrois, der
kleinen gotisdien Kirdie gegenüber dem Louvre (Abb. 135). Es besteht aus mehreren
Füllungen, von denen die dargestellte das Monogramm SV (Sainte Vierge?) in einem
doppelkreisförmigen Medaillon, umrahmt von Lilienzweigen, enthält. Das Medaillon
hängt an einer Bandsdileife, bekanntlidi ein für den Stil Ludwigs XVI. diarakteri-
stisdies Motiv.
Wohl die späteste erhaltene Sdimiedearbeit mit Bronzebesdilägen ist das Portal
Abb. 136. Portal des Justizpalastes zu Paris
^) Champeaux, H. de, L'art decoratif dans le vieux Paris. Paris 1898. S. 26^1.
"-) Abbildung bei Starkie Gardner, Ironwork II, Fig. 123.
Kapitel IV. Rokoko und Louis XVI. in Frankreich. 129
und Gitter des Justizpalastes in Paris (Abb. 136). Die Torbekrönung mit dem könig-
lichen Wappen ist erst im 19. Jahrhundert wieder hinzugefügt worden. Es hat sich
noch ein Stich erhalten, der bis auf geringe Abweicliungen genau die Form dieses
Portals zeigt. Er ist das erste Blatt von einer Stidifolge und trägt die Ueberschrift:
„Differentes Grilles pour les Chateaux, les Choeurs et les Chapelles de Communion.
Compose et Dessine par la Londe en 1789" und die Unterschrift: „La Grille du Pa-
lais Marchand Termine d'apres le desin de Mr. Antoinne Archittec du Roy". Der
damalige Name Palais Marchand für das jetzige Palais de Justice hat sich noch in
der im Palais befindliclien Galerie Marchande erhalten. Der künstlerische Anteil an
der Herstellung des Gitters verfeilt sich vielleicht in der Weise, daß Lalonde, dessen
Stil das Gittertor durchaus entspricht, den mehr skizzenmäßigen Entwurf, dem Archi-
tekten Antoine die ausführliclie Zeichnung des einzelnen anheimfiel. Der Schlosser
Bigonnet unternahm die Herstellung des Portals, das 200000 Livres kostete.
Die politischen Ereignisse des ausgehenden Jahrhunderts sowohl, wie auch die
neue Geschmacksriditung, die die Kunst des alten Hellas und Rom, wo eine eigent-
liche Schmiedekunst unbekannt war, zum Vorbilde nahm, waren der weiteren Ent-
wicklung der Sclimiedekunst nicht förderlich. In der sogen. Empirezeit kommen ge-
sdimiedete Arbeiten von künstlerischer Form fast gar nicht mehr vor, an die Stelle
der Sdimiedearbeit trat nun der Eisenguß, der für längere Zeit das Feld behaupten
sollte.
Brüning-Rohdc, Sdimiedekunst.
Kapitel V
Rokoko und Zopfstil in Deutschland
Einer der bedeutendsten Vorkämpfer des deutschen Rokoko, der auch durch vor-
trcffliclie Entwürfe diesem Stile Eingang in die Schmiedekunst verschaffte, war
Franz CuvilHes, der Hofbaumeister der bayerischen Kurfürsten zu München, Geboren
zu Soignies im Hennegau, wurde er wegen seiner mangelhaften Körperbildung noch
in jungen Jahren als Hofzwerg vom Kurfürsten Max Emanuel, der damals als Statt-
halter der Niederlande in Brüssel lebte, in dessen Haushalt aufgenommen, und, da
er große Talente zeigte, sorgfältig erzogen. 1717 wurde er Fähnrich im Leibregiment
zu Fuß; wahrscheinlicli war diese Bestallung nur ein Vorwand, um ihm eine Be-
soldung zukommen zu lassen. Zu seiner weiteren Ausbildung wird er dann 1720
mit einer vom Kurfürsten ihm gewährten Unterstützung von 1100 Gulden jährlich —
für die damalige Zeit eine sehr hohe Summe — nach Paris gesandt. Fünf Jahre später er-
hielt er seine Anstellung als Hofarchitekt des bayrischen Kurfürsten. Seine im reifsten
Rokoko ausgeführten Hauptwerke, die reichen Zimmer in der Residenz zu München
und die Amalienburg im Nymphenburger Park, fallen noch in die dreißiger Jahre.
Uns interessieren hier zunächst seine Entwürfe für Schmiedearbeiten, von denen
er zwei Büdilein zu je sechs Tafeln herausgegeben hat.^) Aus dem Titel der Bücher,
welche die Bezeichnung tragen: „Nouvellement Invente par Fran(;:ois de Cuvillies,
Conseiller et Architecte de Sa Majeste Imperiale", folgt, daß sie zwischen dem
12. Februar 1742 und dem 20. Januar 1745, als Karl Albert unter dem Namen
Karl XII. deutsdier Kaiser war, entstanden sein müssen. Sie sind von Charles Albert
de Lespilliez gestochen und enthalten Portale, Balkongitter, Treppengeländer, Ober-
lichte, Wandarme, Klopfer, Schlüsselschilder, Schlüsselgriffe, Riegel usw. Ein Blatt
gibt Riegel und Schloßteile zur Ausführung in Bronze. Es sind zum Teil gefällige
Kompositionen mit Hervorhebung des Stabwerkes, das sich in lebendig bewegten
Linien ergeht. Das Muschelwerk, das ein rindenartiges Aussehen hat, ist meistens
nur skizzenhaft angedeutet. Dazu kommen als weiterer Zierat Palmenzweige, natür-
lidie Pflanzen und Blumen aller Art, auch hier und da Masken und Blumenvasen
(Abb. 135). Stilistische Beziehungen Cuvillies zu Blondel sind in diesen Stichen
nachzuweisen. Sie zeigen zum Teil deutliche Anklänge an die in der Distribution
des maisons de plaisance von Blondel 1738 abgebildeten Schmiedearbeiten (vgl
Abb. 139, sowie Cuvillies 7 livre pl. 1 mit Blondel pl. 57, Cuvillies 7 livre pl. 2 mit
Blondel 52, Cuvillies 8 livre pl. 2 und 3 mit Blondel pl. 53, Cuvillies 8 livre pl. 5
mit Blondel pl. 55).
Das, was die Ornamentstidie des Cuvillies vermissen lassen, eine klare, zur Aus-
führung in Schmiedeeisen brauchbare Zeichnung des für die deutschen Schlosser neuen
Ornamentes, des Muschelwerks, bieten die Tafeln eines sehr fleißigen Stechers, des
Augsburger Schlossermeisters Johann Samuel Birckenfeld, die derselbe im Verlage des
Martin Engelbrecht und des Johann Georg Hertel herausgab. Ein Teil seiner Stichfolge
1) Neudruck: Kunstsdimiedearbeiten im Stil des Rokoko von Fran^ois du Cuvillies. Berlin,
Ch. Claesen & Co.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutschland.
131
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Lin£HSi:s I'IECE> li'OCi IlAO£:s de. SERP.JJRKJUE.
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JDcu^ Oiitres JhhnCA' ^ -Ft'r y^ttf pfnijiv //tir Jin,ffi/f'ti;r mt l^ntffu^r
\ruj' /•■ ^Ay^ij- .^tatfu' /^ff'-^ fii yleitt Ciutre Ji.arae de St.< jPirJs oii ^'C
Abb. 137. Entwürfe für Sdimiedearbeiten von F. Cuvillies.
132
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
geben flott gezeidinetes Musdielwerk
in natürlidier Größe. Die erste Folge
betitelt er: „Neu inventiert Lauberbudi
bestehend in 6 Theil, denen Anfängern
der Zeidinung zum Nutzen oder viel-
mehr denjenigen weldie keine gelegen-
heit haben, sidi informieren zu lassen,
durdi Joh. Samuel Bird^enfeld, Sdilos-
sermeister gezeidinet". Sic sind jeden-
falls sehr braudibar und geben gute
Vorlagen für das neue Ornament
(Abb, 138). Außerdem veranstaltete er
Abb. 158. Musdielwerk, Stich von J.L.Birckenfeld. ^^^ eine Veröffentlidiung von ähn-
lidiem Musdielornament mit beigefügtem Stabansatz in kleinerem Maßstabe. Er be-
gründet auf dem Titelblatt der neuen Folge dieselbe mit den Worten: „Weilen aus
vielfältiger erfahrung, dass
es denen jenigen weldie
nadi lernung Grosser Lau-
ber-Gitterwerk zu Zridi-
ncn anfangen, sehrSdiwer
Kleinere reinlidi nadizu-
madien ankörnt. So hat
es mir in diesem Vor-
beridit anlass gegeben
(um es denen jenigen desto
leiditer zu madien) von
zersdiiedenen Sorten klei-
ner in Sprengwerdt (d. i.
Gitterwerk) tauglidier Lau-
ber mitzutheilen, um sidi
zuvor auf soldie Art Exer-
zieren zu können." In
einem längeren G^didite,
das auf dem zweiten Blatte
folgt, wendet er sidi gegen
soldie, weldie behaup-
ten, man könne seine
Zeidinungen nidit sdimie-
den.
„Wer einen Zwe'fel hat der
kome nur zu mir
idi stelle ihm davon die mög-
littikeit selbst für
Idi wollte noch vielmehr von
eisen machen können
Wan man zui-amt dem Ruhm
denLohn auch wollte gönnen :
Außerdem hat Birk-
kenfeld nodi eine Anzahl
von Folgen mit Vorlagen
für Gitter, Wandarme, Abb. 139. Portal (Ordo Jonica), Stidi von ]• L. Birdtenfeld.
Rokoko und Zopfstil in Deutschland.
133
Untersätze, Kaminböcke, Leucliter, Traufstützen, Sdiloßteile usw. herausgegeben.
Seine Gitter sind zum großen Teil wenig bedeutend in der Komposition, oft wird
die Klarheit der Zeidinung durch übergroße Verwendung von Muschelwerk gestört.
Am besten ist noch eine bei Hertel ersdiienene Folge von sechs Blatt mit Portalen,
von welcher fünf die Bezeidinung führen: Ordo Toscana, Dorica, Jonica (Abb. 139),
Corinthia, und Composita. Die Kapitale der Pfeiler sind jedesmal in der Art der
genannten Säuienordnungen gebildet, während die Flädien des Sdiafts mit Rokoko-
schnörkeln gefüllt sind. Einige sind redit gut im Aufbau und Umriß, wenn auch
überreidi mit Muschelwerk ausgestattet, zwischen weldies auf den Türflügeln kleine
Figuren, Sdiäfer und Schä-
ferinnen, Jäger und Tiere,
zum Teil redit glüd^lich,
hineinkomponiert sind. Die
Entwürfe für Drücker,
Schloßbledie, Griffe und An-
schlagplatten sind meist in
Originalgröße dargestellt.
Die als Zierat hinzugefüg-
ten Köpfe und Tiere sind
nicht recht mit demMusdiel-
werk organisdi verbunden.
Aus der Kunst- Ge-
werbe- und Handwerks-
Geschidite der Reichs-Stadt
Augsburg von Paul von
Stetten (Augsburg 1779)
erfahren wir, daß der Va-
ter des Ornamentstechers,
Johann Balthasar Bircken-
feld, auch ein Schlosser
war, „welcher ungemein
feine, zierlidie und künst-
liche Schlösserverfertigte",
und daß sein Sohn „nicht
geringer in dergleichen Ar-
beiten" gewesen sei. Von
der Hand des letzteren
stamme das vom Kaufmann Peter Laire gestiftete Gitter in der Barfüßerkirche zu
Augsburg, das sich noch jetzt dort befindet und das Datum 1760 trägt. Die Ab-
bildung 140 stellt die Eingangstür des Gitters dar, dessen oberer Rand stark geschweift
ist. Die Torflügel tragen zwei Kartuschen mit dem Wappen nnd dem Monogramm
Peter Laires, zu beiden Seiten desselben sind große Palmzweige durch das Gitter ge-
siedet. Neben dem Muschelwerk, das hier in einer eigentümlichen Form mit regelmäßigen
Riefeln und umgeschlagenen, leidit gewellten Rändern auftritt, sind auch zum Schmuck
des elegant gezeichneten Stabwerkes natürliche Blumen und sehr ins Kraut geschossene
Akanthusblätter verwandt worden. Die Pfeiler an den Seiten tragen Blumenvasen.
Mit ganz geringen Abweichungen sind zwei Teile des Gitters in einer Stichfo'ge
von Emmanuel Eidiel,^) die bei Joh. Georg Hertel (Verl.-Nr. 134) erschien, abgebildet
1) Ndch P. V. Stetten (a. a. O. I. S. 409) wird der Kupferstecher Emmanuel Eichel 1770
Instruktor an der Zeichensdiule des evangelischen Gymnasiums in Augsburg (geb. 1717).
Hbb. 140. Gitter in der Barfüßerkirche zu Augsburg.
134
Brüning-Rohde, Sdimicdekunst.
Hbb. 141. Vorlagen für Schmiedearbeiten von E. Eidiel.
Da sidi Eichel in seinen
sonstigen Sticlien als ein
selbständiger, erfindungs-
reidier Künstler offenbart,
so bietet diese Entlehnung
nur wieder einen Beweis
für die Harmlosigkeit, mit
der man damals Arbeiten
anderer kopierte, ohne sich
über die Frage des gei-
stigen Eigentums große
Skrupel zu machen. Eichels
übrige Entwürfe, seine
Kreuze, Wandarme, Leuch-
ter und Treppengeländer
sind zum Teil von schöner,
fließender Linienführung
fAbb. 141). Bei manchen
Arbeiten macht er nur be-
sdieidenen Gebrauch von Muschelwerk, so daß die keck geschwungenen Züge der
Stäbe klar hervortreten, bei anderen überschwemmt das wellenartig emporschießende
Muschelwerk zu sehr die Zeichnung des Stabgerüstes.
Noch viel schlimmer madit sich dieses Überwuchern des Muschclwerkes in den
bei Martin Engelbrecht in Augsburg erschienenen Stichen des Joseph Baumann
geltend. Die weichlichen, wolligen Schnörkel füllen mit ihren breiten lappigen
Flächen fast den ganzen Grund (Abb, 142). Ähnlich ist es mit den von Philipp
Jakob Kessel gezeichneten und von Mathias Losherr gestochenen Entwürfen mit
fedrig zerflatterndem Muschelwerk. Die Zeichnung wirkt, da jedes klare Komposi-
tionssdiema fehlt, unruhig und zerrissen. Und doch sind auch solche mit Muschel-
werk überladenen Vorlagen, wie z. B. die Oberlichtgitter des Klosters Ottobeuren
beweisen, in Wirklichkeit ausgeführt worden. Die unter dem Doppeltitel „Schlosser
Riss", „Dessins de ser-
rureries" durd) Hertel
veröff entlid)teStid)e von
Franz XaverHabermann
betonen freilich das
Stabgerüst, zeigen aber
sonst krause, unruhige
Formen,
Österreicl)ischGr Her-
kunft sdieint derStedier
Johann Andreas Graf-
fenberger gewesen zu
sein. Seine früheren
Vorlagen geben Gitter,
welche eine Weiter-
bildung der österreid)i-
sdien Schmiedearbeiten
in Laub- und Bandel-
werkformen darstellen.
Hbb. 142. Schloß und Schlüsselgriffe nach einem Stiche
von J. Baumann.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutschland.
135
Nur sind die gebrodienen Linien durch rundlidi gebogene ersetzt. Der Akanthus
ist lebendig bewegt, indem die Spitzen der Blätter umgebogen sind. In späteren
Entwürfen erscheint das Muschelwerk, das mit seinen tiefausgesdinittenen Formen
dem Akanthuslaub Graffenbergers sich annähert. Die Füllungen sind nicht ohne
Geschmad< gegliedert. In
der Ausführung würde
das Gittertor jedenfalls
nodi eine bessere Figur
machen, als in der ziem-
lich ungesdiickten Zeidi-
nung (Abb. 143).
Gute, frisch empfun-
dene Entwürfe selbstän-
diger Erfindung bietet auch
das Sdilosserbüdilein des
Heinridi Gottlieb Forster
(Forshter sdireibt er sich),
Sdilossermeisters und Ei-
senschneiders in Brunn,
der 1723 — 25versdiiedene
Gittertore im Schlosse Ni-
kolsburg in Mähren aus-
führte.') Auch hier finden
wir noch Reminiszenzen
an das Laub- und Bandel-
werk, das ja gerade in
den Ländern der öster-
reidiisch-ungarischen Mo-
narchie eine Heimat ge-
funden hatte. Neben
reidiausgebildetem Mu-
schclwerk, das bald an
die Rippen der Musdieln,
bald an Fledermausflügel
anklingt, findet auch der
Akanthus, sowie Masken
und Tiere Verwendung
(Abb. 144).
Audi Deutsd)land be-
sitzt ein Nancy und einen
Lamour, das ist Würzburg,
wo der Schlossermeister Abb. 143. Vorlagen für Schmiedearbeiten von J. Ä. Graffenberger.
Oegg im Verein mit dem
Architekten Balthasar Neumann Sdimiedewerke schuf, die an Schönheit der Zeich-
nung nur wenig hinter des Lothringers unvergleichlichen Arbeiten zurückstehen, sie
aber an technischer Vollendung weit übertreffen. Leider sind die Würzburger
Schmiedearbeiten nicht so vom Glück begünstigt worden, wie die von Nancy. Ein
großer Teil derselben ist verloren gegangen, und ein so stolzes Abbildungswerk,
*) Siehe; Sdiiredt, C, Die Kunstsdilosserei in Mähren. Brunn 1893. S. XVI.
156
Brüning - Rohdc, Sduniedekunst.
4Sb
wie Lainour es uns hinterlassen, existiert nidit, das uns für das Fehlende einen Er-
satz bieten könnte.
Johann Georg Ocgg (1703 80) stammt aus Siltz in Tirol. Nachdem er bei
seinem Oheim Peter Oegg in Linz eine längere Lehrzeit durdigemacht hatte, kam
er nach Wien und arbeitete dort in der Hofschlosserei. Die Erbauung des fürst-
bisdiöflidicn RcsidcnzsdiJosses zu Würzburg durdi Balthasar Neumann, zu deren
Ausschmückung neben den
übrigen Künsten und Hand-
werken audi die Schmiede-
kunst in weitgehendem Ma-
se hinzugezogen werden
sollte, war die Veranlassung
zu seiner Berufung als f ürst-
bischöflidicr Hofschlosser
nach Würzburg. Man nimmt
an, daß Neumann in Wien
gewesen sei. Eine Bestä-
tigung dafür gibt auch seine
Bekanntschaft mit Oegg,.
den er dort kennen gelernt
haben wird.
In Würzburg errang
Oegg sich bald durch seine
Kunst eine angesehene Stel-
lung, die er auch trotz der
Anfeindungen der zünftigen
Stadtschlosser, an deren
Spitze Marcus Gattinger,,
der Verfertiger des großen
Chorgitters im Dom, stand,
und die natürlidi den Ein-
dringling mit sdieelen Au-
gen ansahen, zu behaupten
wußte Daß es dabei zu-
weilen auch zu handgreif-
lichen Reibereien kam, bei
denen die Parteien vom Le-
der zogen, ist bei den
rauhen Sitten jener Zeit
nicht verwunderlich. Oegg
behielt bis 1769 sein Amt als Hofschlosser, dann trat er es an seinen Sohn An-
ton ab.^)
Eine der ersten Arbeiten Oeggs für die Residenz dürfte' wohl das Oberliditgitter
am Seitenportal des Sdilosses sein, das das Monogramm des kunstsinnigen Fürst-
bischofs Friedrich Karl von Schönborn (regierte 1729 — 1746) trägt, dem das Haupt-
verdienst an der Förderung des Baues gebührt. Stilistisch ist es. wenigstens vor alle
übrigen Schmiedewerke der Residenz zu setzen, da das Muschelwerk noch völlig fehlt.
Hbb. 144. Portal nach einem Stiche von H. G. Forster.
^) Vgl. Stamminger, Würzburgs Kunstleben im 18. Jahrhundert, im Ärdiiv des historischen
Vereins für Unterfranken und Äschaffenburg 1892.
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158
Brüniiig - Rohde, Sdimiedekunst.
i\bb. 146. Gartentor der Residenz zu Würzburg (am Residenzplatze).
Es ist noch das alte Laub- und Bandelwerk, nur mit der Abwandlung
Stäbe in rundliclien Linien sich bewegen. Die Endigungen der Stäbe
schneckenartigen Voluten aufgerollt.')
Seit 1737 arbeitete der Meister dann
an einem Schmiedewerk, das leider ganz
verloren gegangen ist, nämlich dem gro-
ßen Absdilußgitter, das den Ehrenhof
abgrenzte, indem es die vorspringenden
Flügel des Schlosses verband. In einem
Schreiben Neumanns vom 5. Januar 1737
wurde mit Oegg der Preis für seine Ar-
beit dahin bestimmt, daß er 10 Batzen
für das Pfund erhalten sollte. Der erste
Entwurf zu diesem Abschlußgitter stammt,
wie wir aus einem Brief Friedrich Karls
vom 11. September 1744 erfahren, von
Johann Lucas von Hildebrand her, dessen
Rat der Fürstbischof für seinen Bau heran-
zog. Nach einer Mitteilung Neumanns
vom 16. Februar 1739, daß er „auch den
schluss des Haubthofes mit denen Statuen
nach des Herrn von Hildebrands Meinung
, daß die
sind zu
') Abbildungen der Würzburger Gitter in
Ehemann, F., Kunstschmiedearbeiten aus dem
XVI.-XVIII. Jahrhundert. Berlin 1884.
Abb. 147. Seitenteil des Portals der Abb. 144.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutsdiland.
159
zusammengesetzt" habe '),
scheint Neumann diesen
Aufriß Hildebrands selb-
ständig verwertet zu iha-
ben. Jedenfalls aber ist
der Hauptgedanke, die
Gliederung des Eisengit-
ters durdi starke Stein-
pfeiler, durdiaus im Sinne
Hildebrands, welcher ja
ganz ähnlich am Belvedere
und in Schloßhof an der
March Schmiedewerk und
Steinarchitektur zu glück-
lidier Harmonie vereinigt
hatte. Auch die noch zu
erwähnenden Obelisken
waren nach dem genann-
ten Briefe desFürstbiscliofs
in dem Entwürfe Hilde-
brands vorgesehen. Da
am 1. März 1741 schon
die Pfeiler zum Gitter ge-
setzt worden waren, und
in demselben Jahre ein
besonders hoher Posten
für Schmiedearbeiten in
den Rechnungen steht,
nämlich 31,953 Gulden, so
ist es möglich, daß das
Gitter damals schon fertig
gestellt wurde. Die Bild-
hauerarbeiten waren frei-
lich nocli zur Zeit der
Vollendung des Schlosses
im Rohbau, 1774, nicht
völlig ausgeführt worden.
Einen Teil des plastischen
Schmuckes stellte der Bild-
hauer J. W. von der Au-
vera her, der dafür 4100
Gulden erhielt; Oegg be-
kam für die Gitter 28,745
Gulden. Um dieselbe Zeit
wie das Hauptgitter wer-
den auch die Balkon-
brüstungen, die aus sich wiederholenden gegossenen Eisenbalüstern bestehen, für
welche Oegg drei Batzen für das Pfund erhielt, angefertigt worden sein.
Abb. 148. Gartentür der Residenz zu Würzburg (am Rennweg).
1) Vgl. Keller, Ph. J., Balthasar Neumann. Würzburg 1896. S. 67 ff.
140
Brüning - Rolide, Sdimicdekunst.
Leider wurde 1821 aus Unverstand, wie man damals glaubte „aus guten archi-
tektonischen Gründen", indem man sicli für klüger hielt, als der Erbauer des Schlosses
selbst, das Äbsdilußgittcr entfernt und nadi mündliclier Überlieferung alter Würz-
burger nadi England verkauft.
Dodi können wir uns aus Stidien eine annähernde Vorstellung von der Gestalt
dieses Gitters versdiaffen. Die Sammlungen des historisdien Vereins in der Residenz
in VVürzburg besitzen zwei sehr seltene, von einander unabhängige Stiche, die uns
eine authcntisdie Darstellung des Hauptgitters geben.') Der kleinere Stidi ist be-
zeichnet: „J. C. Berndt Nürn-
berg", der größere trägt die
Untersdirift: „M. Müller Inge,
et Archit. del. J. B. Gutwein
Aulae et Universit: Chalcogr:
fecit. Wirceb". Einen Aus-
schnitt aus dem letzteren
gibt die Abbildung 145. Dar-
nach trat das Gitter, das
außer dem Portal aus 16
schmiedeeisernen Gitterteilen
bestand, im Zickzack vor die
Abb. 149. Teil eines Portals der Residenz zu Würzburg
(an der Hofpromenade).
Abb. 150. Schlüssel im Kunst-
gewerbemuseum zu Berlin.
Fluchtlinie der Front der Seitenflügel hervor. Die das Portal flankierenden Stein-
pfeiler trugen Löwen mit Wappensdiildern, dann folgten, ähnlidi wie bei den Ver-
sailler Gittern, Wachthäuser, von hohen Obelisken bekrönt. Auf den übrigen
Steinpfeilern standen abwechselnd Statuen und Blumenvasen. Die beiden Gruppen,
Herkules im Kampfe mit der Hydra und mit Antäus, haben sich noch erhalten und
sind in den Glacisanlagen aufgestellt.
Wenn wir also auch den Verlust des Hauptgitters vor dem Ehrenhof zu be-
klagen haben, so ist doch noch immer reichlich übrig geblieben, den Ruhm Neumanns
und des kunstreichen Meisters Oegg zu verkünden. Erhalten haben sich noch, ab-
') Der Stich des R. Corvinus in dem 1740 von Salomon Kleiner herausgegebenen Werke
über „Die Residenz-Stadt Würzburg" zeigt ein abweichendes Gitter. Dasselbe beruht aber auf
freier Erfindung, da damals ja das Gitter überhaupt noch nicht fertiggestellt war.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutschland.
141
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Abb. 151. Gitter im Treppenhause des Schlosses zu Brühl.
gGschen von dem erwähnten Oberlichtgilter, die drei aus einem großen Portal und
zwei Seitengittern bestehenden Garteneingänge am Residenzplatz, an der Hof-
promenade und am Rennweg, die Portal-
bekrönungen am Rennweg in der
Fluchtverlängerung der Vorderfront, meh-
rere Sperrböcke auf dem breiten Gesims
zwischen den beiden Stockwerken, die
Gitter der Arkaden, sowie eine eiserne
Tür, ein Paar bemalte Wandleuchter und
ein zierlicher Schloßbeschlag im Innern
des Schlosses. Nicht mehr an Ort und
Stelle befinden sich zwei Gitter, welche
früher am Rennweg, dort, wo nur noch
die Bekrönungen vorhanden sind, auf-
gestellt waren; sie sind jetzt im Besitz
des Bayrischen Nationalmuseums in
München.
Alle diese Gitter sind erst nadi der
Einrichtung des Ehrenhofgitters in einem
Zeitraum von ungefähr 25 Jahren ent-
standen. Die Zeit ihrer Herstellung läßt
sich im einzelnen an den beigefügten
Wappen und Monogrammen annähernd
feststellen. Unter der Regierung des Nach-
folgers Friedrichs Karl von Schönborn,
des Fürstbischofs Änselm Franz von Ingel-
heim, der von 1746 bis 1749 regierte,
sind das Portal an der Hofpromenade und
die Seitenteile des Garteneingangs am
Rennwege, unter Philipp von Greifenklau
(1749 bis 1754) sind das Gartentor am
Rennweg und die Seitengitter am Renn-
weg in der Fluchtverlängerung der Vor-
derfront angefertigt worden. Oegg erhielt
Abb. 152. Fensterkorb am Hause Ritterstrasse 21 i" den Jahren 1752 bis 1754 ein Honorar
zu Basel. — ^ von 33,784 Gulden. Das Mittelportal des
142
Brüning- Rohde, Sdimiedekunst.
Garteneingangs am Rcsidenzplatzc selbst, sowie der Torbogen am Rennweg in der
Fluditverlängcrung der Vorderfront, weldier ungefähr eine genaue Wiederholung
der Portalbckrönung des Garteneingangs am Residenzplatze ist, tragen das Mono-
gramm des Adam Fricdricli von Seinsheim (1755 — 1779). Die Gitter in den vom
Hofbaumeister I. P. Geigel errichteten Arkaden können nicht vor 1770, dem Jahr der
Erbauung dieser Anlagen entstanden sein. (Vgl. Abb. 146 — 149.)
Was nun zunädist die Erfindung dieser praditvollen Gitter angeht',
so rührt zweifellos der Entwurf zu den bis zum Jahre 1753, dem Todesjahre
Neumanns, angefertigten Gitter von diesem genialen Ardiitektcn selbst her,
der nicht nur 'die äußere
Architektur der' Residenz
geschaffen, sondern auch
ihre gesamte innere Ein-
richtung und sonstige Aus-
stattung bis zum Schlüssel
herab selbst entworfen hat.
Das sogenannte Skizzen-
buch Neumanns in der
Kgl. Universitätsbibliothek
zu Würzburg enthält auf
Blatt 143 eine Zeichnung
des Gittertores am Resi-
denzplatze, dessen Seiten-
teile fast genau mit den
ausgeführten Gittern über-
einstimmen. Das Portal
in der Mitte weist dagegen
eine den Seitengittern ent-
sprechende Bildung auf,
während ja das jetzige
Portal klassizistische For-
men zeigt. Das Blatt trägt
das Datum: 28. Sept. 1748.
Blatt 22 stellt zwei Ein-
gänge mit Eisengittern
des Lustgartens des Schlosses Schönborn in Niederösterreich dar, die sich mit
dem betreffenden Stiche von Gutwein genau decken, Blatt 42 zwei Schlüssel mit
hübschen Griffen und dem Monogramm und Namenszug Karl Friedrichs, Blatt 142
die einfachen, nur mit Monogramm und Löwen geschmückten Fenstergitter der
Schönbornsdien Kapelle am Dom zu Würzburg, Blatt 144 ein dreifaches, den
Wiener Arbeiten verwandtes Portal mit dem Wappen der Schönborn; Blatt 145
cnthäU die Zeichnungen verschiedener Gitter von Schloßhof.
Überhaupt trägt die Ornamentik der Gitter bis in die kleinsten Details durchau-
den Charakter der sonstigen Arbeiten Neumanns. Die bezeichnenden Merkmale
seines Rokoko, das wild bewegte, zerrissene Musdielwerk, welches in seiner zer-
flatternden Bildung an die vom Winde gepeitschten, zersprühenden Wellen erinnert,
die dazwischen geschobenen Palmzweige u. a. sind Eigentümlichkeiten, die sich auch
in den Innendekorationen Neumanns vorfinden. Den unter Neumanns Leitung an-
gefertigten Gittern gemeinsam ist die Unterbrechung der vertikal laufenden parallelen
Stäbe durdi zwei sich kreuzende Palmzweige, Blumengehänge oder S-förmige,
Abb. 153. Aushängeschild der Sternbrauerei in Salzburg.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutschland.
143
mit reichem Blattwerk gesdimücktc Stäbe. Nur das Tor des Garteneingangs am
Rennweg zeigt eine abweidiende Bildung, indem an die Stelle der glatt durclilaufen-
den Stäbe eine vielgliedrige Komposition gesetzt ist.
Eine ganz besondere Gestaltung unterscheidet das Portal am Residenzplatze von
den übrigen Eingängen. Während in der Bekrönung nocli das bewegte Linienspiel
des Rokoko fortlebt, herrscht dagegen in der Dekoration der Türflügel und Seiten-
pilaster die kalte Ruhe des Klassizismus, die sich sowohl in der von regelmäßigen
Linien umsdiriebenen Komposition des Ganzen, wie im einzelnen Ornament aus-
spridit. Doch fehlt auch hier neben den eigentlichen Ornamenten des Zopfstils, den
flbb. 154. Leuditer im Bayrischen Nationalmuseum zu München.
Mäandern, den Laubgirlanden, dem „laufenden Hund", den aus Kreisen und Ro-
setten gebildeten Friesen usw. das Muschelwerk nicht ganz. Eine ähnliche Mischung
neuer und alter Formen zeigen audi die im übrigen bedeutend schwächeren Gitter
der Arkaden.
Die tedinische Ausführung dieser Gitterwerke ist, wie schon hervorgehoben
wurde, vollendet. Die Stäbe sind durchsdinitUich 3 — 4 cm stark, das Muschelwerk
und die Palmwedel sind aus mehrere Zentimeter dicken Band- bezw. Stabeisen
herausgeschmiedet. Die plastische Bildungsfähigkeit des Eisens ist aufs höchste ent-
wickelt. Das spröde Material ist in zierliche Formen aufgelöst, ja selbst in zarte
Blütenblätter verwandelt, der tote Stoff ist durch die kunstreichen Hände des Mei-
sters zn reichem Leben auferweckt. Die glatten ruhigen Massen der Steinpfeiler,
zwischen welche die Gilter eingespannt sind, steigern noch in wirkungsvollem Kon-
trast den Eindruck entzügelter Leidenschaft, der aus dem lebendig gewordenen
Eisen spricht, sie wirken wie gewaltige Felsen, an denen die tobende Brandung
ohnmächtig anprallt, um dann wieder in sich selbst zurückzukehren.
144
Brüninc] - Rohde, SdiiniGdekunst.
Auch die köstlidien Gittcrvverke an der 1736 geweihten Sdiönbornschen Kapelle
am Dom zeugen von der Meistersdiaft Oeggs, dem zweifellos diese Arbeiten zu-
zusdireiben sind. Das Cliorgitter im Dome selbst vollendete Marcus Gattinger 1749.
Es ist dem von demselben Schlosser stammenden Chorgitter der Abteikirche zu
Amorbadi (Abb. 161) sehr verwandt.
Ein bezeidinendes Werk Oeggs ist ein als Trinkgefäß dienender großer Zunft-
schlüssel in der Samm-
lung des historisdien
Vereins in der Residenz
mit Ornamenten in Kup-
fer und Messing, der
das Datum 1740 trägt.
Zwischen Rohr und
Bart sind in durch-
brochenem Kupfer die
Buchstaben J. G. O. an-
gebracht. Außerdem ist
der Schlüssel mit hüb-
schen Inschriften ver-
sehen:
Die hodi Fürstlich Sdilos-
serey
Dies Zeidin Für sich ge-
madit
in dem Jahr wies hier Da-
bey
Doch niemand sonst ver-
adit
Von gott ist alle Kunst
viel lob ist eidel Dunst
Von sonstigen Ar-
beiten, die man auf
Oegg zurückführen
möchte, ist das Gestell
auf dem Rezepturtische
der Apothekedes Julius-
hospitals in Würzburg
zu nennen, das die
Jahreszahl 1 762 trägt
und nodi in die Formen
des Rokoko gekleidet
ist*), sowie ein großer Wandarm, der ein Aushängeschild mit einem Kreuz trägt.
Er ist vom Berliner Kunstgewerbemuseum aus der Sammlung Ettlinger in Würzburg
erworben worden und schließt sich ebenso wie das Wagegestell in seiner Ornamen-
tik direkt an die Gitter des Residenzschlosses an. Dasselbe Museum besitzt auch
einen aus Eisen geschnittenen kleinen Schlüssel mit Ziervergoldung, dessen Griff als
unregelmäßig geschweifte Kartusche gestaltet ist, durch welche über Kreuz ein
Schwert und ein Bischofstab gesteckt ist. Unter einem Fürstenhut ist auf der einen
Seite das Monogramm von Friedrich Karl von Schönborn, auf der anderen der ge-
krönte schreitende Löwe aus dem Wappen der Schönborn, beides auf vergoldetem
^) Abbildung bei Hefner-Älteneck, a. a. 0. II, Tafel 82.
Abb. 155. Tür am Zeughause zu Augsburg.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutsdiland.
145
Grunde dargestellt. Das Rohr ist in seinem oberen Teil wie der gescliuppte Leib
€ines Fisches gebildet, den unteren Teil umhüllen zierlidi gesclinittene Akanthus-
blätter auf goldenem Grunde (Abb. 150). Auf der Ausstellung des Burlington Fine
Arts Club in London von 1900 war aus dem Besitze der M. Whitcombe Green ein
Sdilüssel ausgestellt, der auf der einen Seite des Griffes den Kopf des genannten
Fürstbisdiofs, auf der anderen den sdireitenden Löwen zeigt und mit Goldtausia ge-
sdimüd<t ist.') Also audi diese Kunst war Oegg nidit fremd, denn auf ihn dürfen
wir wohl audi dieses Stüd< zurüdtführen.
Audi die Bauten des sdion unter den Ornamentstediern des Rokoko vorgeführ-
ten Franz Cuvillies sind reidi an Eisenarbeiten, wenn er audi keinen Oegg zu ihrer
Ausführung gefunden hat. in dem von ihm gesdiaffenen „Reidien Zimmern" der
Residenz zu Mündien (1750-37) hat die Sdimiedekunst in den vortrefflidien Kamin-
vorsätzen, die einen großen Teil der
Räume sdimüd^en, Betätigung ge-
funden. Sie sind wahrsdieinlidi Ar-
Abb. 156. Sdiloß im Bayrisdien National-
museum in Mündien.
Abb. 157. Tausdiierte Dose im Kunst-
gewerbemuseum zu Berlin.
beiten des Sdilossers Nikolaus Berned^her, der audi das herrlidie Geländer der leider
sdion 1764 wieder zerstörten Pradittreppe gesdimiedet hat. Von demselben rühren
audi die Eisenarbeiten am ehemaligen Palais Preysing her, Berned^her hatte seine
Kunst in der französisdien Sdilosserei erlernt, weldie der Kurfürst Max Emanuel im
Zeughause eingeriditet und der Leitung des Sdilossers Antoine Motte und des Kunst-
und Eisendredislers Frant^ois Houard unterstellt hatte.-) Die ebenfalls von Cuvillies
in den Jahren 1734—40 erbaute Amalienburg im Nymphenburger Sdiloßgarten be-
sitzt einen zierlidi gearbeiteten Rundbalkon an dem Aussiditsplateau, weldies sidi
auf dem Dadie des Sdilößdiens befindet. Die Herstellung desselben gesdiah durdi
den Nymphenburger „Bestandtsdilosser" Andreas Aignman.^) Die Komposition des
Balkons besdiränkt sidi im wesentlidien auf das gefällige Linienspiel der Stäbe,
ohne daß von Ornamenten ausgedehnte Verwendung gemadit ist.
^) Äbgeb. in: Burlington Fine Ärts Club. Exhibition of diased and embossed steel and
ironwork of European origin. London 1900. pl. 19, Fig. 3, N. 76.
'-) Vgl. Aufleger und Trautmann, Die reidien Zimmer der Königl. Residenz in Mündien.
Mündien 1893. S. 3 u. ff.
^) Hufleger und Trautmann, Die Amalienburg im Königl. Sdiloßgarten zu Nymphenburg.
Mündien 1894 S. 7.
B rüning-Rohdc, Sdimiedekunst. 10
146
Brünnig - Rohde, Sdiniicdekunst.
In rcidicm Umfange kommt audi die Sdilosserkunst in dem Sdilosse des Kur-
fürsten von Köln, Clemens August zu Brühl, zur Geltung, an dessen Ausschmückung
ebenfalls Cuvillics weitgehenden Anteil hatte; speziell die Sduuiedearbeiten sdicinen
zum größten Teil auf ihn zurückzugehen. Auf den Außenseiten schmückt das Schloß
eine fortlaufende Reihe von Baikonen, das große Treppenhaus ist mit schönen
Balustraden und einer großen
Laterne in Schmiedeeisen ver-
sehen, und im Konzertsaal, der
durch zwei Stockwerke hindurch
geht, läuft in der Höhe des zweiten
Stockes eine mit einem schmiede-
eisernen Geländer ausgestattete
Galerie herum. Die Schmiede-
arbeiten im Treppenhause wur-
den von den Schlossern Köbst
und Müller ausgeführt und 1745
vollendet.') Einzelne Füllungen
des Geländers sind in der Mitte
mit Emblemen der Jagd und ähn-
lichem geziert, die, soviel wenig-
stens aus den Photographien zu
ersehen ist, in Gußmetall ange-
fertigt sind. Die Zeichnung des
Muschelwerks, die Verwendung
palmenartiger Schosse, sowie die
hin und wieder im Stabwerk
auftretenden gebrochenen Linien
entsprechen den Gepflogenheiten
Cuvillies, wie wir sie aus seinen
übrigen Dekorationen kennen
(Abb. 151).
Fast in jedem Schloß der
damaligen Zeit fand in ähnlicher
Weise das Schmiedeeisen in mehr
oder minder ausgedehntem Um-
fange Verwendung. Es würde
zu weit führen, wollte man alle
Beispiele namentlich aufführen.
Erwähnt seien nur noch die Eisen-
arbeiten des entzückenden Schlöß-
chens Wilhelmsthal bei Kassel,
welches 1767 vom Ardiitekten
Simon Louis Du Ry vollendet
wurde. Während die Altane nadi
dem Park hin, ähnlidi wie beim Würzburger Schloß, von Geländern aus gegossenen
Eisenbalüstern eingefaßt sind, ist die Vorderseite mit zierlichen schmiedeeisernen Ba-
lustraden ausgestattet. Im Innern führt ein elegant gezeichnetes Treppengeländer in
dunkelblauer Farbe mit Gold zum oberen Stockwerke.
Abb. 158. Portal im Kunstgewerbemuseum zu Leipzig.
^) Vgl. Renard, E., Die Bauten der Kurfürsten Joseph Clemens und Clemens August von
Köln, in den Jahrbüdiern des Vereins von Äitcrtumsfreunden im Rheinlande. Heft C. S. 29.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutsdiland.
147
Auch das Bürgerhaus madite von sdirnicdeeisernen Arbeiten je nadi dem Maß-
stäbe der Verhältnisse seines Besitzers Gebrauch. Eines der schönsten, noch bis vor
kurzer Zeit fast völlig mit seiner inneren Einriditung erhaltenen Privatgebäude des
18. Jahrhunderts war das Haus des ehemaligen Kaufmanns und Bürgermeisters Jo-
hann von Wespien in Aadien. weldies um 1740 von Johann Joseph Couven erbaut
wurde. Es enthielt an Sdimiedearbeiten einen Balkon, ein interessantes Treppen-
geländer und prächtige Kaminvorsätze,
Ein bei Stadthäusern sehr beliebter Schmuck jener Zeit, der freilich zunächst
einem praktisdien Bedürfnisse, nämlich
der Sicherung der Häuser diente, ist das
Fenstergitter. Es tritt in dreifacher Form
auf. Entweder bleibt es in der Fläche
des Fensterrahmens, oder es schließt als
fladier rediteckiger Kasten das Fenster
ab, wie der in der Abbildung 152 dar-
gestellte Fensterkorb des Hauses Ritter-
straße 21 zu Basel, oder es hat eine ge-
schweifte Form , indem der untere Teil
weit ausgebaucht ist, sodaß ein Heraus-
lehnen aus dem Fenster zur bequemen
Aussicht nach den Seiten hin ermöglicht
wird. Diese dritte Gattung nannte man
damals Bauchgitter, in Frankreich hießen
diese Gitter grilles ä la tombeau.
In verhältnismäßig großer Anzahl
haben sich auch noch schmiedeeiserne
Wandarme mit Aushängeschildern von
Gewerkschaften und Wirtshäusern erhal-
ten, sowohl in den öffentlichen Samm-
lungen, wie audi an ihrem ursprünglichen
Ort. Eines der besten Beispiele dieser
Art befindet sidi noch jetzt an der Stern-
brauerei in Salzburg (Abb. 153). Nicht
nur der Wandarm und das Aushänge-
schild, sondern audi die als Stützen des
Armes dienenden Windeisen sind mit
reidiem Schmud^ bedacht worden. Für
Geräte verwendet auch das Bürgerhaus
jetzt nur selten noch das Eisen. Schmiede-
eiserne Leuchter, wie die in der Abbil-
dung 154 dargestellten im Bayrischen
Nationalmuseum in München, kommen nicht häufig vor. Auch schmiedeeiserne Tür-
beschläge, wie die der Tür im Zeughause zu Augsburg (Abb. 155) sowie Schlösser,
wie das von David Nordmann m Regensburg, das sich im Münchener National-
museum befindet, gehören zu den Seltenheiten (Abb. 156), Zum Schmucke des
Schlosses wird jetzt das Messing bevorzugt. Die Deckplatte wird mit Vorliebe mit
einer durchbrochenen, mit Reliefdarstellungen oder gravierten Ornamenten versehenen
Messingplatte verziert, welche den blanken Grund des Eisens durchsehen läßt.
Dagegen wurde das Eisen in veredelter Form, nämlich mit tauschiertem Zierate,
gern zur Herstellung aller möglichen Kleingeräte u.dgl., von Dosen, Eßbestecken,
Hbb. 159. Grabkreuz auf dem St. Peterskirch-
hofe in Salzburg.
148
Brüning - Rohdc, Sdimiodekunst.
Fächern, Stockgriffen , Sdinallen, audi Leuchtern und Liditputzscheren usw. benutzt
(Abb. 157). Die Ornamente wurden in Gold, Silber, Kupfer, Messing und sonstigen
Legierungen von versdiicdenen Farbtönen eingelassen und zwar entweder als flache
Blcclistückdien, die dann mit gravierter Innenzeichnung versehen wurden, oder pla-
stisdi modelliert und ziseliert. Das Eisen wird entweder blank gefeilt oder blau
angelassen. Bei einer großen Gürtelsdinalle im Berliner Kunstgewerbemuseum sind
die Ornamente in fladiem
Relief gesdinittcn, der auf-
gerauhte Grund ist mit
Goldblättchen bedeckt.
Vielfache Anwendung
fand dasGitterwerkaufden
Friedhöfen zum Abschluß
der Grüfte. Besonders statt-
liche Sdimiedearbeiten die-
ser Art befinden sich noch
auf dem Johanniskirchhof
in Leipzig. Das sdiönste
derselben, ein Portal mit
der Jahreszahl 1751, wird
in dem dortigen Kunst-
gewerbemuseum aufbe-
wahrt (Abb. 158). Audi
die Sitte der Friedhof-
kreuze wird beibehalten
(Abb. 159).
In ausgedehntem Ma-
ße findet auch jetzt noch
in den Kirchen die Schmie-
dekunst ein reiches Feld
zur Betätigung ihrer Lei-
stungsfähigkeit, sowohl im
Innern der Kirchen, wie
im Äußern. So sdiließen
z. B. den Eingang der Je-
suitenkirche zu Mannheim,
welche 1733 — 56 von dem
Architekten des pfälzischen
Hofes Allessandro Galli
Bibiena erbaut wurde,
prachtvolle Gittertore mit
einer übcrsprudelndenFülle
von Schmuckwerk ab, welche an Vortrefflichkeit der Arbeit nidit viel hinter den
Würzburger Gittern zurückbleiben. Der Name des Schlossermeisters Peter Schoch
wird mit ihnen in Verbindung gebracht^) (Abb. 160).
In zahlreichen, besonders süddeutsdien Kirchen führte die schon erwähnte Sitte,
durdi die ganze Kirche der Quere nach ein Abschlußgitter zu setzen oder den Chor
und die Kapellen durch Gitter abzugrenzen, zur Herstellung umfangreicher Schmiede-
Äbb. 160. Gittertor an der Jesuitenkirdie in Manniieim.
1) Hefner-Älteneck, a. a. 0. II. S. 15.
Kapitel V. Rokoko und Zo[)fstil in Dcutsdilaiul.
49
werke. So zieht sich in der flbteikirche des früheren Benediktinerklosters Amorbach
im baijrisclien Odenwald ein gewaltiges Gitter quer durcii das Langhaus, in seiner
bewegten Ornamentik einem grünenden Spalier in lebendigem Wactistum vergleich-
bar (Abb. 161). Die fortlaufende Bekrönung des Gitters ist mit Leuchtern besetzt,
von denen die über den Torpilastern befindlidien von Engeln getragen werden. Es
ist ein Werk des Rivalen Oeggs, des Sdilossermeisters Marcus Gattinger in Würz-
burg, von dem aucli das Chorgitter im Dom zu Würzburg selbst stammt. Am
17. April 1748 wurde mit ihm ein Akkord abgeschlossen, wonach er das Gitter in
Amorbach gegen eine Summe von 4650 fl. nebst 6 Dukaten Aufgeld innerhalb
zweier Jahre herstellen sollte. Er erhielt sogleich 300 Gulden Anzahlung, die übrige
Summe in Raten innerhalb der beiden folgenden Jahre. 1749 lieferte er die beiden
kleinen Gitter für die Seitenschiffe ab. Das große Gitter wurde nach erfolgter Rest-
zahlung von Würzburg nach Amorbach geschafft und 1750 aufgestellt.^)
Hbb. 161. Chorgitter in der Äbteikirdie zu Ämorbadi.
Ein stattliches Chorgitter besitzt auch die Klosterkirche von St. Gallen, welches
von Anton Dirr entworfen und von dem St. Gallenschen Hofschlosser Joseph Mayer
von Rütschwil 1769—71 ausgeführt worden ist.') Schöne Abschlußgitter des Lang-
hauses befinden sich in der Hofkirche zu Fürstenfeld und der Klosterkirche zu Dießen
in Bayern.
Vielfach haben diese Chorgitter auch jetzt noch perspektivische Bildung, wie z. B.
das Abschlußgitter des Chores in der Kirdie der ehemaligen Benediktinerabtei Wein-
garten in Württemberg (Abb. 162). Das Gitter erhebt sich direkt hinter dem so-
genannten Kreuzaltar, d. h. dem freistehenden Altar an der Grenze zwischen Chor
und Vierung. Infolgedessen wirkt der Mittelteil des Gitters wie eine gewaltige
Nische, in der der Altar zu stehen scheint. Die Vorstellung einer wirklichen Apsis
wird noch verstärkt durch die runden Scheinfester, die in der Wölbung angebracht
sind. Auf dem Abschnitt des Gitters unterhalb der Wölbung sind in ovale Felder
Wappenzeichen eingelassen. Die Türen, welche zu beiden Seiten des Altars auf
den Chor führen, sind, wie audi bei früheren Beispielen dieser Art, als lange
») Sponsel, J. L., die Äbteikirdie zu Amorbadi. Dresden 1896. S. 47 u. ff.
2) Kick, W. a. a. 0. S. 12.
150
Brüning-Rohde, Sdimiedekunst.
Galerien, die von Tonnengewölben gedeckt sind, gestaltet. Die Seiten dieser
Scheingalcrien sind mit Korkziehersäulen, die natürlidi audi nur Kulissen sind, ge-
ziert. Die Linienführung des Stabgerüstes erinnert in seinen gebrochenen Formen
an das Laub- und Bandelwerk, indessen geht die Ornamentik im einzelnen schon
in das Rokoko über.
Abb. 162. Chorgitter in der Kirche zu Weingarten.
Noch prächtiger ist das Chorgitter der ehemaligen Abteikirche zu Zwiefalten,
ebenfalls in Württemberg (Abb. 163 164). Hier ist die Mitte wie einer jener großen
Rokokoaltäre mit vorgesetzten Säulen, verkröpftem Gebälk und gebrochenem Giebel
gestaltet. Sie wirkt wie ein Rahmen für das aus Holz geschnitzte Marienbild auf
dem vor dem Gitter stehenden Altare. Die perspektivisdie Wirkung ist so gelungen,
daß man tatsächlich von den Abbildungen getäuscht werden kann. Und doch liegt
alles Eisen nur in einer Fläche. Sehr schön sind auch die Seitenportale mit ihren
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Dcutsdiland.
151
großen Voluten, Palmetten und Blumenkörben. Es ist eine der vollendetsten Eisen-
arbeiten, die je geschaffen worden sind. Das Gitter wurde 1756 aufgestellt. 1751
Abb. 163. Mittelteil des Chorgitters in der Kirche zu Zwiefalten.
152
Brüning-Rohde, Schmiedekunst.
wird beridüet, daß „absondcrlidi wegen dem grossen Gatter vor dem Chor die Hammer-
sdmiiede aufgcriditct worden" sei. Also hat die Arbeit fünf Jahre gedauert. Der Ver-
fertiger des Gitters war ein Sdilossergeselle Joseph Bussel aus Rankweil bei Feldkirdi.^)
Das Rokoko hielt sidi in Deutsdiland in einzelnen Bezirken nodi bis in die
') Kick, W. a. a. 0. S. 8.
Abb. 164. Seitenteil des Chorgitters in der Kirche zu Zwiefalten.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutsdiland.
153
achtziger Jahre hinein. So besitzt z. B. die Altroßgärtner Kirdie im Reg.-Bez. Königs-
berg ein Oberliditgitter in Rokokoformen, welches die Jahreszahl 1784 trägt.
Der klassizistische Stil hat in Deutschland auf dem Gebiete der Schmiedekunst
nur wenig Spuren hinterlassen. Er tritt auch in Deutsdiland bedeutend später auf
als in Frankreidi, zu einer Zeit, als die Sdimiedekunst schon stark im Niedergange war.
Audi die deutschen Ornamentstecher in jener Zeit bieten wenig Erfreulidies.
Einen Forty sudien wir vergebens unter ihnen. Fast ausschließlich erscheinen die
Stiche für Sdimiedeeisen jetzt in Augsburg. Wohl der bedeutendste Stecher jener
Hbb. 165. Entwürfe für Schmiedearbeiten von Abb. 166. Entwürfe für Schmiedearbeiten von
J. Hauer. J. Hauer.
Zeit (für Schmiedeeisen ist Johann Hauer aus Augsburg, der eine längere Zeit in
Paris gelebt haben muß (1748 bis 1820). Mehrere seiner Hefte sind unterzeichnet:
Inventes desines et graves par J. Hauer a Paris, Rue St. Ursule; andere erschienen
bei den Augsburger Verlegern Joh. Gradmann, Joh. Georg Hertel und C. A. Groß-
mann. Hauers Entwürfe stellen Gitter, Wandarme, Wandleuchter, Grabkreuze u. dgl.
dar, zum Teil sind die Ornamente in größerem Maßstabe beigezeichnet. Seine
Linienführung ist infolge der starken Verwendung der Formen des Rechtecks und
des Kreises, sowie regelmäßiger Ovale etwas trocken und langweilig. Vielfach
wirken seine Gitter dünn, da die klare Zeichnung des Stabwerks nur wenig durch
Ornamente belebt ist. Seine Ornamentik ist die für jene Zeit charakteristische:
Mäander, Wellenbänder, „laufender Hund", Lorbeerfestons, ovale und runde Akan-
thusrosetten, Bandsdilcifen und natürliche Blumen. Er scheint viel Anklang gefunden
zu haben, denn von den erhaltenen Arbeiten erinnern manche an seine Entwürfe.
Besonders die eigenartige Form seiner Wandarme kehrt häufig wieder (Abb. 165/66).
154
Brüiiing-Rohde, Sdimiedekunst.
^^£*J ^J^i/3!^^ Li iikarf6ff7^^
Abb. 167. Vorlagen für Balkongitter von J. Zipper.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutsdiland.
155
Abb. 168. Balkongittcr am Ungarischen Ministerium in Wien.
Audi der schon genannte Verleger und Kupferstecher Karl August Großmann
gab ein Buch „Neueste Schlosserarbeit" heraus, das jedoch, ebenso wie die von
Fietta & Co. zu Kriegshaber bei /Augsburg veröffentliditen Stiche, unbedeutend und
dürftig ist. Vielleicht schon dem Anfange des 19. Jahrhunderts angehörig sind sechs
Hefte mit Sdimiedearbeiten von Jakob Zipper in Augsburg, die deshalb für uns be-
sonders interessant sind, weil sie außer Entwürfen jedesmal Tafeln nebst Erläuterungen
in der Art der Abbildungen des Schlosserbuclies von Duhamel du Monceau bringen,
in denen die Herstellung der vorgeführten Schmiedearbeiten genau erklärt wird.
Wir ersehen daraus, daß zur Herstellung der Ornamente fast ausscliließlich Gesenke
benutzt wurden. Zipper bemerkt, daß diese Gesenke von Messing nach einer vom
Bildhauer geschnittenen Form gegossen werden könnten, falls man sie nicht von
Stahl machen wolle. Die Biegungen der Stäbe wurden an starken eisernen Lehren,
Abb. 169. Tor der ehemaligen Sdiülesdien Kattunfabrik zu Augsburg.
156
Brüning - Rohde, Sdmiiedckunst.
die auf Klötzen befestigt waren, ausgeführt, ganz ähnlich wie das auch in dem
Werke von Duhamel du Monceau besdirieben wird. Die Entwürfe Zippers, die für
die damalige Zeit ganz ansehnlidic Leistungen darstellen, zeigen einen reichen Ge-
brauch von Akanthusranken, die in jenen für das Ende des 18. Jahrhunderts eigen-
tümlidien mageren, metallisdien Formen auftreten (Abb. 167). Merkwürdig ist audi
das Auftaudien pseudogotisdier Ornamente, die ja bekanntlich in England schon in
der Mitte des 18. Jahrhunderts in die Ersdieinung traten.
Wie sdion bemerkt, ist die Zahl der noch vorhandenen, also wohl auch der
überhaupt gesdiaffenen Sdimiedearbeiten in antikisierenden Formen sehr klein.
Der Gitterwerke dieser Art in Würzburg
wurde schon bei Besprechung der Ar-
beiten Oeggs gedacht. Ebenso wie dort
ältere und neuere Formen sich in eigen-
artiger Mischung zusammenfanden, so ist
bei dem Balkon des Ungarischen Mini-
steriums in Wien ebenfalls noch Orna-
mentik und Linienführung des Rokoko
mit späteren Formen verbunden (Abb. 168).
Auch die schon den siebziger Jahren an-
gehörende stattlidic Portalbekrönung,
welche sich im Besitz des Hamburgisdien
Museums für Kunst und Gewerbe befin-
det, zeigt noch Anklänge an ältere Stil-
elemente. Sie schmückte früher das Ein-
gangstor der ehemaligen Kattunfabrik von
J. H. Schule vor dem roten Tor in Augs-
burg und soll von J. M. Endres hergestellt
sein. In einer von Palmzweigen um-
gebenen Kartusche ist das aus vergol-
detem Kupfer getriebene Schülesche Wap-
pen angebracht (Abb. 169).
Das Fentergitter mit ausgebauchtem
Unterteil, das im Bayerischen Gewerbe-
museum zu Nürnberg aufbewahrt wird
(Abb. 170), ist dagegen schon völlig in
antikisierende Formen gekleidet. Es ge-
hört dem Formenkreise an, der in den
Stichen Hauers uns entgegentritt. Vielfach wird jetzt, wie in Frankreich die Gold-
bronze, so in Deutschland das Messing zum Schmuck des Eisenkörpers verwandt.
Ein kleiner Wandarm im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg ist mit Mes-
singrosetten geschmückt, und bei einer sehr gut aufgebauten Laterne im Berliner
Kunstgewerbemuseum sind die Zierteile sämtlich'^aus dünnem Messingblech gebildet.
Ebenda befindet sich auch ein sehr reich ausgestattetes Grabkreuz, ganz aus
Schmiedeeisen gefertigt. Wohl das in Form und Ausführung edelste Werk der
Schmiedekunst jener Zeit ist die aus Eisen getriebene Tür an der "Reichen Kapelle
in der Residenz zu München (Abb. 171). Die oberen Füllungen sind mit je einem
Löwenkopf geschmückt, aus dessen Maule die Embleme der weltlichen und geist-
lichen Gewalt herunterhängen. Auf den Feldern in der Mitte und unten sind Roset-
ten mit korrekt gezeichnetem Akanthus angebradit. Eine besondere Erwähnung
gebührt auch noch wegen der Seltenheit derartiger Geräte überhaupt ein schmiede-
Äbb. 170. Fensterkorb im Bayerisdien
Gewerbemuseum zu Nürnberg.
Kapitel V. Rokoko und Zopfstil in Deutschland.
157
eiserner Taufständer in der Stadtkirdie zu Ludwigslust in Mecklenburg mit dem
Namen des Schlossers R. Niens und der Jahreszahl 1804/) Bei der geringen
Zahl der nodi erhaltenen Schmiedewerke der klassizistischen Stilridhtung verdient
jedes einzelne Beachtung.
') Abbildung bei Schlie, F., Die Kunst- und Gcsdiichtsdenkmäler des Großherzogtums
Schwerin, Bd. 111. Scliwerin 1899, S. 246.
Abb. 171. Tür an der Reichen Kapelle in München.
Register
Äadicn 147.
Ageri 86.
Atzen 6H.
Aigiimann, Andr. 145.
Äldcgrcver 29.
d'AIcmbcrt 4.
Ältdorf, Friedhof 38.
AltroBgarten, Kirdie
153.
Ämalienburg 145.
Ambras, Sdiloß 41.
Amiens 121.
— Kathedrale 120.
Amorbadi, Abteikirdie
144, 149.
Andre le Proven^al 44.
Ansbadi 88.
Antoine 129.
Antwerpen 22.
Aststab 22, 29.
Aufleger 145.
Augsburg 85, 86, 94,
133, 153, 155, 156.
— BarfüBerkirdiel33.
— Heilige Kreuz-
kirdie 94.
— Ulridiskirdie20,37,
86, 87.
— Zeughaus 147.
Auvera, J. W. von der
139.
Babel 109.
Babin 105.
van der Baude 78.
Barras de la Penne 65.
Basel 147.
Baumann, Joseph 134.
Beauvais, Kathedrale
72.
Bcdi 16.
Behaim 29.
Bemalung 8, 15.
Benard 118.
Berain, Claude 66.
— Jean 44, 65-69,92.
Berard, A. 67.
Berlesdi 23.
Berlin 89.
— Hohenzollern-
museum 91.
— Kunstgewerbe-
(SdiloB-) museum
80, 83. 85, 90, 102,
144, 156.
— Neues Museum 89,
90.
— Nikolaikirdie 104.
Berndt, J. C. 140.
Bernini, Lorenzo 87.
Bernedcher, Nikolaus
145.
Beverley 80.
Bibiena, Alessandro
Galli 148.
Bigonnet 129.
Billwärder 82.
Birkenfeld, Joh. Baltha-
sar 133.
— Johann Samuell30,
132.
Blauanlaufen 8, 15.
Bledihämmer 3.
Bloenifield 80.
Le Blond 60.
Blondel, Jacques Fran-
(;ois56, 69, 105,130.
Blümner 1.
Bölmann, Hieronymus
93
Bologna 41.
Bonnard, Nikolas 64,69.
Bonthomme, Gabr. 123.
Bosse 37.
Boston, Museum 1.
Boudie, P. P. 78.
Boudier fils 125.
du Bouzeg, Prälat 118.
Breslau, J. 123.
Breslau 94.
— Vincenzkirdie 86.
Breton, Mathurin le 44,
52, 55.
Bridou 27.
Brindtmann, J. 86.
Briseux, C. E. 109.
Brisville, Hugues 44,
45. 66, 78, 88.
Brühl 146.
Brunn 135.
B. S. 30.
Büssel. Joseph 152.
Bulfink, Gert 22.
Bunde 10, 14.
Burleigh 79.
Bury 52.
Buxtehude 85.
Caffieri, Jacques 128.
Caffin, Fran(;ois 70.
Caillouet 125.
Cambridge, Trinity
College 79.
Carlshaiton 80.
de Champeaux, A. 128.
Chanteheux, Schloß
110, 119.
Chatsworth 78, 79.
Choisy. Schloß 57.
Chopitel 6.
Clagny, Schloß 57, 60.
Claireveaux, Abtei 120.
Cleve 89.
St. Cloud, Schloß 57.
Collin 118.
Commercy 110, 119.
Compiegne, Sdiloßl25.
Corbeil 6.
Corbie 120.
Corbin 128.
Corvinus, A. 140.
Cotte, Rob. de 69, 71,
72, 105.
Cournault 109.
Couven, Joh.Josephl47.
Cunradus faber 26.
Cuvillies, Frz. 130, 145,
146.
Daviler 65, 93.
Decker, Paul 93.
Delobel 56, 61.
Delphin, Pierre 120.
Demoudiy, Jean 57.
St.Denis,Kathedrale64.
Desboeuf du Saint-
Laurent 124, 125.
Desjardin, G. 126.
Devarennes, Charles
117.
Devonshire, Herzog
von 79.
Diderot 4.
Dießen, Klosterkirdie
149.
Dijon, Kathedrale 63.
— Ecole Saint-Fran-
(;:ois de Sales 74.
Dirr, Anton 149.
Dolivar 66.
Doppelmayr 88.
Drahteisen 3.
Dresden, Grünes Ge-
wölbe 89.
Dublin 78.
Dürer 29.
Dufour 52.
Duhamel du Monceau
6, 7, 10, 12, 27, 43,
155, 156.
Durdischiebung 14, 15.
Durey 122.
Dussieux 50, 52.
Ebbets 79.
Edinburgh 78.
Ehemann, F. 138.
Eichel, Eman. 133, 134.
Eisenbahn 7.
Eisenhütten 3.
Eisenspalterei 3 — 6.
Eisenschnitt 14.
Eisgrub, Schloß 102.
Endres, J. M. 156.
Engelbrecht, Martin
130, 13^.
Enzyklopädie 4, 6.
Eobanus Hessus 3.
Errard 45.
Erfurt 20, 33, 3'4.
— Dom 18.
— Rathaus 18.
Essone 6.
Ettlinger 144.
Fabri ferrarii 23.
Fa(^onwalzwerk 6.
Fay 125.
Feldkirch 152.
Felibien 43.
Fietta & Comp. 155.
Figdor-Wien 22.
Fion, Didier 44.
Fischer von Erladi, Joh.
Bernhard 97, 99.
Florenz, Palazz.Strozzi
41.
Fontaine 45.
— J. V. 106, 107.
Fontainebleau 60.
Fordrin, Alexis 71, 72.
— Franc^ois 71.
— Gilles 61, 71.
— Jean Wwe. 71.
— (Fourdrin) Louis 70,
71, 72, 78, 81, 105.
Förster, Heinrich Gott-
fried 93.
Forster (Forshter) Hein-
ridi Gottlieb 135.
Forty, Jean Franc^ois
123, 124, 153.
Franke, Meister 18.
Frankfurt a. M. 26, 89.
— Römer 104.
Franz III. 109.
Freiberg 37.
Freistadt 88.
Friedländer, Ernst 88.
Friedrich Wilh. I. 83, 89.
Fugger 37.
Fürst, Paulus 33.
Fürstenfeld, Hofkirchc
149.
Gabriel, Jean Jacques
126-128.
Galeere Ludwigs XIV.
65.
St. Gallen 149.
Gamain d. A. 126.
— d. J. 122.
Gardner, Starkie 128.
Garnier 128.
Gastaldy, Nicolas 117.
Gattinger, Marcus 136,
144, 149.
Gautier, Jean 64.
Register.
159
Gautier, Pierre ö^, bö.
Geigel, 1. P. 142.
Genua 97.
Gera 89.
Gerard 121.
St. Germain, Schloß 57,
60.
Gesenke 10. 12.
Gewerbe 23 26.
Gillot 107.
Goy 55.
Gradmann, Johann 153.
Graffenbergcr, Johann
Andreas 134, 135.
Gran, Daniel 100.
Gravierung 14.
Graz, Landesmus. 102.
Greifenklau, Philipp v.
141.
Grenser 23.
Grobsdimiede 23.
Großmann, C. Ä. 153,
155.
Grosso, Nicolo genannt
Capara 41.
Groß-Zerbst 92.
van der Gudit 78.
Guerard, Nicolas 64, 69.
Guggenberger,Wolf37.
Guibal,Barthelemy 113.
Guiffrey, Jules 50.
Guillaumot, Ä. R. 57.
Gutwein, I. B. 140, 142.
Habermann, Frz. Xaver
131
Hall 22.
Hall (Essex) 79.
Hamburg 85, 86.
— Museum für Kunst
u. Gewerbe 20. 22,
30, 41, 82, 91, 156.
Hammerwerke 3.
Hampstead 79.
Hampton Court 77, 79.
Hapadier, Wolf 37.
Hartmann, Gottfried 94.
Harz 4.
Haste, Michel 57, 59,
60, 61, 63.
Hauer, Johann 153, 156.
Haustätten 20.
Havard, H. 121.
Hefner - Alteneck 144,
148.
Helleweg, Wilhelm 39.
Hennegau 130.
Heraclius 12.
Here, EmanuelllO, 111.
Hessus siehe Eobanus.
Hertel, Joh. Georg 94,
150. 133, 134, 153.
Herthoge,Wilh.van82.
Heyden, Christian 92.
d'Hezecques 53, 122.
Hildebrand, Joh. Lukas
von 97, 98, 138, 139.
Hiiick, Joh. Friedrich 86.
Hoch, Joh. Michael 94.
Hollitsdi 98.
Hoppert, Bartholomäus
88, 91.
Houard, Frant^ois 145.
H. T. 44.
Huquier, Gabr. 105 bis
107, 109.
d'Jardin, Nicolaus 44.
J G. 64.
11g 2, 94, 97.
Ingelheim, flnselm Frz,
von 141.
Innsbruck 32.
Jousse, Mathurin43, 85.
Justi, Johann Heinridi
Gottlieb von 7.
d'Ivry, Constant 128.
Kabdebo 97.
Kaligraphen 29.
Karl II. (England) 89.
Karl VI. 27, 88.
Karl Albert (Karl XII.)
130.
Karl von Lothringen,
Kardinal 118
Kassel 146.
Keller, Ph. J. 139.
Kempf, R. 94.
Kessel, Ph. Jakob 134.
Kidt, W., 91, 149, 152.
Kirdilehner 99.
Kleiner, Salomon 140.
Kleinmeister 29.
Köbgt 146.
Köln, Joseph Clemens
von 146.
— Clemens August v.
146.
Königsberg 153.
Konstanz 86.
Kopenhagen, Schloß
Rosenborg 89.
Kostel 86.
Kracauer 26.
Kraus 17.
Kraut, V., Ministe;- 104.
Krauth 16.
Kriegshaber 155.
Kuhn, Paulus 33.
— P. A. 86.
Kurfürst.D.Große 89,91.
Kurfürstin 91.
Ladame, G. 44.
La Fleche 43.
Lagucrre, Louis 78.
Laire, Peter 133.
Lalonde 125, 129.
Lambadi, Benediktiner-
kirche 37.
Lamour, Jean 27, 28, 43,
109-113, 117-120,
135,136.
Langley 81.
Lauingen 37.
Le Blond siehe Blond.
Lebrun 57, 61, 66, 67,
Leipzig, Kunstgewer-
bemuseum 148.
Lemercier 50.
Leopold, Joseph Frz. 86.
Leopold 1. 88, 89.
Lcpautre, Jean 50, 52,
57—61, 66, 67, 68.
— Jacques 57.
de Lespilliez, Charles
Albert 130.
de Lespine 59, 63.
Lescinsky, Stanislaus
27, 109, 110, 113,
115, 118, 119, 120.
Levau, Louis 50.
Leygebe, Gottfr.88-91.
Lincoln 80.
Linz 136.
Lionardo da Vinci 3.
Lipmann 115.
Lodie, Denis 44.
Locher 91.
Lötung 8, 14.
London 77, 79, 145.
— St. Paulskirche 77,
79.
— South Kensington
Museum 37, 44,
78, 83.
— Westminsterabtei
79.
Longueil, Rene de 45.
Longuet 44.
Loriot, Aubert 44.
Losherr, Matthias 134.
Lothringen 110.
Lucas 12.
Luciiet 61.
Ludwig XIII. 50, 57, 64,
65, 69.
— XIV. 42, 50, 52, 53,
55,56,57,69,71,88.
— XVI. 122.
— Prinz (Branden-
burg) 91.
Ludwigslust 157.
Lübeck 25, 26.
Lüneburg, Rathaus 32..
Lüttidi 4, 17, 18.
Luneville 110, 118.
Maintenon, Frau v. 72.
Maire, Jean 118.
Maison-sur-Seinc, [78.
Schloß 45-49, 65,
Manger 26.
Mannheim, Jesuiten-
kirdie 148.
Mansart, Fran^ois 45.
— Jules Hardouin 52,
53, 55, 61, 69, 72.
Marburg, Elisabeth-
kirche 20, 37.
Maria Einsiedeln 86, 87.
Marly, Schloß 57, 72.
Marot, Daniel 66, 67,
68, 69, 71, 93, 94.
— Jean 45, 46, 49, 65,
66.
Marseille 64.
Massys 22.
Matherion, Sebast. 57.
Maulbronn, Kloster 16,
17.
Max Emanuel, Kur-
fürst 130, 145.
Maximilian I. 32.
Maximiliangebetbch.29
Mayer, Joseph 149.
Mazelin, Gaspar 44.
Meaux, Kathedrale 107.
Meisonnierl05,106,107.
Meisterstück 27.
Metz 109.
Meyer, F. S. 16.
Michel, C. 109.
Minkus 88.
Moreau 109.
Moritz von Sachsen 37.
Motte, Antoine 14.5.
Müller 146.
— Johann Friedrich 4,
— M. 140.
Mündien 143.
— Bayrisdi. National-
museum 37, 39,
141, 147.
— Palais Frey sing 145
— Residenz 143, 145.
156.
Münze 3.
Naar, Kaspar 39.
Nageleisen 3.
Nancy 109, 110, 120.
— Hotel de ville 111,
117.
— NotreDamedeBon
Secour 110.
— Place de la Car-
riere 118.
— Place Stanislas
(Royal) 111—115,
117, 119.
— Rue Notrc Dame
118.
— Lothringisch. Mu-
seum 119.
Neiße, Brunnen 39.
Nepomuk, Joh. von 99.
Neufforge 122.
Neumann, Balthasar
135, 136, 138—142.
Niclos, Philipp 117.
Niens, A. 157.
Nietung 14.
Nikolaus, Abt 91.
Nikolsburg, Sdiloß 135.
Nordmann, David 147.
Notthingham 78, 79.
Nürnberg88, 91,93, 140.
— Brunnen 32—34.
— Germ. Museum 93.
— Bayriscii. Gewerbe-
museum 156.
— Lorenzkirche 34.
Nußbaumer, Vinc. 86.
Nymphenburg 130,145.
160
Register.
Obermardithal 40, 91.
Oegg, Anton 136.
— Johann Georg 135,
136, 138, 139. 140,
141—144. 145, 149,
156.
— Peter 136.
Oelcker, Heinr. 85, 91.
Old-Langhton 79.
Oppcnord 106. 107, 109.
Ostertag, Hieronymus
Martin 94.
Ottobeuren,KIosterl34.
Oxford 80.
Pähler 2.
Parent, Hubert 125.
— Nicolas 70.
Paris 91, 109, 153.
— Äpollogalerie 45,
46, 66.
— St. Denis 64.
— Ecole militaire 124.
127.
— St. Eustache 60, 63.
— St. Genevieve 121.
— St. Germain
l'Äuxerrois 128.
— Louvre 45.
— MuseedeCluny 74.
— Musee des Arts
decoratifs 62.
— NotreDamel7, 18,
69, 70. 71.
— Palais de justice
129.
— Palais Royal 128.
— St. Roch 128.
— St. Sulpice 64.
— Val de Gräce 57.
58, 60, 62, 64, 65.
Patridge 79.
Payne, John 6.
Pelletier 124.
Percier 45.
Petit, Jacques 70,
Philippon 45.
Pickel 34.
Pierritz, H. 48.
— lejeune 57— 61,65.
Plinius 1.
Plutarch 1.
Polhem, Christoph 6.
Poilly, F. 59, 60.
Potsdam 26.
Prag 100.
— Brunnen 30, 38.
— Collegium Clemen-
tinum 86.
— Dom 37.
— Georgskirche 39.
— Nikolaikirche 100.
— Thomaskirche 100.
Prunier, Nikolas 44.
Quaritsdi 44, 81.
Haban vonCanstein 89.
Rad, Kaspar 94.
Rankweil 152.
Reaumur 7. 27, 29.
Reckhämmer 3.
Reding, Äugustin II.
von 86.
Regensburg 147.
— Alte Kapelle 38.
— St. Emmeran 104.
Reichart, Daniel 34.
Reifeil, Johann 86.
Rembeur, Jean de 44.
Renard 146.
Reniere 12.
Rcuß, Fürst 89.
Richard 70.
Ridier 126.
Rieger, Hans 91.
Riga, Dom 104.
Rigaud 50, 61.
Rohluppe 2, 3, 16.
Rostock, Marienkirche
33.
— Nikolaikirche 104.
Ronen, St. Ouen 72.
Rudolph, Christian
Friedricli 94.
Ruetschwil 149.
Rüge, Hans 32.
Rummel, Joh. Georg 94.
Rundstab 29, 30.
duRy.SimonLucas 146.
Sachsen 30, 37.
Salzburg 37.
— Florianbrunnen 37.
— Sternbrauerei 147.
Savoyen, Eugen v. 97.
Sceaux, Schloß 57.
Sdiildmacher 23.
Schireck, C. 135.
Sdilettstadt 17.
Schlie, F. 157.
Schloßhof an d. March
97, 98, 139, 142.
Schmiedbarkeit 1.
Schmiede 1.
Schmieden 10.
Sdimiedeamt 25.
Schmittner, Frantz Leo-
pold 94.
Schneidewerk 3, 4, 5, 6.
Schoch, Peter 148.
Sdiönborn, Schloß 142,
— Friedrich Karl von
136, 138, 141, 144.
Schönbrunn sieheWien.
Sdireber, Daniel Gott-
fried 7.
Schübler, Joh. Jakob 93.
Schultes, Hans 34.
Scliwabadi 91.
Schwaben 91.
Sdiweden 4.
Schweißbarkeit 1, 2.
Schweißen 14.
Sdiweiz 91.
Scudery, Mademoisellc
de 50.
Scutatores 23.
Seidel, Paul 88.
Seigneurie, Nicolas 44.
Seinsheim, Adam Frie-
dridi von 142.
Sens 72.
Serrator 26.
Shaw, Hennington 79.
Sheffield 78.
Silvestre, Israel 50, 52,
61.
Slocere (slozer) 29, 30.
Slodtz, Rene Michel 120.
Soignies 130.
Somer, P. van 78.
Spanien 40, 57.
Spindelblume 29, 30.
Sponsel 149.
Spremberg 85.
Stabhämmer 3.
Stahl 1, 2.
Stamminger 136.
Stauchen 10.
Steißlinger, Johann
Andreas 94.
Stella 45.
Steffen, Paul von 133.
Strabon 1.
Straßburg 115.
Strecken 10.
Streckwalzwerk 3—6.
Streckwerk 3—6,
Swedenborg 4.
Talman 77.
Tauschieren 8, 15.
Taylor 81.
Technik 1 — 15.
Theophilus 2, 15.
Thuret 66.
Tijou, Jean 71. 77—81,
105.
Tippenhauer 82.
Trautmann 145.
Trautner, Johann 93.
Treibarbeit 8, 12.
Troyes, Hotel Dieu 120.
Uhrmadier 26, 91.
Ulm 91.
Vallee, S. 69, 72.
Valvire,Abteikirchel21.
Varin 45.
Vanbrugh, John 77.
Vergoldung 8, 15.
Versailles, Sdiloß 49,50,
51-56, 60-65, 69.
78, 82, 100. 122.
— Grand Trianon 72,
124. 126.
— Petit Trianon 126,
127.
Veyrens 120. 121.
Viollet-le-Duc 16.
Volkniann 23.
Vreden 22.
Waffensdimicde 25.
Walzwerke 3, 4, 5.
Warndte 25.
Watteau 107.
Weigel, Joh. Christoph
3, 85, 91, 92.
— Christoph jun. 92.
Weingarten, Benedik-
tinerabtei 149.
Werkzeuge 7.
Wespien, Joh von 147.
Westfalen 22, 28.
Wien 94, 97, 104, 136.
— Belvedere 97, 98,
139.
— Johanncskapelle99
— Ministerium des
Innern 99.
— Salesianerinnen-
kloster 99.
— Sdiönbrunn 94, 99.
— Stephanskirche 99.
— Theresianum 88.
— Ung. Ministerium
156.
Wilhelm von Oranien
67, 76, 80.
Wilhelmstal, Schloß 146
Wolverhampton 78.
Wren, Christoph. 77, 79,
Würzburg 135, 148,
149, '156.
— Dom 136, 144, 149.
— Juiiushospital 144,
— Residenz 98, 136
bis 144, 146.
— Sammlq. d. Histo-
risdi. Vereins 144.
— Universitätsbiblio-
bibliothek 142.
Xenophon 1.
Zainer 3.
Zainhämmer 3.
Zeugwarter 39.
Zipper, Jakob 155, 156.
Zunftpokal 39.
Zürich 104.
Zwickau, Marienkirche
37.
Zwiefaltcn, Abteikirdie
150.
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