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Full text of "Die schmiedekunst bis zum ausgang des 18. jahrhunderts"

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MONOGRAPHIEN 

DES  KUNSTGEWERBES 

BAND  III:  BRÜNING-ROHDE 

DIE  SCHMIEDEKUNST 

BIS  ZUM  AUSGANG  DES 
18. JÄHRHUNDERTS 

ZWEITE    ERWEITERTE  AUFLÄGE 


MONOGRAPHIEN 

DES  KUNSTGEWERBES 


III. 

BRÜNING-ROHDE: 

DIE  SCHMIEDEKUNST 

BIS  ZUM  AUSGANG  DES 
18.  JAHRHUNDERTS 


VERLAG  VON  KLINKHflRDT  &  BIERMANN  IN  LEIPZIG 


DIE  SCHMIEDEKUNST 

BIS  ZUM  AUSGANG  DES 
18.  JÄHRHUNDERTS 


VON 


ADOLF  BRÜNING 


ZWEITE  ERWEITERTE  AUFLÄGE 


BEARBEITET  VON 


ALFRED  ROHDE-HAMBURG 


MIT  171  ABBILDUNGEN 


484906 

—  m 


1922 
VERLAG  VON  KLINKHARDT  &  BIERMANN  IN  LEIPZIG 


Alle  Rechte  vom  Verleger  vorbehalten 


^  Den  Druck  dieses  Werkes 
^  besorgte  die  Offizin  von 
Julius   Klinkhardt   in    Leipzig 


VORWORT 

Die  NeiiausgabG  eines  Buches,  das  sicli  bewährt  hat,  und  das  jahrzehntelang  das 
Handbuch  der  künstlerischen  Gesdiiclite  des  Sdimiedeeisens  gewesen  ist,  ver- 
pflichtet in  mehrfaclier  Hinsicht.  Der  Verfasser,  der  die  Grundlinien  festgelegt  hatte, 
mußte  bei  aller  notwendigen  Umarbeitung  doch  in  seiner  anerkannten  Leistung  be- 
stehen bleiben.  Das  Gefühl  der  Pietät  bindet  den  Neubearbeiter,  aber  es  kann  ihn 
nur  zwingen,  das  unangetastet  zu  lassen,  was  die  wissenschaftliche  Stärke  des  Buches 
immer  ausgemacht  hat.  Die  umfassende  Kenntnis  des  Ornamentstichmaterials,  das 
Brüning  in  Berlin  zur  Verfügung  stand,  seine  nahezu  vollständige  Ausnutzung  für 
das  Sclimiedeeisen  hat  die  Behandlung  des  18.  Jahrhunderts  zum  Mittelpunkt  des 
ganzen  Budies  werden  lassen. 

Aber  die  Einstellung  auf  diese  allerdings  höchste  Blütezeit  verkümmerte  alles 
andere.  Die  Entwicklung  der  Barockzeit  war  die  Vorbedingung  und  ist  als  solche 
audi  zur  Geltung  gekommen.  Jedoch  schon  die  Renaissancezeit  war  nur  durch  einige 
Beispiele  vertreten  und  fällt  entschieden  ab.  Sie  spielt  die  Rolle  eines  Auftaktes,  wo 
sie  eigentlich  Abschluß  ist.  Für  die  Geschichte  des  deutschen  Schmiedeeisens  im  18.  Jahr- 
hundert ist  sie  schlechthin  überhaupt  entbehrlich,  da  hier  Gegensätze  vorhanden  sind, 
die  eine  organische  Entwicklung  ausschließen.  Nur  die  französische  Spätrenaissance 
ist  Vorbedingung  für  das  deutsdie  Schmiedeeisen  des  Barock  und  Rokoko,  hier  liegen 
die  Wurzeln  des  architektonisdien  Gitteraufbaues  im  Gegensatz  zur  dekorativen  Flädien- 
aufteilung  der  deutschen  Renaissance.  Wollte  man  daher  auf  die  deutsche  Renaissance 
nicht  ganz  verzichten,  so  war  es  ratsam,  den  Rahmen  weiter  zu  fassen  und  das 
Mittelalter  hineinzuziehen. 

Nur  wenn  man  sidi  zu  diesem  Schritt  entschließt,  kann  man  die  beiden  formalen 
Richtungslinien  im  großen  umreißen:  das  dekorative  Prinzip  in  der  Schmiedeeisen- 
kunst Deutsdilands  bis  zum  Ende  des  17.  Jahrhunderts  und  das  architektonische 
Prinzip  in  Frankreich  (England)  und  im  Deutschland  des  18.  Jahrhunderts.  Diese 
Erweiterung  liegt  auch  im  Sinne  unserer  modernen  Zeit,  die  dem  Mittelalter  ungleich 
näher  und  wahlverwandtcr  gegenübersteht,  als  die  Zeit  um  1900  es  tat.  In  diesem 
weitergesteckten  Rahmen  des  Buches  schien  es  ratsam,  an  Stelle  der  geographischen 
Einteilung  Brünings  die  historisch -stilistische  durchzuführen.  Der  Eisenguß  ist  absicht- 
lich in  dieser  Darstellung  unberücksichtigt  geblieben,  da  er  ein  Kapitel  für  sich  bildet. 

Damit  sind  die  wesentlidien  Punkte  gesagt,  die  sich  die  vorliegende  Neuausgabe 
als  Programm  gesetzt  hat.  Die  Ergänzung  des  Buches  durch  das  Hineinarbeiten 
neuerer  Forschungsergebnisse  bereitete  keine  Schwierigkeiten,  da  solche  kaum  zu 
verzeichnen  sind.  Richtlinien,  die  Paul  F.  Schmidt  in  einem  Aufsatz  „Zur  Geschichte 
des  Eisengitters"  in  „Kunst  und  Kunsthandwerk"  Bd.  XIX,  1916,  S.  127  gab,  sind  in 
dankenswerter  Weise  verarbeitet.  Eine  beachtenswerte  Dissertation  von  Siegfried 
Kracauer,  „Die  Entwicklung  der  Schmiedekunst  in  Berlin,  Potsdam  und  einigen 
Städten  der  Mark  vom  17.  Jahrhundert  bis  zum  Beginn  des  19.  Jahrhunderts", 
Worms  1915,  wurde  ebenfalls  herangezogen  und  gab  audi  Gelegenheit,  einige  Er- 
gänzungen zum  technischen  Kapitel  zu  machen. 

Hamburg,  im  Mai  1922.  Alfred  Rohdc. 


Inhaltsangabe 

Seite 

Vorwort V 

LitcraturnachweisG VIII 

Einleitung:  Technik  des  Schmiedeeisens 1 — 15 

I.  Mittelalter 16—26 

II.  Renaissance 27—42 

III.  Barock 43  —  104 

1.  Frankreidi 43 — 75 

2.  England 76—81 

3.  Deutschland 81  — 104 

IV.  Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreich  ....  105—129 
V.  Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutschland  ....  130  157 
Register 158—160 


LiteraturnadiweisG 

(Ornamentstidifolgen  sind  nur  im  Text  erwähnt.) 


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5 Bde.    Braunschweig  1884- 1903. 

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Deutsdie  Übersetzung  „Die  Sdilösserkunst" 
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Volk  mann.  Alte  Gewerbe  u.  Gewerbegassen. 

Würzburg  1921. 

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des  16.,  17.  und  18.  Jahrhunderts.  Stutt- 
gart 1884. 

Voillet-le-Duc,  Dictionnaire  de  l'ardiitecture 
Fran^aise  Bd.  8.    Paris  1875. 

—  —  Die  Schmiedekunst  nach  Originalen  des 
15.     18  Jahrhunderts.  Berlin  Wasmuth  1884. 


Einleitung 

Technik  des  Schmiedeeisens 

I.  Die  Bearbeitung  des  Schmiedeeisens 

Die  Verwendung  des  Eisens  reicht  bis  in  prähistorische  Zeit  zurück,  wo  wir  eine 
ganze  Periode  nadi  diesem  Material  die  Eisenzeit  zu  nennen  pflegen.  Aber  der 
Rost  hat  die  meisten  Erzeugnisse  zerstört,  so  daß  wir  auch  da,  wo  uns  schon 
literarische  Quellen  oder  greifbare  Vorstellungen  zu  Hilfe  kommen,  nämlich  in  der 
ägyptischen  und  griechisclien  Kullur,  uns  nur  ein  unscharf  umrissenes  Bild  machen 
können^).  Aber  wir  haben  Kunde  von  ausgedehnten  Fundorten,  deren  Schätze  dem 
Altertum  zur  Verfügung  standen.  In  Nubien,  Kordofan,  Sinai,  Palästina,  im  Kaukasus, 
Kappadokien,  Böotien,  Makedonien,  Sardinien,  Spanien  und  in  vielen  anderen  Gegenden 
treffen  wir  E  senerzlager,  die  schon  von  Schriftstellern  wie  Xenophon,  Strabon, 
Plutardi  und  Plinius  erwähnt  werden.  Audi  die  beiden  wichtigen  Eigenschaften  der 
Formgebung,  die  Schmiedbarkeit  und  die  Schweißbarkeit  waren  den  Alten  schon  bekannt, 
wie  wir  audi  bei  Heraclius")  schon  die  Erhärtung  des  Schmiedeeisens  zu  Stahl  durch 
rasches  Abkühlen  erwähnt  finden.  Die  Schmiedbarkeit  besteht  darin,  daß  das  Eisen 
sich  in  rotglühendem  Zustande  durch  Schlag  und  Druck,  also  durch  Hämmern  und 
Walzen  in  beliebige  Formen  bringen  läßt.  Diese  Eigenschaft  ermöglicht  eine  reiche 
plastische  Bildung  des  Schmiedeeisens.  Auf  einem  Vasenbilde'')  (Abb.  1)  finden  wir 
eine  soldic  Schmiede  dargestellt.  Daß  es  sich  dabei  um  die  Bearbeitung  des  Eisens 
handelt,  beweisen  die  gearbeiteten  Werkzeuge,  die  an  der  Wand  hängen:  Doppel- 
äxte, Beil,  Doldimesser,  Scheide,  Schraubet?)  und  Säge.  Ein  gebückter  Mann  hat 
links  aus  einem  niedrigen,  konisch  geformten  Schmelzofen  mit  der  Zange  ein  glühen- 
des Stück  Eisen  herausgeholt,  das  er  auf  einen  Ambos  hält,  während  ein  anderer, 
ebenfalls  nackter  Mann  stehend  mit  über  dem  Kopf  geschwungenem  Hammer,  den 
er  mit  beiden  Händen  festhält,  im  Begriff  ist,  auf  das  zu  schmiedende  Stück  Eisen 
niederzuschlagen.  Rechts  von  dieser  Gruppe  sitzen  zwei  mit  dem  Himation  bekleidete 
Zuschauer,  von  denen  der  eine  Anweisungen  zu  geben  scheint.  Zahlreich  sind  ähn- 
liche Darstellungen  in  der  Antike,  besonders  wenn  es  sich  darum  handelt,  uns  die 
Schmiede  des  Hephästos  vorzuführen,  während  in  der  römisdien  Kunst  besonders 
bei  Sarkophagen  häufig  Putten  und  Eroten  Waffen  schmieden.  Es  ist  sicher,  daß 
auch  die  zweite  Eigenschaft  des  Schmiedeeisens,  die  Schweißbarkeit,  den  Alten  bekannt 
war,  da  sie  von  der  Schmiedbarkeit  nicht  zu  trennen  ist.  Sie  besteht  darin,  daß 
sich  zwei  Stücke  Eisen  in  der  Weißgluthitze  in  eines  zusammenhämmern  lassen, 
ähnlich  wie  man  etwa  zwei  Kügelchen  Wachs  durdi  Kneten  mit  den  Fingern  in  eins 
verwandeln  kann.     Diese  Eigenschaft  gestattet  eine  innige,    höchst  dauerhafte  Ver- 

^)  Vgl.  Blümner,  Tedinologie  und  Terminologie  der  Gewerbe  und  Künste  bei  den  Griedien 
und  Römern,  4.  Band,  Leipzig  1887,  S.  69. 

')  Heraclius,  Von  den  Farben  und  Künsten  der  Römer.     Herausgcg.  von  Ilg.    Wien  1873. 
*)  Attische  schwarzRgurigc  Amphora,  früher  Samml.  Bourgignon,  Neapel,  jetzt  Boston. 
Brüning-Rohde,  Schmiedekunst.  1 


Brüning  -  Rohdc,  Scliiniedekunst. 


bindung  der  clnzclnGn  EiscnteilG  zu  einem  Ganzen.  Über  die  Bearbeitung  des 
Sdimicdceisens  gibt  uns  die  Literatur  der  Griedien  und  Römer  wenig,  Heraclius 
erwähnt  außer  der  Erhärtung  zu  StahP)  durcii  Wasser  oder  durdi  das  „Fett  eines 
brünstigen  Bockes"  nidits.  Aber  Bilder  spredien  dafür  um  so  deutUdier.  Für  das 
Abendländisdie  Mittelalter  fehlen  uns  audi  diese,  aber  wir  dürfen  annehmen,  daß 
die  alte  Tedinik  des  Sdimiedens  und  Sdiweißens  nie  verlorengegangen  ist,  ebenso- 
wenig, wie  vvnr  uns  die  alte  Tedinik  als  wesentlidi  von  der  modernen  Handtedinik 
versdiiedcn  vorzustellen  haben.  Ebenso  wie  der  Vierländer  Bauer  seine  sdimiede- 
eisernen  Huthalter  in  den  Kirdien  oder  der  Tiroler  Bauer  seine  Grabkreuze  bis  ins 
19.  Jahrhundert  liinein  mit  den  einfadisten  Mitteln,  Handhämmern  und  Zangen,  aus 
glühendem  Eisen  auf  dem  Amboß  sdimiedete,  so  arbeiteten  audi  sdion  die  Ägypter, 
die  Griedien,  die  Römer,  so  arbeitete  der  Schmied  des  Mittelalters.  So  kommt  es, 
daß   audi  Theophilus  Presbyter  in   seiner    „Sdiedula   Diversarum  Artium"-)    die  Be- 


flbb.  1.    Schmiedewerkstatt  auf  einer  attischen  sdiwarzfigurigen 
Amphora.    (Museum  Boston.) 

arbeitung  nur  ganz  kurz  streift.  „Das  Eisen",  schreibt  Theophilus,  „wächst  in  der 
Erde,  nach  Art  der  Steine,  es  wird  ausgegraben  auf  ebendie  Weise,  wie  oben  vom 
Kupfer  gesagt  worden,  gebrochen  und  in  Klumpen  geschmolzen,  dann  im  Ofen  des 
Sdimiedes  weich  gemacht  (liquator)-^)  und  gehämmert,  um  zu  einem  jeden  Werk  zu 
taugen."  Wenn  wir  Theophilus  als  mittelalterliche  Quelle  auffassen  dürfen,  so  be- 
stätigt er  noch  für  seine  Zeit,  daß  der  Schlosser  sich  jeden  Stab  und  jedes  Blech, 
das  er  brauchte,  selbst  ausstrecken  mußte.  Er  bekam  das  Eisen  in  der  Form  der 
Rohluppe,  welche  allenfalls  ein  wenig  übergeschmiedet  war,  d.  h.  er  erhielt  das 
Eisen  in  der  rohesten  Form  direkt  aus  dem  Bergwerk.  Wahrscheinlich  erst  mit  der 
Heranziehung  der  Wasserkraft  im  Eisenhüttenwesen  wurde  dem  Schlosser  die  Vor- 
arbeit abgenommen,  die  darin  bestand,  die  Rohluppe  in  handliche  Formen,  Stäbe, 
Schienen,  Bleche  u.  dergl.  zu  verwandeln. 


1)  Pähle.^  Die  Lösdiung  des  Stahles  bei  den  Alten,  Wiesbaden  1885. 

2)  Herausgegeben  von  Ilg,  Quellensdiriften  Bd.  7,  Wien  1874,  Kap.  40,  S,  3^ 

^)  Die  Übersetzung  von  Ilg:    „flüssig  gemacht"   entspricht    nidit  der  Technik,    es  wird  in 
WeiBgluthitze  gebracht,  d.  h.  erweidit. 


I.  Die  Bearbeitung  des  Sditniedeeisens. 


1.  Die  Vorarbeit,  von  der  Rohluppe  zum  schmiedbarGn  Eisen 

Diese  Abtrennung  vollzog  sidi  vermutlich  schon  im  14.  Jahrhundert.  Die  jetzt 
entstehenden  Hammer-  und  Walzwerke  benutzten  die  Wasserkraft  sowohl  zur  Be- 
wegung der  Podiwerke  als  audi  der  Blasebälge  und  großen  eisernen  Sdimiede- 
hämmer.  Mit  den  Eisenhütten,  in  denen  das  Eisen  aus  den  Erzen  gewonnen  wurde, 
wurden  die  Stab-  und  Blechhämmer  verbunden,  in  denen  das  Eisen  in  handliche, 
versdiiedenartige  Stäbe,  Schienen  und  Bleche  verwandelt  wurde.  Außer  den  üblichen 
Eisensorten  ließen  sidi  die  Schlosser  audi  nadi  eingeschickten  Modellen  bestimmte 
Formen,  weldie  öfter  gebraudit  wurden,  auf  Vorrat  anfertigen.  In  den  Stab- 
hämmern wurden  zugleidi  gröbere  Werkzeuge  und  solche  Gegenstände  gefertigt, 
deren  Herstellung  den  Schlossern  mit  ihren  kleinen  Handhämmern  nicht  möglidi 
war,  wie  Anker,  Ambosse,  große  Hämmer,  Pflugscharen,  Zapfen  und  Ringe  zu 
Mühlrädern  usw. 

Diese  Hammerwerke  erfüllten  auch  den  Zweck,  das  Eisen  zu  reinigen  und  zu 
verbessern.  Dies  geschah  besonders  dadurch,  daß  man  die  Rohluppen  zu  Stäben 
ausschmiedete,  mehrere  derselben  zu  einem  Paket  oder  einer  Garbe,  wie  man  es 
nannte,  vereinigte,  diese  zusammenschweißte  und  daraus  einen  Stab  herstellte,  der 
an  Güte  und  Gleichmäßigkeit  der  Textur  die  früheren  Produkte  weit  übertraf.  Denn 
durch  das  wiederholte  Schweißen  und  Schmieden  wurden  nicht  nur  die  Unreinlich- 
keiten,  die  der  Rohluppe  infolge  der  mangelhaften  Gewinnung  aus  den  Erzen  an- 
hafteten, herausgetrieben,  sondern  auch  das  ganze  Gefüge  des  Metalls  wurde  dichter 
und  gleichmäßiger. 

Vielfach  entstanden  auch  besondere,  von  den  Eisenhütten  unabhängige  Hammer- 
werke, die  sogenannten  Reck-  oder  Zainhämmer,  die  von  einem  eigenen  Gewerk, 
den  Zainern,  betrieben  wurden.  Das  Innere  eines  derartigen  Zainhammers  stellt  die 
Abbildung  2  dar').  Die  Hämmer,  drei  an  der  Zahl,  von  verschiedener  Größe,  hängen 
in  einem  aus  kräftigen  Balken  gezimmerten  Gerüst.  Sie  werden  durch  eine  von 
einem  Wasserrade  gedrehte  Welle  bewegt,  an  der  in  radialer  Anordnung  starke 
Zapfen,  sogenannte  Daumen,  befestigt  sind.  Mehrere  derselben  sind  zwischen  den 
Balken  sichtbar.  Diese  Daumen  drücken  auf  das  Ende  des  Hammers  und  heben  ihn 
dadurch  empor,  sobald  ein  Daumen  sich  infolge  der  Drehung  der  Welle  wieder  ent- 
fernt hat,  fällt  der  Hammer  durch  seine  Schwere  nieder,  um  sogleich  wieder  vom 
folgenden  Zapfen  ergriffen  und  emporgehoben  zu  werden.  Der  Zainer  braucht  also 
bloß  das  Eisen  unter  den  Hammer  zu  halten  und  darauf  zu  sehen,  daß  derselbe 
immer  die  richtige  Stelle  trifft. 

Der  große  Umfang,  weldien  die  Verwendung  des  Eisens  im  17.  und  18.  Jahr- 
hundert annahm,  ließ  dann  auf  weitere  Hilfsmittel  sinnen,  dem  rohen  Eisenstück 
möglidist  schnell  handliche  Formen  für  die  weitere  Verarbeitung  zu  geben.  Man 
erfand  zu  diesem  Zwecke  die  Walz-  und  Schneidewerke.  Schon  Lionardo  da  Vincis 
allumfassender  Geist  hatte  den  Plan  zu  einem  Walzwerk  entworfen.  1532  beschreibt 
Eobanus  Hessus  in  seinem  Gedicht  „Urbs  Norimberga"  eine  Eisenspalterei  mit  Streck- 
und  Schneidewerk,  die  aber  wohl  nur  zur  Herstellung  von  Draht-  und  Nageleisen 
verwandt  wurde.  Auch  in  den  Münzen,  wo  es  besonders  auf  eine  gleichmäßige 
Dicke  und  Breite  der  Flachschienen  ankam,  aus  denen  die  Münzen  geschlagen  werden 
sollten,  finden  wir  schon  im  16.  Jahrhundert  zur  Herstellung  solcher  Flachschienen 
Streckwalzwerke  im  Gebrauch. 


1)  Christoph  Weigel,  Abbildungen  der  Gemein-Nützlichen  Hauptstände  von  denen  Regenten 
und  ihren  so  in  Friedens-  und  Kriegszeiten  zugeordneten  Bedienten  an  bis  auf  alle  Künstler 
und  Handwerker,  Regensburg  1698. 


Briininc]  -  Rohdc,  Sdiiiiiedekunst. 


Gegen  Ende  des  17.  Jahrhunderts  scheinen  die  zunädist  in  kleinen  Maßstäben 
arbeitenden  Eisenspaltereien  allmählidi  größeren  Umfang  gewonnen  zu  haben. 
1685  erbot  sidi  ein  gewisser  Johann  Friedridi  Müller,  eine  Eisensdineidemühle  auf 
dem  Harz  anzulegen,  auf  der  man  unter  anderem  sdion  Eisenstäbe  zu  Hufeisen  bis 


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Hbb.  2.    Zainhammer.     (Ch.  Weigel,   Abbildung  der  Gemein- 
Nützlichen  Hauptstände,  Regeniburg  1698.) 

zu  12  Fuß  Länge  herstellen  konnte.  Die  erste  Abbildung  einer  soldien  Eisenspalterei 
aus  der  Gegend  von  Lüttidi  bringt  das  Werk  von  Swedenborg  De  Ferro  aus  dem 
Jahre  1734.  Von  Lüttidi  sollen  nadi  Swedenborgs  Angabe  diese  Eisenspaltereien 
nadi  Deutsdiland  und  England  verbreitet  worden  und  audi  in  Sdiweden  in  Gebraudi 
gekommen  sein. 

Eine  ansdiaulidie  Darstellung  soldier  Schneidewerke  bringt  sodann  der  3.  Tafel- 
band   der    großen    französischen   Enzyklopädie    von   Diderot   und    d'Älembert   vom 


I.  Die  Bearbeitung  dos  SdiiuiedeGiscns. 


Jahre  1773  (Abb.  3),  Im  Hintcrcirunde  erscheint  der  große  Glühofen,  in  welchem  die 
Eisenstäbe,  die  gestreckt  und  dann  zersclinitlen  werden  sollen,  zunäclist  erhitzt  werden. 
Ein  Arbeiter  nimmt  mit  der  Zange  das  glühende  Eisenstück  aus  dem  Ofen  heraus 
und  läßt  es  zwisclien  zwei  Walzen  hindurchgehen,  welche  sich  in  derselben  Weise 
bewegen  wie  die  Walzen  einer  Wäscherolle.  Beim  Durcliziehen  durcli  die  Walzen 
wird  das  Eisenstück  sowohl  düimer  und  breiter  als  auch  bedeutend  länger.  Die  so 
gestreckte  Flachschienc  wird  dann  von  dem  Manne,  der  auf  seine  Zange  gestützt 
dasteht,  ergriffen,  über  das  Walzwerk  seinem  Genossen  auf  der  anderen  Seite 
hinübergercicht  und  geht  dann,  nocli  in  glühendem  Zustande,  durch  die  Schneide- 
walzen, von  denen  sie  in  dünne  Stäbe  zerschnitten  wird.    Die  Drehung  der  Walzen 


Abb.  3.    Eisenspalterei  (Diderot  et  d'Alembert,  Encyclopedie,  1773,  Plandies,  III,  125). 

gesdiieht  durch  Mühlräder.  Um  die  bei  der  Arbeit  sich  erhitzenden  Walzen  ab- 
zukühlen, ist  eine  Leitung  eingerichtet,  welche  ständig  Wasser  in  die  siebartigen 
Schalen  oberhalb  der  beiden  Walzenpaare  führt,  von  wo  aus  es  in  Tropfen  auf  die 
Walzen  herabfällt.  Jede  der  Schneidewalzen  (Abb.  4)  besteht  aus  mehreren  stählernen 
Scheiben,  welche  in  Zwisclienräumen,  die  der  Dicke  der  Scheiben  gleich  sind,  neben- 
einander auf  einer  Welle  befestigt  sind.  Indem  die  Scheiben  der  oberen  Schneide- 
walze zwischen  die  Scheiben  der  unteren  greifen,  wirken  sie  wie  die  Schneiden 
einer  Schere  und  zerlegen  die  zwischen  sie  gebrachte  Eisenplatine  in  einzelne  schmale 
Stäbe,  deren  Breite  der  Dicke  der  Schneidescheiben  entspricht,  während  ihre  Höhe 
von  der  Stärke  der  eingeschobenen  Platine  abhängt.  Die  Anzahl  der  auf  diese  Weise 
hergestellten  Stäbe  ist  gleich  der  Summe  der  Scheiben  beider  Walzen  weniger  zwei. 
Es  gab  auch  Eisenspaltereien,  bei  denen,  wie  bei  der  im  Werke  von  Swedenborg 
abgebildeten,    die  beiden  Walzenpaare  nidit  nebeneinander,    sondern  hintereinander 


Brüniiig -  Rohdc,  Sdimiedekiinst. 


lagen,  so  daß  die  gestredde  Eisenscliicnc  direkt  zwisdien  die  Sdineidewalzen  gebradit 
werden  konnte,   das  lästige,    einen  besonderen  Arbeiter    erfordernde   Herüberreidien 

der  gestrediten  Sdiiene  infolgedessen 
fortfiel.  Die  Strcdtwalzen  wurden  nicht 
nur  in  Verbindung  mit  den  Schneide- 
walzen, sondern  auch  für  sich  allein 
zur  Herstellung  flacher  Eisensorten 
und  von  Blechen  verwandt.  In  der 
noch  näher  zu  besprechenden  „Art  du 
serrurier"  von  Duhamel  du  Monceau 
von  1767  werden  die  von  den  Walz- 
werken angefertigten  Flachschienen 
wegen  ihrer  regelmäßigen  Gestalt  als 
besonders  braudibar  hervorgehoben. 
Auch  Walzwerke  zur  Gewinnung 
von  Stäben  von  verschiedenen  Quer- 
schnitten kamen  im  Laufe  des  18.  Jahr- 
hunderts auf.  Schon  1728  erhält  der 
Engländer  John  Payne  ein  Patent 
für  ein  Faqonwalzwerk.  Auch  der 
Schwede  Christoph  Polhem  erwähnt 
1746  in  seinem  „Patriotischen  Testa- 
ment" Walzwerke  zur  Herstellung  von 
Stäben  verschiedenen  Durchschnitts, 
Teilen  von  Schlössern  und  Schlüsseln. 
Ein  Pariser  Schlosser  namens  Cho- 
pitel')  errichtete  zu  Essone  bei 
Corbeil  ein  derartiges  Walzwerk,  das  am  28.  Januar  1751  von  einer  Kommission  der 
französisdien  Akademie  der  Wissenschaften  geprüft  wurde,  es  ist  ebenfalls  in  der  Enzy- 
klopädie abgebildet(Abb.5). 
Dieses  Fac^onwalzwerk  un- 
terscheidet sich  von  dem 
Streckwalzwerk  insofern, 
als  in  die  obere  Walze 
eineumlaufende  Vertiefung 
eingegraben  ist,  und  zwar 
von  der  Form,  welche  dem 
Stabe  mitgeteilt  werden 
soll.  Ließ  man  nun  einen 
glühenden  Stab  durch  die 
Mitte  der  beiden  Walzen 
gehen,  so  wurde  er  nicht 
nur  seiner  Lage  nadi  ge- 
streckt, sondern  er  erhielt 
auch  das  in  die  obereWalze 
eingeschnittene  Profil.  In 
der  Abbildung  ist  die  obere 

Walze  noch  besonders  für  sich  dargestellt.     Darunter  ist  ein  Stück  der  Welle,  welche 
die  untere  Walze  bewegt,    sowie  die  Kuppelung   der  Welle  und  Walze  abgebildet. 

^)  Siehe  Duhamel  du  Monceau,  Rrt  du  serrurier  1767,  S.  64. 


Abb.  4.  Sdineidewalzen  der  in  Abb.  3  dargestellten 

Eisenspalterei  (Diderot  et  d'Alembert,  Encyclopedie, 

1773.  Planches  III,  140). 


Abb.  5.    Fa^onwalzwerk   (Diderot  et  d'Alembert,    Encyclopedie, 

1773,  Planches  III,  137). 


1.  Die  Bearbeitung  des  Sdiiiiiedeeisens. 


Im  19.  Jahrhundert  sind  dann  diese  Walzwerke  bedeutend  vervollkommnet  wor- 
den. Die  Einführung  der  Eisenbahnen  um  1830  und  der  dadurdi  hervorgerufene 
kolossale  Verbraudi  von  Eisensdiienen  gab  den  Anstoß  dazu.  Der  größte  Teil  des 
Stabeisens  wird  jetzt  in  den  Walzwerken  hergestellt.  Die  Profile  sind  meistens  in 
beide  Walzen  je  zur  Hälfte  eingesdinitten,  man  nennt  diese  Vertiefungen  Kaliber; 
da  GS  in  der  Regel  nidit  möglidi  ist,  sofort  bei  einem  einmaligen  Durdiziehen  durdi 
ein  Walzenpaar  dem  Stabe  die  gewünsdite  Form  zu  geben,  so  pflegt  man  mehrere 
Walzenpaare  hintcreinanderzustellen,  deren  Kaliber  allmählidi  zu  der  endgültigen 
Form  hinüberführen.  Auf  diesen  Walzwerken  werden  nidit  nur  die  Rohsdiienen 
sowie  die  versdiiedensten  Sorten  des  Stab-  und  Profileisens,  sondern  audi  Zierformen 
allerlei  Art,  weldie  in  die  Walzen  eingesdinitten  sind,  hergestellt. 

2.  Die  Techniken  des  Kunstschmiedens 

Während  die  Vorarbeit  demnadi  im  Laufe  der  Jahrhunderte  sidi  wesentlidi  ver- 
ändert hat,  ist  dagegen  die  weitere  Verarbeitung  des  Sdimiedeeisens  zu  künstlerisdien 
Zwedien,  abgesehen  von  einigen  besonderen  Zierverfahren,  zu  allen  Zeiten  ungefähr 
dieselbe  gewesen.  Audi  die  Werkzeuge  haben  sidi  nur  wenig  in  den  letzten  Jahr- 
hunderten verändert.  Wenn  audi  die  moderne  Masdiine  mandierlei  Handleistungen 
untergeordneter  Art  übernommen  hat,  weldie  der  Sdilosser  früher  mit  mangelhaften 
Instrumenten  auszuführen  pflegte,  z.  B.  Bohrungen,  so  sind  dodi  die  Werkzeuge, 
mit  denen  die  eigentlidie  Formgebung  des  Sdimiedeeisens  sidi  vollzieht,  fast  genau 
dieselben  geblieben.  Eine  ansdiaulidie  Vorstellung  von  der  Einriditung  einer  Sdimiede- 
werkstatt  und  die  widitigsten  Arbeiten  des  Sdimiedes  im  18.  Jahrhundert  gibt  uns 
eine  ausführlidie  Abhandlung,  weldie  auf  Anregung  der  französisdien  Akademie  der 
Wissensdiaften  1767  herausgegeben  worden  ist.  Sie  ist  der  Teil  eines  umfangreidien 
Sammelwerkes,  in  weldiem  eine  größere  Anzahl  von  Handwerken  und  Industrien 
besdirieben  werden.  Die  Akademie  hatte  anfangs  Reaumur,  den  Erfinder  des  nadi 
ihm  benannten  Thermometers,  mit  dieser  Aufgabe  betraut.  Reaumur  hinterließ  nadi 
seinem  Tode  nur  Brudistüd^e  einzelner  Abhandlungen.  Dieses  Material  wurde  dann 
1759  samt  200  Kupfertafeln,  die  sdion  fertiggestellt  worden  waren,  versdiiedenen 
Gelehrten  zur  Herstellung  der  „Dcscriptions  des  arts  et  metiers"  übergeben.  Duhamel 
du  Monceau  unternahm  u.  a.  audi  die  „Arts  du  serrurier",  weldie  1767  heraus- 
kam, während  der  größere  Teil  der  darin  enthaltenen  Kupferstidie  aus  den 
Jahren  1716  und  1717  stammen.  Das  ganze  Sammelwerk  ersdiien  seit  1762  in 
einer  deutsdien  Übersetzung  unter  dem  Titel  „Sdiauplatz  der  Künste  und  Hand- 
werke", herausgegeben  von  dem  Nationalökonomen  Joh.  Heinr.  Gottlieb  von  Justi. 
Das  Budi  Duhamel  du  Monceaus  wurde  von  Damiel  Gottfried  Sdireber  unter  dem 
Titel  „Die  Sdilösserkunst"   übersetzt. 

Die  erste  Tafel  des  Werkes  gibt  die  Einriditung  einer  Sdimiedewerkstatt  und 
die  widitigsten  Werkzeuge  des  Sdilossers  wieder  (Abb.  6).  Links  im  Hintergrunde 
ersdieint  der  Herd,  dessen  Feuer  durdi  zwei  Blasebälge  in  die  zum  Erhitzen  des 
Eisens  nötige  Glut  gebradit  wird.  Zwei  Lehrjungen  bewirken,  indem  sie  an  Ketten 
ziehen,  die  Bewegung  der  Bälge.  Ungefähr  in  der  Mitte  des  Raumes  steht  ein 
großer  Amboß  mit  reditedciger  Bahn,  an  dem  der  Meister  selbst  arbeitet.  Er  hält 
mit  einer  Zange  ein  glühend  gemadites  Eisenstüdi  und  bezeidinet  durdi  Aufsdilagen 
des  Hammers  die  Stellen,  auf  weldie  die  Sdiläge  der  von  den  beiden  Gesellen  ge- 
handhabten großen  Hämmer  fallen  sollen.  An  einem  zweiten  Amboß  mit  zwei 
Hörnern  ist  ein  anderer  Geselle  im  Begriff,  mit  Meißel  und  Hammer  einen  Eisenstab 
in  zwei  Teile  zu  zerlegen,    Redits  daneben  führt  ein  Mann  an  einem  großen  Sdiraub- 


8  Brüniiig-Rohdc,  Sdimicdekunst. 


Stock    eine  Vernietung    aus.     Vier    andere   Gehilfen    arbeiten    an    der  Werkbank  vor 
den  Fenstern  und  links  im  Vordergrunde  mit  Feilen. 

Unter  der  Werkstatt  sind  eine  große  Anzahl  Werkzeuge  des  Schlossers  dar- 
gestellt, zunädist  einige  Ämboßc  (Fig.  1 — 6)  von  verschiedener  Größe  und  Gestalt. 
Die  kleineren  wurden  entweder  in  eine  besondere  Öffnung  eines  der  großen  Amboße 
eingezapft  (Fig.  2  b)  oder  in  einen  Sdiraubstod^  eingespannt.  In  Fig.  7 — 12  sind 
Hämmer,  in  17 — 23  Zangen  mannigfaltiger  Form  und  in  51—56  große  und  kleine 
Feilen  abgebildet.  Zum  Festhalten  des  zu  bearbeitenden  Eisenstücks  dienen  die 
Sdiraubstöcke  (Fig.  48,  49).  Der  betreffende  Gegenstand  wird  in  die  Backen  der- 
selben, die  sidi  zusammenschrauben  lassen,  eingespannt.  Sie  werden  an  dem  Werk- 
tisch, wie  aus  der  Darstellung  ersichtlidi  ist,  befestigt.  Ein  kleiner  Schraubstock  zum 
Handgebraudi,  Handsdiraube  oder  Feilkloben  genannt,  ist  in  Fig.  50  abgebildet. 
Feine  Gegenstände  bringt  man  nicht  direkt  zwischen  die  Backen  des  Schraubstockes, 
da  sie  durch  das  Gebiß  derselben  beschädigt  werden  könnten,  sondern  sie  werden 
von  Kluppen  festgehalten  (63  66),  die  man  in  die  Mäuler  der  Schraubstöcke  ein- 
spannt. In  der  hölzernen  Kluppe  63  wurden  polierte  Stücke  befestigt.  Unentbehr- 
lidie  Werkzeuge  sind  alsdann  die  Meißel  (Fig.  45—47,  62  u.  63).  Sie  dienen  zum 
Abtrennen,  Aushauen  und  zum  Einhauen  von  furchenartig?n  Vertiefungen.  Die  Sefz- 
hämmer  und  Setzmeißel  (41 — 44)  werden  mit  der  breiten  Bahn  oder  der  Schneide 
auf  das  Arbeitsstück  gesetzt,  auf  das  andere  Ende  wird  dann  mit  dem  Hammer 
aufgeschlagen.  Will  man  ein  Eisenstück  mit  viereckigen  oder  runden  Löchern  ver- 
sehen, so  bedient  man  sich  zur  Erweiterung  derselben  der  Dorne.  Vier  von  ver- 
schiedener Gestalt  sind  in  Fig.  30  —  33  abgebildet.  Unter  den  zu  durchlochenden 
Gegenständen  legt  man  beim  Einhauen  der  Löcher  sog.  Lochringe  (71  u.  72)  oder  ein 
Eisen  von  der  Form  des  in  Fig.  73  dargestellten.  Anstatt  der  mannigfaltigen  modernen 
Bohrapparate  ist  hier  nur  die  primitive  Bohrrolle  (Fiedelbohrer)  vorhanden.  Dieselbe 
besteht  aus  drei  Teilen,  zunächst  einem  ovalen  Brett  mit  Handgriff  (58),  auf  dem  ein 
Eisenband  mit  kleinen  Vertiefungen  angebradit  ist.  Dieses  setzte  sich  der  Schlosser, 
wenn  er  ein  Lodi  bohren  wollte,  auf  die  Brust,  stellte  in  eine  der  Aushöhlungen 
das  untere  Ende  des  Bohrers  (57),  das  andere  Ende  mit  der  Schneide  richtete  er  auf 
die  Stelle,  wo  das  Loch  gebohrt  werden  sollte.  Die  Drehung  des  Bohrers  geschah 
nun  in  der  Weise,  daß  der  Schlosser  die  Schnur  des  Bogens  (59)  um  die  Rolle  des 
Bohrers  schlang  und  dann  den  Bogen  auf-  und  abwärts  bewegte,  so  daß  die  Rolle 
samt  dem  Bohrer  sich  herumdrehte.  Übrigens  gab  es  außer  diesem  Instrument  auch 
nodi  andere  Bohrer,  welche  aber  auch  nicht  viel  vollkommener  waren.  Von  den 
übrigen  Werkzeugen  ist  nodi  die  Sprenggabel  (60)  zu  erwähnen.  Mit  ihr  biegt  man 
Eisenstäbe,  indem  man  sie  vermittels  des  Hakens  festhält.  Außerdem  bedarf  der 
Kunstschmied  nodi  verschiedenartiger  Meßinstrumente,  von  denen  hier  zwei  Zirkel 
(37  u.  38),  ein  Zollstab  (34)  und  Winkelmaße  (35  u.  36)  abgebildet  sind.  Zum  Be- 
dienen des  Feuers  sind  endlich  Kohlenschaufeln  (26  u.  27),  ein  Löschspieß  (25),  ein 
Schüreisen  (2^)  und  ein  Löschwedel  (29)  zum  Anfeuchten  der  Kohlen  erforderlich. 

Die  Arbeit  des  Kunstschmiedes,    der  mit  den  eben   beschriebenen  Werkzeugen 
arbeitet,  war  dreifacher  Art.     Sie  bestand 

1.  in  den  Verfahren,  wodurdi  eine  weitere  Formveränderung  des  Materials 
erzielt  wird,  nämlich  das  Schmieden,  Treiben,  Gravieren,  der  Eisenschnitt 
und  das  Ätzen; 

2.  in  der  Verbindung  der  einzelnen  Teile  zu  einem  Ganzen,  das  Schweißen, 
Löten,  Nieten; 

3.  in  der  farbigen  Behandlung,  das  Tauschieren,  Blauanlaufen,  Überziehen  mit 
anderen  Metallen  wie  Gold,  Zinn  usw.,  und  endlich  die  Bemalung. 


I.  Die  Bearbeitung  des  Sdimiedeeisens. 


flbb.6.  Die  Werkzeuge  des  Schlossers  (Duhamel  du  Monceau,  Art  du  serrurier,  1767,  pl.  1). 


10  Brüiiing-Rolidc,  Sdunicdckunst. 


Unter  den  versdiiedenen  Arbeiten  des  Kiinstsdimiedes  steht  obenan  das  Schmieden 
als  das  dem  Cliarakter  des  Sdimiedecisens  am  meisten  angemessene  Bearbeitungs- 
verfahren. In  der  Rotglut  wird  das  Eisen  so  weicli,  daß  es  sidi  leidit  mit  dem 
Hammer  bearbeiten  und  in  die  versdiiedcnsten  Formen  bringen  läßt.  Durdi  wieder- 
holte Hammcrsdiläge  kann  das  Eisenstüd^  verlängert  oder  verbreitert  werden,  man 
nennt  das  Strecken.  Andererseits  kann  es  aber  audi  verkürzt  oder  verdickt  werden, 
indem  man  das  Arbeitsstück  in  der  Längsriditung  gegen  den  Amboß  oder  einen  be- 
sonderen Klotz  stößt,  oder  indem  man  mit  dem  Hammer  auf  das  Ende  desselben 
kräftig  zusdilägt.  Diesen  Vorgang  bezcidmet  man  als  Stauchen.  Ein  Biegen  des 
Eisenstabes  läßt  sidi  leicht  bewirken.  Ein  Abbiegen  im  rediten  Winkel  erfolgt  durch 
Herumsdilagen  um  eine  Kante  des  Ambosses,  während  runde  Biegungen  an  den 
Hörnern  des  Ambosses,  von  denen  nach  Duhamel  das  eine  eine  viereckige,  das 
andere  eine  runde  Spitze  haben  soll,  ausgeführt  werden,  Hammer  und  Amboß  sind 
hier  also  allein  formgebend. 

Von  den  übrigen  beim  Schmieden  vorkommenden  Handgriffen,  die  natürlich 
höchst  mannigfaltig  sind  und  sich  nidit  in  jedem  Falle  besonders  bezeidmen  lassen, 
ist  das  Sdimieden  in  Gesenken  ein  für  die  Formgebung  des  Eisens  sehr  wichtiges 
Verfahren.  Man  bedient  sich  desselben,  um  einem  Stabe  ein  bestimmtes  Profil  zu 
geben  oder  um  kleine  Zierate,  welche  sich  in  größerer  Anzahl  wiederholen  sollen, 
herzustellen.  Während  die  Gesenke  heutzutage  durch  die  Vorarbeit  der  Walzwerke, 
weldie  Stäbe  mit  den  verschiedensten  Querschnittprofilen  und  allerlei  Zierat  fertig 
den  Sdilossern  liefern,  für  zahlreiche  Formen  entbehrlich  geworden  sind,  spielten  sie 
in  den  früheren  Jahrhunderten  in  der  Schmiedearbeit  eine  große  Rolle.  Ihr  mannig- 
faltiger Gebrauch  im  18.  Jahrhundert  wird  auf  Tafel  IX  (Abb.  7)  der  „Art  du  serrurier" 
von  Duhamel  du  Monceau  erläutert,  in  dem  gezeigt  wird,  wie  der  Schlosser  am 
zweckmäßigsten  Balkon-  und  Treppengeländer  von  der  Art  der  in  Fig.  7  u.  9  ab- 
gebildeten herstellen  kann,  besonders  wie  er  sidi  die  Verfertigung  der  einzelnen 
Zierteile  durch  die  Benutzung  von  Gesenken  erleichtern  kann.  Als  Beispiele  sind 
der  Teil  eines  Balkongitters  (Fig.  9)  und  eines  nach  links  umbiegenden  Treppen- 
geländers (Fig.  7),  welche  beide  dem  Stile  nach  dem  Anfang  des  18.  Jahrhunderts 
angehören,  gewählt.  Um  die  Umbiegung  des  Geländers  richtig  herauszubekommen, 
bediente  man  sidi  eines  gewölbten  Brettes  (Fig.  8),  auf  dem  die  Stäbe  und  Zierteile 
des  Geländers  abgepaßt  wurden,  links  in  der  Werkstatt  ist  ein  Geselle  (Fig.  5)  mit 
dieser  Arbeit  beschäftigt.  Da  die  Gitter  sich  aus  einer  großen  Zahl  gleichartiger 
Formen  zusammensetzen,  so  erleichterte  man  sich  die  Herstellung  dieser  oft  wieder- 
kehrenden Zierteile  durch  verschiedene  Hilfsmittel.  Für  die  C-förmig  gebogenen 
Stäbe  waren  besondere  eiserne  Lehren  vorhanden  (Fig.  10),  an  denen  die  in  Fig.  11 
dargestellten  Schnörkel  gebogen  wurden.  Die  Verbindung  der  Stäbe  zu  einem 
Ganzen  geschah  zum  Teil  durdi  umgelegte  profilierte  Leisten,  die  man  Bunde 
nennt  (Fig.  7N,  9N  u.  a.).  Die  verschiedenen  Teile  eines  solchen  Bundes  sind  in 
Fig.  12  dargestellt,  unter  aa  die  Leisten,  aus  denen  die  Bunde  angefertigt  wurden. 
Fig.  13  gibt  eine  Spannkluppe  zum  Festhalten  der  Bunde  bei  der  Arbeit  wieder. 
Um  nun  das  Profil  dieser  Leisten  herzustellen,  bedient  man  sich  der  Gesenke,  d.  h.  ver- 
stählter  Hohlformen,  welche  auf  dem  Amboß  (Fig.  15  u.  16)  durch  Bänder  befestigt 
werden.  Wird  nämlidi  ein  Eisenstab  glühend  in  das  Gesenk  eingeschlagen,  wie  es 
in  der  Werkstatt  rechts  geschieht  (Fig.  1  u.  2),  so  erhält  er  die  Form  des  eingegrabe- 
nen Profils,  ebenso  wie  glühendes  Siegellack  die  Gestalt  des  in  das  Petschaft  ein- 
gegrabenen Siegels  annimmt.  Um  den  zweiten  Arbeiter  zu  ersparen,  war  zum  Fest- 
halten des  Stabes  auf  dem  Gesenk  zuweilen  noch  eine  Klammer  an  dem  Amboß 
befestigt  (Fig.  161,  k,  1). 


I.  Die  Bearbeitung  des  Sdimiedeeisens. 


11 


Abb.  7.    Das  Schmieden  in  Gesenken  (Duhamel  du  Monceau,  Art  du  serrurier,  1767,  pl.  IX). 


12  Brüning-Rolide,  Sdiiiiicdekunst. 

Audi   bei   der  Verfertigung   der  sidi   wiederholenden   Pflanzenformen  wird  von 
Gesenken  Gebraudi   gemadit.     Die  zum  Sdimud^   der  beiden  Gitterteile  verwandten 
ausgezadden  (Akanthus-)  Blätter  (Fig.  7K  u.  9K)   können  nämlidi  in  folgender  Weise 
ausgeführt  werden.    Zunädist  wird  ein  Stüdt  Bledi  zu  der  in  Fig.  18  u  abgebildeten 
Form  ausgesdinittcn.     Um  sodann  dem  Oberteil  dieses  Blattes  die  Form  zu  geben, 
die  es  in  u.,  und  U:>  hat,  benutzt  man  ein  doppeltes  Gesenk,   ein  Unter-  und  Ober- 
gesenk (Fig.  19ti  u.  t.J.     Leider  gibt  die  Abbildung   keine  gute  Vorstellung,    da  der 
Maßstab  beider  dodi  zusammengehörender  Gesenke  versdiieden  ist.    Audi  sonst  läßt 
die  Zcidinung   sowohl   bei   dieser  wie   bei   anderen  Tafeln   viel  zu  wünsdien  übrig. 
In  dem  Untergesenk  (Quersdinitt  desselben  in  t.,)   ist  die  Form  der  Blattspitze  hohl, 
auf  dem  Obergesenk   erhaben   dargestellt.     Legt   man   nun  die  Spitze  des  Bledies  u 
auf  das  Untergesenk,    setzt  das   Obergesenk  darüber   und  sdilägt   kräftig  mit  dem 
Hammer  auf  dieses,  wie  der  Mann  in  Fig.  3,  so  erhält  das  Blatt  die  in  U2  vorgeführte 
Form.  Man  kann  audi  diese  Form  mit  dem  einfadien  Gesenk  t,  zustande  bringen.  Dann 
gilt  es,  dem  bis  dahin  fladien  Blatte  eine  rinnenförmige  Gestalt  zu  geben,  wie  in  u^. 
Das  erreidit  man  leidit  durdi  Einhämmern  in  das  runde  Gesenk  t.-,.    Die  Umbiegung 
der  Blätter  U|ff.  gesdiieht   mit    Hilfe    der  Gabel  t,,,    in   welche    man    die  Spitze   des 
Blattes  hineinlegt.    Die  wellenförmige  Auszackung  des  Blattes  endlidi  (u,.,  u.  u-)  wird 
aus  freier  Hand  auf  besonderen  kleinen  Ambossen  t^  verrichtet.     Ebenso  werden  die 
Zierknöpfe    des    aus    den    Blättern    hervorwachsenden    Schosses    (Fig.  7  u.  9M)   ver- 
mittels eines  Doppelgesenkes  (Fig.  21)   hergestellt.     Zur  Verfertigung   kleiner   Zierate 
benutzt  man  auch  Doppelgesenkc  in  Form  von  Zangen.    Fig.  200.,  stellt  einen  Palm- 
zweig dar,    der  von  Epheuranken  umwunc'en  ist.     Die  Palmblätter  werden  aus  den 
Bledien  B.,  mit  Benutzung   der  Zangen  A.,-,  geformt.     Die  Schneiden   dieser  Zange 
bilden   nämlich  ein  Ober-  und  Untergesenk  (Querschnitt  in  mangelhafter  Darstellung 
in  A:;).     Die    einzelnen    so    gewonnenen  Palmblätter  werden   dann  zu  mehreren  zu- 
sammengeschweißt und  mit  Nieten  (B^)  am  Zweige  befestigt.     Die  allmähliche  Ent- 
stehung  der  Epheuranken   wird   aus  den  Fig.  Ec,   -  ersichtlich.     Die   übrigen   auf  der 
Tafel  in  Fig.  22—24  dargestellten  Werkzeuge  sind  Bohrwerkzeuge.    Eines  derselben 
wird  von  dem  Manne  Fig.  6  benutzt. 

Einen  wesentlichen  Anteil  an  der  Herstellung  von  Kunstformen  hat  sodann  die 
Treibarbeit,  die  bei  dünnen  Blechen  auch  in  kaltem  Zustande  ausgeführt  werden 
kann.  Auch  hier  mag  eine  Tafel  (XI)  des  Werkes  von  Duhamel  du  Monceau,  weldie 
die  Unterschrift  trägt:  „Reniere  del  1717  Lucas  scul.",  als  Illustration  dienen  (Abb.  8). 
Als  Beispiel  ist  hier  ein  Akanthusblalt  gewählt,  das  in  seiner  vollen  Größe  zunächst 
auf  Papier  vorgezeichnet  (Fig.  8n)  und  dann  auf  Blech  gepaust  wurde,  oder  die 
Papierzeidinung  wurde  direkt  auf  das  Blech  aufgeklebt.  Aus  den  Bledien  wird  es 
darauf  ausgehauen,  und  zwar  in  drei  Stücken  T,  V,  X.  Diese  Teile  werden  ge- 
trieben (To,  V.,,  X.)  und  mit  Nieten  aneinander  befestigt.  Die  endgültige  Form  des 
Blattes  ersdieint  in  Fig.  Y. 

Die  Treibarbeit,  bei  der  das  Eisen  leicht  hart  und  brüchig  wird,  und  das  deshalb 
öfter  ausgeglüht  werden  muß,  gesdiah  zunächst  auf  sogenannten  Untersätzen,  von 
denen  mehrere  in  Fig.  6E — K  abgebildet  sind.  Der  Untersatz  K  dient  als  Lochring, 
L  als  Dorn;  zu  denselben  Zwecken,  nämlich  zur  Herstellung  von  Löchern  oder  kleiner 
grubenartiger  Vertiefungen,  kann  M  gebraucht  werden.  Die  Untersätze  wurden  in 
den  Schraubstock  gespannt  und  dann  das  Blech  mit  Hämmern  (Fig.  7A — D)  bearbeitet. 
Die  verschiedenartige  Form  der  Untersätze  und  Hammerbahnen  kamen  der  Herstellung 
vielfacher  Formen,  Furchen,  runder  und  länglicher  Vertiefungen  usw.  entgegen.  In 
der  Werkstatt  sind  die  beiden  Leute  rechts  und  links  im  Vordergrunde  mit  dieser  Art 
der  Arbeit  beschäftigt.     Die    feinere  Treibarbeit   wird   auf  einem  Holzklotz  (Fig.  12) 


I.  Die  Bearbeitung  des  Sdimiedeeisens. 


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Abb.  8.     Die  Treibarbeit  (Duhamel  du  Monceau,  Art  du  serrurier,  1767,  pl.  XI). 


14  Brüiiinci- Rhode,  Sdimicdckunst. 


oder  besser  auf  Blei  ausgeführt.  Das  auf  den  Untersätzen  vertiefte  Bledi  wird  auf 
der  Rüdtseite  mit  Blei  ausgegossen  und  dann  von  vorn  mit  Punzen  versdiiedener 
Gestalt  (Fig.  16c— h)  bearbeitet.  Zum  Festhalten  des  Bleclies  auf  dem  Holzklotz 
dienen  die  in  Fig.  13  dargestellten  Nägel.  In  der  Werkstatt  treiben  die  beiden 
Arbeiter  in  der  Mitte  auf  Blei.  Handelt  es  sicli  darum,  einen  Gegenstand  herzustellen, 
der  aus  zwei  gleiclien  Hälften  besteht,  wie  der  Akanthuskeldi  Fig.  9  m,  so  kann  man 
beide  Seiten  zugleidi  treiben,  indem  man,  wie  aus  Fig.  9i  ersiditlidi  ist,  zwei  Bledie 
übereinanderlegt  und  sie  dadurdi  vor  dem  Versdiieben  bewahrt,  daß  man  ihre 
Ed<cn  umsdilägt.  Die  in  Fig.  1 1  A — Y  dargestellten  Studie  veransdiaulidien  die  Her- 
stellung einer  großen  eisernen  Vase. 

Außer  durdi  Treibarbeit  kann  audi  durdi  Gravierung  die  breite  Flädic  des 
Eisenbledies  in  kaltem  Zustande  Belebung  erfahren.  Sie  besteht  darin,  daß  mit  dem 
Grabstidiel  eine  Zeidinung  in  den  Grund  vertieft  eingesdinitten  wird.  Mit  dieser 
Tedinik  verwandt  ist  das  Verfahren,  durdi  Einhauen  mit  dem  Meißel  oder  durch  das 
Einsdilagen  von  Punzen  Linien  und  Punkte  hervorzubringen. 

Audi  der  Eisensdinitt  geschieht  ebenso  wie  das  Gravieren  in  kaltem  Zustande. 
Der  betreffende  Gegenstand,  Türklopfer,  Sdilüsselgriff  u.  a.,  wird  zunächst  in  rohen 
Formen  vorgesdimiedet  und  dann  mit  Bohrern,  Meißeln,  Grabsticheln  usw.  weiter 
bearbeitet.  Die  Kunstform  wird  auf  diese  Weise  aus  dem  rohen  Eisenstück  heraus- 
geholt wie  die  Statue  aus  dem  Marmorblock.  Gleichmäßige  Rundungen  werden  auf 
der  Drehbank  ausgeführt. 

Ein  besonderes,  im  16.  Jahrhundert  geübtes  Verfahren,  welches  im  19.  Jahrhundert 
wieder  hier  und  da  aufgenommen  worden  ist,  ist  das  Ätzen.  Es  ist  eine  ähnliche 
Technik,  wie  sie  bei  der  Radierung  in  Gebrauch  ist.  Die  Eisenfläche  wird  zunächst 
mit  dem  sog.  Atzgrund  überzogen,  für  den  es  verschiedene  Rezepte  gibt,  z.  B.  Asphalt- 
Terpentinlack  oder  Wachs  und  Asphalt  zu  gleichen  Teilen  in  Terpentin  aufgelöst. 
Wie  aber  audi  seine  Zusammensetzung  sein  mag,  jedenfalls  muß  er  die  Eigenschaft 
haben,  das  Eisen  vor  dem  Angriff  von  Säuren  zu  schützen.  In  diesen  auf  das  er- 
wärmte Eisen  aufgetragenen  Atzgrund  wird  die  Zeichnung  mit  einem  Griffel  ein- 
geritzt, der  das  Eisen  bloßlegt.  Dann  wird  ein  Rand  von  Wachs  um  die  Platte 
gelegt  und  auf  die  Zeichnung  Atzwasser  gebracht,  welcher  den  freigelegten  Grund 
tief  ätzt.  Als  geeignetes  Ätzwasser  werden  vier  Teile  konzentrierter  Essigsäure,  ein 
Teil  absoluten  Alkohols  und  ein  Teil  konzentrierter  Salpetersäure  empfohlen.  Wird 
schließlich,  nachdem  das  Ätzwasser  genügend  lange  gewirkt,  der  Ätzgrund  entfernt, 
so  steht  die  Zeichnung  vertieft  auf  dem  blanken  Eisengrunde  oder  umgekehrt.  Um 
die  Ornamente  noch  besser  hervorzuheben,  reibt  man  die  Vertiefungen  mit  einer 
sdiwarzen  oder  andersfarbigen  Masse  ein.  Charakteristisch  für  die  geätzte  Arbeit 
sind  die  kleinen  Unregelmäßigkeiten  der  Linien,  welche  nie  so  gleichmäßig  glatt  ge- 
zogen sind,  als  es  bei  der  Gravierung  der  Fall  ist.  Aber  auch  gerade  darin  liegt 
wieder  ein  besonderer  Reiz  der  geätzten  Arbeit. 

Unter  den  Arbeiten  des  Schmiedes,  welche  die  Zusammensetzung  der  einzelnen 
Teile  zu  einem  Ganzen  bezwecken,  steht  obenan  die  Schweißarbeit  als  die  dauer- 
hafteste Eisenverbindung.  Gewöhnlich  werden  die  beiden  Eisenstücke,  welche  an- 
einandergeschweißt  werden  sollen,  an  den  Verbindungsstellen  abgeschrägt  und  diese 
sdirägen  Flächen  beim  Schweißen  aufeinandergelegt.  Da  bei  größeren  Stücken  die 
Sdiweißung  mit  sehr  viel  Schwierigkeiten  verbunden  ist,  so  ersetzt  man  sie  vielfach 
durch  die  kalte  Nietung,  bei  der  die  zu  verbindenden  Teile  durchlocht  und  vermittels 
eines  Nietnagels  vereinigt  werden.  Das  Löten  mit  Kupfer  und  Messing  findet  nur 
selten  Anwendung  und  auch  dann  nur  bei  kleineren  Stücken.  Von  anderen  Eisen- 
verbindungen ist  der  Bund  schon  erwähnt  (S.  10).    Die  Durchschiebung,  bei  welcher 


I.  Die  BoarbeitiiiKj  des  SdiinicdGeisens.  ]5 

der  eine  Stab  durdi  AiifhauGn  gelocht  und  ein  zweiter  diirchsclioben  wird,  ist  ein 
besonders  beliebtes  Verfahren  bei  deutsclien  Gittern  des  16.  nnd  17.  Jahrhunderts, 
aber  audi  sdion  der  Gotik  bei  kantigen  Stäben. 

Der  vornehmste  farbige  Sdiinuck  des  Eisens  ist  die  Tausdiierarbeit,  bei  der 
Gold-,  Silber-,  Kupfer-  oder  Messingteildien  in  das  Eisen  eingelegt  werden.  Ent- 
weder rauht  man  den  Grund  feilenartig  auf,  ein  Verfahren,  das  sdion  Theophilus 
kennt  und  umständlidi  sdiildert,  hämmert  die  ein  bestimmtes  Ornament  bildenden 
Goldteildien  darauf  fest  und  glättet  dann  die  Oberflädie  wieder,  oder  man  graviert 
Linien  in  die  Oberflädie  des  Eiseus  und  sdilägt  dünne  Drähte  des  andersfarbigen 
Metalls  ein. 

Während  die  Tausdiierarbeit  nidit  nur  auf  Eisen,  sondern  audi  auf  Messing 
und  Bronze  vorkommt,  ist  dagegen  die  sog.  Blaumalerei  eine  dem  Eisen  speziell 
eigentümlidie  Dekoration.  Sie  beruht  auf  der  Eigensdiaft  des  polierten  Eisens,  beim 
Erhitzen  anzulaufen  und  versdiiedene,  sdiließlidi  die  blaue  Farbe  anzunehmen.  Man 
läßt  zunädist  die  Flädie  blau  anlaufen,  überzieht  sie  dann  mit  Wadis  und  stellt 
durdi  Abnehmen  desselben  das  erwünsditc  Bild  oder  Ornament  her.  Die  Bläuung 
entfernt  man  von  den  bloßgelegten  Stellen,  indem  man  das  Eisenstüd^  für  eine  kurze 
Zeit  in  eine  sdiwadie  Säure  taudit.  Nadi  dem  Abwasdien  des  Ätzgrundes  steht 
dann  die  Zeidinung  blank  auf  blauem  Grunde  oder  umgekehrt.  Zumeist  wird  die 
Zeidinung  noch  durch  eingravierte  Linien  umsdirieben,  um  sie  schärfer  vom  Grunde 
abzuheben.  Man  kann  auch  die  Zeichnung  aus  dem  blauen  Grunde  ausschaben. 
Soll  ein  Teil  der  Oberfläche  oder  auch  der  ganze  Gegenstand  den  blanken  Glanz 
des  Stahles  erhalten,  so  feilt  man  die  obere  Haut  ab,  schleift  das  Eisen  mit  Schmirgel 
oder  poliert  es  mit  feinem  Pulver. 

Ein  anderes  Mittel,  die  Oberflädie  des  Eisens  zu  veredeln,  besteht  in  dem  Über- 
ziehen mit  anderen  Metallen,  mit  Gold,  Zinn  usw.  Beim  Vergolden  bedient  man 
sich  entweder  der  Feuervergoldung,  bei  der  das  Gold  als  Amalgan  aufgetragen  und 
dann  das  Quecksilber  durch  Erhitzen  verdampft  wird,  oder  der  Blattvergoldung,  bei 
der  das  Gold  in  Blattform  aufgetragen  wird. 

Sowohl  zur  Verfeinerung  der  Oberfläche  wie  zum  Verhüten  des  Rostes  dient 
auch  die  Bemalung  mit  Öl-  oder  Lackfarben.  Während  man  heutzutage  Gitter  und 
andere  Eisenarbeiten  gewöhnlich  schwarz  anzustreichen  pflegt,  liebte  man  in  früheren 
Jahrhunderten  eine  reiche  Vergoldung  und  Bemalung.  Zur  Zeit  der  Renaissance 
prangte  das  Gitterwerk  im  Schmucke  verschiedener  Farben  und  Vergoldung.  Später 
pflegte  man  zumeist  das  Stabwerk  grün  oder  schwarz  anzustreichen,  die  Ornamente 
aber  zu  vergolden,  nicht  nur  in  einfarbigem,  sondern  auch  mehrfarbigem  Golde.  Doch 
machte  man  auch  noch  im  18.  Jahrhundert  von  der  bunten  Bemalung  Gebrauch. 


Kapitel  I 

Mittelalter 

Hatte  im  römischen  KimstgevvcrbG  das  Eisen')  neben  edleren  Materialien  eine  nur 
untergeordnete   Bedeutung,    trat  es   in   den   ersten  Jahrhunderten   unserer  Zeit- 
reciinung  in  Begleitung  der  kriegerisclien  Völkerverscliiebungen  in  den  Dienst  dieser 

Bewegungen  als  Waffenhandwerk,  so 
war  erst  mit  der  friedlichen  Ausbreitung 
und  der  Mission  der  Kirchen  und 
Klöster  an  eine  friedliche  Einstellung 
dieses  Materials  zu  denken.  Die  Denk- 
mäler sind  überaus  spärlich.  Wir  sahen, 
daß  der  Schmied  dieser  Zeit  —  war 
er  wirklicli  schon  Handwerker,  oder 
war  er  noch  Mönch  —  mit  der  müh- 
samen Bearbeitung  der  Rohluppe  be- 
gann, und  daß  ihm  keine  mechanischen 
Werkzeuge  zur  Verfügung  standen.  So 
war  für  ihn  der  Hammer  allein  form- 
gebend und  dementsprechend  die  Ver- 
wendung des  Materials  rein  zweck- 
mäßig. Als  Verbindung  und  Ver- 
ankerung von  Steinquadern  in  der  Art 
einfacher  Klammern,  die  oft  schon  auf 
einer  Seite  gespalten  waren  und  auf 
diese  Weise  dreifach  griffen,  so  finden 
wir  das  Schmiedeeisen  an  romanischen 
Bauwerken  verwendet. 

Die  wichtigste  Verwendung  war 
aber,  ebenfalls  rein  konstruktiv,  die- 
jenige zur  Verstärkung  des  Holzes  als 
Beschlag  an  Türen  und  Toren.  In 
primitiver  Form  ist  das  Ornament  meist 
aus  dem  einfachen  Eisenstab  heraus 
entwickelt:  der  einfache  Stab  gebogen, 
nach  den  Enden  dünner  zulaufend  und 
in  den  Spitzen  spiralförmig  aufgerollt, 
in  reicherer  Form  auch  schon  mit  dem 
Setzeisen  gespalten  und  die  abgespalte- 
ten Teile  ebenfalls  gerollt,  daneben  auch 
mehrere  Stäbe  zusammengeschweißt 
und  wieder  getrennt  oder  gespalten. 
So  war  ein  mannigfacher  Formreichtum  aus  der  Technik  des  primitiven  Werkzugs  heraus 
möglich,  wie  sie  uns  romanisch-gotische  Kirchen  besonders  in  Frankreich  zeigen. 

')  Vgl.  Beck,  Geschichte  des  Eisens,  Braunschweig  1884,  Bd.  I,  S.  837-844.  F.  S.  Meyer, 
Handbuch  der  Schmiedekunst.  Leipzig  1888,  S.  31— 57.  Krauth  u.  F.  S.  Meyer,  Das  Sdilosserbudi, 
Leipzig  1891,  S.  124-127.  Violett-le-Duc,  Dictionnaire  de  l'architecture,  Bd.  VIII,  Paris  1875,  S.  291. 


Abb.  9.    Kloster  Maulbronn,  Südportal. 


Kapitel  I.    Mittelalter. 


17 


In  seiner  konstruktiven  Sdiliditheit  am  anziehendsten  sind  die  Türbeschläge  des 
Südportals  der  St.  Georgenkirdie  zu  Sdilettstadt^).  Reidier  in  der  Ornamenlik,  aber 
auf  den  gleidien  primitiven  Grundlagen  aufgebaut  ist  der  Türbesdilag  am  Südpoital 
des  Klosters  zu  Maulbronn  (Abb.  9),  audi  hier  wirken  nodi  die  aus  einem  Stabe 
gebogenen  C-förmigen  Ornamente  als  formgebend.  In  die  gleidie  Gruppe,  in  Einzel- 
heiten wieder  reidier  ausgestaltet,  gehören  die  Türbesdilägc  der  Kathedrale  von 
Lüttidi,  die  dem  13.  Jahrhundert  angehören  mögen,  während  die  Türbesdiläge  von 
Notre  Dame  zu  Paris  (Abb.  10),    derselben  Zeit   etwa    angehörend,    den  Höhepunkt 


Abb.  10.    Eisenbeschiäga  am  Portal  von  Notre  Dame,  Paris. 


dieser  spätromanisdi-frühgotisdien  Sdimiedeeisenkunst  festhalten.  Dieser  Reiditum, 
aufgebaut  auf  den  primitiven  Tediniken  des  Sdimiedens  und  Sdiweißens,  war  für 
alle  Zeiten  etwas  so  Unerhörtes,  daß  sidi  ein  Kranz  von  Sagen  sdion  früh  spann, 
der  diese  Arbeit  als  leibhaftes  Werk  des  Teufels  hinzustellen  versudite.  Es  sind  an 
an  diesen  Besdilägen  ganze  Bündel  von  Fladistäben  zusammengesdiweißt  und  lösen 
sidi  zu  einem  Strauß  von  Blumen  und  Blättern  auf,  während  die  Sdiwcißstellen 
durdi  Blätter  und  Bänder  möglidist  verded^t  sind. 

Hier  war  das  Äußerste  der  zugrunde  liegenden  primitiven  Tedinik  erreidit:  eine 
Steigerung  war  nur  zu  denken  auf  Grund  neuer  Tediniken.  So  stand  die  Zeit 
gleidisam  sdion  in  Erwartung  von  Neuerungen,    wie  wir  so  oft  erleben,   daß  neue 

1)  Abbildung  vergleiche  Fr.  X.  Kraus,  Kunst  u.  Altertum  im  Unterclsaß,  Straßburg  1876,  S.  277. 
Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst.  2 


18 


Brüninci  -  Rohde,  Sdimicdckiinst. 


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Tcdiniken  Geburten  der  Entwicklungsnotwendigkeiten  sind.  Die  wichtigen  technischen 
Fortsdiritte  dieser  Zeit  sind  einmal  das  Sclimieden  in  Gesenken,  das  vermutlich  auch 
bei  den  Pariser  Türbesclilägen  sdion  verwendet  wurde,  und  zum  anderen  die  kalte 
Nietung,  d.  h.  die  Umgehung  der  mühevollen  Sdiweißung,  die  besonders  bei  großen 
Arbeiten  nidit  immer  auszuführen  war,  oder  die  die  Ausführung  großer  Arbeiten 
unmöglidi  madite.  Daneben  nahm  die  Aussduieidearbeit  aus  Eisenblech  einen  größe- 
ren Raum  ein.  War  vorher  der  Hammer  das  einzige  Instrument  des  Schlossers,  so 
treten   jetzt   die   Gesenke   und   die   Grabstidiel   hinzu.     Die  Folge    dieser  technischen 

Umwälzung,  die  die  größte  in 
der  Gesdiichte  der  Schmiede- 
eisenkunst genannt  werden  darf, 
war  die  meisterhafte  Beherr- 
schung des  Materials  und  die 
größere  Möglidikeit  eines  reiche- 
ren Formreichtums.  Historisch 
begründet  das  die  hervorragende 
Bedeutung  des  Schmiedeeisens 
seit  der  Gotik,  wo  wir  als  Gitter 
oder  Beschläge  immer  das  Eisen 
verwendet  finden,  wo  wir  es 
aber  auch  als  Schlüssel,  Kästen 
und  für  andere  Gegenstände  auf- 
treten sehen. 

Es  kann  hier  nicht  unsere 
Aufgabe  sein,  den  ganzen  Form- 
reichtum gotischer  Beschläge  auf- 
zuzeichnen, so  mag  die  Abb.  11 
nur  einen  kleinen  Aussdinitt 
geben.  Das  namhafteste  Bei- 
spiel eines  großen  Torbesdilages 
ist  der  Beschlag  vom  Nordost- 
portal des  Domes  zu  Erfurt 
(Abb.  12).  Hier  knüpft  die  linke 
Tür  unmittelbar  an  jene  Gruppe 
von  Beschlägen  an,  die  wir  in 
dem  Beispiel  von  Lüttich  oder 
in  höchster  Vollkommenheit  in 
dem  von  Paris  kennen  lernten. 
In  seiner  Verwendung  konstruktiv  sind  die  vertikalen  Eisenleisten  durch  die  sym- 
metrische Anordnung  des  Rankenwerks  stark  betont,  den  gleichen  Meister  erkennen 
wir  unschwer  in  der  Erfurter  Rathausschranktür  (Abb.  13)  wieder.  Anders  ist  die 
rechte  Hälfte  der  Domtür  gestaltet,  hier  liegt  der  Wert  auf  der  dekorativen  Auf- 
teilung der  Fläche.  Ein  textiles  Muster  breitet  sich  gleidisam  auf  einem  Rahmen 
aus,  das,  anstatt  die  vertikale  Gliederung  zu  unterstreichen,  diese  auflöst  und  die 
ganze  Fläche  mit  einem  Gewebe  von  Eisenbändern  überzieht. 

Der  gleiche  lose  Zusammenhang  mit  Textilien  kommt  auch  bei  Gittern  zum 
Ausdruck. 

Wir  haben  in  der  Gotik  eine  große  Gruppe  von  Gittern,  die  lediglich  den 
Zweckgedanken  formal  auswertet.  Das  Gerichtsgitter  in  einem  Bilde  von  Meister 
Franke  (1424,  Abb.  14)  zeigt  einfache,  schräg  gestellte  kantige  Stäbe,  die  durdigesteckt 


Abb.  11. 


Gotisdie  Schrankbeschläge  (Hamburg,   Museum 
für  Kunst  und  Gewerbe). 


K.ipitcl  I.     Mittelalter. 


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Brüniiig-Rohdc,  Sdimiedckunst. 


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Abb.  14.     Meister  Franke,    Ausschnitt   mit  Gitter  aus  der 
Geißelung  Christi  (Hamburg,  Kunsthalle). 


sind,    die  gleidie  Technik,   aus 
der  sidi  Beispiele  auch  noch  aus 
anderen  Gemälden  des  15.  Jahr- 
hunderts    heranziehen     ließen, 
zeigt  eine  Gittertür  von   einem 
Sakramentshaus   im  Hamburgi- 
sdicn   Museum  für   Kunst    und 
Gewerbe    (Abb.  15).     Ein    vor- 
zügliches Beispiel  ist  das  Gitter 
des  Marburger  Elisabethsdireins, 
das  dem  la.  Jahrhundert  ancje- 
hört,   und  dessen  Reiz  noch  in 
der   alten   Bekrönung   aus   aus- 
gesdinittcncm     und     bemaltem 
Eisenblech     besteht     (Abb.  16). 
Diese  einfache  Schrägmusterung 
der  Gitter  von  kantigen  durch- 
gesteckten Stäben  hat  sich  weit 
in    das  17.  Jahrhundert    hinein 
erhalten.     So    zeigt    ein    Korb- 
gittor  aus  Erfurt,  Fischmarkt  27 
(Abb.  17),  das  um  1600  entstan- 
den sein  mag,  diese  überlieferte 
gotischeTedinik  und  Ausführung 
in  Verbindung    mit    reiner   Re- 
naissanceumrahmung   und    Re- 
naissancefüllungen.    Textilartig 
wirkt  dagegen  das  eiserne  Gitter- 
tor in  der  Seitenkapelle  der  St. 
Ulrichskirche  zu  Augsburg,  das 
zusammen    mit    dieser    KapeUe 
der    Familie     Haustätten    1471 
entstanden  sein  mag  (Abb.  18). 
Die  dekorativ  behandelte  Fläche 
ist     zwischen    schmalen    Lang- 
streifen  brokatartig    gefüllt  mit 
einer  Musterung,    wie  wir  sie 
bei  Seidengeweben   dieser  Zeit 
finden. 

Neben  der  konstruktiven 
und  der  mehr  dekorativen  kön- 
nen wir  nun  noch  eine  dritte 
Gruppe  zusammenstellen,  die 
ihre  Formwelt  der  Baukunst 
entlehnt  und  so  das  Material 
als  solches  negiert.  Die  über- 
ragende Bedeutung  der  goti- 
schen Bauschule  hatte  dazu  gc- 
Äbb.  15.   Sakramentshausgiiter  (Hamburg,  Museum  f.  Kunst  ^ührt,  daß  ihr  Einfluß  nicht  nur 


und  Gewerbe). 


den    engeren    Kreis    der    Stein- 


Kapitel  I.     Mittelalter. 


21 


Hbb.  17.    Fenstergitter  (Erfurt,  Fisdimarkt  27). 


Abb.  16.     Gitter  für  den  Elisabethsdirein  (Marburg,  Elisabethkirche). 


22 


Brüning  -  Rohde,  Sdimiedekunst. 


metzen  umfaßte,  sondern  jedes  Kunstgewerbe.  Wir  bcobacliten,  wie  mit  der  Gotik 
ardiitektonisdie  Formen  in  den  Chorgestühlen,  Sdiränken,  Kcldien,  Monstranzen  usw. 
Eingang  finden.  Der  glcidie  Formgedanke  faßt  alles  zusammen.  So  sehen  wir 
audi  beim  Sduniedeeisen  Fialen,  Kreuzblumen,  gotisdie  Spitzbögen,  Fisdiblasen- 
ornamente  und  gotisdie  Kerbsdinittwirkungen  mit  kantigen  Graten  auftreten.  Das 
Sakramentshausgittcr  des  Hamburgisdien  Museums  für  Kunst  und  Gewerbe  (Abb.  19) 
ist  aus  zwei  übereinander  genieteten,  durdibrodienen  Eisenplatten  hergestellt.  Die 
vordere  stärkere  Platte  bildet  den  Körper  des  Maßwerkes  und  die  Stäbe,  die  hintere 
aus  dünnem  Eiscnbledi  gibt  die  Zacken.  In  dem  oben  absdiließendcn  Rundbogen 
zeigt  sidi  eine  Fisdiblasenrosette,    wie  sie  in  der  Architektur  vielfadi  verwendet  ist. 

Das  Sdiloß  der  Sammlung  Figdor- 
Wien  (Abb.  20),  vermutlich  aus 
Frankreich  stammend,  wirkt  im 
kleinen  wie  eine  mächtige  gotische 
Fassade  und  ist  so  sehr  aufgelöst 
in  seine  Architektonik,  daß  seine 
Zweckbestimmung  ganz  versteckt 
ist,  das  eigentliche  Schlüsselloch 
ist  hinter  dem  Schild  mit  den 
drei  heraldischen  Lilien  und  der 
Krone  verborgen.  Der  große 
Kronenleuchter  der  Kirche  in 
Vreden  in  Westfalen  (Abb.  21), 
eine  Arbeit  des  Schmiedemeisters 
Gert  Bulfink,  wurde,  1489  voll- 
endet, von  der  Schmiedezunft 
von  Vreden  der  Kirche  gestiftet; 
er  steckt  der  Form  nach  in  der 
Tradition  der  alten  Ringkrone. 
Zwei  übereinander  liegende  Ringe 
tragen  zwölf  gotische  Tabernakel, 
vom  Fuße  dieser  Tabernakel 
strecken  sich  die  Kerzenträger  vor. 
In  dieses  schmiedeeiserne  Gerüst 
sind  Figuren  aus  Holz,  dar- 
stellend Christus  und  elf  Apostel,  sowie  die  Madonna  auf  der  Mondsichel,  hinein- 
gestellt. 

Gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  trat  zu  dieser  Gruppe  gotischen  Schmiede- 
eisens noch  eine  neue  entsdieidende  Form  hinzu:  der  Aststab,  der  ein  Weg  zum 
Rundstab  der  Renaissance  wurde.  Der  ausgezogene  Eisenstab  wurde  zu  einem 
naturalistischen  Ast  mit  knotigen  Ansätzen  geschmiedet  und  dieser  rankenförmig  ge- 
staltet, die  Flädie  überwuchernd.  Die  Stäbe  wurden  dort,  wo  sie  sich  trafen,  um- 
einander herumgeführt.  Beispiele  sind  weniger  häufig,  hier  sei  ein  Portalgitter  aus 
Hall  in  Tirol  abgebildet  (Abb.  22),  das  zwischen  1500  und  1520  entstanden  sein 
mag.  Wichtig  ist  diese  Gruppe,  da  die  formalen  Vorbedingungen  für  den  kommen- 
den Rundstabstil  hier  schon  gegeben  sind.  Das  berühmteste  Denkmal  dieser  Astgotik 
im  Schmiedeeisen  ist  ein  Brunnen  von  1470  in  Antwerpen,  den  Abb.  23  wiedergibt, 
und  der  früher  als  ein  Werk  des  Malers  Qinten  Massys  irrtümlich  angesprochen 
wurde.     Es  kommt  dafür  ein  Schmied  gleichen  Namens  in  Frage. ^) 

^)  In  Löwen  gab  es  im  15.  Jahrh.  einen  Schmied  Joost  Massys,  in  Antwerpen  einen  Jan  Massys. 


Abb.  18.    Gitter  (Augsburg,  St.  Ulrich skirche). 


Kapitel  I.     Mittelalter. 


23 


Es  mag  an  dieser  Stelle  nodi  etwas  über  den  Handwerker,  der  hinter  den 
Arbeiten  steht,  eingefügt  werden.  Wenngleich  es  in  den  seltensten  Fällen  bei  Eisen- 
arbeiten gelingen  wird,  diese  in  Verbindung  mit  Verfertigernanien  zu  bringen  und 
so  die  Namen,  die  uns  aus  Zunftlisten  bekannt  sind,  immer  nur  neben  und  außer- 
halb bestimmter  Arbeiten  herlaufen  werden,  so  gilt  es  dodi,  sidi  Klarheit  über  das 
Gewerbe')  zu  madien  in  dem  Augenblick,  wo  es  als  soldies  hervortritt,  dies  um  so 
mehr,  als  gerade  das  Gewerbe,  um  das  es  sich  hier  handelt,  durch  seine  Vielseitig- 
keit sehr  kompliziert  ist.  Für  die  Früh- 
zeit mag  nur  erwähnt  werden,  daß  bei 
-*       ^^5ii'f"^__,^^^^^^*^M    den    Germanen    jeder    Handwerker    LeiD- 


Abb.  19.     Sakranientshausgitter  (Hamburg, 
Museum  für  Kunst  und  Gewerbe). 


flbb.  20.    Truhensdiloß  aus  Frankreich 
(Wien,  Sammlung  Figdor). 


eigener  war,  der  aber  höher  geachtet  wurde  als  der  Knecht.  Die  alemannischen 
Gesetze  (um  620)  sehen  für  einen  erschlagenen  Schmied  —  und  das  spricht  zu- 
gleidi  für  die  Stellung  dieses  Handwerkers  —  ein  Sühnegeld  vor,  das  ein  Viertel 
von  dem  eines  Freien  betrug.  Im  gleichen  Werte  standen  nur  die  Bäcker  und  die 
Goldschmiede.  Schon  zur  Zeit  Karls  des  Großen  beobachten  wir  eine  Teilung  des 
Handwerks,  in  seinem  Capitulare  de  villis  werden  neben  den  Grobschmieden  (fabri 
ferrarii)  die  Schildmacher  (Scutatores)  genannt.  Das  war  eine  grundlegende  Tren- 
nung in  solche  Schmiede,  die  dem  friedlichen  Gebrauch,  und  solche,  weldie  dem 
kriegerischen    Gebrauch    des   Eisens    dienten.     Aus    letzteren    entwickelten    sich    die 


')  Vgl.  Berlesdi,  Chronik  der  Gewerke,  St.  Gallen,  Bd.  7;  Grenser,  Zunft -Wappen  und 
Handwerker -Insignien,  Frankfurt  1889,  S.  84;  Volkmann,  Alte  Gewerbe  und  Gewerbegassen, 
Würzburg  1921,  S.  104. 


24 


Bröniiig  - Rohde,  Sdiniiedekunst. 


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Kapitel  I.     Mittelalter. 


25 


Abb.  23.    Brunnen  in  Antwerpen  1470. 


zahlreichen  Zweige  der  Waffenschmiede,  die  sich  dann  wieder  stark  teilten,  u.  a.  in 
Plattner,  Harnischer,  Panzerer,  Rinker,  Helmer  usw.,  ein  Zweig  des  Handwerks,  der 
außerhalb  der  Betrachtung  in  dem  uns  gesteckten  Rahmen  liegt.  Wann  die  eigent- 
lichen Kleinschmiede,  von  den  Grobschmieden  abgesondert,  entstanden,  wissen  wir 
nidit,  das  Amt  der  Schmiede  hat  wohl  meistens  alle  umfaßt.  Schon  1307  heißt  die 
Lübecker  Schmiedestraße  Platea  fabrorum,  und  wir  wissen,  daß  sich  zwischen  1322 
und  1331  24  Schmiede  als  Bürger  in  Lübeck^)  niederließen,  aber  es  wird  nichts  davon 


*)  Warnd<e,  Handwerk  und  Zünfte  in  Lübeck,  1912. 


26  Brüning-Rohdc,  Sdiiniedekunst. 

erwähnt,  um  was  für  SdimiGde  es  sicli  handelte.  In  Frankfurt  begegnen  wir 
sdion  1317  chicm  Cunradus  faber  dictus  scloccre,  und  audi  in  den  Bedebüdiern 
finden  wir  sdion  die  Bczeidinung  sclozer  oder  scrrator,  aber  die  Bezeidinungen 
sdicinen  dodi  mir  sehr  versdiwonunen  zu  sein,  da  die  Bürgerbüdier  sie  lange  Zeit 
nodi  nidit  kennen.  Das  Handwerk  umfaßte  eben  eine  größere  Gruppe,  die  von 
gröberen  Arbeiten  bis  zur  Feinmedianik  reidite  (die  Uhrmadier  gehörten  ebenfalls 
zur  Zunft).  Grenzstreitigkeiten  innerhalb  der  Zunft  sdieint  es  hier  oft  gegeben  zu 
haben;  so  erfahren  wir  aus  dem  Jahre  1773  etwas  über  einen  Streit  zwischen  den 
Potsdamer  Grob-  und  Kleinsdunicden  oder  Sdilössern  über  die  Verfertigung  ver- 
sdiiedener  Arbeiten,  die  in  ihren  Gewerksprivilcgien  nidit  völlig  genau  bestimmt 
waren,  der  viele  Jahre  nadieinander  fortdauerte  und  der  sdiließlich  zuungunsten  der 
Sdilosser  ausfiel,  diese  mußten  sidi  außer  den  Tür-  und  Fensterbesdilägen  besdiränken 
auf  die  Treppengeländer,  die  Stidianker,  die  Dübel  und  Klammern  für  Steinmetzen 
und  die  Rüstkammern  und  Ofeneisen'). 

Innerhalb  der  anderen  Zünfte  hatten  die  Sdimiede  eine  ansehnliche  Stellung. 
In  den  Verhandlungen  über  Streitigkeiten  mit  dem  Stadtregiment  in  Lübeck  zur  Zeit 
der  Reformation  gehörten  sie  zu  den  großen  Ämtern,  die  allein  verhandelten,  es 
waren  dieses  die  Bäd<er,  die  Schmiede,  die  Schneider  und  die  Schuster. 


')  Vgl.  Manger,  Baugesdiiclite  von  Potsdam,  Berlin  und  Stettin,  1789,  III,  61,  und 
Krakauer,  Entwicklung  der  Sdimiedekunst  in  Berlin,  Potsdam  und  einigen  Städten  der  Mark 
vom  17.  bis  zum  Beginn  des  19.  Jatirhunderts,  Worms  1915,  S.  8. 


Kapitel  II 

Renaissance 

Die  Starrheit  der  Zunft,  die  bis  weit  ins  18.  Jahrhundert  hineinreichte,  und  die  sidi 
ewig  glciclibleibenden  Bestimmungen  über  Meisterstücke  waren  nicht  zum  ge- 
ringsten die  Ursache,  daß  audi  eine  Starrheit  in  die  Formwelt  der  künstlerischen 
Gewerbe  einzog,  so  wurde  die  Sprache  der  Gotik  als  Ballast  durdi  Jahrhunderte 
gesdileppt,  und  über  das  Neue  hinaus,  belebt  und  genährt  durch  die  Ausstrahlungen 
einer  hohen  Kunst,  madit  sich  das  Alte  noch  lange  geltend.  Das  ist  besonders 
augenfällig  bei  der  Bearbeitung  des  Sdimiedeeisens.  Die  Gotik  hatte  sdion  alle 
technischen  Möglichkeiten  eingesetzt,  seit  der  Erfindung  der  Gesenke  und  der  kalten 
Nietung  bedeutete  jede  Steigerung  technischen  Könnens  nur  eine  größere  Routine. 
Die  Dimensionen  wuchsen.  Die  Kleinwerke  wie  Sdilösser,  Besdiläge,  Türklopfer  usw. 
treten  etwas  zurüdt  gegenüber  großen  Giftern,  die  uns  in  erster  Linie  die  Formwelt 
der  Renaissance  widerspiegeln.  Wie  sehr  gerade  in  den  Kleinwerken  die  Gotik 
haftet  und  fortlebt,  zeigen  uns  die  Meisterstücke  in  Frankreich.  Hier  hat  drei  Jahr- 
hunderte die  Zunft  an  der  Verfertigung  eines  mit  besonderen  Zieraten  versehenen 
Truhenschlosses  als  Meisterstück  festgehalten,  das  schon  Karl  VI.  1411  im  17.  Artikel 
der  Statuten'),  die  er  den  Sdilossern  gegeben,  verlangte.  Die  gotischen  Ornamente, 
mit  denen  die  Schauseite  der  Schlösser  im  15.  Jahrhundert  geschmückt  worden  war, 
wurden  bis  zum  18.  Jahrhundert  zum  größten  Teil  beibehalten.  Die  Formgebung 
der  figürlichen  Zierate  und  mancher  Einzelheiten  konnte  sich  freilich  der  wechselnden 
Mode  nicht  ganz  entziehen. 

In  der  Art  du  serrurier  von  Duhamel  ist  in  dem  Abschnitt  über  die  Sdilösser, 
welcher  noch  von  Reaumur  selbst  verfaßt  ist,  ein  derartiges  Truhenschloß  auf  der 
Tafel  29  abgebildet,  die  Tafel  ist  im  Jahre  1716  gestochen.  Vielleicht  ist  auch 
Reaumurs  Abhandlung  nicht  viel  später  entstanden.  Nach  des  Verfassers  Angaben 
sei  das  Schloß  vor  mehr  als  AO  Jahren  von  einem  Schlosser  namens  Bridou  an- 
gefertigt, der  zu  den  Ältesten  der  Innung  gehört  habe.  Es  ist  also  wohl  in  den 
letzten  Jahrzehnten  des  17.  Jahrhunderts  entstanden. 

Auch  Jan  Lamour,  der  berühmte  Hofschlosser  des  Königs  Stanislaus  Leszcinski 
in  Nancy,  bildet  in  seinem  Recueil  des  ouvrages  en  Serrurerie  von  1767-)  ein  der- 
artiges Sdiloß  ab,  das  nach  der  Grifform  des  zugehörigen  Schlüssels  zu  Anfang  des 
18.  Jahrhunderts  hergestellt  sein  wird  (Abb.  24).  Nach  Lamour  wurden  auch  noch 
zu  seiner  Zeit  solche  Schlösser,  die  damals  den  sonderbaren  Namen  serrures  ä  la 
moderne  führten,  angefertigt.  Der  Oberteil  des  Mittelstückes  und  die  beiden  Säulen 
bilden  den  Fallriegel,  der,  in  einem  Sdiarnier  laufend  (vgl.  den  Querschnitt),  am  Deckel 
der  Truhe  befestigt  wurde.  Zwischen  den  Säulen  stehen  Johannes  der  Täufer  und 
Moses,  von  gotischen  Spitzbaldachinen  überdacht.  Johannes  weist  auf  das  Kreuzes- 
lamm über  ihnen  hin,  das  ebenfalls  von  einem  Baldachin  überragt  wird.  Unter  dem 
Lamm  ist  auf  einer  besonderen  Platte  das  Kreuz  mit  Marterwerkzeugen  und  Toten- 
schädel angebracht.  Wahrscheinlich  verdeckte  diese  Platte  das  Schlüsselloch,  das  stets 
auf  ähnliche  Weise  gesichert  war.  Durch  den  Druck  auf  eine  Feder,  die  nur  dem 
Besitzer  des  Schlosses  bekannt  war,  sprang  die  Platte  auf.    Lamour  verrät  das  Ge- 

1)  Duhamel  du  Monceau  a.  a.  0.  S.  203. 

"-)  Abbildung  in  La  collection  Spitzer,  Bd.  II,  Serrurerie,  pl.  1. 


28 


Brünitic]  -  Rohdc,  Sdiiiiiedekunst. 


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heimnis  seines  Sdilosses  nidit.  Rings  um  das  Mittelstiick  sind  Füllungen  mit  gotischen 
Maßwerkornamenten  usw.  angebradit.  Im  15.  Jahrhundert')  pflegten  diese  Schlösser 
nidit  selten  mit  zahlrcidicn  Heiligenfiguren  oder  audi  biblisdien  Szenen  geschmückt 
zu  sein.  Beliebt  war  besonders  die  Darstellung  der  Kreuzigung.  Eines  der  schönsten 
Schlösser  dieser  Art  stellt  das  Jüngste  Gericht  dar.  —  Auch  der  bei  Lamour  ab- 
gebildete zugehörige  Sdilüssel,  der  übrigens  mit  den  alten  gotischen  Schlüsseln  in 
der  Form  wenig  gemein  hat,  ist  besonders  kunstvoll  gearbeitet.  Der  Griff  zeigt  in 
der  Mitte  eine  Rosette,    die  von  Maßwerkornamenten  umgeben  ist,    als  Verbindung 

mit  dem  Rohr  dient  ein 
kapitälartiges  Ornament. 
Der  Bart  ist  mit  14  Ein- 
strichen versehen, 
anderen  Schlüsseln 
der  Bart  außer  mit 
sen  Zähnen  auch 
mit  zahlreichen  Durch- 
brechungen versehen,  de- 
nen natürlidi  in  der 
Schlüsselhülse  Führungen 
von  gleichem  Querschnitt 
entsprechen  müßten.  Nach 
den  Mitteilungen  Rcau- 
murs  betrug  die  geringste 
Anzahl  der  Durchbrediun- 
gen  sieben,  sie  konnten 
aber  bei  den  Bewerbern, 
die  kein  besonderes  Vor- 
recht, wie  etwa  die  Söhne 
von  Meistern,  besaßen, 
bis  auf  21  erhöht  werden. 
Gewöhnlich  pflegte  man, 
wenn  mehrere  Gesellen 
zu  gleicher  Zeit  sich  be- 
warben, jedem  eineDurdi- 
brechung  mehr  wie  seinem 
Vorgänger  zu  geben.  Die  Arbeit  an  einem  solchen  Schlosse  dauerte  ein  bis  zwei 
Jahre.  Da  das  Ganze  nur  darauf  hinauskam,  möglidist  viele  von  der  Bewerbung 
um  das  Meisterrecht  abzuschrecken,  so  wurden  nach  Reaumur  durch  eine  Bestimmung 
vom   20.  Juli  1699  andere,  leichtere  Meisterstücke  den  Gesellen  auferlegt. 

Ähnlich  wie  bei  diesen  Schlössern  steht  es  bei  den  Beschlägen.  Neben  Arbeiten, 
die  mit  der  Zeit  schreiten,  laufen  hier  viele,  die  in  erstarrter  Formwelt  das  Alte 
ewig  neu  schaffen,  und  so  gehören  manche  Beschläge,  die  gotisch  anmuten,  schon 
dem  16.  und  17.  Jahrhundert  an  und  leben  schließlich  in  mancher  Volkskunst,  z.  B,  in 
Tirol,  noch  weit  in  das  18.  Jahrhundert  hinein. 

Aber  Beschläge  und  Schlösser  werden  seit  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts 
seltener.  Die  Sitte,  die  Türen  und  Kastenmöbel  mit  breiten  Bändern  und  reich  aus- 
gebildeten Schlössern  und  Griffen  auszustatten,  ist  fast  ganz  verschwunden.  Nur 
bei  der  Truhe  wird   in   einzelnen   Gegenden,    wie  Westfalen  oder  Holstein,    der  die 


Abb. 24.  Truhensdiloß  ausLamour,  Recueildesouvrag.  enserrurerie. 


*)  Vgl,  audi  das  Sdiloß  der  Sammlung  Figdor  Abb,  20. 


Kapitel  II.    Renaissance. 


29 


ganze  Oberfläche  überspinnende  Eisenbesdilag  beibehalten  (Abb.  25),  er  lebt  hier 
in  bäuerliclien  Werkstätten  bis  ins  18.  Jahrhundert  hinein.  Außerhalb  dieser  bäuer- 
lidien  Produktion  wird  das  Sdiloß  jetzt  zumeist  völlig  im  Holzwerk  verborgen. 
Nadi  außen  tritt  es  fast  nur  in  dürftigen,  meist  aus  Messing  gearbeiteten  Sdilüssel- 
sdiildern  in  die  Ersdieinung.  Und  dodi  sorgten  die  Satzungen  der  Zünfte,  die  als 
Meisterstüdt  in  der  Regel  ein  kunstvolles  Sdiloß  verlangten,  daß  das  Sdiloß  nodi 
immer  mit  einem  gewissen  Reiditum  von  Ornamenten  versehen  ward.  Der  Haupt- 
wert  bei  diesen  als  Meisterstüd^e  gearbeiteten  Vorhänge-  und  Kastensdilössern  wurde 
freilidi  weniger  auf  den  äußeren  Sdimudt  als  auf  den  kunstvollen  Versdiluß- 
medianismus  gelegt,  in  dem  die  Sdilüssel  und  Sdilösser  sehr  kompliziert  gestaltet 
wurden.  Die  Sdilösser, 
sonst  außen  siditbar  und 
ein  ornamentaler  Faktor 
des  Ganzen,  lagen  daher 
jetzt  meistens  im  Innern 
und  füllten  den  ganzen 
Boden  eines  Ded^els  einer 
kleinen  Truhe  aus,  wie 
beispielsweise  bei  den  ge- 
ätzten kleinen  Kästdien,  die 
in  Augsburg  oder  Nürnberg 
hergestellt  wurden.  Audi 
bei  den  bekannten  Mann- 
kästdien  ist  der  Medianis- 
mus  der  Sdilösser  ein  tedi- 
nisdies  Kunstwerk.  Kunst- 
fertigkeit tritt  hier  an  die 
Stelle   von  Kunstsdiaffen. 

Die  eigentlidie  Glanz- 
leistung der  Renaissance  lag  auf  dem  Gebiet  des  großen  Gilters.  Und  hier  gab  die 
Gotik  kein  Vorbild,  denn  der  kantige  Stab  der  Gotik  in  Verbindung  mit  der  kalten 
Nietung  erlaubte  immerhin  nur  einen  ärmlichen  Formreichtum.  Nichts  ist  daher  formal 
so  wesentlidi  wie  der  Übergang  zum  Rundstab;  wir  sahen,  wie  die  Astgotik  um  1500 
schon  die  Vorbedingungen  für  diesen  technischen  Weg  gab. 

Erst  der  Rundstab  machte  das  Material  geschmeidig  und  biegsam.  Der  Über- 
gang vollzog  sich  im  16.  Jahrhundert.  Man  setzte  das  Gitter  aus  Rundstäben  zu- 
sammen, welche  sidi  mannigfach  verschlangen.  Dort,  wo  zwei  Stäbe  sich  begegneten, 
wurde  der  eine  durchbohrt,  der  andere  durch  die  so  entstandene  Öffnung  durch- 
gcsdioben.  So  entstand  ein  Gitter,  das  Festigkeit  und  Leichtigkeit  zugleich  besaß. 
In  der  Ornamentik  lassen  sich  zwei  Gruppen  scheiden.  Die  eine  hat  eine  mehr 
naturalistische  Gestaltung,  indem  z.  B.  die  ganze  Komposition  einer  Gitterfüllung  als 
eine  große,  aus  einer  Vase  herauswachsende  Pflanze  aufgefaßt  wird,  deren  Zweige 
sich  in  regelmäßig  gezogenen  Spiralen  nach  den  Seiten  ausbreiten  und  mit  ihren 
Blättern,  Blüten  und  Früchten  die  Fläche  füllen.  Diese  pflanzenartigen  Bildungen 
gehen  offenbar  auf  das  Rankenwerk  der  Kleinmeister  wie  Aldcgrevcr,  der  Behaim  u.  a. 
zurück.  Die  zweite  Gruppe  verwendet  mehr  lineare  Motive  und  lehnt  sich  an  die 
süddeutschen  Kaligraphen  des  16.  Jahrhunderts  an,  deren  Urvater  Dürers  Maximilians- 
gebetbuch ist.  Ein  beliebtes  Ziermotiv  beider  Gruppen  ist  die  Spindelblume.  Ein 
spindelförmig  gewundener  Draht  bildet  das  Mittelstück,  um  weldies  dünne  gebogene 
Rundstäbe  oder  schmale  schilfförmige  Blätter  im  Kreise  angeordnet  sind.    Das  Ganze 


Abb.  25.  Truhe  (Kunst-  u.  Industrieausstellung  zu  Kopenhagen  1879). 


30  Brüning-Rohdc,  Sdimiedekunst. 


stellt  eine  Phantasicblumc  mit  Fiuditknotcn,  Staubfäden,  Blüten-  oder  Keldiblättern 
dar.  Die  Spindclbliimen,  über  einem  Holzkern,  der  später  ausgebrannt  wird,  ge- 
sdimicdet,  kommen  als  Sdimudt  der  durdisdiobcncn  Rundstäbe  innerhalb  des  Gitters 
vor,  oder  sie  dienen  als  freie  Endigungen  und  sind  dann  zumeist  nidit  senkredit 
gestellt,  sondern  nadi  außen  geneigt,  wie  von  ihrer  eigenen  Sdiwere  herabgezogen. 
Die  ganze  Zusammensetzung  des  Gitters  bringt  es  mit  sidi,  daß  man  immer  nur 
verhältnismäßig  kleine  Füllungen  herstellt,  aus  denen  dann  wieder  größere  Gitter 
gebildet  werden. 

Die  Verwendung  des  Rundstabes  ist  das  formale  Moment,  das  die  ganze 
deutsdie  Renaissance  belierrsdite,  das  in  der  Zeit  des  Äkanthusbarodt  nodi  fortlebt 
und  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  in  konservativer  Art  noch  hin  und  wieder  auftritt. 

Wir  werden  sehen,  wie  die  Entwicklung  in  Frankreich  ganz  andere  künstlerische 
Wege  in  der  gleidien  Zeit  geht.  Man  beobaditet  in  Deutschland  trotz  des  spielerischen 
Reizes  der  geschwungenen  Linie  eine  gewisse  formale  Eintönigkeit,  über  die  man 
nidit   hinauskommt.     Es   ist,    als   ob   in   der  Blütezeit  deutschen  Kunstgewerbes   das 


Abb.  26.    Oberliditgitter,  1559,  Sadisen   (Hamburg,  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe). 

Schmiedeeisen  stiefmütterlich  behandelt  wird.  Dazu  wütete  während  des  17.  Jahr- 
hunderts in  Deutschland  der  dreißigjährige  Krieg,  und  es  bedurfte,  als  die  Friedens- 
boten des  Jahres  1648  eine  bessere  Zeit  verkündeten,  vieler  Jahrzehnte,  bis  die 
Wunden,  die  der  Krieg  geschlagen,  wieder  geheilt  waren.  Auch  aus  diesem  Grunde 
heraus  dürfen  wir  für  die  erste  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts,  in  der  die  französische 
Sdimiedekunst  sich  sdion  glänzend  betätigte,  von  Deutschlands  Schmiedekunst  nur 
wenig  erwarten.  Man  hatte  notwendigere  Dinge  zu  tun,  als  Paläste  und  Kirchen 
zu  erbauen  und  mit  kostbaren  Gitterwerken  zu  schmücken. 

Die  Datierungen  stoßen  auf  Schwierigkeiten.  Ornamentstiche  stehen  hier  für  das 
Sdimicdeeisen  nicht  zur  Seite,  so  daß  die  Eintönigkeit  des  Typs  in  Verbindung  mit 
dem  Konservatismus  des  Handwerks  Datierungsschwankungen  zwischen  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  und  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  bedingen.  Das  zeigen 
uns   schon   die   urkundlich   oder  durch   andere  Umstände  fest  zu  datierenden  Stücke. 

Wohl  das  früheste  Renaissancegitter  ist  ein  1559  datiertes  und  mit  den  Besitzer- 
budistaben  B.  S.  bezeidinetes  Oberliditgitter  im  Hamburgischen  Museum  für  Kunst 
und  Gewerbe  (Abb.  26);  es  stammt  aus  Sachsen.  In  der  Mitte  sind  sdiräg  gekreuzte 
Stäbe,  von  denen  Ranken  mit  flachen  Blumen  auswachsen.  1560  ist  ein  Brunnen 
am  kleinen  Ring  in  Prag  datiert  (Abb.  27).     Aus  dem  Datierungsjahr  stammt  jedoch 


Kapitel  II.     Renaissance. 


31 


flbb.  27.    Brunnen  am  kleinen  Ring  in  Prag. 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


wohl  nur  der  Unterbau,  die  Streben  mit  den  Spindelblumen  und  den  aus  Eisenblech 
geschnittenen  Engeln,  während  die  Bckrönung  erst  dem  Ende  des  17.  Jahrhunderts 
anzugehören  sclieint.  Der  Unterbau  zeigt  kantige  Diagonalstäbe  mit  Durchstechungen 
und  Kreisen,  Herzen  und  Vierpässe  an  den  Kreuzpunkten  in  Rundstäben,  hier  noch 
konstruktiv  als  Verstärkung  der  Kreuzpunkte  verwandt.  Ebenfalls  eines  der  frühesten 
Beispiele,  um  1570  entstanden,  ist  das  herrliche  Gitter  vom  Grabmal  Maximilians  I. 
in  der  Hofkirdie  zu  Innsbrud^  (Abb.  28). 

Die  Jahreszahl  1576  trägt  im  Rathaus  zu  Lüneburg  das  prächtige  Gitter  (Abb.  29), 
das  die  Öffnung  eines  dunklen  Raumes  nach  der  Rathausdiele  hin  abschließt.  Die 
zusammengesetzten  Felder  sind  durch  Spiralen,  die  in  Spindelblumen  endigen,  gefüllt, 
die  Pfeilerstäbe,    zwisdien  denen  oben  ebenfalls  Spiralen  die  Verbindung  herstellen. 


Abb.  28.    Umfriedigungsgitter  des  Maximiliansgrabes  in  der 
Hofkirche  zu  Innsbruck,  um  1570. 


gehen  in  reiche  Blumen  über.  Auf  den  Türfeldern  des  Gitters  befindet  sich  das 
geschmiedete  Wappen  der  Stadt  Lüneburg  und  die  Jahreszahl  1575,  darunter  der 
Name  des  Herstellers,  des  Schlossers  Hans  Rüge. 

Etwa  ein  Jahrzehnt  später,  1587,  ist  das  alte  Gitter  des  schönen  Brunnens  in 
Nürnberg  (Abb.  30)  hergestellt');  auch  hier  sind  wir  in  der  glücklichen  Lage,  außer 
der  genauen  Datierung  auch  den  Namen  des  Schlossers  nennen  zu  können.  Der 
gotische,  dem  14.  Jahrhundert  angehörende  Brunnen  war  ursprünglich  mit  einem  ein- 
fachen Gitler  aus  diagonal- durchgesteckten  Vierkantstäben  umgeben,  das  nach  oben 
hin  gotische  Abschlüsse  gehabt  haben  muß,  1587  wurde  der  inzwischen  arg  zer- 
fallene Brunnen  wieder  hergestellt  und  auch  das  Gitter  erneuert.  Die  Idee  des 
diagonalen  Unterbaues  übernimmt  der  Schlosser  von  dem  alten  Gitter,  er  verwendet 
hier  daher  ebenfalls  kantige  Stäbe,  das  geschah  auch  sonst  hin  und  wieder,  Fenster- 
vergitterungen arbeitete  man  bis  fast  ins  18,  Jahrhundert  hinein  in  dem  Rautenmuster 
der  diagonal  durchgesteckten  Vierkantstäbc  gotischer  Zeit.     Ein  Beispiel  dafür  ist  das 

*)  Vgl,  Bergau,  R.,  Der  Schöne  Brunnen  zu  Nürnberg,  Berlin  1871, 


Kapitel  II.    Renaissance. 


33 


■schon  auf  Seite  20  erwähnte  Korbgitter  aus  Erfurt  am  Hause  Fisdimarkt  27,  das 
um  1600  entstanden  sein  mag  (Abb.  17,  S.  21),  oder  ein  Gitter  aus  dem  südlichen 
Querscliiff  der  Rostod^er  Marienkirdie,  das  ebenfalls  die  gotisdien  Diagonalstäbe  für 
den  Unterbau  verwendet  (Abb.  31).  Eine  Handhabe  für  eine  besonders  frühe  Datierung, 
<iie  Annahme  etwa  eines  Übergangsstiles,  ist  hiermit  nicht  gegeben.    Bei  dem  schönen 


Abb.  29,    Gitter  im  Lüneburger  Rathaus,  Geriditsgang,  von  Hans  Rüge,  1576, 


Brunnen  in  Nürnberg  wurde  der  Schlosser  anscheinend  durch  das  alte  Gitter  zu 
-seinem  Unterbau  geführt,  auf  dem  er  seine  Renaissancebekrönung  mit  Spiralen, 
kaligraphischen  Schnörkeln  und  großen,  fast  grotesk  wirkenden  Pfeilerblumen  an- 
bringt. „Viel  schöner  und  künstlidier  als  es  ihm  angedingt  worden"  hat  der  Augs- 
burger Schlosser  Paulus  Kuhn  es  hergestellt,  weshalb  man  ihm  über  den  Kontrakt 
hinaus  1  Kreuzer  mehr  für  das  Pfund  Eisen  zahlte,  102  Zentner  47  Pfund  soll  das 
Gitter  gewogen  und  854  Gulden  soll  der  Schlosser  dafür  erhalten  haben.  Außerdem 
wurde  das  Gitter  reich  vergoldet,  was  weitere  400  Gulden  kostete.  Ein  Stich  des 
17,  Jahrhunderts,  den  der  bekannte  Kunsthändler  und  Verleger  Paulus  Fürst  heraus- 

Brüning-RohdG,  Sdimiedekunst.  3 


34 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


gab,  gibt  uns  eine  Vorstellung  von  dem  Brunnen  mit  dem  Gitter.  Der  Mann,  der 
i'm  Vordergrund  an  dem  Gitter  emporklettert,  bewegt  einen  eingeschmiedeten  Ring  — 
Spielereien,  wie  die  Sdilosser  sie  oft  bei  großen  Arbeiten  anbrachten,  um  einen 
Beweis  ihrer  tedinisdien  Gesdiiddidikeit  zu  geben  — ,  der  zu  den  Merkwürdigkeiten 

und  Wahrzeichen  der  Stadt  Nürn- 
berg wurde.  Der  Zeit  der  Romantik 
und    Neugotik    vom    Anfang    des 
19.  Jahrhunderts    blieb    es   vorbe- 
halten,   zu    der    „Erkenntnis"    zu 
kommen,    daß    „der   obere,    sehr 
reiche,    in    Formen    des   16.  Jahr- 
hunderts ausgebildete  Teil  zum  Stil 
des  Ganzen  nidit  zu  passen  schien 
und  durch  sein  dicht  versdilungenes 
Eisenwerk  einen  Teil  des  Brunnens 
verdeckte".    Man  nahm  diesen  Teil 
daher  ab  und  ersetzte  ihn  „durch 
eine  neue,  einfachere  Bekrönung  mit 
gotischen  Formen",  die  der  Schlos- 
ser Pickel  1 823  fertigte,  das  bis  dahin 
reich  vergoldeteGitterwurde  damals 
mit  schwarzer  Ölfarbe  angestrichen. 
1646    ist    ein    Taufsteingitter 
datiert,  das,  aus  Erfurt  stammend, 
sich     heute     im     Thüringerwald- 
Museum  befindet  (Abb.  32).    Audi 
für   dieses    Gitter   lassen    sich    die 
Meister  feststellen.  Das  Gitter  stand 
früher  als  Einfassung  des  16'-l0  ge- 
stifteten Taufsteins  in  der  Prediger- 
kirche, es  umgibt  den  Taufstein  im 
Zehneck.      Die    Felder    sind    mit 
Spiralen,    kaligraphischen  Schnör- 
keln   und    in    Eisenblech    ausge- 
schnittenen   Masken    und   Figuren 
gefüllt.  Auf  den  Eisenblechen  haben 
sich    neben    anderen    die   Meister 
Hans  Schuhes  und  Daniel  Reichart, 
zwei  Erfurter  Schlosser,  mit  ihren 
Handwerksabzeichen    und   Namen 
gezeichnet.    1649  ist  das  Gitter  an 
der  Lorenzkirche  in  Nürnberg  da- 
tiert (Abb.  33),  das  im  unteren  Teil 
vertikale  kantige  Stäbe  aneinander- 
reiht und  die  Bekrönung  der  einzel- 
nen Vertikalfelder    dreieckig    oder 
durch    Eselsbogen    begrenzt    und 
diese  mit  Spindelwerk  füllt,  wäh- 
rend   es   die    Pfeiler    für    sich   in 
Blumen  endigen  läßt. 


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Abb.  30.    Kupferstich  „Der  Schöne  Brunnen  in  Nürnberg" 
Paulus  Fürst  excudit.    (Nürnberg,    German   Museum). 


Kapitel  II.    Renaissance, 


35 


Abb.  31.    Gitter  der  Marienkirche  in  Rostock. 


Abb.  32.    Taufsteingitter,  1646  (Erfurt,  Thüringerwald- Museum) 


36 


Briininci-Rohde,  Sdiriiiodckunst. 


Abb.  33.    Gitter  an  der  Lorenzkirchc  in  Nürnberg,  bez.  1649. 


Abb.  34.    Gitter  des  St.  Floriansbrunnens  zu  Salzburg. 


Kapitel  II.     Renaissance. 


37 


Erst  1687,  also  über  100  Jahre  nadi  dem  Maximiliansgrabnial,  entstand  das 
Gitter  des  Floriansbrunnens  in  Salzburg  (Abb.  34).  Es  zehrt  nocli  von  denselben 
Spiralen  kaligraphischer  Art  und  läßt  die  Trennungspfeiler  in  eine  offene  Blume  sich 
auswadisen.  An  dem  Salzburger  Brunnengilter  sind  wie  an  dem  Erfurter  Gitter  aus 
Blech  geschnittene  Wappen  und  Figuren,  Einhörner,  Engelsköpfe  und  mehrfach 
wiederkehrend  ein  drachentötender  St.  Georg  und  St.  Martin,  wie  er  dem  Bettler 
die  Hälfte  seines  Mantels  sdienkt,  angefügt.  Die  Innenzcidinung  ist  bei  diesen  Blech- 
zieraten durdi  Bemalung  gegeben.  Es  lebt  hier  also  nodi  die  gotische  Tedinik  des 
Blcchausschneidens  fort,  die  wir  in  einem  besonders  schönen  Beispiel,  dem  Sdirein- 
gitter  der  Elisabethkirche  von  Marburg 
(Abb.  16,  S.  21)  kennen  lernten,  eine  Tedi- 
nik, die  die  französisdie  Kunst  des  1 7.  Jahr- 
hunderts nidit  mehr  geübt  hat,  weil  sie 
das  schmiedeeiserne  Gitter  ganz  anders 
aufbaute.  Die  Arbeit  an  dem  Salzburger 
Brunnen  wurde  nach  hartem  Kampf  mit 
dem  Stadtsdilosser  Wolf  Hapadier,  der 
die  Ausführung  als  sein  gutes  Recht  be- 
anspruchte, vom  Rat  der  Stadt  dem 
Schlosser  Wolf  Guggenberger  übergeben. 
Als  das  Werk,  das  Guggenberger  nadi 
eigenem  Entwurf  fertigstellte,  vollendet 
war,  wurde  es  zur  öffentlichen  Besiditi- 
gung  auf  dem  Tanzboden  des  Rathauses 
aufgestellt,  und  der  ganze  Rat  der  Stadt 
kam  zusammen,  um  die  Arbeit  zu  prüfen. 
Man  war  so  zufrieden  damit,  daß  man 
statt  der  ausgemachten  10  Pfennig  für  das 
Pfund  Eisen  12  Pfennig  bewilligte.  So 
erhielt  Guggenberger  für  das  982  Pfund 
schwere  Gitter  49  fl.  24  Pf.,  dazu  1  fl. 
Trinkgeld  für  den  Gesellen.  Das  Gitter 
wurde  bemalt,  und  zwar  die  Stäbe  grün, 
die  Rosetten  und  Bünde  golden,  die 
Wappen  usw.  in  ihren  natürlichen  Farben. 
Der  Maler  verlangte  40  fl.  dafür,  er  er- 
hielt aber  nur  28,  erst  als  er  noch  die 
Engelsköpfe  vergoldete,  bekam  er  noch 
14  fl.  dazu. 

Weitere  Gitter  dieser  Art  sind  das  Grabmal  der  Königin  Anna  im  Dom  zu  Prag, 
das  Gitter  der  Fugger  in  der  Ulrichskirche  zu  Augsburg,  das  Denkmalgitter  des  Kur- 
fürsten Moritz  zu  Freiberg  in  Sachsen,  1662  ist  ein  Gitter  in  der  Benediktinerkirche 
zu  Lambach  datiert,  1666  ein  Glockenstuhl,  der  sidi  in  Wiener  Privatbesitz  be- 
findet (Abb.  35),  1678  das  Umfassungsgitter  der  Bosseschen  Grabkapelle  in  der 
Marienkirche  zu  Zwickau,  die  Jahreszahl  1696  trägt  ein  Weihkerzenständer  im  South 
Kensington  Museum  zu  London,  und  mit  1726  ist  schließlich  ein  Kirchhofkreuz  ausLauingen 
im  bayrischen  Nationalmuseum  zu  München  datiert.  Die  Kirchhofkreuze  der  Tiroler 
Gegend  bewahren  diesen  Stil  bis  ins  Ende  des  18.  Jahrhunderts  in  volkstümlicher  Form. 

Auch  bei  anderen  Gegenständen,  Wandarmen,  Beleuchtungskörpern  usw.,  wird 
die   Ornamentik  mit  Gittermotiven   oft  bestritten.     Dieses  Fortleben  des   Gitters   aus 


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Abb.  35.    Glodtengestell,  bez.  1666 
(Wien,  Privatbesitz). 


38 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


dem  16.  Jahrhundert  darf  man  also  nicht  nur  für  das  Gitter  im  eigentlichen  Sinne 
annehmen,  sondern  audi  für  alle  anderen  Gegenstände,  die  ihre  wesentlichste 
Dekoration  dem  Gitterwerk  entlehnen. 

Neben  dieser  älteren  Form  des  Renaissancegitters  mit  glatten  Rundstäben  tritt 
zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  eine  neue  Bildung  auf,  die  ebenfalls  bis  ins  dritte 
Jahrzehnt  des  18.  Jahrhunderts  hinein  weiterlebte.  Das  Rundeisen  mit  Durchzügen 
in  scliön  gezogenen  Spiralen  und  kalligraphischen  Schnörkeln  wird  beibehalten.  Dort 
aber,  wo  sidi  mehrere  Stäbe  abzweigen,  also  an  den  Scliweißstellen,  wird  die  Ver- 
bindungsstelle durdi  gravierte  oder  vielmehr  eingehauene  Ornamente,  welche  zumeist 
pflanzenartige  Formen  darstellen,    verziert.     An  anderen  Stellen  wachsen  die  Stäbe 


flbb.  36.    Gitter  in  der  Georgskirdie  zu  Prag. 


zu  größeren  phantastischen  Gebilden,  Greifen  und  ähnlichen  aus,  die  ebenfalls  mit 
eigenartiger  Innenzeichnung  versehen  sind.  Häufig  erinnern  die  eingehauenen  Orna- 
mente in  ihren  weichlichen,  verschwommenen  Zügen  an  die  Formen  des  Ohrmuschel- 
ornaments. Eines  der  frühesten  Beispiele  dieser  Art  von  Gitterwerk  stellt  ein  Grab- 
kreuz auf  dem  Friedhof  zu  Alfdorf  bei  Nürnberg  von  1614^)  dar.  Ebenfalls  in  diese 
Gruppe  gehört  die  Bekrönung  des  Prager  Brunnengitters  vom  kleinen  Ring  (Abb.  27, 
Seite  31).  Wohl  eines  der  spätesten  Beispiele  ist  das  Gitter  der  alten  Kapelle  in 
Regensburg  vom  Jahre  1726'-).  Sie  lassen  sich  in  allen  Gegenden  Deutschlands  von 
Zürich    bis    Königsberg    und    Schleswig    nachweisen.     Ein    besonders    schönes   Gitter 


»)  Die  Sdimiedekunst  nadi  Originalen  des  XV.— XVIII.  Jahrhunderts.  Berlin,  E.  Wasmuth 
1887,  Tafel  41. 

*)  Roeperu  Bösdi,  Gesdimiedete  Gitter  des  XVI.— XVIII.  Jahrhunderts  aus  Süddeutsdiland. 
MCndien,  Tafel  35  u.  36. 


Kapitel  II.     Renaissance. 


39 


dieses  Typus  bildet  den  Absdiluß   einer  Gruft  in  der  Georgskirche  am  Hradschin  in 
Prag  (Abb.  36). 

Während  hier  und  bei  ähnlichen  Arbeiten  der  Rundstab  nodi  zum  größten  Teil 
seine  glatte  Form  beibehalten  hat,  sind  bei  anderen  Werken  die  Stäbe  flach  ge- 
schmiedet und  völlig  mit  eingeschlagenen  Ornamenten  bedeckt,  wie  bei  dem  „Schönen 
Brunnen "  inNeiße  (Abb.37). 
Auf  einerSteinbrüstung  er- 
hebt sich  eine  zylindrisdie 
Eisenlaube  mit  einem  Kup- 
peldach. Die  geschlossene 
Laube  ist  hier  an  die  Stelle 
der  früher  üblichen,  auf 
Pfeilern  emporgehobenen 
Baldachine  getreten.  Der 
Brunnen  wurde  von  dem 
Konsul  Kaspar  Naar  ge- 
stiftet und  1686  vollendet. 
Die  mittlere  Bandschiene 
trägt  die  Inschrift  „  Ao  1686 
aus  Belieben  eines  lob- 
lichen Magistrates  machte 
midi  Wilhelm  Helleweg 
Zeugwarter".  Unter  Zeug- 
warter  ist  jedenfalls  einer 
zu  verstehen,  dem  die  Auf- 
sicht über  das  städtische 
Zeughaus  oblag.  Helle- 
weg war  also  wahrschein- 
lich zugleidi  Sdilosser  und 
Büdisenmacher. 

Auch  der  im  bayri- 
schen National -Museum 
aufbewahrte  Zunftpokal 
in  Gestalt  eines  großen 
Schlüssels  vom  Jahre  1680 
(Abb.  38),  der  aus  einer 
Zunftstube  der  Schlosser 
in  Unterfranken  stammt, 
zeigt  eine  verwandte  Or- 
namentik. An  den  Bügeln, 
welche  vom  Griff  zum 
Rohr  überführen,  sind  acht 
Figürchen  angebracht,  von 
denen  vier  die  Abzeichen  der  Gewerke  tragen,  welche  zu  der  Zunft  gehörten,  näm- 
lidi  Schlüssel,  Büchse,  Winde  und  Uhr.  Auch  als  Aushängeschild  wurden  ähnliche 
Schlüssel  angefertigt. 

Der  flächenartige  Charakter,  den  das  Stabwerk  in  der  Umgestaltung,  wie  es  z.  B. 
bei  dem  Brunnen  zu  Neiße  auftritt,  angenommen  hat,  gestattete  auch  eine  leichte 
Übertragung  dieser  Ornamentik  auf  Beschläge,  Türklopfer,  Schloßbleche  u.  a.  Die 
meisten   dieser  Arbeiten   sind  allerdings  roh  und  unerfreulich.     Sie  sind  mehr  oder 


Abb.  37.     Der  „Schöne  Brunnen"  in  Neiße. 


40 


Brüiiiiig  - Rohdc,  Sdimiedekunst. 


weniger  eine  Vergröberung  und  Entartung  der  Formen  des  16.  Jahrhunderts.  Auch 
hier  läßt  sidi  die  Entstchungszeit  der  erhaltenen  Sclimiedewerke  nur  dann  bestimmen, 
wenn  die  betreffenden  Stücke  auf  irgendeine  Art  datiert  sind.  So  ist  die  Zeit  der 
hübsdicn  Griffe  und  Sdilüsseisdiilder  an  den  Sakristeisdiränken  der  Kirche  zu  Ober- 
mardital  in  Bayern  durdi  die  an  den  Sdiränken  angcbradite  Jahreszahl  1672  festgelegt. 

Außerhalb  von  Dcutsdiland   sdiwingt  sidi 

die  Sdilosserkunst    im  16.  Jahrhundert    nur    in 
Spanien  zu  besonders  stattlidien  Leistungen  auf- 


Abb.  38.   Zunftpokal  im  bayrisAen  National- 
musGum  in  München. 


flbb.  39.  Laterne  am  Palazzo  Strozzi 
in  Florenz. 


Die  eigentümliche  Einrichtung  der  spanisdien  Kathedralen  erforderte  eine  weitgehende 
Verwendung  von  Gitterwerk.  Der  Coro  (Chor)  mit  den  Sitzen  der  Geistlichkeit  be- 
findet sich  als  ein  für  sich  abgeschlossener  Raum  im  Mittelsdiiff.  Um  nun  den  Geist- 
lichen den  Anblick  des  Hauptaltares  in  der  Capilla  major  zu  gestatten,  ist  die  Seite 
des  Chors  nadi  dem  Altarraum  hin  durch  ein  hohes  Gitter  abgegrenzt.  Ein  noch 
größeres  und  schöneres,  oft  bis  zu  15  Meter  Höhe  ansteigendes  Gitter  erhebt  sidi 
vor  der  Capilla  major,  andere  kleinere  vor  den  übrigen  Kapellen.  Auch  eiserne 
Kanzeln  kommen  in  Spanien  vor.  Die  in  der  Waffensdimiedekunst  großgezogene 
Treibarbeit  findet  dabei  in  umfangreichem  Maße  Anwendung. 

In  Italien  lassen  kostbarere  Stoffe,  Marmor  und  Bronze,  das  Schmiedeeisen  —  von 
der  Waffenschmiedekunst  abgesehen  —  nicht  so  sehr  zu  Worte  kommen.    Als  ver- 


Kapitel  II.    Renaissance. 


41 


€inzGltc  Leistungen  virtuoser  Technik  stellen  sidi  die  Laternen  und  Fackelhalter  des 
Palazzo  Strozzi  in  Florenz  (Abb.  39),  Werke  des  Niccolo  Grosso,  genannt  Capara,  dar. 
Das  Gitterwerk  in  Italien  steht  an 
technischerVollcndung  hinter  den 
Denkmälern  in  Deutschland  zu- 
rück. Seine  Musterung  (Abb.  40) 
zeigt  die  Aufteilung  gleiclizeitiger 
Webernuster,  es  ist  aus  kurzen 
C- und  S-förmigen  Stäben  durcli 
umgelegte  Bünde  zu  einfadiem 
Sprossenwerk  zusammengefügt. 
Im  17.  Jahrhundert  tritt  zu  dem 
Eisen  als  Zierat  noch  gegosse- 
nes Messing.  Das  Fenstergitfer 
aus  einer  Kirche  zu  Bologna, 
das  sich  heute  im  Hamburgi- 
sdhen  Museum  für  Kunst  und 
Gewerbe  befindet  (Abb.  41),  hat 
als  Mittelpunkt  in  Messing  die 
Schere  des  heiligen  Fortunatus. 
Das  italienische  einfache  Spros- 
senwerkgitter  ist  im  Norden  bis 
in  die  Alpengegend  gedrungen, 
wo  es  sich  mit  dem  Typus 
des  deutschen  Rcnaissancegitters 

vermischt.  Beim  Gitter  zum  Hochschloß  von  Schloß  Ambras  in  Tirol  (Abb.  42) 
ist  der  untere  Teil  im  Sprossenwerk  textiler  Art  gehalten,  während  als  Bekrönung 
das  spiralige  Durdisteckwerk  mit  Spindelblumen  verwendet  worden  ist,  u^ie  es  die 
deutsche  Renaissance  beherrscht. 


Abb.  40.    Gitterwerk,  Italien. 


Abb.  41.    Fenstergitler,  Italien  (Hamburg,  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe). 


42 


Briining  -  Rohdc,  Schniiedckunst. 


Audi  in  Frankrcicii  ist  von  größeren  Arbeiten  der  Renaissance  nichts  erhalten, 
man  beschränkte  sidi  im  wescntüchen  auf  die  HersteHung  kunstvoller  Schlüssel, 
Schlösser,  Riegel  und  Türklopfer.  Erst  der  Regierungsantritt  Ludwigs  XiV.  bedeutete 
den   Beginn    einer    neuen   Epodie.     Stilistisch    stehen    wir    mit    diesen    französischen 


Abb.  42.    Gitter  zum  Hodischloß  von  Schloß  Ambras. 


Arbeiten  schon  im  Barock.  Die  Entwicklung  in  Frankreich  ist  maßgebend  geworden 
für  die  Entwicklung  in  Deutschland.  Ihr  Einfluß  erst  hat  die  formale  Starrheit  der 
deutschen  Renaissanceschmiedekunst  mit  ihrem  im  Grunde  genommen  doch  ziemlidi 
eintönigen  und  einförmigen  Durchsteckwerk  gebrochen  und  zu  der  gewaltigen  Blüte 
geführt,  die  die  deutsche  Schmiedekunst  des  ganzen  18.  Jahrhunderts  beherrschte. 
An  Stelle  des  dekorativen  Prinzips  der  bisherigen  Entwicklung  in  Deutschland  trat 
durch  diesen  Einfluß  von  Frankreich  her  das  architektonische  Prinzip. 


Kapitel  III 

Barock 


1.  Frankreich 

In  Frankreidi  ist  das  SclimiedeGisen  nicht  in  dem  Maße  wie  in  Deutschland  durch  die 
Technik  in  seiner  Form  bedingt;  so  hat  man  sich  hier  nie  mit  dem  spiraligen 
Durchsteckwerk  abgegeben,  sondern  man  hat  früh  das  Schmiedeeisen  über  seine 
Materialbedingung  hinaus  in  die  Entwicklung  der  gesamten  Kunstübung  hinein- 
getragen. Daher  ist  der  Zusammenhang  mit  Ornamentsticlien,  jenen  Kupferstichen  von 
Entwürfen  für  die  dekorativen  Künste,  und  mit  Abbildungen  ausgeführter  Arbeiten, 
die  als  Vorbilder  verbreitet  wurden,  ein 


KIGVBE.   XLVI. 


F  lOf 


sehr  viel  lebhafterer  als  zur  gleichen 
Zeit  in  Deutsdiland.  Diese  Ornament- 
stiche sind  zum  Teil  von  Schlossern 
selbst,  zum  anderen  Teil  von  Archi- 
tekten und  berufsmäßigen  „dessina- 
teurs",  d.  h.  Zeichnern  für  das  Kunst- 
gewerbe ausgeführt  worden.  Sie  unter- 
stützen wesentlich  da  unsere  Kennt- 
nisse, wo  die  Werke  verlorengegangen 
sind.  Denn  —  das  Schicksal  eines  ver- 
gänglichen oder  wieder  verwertbaren 
Materials  —  von  all  den  zahlreichen 
Schmiedewerken,  welche  die  französi- 
schen Schlösser,  Kirchen,  Siaatsgebäude 
und  Privathäuser  schmückten,  ist  nur 
noch  wenig  erhalten.  Was  nicht  im 
natürlichen  Verlauf  der  Dinge  der  Zeit 
zum  Opfer  fiel,  vernichteten  die  Stürme 
der  Revolution.  Die  köstlichen  Schmiede- 
arbeiten wurden  zu  Waffen  gegen  das 
eigene  Volk  und  auswärtige  Feinde  um- 
gesdimiedet. 

An  der  Spitze  der  obenerwähnten 
Vorbilderbücher  steht  ein  Buch,  das  bis 

tief  ins  18.  Jahrhundert  hinein  sich  eines  hohen  Ansehens  erfreute,  das  Schlosserbuch 
des  Mathurin  Jousse  „La  fidele  ouverture  de  l'art  de  Serrurier",  welches  zu  La  Fleche 
an  der  Loire  1627  erschien.  Das  Buch  ist  von  Felibien  in  seinen  „Principes  de  l'archi- 
tecture"  1697  benutzt  und  wird  sowohl  im  Schlosserbuch  von  Duhamel  du  Monceau, 
wie  in  dem  Werk  von  Lamour  erwähnt.  Der  größte  Teil  der  Abbildungen  in  dem 
Budi  von  Jousse  stellt  Schlüssel,  Schloßbleche  und  Schlüsselschilder  mit  gravierten 
Dekorationen  dar  (Abb.  43).  Die  Ornamentik  zeigt  groteske  Kompositionen,  aus 
Figuren  und  Pflanzenmoliven  gebildet.  Noch  von  Renaissancegefühl  durchdrungen, 
oft  das  Rollwerk  ausgiebig  benutzend,  spielt  der  Akanthus  in  den  Stichen  doch  schon 
eine  große  formale  Rolle,  weshalb  das  Buch  trotz  seines  Übergangscharakters  hier 
an  die  Einleitung  zur  barocken  Schmiedekunst  gesetzt  sei. 


Abb.  43.    Abbildung  Nr.  46  aus  Jousse  de  la  Fledie 
Ouverture  de  l'art  de  serrurier  1627. 


44 


Briiniiig  -  Rolide,  Sdimiedekunst. 


Ganz  denselben  Charakter  tragen  nun  audi  eine  Reihe  von  Stichen  des  17.  Jahr- 
hunderts, wenn  aucli  im  einzehien  kleine  Abwandlungen  stattgefunden  haben.  Sie 
sind  zumeist  von  zicmlidi  roher  und  ungelenker  Stridiführung,  weldie  die  sdiwere 
Hand  des  Sdilossers,  die  mehr  an  die  Arbeit  mit  dem  Hammer  als  mit  dem  Grab- 
stidicl  gewohnt  ist,  verraten.  Audi  direkte  Abreibungen  von  ausgeführten  Arbeiten 
kommen  vor. 

Ein  großer  Teil  derselben  ist  datiert  und  mit  Meisternamen  versehen.  Unter 
den  Arbeiten,  weldie  den  ersten  Jahrzehnten  der  Regierungszeit  Ludwigs  XIV.  an- 
gehören, sind  die  Stidie  des  Nicolas  Prunier,  Nicolas  d'Jardins,  Andre  le  Provan(;aU 
Didier  Fion,  Gaspar  Mazelin  und  Denis  Loche  zu  nennen.  Ein  Schlüsselschild  mit  der 
Bezeidinung  H.  T.  1649  stellt  Abb.  44  dar.    Es  ist  mit  einer  um  das  Schlüsselloch  sich 

gruppierenden,  den  Grund  ausfüllenden  Kom- 
position versehen:  zwei  mit  dem  Rücken  ein- 
ander zugekehrte  Chimären,  die  nach  unten 
in  akanthusartige,  mit  Blumen  geschmückte 
Blattranken  von  lappiger  Bildung  auslaufen, 
ganz  ähnlich,  wie  auch  Jousse  seine  Schlüssel- 
schilder zu  dekorieren  pflegte.  Auch  die  mit 
Mathurin  le  Breton')  ohne  Datum  bezeichneten 
Stiche  gehören  hierher,  ebenso  eine  größere 
Folge  von  Stichen,  herausgegeben  1658  von 
Loriot  unter  dem  Titel;  „Differents  portraitz 
pour  les  Serruriers  nouuellement  inventez  par 
moy  Aubert  Loriot"  und  das  „Liure  Nouueau 
Pour  l'Art  de  Serrurier  Inuente  par  Jean  de 
Rembeur  et  Nicolas  Seigneuric  Paris  1668". 
Sie  enthalten  Entwürfe  für  gravierte  Schloß- 
bleche, Schlüsselschilder,  Anschlagplatten  für 
Türgriffe  und  beliebig  zu  verwertende  orna- 
mentale Friese.  Ein  Schloß  im  South  Ken- 
sington Museum  in  London  (Nr.  2065—1855)-) 
ist  mit  Gravierungen  geschmückt,  die  mit  den 
Stichen  des  Rembeur  und  Seigneurie  sehr 
verwandt  sind.  Besonders  die  linkische  Hal- 
tung der  aus  Blüten  herauswachsenden  Halb- 
figuren,  deren  Locken  zu  regelmäßigen  Spiralen  aufgerollt  sind,  zeigen  eine  unver- 
kennbare Ähnlichkeit  mit  den  Figuren  der  Stiche.  Sonst  sind  ausgeführte  Arbeiten 
dieser  Art  kaum  erhalten. 

Demselben  Formenkreise  gehört  auch  das  Vorlagewerk  des  Hugues  Brisville^), 
eines  Schlossermeisters  in  Paris,  von  1663  an,  das  alle  genannten  Arbeiten  sowohl 
in  der  künstlerischen  Erfindung  wie  zeichnerischen  Ausführung  übertrifft.  Es  besteht 
mit  Einschluß  des  hübsdien  Titelbildes,  des  Porträts  Brisvilles,  und  der  Widmung  an 
den  Grand  Audancicr  de  France  Mr.  Longuet  aus  17  Tafeln,  von  denen  12  von  Jean 
Berain,  2  von  G.  Ladame  gestochen  sind.  Das  Porträt  Brisvilles  von  Ladame  ist  mit 
der  Jahreszahl  1663  versehen,  wodurch  auch  die  Zeit  der  übrigen  Stiche  bestimmt  ist. 
Das  Büchlein  enthält  neben  rein  ornamentalen  Zeichnungen  Entwürfe  für  gravierte 
Sdiloßbleche  (Abb.  45),    Schlüsselschilder,    Schlüssel,    Türgriffe,    Besdilagplatten  und 

1)  Vielleicht  identisch  mit  dem  noch  später  zu  erwähnenden  Schlosser  (S.  52  und  55). 
"-)  Abgebildet  in  Ornamental  Ironwork.    B.  Quaritch,  London  1898,  pl.  23. 
''j  Neudruck:  Quaritch,  B.,  Hugues  Briseville.    London  1888. 


Abb.  44.  Schlüsselschild.  Stich,  bez.  H.T.  1649. 


Kapitel  III.     Barock. 


45 


Gitter.  Der  groteske  Forinenkreis  des  Jousse  und  seiner  Nadifolger  tritt  bei  Brisville 
in  einem  moderneren,  künstlerisdi  vollkommeneren  Gewände  auf.  Das  Laubwerk  in 
Form  des  antiken  Akanthus  ist  weidier  und  eleganter  gezeidinet,  die  Linienführung 
fließender,  die  grotesken  Figuren  zeigen  die  volle  Bcherrsdiung  der  mensdilidien 
und  tierisdien  Körperformen. 

Neben  den  Nadiklängen  einer  älteren  Formenspradie  enthalten  die  Entwürfe 
Brisvilles  aber  audi  Anlehnungen  an  jüngere  Formen,  nämlidi  an  die  Ornamentik, 
wie  sie  in  den  beiden  Hauptwerken  der  Sdimiedekunst  aus  dem  Anfange  der 
Regierungszeit  Ludwigs  XIV.  niedergelegt  ist.     Es  sind  das  zwei  Portale,  weldie  sidi 


Abb.  45.     SchloBbledie  aus  dem  Sdilosserbudie  von  H.  Brisville. 


jetzt  am  Eingang  zur  Apollogalerie  und  zum  Saal  der  antiken  Bronzen  im  Louvre 
zu  Paris  befinden  (Abb.  46—48).  Ursprünglidi  im  Sdilosse  Maisons-sur- Seine  bei 
St.  Germain-en-Laye  aufgestellt,  wurden  sie  während  der  Revolution  arg  mitgenommen. 
Unter  der  Leitung  des  Percier  und  Fontaine,  der  führenden  Ardiitekten  zur  Zeit  des 
ersten  Kaiserreidies,  wurden  sie  vom  Sdilosser  Varin  wiederhergestellt,  nadidem 
dieser  sidi  und  seine  Gehilfen  für  die  sdiwierige  Arbeit  besonders  gesdiult  hatte. 
Die  Portale  sind  blank  gefeilt  und  poliert  und  zeigen  eine  soldie  Feinheit  der  Aus- 
führung und  Formvollendung,  wie  sie  nur  die  besten  Broncearbeiten  bieten. 

Das  Sdiloß  Maisons  wurde  1642  bis  1651  für  den  Präsidenten  des  Parlaments 
zü  Paris,  Rene  de  Longueil,  erbaut.  Es  ist  das  Hauptwerk  des  Ardiitekten  Fran(;ois 
Mansart,  zugleidi  das  vornehmste  Denkmal  jener  um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts 
sidi  geltend  madienden  klassizistisdien  Riditung,  die  auf  die  reine,  klare  Formen- 
spradie der  Antike  zurüd^zugehen  sidi  bemühte,  und  deren  Entstehung  man  an  den 
Stidien  eines  Philippon,  Stella,  Errard  u.  a.  verfolgen  kann.  Ein  Hauptvertretcr 
dieser  antikisierenden  Tendenzen   war  audi   der  Ardiitekt  Jean  Marot,    auf  den  die 


A6 


Brüning  -  Rhode,  Sdimiedekunst. 


Abb  46.  Portal  aus  dem  Schlosse  Maisons-sur-Seine  im  Louvre  zu  Paris. 


beiden  Gittertore  von  Maisons  zurückzuführen  sind.  Wir  besitzen  von  Jean  Marot 
außer  einer  großen  Anzahl  von  Entwürfen  schmiedeeiserner  Tore,  Oberlichtgitter  und 
Balustraden  auch  den  Stich  einer  Tür,  die  dem  Portal  der  Apollogalerie  sehr  ähnlidi, 
aber  nidit  identisdi  damit  ist  und  die  Bezeidinung  trägt:  „Porte  de  fer  du  vestibulc 
du  Chasteau  de  Maisons.  Jean  Marot  fecit".  Vielleicht  ist  es  die  Abbildung  eines 
anderen  Portales,  das  als  Gegenstück  zu  dem  noch  erhaltenen  gedient  hat.  Auch 
Marots  sonstige  Stiche  mit  Gitterwerken  verraten  große  Verwandtschaft  mit  den 
Portalen  von  Maisons.    Das  Portal  der  Apollogalerie  zeidinet  sich  vor  allen  anderen 


Kapitel  III.     Barock. 


47 


durch  besonders  reidien  Schmuck  aus.  Jede  Türfüllung  ist  in  ein  mittleres  ovales 
und  in  vier  längliche  Felder  geteilt,  die  von  einem  aus  Rosetten  gebildeten  Ornament- 
bande eingerahmt  sind.  Das  Oval  in  der  Mitte  nimmt  ein  Merkurstab  mit  Ähren 
und  Eichenzweigen  ein;  die  sdimalen  Felder  sind  mit  spiralig  aufgerolltem  Akanthus- 
werk  ausgefüllt,  durcli  welches  sidi  Sdilangen  ringeln;  die  oberen  Ranken  endigen 
in  Adlerköpfe.  Die  Oberliditfüllung  wird  von  einer  figürlidien  Komposition  [ein- 
genommen: einer  bärtigen  geflügelten  Gestalt,  welche  nadi  unten  in  Akanthusranken, 


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Abb.  47.    Teil  des  in  Abbildung  M  dargestellten  Portals. 


die  sich  seitlich  verästeln,  ausläuft,  setzen  zwei  aus  Blüten  heraussteigende  Knaben 
eine  Krone  auf.  Als  Umrahmung  der  Tür  und  des  Oberlichtes  dient  ein  aus  sidi 
übersdineidenden  Kreisen  gebildetes  Ornament,  durch  acht  in  bestimmten  Zwischen- 
räumen angebrachte  Löwenköpfe  belebt.  Auf  den  Friesstreifen  unterhalb  des  Ober- 
lichtes ist  ein  Satyrkopf  aufgesetzt.  Ganz  ähnlich  ist  das  zweite  Portal  gestaltet  (Abb.  48), 
nur  daß  die  sdimalen  Felder  auf  den  Türflügeln  eine  andere  Ornamentik  zeigen:  zier- 
lidi  ausgebildete  Baluster  innerhalb  eines  Fleditwerkrahmens.  Die  strenge,  regel- 
mäßige Gliederung   der  Flächen,    der  in   gleidimäßig   gerundeten   Spiralen   sich  ent- 


48 


Brüiiing  -  Rohde,  Sdimicdekunst. 


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Abb.  48.    Portal  aus  dem  Schlosse  Maisons-sur-Seine  im  Louvre  zu  Paris. 


wickelnde  Äkanthus,  die  Verbindung  menschlicher  Figuren  mit  demselben  in  grotesker 
Art  und  andere  Motive  lassen  den  Einfluß  antiker  Monumente  deutlich  erkennen. 
Die  Datierung  dieser  beiden  Praditwerke,  fast  der  einzigen  Denkmäler  aus  dem  Ge- 
biete der  Kleinkünste,  die  jene  antikisierende  Kunstrichtung  hinterlassen  hat,  wird 
sdion  durch  die  angeführte  Zeit  der  Erbauung  des  Schlosses  gegeben.  Außerdem 
weisen  aber  audi  die  verwandten,  zeitlich  bestimmten  Ornamentstiche  des  H.  Pierritz 


Kapitel  III.     Barock. 


49 


und   anderer  auf  die  Mitte  des  17.  Jaiirhunderts  als  die  Zeit  der  Entstehung  dieser 
Arbeiten  hin. 

Die  Stiche  Jean  Marots  mit  Vorlagen  für  Sdimiedearbeiten  zeigen  eine  ähnliche 
Ornamentik,  wie  die  Portale  von  Maison.  Zum  Teil  sind  seine  Entwürfe  etwas  kalt 
und  trocken,  oder  sie  ermüden  durch  die  langweilige  Teilung  der  Flächen  in  regel- 
mäßige geometrische  Figuren.    Am  glücklichsten  sind  noch  die  Geländer  komponiert, 


Abb.  49.    Ballustrade  nadi  einem  Stiche  von  J.  Marot. 


Abb.  50.    Ballustrade  nadi  einem  Stiche  von  J.  Marot. 


in  denen  die  Baluster  der  Steinschranken  in  lockeres  Stabwerk  aufgelöst  erscheinen 
(Abb.  49  und  50). 

Die  Gittertore  von  Maisons-sur-Seine  bedeuten  indessen,  ebenso  wie  die  Orna- 
mentstidie  Jean  Marots,  für  die  Geschichte  der  Sdimiedekunst  nur  eine  vorüber- 
gehende Episode.  Von  weitgehendem  Einfluß  auf  die  Entwicklung  der  Schmiede- 
kunst konnten  sie  schon  deswegen  nicht  sein,  weil  die  Ornamentik  derselben  in 
ihrer  sauber  ziselierten  Ausführung  mehr  für  die  Gußtechnik  als  für  Schmiedearbeit 
berechnet  scheint. 

Dagegen  sollte  ein  anderer  Bau,  nämlich  das  Schloß  zu  Versailles  für  die  Weiter- 
bildung der  Schmiedekunst  von  höchster  Bedeutung  werden,    indem  nicht  nur  zum 

Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst.  4 


50  Brüning-Rohde,  Schmiedekunst. 

ersten  Male  hier  die  SdimiedearbGlt  in  einem  Umfange,  wie  nie  zuvor  bei  einem 
Profanbau,  herangezogen  wurde,  sondern  auch  bei  der  vorbildHdien  Bedeutung, 
weldic  das  Versailier  Sdiloß  in  der  Kunstentwidilung  des  übrigen  Europa  erlangen 
sollte,  die  hier  auftretende  ausgedehnte  Beteiligung  der  Sdimiedekunst  an  der  Aus- 
sdimüd^ung  von  Bauwerken  weitgehende  Nadiahmung  in  allen  Ländern  fand.  Leider 
ist  von  den  überaus  zahlreidien  Eisenarbeiten,  weldie  diesen  Riesenbau  sdimüdtten 
und  seine  äußere  Ersdieinung  wesentlidi  beeinflußten,  fast  nidits  mehr  erhalten 
geblieben.  Wir  sind  fast  allein  auf  die  Stidie  eines  Silvestre,  Lepautre,  Rigaud  u.  a. 
angewiesen,  wenn  wir  uns  ein  Bild  von  ihnen  versdiaffen  wollen.  Eine  zweite, 
reidilidi  fließende  Quelle  bilden  die  von  Jules  Guiffrey  herausgegebenen  Comptes  des 
bätiments,  die  ausführlidicn  Redinungsbüdier  über  die  königlidien  Bauten,  weldie 
auf  einen  ganz  kolossalen  Verbraudi  des  Sdimiedeeisens  in  künstlerisdier  Form  bei 
diesem  gewaltigen  Bauwerke  sdiließen  lassen. 

Sdion  der  Bau  Ludwigs  XIII.  (begonnen  1624)  vom  Ärdiitekten  Lemercier  besaß 
einen  wirkungsvollen  Sdimudt  von  Sdimiedewerken.  Auf  den  Stidien  des  Israel 
Silvestre  von  1664  zieht  sidi  rings  um  das  ganze  Sdiloß  in  der  Höhe  des  zweiten 
Stodtwerkes  ein  fortlaufender  vergoldeter  Balkon,  der  audi  über  die  Mauer  hinweg- 
geht, weldie  die  beiden  Flügel  des  Sdilosses  verbindet.  Er  diente  auf  diese  Weise 
audi  dazu,  die  Räume  des  Obergesdiosses  miteinander  in  Zusammenhang  zu  bringen 
Die  den  Hof  absdiließcnde  Mauer  öffnet  sidi  in  sieben  rundbogigen  Arkaden,  weldie 
mit  Gittern  versehen  waren,  bei  denen  nadi  dem  Beridite  der  Mademoiselle  de  Scudery 
„Gold  und  Grün  in  gutem  Einklänge  standen".  Das  Sdiloß,  dessen  Dädier  fast  ganz 
vergoldet  und  mit  Vasen  und  anderen  Ornamenten  von  blauer  Farbe  gesdimüd^t 
waren,  und  dessen  Mauern  aus  roten  Ziegeln  und  weißen  Hausteinen  bestanden, 
gewährte  infolgedessen  ein  sehr  farbenreidies  Aussehen').  Nadi  beiden  Gartenseiten 
hin  zeigen  die  Stidie  lange  Gitter,  durdi  Steinpilaster  gegliedert. 

Der  verhältnismäßig  kleine  Bau  seines  Vorgängers  genügte  Ludwig  XIV.  nidit. 
Er  braudite  ein  Sdiloß,  groß  genug,  den  ganzen  Adel  seines  Reidies  zu  beherbergen 
und  so  in  beständiger  Obhut  zu  halten.  Im  Jahre  1662  beginnt  Louis  Levau  den 
Umbau,  dessen  Leitung  er  bis  zu  seinem  Tode  im  Jahre  1670  behält.  Das  Sdiloß 
erhielt  in  dieser  Zeit  sdion  im  wesentlidien  die  Anlage,  die  es  nodi  heute  hat:  in 
der  Hauptadise  drei  immer  kleiner  werdende  Höfe,  um  weldie  die  Gebäulidikeiten 
des  Sdilosses  sidi  gruppieren,  der  letzte  führt  direkt  zu  den  Wohngemädiern  des 
Königs  selbst.  Ein  Stidi  Silvestres  von  1674  zeigt  die  neue  Anlage,  bei  der  die 
beiden  ersten  Höfe,  die  Avant-cour  (oder  Cour  des  Ministres)  und  die  Cour  Royale 
durdi  Gitter  abgesdilossen  sind.  Diese  Gitter  werden  gegliedert  durdi  Steinpfeiler 
mit  bekrönenden  Vasen,  die  in  bestimmten  Zwisdienräumen  nebeneinander  gesetzt 
sind;  dazwisdien  sind  die  ziemlidi  einfadi  gebildeten  Eisengitter  eingesdialtet.  Die 
Endigungen  der  Stäbe  sind  wellenartig  gebogen.  Die  Portale  bestehen  ebenfalls  aus 
einer  Vereinigung  von  Mauerwerk  und  Eisenstäben.  Die  reidien  Bekrönungen  sdieinen 
aus  Stein  gehauen  gewesen  zu  sein.  Das  Gitter,  weldies  die  Avant-cour  im  Kreis- 
bogen abschloß,  nahm  dieselbe  Stellung  ein  wie  das  Gitter,  welches  sich  noch  heute 
dort  befindet.  Die  Cour  Royale,  dem  jetzt  ein  Abschlußgitter  fehlt,  wurde  von  der 
Avant-cour  durch  ein  in  gerader  Linie  sich  zwischen  den  beiden  Höfen  hinziehendes 
Gitter  getrennt,  welches  sidi  zwischen  den  Säulen  der  Front  der  beiden  die  Cour 
Royale  seitlich  begrenzenden  Gebäuden  fortsetzte  und  im  weiteren  Verlauf  die  rechts 
und  links  von  der  Cour  Royale  befindlichen  kleineren  Höfe,  der  Cour  des  Princes 
und  der  Cour  de  la  Chapelle,   absdiloß.     Die  Cour  Royale  schmückten  ebenso  wie 

')  Vgl.  Dussieux,  L.,  Le  diäteau  de  Versailles,  I,  S.  19. 


Kapitel  111.    Barock. 


51 


52  Briining-Rohde,  Sdiniiedekunst. 


die  dritte  kleinste  in  der  Hauptachse  des  Sdilosses  liegende  Cour  de  Marbre  ver- 
goldete Balkone. 

Die  Cour  de  Marbre  trug  damals  außerdem  in  den  beiden  inneren  Winkeln  des 
Hofes  eine  ungewöhnliclie,  aus  Schmiedeeisen  gebildete  Dekoration,  nämlich  zwei 
große,  über  ein  Stockwerk  hohe  Volieren,  welclie  1671  von  den  Sdilossern  Mathurin 
Ic  Breton  und  Christophe  Maugin  hergestellt  und  von  Goy  vergoldet  wurden.  Für 
jede  Voliere  wurden  5600  livres  gezahlt.  Mathurin  le  Breton  ist  vielleicht  derselbe 
Sdilosscr,  von  dem  die  erwähnte  Stidifolge  stammt  (S.  44).  Die  Volieren  finden 
sich  auf  den  Stidien  Lepautres  dargestellt,  in  denen  die  sechs  Tage  währenden 
Festlidikeiten  verewigt  sind,  welche  der  König  1674  nach  der  Unterwerfung  der 
Frandie  Comte  in  Versailles  veranstaltete.  Am  ersten  Tage  fand  eine  Aufführung 
der  Oper  „Alceste"  von  Quinault  und  LuUi  in  der  als  Theater  hergeriditeten  Cour 
de  Marbre  statt.  Der  Stidi  Lepautres  vom  Jahre  1676  zeigt  außer  den  Baikonen 
und  beiden  Volieren  im  Hintergrunde  drei  schmiedeeiserne  Portale.  Der  hier  dar- 
gestellte Stidi  (Abb.  51)  steUt  das  Fest  des  4.  Tages  dar,  an  welchem  abends  in  der 
Cour  de  Marbre  soupiert  wurde.     In  der  Mitte  erhob   sidi  eine  große  Lichtersäule. 

Im  Jahre  1776  wurde  Jules-Hardouin  Mansart  die  Oberleitung  der  Bauarbeiten 
übertragen.  Schon  die  Stiche  Silvestres  von  1682  und  1684  zeigen  bedeutende 
Veränderungen  in  bezug  auf  die  die  Höfe  des  Sdilosses  zierenden  Eisenarbeiten. 
Die  Volieren  fehlen  vollständig.  An  die  Stelle  der  durch  Steinpfeiler  gegliederten 
Abschlußgitter  der  beiden  Höfe  sind  neue  getreten,  bei  denen  die  Steinpfeiler  durch 
Eisenpilaster  mit  reichem  Schmuckwerk:  Sonnenmasken,  Lyren,  Kronen  usw.  ersetzt 
und  auch  die  Tore  ganz  aus  Eisen  gebildet  sind.  Das  Gitter,  welches  die  Avant-cour 
abschließt,  behielt  den  Umfang  und  die  Anordnung  des  ersten  Gitters  bei.  Es  sdimückt 
nodi  heute  den  Vorhof,  aber  nicht  mehr  in  seiner  ursprünglidien  Gestalt.  Da  es  in 
den  Sdireckcnszeiten  der  Revolution  stark  beschädigt  worden  war,  wurde  es  zur  Zeit 
des  ersten  Kaiserreidies  unter  der  Leitung  des  damaligen  Architekten  des  Schlosses, 
Dufour,  wieder  hergestellt,  und  zwar  mit  starker  Abweichung  von  der  ursprünglichen 
Form  des  Portals').  Eine  weitere  Ausbesserung  fand  1879  statt"-).  Den  jetzigen  Zu- 
stand veranschaulicht  die  Abbildung  52.  Dagegen  fehlt  jetzt  vollständig  das  umfang- 
reidie  Gitter,  welches  früher  die  Cour  Royale  von  der  Avant-cour  trennte.  Dieses 
um  1680  errichtete  Gitter  befand  sich  nicht  genau  an  derselben  Stelle,  wie  das  ältere, 
durdi  Steinpfeiler  gegliederte  Gitter.  Es  trat  vielmehr  in  der  Mitte,  entsprechend 
dem  Gitter  der  Avant-cour,  bogenförmig  vor.  Sein  Eingang  war  ungefähr  an  dem 
Platze,  wo  heute  die  1834  errichtete  Reiterstatue  Ludwigs  XIV.  steht.  Das  ganz  aus 
Eisen  gebildete  Gitter  war  nur  durch  zwei  steinerne,  mit  Skulpturen  geschmückte 
Schilderhäuser  unterbrochen.  Zwischen  den  Säulenreihen  der  Front  der  beiden  Seiten- 
gebäude der  Cour  Royale  sich  hinziehend,  fand  das  Gitter  rechts  und  links  seine 
Fortsetzung  in  den  Gittern,  welche  einerseits  die  Cour  de  la  Chapelie  und  die  jetzige 
Rue  des  Reservoires  und  andererseits  die  Cour  des  Princes  und  die  jetzige  Rue 
Gambetta  abschlössen;  jedes  dieser  vier  Gitter  war  mit  einem  besonderen  Tor  ver- 
sehen (Abb.  53). 

Diese  ganz  ausgedehnte  Gitteranlage  wurde  am  6.  Oktober  1789  von  den  Scharen 
der  entzügclten  Volksmassen,  welche  die  königliche  Familie  zwangen,  Versailles  zu 
verlassen  und  sich  nadi  Paris  zu  begeben,  zerstört.  Die  als  Lanzen  gestalteten 
Eisenstäbc  wurden  in  ihrer  Hand  zur  Waffe,  auf  denen  die  Köpfe  der  ermordeten 
Leibgardisten  im  Zuge  vorangetragen  wurden. 


^)  Vgl.  Bury,  Modeles  de  serrurier.     Paris,  Seite  8. 

-)  Siehe  Dussieux,  L.,  Le  chäteau  de  Versailles,  I,  Seite  98,  Anmerkung  4. 


Kapitel  III.     Barock. 


53 


Audi  die  gegenüber  dem  Schloß  auf  dem  Place  d'armes  erriditeten  und  zur 
ganzen  Anlage  in  Beziehung  gesetzten  Flügelbauten,  die,  als  Grande  und  Petite 
Ecurie  von  Mansart  1679  — 1682  erriclitet,  jetzt  als  Kasernen  dienen,  waren  mit 
ähnlidi  gestalteten  Gittern  versehen. 

Berücksichtigt  man,  daß  alle  diese  umfangreichen  Gitterwerke,  sowie  die  Balkone 
im  Sdimudi  reicher  Vergoldung  prangten,  so  wird  man  begreifen,  daß  besonders 
durch  das  Fehlen  des  großen  Hauptgitters  vor  der  Cour  Royale  der  Eindruck  des 
ganzen  Baues  erheblidi  beeinträditigt  wird.  Erst  durdi  dieses  Gitter  erhielt  die  ge- 
waltige Anlage  die  nötige  Teilung,  wurde  die  jetzt  unerträglich  große  Tiefen- 
ausdehnung wohltätig  untcrbrodien. 


Abb.  52.    Gitter  der  Avant-cour  des  Schlosses  von  Versailles  (jetziger  Zustand). 


Rechnet  man  die  in  ihrer  Anordnung  zur  Schloßanlage  gehörige  Place  d'armes 
dazu,  so  gliedert  sich  das  ganze  Bauwerk  in  der  Richtung  der  Hauptaxe  in  vier 
immer  enger  werdende  Höfe,  weldie  nur  ein  allmähliches  Annähern  an  den  eigent- 
lichen Wohnsitz  des  Monarchen  gestatteten.  Während  das  Gitter  vor  der  Avant- 
Cour  von  jedem  Wagen  passiert  werden  durfte,  öffnete  sich  das  große  Gitter  vor 
der  Cour  Royale  nur  den  Karossen  derjenigen,  welche  die  Honneurs  du  Louvre 
besaßen,  eine  Ehre,  die  den  königlichen  Prinzen,  den  Marschällen  Frankreidis  und 
den  Gesandten  der  fremden  Staaten  vorbehalten  waren;  die  übrigen  Besucher  mußten 
vorher  aussteigen  und  sich  in  Sänften  in  das  Schloß  tragen  lassen.  Zur  Zeit 
Ludwigs  XVI.  wurde  das  Haupttor  erst  gegen  11 '/e  Uhr  morgens,  der  Zeit  des  Levers 
des  Königs,  geöffnet^).  —  Unwillkürlich  wird  man  an  jene  altägyptischen  Tempel 
erinnert,  bei  denen  auch  eine  Anzahl  Vorhöfe,  die  allmählich  auf  die  Nähe  der 
Gottheit  vorbereiteten,  zu  dem  weiter  zurückliegenden  Heiligtum  führten. 

1)  Vgl.  d'Hezecques,  Souvenirs  d'un  page  de  la  cour  de  Louis  XVI.,  S.  135. 


54 


Brüning  -  Rohde,  Sdiinicdekunst. 


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Kapitel  111.     Barock. 


55 


Aber  niclit  nur  die  äußere  Erscheinung  des  Schlosses  erhielt  durdi  solche  kunst- 
vollen Schmiedewerke  eine  bedeutende  Erhöhung,  auch  im  Innern  waren  zahlreiche 
Eisenarbeiten,  Portale,  Geländer,  Balustraden  usw.  angebradit,  die  ebenfalls  zumeist 
versdiwunden  sind.  So  war  z.  B.  das  Vestibül  der  beiden  Haupttreppen,  der  escalier 
der  ambassadeurs  und  der  escalier  de  la  reine,  von  schönen  Gittertoren  abgesdilossen. 

Von  der  umfangreidien  Verwendung  sdmiiedeeiserner  Arbeiten  im  Park  läßt 
sidi  kaum  nodi  eine  Vorstellung  gewinnen.  Von  Gittern  und  Portalen  zur  Abgrenzung 
einzelner  Teile  des  Parks,  vor  Grotten  und  sonstigen  Bauten,  von  Balustraden  und 
Fontänen  u.  dgl.,  ferner  von  jenen  aus  Eisen  und  Holz  errichteten  Laubengängen 
und  Ardiitekturen  muß  sehr  weitgehender  Gebrauch  gemacht  worden  sein.    Einzelnes 


flbb.  54.    Bosquet  de  l'flrc  de  Triomphe  im  Park  von  Versailles  nach  einer  von  M.  Baqoy 

gestochenen  Zeichnung  von  F.  Delamonce,  1714. 


läßt  sidi  noch  aus  Stichen  und  sonstigen  Mitteilungen  ungefähr  rekonstruieren.  Nur 
weniges  hat  sich,  wie  das  Eingangsgitter  zum  großen  Gemüsegarten,  noch  erhalten. 
Manches  ist  schon  zu  Ludwigs  XIV.  Zeit  entfernt  worden,  wie  die  reich  geschmückten 
Portale,  welche  die  drei  Arkaden  der  Grotte  der  Thetis  abschlössen.  Sie  waren  1666 
von  Mathurin  le  Breton  (siehe  S.  44  und  52)  ausgeführt  und  von  Goy  vergoldet 
worden.  Die  Grotte  wurde  schon  1686  zerstört,  als  Mansart  den  Nordflügel  des 
Schlosses  erbaute. 

Eine  der  großartigsten  Schöpfungen  der  Schmiedekunst  im  Park  war  der  große 
Triumphbogen,  der  den  Hauptschmuck  des  Bosquet  de  l'Arc  de  Triomphe  bildete 
(Abb.  54).  Drei  große  Fontainen  zierten  den  Vordergrund  der  theatralisch  sidi  ab- 
stufenden, von  Heckenmauern  eingefaßten  Anlage.  Eine  Marmorterrasse  führte  dann 
zum  Vorplatz;  hier  standen  vier  sdimiedeeiserne  durchbrochene  Obelisken,  in  welchen 
Wasserstrahlen  emporsprangen.    Rechts  und  links  an  den  Seiten  befanden  sich  büfett- 


56 


Brüning  -  Rohdc,  Sdimicdekunst. 


artige  Aufbauten,  ebenfalls  aus  Sdimiedeeisen  gebildet.  Im  Hintergrunde  endlich 
erhob  sidi  auf  mehreren  Stufen  der  Triumphbogen,  sidi  in  drei  Arkaden  öffnend, 
von  einem  Giebel  bekrönt.  Das  Giebelfeld  nahm  eine  symmetrische  Komposition  mit 
dem  königlidicn  Wappen  in  der  Mitte  ein.  Audi  die  übrigen  Teile  der  Architektur 
des  Triumphbogens,  der  stufenförmige  Unterbau  sowie  die  erwähnten  Büfetts  und 
Obelisken  waren  mit  mannigfaltigen  sdimiedeeisernen  und  vergoldeten  Ornamenten 
gesdimückt.    Delobel,  von  dem  audi  ein  großer  Teil  der  Balkone  des  Sdilosses,  die 


Abb.  55.    Chorgitter  in  Val  de  Gräce  zu  Paris. 


Portale  des  Vestibüls  der  Gesandtentreppe  sowie  andere  Schmiedearbeiten  herrühren, 
war  der  Verfertiger  dieser  großartigen  Eisenwerke,  die  von  1677 — 83  etwa  her- 
gestellt wurden.  „Wahrlich,"  sagt  Blondel,  „es  ist  unmöglich,  wenn  man  es  nicht 
gesehen  hat,  sich  den  wunderbaren  Eindruck  vorzustellen,  welchen  diese  Dekoration 
hervorruft;  die  Kunst  scheint  hier  den  höchsten  Gipfel  erreicht  zu  haben  und  die  Natur 
neidisch  mit  ihr  um  den  Vorrang  zu  streiten."  —  1801  wurde  die  ganze  Anlage 
zerstört. 

Wie  in  Versailles,  so  spielte  auch  bei  den  anderen  unter  Ludwig  XIV.  errichteten 
Schlössern  das  Eisen  in  der  äußeren  und  inneren  Dekoration  eine  große  Rolle.  Auch 
hier  lassen  allein  die  Comptes  des  bätiments  ahnen,  welche  Massen  kunstvoller 
Schmiedearbeit  zugrunde  gegangen  sind.     Ähnlich  wie  in  Versailles  hatte  auch  das 


Kapitel  III.     Barock. 


57 


Schloß  zu  Sceaux  ein  doppeltes  Vorhofgitter,  das  Schloß  Choisy,  Clagny,  St.  Cloud, 
St.  Gerniain  u.  a.  zierten  ebenfalls  ausgedehnte  Gitterwerke.  Besonders  gesdimack- 
volle  Sdimiedearbeiten  befanden  sidi  in  Marly,  einem  Schlößchen  in  einem  ganz  von 
Hügeln  eingesdilossenen,  versteckten  Tale,  wo  Ludwig  XIV.,  wenn  er  des  lauten 
Treibens  in  Versailles  müde  war,  sidi  mit  wenigen  Günstlingen  auf  einige  Tage  zurück- 
zuziehen pflegte.  Abgesehen  von  einem  sdilichten  Vorhofgitter  war  das  Schloß  selbst 
von  einer  sdiönen  Balustrade  umgeben,  welche  zwischen  marmornen  Sphinxen  an- 
gebradit  war.  Audi  die  Fontänen  und  Wasserbecken  des  Parks  waren  von  hübschen 
schmiedeeisernen  Umfriedigungen  eingeschlossen^). 

Ahnlidi  wie  die  Vorhöfe  und  Parks  der  Schlösser  pflegte  man  auch  die  Chöre 
und  Seitenkapellen  der  Kirdien  mit  großen 
Gittern  abzugrenzen,  eine  Sitte,  die  bis 
dahin  in  größerem  Umfange  nur,  wie  er- 
wähnt, in  Spanien  geübt  worden  war. 
Eines  der  frühesten  Beispiele  eines  der- 
artigen Chorgitters  ist  das  der  Abteikirche 
Val  de  Gräce  zu  Paris,  das  1666  von  den 
Schlossern  Jean  Demouchy  und  Sebastien 
Matherion  hergestellt  wurde  (Abb.  55). 
Außerdem  aber  fand  das  Sdimiedeeisen 
auch  in  der  Form  von  Kanzelgittern, 
Kommuniongittern,  d.  h.  niedrigen  Balu- 
straden vor  dem  Altar,  an  die  die  Gläu- 
bigen zum  Empfange  des  Abendmahls 
herantraten,  ferner  als  Kronleuchter,  Kan- 
delaber, Lesepulte  usw.  reiche  Verwen- 
dung, während  in  den  Sdilössern  diese 
Geräte  zumeist  aus  Bronze  oder  auch  aus 
Edelmetall  bestanden. 

Leider  sind  fast  alle  diese  zahllosen 
Schmiedearbeiten,  welche  Versailles  und 
die  anderen  Schlösser  Ludwigs  XIV.  und 
des  französischen  Adels  schmückten,  ver- 
sdiwunden.  Wir  können  uns  indessen, 
wie  schon  gesagt,  aus  den  Ornament- 
stichen jener  Zeit  eine  annähernde  Vor- 
stellung von  ihrem  Aussehen  verschaffen. 
Für  die  in  dem  Zeiträume  von  1660  bis 

etwa  1690  entstandenen  Werke  geben  uns  unter  anderem  die  Stiche  des  Jean 
Lepautre,  Pierretz  le  Jeune  und  Michel  Haste  einen  Anhalt. 

Wohl  noch  in  die  sechziger  Jahre  ist  das  Livre  de  serrurerie  von  Jean  Lepautre, 
gestochen  von  Jacques  Lepautre,  zu  setzen.  Jean  Lepautre  (1617 — 1682),  der  frucht- 
barste Ornamentstecher  jener  Zeit,  ein  Mitarbeiter  und  künstlerischer  Gesinnungs- 
genosse Lebruns,  gibt  hier  auf  12  Blättern  Entwürfe  von  ungleichem  Charakter 
für  Gitter,  Portale,  Balustraden,  Wandarme,  Kaminböcke,  Türklopfer,  Sdilüssel  und 
Schlüsselschilder.  Seine  großen  Gitter  und  Tore  zeigen  zum  Teil  einfache  Bildung, 
die  in  einem  schlichten  Nebeneinanderreihen  von  Stäben  quadratischen  Querschnitts 
besteht.     Nur  an   den  Enden   der   Stäbe  wird  der  Zwischenraum  zwischen  je  zwei 


Abb.  56. 


Gittertore  aus  dem  Schlosserbudie 
von  J.  Lepautre. 


^)  Siehe  Guillaumot,  A.  H.,  Chäteau  de  Marly-le-Roy.    Paris  1865. 


58 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Stäben  wie  beim  Chorgitter  von  Val  de  Gräce  mit  einem  kleinen,  spitzenartigen 
Ornament  gefüllt.  Eine  reidie  Ausgestaltung  erfahren  nur  die  Bekrönungen  der 
Portale,  die  mit  Wappen,  Monogrammen,  dicken  Akanthusspiralen  und  oft  auch  mit 
Figuren  geziert  sind.  Andere  Gittertore  besitzen  eine  mannigfaltigere  Formgebung. 
Die  gewöhnlich  in  ein  größeres  oberes  und  ein  kleineres  unteres  Feld  zerfallenden 
Türflügel  sind  mit  symmctrisdien  Kompositionen  gefüllt,   welche  aus  Stabwerk,   das 

sich  meist  in  rundlichen  Linien 
bewegt,  in  Verbindung  mit 
üppigen  Akanthusranken  be- 
steht (Abb.  56).  Ein  der  Tisch- 
lerei entnommenes  Motiv  ist 
die  Einfassung  der  Füllungen 
durch  Stabwerk,  das  einen 
Holzrahmen  mit  auf  Gehrung 
geschnittenen  Ecken  nach- 
ahmt. Es  entsteht  dadurch 
fast  eine  perspektivische  Wir- 
kung, indem  die  Füllungen 
scheinbar  zurücktreten.  Die 
Balkongitter  sind  ähnlich  die- 
sen Füllungen  gebildet.  Die 
Wandarme  bestehen  aus 
großen  Akanthusspiralen,  die 
in  Halbfiguren  als  Träger  der 
Aushängeschilder  auswach- 
sen.  Die  Entwürfe  für  Kamin- 
böcke, Türklopfer  und  Schlüs- 
selschilder sind  mit  Akanthus, 
schweren,  dicken  Girlanden, 
Masken,  Figuren,  Trophäen 
und  Emblemen  reichlich  aus- 
gestattet; in  Treibarbeit  und 
Eisenschnitt  ausführbar,  ent- 
halten sie  in  ihrer  Form- 
gebung nichts,  was  sie  von 
Arbeiten  in  Gußmetall  unter- 
scheiden könnte.  Jedenfalls 
wird  auch  ein  großer  Teil 
derselben  für  Bronzeguß  be- 
stimmt gewesen  sein. 

Stark  beeinflußt  von  Le- 
pautre  ist  das  ebenfalls  aus  12  Tafeln  bestehende  Schlosserbuch  des  Pierretz  le  Jeune, 
das  ungefähr  derselben  Zeit  angehören  dürfte.  Seine  Entwürfe  für  Klopfer,  Riegel, 
Schlüsselschilder  und  Schlüssel  (Abb.  57)  sind  von  ähnlichem  Formenreichtum,  wie  die 
gleichen  Arbeiten  seines  Vorbildes.  In  schroffem  Gegensatz  zu  der  in  diesen  Gegenständen 
niedergelegten  Fülle  von  Motiven  stehen  dagegen  die  Zeichnungen  für  Balkone  und 
Treppengeländer,  welche  aus  beinahe  sdimucklosen  Stäben  bestehen,  die  in  regelmäßigen 
Bogenlinien  gezogen  sind,  eine  Formgebung,  die  an  die  unter  Ludwig  XIII.  übliche 
Gitterbildung  erinnert.  Ein  auch  dort  beliebtes  Ziermotiv,  von  dem  Pierretz  häufig 
Gebrauch  madit,  ist  der  wellig  gebogene  Stab  als  freie  Endigung. 


Abb.  57. 


Schlüsselgriffe  aus  dem  Schlosserbuche 
von  Pierretz  le  Jeune. 


Kapitel  III.    Barock. 


59 


Dem  Formcnkreise,  der  bei  Lepautrc  und  Pierretz  le  Jeune  erscheint,  gehören 
auch  sechs  Blatt  mit  Sdimiedearbeiten  an,  welche  von  dem  Pariser  Sclilossermeister 
Micliel  Haste  dem  Architekten  de  Lespine  gewidmet  sind.  Da  die  Widmung,  weldie 
über  dem  auf  dem  ersten  Blatte  dargestellten  Portale  angebracht  ist,  uns  über  die 
künstlerisdie  Urheberschaft  dieser  Vorlageblätter  Aufsdiluß  gibt,  so  möge  sie  unverkürzt 
hier  folgen:    „A  Monsieur 


de  l'Espine  Arcliitecte  des 
Bastimens  du  Roy.  Mon- 
sieur II  est  bien  raisonnable, 
que  ces  Ouurages  soint 
honorez  de  vostre  Nom 
puis  qu'ils  ont  eu  l'honneur 
de  vostre  aprobation  come 
vous  estes  le  sage  Archi- 
tecte  qui  a  esleue  des  Basti- 
mens considerables  dans 
Icsquels  iay  executc  ces 
desseins  sous  vos  ordres, 
c'est  vous  rendre  ce,  qui 
vous  appartient  que  de 
vous  les  Consacrer  vous 
Icur  auez  donne  i'Estre,  et 
Ion  peut  dire  que  vous  en 
estes  le  Pere  et  le  premier 
Mobile:  et  que  c'est  a  vous 
que  le  public  en  sera  plus 
oblige  qu'a  moy  qui  feray 
gloire  de  me  dire  toute  ma 
vic  Monsieur  Vostre  tres 
humble  et  tres  oblige  serui- 
teur  Mic.  Haste  M.  Serurier 
a  Paris."  Aus  diesen  Wor- 
ten geht  nicht  nur  hervor, 
daß  die  in  den  herausge- 
gebenen Stichen  dargestell- 
ten Sdilosserarbeiten  für  die 
Bauten  de  Lespines  aus- 
geführt worden  sind,  son- 
dern man  darf  wohl  aucli 
daraus  entnehmen,  daß  der 
ursprüngliche  Entwurf  oder 
wenigstens  die  Skizzen  zu 
allen  diesen  Gitterwerken 
usw.  von  de  Lespine  her- 
rühren. Die  ungeschickte  ängstliche  Zeichnung  der  Stidie  spricht  ebenfalls  dafür, 
daß  Haste  mehr  Handwerker  als  entwerfender  Künstler  war.  Die  dargestellten 
Arbeiten,  Gittertore,  Treppengeländer,  Wandarme,  Wandleuchter  und  Kaminböcke, 
sind  zumeist  im  Stile  Lepautres  gehalten  (Abb.  58). 

Wahrsdieinlich  ist  Haste  auch  eine  zweite  unbezeichnete  Folge  von  sechs  Blatt 
zuzuschreiben,  die  bei  demselben  Verleger  (F.  Poilly  rue  St.  Jacques  ä  l'image  H.  Benoist) 


Hbb.  58.    Vorlagen  für  Schlosserarbeiten  von  M.  Haste. 


60 


Brüning-Rohdc,  Sdimiedekunst. 


crscliienen  ist,  wie  die  bezeidinetcn  Stiche.  Daß  diese  Folge  nicht  den  Namen  des 
Haste  trägt,  kann  kein  Hinderungsgrund  sein,  sie  auf  ihn  zurückzuführen,  da  audi 
die  erste  Folge,  abgesehen  von  der  Unterschrift  der  Widmung,  keine  weitere  Be- 
zeichnung des  Verfassers  enthält.  Auch  diese  Entwürfe  stehen  den  Stichen  des 
Lepautre  und  Pierretz  sehr  nahe  und  gehören  ungefähr  in  dieselbe  Zeit.  Die  Gitter 
zeigen  eine  besondere  Bildung,  insofern  bei  mehreren  die  Stäbe  durch  breite  Bunde 
zu  je  zweien  vereinigt  sind,  wodurch  die  Eintönigkeit  der  nebeneinander  gereihten 
parallelen  Stäbe  angenehm  unterbrochen  wird.  Das  erste  Blatt  stellt  die  Hälften 
zweier  Chorgitter  dar,  von  denen  das  eine  eine  sehr  große  Verwandtschaft  mit  dem 
noch  zu  erwähnenden  Chorgitter  von  St.  Eustache  besitzt  (Abb.  59).  Auf  dem  zweiten 

Blatt  ist  dagegen  unverkennbar  das  Chor- 
gitter von  Val  de  Gräce  abgebildet  (Abb.  55). 
Audi  bei  diesem  Gitter  ist  die  Monotonie, 
die  leicht  durch  das  Aneinanderreihen  gleich- 
artiger Stäbe  entsteht,  geschickt  aufgehoben, 
indem  je  zwei  Stäbe  zu  einer  Art  von  Pilaster 
verbunden  sind.  Eine  etwas  starre  architek- 
tonische Bildung  weisen  die  Eisenpfeiler  zu 
beiden  Seiten  des  Portals  auf,  die  kannelierte, 
von  Vasen  bekrönte  Steinpfeiler  nachahmen. 
Auch  drei  weitere  Folgen,  jede  zu  sechs 
Blatt,  untereinander  sehr  verwandt,  gehen 
vielleicht  auf  denselben  Haste  zurück.  Alle 
drei  tragen  die  Bezeichnung:  Chez  NDe  Poilly 
rue  St.  Jacques  ä  la  belle  Image,  außerdem 
sind  sämtliche  18  Blätter  von  fünf  bis  sechs 
dünnen  cnggestellten  Linien  eingerahmt.  Die 
eine  derselben  gibt  auf  fünf  Tafeln  einen  Teil 
der  großen  Gitterwerke  des  Schlosses  zu 
Versailles,  das  sechste  Blatt  enthält  das  schon 
erwähnte  Chorgitter  von  St.  Eustache,  sämt- 
liche Blätter  besitzen  diesbezügliche  Unter- 
schriften. Die  zweite  Folge  gibt  Treppen- 
geländer und  Balkone,  die  dritte  Türklopfer, 
Schlüsselschilder,  Riegel,  Kaminböcke  und 
Wandarme  (Abb.  60),  alles  dem  Stile  der 
Versailler  Arbeiten  nahe  verwandt.  Alle  drei 
Folgen  müssen  etwa  zwischen  1680  und  1690  erschienen  sein.  Für  ihre  Zuteilung 
an  Haste  spricht  auch  der  Umstand,  daß  ein  Schlosser  namens  Michel  Haste  am 
Versailler  Schloß  beschäftigt  war.  In  den  Comptes  des  bätiments  wird  seit  1676  ein 
Schlosser  Haste  erwähnt,  der  Arbeiten  für  Clagny,  Fontainebleau,  St.  Germain  und 
Versailles  ausführte;  von  1679  bis  1686  wird  von  einem  Michel  Haste  l'aisne  ge- 
sprochen, der  für  Versailles,  Marly  und  Noisy  arbeitete.  Seit  1685  erscheint  auch 
ein  Michel  Haste  le  jeune  unter  den  für  Versailles  tätigen  Schlossern.  Möglicher- 
weise ist  der  ältere  Haste,  der  anfangs  nur  bei  seinem  Zunamen  genannt  wird,  der 
Verfasser  der  genannten  Ornamentstichfolgen,  in  denen  er  neben  ausgeführten,  zum 
Teil  von  ihm  selbst  geschmiedeten  Arbeiten  auch  einige  Entwürfe  eigener  Erfindung 
abgebildet  haben  mag. 

Außer  den  angeführten  fünf  Tafeln  mit  Stichen  von  Versailler  Gitterwerken  sind 
auch  bei  le  Blond  zehn  Blatt  mit  Versailler  Schmiedearbeiten  erschienen,  welche  zum 


flbb.  59.     Stidi    mit   dem   Chorgitter  von 
St.  Eustache  zu  Paris. 


Kapitel  III.    Barock. 


61 


Teil  die  dem  Haste  zugeschriebenen  Stiche  ergänzen.  Da  die  meisten  dieser  Gitter 
nidit  mehr  vorhanden  sind,  die  wenigen  nodi  erhaltenen  zum  Teil,  wie  das  Gitter 
des  Vorhofes,  nicht  mehr  ihre  ursprünglidie  Gestalt  bewahrt  haben,  so  geben  uns 
diese  Stiche  im  Verein  mit  denen  von  Silvestre  und  Rigaud  den  einzigen  authentischen 
Anhalt  zur  Feststellung  der  Form  jener  Gitterwerke.  Sie  stellen  die  Hauptteile  der 
Gitter  der  beiden  großen  Höfe  und  deren  Portale,  der  Stallungen,  zwei  Tore  des 
Vestibüls  der  großen  Treppe,  das  Abschlußgitter  der  Kapelle  und  mehrere  Balkone 
dar.  Davon  sind  die  Portale  der  Haupttreppe  1677  79  von  Delobel,  die  Gitter  der 
Höfe  und  Stallungen  von  Delobel,  Luchet,  Haste  und  Gilles  Fordrin  in  den  Jahren 
1679  und  1680  gescliaffen  worden. 

Gegenüber  den   zum  Teil  etwas   überladenen,   an  den  überquellenden  Formen- 
aufwand Lebruns    erinnernden  Entwürfen    von   Lepautre  und  Pierretz  zeichnen  sidi 


flbb.  60,    Wandarme  nach  einem  Stiche  von  M.  Haste. 


alle  diese  Arbeiten  durch  ziemlidie  Einfachheit  aus,  was  vielleidit  der  maßvollen, 
zurückhaltenden  Ornamentkunst  Mansarts  zuzuschreiben  ist.  Die  Gitter  bestehen  aus 
einem  Spalier  von  Stäben  in  Lanzenform,  welche  in  bestimmten  Entfernungen  von 
pilasterartigen,  den  früheren  Steinpfeilern  entsprechenden  Zwischensätzen  unterbrochen 
sind.  Beim  Gitter  der  Cour  Royale  wechselt  jedesmal  ein  lanzenförmiger  Stab  mit 
einem  Stabe  ab,  der  in  eine  heraldische  Lilie,  das  Wappenzeidien  der  Bourbonen, 
endigt  (Abb.  61).  Die  Pilaster  sind  mit  beziehungsreidien  Emblemen  ausgestattet: 
die  der  Avant- cour  zeigen  als  Hauptschmuck  eine  große  Lyra,  darunter  die  Maske 
des  Sonnengottes,  beides  ein  Hinweis  auf  Phöbus  Apollo,  mit  welchem  Ludwig  XIV. 
sich  gern  in  stolzer  Selbstgefälligkeit  vergleichen  ließ.  Nach  oben  laufen  sie  in  die 
drei  bourbonischen  Lilien  aus.  Die  Pilaster  des  großen  Gitters  vor  der  Cour  Royale 
tragen  in  der  Mitte  eine  große  Sonnenmaske.  Als  Krönung  ist  auf  einer  Art  von 
Sockel,  von  dem  ein  Behang  herunterfällt,  das  von  einer  Krone  überragte  Monogramm 
des  Königs,  das  Doppel-L,  zwischen  Füllhörnern  und  Palmzweigcn  angebradit.    Die 


62 


Brflning  -  Rohde,  Sdimiedekunst. 


Pilaster  des  Gitters  der  Petite  Ecurie   enthalten  Peitsclien,  Striegel  und  ähnliche  auf' 
die  Bestimmung  des  Gebäudes  hinweisende  Abzeidien,  die  der  Grande  Ecurie  Degen 
und   dergleidien,    was  wohl    auf   die   dort   wohnenden  Pagen   hindeuten  soll.     Die 
Eingangstore   sind    ähnlicli   wie   das  Portal   des  Chorgitters   von  Val  de  Gräce   aus 

sdilicliten  Stäben  gebildet,  zwischen  denen  oben  und 
unten  sowie  zu  beiden  Seiten  des  Querstabes  kleine 
Füllornamente  in  Form  einer  Lyra  und  ähnlidies  ein- 
gesetzt sind.  Den  Hauptzierat  des  Portals  bildet  der 
Aufsatz,  das  von  einer  Krone  überdachte  Wappen  oder 
Monogramm  des  Königs,  umgeben  von  großen  S-förmi- 
gen Voluten,  Äkanthusranken  usw.  Zu  beiden  Seiten 
des  Portals  der  Cour  Royale  befinden  sidi  noch  zwei 
niedrigere  Steinpfeiler,  auf  welche  das  Tor  sich  ver- 
mittels zweier  großen  Eisenvoluten  gleichsam  wie  auf 
Krücken  stützt. 

Reicher  in  ihrer  Bildung  sind  die  von  Rundbogen 
abgesdilossenen  Portale  der  großen  Treppe.  Die  Um- 
rahmung der  auf  folgender  Seite  (Abb.  62)  dargestellten 

Gittertür  besteht  aus  einem 
Friesstreifen,  der  sich  aus 
Kreisen  zusammensetzt.  Das 
Oberlicht  enthält  auf  einem 
aus  Stäben  gebildeten  Sockel 
das  Wappen  des  Königs. 
Bei  den  Türflügeln  laufen 
die  Stäbe  nicht  durdi  beide 
Felder  hindurdi,  sondern 
jedes  Feld  zeigt  eine  für 
sich  abgesonderte  Kompo- 
sition. Im  oberen  Felde  sind 
jedesmal  die  paarigen  und 
unpaarigen  Stäbe  gleich- 
artig gebildet,  sämtliche  aber 
untereinander  oben  und 
unten  verbunden.  Im  unte- 
ren Felde  sind  die  Stäbe 
paarweise  zusammengefaßt 
und  diese  Paare  durch  Quer- 
leisten und  Rosetten  ver- 
einigt. Die  Balkone  glie- 
dern sich  in  schmalere  und 
breitere  Absdinitte,  die  von 
einer  Komposition  gefüllt 
sind,  welche  das  königlidie 
Wappen,  das  Doppel-L  oder  die  Sonnenmaske  zum  Mittelpunkt  hat.  Diese  Embleme 
ruhen  gewöhnlidi  auf  einem  aus  Stäben  gebildeten  Sockel  mit  oder  ohne  Behang, 
seitlidi  sind  sie  von  Akanthusspiralen  umgeben.  Bei  anderen  Baikonen  schließt  sidi 
ein  mit  einem  Eierstab  geschmückter  breiter  Rahmen  um  das  Zentrum.  Außer  den 
angeführten  Stichen  befindet  sidi  noch  eine  Federzeichnung  von  mehreren  Baikonen 
der  Cour  de  Marbre  im  Musee  des  arts  decoratifs  zu  Paris  (Abb.  63). 


Abb.  61.    Stich  mit  dem  Portal  des  Gitters  der  Cour  Royale 

in  Versailles. 


Kapitel  III.    Barock. 


63 


Dem  Formenkrcis,  wie  er  in  den  Stidicn 
der  angeführten  Meister  und  in  den  Versailler 
Arbeiten  ausgebildet  erscheint,  gctiören  noch 
mehrere  große  Gitter  an,  die  als  Chor-  oder 
Kapellenabsdiiüsse  gedient  haben.  Einzelne 
derselben  haben  sich  noch  erhalten,  wie  das 
Gitter  einer  Kapelle  in  der  Kathedrale  zu 
Dijon,  dessen  Bekrönung  lebhaft  an  den 
Aufsatz  des  Portals  auf  dem  ersten  Blatt 
der  Stichfolge  des  Haste  mit  der  Widmung 
an  de  Lespine  erinnert.  Die  Gestalt  anderer, 
nidit  mehr  vorhandener,  ist  wenigstens  in 
Stichen  aufbewahrt.  So  stellt  das  letzte  Blatt 
der  dem  Midiel  Haste  zugeschriebenen  Folge 
mit  Gitterwerken  von  Versailles  das  Chor- 
gitter von  St.  Eustache  in  Paris  dar,  das  um 
dieselbe  Zeit  wie  die  Versailler  Arbeiten  ent- 
standen sein  muß.  Die  Flügel  der  von 
korinthischem  Pilaster  flankierten  Tür  ent- 
halten in  ihrem  unteren  Felde  eine  sym- 
metrische Äkanthuskomposition,  die  in  ihrer 
raumfüllenden  Eigenschaft  gewissermaßen  zu 
dem  das  Gitter  tragenden  Sockel  die  Fort- 
setzung bildet.  Dieser  muß,  nach  seiner 
Gliederung  in  Rahmen  und  Füllung  zu  ur- 
teilen, aus  Holz  bestanden  haben.  Die  Stäbe 
des    oberen   Feldes    sind   durch   Bunde   zu 


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Abb.  62.  Stich  mit  dem  Portal  an  der  großen 
Treppe  im  Schloß  zu  Versailles. 


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Abb.  63.    Entwurf  für  die  Balkongitter  des  Schlosses  zu  Versailles. 


64 


Brüning-Rohde,  Sdiniiedekunst. 


Paaren  vereinigt.  Die  Bekrönung  des  Portals  zeigt  den  aus  den  Versailler  Toren 
bekannten  Aufsatz.  Das  Gitter  ist  ebenfalls  mit  einem  besonderen  fortlaufenden, 
niedrigen  Aufsatz  versehen  (Abb.  59). 

Audi  die  formpräclitigen  Chorgitter  von  St.  Sulpice  und  von  St.  Denis,  welches 
letztere  in  seiner  Gestaltung  an  das  Chorgitter  von  Val  de  Gräce  anklingt,  aber  sehr 
viel  reidicr  ausgesdimückt  ist,  sind  uns  durdi  Stidie  des  Nicolas  Guerard  und  Nie. 
Bonnard  bekannt.  Wie  aus  diesen  und  den  anderen  angeführten  Beispielen  ersicht- 
lidi  ist,  wurden  diese  Gitter,  welche  den  Chor  sowohl  von  vorn  als  auch  an  den 
Seiten  gegen  den  Chorumgang  hin  abzusperren  pflegten,  nicht  nur  in  neue  Kirchen, 
sondern  audi  in  die  alten  mittelalterlichen  Kathedralen  hineingebaut,  ohne  daß  man 
irgendweldie  stilkritische  Bedenken  dabei  gehabt  hätte. 

Als  Nachzügler  einer  älteren  Stilrichtung,    als  die  zuletzt  vorgeführten  Arbeiten 


Abb.  6^.    Gitter,  abgebildet  in  einer  Handschrift  von  Barras  de  la  Penne,  1698. 

vertreten,  kann  man  zwei  in  Marseille  tätige  Künstler,  den  Pierre  und  Jean  Gautier, 
betrachten,  von  denen  der  erstere  sich  als  königlichen  Schlossermeister  im  Schiffs- 
arsenal zu  Marseille  bezeichnet.  Pierre  Gautier  hat  ein  Büchlein  mit  Stichen  nach 
seinen  ausgeführten  Arbeiten,  im  ganzen  16  Blatt,  1685  herausgegeben.  Daneben 
existieren  noch  sechs  Tafeln  mit  der  Bezeidinung  J.  G.,  von  denen  eine  die  Jahres- 
zahl 1688  trägt.  Es  sind  Gitter,  Kaminböcke,  ein  Wandarm  und  eine  Laterne.  Die 
Stiche  beider,  die  sich  nur  wenig  voneinander  unterscheiden,  zeigen  zum  Teil  noch 
eine  Hinneigung  zu  den  Schmiedearbeiten  der  Zeit  Ludwigs  XIII.,  was  vielleicht  mit 
der  großen  Entfernung  des  Ortes  ihrer  Tätigkeit  von  der  Hauptstadt  in  Verbindung 
zu  bringen  ist.  Besonders  fällt  die  häufige  Verwendung  des  Motivs  der  bourbonisdien 
Lilien  in  verschiedenen  Maßstäben  auf.  Daneben  spielt  die  Akanthusranke  in  regel- 
mäßig gezogenen  vollrunden  Spiralen  von  einer  etwas  flauen,  marklosen  Zeichnung 
eine  große  Rolle;  audi  natürliche  Pflanzen,  Ähren,  Tulpen  und  andere  Blumen  kommen 
vor.  Die  Linienführung  des  Stabwerks  besitzt  in  ihrer  Hinneigung  zu  rundlichen 
Formen  einen  weichlichen  Charakter.  Gebrochene  Linien  treten  bei  Jean  Gautier  nur 
in  besdieidenem  Maße  auf,  bei  Pierre  fehlen  sie  völlig.    Ein  Teil  der  Arbeiten  fand 


Kapitel  III.    Barock. 


65 


vielleidit  auf  den  Prunksdiiffen  des  Königs  Verwendung.  Ein  Manuskript  von  Barras 
de  la  Penne  vom  Jahre  1698  enthält  die  Darstellung  eines  Gitters  von  der  Galeere 
Ludwigs  XIV.,  weldies  genau  dieselbe  Zeidinung  zeigt  wie  ein  Stich  des  Pierre 
Gautier  (Abb.  64). 

Mit  dem  Jahre  1690  etwa  tritt  die  französische  Schmiedekunst  zugleich  mit  den 
übrigen  dekorativen  Künsten  in  die  Gefolgschaft  der  Kunst  eines  der  bedeutendsten 
sdiöpferisdien  Geister  auf  dem  Gebiete  der  Ornamentik,  nämlich  des  Jean  Berain. 
Auch  in  Deutsdiland  steht  die  Schmiedekunst  in  den  folgenden  Jahrzehnten  durchaus 
im  Zeichen  dieses  Künst- 
lers. Um  jedoch  die  Be-  ji%^  i^ 
deutung  Berains  für  die 
Schmiedekunst  ganz  zu  ver- 
stehen, bedarf  es  eines 
kurzen  Rückblicks  auf  das, 
was  bisher  geschaffen  wor- 
den war. 

Jean  Marots  Entwürfe 
für  Schmiedearbeiten  hatten 
keine  weitere  Verbreitung 
gefunden.  Indessen  war 
doch  der  Eindruck,  den 
die  großartigen  Portale  von 
Maisons-sur-Seine  auf  die 
Zeitgenossen  ausübten,  so 
groß,  daß  noch  lange  ein- 
zelne Motive  der  in  den- 
selben angewandten  Orna- 
mentikweiterlebten. Daviler 
bezeichnet  in  seinem  Cours 
d'Architecture  von  1691  aus- 
drücklich die  Gittertore  von 
Maisons  neben  den  Ver- 
saillern  als  die  schönsten 
Eisenportale.  Den  neuen 
Aufgaben  gegenüber,  die 
dann  Versailles  und  die 
anderen      gleichzeitig      er-  Abb.  65.    Gitter  nach  einem  Stiche  von  J.  Berain. 

bauten    Schlösser    an    die 

Schmiedekunst  stellten,  zeigte  man  sich,  was  die  künstlerische  Erfindung  angeht,  zum 
Teil  noch  nicht  ganz  gewachsen.  Vielfach  kehrte  man  zu  den  Motiven  aus  der  Zeit 
Ludwigs  X!ll.  zurück.  Die  neuen  Entwürfe,  wie  z.  B.  die  Gittertore  von  Versailles 
oder  von  Val  de  Gräce,  sind  ziemlich  dürftige  und  trockene  Leistungen,  reicheren 
Kompositionen  fehlt  die  Eleganz  der  Linienführung;  die  Pflanzenornamentik,  die  in 
der  Form  des  Akanthus  auftritt,  überwiegt  vielfach  noch  zu  sehr.  Vor  allem  aber 
fehlt  es  der  Schmiedekunst  noch  an  einem  einheitlichen  Formenkreis,  der  sämtliche 
in  ihren  Bereich  fallende  Arbeiten  gleichmäßig  umfaßt.  Diesen  Mangel  zeigen  be- 
sonders die  Schlosserbücher  des  Lepautre  und  Pierretz;  während  die  Gitterbildung 
sich  vielfach  mit  rein  linearen  Motiven  begnügt,  sind  die  Türklopfer,  Schlüssel- 
schilder, Wandarme  usw.  mit  mannigfaltigem  figürlichen  und  pflanzlichen  Dekor 
ausgestattet. 

Brüning-Rohde,   Schmiedekunst. 


66 


ßrüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Schon  einmal  ist  Bcrain  uns  in  der  Gescliidite  der  Sdimiedekunst  begegnet.  16  Tafeln 
des  um  1665  veröffentliditen  Sdilosscrbudies  von  Brisville  wurden  von  seiner  Hand 
graviert,  nadidem  er  selbst  1659  eine  Folge  von  Ornamentstidien  zum  Gebraudi  für 
Büdiscnmadier  in  Paris  herausgegeben  hatte.  Was  von  seinem  Wirken  vorher  liegte 
ist  uns  unbekannt.  Wir  wissen  nur,  daß  er  wahrsdieinlidi  im  Jahre  1637  zu  Saint- 
Mihiel  in  Lothringen  geboren  wurde  und  mit  seinem  älteren  Bruder  Claude,  der 
audi  Graveur  war,  sdion  früh  nadi  Paris  gekommen  sein  muß.  1671  ersdieint  er 
zum  ersten  Male  in  den  Comptes  des  bätiments  als  Stedier  zweier  Tafeln  mit  Orna- 
menten der   von   Lebrun  dekorierten  Apollogalerie.     Aber  nicht  nur  als  geschickter 

Stecher,  sondern  auch  als  er- 
findungsreicher Künstler  muß 
er  sich  bewährt  haben,  denn 
drei  Jahre  später  wird  er  zum 
^wr^'^W.rJW',^  „dessinateur  de  la  chambre 
^pnWfpWW  ßt  du  cabinetduroi"  ernannt, 
^  ""  mit  dem  besonderen  Auftrage, 
für  das  Theater  und  sonstige 
Festlichkeiten  Dekorationen 
und  Kostüme  zu  entwerfen. 
Im  Jahre  1679  erhält  er  als 
besondere  Auszeichnung  eine 
Wohnung  im  Louvre,  die  er 
bis  zu  seinem  1711  erfolgten 
Tode  innebehielt.  Der  größte 
Teil  der  Entwürfe  Berains 
ist  erst  nach  seinem  Tode 
durch  Thuret  in  Stichen  von 
Lepautre,  Dolivar  und  D.  Ma- 
rot  veröffentlicht  worden,  Sie 
bieten  große  ornamentale,  für 
Wandmalerei  und  Wand- 
teppiche bestimmte  Flädien- 
dekorationcn,  sog.  Grotesken, 
d.  h.  rechteckige  Felder  aus- 
füllende Kompositionen  mit 
phantastischen  Architekturen 
nebst  eingestellten  Figuren 
und  ähnliches,  ferner  Ent- 
würfe für  Decken,  Kamine,  Möbel,  Beleuchtungsgerät,  für  Gartenanlagen,  Gitter  usw. 
An  Vorlagen  für  Schmiedearbeiten  sind  fünf  Tafeln  vorhanden,  welche  die  Bezeich- 
nung tragen:  J.  Berain  delin.  aux  Galleries  du  Louvre.^)  Schon  aus  der  Beifügung 
aux  Galleries  du  Louvre  erhellt,  daß  sie  nicht  vor  1679  gezeichnet  sein  können.  Von 
den  genannten  Tafeln  enthalten  vier  Zeichnungen  zu  großen  Gittern  und  Baikonen, 
die  fünfte  Friese  und  Kapitale,  bei  denen  die  ardiitektonischen  Formen  in  leichtes  Stab- 
und  Laubwerk  in  Verbindung  mit  Masken,  Wappen,  Namenszügen  aufgelöst  sind. 
Das  Gerüst  aller  dieser  Eisenkompositionen  bildet  ein  festes  Stabwerk  von  be- 
stimmter, leidit  faßlicher  Linienführung.  Die  Linienzüge  setzen  sich  aus  abwechselnd 
geraden  und  gebogenen  Stäben  zusammen,  die  Endigungen  der  Bogenlinien  sind  in 

')  Neudruck  der  Stidie  für  Seh mi adeeisen  in:  10')  Piandics  principales  de  l'oeuvre  complet 
de  Jean  Berain.    Paris,  A.  Quantin.  —Über  Berain  vgl.  Revue  des  arts  decoratifs  Bd.  VI,  S.  Iff. 


Abb.  66.    Gitter  nach  einem  Stiche  von  J.  Berain 


Kapitel  III.     Barock.  67 


der  Regel  volutenartig  aufgerollt.  Dieses  Stabwerk  ist  belebt  durdi  Blattwerk  von 
akanthusartiger  Bildung,  das  die  Biegungen  und  Voluten  begleitet  oder  auch  wohl 
einhüllt.  Bezeiclinend  ist  es,  daß  das  Laubwerk  nicht  selbständig  als  Ranke  auftritt, 
sondern  nur  als  Begleitung  des  Stabwerkes  erscheint,  ein  wesentliclier  Unterschied 
gegen  die  bisherige  Verwendung  des  Akanthus,  der  als  besondere  sich  entwickelnde 
Ranke  in  den  Entwürfen  der  früheren  Ornamentstecher,  vor  allem  bei  Jean  Marot, 
einen  so  bedeutenden  Anteil  an  der  Komposition  und  Ornamentik  der  Eisenarbeiten 
besaß.  Daß  dieses  Hervortreten  des  Stabwerkes  und  das  Zurückweichen  des  Akanthus 
einen  Fortsdiritt  für  die  Sdimiedekunst  bedeutet,  braudit  wohl  nicht  besonders  be- 
tont zu  werden.  Als  gelegentlidier  Schmuck  erscheinen  neben  diesen  Hauptelementen 
der  Berainsdien  Eisenornamentik  Rosetten,  kleine  Palmetten,  die  königlichen  Embleme: 
Szepter,  Krone,  die  Lilie  usw.,  sowie  vereinzelt  Masken  und  Tierköpfe,  ferner  jenes 
für  die  Dekoration  des  18.  Jahrhunderts  so  charakteristische  Gittermuster  mit  kleinen 
Rosetten  oder  Blüten  auf  den  Sdinittpunkten  der  Bänder,  dessen  Ursprung  wohl  in 
dem  Lattenwerk  der  Laubengänge  in  den  Gärten  der  damaligen  Zeit  zu  suchen  ist 
(Abb.  t5  und  66). 

Die  Entwürfe  Berains  für  Schmiedewerk  bilden  gewissermaßen  die  reinste  Ab- 
straktion seines  Stiles,  dem  die  deutschen  Ornamentstecher,  welche  ihn  zu  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  aufnahmen  und  weiterbildeten,  den  bezeichnenden  Namen  „Laub- 
und Bandelwerk"  gaben.  Wie  hier,  so  bilden  auch  in  seinen  Flädienornamenten 
die  gebrochenen,  abwechselnd  geraden  und  gebogenen  Linien  des  dort  als  Bänder 
erscheinenden  Stabwerks  im  Verein  mit  dem  sdimückenden  Laubwerk  die  charakteristi- 
schen Merkmale  des  ihm  eigentümlidien  Stils.  Indem  Berain  an  die  Stelle  der  etwas 
sdiwülstigen  Akanthusranken  des  italienischen  Barocks,  wie  sie  in  Lebruns  und 
Lepautres  Werken  vorherrsdien,  die  klaren  Linien  seines  Bandwerks  setzt,  greift  er 
auf  ähnliche  Ornamentformen  der  deutschen  Renaissance  zurüd<.  Denn  die  Ver- 
wandtschaft der  Bandornamente  Berains  mit  Rollwerk-  oder  Maureskenmotiven  des 
16.  Jahrhunderts  —  als  beliebiges  Beispiel  mögen  die  1579  in  Nürnberg  vom  Maler 
Georg  Wechter  herausgegebenen  Entwürfe  für  Goldschmiede  erwähnt  sein  —  ist  bei 
eingehendem  Verqleidi  nicht  zu  verkennen. 

Die  gewaltige  Einwirkung,  welche  Berain  auf  die  Formgebung  der  Schmiede- 
kunst, und  zwar,  wie  es  scheint,  weniger  in  Frankreich  als  in  Deutschland,  während 
eines  halben  Jahrhunderts  ausüben  sollte,  liegt  nidit  so  sehr  in  den  wenigen  für  die 
Schmiedekunst  entworfenen  Zeichnungen,  als  vielmehr  in  dem  großen  Erfolge  be- 
gründet, den  sein  Stil  überhaupt  davontrug,  indem  er  eine  leichte  Anwendung  auf 
die  verschiedensten  Gebiete  des  Kunstgewerbes  geslattete.  Was  Berain  für  Wand- 
dekorationen, Kamine,  Möbel  erfand,  übertrugen  seine  Nadifolger  auf  andere  Gegen- 
stände mit  geringer  Mühe. 

Der  bedeutendste  unter  diesen  war  der  Sohn  des  Jean  Marot,  Daniel  Marot, 
den  die  Aufhebung  des  Edikts  von  Nantes  im  Jahre  1685  zwang,  nach  Holland 
auszuwandern.  Hier  fand  er  günstige  Aufnahme  bei  Wilhelm  von  Oranien,  dem 
späteren  König  von  England.  Sein  Werk  kam  1712  zu  Amsterdam  heraus.')  Zuletzt 
begegnet  uns  sein  Name  auf  den  Illustrationen  zu  einer  jüdischen  Bibel,  welche  die 
Inschrift  tragen:  Daniel  Marot,  invenit  et  fecit  1718.'-)  Marots  Stil  ist  stark  durch 
Berains  Laub-  und  Bandelwerk  beeinflußt.  Vielfach  erscheinen  seine  Stiche  nur  als 
eine  erweiterte  Anwendung  der  Berainsdien  Formen,  die  freilich  bei  ihm  schon  in- 
folge  der   reicheren  Verwendung   des  Akanthus   schwerer  erscheinen.     Vielfach  geht 

^)  Neudrucke  im:  Ornamentwerk  des  Daniel  Marot.     Berlin,  E.  Wasmuth,  1892. 
'-)  Berard,    R  .    Catalogue  de  toutes  les  estampes  qui  forment  l'oeuvre  de  Daniel  Marot 
S.  5.    Bruxelles  1865. 


68 


Brüniiig  -Rohde,  Sdimiedekunst. 


er  auch  auf  den  massigen  Pomp  Lepautres  zurück.  Für  die  Sdilosser  hat  er  eine 
Folge  von  sechs  Blatt  entworfen,  welche  die  Aufsdirift  trägt:  „Nouveau  Liure  de 
Serrurerie  Inuente  et  Grauee  Par  D.  Marot  Architecte  de  Sa  Majeste  Britanicque  fait 
aux  Preuilege  des  Etats  Generaux  des  Provinces  Unies  ce  vend  ä  la  HayechezL'auteur." 


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^^/'Taraf  iniivVt,  Ct  pcit  oaa.  Inujhot  dn  C  ta/i  (fmirau/x.  ii 

Abb.  67.    Entwürfe  für  Sdilosserarbeiten  von  Daniel  Marot 


J  rcnurXCt  V/T 


Kapitel  III.     Barod<. 


69 


Sie  enthält  Portale,  Gitter,  Treppengeländer,  Balkone,  Schlüsselsdiilder  und  Schlüssel- 
griffe (Abb.  67).  Mehrere  Entwürfe  zeigen  deutliclic  Anklänge  an  die  Versailler 
Arbeiten.  Einer  der  Balkone,  dessen  Mitte  ein  Monogramm  einnimmt,  ließe  sidi 
ohne  weiteres  in  die  Reihe  der  Balkone  der  Cour  de  Marbre  setzen. 

Ahnlich  wie  bei  Berain  ist  auch  Marots  Einfluß  auf  die  Schmiedekunst  nicht  nur 
in  der  besclieidenen  Zahl  seiner  Entwürfe  für  Eisenarbeiten  begrenzt,  bedeutend 
wichtiger  für  die  Entwicklung  des  Formenkreises  der  Schmiedekunst  besonders  in 
Deutsdiland  war  die  durcli  ihn  erfolgte  weitere  Ausbildung  und  Festlegung  des  Laub- 
und Bandelwerkstils  überhaupt. 

Unter  den  Ornamentsteclicrn,  weldie  ausschließlich  auf  dem  Gebiet  des  Schmiede- 
eisens tätig  waren,  das  Ornamentkapital  Berains  weiter  auszunutzen  und  die  Laub- 
und Bandelwerkformen,  die  ihr  Vorbild  in  Gitterwerken  niedergelegt  hatte,  auch  auf 
alle  anderen  in  den  Bereicli  der  Schmiedekunst  fallenden  Gegenstände,  Sdilösser, 
Schlüssel,  Beschläge,  Klopfer,  Geräte  usw. 
zu  übertragen ,  hat  sidi  besondere  Ver- 
dienste S.  Vallce  erworben,  der  nicht  nur 
Balkone,  sondern  audi  Chorpulte,  Kron- 
leuchter, große  Kandelaber  für  die  Oster- 
kerze,  Wandarme  (Abb.  68),  Schlüsselgriffe 
entwarf.  Zum  Teil  sind  seine  Linien  schon 
weidier  und  geschmeidiger,  als  die  Berains. 
Eine  Ergänzung  dazu  bilden  die  Stiche  des 
Nicolas  Guerard  mit  Chor- und  Kommunion- 
gittern, Türklopfern  und  Schlüsselschildern. 

Übrigens  scheint  Berains  Einfluß  auf 
die  französisdie  Schmiedekunst  nur  wenige 
Jahrzehnte  gedauert  zu  haben,  soweit  sich 
das  bei  dem  fast  gänzlichen  Mangel  an 
erhaltenen  Schmiedearbeiten  jener  Zeit  be- 
urteilen läßt.  Sdion  gegen  Ende  der  Re- 
gierung Ludwigs  XIV.  tauchen  neue  künst- 
lerische Kräfte  auf,  die  von  den  strengeren 

Formen  Berains  allmählich  zu  dem  bewegteren,  freieren  Linienfluß  des  Rokoko 
hinüberführen.  Sie  stehen  auf  jener  vermittelnden  Kunststufe,  die  man  mit  dem 
Namen  Regence  zu  bezeichnen  pflegt. 

Der  führende  Geist  unter  ihnen  war  Robert  de  Colte,  damals  „der  erste  Architekt 
des  Königs",  von  dem  die  berühmten,  leider  nur  noch  in  Stichen  des  Nie.  Bonnard 
erhaltenen  Chorgitter  der  Notre  Dame-Kirche  in  Paris  entworfen  wurden.  Ludwig  Xlll. 
hatte  1638  ein  Gelübde  getan,  zu  Ehren  der  Gottesmutter  den  Hauptaltar  der  Kathedrale 
neu  aufzubauen.  Erst  1699  dachte  sein  Nachfolger  daran,  das  Versprechen  des  Vaters 
zu  erfüllen.  Er  übertrug  Jules-Hardouin  Mansart  die  Ausführung  der  Aufgabe.  Die 
begonnenen  Arbeiten  wurden  aber  plötzlich  wieder  abgebrochen  und  erst  1708  nach 
dem  Tode  Mansarts  unter  Leitung  de  Cottes  wieder  aufgenommen,  der  den  ganzen 
Chor  samt  Gestühl  und  Gitter  im  Geschmack  der  damaligen  Zeit  ohne  historische 
Ängstlichkeit  neu  errichtete.  In  der  Architecture  fran(;aise  von  Jacques  Franc^oisBlondel, 
die  1752  erschien,  sind  Pläne  und  Ansichten  des  Chors  (Livre  IV,  No.  III,  pl.  II  u.  ff.) 
enthalten,  woraus  die  Stellung  der  einzelnen  Gitter  ersichtlich  ist.  Äußer  dem  Haupt- 
portale am  Eingang  des  Chores  befanden  sich  auf  der  Mitte  der  Langseiten  zwei 
kleinere  Türen.  Die  Seiten  des  Chores  nach  dem  Umgang  hin  waren  durch  sechs 
Gitter   abgeschlossen.     An   der  Ausführung    der  von   Robert  de  Cotte   entworfenen. 


Abb.  68.    Wandarm  nadi  einem  Stiche 
von  S.  Vallee. 


70 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


reidi  vergoldeten  Sclimiedewerke  hatten  mehrere  Sdilosser  gearbeitet,  das  Hauptportal 
verfertigte  Franc^ois  Caffin,  die  beiden  Seitentüren  Louis  Fordrin  (Foudrain),  die  Ab- 
sdilußgitter  Nicolas  Parent,  Jacques  Petit  und  Ridiard.')  1714  war  die  ganze  An- 
lage vollendet.     Zur  Zeit  der  Revolution  wurden  die  Gitter  zerstört  (1793). 

Gegenüber  den  strenger 
gefügten  bisherigen  Linien- 
kompositionen herrschtjetzt 
(ine  leichte  Gefälligkeit. 
Die  Stäbe  schwingen  sich 
in  rundlich  geschweiften 
Linien,  jede  gerade  Rich- 
tung ist  vermieden.  Das 
Akanthuslaub,  welches  das 
Stabwerk  verziert,  ist  von 
dünner,  zierlicher  Bildung. 
Die  Mit'e  der  Flügel  des 
Eingangstores  (Abb.  69) 
nimmt  ein  großes,  rundes 
Medaillon  mit  einem  ge- 
krönten Doppel-L  ein,  der 
Rahmen  ist  mit  breiten 
Akanthusblättern  geziert. 
Die  ganze  Füllung  umgibt 
ein  Wellenband,  die  vier 
Ecken  sind  mit  großen 
Lilien  geschmückt.  Elegant 
geschwungene  Voluten  mit 
dem  königliclien  Wappen 
in  der  Mitte  bilden  den 
Aufsatz.  Die  Seitentüren 
und  Abschlußgitter  sind 
ähnlidi  gestaltet. 

Einer  der  bei  der  Her- 
stellung der  Gitter  von 
Notre  Dame  tätigen  Sdilos- 
ser besaß  auch  bedeutende 
künstlerische  Talente,  näm- 
lich Louis  Fordrin,  der  uns 
ein  ziemlich  umfangreiches 
Foliowerk  mit  Entwürfen 
für  Schmiedearbeiten  hinter- 
lassen hat.  Das  Privileg 
dazu  ist  1723  ausgestellt.  Dafür,  daß  der  Verfasser  dieses  Nouveau  Livre  de  Serrurerie 
identisdi  ist  mit  dem  bei  den  soeben  erwähnten  Gittern  Robert  de  Gottes  beschäftigten 
Sdilosser,  spricht  der  Umstand,  daß  ein  Teil  der  Entwürfe  Anlehnungen  an  die 
Gitterwerke  der  Pariser  Kathedrale  verraten,  wie  z.  B.  der  Stich  mit  der  Unterschrift: 
Porte  pour  une  choeur  d'eglise.  Fordrin  nennt  sich  im  Titel  „Maitre  serrurier 
ordinaire  des  bätiments  du  Roy  et  de  ses  monnaies".  Er  scheint  einer  Schlosser- 
Einteilung 


Abb.  69. 


Portal  des  Cliorgitters   von  Notre  Dame  zu  Paris 
nadi  einem  Stiche  des  Nie.  Bonnard. 


^)  Vgl.  Nouveau  Livre  de  Serrurerie  par  Louis  Fordrin. 
Seite  2  (Neudruck). 


Ä.  Calavas.     Paris. 


Kapitel  III.     Barock. 


71 


familic  zu  Gntstammen.  flußer  sGinem  Namen,  der  1703  in  dpn  Comptes  des  bätiments 
auftritt,  werden  ebendort  noch  seit  1686  ein  Gilles,  Alexis,  Fran(;ois  und  eine  Witwe 
Jean  Fordrin  erwähnt. 

Neben  Kompositionen,  deren  sdiön  geschweifte  Linienzüge  an  Robert  de  Gottes 
Formgebung  erinnert,  weist  ein  großer  Teil  der  veröffentlichten  Arbeiten  auf  ein  den 
Gittern  von  Notre  Dame  um  20  Jahre  vorausliegendes  Ornamentwerk  hin,  nämlich 
das  Sdilosscrbuch  des  Jean  Tijou  von  1695,  dessen  für  England  hochbedeutsame 
Tätigkeit  noch  zu  würdigen  sein  wird.  Fordrin  benutzte  nicht  nur  das  Titelblatt  des 
Werkes  von  Tijou  in  seinem  Schlosserbuche  von  neuem,  sondern  er  gab  audi  eine 
Neuauflage  des  Tijouschen  Buches  heraus,  die  noch  in  mehreren  Exemplaren  vor- 
handen ist.  In  einigen  der- 
selben tragen  die  Stiche  die 
Bczeidinung  Tijou  inv.  et 
del,  (von  Tijou  erfunden 
und  gezeiclinet),  in  anderen 
ist  dagegen  statt  dessen 
L.  Fordrin  exe.  (von  L.  For- 
drin herausgegeben)  ein- 
gesetzt, der  Name  Tijous 
also  vollständig  unterdrückt. 
Auf  Tijous  Ornamentik  weist 
in  den  Stichen  Fordrins  der 
in  reichem  Umfange  ver- 
wandte Akanthus  hin,  der 
freilich  in  einer  zierlicher 
und  dünner  gezeichneten 
Gestalt  auftritt  als  bei  Tijou, 
ferner  die  in  Akanthus- 
ranken  auswachsendenTier- 
köpfe  und  phantastischen 
Masken  und  die  gebroche- 
nen Lmien  der  Stäbe.  Auch 
die  eigentümlidien  langen 
Blätter  in  Lanzettform  mit 
gewellten  Kanten  finden  sich 
ebensowohl  bei  Tijou  wie 

bei  Fordrin.  Besonders  die  Treppengeländer  und  Balkone  sind  in  dieser  älteren 
Manier  entworfen. 

Trotz  dieser  Anlehnung  an  Tijou  und  de  Cotte  ist  Fordrin  eine  reiche  schöpferische 
Phantasie  nicht  abzusprechen.  Vielmehr  erfreut  er  durch  seine  mannigfaltigen  Gitter- 
kompositionen, die  zum  Teil  ganz  neue,  wirkungsvolle  und  großzügige  Motive  ent- 
halten. Er  liebt  es  besonders,  die  Rahmen  seiner  Gitterwerke  mit  einer  großen 
Komposition  in  Fächer-  oder  Palmettenform  oder  in  Gestalt  einer  ovalen  Rosette  zu 
füllen,  oder  er  bildet  das  Stabwerk  seiner  Türflügel  als  eine  Art  von  großem  Sockel, 
auf  dem  das  Monogramm  des  Königs  oder  anderes  steht,  ähnlich  wie  Daniel  Marot, 
mit  dem  er  sich  auch  zuweilen  berührt,  es  getan  (Abb.  70).  Jedenfalls  gehört  Fordrin 
zu  den  hervorragendsten  Ornamentstechern,  welche  die  Geschichte  der  Schmiedekunst 
aufzuweisen  hat. 

Fragt  man  nadi  erhaltenen  Schmiedearbeiten  aus  der  Spätzeit  Ludwigs XIV. 
undaus  der  Regence,  so  erhält  man  nur  eine  dürftige  Antwort.   Ein  aus  Balustern  ge- 


Äbb.  70.    Portal  aus  dem  Schlosserbuche  von  L.  Fordrin. 


72 


Brüning  -  Rohdc,  Sdimicdckunst. 


bildctes  Geländer  befindet  sich  nocli  an  der  Nordseite  des  Sdilößdiens  Grand  Trianon, 
das  Ludwig  für  die  Frau  von  Maintenon  durch  Mansart  in  den  Jahren  1687  und  1688 
erbauen  Heß.  Die  Ballustrade,  welche  einen  terassenartigen  Ausbau  und  die  von 
demselben  hinabführende  Treppe  einfaßt,  ist  von  dem  bereits  auf  S.  71  genannten 
Alexis  Fordrin  hergestcUt  worden  (Abb.  71). 

Die  schon  auf  S.  57  erwähnten,  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  errichteten 
Gitterwerke  von  Marli),  die  schönen  Balustradengitter,  welche  zwischen  Marmor- 
gruppen von  Sphinxen  und  spielenden  Putten  das  Sdiloß  einrahmten,  und  die  Um- 
friedigungen der  Teidie  und  Fontänen  des  Parkes  sind  uns  dagegen  nur  aus  Ab- 
bildungen nodi  bekannt. 


Abb.  71.    Gitter  am  Schloß  Grand  Trianon. 


Etwas  besser  sieht  es  mit  den  kirchlichen  Schmiedearbeiten  aus.  Hier  sind  zu- 
nächst das  durch  besonders  kunstvolle  Arbeit  sich  auszeidinende  Chorgitter  von 
St.  Ouen  zu  Ronen  und  das  einfachere,  aber  gefällige  Chorgitter  der  Kathedrale  zu 
Beauvais  zu  nennen  (Abb.  72).  Der  geschmeidige,  leichte  Linienfluß  des  Stabwerks 
weist  sie  dem  Kreise  der  Arbeiten  de  Cottes  und  Fordrins  zu.  Etwas  später  als 
diese  beiden  Werke  scheint  das  herrliche  Portal  zu  sein,  welches  jetzt  den  Hof  des 
erzbischöflichen  Palais  in  Sens  (Abb.  73)  abschließt.  Während  die  Gesamtkomposition 
noch  im  Geschmack  Berains  gehalten  ist,  zeigen  einzelne  Ornamente  schon  starke 
Anklänge  an  das  Muschelwerk  des  Rokoko.  Die  ovalen  Felder  in  der  Mitte  eines 
jeden  Türflügels  enthalten  kirchliche  Embleme,  Kreuz  und  Monstranz,  sowie  Kelch 
und  Ciborium  mit  Trauben  und  Ähren.  Im  Aufsatz  sind  die  Troddeln  des  Kardinals- 
hutes hübsch  dekorativ  verwendet  worden. 

Von  schmiedeeisernen  Chorpulten,  die,  nach  den  Stichen  Vallees  zu  schließen, 
damals  beliebt  gewesen  sein  müssen,  haben  sich  noch  mehrere  erhalten.  Wohl  das 
schönste   besitzt  Mr.  Secq   des  Tournelles,    Eigentümer    einer    wertvollen    Sammlung 


Kapitel  111.     Barock. 


73 


Abb.  72.    Chorgitter  der  Kathedrale  zu  Beauvals. 


74 


Briiniiig  -  Rolide,  Sdiinicdekunst. 


alter  Sdimiedcarbeiten.  Die  geneigten  Flächen  des  Pultes  sind  mit  dem  strahlen- 
umflossenen  Monogramm  Christi  gesdimüclü  (Abb.  74).  Einer  der  sehr  seltenen 
schmiedeeisernen  Kronlcuditer  befindet  sich  im  Musce  de  Cluny  zu  Paris  (Abb.  75) 
Er  erinnert  an  einen  ähnlidien  Entwurf  Bcrains  für  einen  Kronleuditer,  bei  dem 
audi  das  Mittelstadt  die  Gestalt  einer  Kugel   mit  den  drei  bourbonisdien  Lilien  und 


Abb.  73.     Gitter  im  Garten  des  erzbischöflichen  Palais  zu  Sens. 


der  Krone  hat.  Als  Beispiel  einer  Schlosserarbeit  kleineren  Maßstabes  mag  der 
Türklopfer  der  Ecole  Saint- Franc^ois  de  Sales,  Rue  de  la  vannerie  in  Dijon  dienen 
(Abb.  76).  Während  bei  diesem  Klopfer  und  den  verwandten  Entwürfen  der 
Ornamentstecher  die  Anschlagplatte  den  Hauptschmuck  trägt,  der  Klopfring  in  der 
bescheidenen  Form  des  Bügels  auftritt,  gab  es  daneben  auch  Klopfer  mit  figür- 
lichem Schmuck,  bei  dessen  Herstellung  die  Kunst  des  Eisenschneiders  reiche  Be- 
tätigung fand. 


Kapitel  III.    Barock. 


75 


Abb.  75.  Kronleuchter  im  Musee  de  Cluny,  Paris. 


:m. 


Abb.  74.    Chorpult  in  der  Sammlung  Secq        Abb.  76.    Klopfer  an  der  Ecole  Saint-Fran(;ois 
des  Tournelles.  de  Sales  zu  Dijon. 


76 


Brüniiig  -  Rohdc,  Sdimiedekunst. 


2.  England 

In  engster  Anlehnung  an  Frankreidi  erlebt  auch  England  vom  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts ab  eine  Blüte  der  Sdimiedeeiscnkunst.  Ihr  Höhepunkt  fällt  zusammen  mit 
der  Regierung  des  Oraniers  Wilhelm  111.  (1688—1702).  Was  an  dieser  erneuten 
Blüte  der  cnglisclicn  Sdimiedekunst  besonders  merkwürdig  ist,  das  ist  der  Umstand, 


Abb.  77.    Titelblatt  zu  Jean  Tijous  Schlosserbuch. 


Kapitel  III.    Barock. 


77 


daß    sie   durch    die  Tätigkeit   eines   einzigen   Mannes,    nämlich    des  Franzosen  Jean 
Tijou,  herbeigeführt  wurde. 

Man  vermutet,  daß  Christopher  Wren,  der  führende  englische  Architekt  in  der 
zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts,  der  „Sdiöpfer  des  modernen  Londons",  Jean 
Tijou  nach  England  gezogen  habe.  Die  Hauptwerke  Tijous  sind  wenigstens  für 
Bauten  Wrens  ausgeführt  worden.  Von  1689—1700  arbeitete  er  für  das  königliche 
Schloß  Hampton  Court,  das  damals  von  Wren  erweitert  wurde,  von  1693 — 1711  wird 
er   in   den   Baurechnungen   der  St.  Paulskirclie   in   London,    dem   Hauptwerk  Wrens, 


Abb.  78.     Stich  aus  Jean  Tijous  Sdilosserbudi. 

erwähnt.  Auch  für  die  Architekten  Talman  und  John  Vanbrugh  hat  Tijou  Schmiede- 
arbeiten entworfen  und  vielleicht  auch  selbst  ausgeführt.  Die  Hauptquelle  zur  Er- 
kenntnis seiner  Kunst  bildet  ein  von  ihm  selbst  herausgegebenes  Werk  mit  franzö- 
sischem und  englischem  Titel.  Derselbe  lautet  in  der  Übersetzung:  „Neues  Vorlagewerk, 
entworfen  und  gezeichnet  von  Jean  Tijou,  mit  mancherlei  Arten  von  Eisenarbeiten 
wie  Toren,  Bekrönungen,  Treppengeländern,  Füllungen  usw.,  von  denen  der  größte 
Teil  für  das  königliche  Schloß  zu  Hampton  Court  und  die  Häuser  mehrerer  Personen 
von  Rang  in  diesem  Königreiche  ausgeführt  worden  sind.  Alles  zum  Nutzen  der- 
jenigen, welche  das  Eisen  mit  Vollendung  und  Kunst  bearbeiten  wollen.  Verkäuflich 
beim  Autor,  London  1693"').  Der  Titel  steht  auf  einem  Vorhange,  vor  dem  mehrere 
Männer  mit  einem  Teil  einer  kunstvoll  geschmiedeten  Bekrönung  beschäftigt  sind. 
Im  oberen  Teil  des  Stiches  führt  Merkur  der  Athene,  welche  umgeben  von  den 
Musen  verschiedener  Künste  auf  einer  Wolke  erscheint,  eine  Gitterfüllung  vor.  Im 
^)  Neudruck:   Starkie  Gardner.    Ä  new  booke  of  drawings  by  John  Tijou.    London  1890. 


78 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Hintergründe  sieht  man  in  einer  Höhle  Cyklopen  bei  der  Schmiedearbeit  (Abb.  77). 
Das  Bild  ist  entworfen  und  gezeichnet  von  Louis  Laguerre,  dem  Scliwiegersohne 
Tijous,  graviert  von  P.  Van  Somer,  einem  in  Amsterdam  gebürtigen  Stecher.  Die 
übrigen  19  Tafeln  sind  von  Van  der  Banck,  P.  P.  Bouclie  und  Van  der  Gudit,  sämt- 
lidi  niederländischer  Herkunft,  gestodien  worden.  Sie  enthalten  außer  den  im  Titel 
genannten  Gegenständen  Wandarme,  Schlüsselsdiilder  und  Schlüsselgriffe. 

Die  Formenspradie  Tijous  ist  ziemlich  sdiwülstig  und  weitsdiweifig.  Er  macht 
sehr  reidie  Verwendung  vom  Akanthus,  der  bei  ihm  stark  ins  Kraut  geschossen  ist 
und  eine  breite,  lappige  Bildung  zeigt.  So  entsteht  der  Eindruck  einer  üppigen 
Vegetation,  in  der  eine  reiche  Tierwelt  sidi  tummelt.  Die  bei  Fordrin  erwähnten 
lanzettförmigen  Blätter  mit  gewellten  Kanten  scheinen  bei  Tijou  zum  ersten  Male  in 
Anwendung  gekommen  zu  sein.  Der  Einfluß  der  Versailler  Arbeiten  läßt  sich  deut- 
lidi  verfolgen  (vgl.  Abb.  78),    ebenso    scheinen    die  Portale  von  Maisons   eine  nach- 


Äbb.  79.    Gilter  im  Park  von  Hampton  Court  nadi  einem  Stiche  von  S.  Tijou. 


haltige  Einwirkung  auf  Tijous  Formgebung  ausgeübt  zu  haben.  Auch  Motive  der 
zwischen  den  Arbeiten  von  Maisons  und  Versailles  liegenden  Schmiedewerke  kom- 
men vor  —  so  zeigen  z.  B.  mehrere  der  auf  Tafel  18  dargestellten  Entwürfe  starke 
Anklänge  an  Brisville  — ,  so  daß  seine  Ornamentik  fast  wie  ein  gedrängter  Auszug 
der  französischen  Schmiedekunst  von  1650 — 1690  erscheint. 

Die  Bestimmung  eines  großen  Teiles  der  in  seinen  Werken  enthaltenen  Eisen- 
arbeiten läßt  sich  noch  nachweisen.  Auf  den  Tafeln  2,  4,  12,  16,  19  und  20  sind 
Schmiedewerke  dargestellt,  welche  für  Hampton  Court  ausgeführt  worden  sind.  Auf 
der  Tafel  20  (Abb.  79)  ist  ein  Teil  des  berühmten  Gitters  aus  dem  Park  von  Hampton 
Court  dargestellt.  Zwölf  der  Füllungen  haben  sich  noch  samt  den  einfassenden 
Pilastern  erhalten,  das  Portal  in  der  Mitte  dagegen  fehlt.  Sie  sind  nadi  London 
geschafft  worden  und  von  da  auf  das  South  Kensington  Museum  und  auf  ver- 
schiedene Städte,  Edinburgh,  Dublin,  Nottingham,  Wolverhampton,  Sheffield  usw. 
verteilt.  Den  Mittelpunkt  jeder  Füllung  bilden  Zeichen  des  englisdien  Königswappens, 
die  Harfe,  Distel,  Rose,  ferner  heraldische  Lilien,  das  Monogramm  des  Königs  usw. 
Die  Masken  darüber,  welche  den  Abschluß  der  Füllungen  nach  oben  bilden,  sind 
nochmals  auf  den  Tafeln  12  und  16  in  größerem  Maßstabe  wiedergegeben,  sowohl 
die  Maske  der  noch  vorhandenen  Füllung  in  der  Abbildung  78,  wie  die  auf  den 
beiden  Füllungen   des  Stiches.     Tafel  6—10  enthalten  Arbeiten,    die  für  Chatsworth 


Kapitel  III.     Barod<. 


79 


ausgeführt  worden  sind,  darunter  ein  Balkon  mit  dem  Wappen  des  Herzogs  von 
Devonshire  (drei  Hirschköpfe);  Tafel  17  führt  die  Gitter  des  Hofgartens  zu  Burleigh 
vor,  die  genau  so  ausgeführt  worden  sind,  was  nicht  auf  alle  Stidie  zutrifft.  Ein 
Treppenbalüster  auf  der  Tafel  18  ist  in  der  Bibliothek  des  Trinity  College  zu  Cambridge, 
wclclie  aucli  von  Wren  gebaut  wurde,  als  Motiv  für  ein  Geländer  verwandt  worden. 
Die  Schmiedearbeiten  dieses  Geländers  wurden  von  dem  Londoner  Schlosser  Patridge 
angefertigt,  der  in  den  Redinungen  der  Bibliothek  aus  den  Jahren  1691  und  1692 
auftritt.     An  den  Schmiedewerken  zu  Hampton  Court  dürfte  der  Schlosser  Huntington 


Abb.  80.    Teil  eines  Gitters  aus  dem  Park  von  Hampton  Court  im  South  Kensington  Museum 

zu  London  (vgl.  Abb.  79). 


Shaw  zu  Nottingham  beschäftigt  gewesen  sein.  Bei  der  gewaltigen  Anzahl  von 
Schmiedearbeiten,  die  auf  Tijou  zurückzuführen  sind,  wird  nur  ein  kleiner  Teil  von 
seiner  eigenen  Hand  ausgeführt  worden  sein. 

Wohl  die  bedeutendsten  Arbeiten  seiner  späteren  Zeit  sind  die  Gitter  der  St 
Paulskirche  zu  London,  welche  zwischen  1693  und  1711  entstanden  sind,  also  nicht 
in  seinem  Vorlagewerk  abgebildet  sein  können.  Besonders  stattliche  Gitter  schließen 
die  Seitenschiffe  zu  beiden  Seiten  des  Chors  ab^).  Die  Stäbe  der  oberen  Hälfte  des 
Gitters  sind  zu  Pilasterreihen  zusammengefaßt.  Die  Türen  sind  von  kanneliierten 
korinthischen  Pilastern  flankiert.  Die  Spitzen  der  reichen  Bekrönung  bilden  flammende 
Vasen.     Ebenfalls  die  Westminster-Abtei  besitzt  Arbeiten  im  Stile  Tijous. 

Auch  außerhalb  Londons  scheint  Tijou  eine  reiche  Tätigkeit  entfaltet  zu  haben. 
So  sind  noch  Werke  seiner  Formensprache  in  Hampstead,  Old  Langthon,  Hall  in  Essex, 


>)  Abbildung  in:Ebbets,  D.  J.,  Examples  of  decorative  wrought  ironwork.  London  1879,  pl.  10. 


80 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Lincoln,  Carshalton,  Beverlei],  Oxford  usw.  vorhanden  (Abb.  81  und  82).  Ein  be- 
sonders präditiges  Werk  ist  das  Portal  von  All  Souls  in  Oxford^).  Alle  diese 
Beispiele  zeigen  den  für  Tijou  so  charakteristisdicn  breitlappigen  Akanthus  in  reicher 
Verwendung. 

Zahlrcidie  andere  englische  Gitter  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts   sind 
mit   weniger    reichhaltigem  Laubwerk   ausgestattet   und    lassen  das  Stabwerk    mehr 


Abb.  81.    Gittertür  an  der  „Clarendon  Press"  zu  Oxford. 

hervortreten,  eine  Besdiränkung,  die  allerdings  den  eigentümlichen  Charakter  der 
Ornamentik  Tijous  verwischt,  aber  aus  praktischen  Gründen  Anerkennung  verdient. 
Indessen  lassen  auch  in  dieser  Abwandlung  die  meisten  derselben  ihre  Herkunft  von 
diesem  so  fruchtbaren  Meister  deutlich  erkennen. 

Von  Kleinarbeiten  jener  Zeit  ist  eine  im  Berliner  Kunstgewerbemuseum  auf- 
bewahrte Eisenkasette  (K  4455)  zu  erwähnen  mit  rotem  Sammetbezug  und  Bronze- 
besdilägen,  auf  die  durchbrochene  Eisenornamente  aufgesetzt  sind.  Sie  trägt  das 
Monogramm  Wilhelms  III.  und   seiner   Gemahlin  Maria    und    soll    aus  dem  Nachlaß 


1)  Vgl.  Bloemfield,    R.,   Ä  history  of  Renaissance  Hrdiitecture  in  England.    London  1897, 
II,  S.  388  u.  f. 


Kapitel  III.    Barodt. 


81 


der  1694  gGstorbenen  Königin  stammen.  Der  sehr  zierlidi  gearbeitetG  Schlüssel  zeigt 
besonders  starke  Anklänge  an  die  Formenspradie  Tijous.  Ähnliche  Schlüssel  mit 
Wappen  und  Monogrammen  englischer 
Aristokraten  haben  sidi  noch  zahlreicli  er- 
halten. Auch  sonst  findet  man  eine  gleiche 
Verbindung  von  Eisen  und  Messing  bei 
englischen  Schlössern,  indem  der  eiserne 
Schloßkasten  in  einen  durdibrochenen 
Mantel  mit  graviertem  Messing  einge- 
gehüllt  ist'). 

Ein  sprediendes  Zeugnis  für  die 
lange  Lebensdauer  der  Tijouschen  For- 
men gibt  das  Architekturwerk:  „The  City 
and  Country  Builders  and  Workmans 
Treasury  of  Designs"  von  Battey  Lang- 
ley  London  1740,  in  welchem  auf  den 
Tafeln  179  bis  186  Nachstiche  aus  Tijous 
Schlosserbuch  als  Vorlagen  für  Eisen- 
arbeiten vorgeführt  werden.  Sie  sind 
von  Thomas  Langley  gestochen.  Die 
Tafeln  179  und  180  enthalten  die  Be- 
zeichnung: Batty  Langley  Invent(or)  1739, 
enthüllen  also  ein  ähnliches  Plagiat,  wie 
Fordrin  es  begangen. 

Der  Stil  Tijous  wurde  in  gewissem 
Sinne  Englands  nationaler  Eiscnstil.  Das 
Rokoko  fand  kaum  Aufnahme  in  der  eng- 
lischen Schmiedekunst.  Die  dürftige  Er- 
findung eines  Taylor  und  anderer  im 
Empiregeschmack  können  keinen  Anspruch 

auf  Kunst  erheben.      So    stirbt  denn   mit  dem  Ausklingen  der  Formen  Tijous   auch 
die  Schmiedekunst  Englands  allmählich  wieder  ab. 


Abb.  82.    Gestell  aus  der  Pfarrkirche  von  New- 

castle-under-Lyne,    Staffordshire,    im   South 

Kensington  Museum  zu  London. 


3.  Deutschland 

Der  barocke  Geist  im  deutschen  Schmiedeeisen  offenbart  sidi  in  zwei  Formen. 
Einmal  in  der  Aufnahme  des  Akanthus,  zum  andern  in  der  Verwendung  per- 
spektivischer Gitter.  Beide  verbinden  sich  anfangs  durchaus  noch  mit  dem  Spiral- 
gittertyp der  Renaissance.  Der  Akanthus  oder  akanthusartige  Blätterformen  beleben 
und  begleiten  die  Spiralen,  die  jetzt  allerdings  weniger  oft  durcheinander  geschoben, 
sondern  wie  bei  der  Spätgotik  (Seite  22)  dort,  wo  sie  sich  begegnen,  übereinander 
hergeführt  werden.  Die  Endigungen  der  Grundstäbe  bestehen  regelmäßig  aus 
akanthusartigen,  geschnittenen  länglichen  Blättern,  welche,  die  Bewegung  der  Spiralen 
fortsetzend,  sich  nach  innen  biegen.  Masken,  die  in  ähnliches  Laubwerk  auswachsen, 
und  kleine  Halbfiguren  in  Blattkelchen  beleben  das  Rankenwerk.    Auch  hier  werden 

1)  Abgebildet  in  Quaritch,  B.,  Ornamental  Ironwork.    London  1898,  pl.  11  u.  ff. 
Brünlng-Rohde,  Scbmiedekunst.  " 


82 


Brüning-Rohde,  Sditniedekunst, 


die  Stäbe  nicht  selten  mit  eingehauenen  Ornamenten  versehen.  Durdi  diese  lockere 
Akanthusornamcntik  tritt  die  Spirale  in  ihrer  formalen  Bedingtheit  zurück,  sie  sinkt 
zum  tedmisdien  Gerüst  herab,  das  sdiließlicli  jede  Formbedeutung  verloren  hat. 

Soldien  Übcrgangsdiarakter  zeigt  ein  Fensterkorb  aus  Bayern,  der  sidi  im 
Hamburgisdien  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe  befindet  (Abb.  83);  er  weist  neben 
den  Spiralen  audi  nodi  die  Spindelblumc  der  Renaissance  als  Bekrönung  der  Pfeiler 
auf.  Die  Spiralen  zeigen  bei  geringer  Verwendung  der  Durchsdiiebungen  meist 
Umschlingungcn,  vereinzelt  Sdiweißverbindungen.  Von  den  zahlreichen  noch  vor- 
handenen Gitterwerken  in  diesem  Geschmack,  der  im  Norden  ebenso  wie  im  Süden 
hcrrsdite,  ist  vielleicht  das  merkwürdigste  eine  zehn  Meter  hohe  Gartenpyramide  im 
Besitz  des  Museums  für  Kunst  und  Gewerbe  in  Hamburg  (Abb.  84).  Es  ist  eines 
der   wenigen    erhaltenen    Beispiele    dieser  Art    der  Verwendung    des   Eisens    in    der 


Abb.  83.    Fensterkorb,  Bayern  (Hamburg,  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe). 


Gartenarchitektur,  weldie,  wie  schon  bei  der  Besprechung  der  Gitterwerke  im  Park 
zu  Versailles  erwähnt  wurde,  nicht  selten  gewesen  sein  muß.  Im  dortigen  Bosquet 
de  l'arc  de  triomphe  waren  ähnliche  Pyramiden  aus  Eisen  aufgestellt  (vgl.  Abb.  54). 
Die  Hamburger  Pyramide  schmückte  einen  Garten  in  Billwärder,  den  der  reiche  Kauf- 
herr Wilhelm  von  Hertoghe  1684  erwarb.  Sie  bildete  den  Endpunkt  einer  auf  per- 
spektivische Wirkung  berechneten  großen  Anlage.  Eine  Ansicht  des  Gartens  aus 
den  vierziger  Jahren  des  19.  Jahrhunderts,  in  denen  er  als  Tippenhauerscher  Garten 
ein  bekannter  Ausflugsort  der  Hamburger  war  (Abb.  85),  zeigt  im  Hintergrund  die 
aufgestellte  Pyramide,  die  sich  jetzt  gegenüber  dem  Museumseingang  befindet. 

Die  dem  Gitterwerk  dieses  Stiles  entsprechenden  Kleinarbeiten,  Beschläge, 
Schlösser,  Schlüssel,  Klopfer  usw.  verwenden  den  Akanthus  in  getriebener  (Abb.  86), 
gravierter,  geschmiedeter  und  geschnittener  Form.  Bei  den  gravierten  Arbeiten  ist 
der  Grund  zwisdien  den  Akanthusranken  häufig  blau  angelassen.  Gewöhnlich  pflegt 
die  ganze  Fläche  mit  verschlungenen  Akanthusranken,  die  sich  zu  Spiralen  aufrollen 
und  mit  Masken  und  Halbfiguren  wie  beim  Gitterwerk  geziert  sind,  gefüllt  zu  sein. 
Bei    den    umfangreichen   Kastenschlössern    ist    sowohl  die  Schloßdecke   wie    die  An- 


Kapitel  III.     Barock. 


83 


schlagplatte,  mit  der  der  Sdiloßkasten  auf  der  Tür  befestigt  wird,  mit  Akanthus- 
ranken  verziert.  Der  Umriß  der  Ansclilagplatte  folgt  den  geschweiften  Linien  des 
Akanthiis  (vgl.  Abb.  86).  Zuweilen  findet  man  die  getriebene  und  gravierte  Arbeit 
an  einem  Stück  vereinigt. 
Zum  Beispiel  ist  bei  einem 
Schloß  des  Kunstgewerbe- 
museums zu  Berlin  die 
Ansclilagplatte  mit  gra- 
viertem Akanthus  auf  blau 
angelassenem  Grunde  ge- 
sclimückt,  der  Sdiloßkasten 
aber  ist  mit  durdibrodie- 
nen  getriebenen  Akan- 
thusranken  aus  Mcssing- 
bledi  versehen,  die  sich 
vom  blauen  Grunde  der 
Schloßdecke  wirkungsvoll 
abheben. 

Die  Schlüssel  sind  zu- 
meist einfach  gebildet,  dodi 
kommen  audi  sehr  reidi 
verzierte  Beispiele  vor,  an 
denen  der  Eisenschneider 
seine  Kunst  hat  zeigen 
wollen.  So  besitzt  das 
Berliner  Kunstgewerbe- 
museum einen  zierlichen, 
überaus  kunstvoll  gearbei- 
teten Sdilüssel,  der  als 
Hauptschlüssel  des  Jagd- 
schlosses Grunewald  ge- 
dient haben  soll.  Der  Griff 
enthält  in  einer  von  Palm- 
zweigcn  und  zwei  Adlern 
umgebenen  und  von  der 
preußischen  Krone  über- 
ragten Kartusche  das  Mo- 
nogramm Friedrich  Wil- 
helms I.  (1713-1740).  Das 
durchbrochene  Rohr  und 
der  Bart  sind  mit  ge- 
schnittenen und  gravierten 
Akanthusblättern  und  Ran- 
ken in  feinster  Arbeit  aus- 
gestattet (Abb.  87).  Von 
sonstigen  Arbeiten  dieses 
Stiles  verdient  noch  eine 
im  South  Kensington  Mu- 
seum m  London  befind-  ^j^^  84.  SdimlGdeeiserne  Pyramide  (Hamburg,  Museum  für 
liehe     Eisenkassette    vom  Kunst  und  Gewerbe). 


84 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


-ox..;tek-fcgä^W 


Abb.  85.    Änsidit  des  Tippenhauersdien  Gartens  in  Hamburg.    (Im  Hintergrunde  die 

aufgestellte  Pyramide.) 


Hbb.  86  und  Abb.  87. 
Schloß  und  Schlüssel 
im  Kunstgewerbe- 
museum   zu    Berlin. 


j    Abb.  88.    Türklopfer  aus  dem 
Schlosserbuche  von  H.  Oelcker. 


Kapitel  III.    Barock. 


85 


Jahre   1716,   deren  Deckel   mit  durchbrochenen   und  getriebenen  Akanthusranken  ge- 
sdirnückt  ist,  besondere  Erwähnung. 

Vorlagen  für  Scliloßbleche,  Anschlagplatten,  Schlüsselschilder  und  Türklopfer  ent- 
hält das  von  Joh.  Christ.  Weigel  in  Augsburg  verlegte  „Reiß- Büchlein  Heinrich 
Oelckers  Pürger  und  Hoffschlossers  in  Sprcmberg,  Gebürtig  in  Buxtehude.  Gelernt 
in  Hamburg  Anno  1710".  Es  ist  meines  Wissens  eines  der  frühesten  deutschen 
Ornamcntstidiwerke  für  Sclilosserarbeiten  überhaupt,  eine  interessante  Tatsache,  die 
zum  Teil  das  lange  Fortleben  älterer  Formen  in  der  deutsdien  Schmiedekunst  erklärt. 


Abb.  89.    Chorgitter  der  Stiftskirche  Maria -Einsiedeln. 


Die  Akanthusspiralen  sind  auch  hier  mit  Tierköpfen,  menschlichen  Masken  und  Halb- 
figuren durchsetzt.  Besonders  beachtenswert  ist  die  Tafel  mit  Klopfern  (Abb.  88). 
Anregungen  von  dem  Schlosserbuch  des  Mathurin  Jousse  sind  hierbei  verarbeitet. 
Links  ist  die  Hälfte  eines  Klopfers  in  Bügelform  dargestellt,  aus  dessen  Seite  eine 
menschliche  Büste  herauswächst.  Dann  folgt  ein  Klopfer  in  Gestalt  eines  Seepferdes 
mit  Akanthusblättern  statt  der  Flossen.  Ganz  merkwürdig  ist  der  dritte  Türklopfer, 
der  eine  weibliche  Halbfigur  darstellt.  Über  ihren  Kopf  beugt  sidi  ein  Adler,  der 
seine  Krallen  um  ihren  Leib  gelegt  hat  —  nichts  anderes  als  eine  sonderbare  Ent- 
stellung einer  bekannten  antiken  Gruppe,  welche  den  Raub  des  Ganimedes  durch  den 
Adler  des  Jupiter  darstellt.  Ähnliche  Klopfer  besitzt  auch  das  Kunstgewerbemuseum 
zu  Berlin,  sowie  S-förmig  geschwungene  Klopfer  in  Gestalt  von  Delphinen  mit  einer 
Kugel  im  Maul  und  einen  bügeiförmigen  mit  seitlicher  Menschenbüste,  über  welche 
ein  Adlerkopf  sidi  neigt.    In  die  gleiche  Richtung,  aber  künstlerisch  befangener,  gehört 


86  Brüning-Rohde,  Sdimiedckunst. 


„Ein  neues  Laubcr-Büdilcin  vor  Schlosser  und  Büdisenmadier,  gezeidinet  von  Johann 
Friedridi  Hindt,  Sdilosscrgescllen  von  Hamburg,  Joseph  Friedridi  Leopold  excudit 
Aug.  Vindel.  Anno  1700".  Es  enthält  in  sdiwerem  Akanthus  sedis  Blätter  mit  Ver- 
zierungen für  Besdiläge  in  Eisen  mit  Gravierungen  und  leiditer  Bud^elung  "^j. 

Eine  besondere  Gruppe  von  Sdimiedeeisen  für  sidi  bilden  die  perspektivisdien 
Gitter,  weldie  besonders  in  der  Sdiweiz  und  im  südlidien  Deutsdiland  seit  der  Mitte 
des  17.  Jahrhunderts  in  Aufnahme  kamen.  Eines  der  frühesten  ist  das  Chorgittcr 
im  Dom  zu  Luzern,  das  in  den  Jahren  1641  — 1644  von  dem  Stadtsdilosser  zu 
Konstanz,  Johann  Reifeil,  angefertigt  worden  ist.  Von  demselben  rühren  audi  möglidier- 
weise  die  perspektivisdien  Gitter  im  Dom  zu  Konstanz  her.  Andere  befinden  sidi 
zu  Kostel  in  Mähren,  in  der  welsdien  Kapelle  des  Collegium  Clementinum  zu  Prag, 
in  der  Vincenzkirdie  zu  Breslau  usw. 

Ein  besonders  stattlidies  Gitter  dieser  Art  ist  das  Chorgitter  der  Kirdie  Maria- 
Einsiedeln  in  der  Sdiweiz  (Abb.  89).  Es  wurde  bei  Gelegenheit  des  Neubaues  des 
Chores  unter  dem  Fürstabt  Augustin  IL  von  Reding  von  dem  Klosterbruder  Vincenz 
Nußbaumer  von  Aegeri  und  seinen  Gesellen  in  dem  Zeitraum  von  1675 — 1684  ge- 
sdimiedet'-).  1798  woHte  der  Führer  des  französisdien  Revolutionsheeres  dasselbe 
ausbredien  und  nadi  Paris  sdiaffen  lassen.     Es  kam  aber  zum  G  üdt  nidit  dazu. 

Die  Bildung  dieses  Gitters  ist  nun  sehr  absonderlidi.  Es  besteht  aus  drei  großen 
PortalaufDauten,  weldie  durdi  reditediige  Gitterteile  miteinander  verbunden  sind.  Das 
mittlere  Portal  ist  mit  einer  Flügeltür,  die  beiden  seitUdien  mit  einfadien  Türen  ver- 
sehen. Alle  drei  sind  so  komponiert,  als  sähe  man  in  lange,  von  einem  Tonnen- 
gewölbe beded^te  Galerien  hinein.  Dabei  liegen  aber  sämtlidie  Eisenteile,  aus  weldien 
das  Gitter  besteht,  in  einer  Flädie.  Die  Seitenwände  dieser  Sdieingalerien  sind  von 
Pilastern  eingefaßt;  ober-  und  unterhalb  dieser  Pilaster  befinden  sidi  Reihen  kleiner 
Baluster,  weldie  sidi  in  perspektivisdier  Linienführung  durdi  das  ganze  Gitter  hindurdi- 
ziehen.  Die  Gewölbe  sind  aus  sidi  übersdineidenden  Fladieisen  gebildet,  auf  deren 
Kreuzungspunkte  Rosetten  aufgesetzt  sind.  Die  Füllungen  der  Türen,  die  Zwisdien- 
sätze  zwisdien  den  Portalen,  sowie  die  Bekrönungen  zeigen  die  sdiön  gesdiwungenen 
Spiralen  der  Renaissancegitter  der  zweiten  Form  mit  eingehauenen  Ornamenten.  Jedes 
Portal  trägt  außerdem  in  der  Mitte  noch  einen  Aufsatz  mit  drei  tulpenartigen  Blumen. 
Die  Oberlichte  der  Türen  enthalten  in  der  Mitte  das  Zeichen  Jesu,  auf  den  Seiten 
die  Namen  Maria  und  Joseph  in  einer  den  übrigen  Ornamenten  des  Stabwerks  ent- 
sprechenden Gestalt.  Ungefähr  in  gleicher  Höhe  damit  ist  auf  den  die  Portale  ver- 
bindenden Gitterteilen  das  Wappen  des  Fürstables  angebracht. 

Ein  perspektivisches  Gitter  in  den  Formen  des  durch  den  Akanthus  bereicherten 
Renaissancegitters  befindet  sich  in  der  St.  Ulrichskirdic  zu  Augsburg  (Abb.  90).  Es 
schließt  gleich  hinter  dem  Eingange  den  Kirchenraum  ab.  Derartige  Abschlußgitter 
kommen  in  süddeutschen  Kirchen  häufiger  vor,  sie  sind  wohl  aus  rein  praktischen 
Gesichtspunkten  entstanden.  Man  wollte  die  Kirche  absdiließen  und  doch  den  Gläubigen 
Gelegenheit  geben,  zu  allen  Stunden  des  Tages  in  dem  so  gebildeten  Vorraum  ihre 
Andacht  angesichts  des  Altares  zu  verrichten. 

Das  Gitter,  das  1712  entstanden  ist,  ist  in  einen  Holzrahmen  eingelassen,  der 
in  den  Formen  der  damaligen  Schrankarchitektur  gehalten  ist.  Getragen  wird  er 
von  einem  Sockel  mit  verkröpften  Füllungen,  korinthische  Pilaster  trennen  die  einzel- 
nen Gitterteile,  und  ein  reich  profiliertes  Gesims  m.it  verkröpftem  Gebälk,  bekrönt  von 
Akanthusvoluten    mit   Kartuschen    und   kleinen   Engeln,    bildet  den  oberen  Abschluß. 

0  Vgl    Brindtmann,  Mitteil.  d.  Vereins  f.  Hamb.  Geschichte,  Bd.  V,  Hamburg  1893,  S.  60/61. 
-)  Vgl.  Kuhn,  P.A.,  Der  jetzige  Stiftsbau  Maria-Einsiedeln,  Einsiedeln  1883,  S.32. 


Kapitel  III.    Barodt. 


87 


Ähnlich  wie  beim  Chorgitter  von  Maria-Einsiedeln  ist  die  Tür  in  der  Mitte,  abgesehen 
von  den  beiden  unteren  Füllungen,  die  als  Fortsetzungen  des  Holzsockcls  gedacht 
sind,  so  komponiert,  als  sähe  man  in  einen  langen,  rundgewölbten  Laubengang  oder 
eine  Galerie  hinein.  Die  sdieinbar  das  Ende  des  Ganges  abschließende  Tür  ist  aus 
Rundeisen  mit  Akanthus  gebildet,  ähnlidi  sind  audi  die  übrigen  Füllungen  gestaltet. 
Die  Seitenwändc  des  Scheinganges  sind  mit  Balustern  aus  Bandeisen  besetzt.  Auch 
die  an  die  Mitteltür  sidi  rechts  und  links  anschließenden  Gitterteile  sind  als  zurück- 
weidiend  dargestellt.  Die  dann  folgenden  Fenster  erwecken  die  Vorstellung,  als 
lägen  sie  tief  zwischen  dicken  Mauern.  Im  übrigen  ist  der  Versuch,  das  Auge  irre 
zu  führen,  so  mißlungen,  wie  nur  etwas,  denn  die  Täuschung  wird  leicht  durch  den 


_  Abb.  90.    Gitter  in  der  St.  Ulridiskirdie  zu  Augsburg. 

für  das  Auge  in  einer  Fläche  liegenden  Holzsockel  aufgehoben,  während  die  ge- 
sdiweiften  Linien  des  Gesimses  wohl  den  Anschein  des  Zurückweichens  erwecken 
könnten;  trotzdem  ist  aber  die  Wirkung  des  Ganzen  nicht  unschön. 

Wenn  diese  perspektivischen  Gitter  auch  in  der  Ornamentik  noch  zum  großen 
Teil  die  Formen  des  Renaissancegitters  in  seinen  verschiedenen  Umbildungen  bewahrt 
haben,  so  ist  doch  ihre  Komposition  im  Sinne  einer  neuen  Kunst  gestaltet.  Denn 
die  Fläche  des  Gitters  nicht  als  Raumabschluß,  sondern  als  Raumerweiterung  zu  be- 
handeln, ist  ein  Gedanke,  der  ganz  dem  Geiste  des  Barocks  angehört.  Ist  doch  die 
Scheinperspektive  eines  der  vornehmsten  Mittel,  mit  welchem  die  Architektur  des 
Barocks  zu  wirken  pflegte.  Mit  großartigem  Erfolge  hatte  sie  Lorenzo  Bernini  bei 
der  Scala  Regia  des  Vatikans  angewandt,  indem  er  die  beiden  Seitenmauern  dei 
Treppe  allmählidi  sich  nähern  ließ  und  so  den  Eindruck  einer  viel  größeren  Länge 
der  Treppe  hervorrief,  als  dieselbe  in  Wirklichkeit  besitzt.  Auf  mannigfache  Weise 
wurde  auch  sonst  von  diesem  effektvollen  Mittel  Gebrauch  gemacht;  durch  kulissen- 
artig vorgeschobene  Säulen  oder  gemalte  Architekturteile  eine  größere  Tiefe  und 
Ausdehnung  vorgetäuscht,  die  Höhe  einer  Kirche  oder  eines  Saales  durch  perspektivische 


88  Brüning-Rohdc,  Sdimicdekunst. 


Deckenmalerei   über  die  Wirklichkeit   hinaus  für   den  Anblick  vergrößert  u.  dergl.  m. 
Etwas  Ähnliclics  beabsiditigte  man  audi  mit  diesen  perspektivischen  Gittern. 

Die  Annahme,  daß  diese  eigentümliche  Gitterbildung  zuerst  bei  Oberlichtgittern 
in  Anwendung  gebracht  sei^),  läßt  sicli  meines  Wissens  durch  kein  Beispiel  belegen. 
Eher  könnte  man  daran  denken,  daß  die  perspektivischen  Gitter  zuerst  in  der  Garten- 
ardiitektur  aufgekommen  seien.  Hier  pflegte  man  gern  an  das  Ende  größerer  einheit- 
licher gärtnerisdier  Anlagen  Ardiitekturen  zu  setzen,  sogenannte  Berceaux,  aus  Eisen 
und  Holz  konstruiert.  Man  konnte  nun  leicht  auf  den  Gedanken  kommen,  an  die 
Stelle  solcher  wirklidien  Raumbauten  bei  Anlagen,  welche  nur  auf  die  Fernwirkung 
beredinet  waren,  Sdieinardiitekturen  zu  setzen,  da  sie  doch  denselben  Zweck  erfüllten. 
Besonders  am  Ende  laubengangartiger  Alleen  würde  solch  perspektivisches  Gitter  gut 
am  Platze  gewesen  sein,  indem  es  einerseits  ein  gutes  Bild  gab,  andererseits  auch 
sidieren  Abschluß  nadi  außen  hin  bot.  Ein  solches  Gitter  hat  sich  z.  B.  noch  im 
Park  der  Favorita  in  Wien,  des  heutigen  Theresianums,  das  unter  Karl  VI.  angelegt 
wurde,  erhalten.  Es  schließt  den  Park  nach  dem  Gemüsegarten  ab.  Das  Portal  ahmt 
einen  langen  Weinlaubengang  nach,  und  zwar  so  geschickt,  daß  man  von  einem 
bestimmten  Punkte  aus  wohl  getäuscht  werden  kann. 

Mag  das  perspektivische  Gitter  bei  soldier  Anwendung  in  weiträumigen  Parks 
als  Abschluß  langer  Alleen  u.  dergl.  eine  gewisse  Berechtigung  haben,  indem  es  die 
natürlidie  Perspektive  eines  solchen  Ganges  fortsetzt  und  so  in  dem  Besitzer  das 
Gefühl  einer  bedeutenden  Raumerweiterung  seines  Grundstückes  sdiafft,  so  ist  seine 
Überführung  in  geschlossene  Räume  nicht  glücklich  zu  nennen,  weil  die  beabsiditigte 
Illusion  hier  durch  die  nahe  hinter  dem  Gitter  befindlichen  Gegenstände  bald  auf- 
gehoben wird. 

Nur  wenige  Namen  kunstreicher  Schlosser  und  Eisenschneider  jener  Zeit  sind  der 
Nachwelt  überliefert  worden.  Unter  den  nürnbergisdien  Eisenkünstlern  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  17.  Jahrhunderts,  von  denen  uns  Doppelmayr  in  seiner  „Historischen  Nach- 
ridit  von  den  Nürnbergischen  Mathematicis  und  Künstlern.  Nürnberg  1730"  berichtet, 
zeichnet  er  zwei  besonders  aus,  indem  er  ihre  Hauptwerke  in  Stichen  darstellt;  es 
sind  Bartholomäus  Hoppert  und  der  auch  sonst  rühmlichst  bekannte  Gottfried  Leygebe. 
Hoppert  wurde  1648  im  Markgrafentum  Ansbach  geboren.  Nach  seiner  Lehrzeit 
begab  er  sich  auf  die  Wanderschaft  und  hat  auf  seinen  Reisen  Holland,  England, 
Frankreich,  Dänemark  und  Schweden  besucht.  In  Paris  arbeitete  er  auch  für  Ludwig  XIV. 
1677  ließ  er  sidi  dauernd  in  Nürnberg  nieder.  Als  Meisterstück  verfertigte  er  hier 
eine  kunstvolle  große  Eisenkassette  mit  Ornamenten  in  getriebener  Arbeit,  welche 
zum  Preise  von  1000  Talern  als  Geschenk  für  Kaiser  Leopold  I.  angekauft  wurde. 
Das  Sdiloß  war  unter  einem  liegenden  Löwen  verborgen.  Die  Ornamentik  verrät 
französischen  Einfluß  aus  dem  Kreis  des  französischen  Schlossers  Brisville,  trägt  aber 
doch  im  ganzen  Übergangscharakter  an  sich,  da  der  Akanthus  nicht  die  formale  Be- 
deutung hat  wie  bei  Brisville.  Von  sonstigen  Arbeiten  des  Hoppert  wissen  wir,  daß 
er  sich  besonders  auf  die  Herstellung  kunstvoller  Schlösser  verstand.    Er  starb  1715. 

Einen  ungleich  klangvolleren  Namen  hat  Gottfried  Leygebe-)  sich  erworben,  der 
im  Jahre  1630  zu  Freistadt  in  Schlesien  geboren  wurde.  Seine  künstlerische  Erziehung 
erhielt  er  in  Nürnberg,  wo  er  seit  1645  lebte  und  das  Schwertfegerhandwerk  er- 
lernte. Schon  früh  zeigte  er  eine  besondere  Kunstfertigkeit  in  der  Herstellung  ge- 
schnittener Eisenzierate.  Seine  Degengefäße,  Hirschfängergriffe,  Pistolenbeschläge  usw. 
mit  in  Eisen  geschnittenen  Jagden,  Reitern,  Kriegswaffen  u.  dergl.  machten  ihn  bald 

')  Minkus,  F.,  Flädiendekoration  und  Perspektive.   Kunstgewerbeblatt,  Neue  Folge  IX,  S.  40. 
*)  Über  Leygebe  vgl.  Ernst  Friedländer,  Gottfried  Leygebe,  Zeitsdir.  f.  Numismatik  XIII,  und 
Paul  Seidel,  Der  Große  Kurfürst  in  der  Plastik  seiner  Zeit.    Hohenzollcrnjahrbuch  1898. 


Kapitel  III.     Barock.  89 


bekannt.  Im  Besitz  des  Fürsten  Reuß  zu  Gera  befindet  sidi  noch  eine  Arbeit  aus 
seiner  Nürnberger  Zeit,  ein  Stichblatt  mit  Degenknopf  in  Gestalt  eines  antiken  Reiters, 
welches  die  Jahreszahl  1655  trägt.  Durcli  diese  Arbeiten  gelangte  er  allmählich  zu 
solcher  Meisterscliaft,  daß  er  sogar  statuarisdie  Kunstwerke  in  dieser  schwierigsten 
aller  Handfertigkeiten  auszuführen  unternahm.  In  den  Jahren  1660  —  1662  schnitt  er 
aus  einem  Eisenblock  die  Reiterstatuette  des  Kaisers  Leopold  I.,  die  sich  jetzt  im  Schloß 
Rosenborg  zu  Kopenhagen  befindet,  und  um  dieselbe  Zeit  ein  anderes  Bildwerk, 
welches  den  König  Karl  II.  von  England  zu  Pferde  als  Sankt  Georg  darstellt.  Leygebc 
bradite  dieses  Stück  nacli  Berlin,  wo  es  der  Große  Kurfürst  für  600  Taler  ankaufte 
und  1667  als  Geschenk  an  den  Kurfürsten  von  Sachsen  nach  Dresden  sandte.  Hier 
befindet  es  sich  nodi  heute  im  Grünen  Gewölbe.  Die  Bemühungen  des  Kurfürsten, 
Leygebe  in  seinen  Dienst  zu  ziehen,  blieben  erfolglos,  da  Leygebe  damals  „noch 
nicht  gesonnen  gewcst,  in  großer  Herren  Diensten  zu  stehen".  Indessen  übernahm 
er  einen  Auftrag  des  Kurfürsten,  einen  Degen  herzustellen,  auf  dem  die  Bildnisse 
der  oranischen  Prinzen  und  des  Kurfürsten,  jedes  wie  ein  Pfennig  groß,  in  Eisen 
geschnitten  waren.  Leygebe  führte  denselben  in  Nürnberg  aus  und  sandte  ihn  dann 
auf  Geheiß  Friedrich  Wilhelms  nach  Cleve.  Auf  einer  Reise  nach  Frankfurt,  wohin 
man  ihn  zur  Ausführung  einer  Arbeit  gerufen  hatte,  kommt  Leygebe  dann  zum 
zweiten  Male  nach  Berlin,  ohne  jedoch  zu  wissen,  daß  der  Kurfürst  ihn  ebenfalls 
für  einen  neuen  Auftrag  dahin  beschieden  hatte.  Noch  an  demselben  Abend,  an  dem 
er  eingetroffen,  wird  ihm  mitgeteilt,  daß  der  Kurfürst  ihn  am  andern  Tage  zu  sprechen 
wünsche.  Obschon  Leygebe  andere  Verpflichtungen  hatte,  konnte  er  doch  den 
dringenden  Wünschen  des  Kurfürsten,  der  eilige  Aufträge  für  ihn  hatte,  nicht 
widerstehen. 

Der  längere  Aufenthalt  in  Berlin,  der  durch  diese  Arbeiten  und  den  Umstand, 
daß  die  Bezahlung  derselben  sidi  lange  hinzögerte,  veranlaßt  wurde,  hatte  zur  Folge, 
daß  Leygebe  sich  endlich  entschloß,  dauernd  dazubleiben.  Der  Große  Kurfürst  über- 
reichte ihm  persönlich  die  vom  6.  April  1668  datierte  Bestallung  als  Münzeisen- 
schneider. Als  Gehalt  wurden  ihm  400  Taler,  sowie  freie  Wohnung  in  der  Münze 
zugesprochen,  ein  bestimmtes  Quantum  Holz  und  Roggen,  das  er  verlangt  hatte, 
wurde  ihm  nicht  bewilligt.  Leygebc  verpflichtete  sidi  dafür,  alle  verlangten  Münz- 
stempel zu  schneiden,  Medaillen  zu  verfertigen  und  sonstige  Arbeiten  in  Wachs  oder 
Ton  zu  modellieren.  Es  scheint,  daß  Leygebe  anfangs  bei  seinen  Kollegen  in  der 
Münze  keine  günstige  Aufnahme  gefunden  und  sich  deshalb  beim  Kurfürsten  beklagt 
hat.  Denn  wir  besitzen  noch  ein  Schreiben  Friedrich  Wilhelms  an  den  Geh.  Rat, 
Oberhofmarschall  und  Amtskammerpräsidenten  Raban  von  Canstein,  in  welchem  er 
unter  besonderer  Anerkennung  der  künstlerischen  Leistungen  Leygebes  befiehlt,  den- 
selben bei  der  ihm  erteilten  Bestallung  zu  schützen  und  in  der  Münze  die  Verfügung 
zu  tun,  „daß  sie  sich  darnach  gehorsambst  achten  sollen".  Die  Wohnung  in  der 
Münze  hat  Leygebc  freilich  nie  erhalten,  und  ebenso  wenig  wurde  ihm  je  sein  Gehalt 
voll  ausbezahlt,  so  daß  er  sein  ganzes  Leben  hindurch  mit  Nahrungssorgen  zu 
kämpfen  hatte  und  seine  Familie  bei  seinem  1683  erfolgten  Tode  in  dürftigen  Ver- 
hältnissen zurückließ. 

Das  Hauptwerk  Leygebes  in  geschnittener  Eisenarbeit  während  seiner  Berliner  Zeit 
ist  die  im  Neuen  Museum  zu  Berlin  aufbewahrte,  29  cm  hohe  Statuette  des  Großen 
Kurfürsten  zu  Pferde,  wie  er  als  St.  Georg  einen  dreiköpfigen  Drachen  tötet  (Abb.  91). 
Man  darf  sich  über  diese  für  uns  befremdliche  Maskerade  nicht  wundern.  Solche 
allegorischen  Verkleidungen  lagen  im  Geschmack  der  damaligen  Zeit.  Leygebe  vollendete 
das  schwierige  Werk  nach  einer  mühseligen  Arbeit  von  drei  Jahren  1680,  ruinierte 
aber,  wie  er  selbst  klagt,  seine  Gesundheit  dabei. 


90 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Von  sonstigen  in  Eisen  gesdinittenen  Arbeiten  Leygebes  hat  sich  noch  außer 
einem  kleinen  Relief  mit  der  Austreibung  des  Heliodor  im  Neuen  Museum  eine  kleine 
Kapsel  im  Berliner  Kunstgewerbemuseum  erhalten.  Dieselbe  stellt  auf  den  beiden 
Außenseiten  in  einem  Rahmen  von  Blattkränzen  die  vier  Elemente  in  Gestalt  von 
Putten  mit  Dradicn,  Delphin,  Adler,  Füllhorn  und  anderen  Attributen  dar  und  zwar 


Abb.  91.    Der  Große  Kurfürst,  in  Eisen  geschnitten  von  G.  Leygebe  (Berlin,  Neues  Museum). 

auf  der  einen  Seite  vier,  auf  der  anderen  drei  Elemente.  Im  Innern  ist  auf  der 
einen  Hälfte  in  gepunzter  Manier  das  strahlenumflossene  Haupt  Christi  auf  einer 
Korkziehersäule  zwischen  zwei  Blumenranken  dargestellt,  auf  der  anderen  Hälfte 
befindet  sich  wieder  ein  Reliefbild;  ein  geflügelter  Knabe  steht  vor  einer  Staffelei 
und  malt  nach  einem  Bilde,  das  ein  auf  einer  Erhöhung  rechts  neben  ihm  stehender 
Putto  ihm  vorhält,  eine  Mondsichel.  Links  von  der  Staffelei  steht  ein  dritter  Knabe 
und  hält  einen  Totenkopf  empor.  Die  Darstellung  umschließt  eine  fortlaufende,  vom. 
Rande  sich  nach   innen  neigende  Reihe  abwechselnd  goldener  und  silberner  Blätter 


Kapitel  Hl.    Barock. 


91 


Audi  andere  Teile  des  Bildes,  die  Körper  der  Putten  usw.  sind  mit  Gold  und  Silber 
tausdiiert.    Am  Boden  redits  steht  auf  einem  Budie  das  Monogramm  Gottfr.  Leygebes. 

Audi  sonst  entwidtelte  Leygebe  neben  seiner  Berufsarbeit  in  der  Münze  eine 
hödist  mannigfaltige  Tätigkeit.  Er  gab  den  Söhnen  des  Kurfürsten  Unterridit  im 
Zeidinen,  für  die  Kurfürstin  und  den  Prinzen  Ludwig  entwarf  er  Fahnen  für  ihre 
Regimenter  und  verfertigte  Siegel  und  Petsdiafte  für  die  ganze  kurfürstlidie  Familie. 
Für  die  Glashütten  des  Kurfürsten  stellte  er  Formen  für  Verzierungen  der  Gläser  her, 
für  die  Gesdiützgießereien  modeliierte  er  allerlei  Orna- 
mente zum  Sdimudte  der  Kanonen,  Wappen,  das  Bild- 
nis des  Kurfürsten  und  sonstige  Zierate.  Ferner  arbeitete 
er  ein  kunstvolles  Sdiadibrett  aus  Gold  und  Silber,  sowie 
für  den  Kurfürsten  mit  Silber  eingelegte  Sdinallen.  Audi 
größere  Aufträge  traten  an  ihn  heran.  Im  Hohenzollern- 
niuseum  zu  Berlin  befindet  sidi  nodi  ein  großes  Bronce- 
medaillon  des  Kurfürsten,  das  ursprünglidi  den  Marmor- 
saal des  Stadtsdilosses  zu  Potsdam  sdimüd^en  sollte. 
Gegen  Ende  seines  Lebens  modellierte  er  eine  Statue 
seines  Gönners  in  Lebensgröße,  Sie  sollte  als  Probe 
dienen;  der  Kurfürst  beabsiditigte  nämlidi,  sämtlidie  Mit- 
glieder seines  Hauses  in  gleidiem  Maßstabe  in  Erz  gießen 
zu  lassen. 

Neben  Leygebe  hat  es  sidier  nodi  andere  gesdiid^te 
Eisensdmeider  zu  jener  Zeit  gegeben.  Das  Museum  für 
Kunst  und  Gewerbe  in  Hamburg  besitzt  das  Siegel- 
petsdiaft  (Abb.  92)  der  Sdiloß-,  Büdisen-,  Uhr-  und 
Windenmadier  von  Sdiwabadi,  das  als  vortrefflidie 
kleine  Eisensdinittarbeit  sidi  würdig  den  Glanzleistungen 
Leygebes,  denen  es  stilistisdi  nahe  steht,  an  die  Seite 
stellen  läßt. 

Einer  der  frühesten  Versudie,  den  französisdien 
Formen  Eingang  in  die  deutsdie  Sdimiedekunst  zu  vcr- 
sdiaffen,  stellt,  abgesehen  von  der  erwähnten,  nur  in 
einer  dürftigen  Abbildung  erhaltenen  Kassette  des  Bar- 
tholomäus Hoppert,  das  Chorgitter  in  der  Kirdie  zu  Ober- 
mardithal  in  Bayern  dar').  Das  Gitter  zeigt  eine  Misdiung 
von  französisdien  Ornamenten  und  deutsdien  Renaissance- 
formen. Wir  wissen,  daß  Abt  Nikolaus  den  Riß  zu 
diesem  Gitter  1688   durdi   einen  Herrn   Lodier  aus  Ulm 

in  Paris  bestellen  ließ.  Ausgeführt  wurde  es  durdi  den  Klostersdilosser  Hans  Rieger 
von  Obermardithal.  Die  X'ereinigung  deutsdier  und  französisdier  Motive  erklärt  sidi 
wohl  daraus,  daß  Rieger  den  Pariser  Entwurf  selbständig  verändert  hat. 

Mit  Ausnahme  soldier  vereinzelten  Vorläufer  läßt  sidi  eine  entsdieidende  Wen- 
dung der  deutsdien  Sdimiedekunst  nadi  Frankreidi  hin  erst  im  18.  Jahrhundert  fest- 
stellen. Besondere  Verdienste  um  die  Einführung  der  neuen  Formen  des  Laub-  und 
Bandelwerks,  die  damals  ja  in  Frankreidi  in  Mode  waren,  erwarb  sidi  der  Verleger 
Johann  Christoph  Weigel  in  Nürnberg,  der  in  der  Zeit  von  1710—1725  eine  große 
Anzahl  von  Stidifolgen  mit  Vodagen  für  Sdimitdewerke  herausgab.     Das  früheste 


Abb.  92.  Gesdinittenes  Zunft- 
siegel der  Schloß-,  Büchsen-, 
Uhr-  und  Windenmacher  zu 
Sdiwabach  (Hamburg,  Mus. 
für  Kunst  und  Gewerbe). 


1)  Abgebildet  in  Kick,  W„  Barock,  Rokoko  und  Louis  XIV.  aus  Schwaben  und  der  Schweiz. 
Stuttgart.   Tafel  4. 


92 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Schlosscrbudi,  das  von  Oclcker,  war  nodi  unberührt  von  französisdiem  Einfluß.  Neben 
den  alten  Akanthusformen  ersdieinen  die  gebrodienen  Bänder  zuerst,  wenn  audi  nodi 
sdiüditcrn,  in  dem  Sdilosscrbudi  des  Sdilossergesellen  Christian  von  der  Heyden  aus 
Groß-Zerbst,    dessen  Entwürfe  im  übrigen   sidi  an   die  Formen  Oeld^ers  anlehnen. 


Abb.  93.    Oberliditgitter  an  einem  Hause  in  Zürich. 


Völlig  ausgeprägt  zeigt  sidi  dann  das  Laub-  und  Bandelwerk  in  einer  Folge 
Weigels  mit  dem  Titel  „Neues  Bändel  Werd^  Büdilein  vor  Sdilosser  auffgezeidinet. 
Erster  Theil"  mit  der  Verlagsnummer  140;  die  Tafeln  sind  von  ungelenker  Hand  ge- 
stodien  und  dürftig  in  der  Erfindung.  Vielleidit  als  Fortsetzung  dieser  Folge  ist  ein 
anderes,  ebenfalls  anonymes  Werkdien  anzusehen,  das  den  Titel  führt:  „Des  vor 
Sdilosser   aufgezeidinete    neuen  Bandel-Werd^s    anderer  Theil  jedes  Stud^  gehalbirt 

von  einen  Sdilosser  in  Nürnberg  Nr.  203". 
Unter  dem  Titel,  der  zwisdien  den  Hälften 
zweier  Klopfer  angebradit  ist,  steht  der 
Zusatz:  „Weil  einige  Sdilosser  davor  ge- 
aditet,  der  Erste  Theil  des  Bändel  V/erd^s 
sey  nidit  alles  zu  hauen  und  zu  treiben 
nur  zum  ättern  (ätzen?),  so  ist  ja  jeden 
frey  in  diesen  und  Ersten  Theil  alles  zu 
vergrößern,  zu  erweitern  vieles  auszulas- 
sen, und  nadi  seinen  gefallen  zu  riditen", 
eine  interessante  Erklärung,  wie  der  Ver- 
leger seine  Stidie  benutzt  wissen  wollte. 
Die  Tafeln  dieser  Folge  enthalten  Vor- 
lagen zu  Wandarmen,  zu  einem  Grab- 
kreuz, zu  „Wagen  Stützen  in  Apothedten", 
„Kohl  Pfannen  zu  Caffe",  Balustraden, 
Gittertoren,  Bekrönungen  usw.  (Abb.  94). 
Mehrere  Gitterentwürfe  verraten  deutlidie 
Entlehnungen  von  Berain.  Audi  die  Stidie 
dieser  Folge  sind  mäßig  und  trodien. 
Reidier,  aber  nidit  viel  besser  sind  die 
Entwürfe  einer  von  Christoph  Weigel  jun. 
herausgegebenen  Folge,  benannt:  „Neu 
inventirtes  Sdilosser -Reiss  Budi  gezeidi- 
net  von  einem  Sdilosser  in  Nürnberg", 
in  weldiem  die  Formen  des  Laub-  und 
Abb. 95.  Türklopfer  (Germ.  Museum  zu  Nürnberg).      Bandelwerks  durdi  eingefügte  Halbfiguren, 


Kapitel  III.    Barock. 


93 


Büsten,  Tiere,  Baldadiine  u.  dergl.  belebt  sind,  ähnlich  wie  Marot  sie  in  seinen  Vor- 
lagen anwendet,  freilidi  ohne  die  elegante  Linienführung  des  französischen  Meisters. 
Recht  hausbacken  und  langweilig  nimmt  sidi  z.  B.  die  Frau  aus,  welche  auf  der 
Volute  eines  großen  Klop-  ^  , 


fers  sitzt  und  einen  Sdilüssel 
in  der  Hand  hält.  Verwandt 
damit  ist  das  ebenfalls 
wenig  bedeutende  „Neu  in- 
ventirte  Schlosser  Büchlein 
gezeichnet  durdi  Heinridi 
Gottfried  Förster  Sdilosser 
Gesell  von  Leipzig",  von 
dem  älteren  Weigel  verlegt. 
Dem  Formenkreise  dieser 
Stidie  entspricht  ungefähr 
ein  im  Germanischen  Mu- 
seum zu  Nürnberg  befind- 
licher Klopfer  mit  reidi  ge- 
sdimückter  Änschlagplatte 
(Abb.  95). 

Auch  der  bekannte 
Architekt  Paul  Decker  ver- 
öffentlichte bei  dem  Nürn- 
berger Kupferstecher  Hiero- 
nymus  Bölmann  ein  Büchlein 
mit  Schloßblechen,  Schlüs- 
seln, Riegeln,  Klopfern  und 
dergleichen  von  flotter  Zeich- 
nung, aber  ungleichmäßi- 
gem Charakter  und  mit  teil- 
weise starker  Anlehnung  an 
die  Ornamentik  französi- 
scher Stecher;  es  scheint  in- 
dessen keine  große  Anwen- 
dung gefunden  zu  haben. 
Ebenso  zeigen  auch  die  in 
seiner  „Civilbaukunst"  ge- 
legentlich abgebildeten  Gitter 
auffällige  Anklänge  an  die 
Schmiedearbeiten,  die  Da- 
viler  in  seinem  Coursd'Archi- 
tecture  vorführt.  Überhaupt 
scheint  Decker  einer  aus- 
gedehnten Verwendung  von  Schmiedewerken  in  der  Architektur  ferngestanden  zu 
haben.  Sein  „Fürstlicher  Baumeister"  bringt  nur  in  der  „Perspektive  des  fürstlichen 
Schlosses  zu  Christian  Erlang"  ein  großes  Vorhofgitter;  hier  und  da  kommen  auch 
einige  Parkgitter  vor. 

Interessant  sind  die  Gitterentwürfe  Johann  Jakob  Schüblers,  die  ebenfalls  bei 
Weigel  und  bei  Johann  Trautner  in  Nürnberg  herauskamen.  Sie  zeigen  eine  lebendig 
bewegte  Linienführung    von   selbständiger  Erfindung,    die  schon  stark  zum  Rokoko 


Abb.  94.  Entwürfe  für  Schmiedearbeiten  aus  einer  bei  J.  C.  Weigel 
in  Nürnberg  erschienenen  Ornamentstidifolge. 


94  Brüning-Rolide,  Sdiniiedekunst. 


hinneigt.  Ebenso  eigenwillig  und  absonderlicli  sind  die  durch  eigentümliche  spitz- 
winkelige Linienzüge  sidi  kennzeidinenden  Entwürfe  von  Christian  Friedrich  Rudolph 
in  Augsburg.  Die  Vorlagen  beider  sclieinen  indessen  wenig  benutzt  worden  zu  sein. 
Audi  sonst  hat  Augsburg  an  Ornamentstichen  für  Schmiedekunst  beigesteuert.  So 
gab  Gottfr.  Hartmann,  Sdilossergesell  aus  Breslau,  nacheinander  mehrere  Folgen  zum 
Teil  mit  denselben  Tafeln  bei  versdiiedenen  Verlegern,  bei  Kaspar  Rad,  bei  Hieronymus 
Martin  Ostertag  und  1736  bei  Joh.  Andr.  Steisslinger  heraus.  Während  seine  Ent- 
würfe, die  in  der  reidien  Verwendung  des  Akanthus  auf  ältere  Vorbilder  zurück- 
greifen, wenig  bedeutend  sind,  erfreut  dagegen  Johann  Georg  Rummel,  der  ein 
Sdilosserbudi  bei  Joh.  Georg  Hertel  in  Augsburg  herausgab,  durch  einige  selbständig 
erfundene  hübsche  Entwürfe,  von  denen  einer  sich  sogar,  wenigstens  in  teilweiser 
Ausführung  nachweisen  läßt.  Es  ist  das  Abschlußgitter  des  Langhauses  der  Kirche 
zum  hl.  Kreuz  in  Augsburg  (Abb.  96).  Besonders  gut  gelungen  ist  die  Gitterbildung 
des  Portals.  Die  Bekrönung  enthäU  als  Mittelstück  eine  Vase,  aus  der  nach  den 
Seiten  Weinreben  und  Ähren,  als  Symbole  des  Weines  und  Brotes  im  Abendmahl, 
wadisen.  Unterhalb  der  Vase  steht  auf  dem  Türgesims  die  Jahreszahl  1744.  Außer- 
dem trägt  das  Gitter  die  Namen  des  Stadtschlossermeisters  Johann  Michael  Hoch 
und  seines  Gesellen  Joh.  Georg  Rummel,  des  Herausgebers  des  Schlosserbuches,  dem 
wohl  der  Löwenanteil  an  der  Herstellung  des  Gitters  zufiel,  da  er  sonst  wohl  nicht 
genannt  sein  würde.  Nach  Fertigstellung  des  Gitters,  dessen  Arbeit  drei  Jahre  dauerte, 
erhielt  Rummel  auf  Grund  dieser  hervorragenden  Leistung  das  Meisterrecht  unter 
den  Augsburger  Schlossern').  Der  Stich  stimmt  mit  dem  Gitter  im  großen  und  ganzen 
überein,  nur  die  Bekrönung  weicht  ab. 

Eines  der  besten  Vorlagewerke  dieser  Zeit  ist  das  „Neu  inventirte  Schlosser 
Reiss-Budi  gezeichnet  von  Frantz  Leopold  Schmittner  Sdilossergesell".  Schmittner, 
der  1703  in  Wien  geboren  wurde  und  zuerst  das  Schmiedehandwerk  erlernte,  wurde 
später  Kupferstecher.  1732  wird  er  als  civis  academicus  der  Universität  bezeichnet, 
zu  deren  korporativem  Verbände  damals  auch  die  Künstler  gehörten.  Er  stach  unter 
anderen  Porträts  von  Mitgliedern  der  kaiserlichen  Familie  und  religiöse  Darstellungen. 
Er  starb  1761.  Die  sieben  Tafeln  seines  Schlosserbuches  zeigen  ein  flott  und  sicher 
gezeichnetes  und  gut  komponiertes  Laub-  und  Bandelwerk,  bereichert  durch  allerlei 
figürliche  Zutaten,  gewappnete  Halbfiguren,  Büsten,  Adler,  Wappenschilder  usw. 
Sie  geben  sowohl  Türbeschläge,  Schlösser  u.  dergl.,  sowie  Gitter.  Audi  ein  vor- 
treffliches perspektivisches  Gitter  befindet  sich  darunter,  das  sehr  stark  an  das 
Meidlingertor  in  Schönbrunn  erinnert;  besonders  die  Seitenteile  des  Portals  in  Gestalt 
von  rundbogigen  Nischen  mit  eingestellten  Vasen  sind  bei  beiden  sehr  ähnlich.  Auch 
die  übrigen  Arbeiten  sind  ganz  im  Stile  der  noch  vorhandenen  Wiener  Schlosser- 
arbeiten jener  Zeit  gehalten  (Abb.  97).  Schmittner  ist  offenbar  von  Marot  sehr  be- 
einflußt, dessen  Formenwelt  überhaupt  bei  den  deutschen  Schmieden  gute  Aufnahme 
fand.  Möglicherweise  ist  aber  auch  Schmittner,  wie  vielleicht  manch  anderer  seiner 
Genossen,  nicht  der  Erfinder  der  Arbeiten,  die  er  in  seinen  Stichen  uns  vorführt, 
sondern  er  wiederholt  nur  zum  Teil  oder  ganz  schon  ausgeführte,  von  anderen  ent- 
worfene Schmiedewerke-). 

An  Reichtum  der  erhaltenen  Schmiedearbeiten  im  Laub-  und  Bandelwerk- 
gesdimack  läßt  sich  wohl  kaum  eine  andere  Stadt  mit  Wien  vergleichen.  Überhaupt 
ist  die   Schmiedekunst    dieser  Zeit    in    den    österreichischen   Ländern    noch    sehr  gut 


>)  Vgl.  Kempf,  H.,  Alt-Hugsburg.    Berlin  1898,  S.  15. 

-)  Über  Schmittner  vgl.  Ilg,  Ä.,   Der  Schlosser  und  Kupferstecher  F.  L.  Schmittner,   in  den 
Mittellungen  des  k.  k.  österreidi.  Museums  für  Kunst  und  Industrie  1886/7,  S.  ^89 ff. 


Kapitel  III.    Barock. 


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Brüning  -  Rohde,  Sdimiedckunst. 


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Abb.  97.    Schmiedearbeiten,  gestodien  von  F.  L.  Sdimittner. 


Kapitel  III.    Barock. 


97 


vertreten^).  In  Wien  und  Umgegend  weisen  besonders  die  präditigen  Paläste  und 
Sommerresidenzen,  weldie  in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  von  einem 
Joh.  Beruh.  Fisdier  von  Erlach,  Joh.  Lukas  von  Hildebrand  und  anderen  erbaut 
wurden,  eine  große  Zahl  stattlidier  Sdimiedearbeiten  dieses  Stiles  auf.  Was  diese 
Arbeiten  vor  den  französischen  Sclimiedewerken  auszeidinet,  ist  nicht  so  sehr  die 
Zeichnung  und  Komposition,  die  wohl  zuweilen  die  sichere  Eleganz  und  Sdiönheit 
der  französisdien  Vorbilder  vermissen  lassen,  als  vielmehr  ihre  hervorragende  technische 
Ausführung.  Während  das  Stabwerk  in  Frankreich  meist  aus  Quadrat-  oder  Flach- 
eisen gebildet  ist,  haben  die  Stäbe  hier  versdiiedene  Querschnittprofile,  die  Endigungen 
sind  gewöhnlidi  zu  starken  Schnecken  aufgerollt.  Auch  sonst  zeichnen  sich  die 
deutsdien  Arbeiten  durch  mannigfaltige  plastische  Bildung  aus. 


Abb.  98.   Stütze  an  einem  Portal  des  Belvedere 
zu  Wien. 


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Abb.  99.    Mittelteil  eines  Portals  des  Belvedere 
zu  Wien. 


Zu  den  Hauptwerken  der  Wiener  Schlosserkunst  gehören  die  Schmiedearbeiten, 
weldie  das  Lustschloß  Belvedere  sdimücken,  das  für  den  Prinzen  Eugen  von  Savoyen 
durch  den  Hofardiitekten  Joh.  Lukas  von  Hildebrand  (geb.  zu  Genua  1668,  gest.  in 
Wien  1745)  in  den  Jahren  1693 — 1724  erbaut  wurde.  Der  Garten  hat  neun  pracht- 
volle Gittertore,  von  denen  drei  zu  den  Straßen  führen,  die  das  Gebäude  umgeben, 
sechs  aber  einzelne  Teile  des  Gartens  im  Innern  voneinander  trennen.  Die  urwüchsige 
derbe  Kraft,  weldie  die  deutschen  Arbeiten  vor  den  französischen  auszeichnet,  offen- 
bart sidi  besonders  in  den  Streben  eines  der  Gartentore.  Sie  endigen  in  einen  massiv 
gesdimiedeten  Löwenkopf,  bei  den  beschränkten  technischen  Hilfsmitteln  der  damaligen 
Zeit  eine  ganz  gewaltige  Leistung  (Abb.  98). 

Sehr  verwandt  mit  den  Gittertoren  des  Belvedere  sind  die  Schmiedewerke,  die 
für  ein  anderes  Lustschloß  für  den  Prinzen  Eugen  von  Savoyen  hergestellt  wurden, 
nämlidi  für  das  Sdiloß  Schloßhof  an  der  Mardi,  das  ebenfalls  von  Hildebrand  um  1728 


*)  Vgl.  Ilg  und  Kabdebo,  Wiener  Schmiedewerk  des  17.  u.  18.  Jahrhunderts.   Dresden  1883. 
Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst.  7 


98 


Brüning-  Rolide,  Sdiiniedekunst. 


erbaut  wurde.  Der  Haupteingang  ist  von  drei  sdimiedeeisernen  Portalen  abgesdiiossen, 
einem  mittleren  größeren  und  zwei  seitlichen  kleineren,  welche  ähnlich  wie  beim 
Bclvederc  von  mäditigen  steinernen,  mit  reichem  figürlidien  Sdimuck  versehenen 
Pfeilern  flankiert  werden.  Sdion  diese  schwere  ardiitektonisdie  Einrahmung  mußte 
zu  kräftigen  mannigfaltigen  Formen  führen.  Audi  hier  sind  die  Portale  von  mächtigen 
eisernen  Streben  gestützt.  Das  Sdiloß  ist  nidit  als  besonderer  Teil  aufgesetzt,  sondern 
ebenso  wie  bei  den  Portalen  des  Belvedere  (Abb.  99)  als  ein  der  Komposition  des 
Ganzen  sidi  unterordnender  SdimudUeil  behandelt   und   in  zentraler  Anordnung  um 


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Abb.  100.     Gittertor  des  Schlosses  Schloßhof. 

den  Mittelpilaster,  der  die  Fuge  zwischen  den  beiden  Torflügeln  verdedd,  angebradit. 
Die  Zusammenfassung  je  zweier  Stäbe  des  Gitterwerks  durch  horizontale  breite 
Bunde  ist  französischen  Vorbildern  entlehnt.  Besonders  gefällig  wirkt  der  geschweifte 
obere  Abschluß  der  Torflügel,  der  zu  der  stattlichen  Bekrönung  hinüberleitet.  Die 
Mitte  dieses  Aufsatzes  nimmt  ein  aus  den  Buchstaben  E  und  S  gebildetes  Monogramm 
ein,  von  dem  Herzogshut  überdacht.  Die  Endigungen  der  Buchstaben  rollen  sich  zu 
starken,  schön  geformten  Schnecken  auf  (Abb.  100).  Man  wird  wohl  nicht  fehlgehen, 
wenn  man  Hildebrandt  selbst  als  den  geistigen  Urheber  dieser  großartigen  Gitter- 
werke, sowohl  des  Belvedere  als  von  Schloßhof,  bezeichnet.  Wissen  wir  doch  aus 
der  Baugeschichte  der  Würzburger  Residenz,  daß  er  für  das  große  Gitter  des  Ehren- 
hofes dieses  Schlosses  einen  Entwurf  angefertigt  hat.  Ein  Sdilosser  aus  Hollitsch 
soll  die  Schmiedearbeiten  von  Schloßhof  verfertigt  haben  (Abb.  101). 


Kapitel  III.    Barock. 


99 


Audi  der  Schönbrunner  Park,  das  Salesianerinnenkloster,  die  Stephanskirche  in 
Wien  haben  schöne  Gilter  dieser  Art.  Wohl  die  sdiiiuickvoUsten  unter  allen  befinden 
sidi  in  der  Johanniskapelle  an  der  Donau.  Das  Kirdilein  war  von  einem  Wiener 
Bürger  namens  Kirdilehner,  1744  dem  Johannes  von  Nepomuk  gestiftet  worden  zum 
Gedäditnis  an  das  gewaltige  Hodiwasser,  weldies  im  Frühjahre  dieses  Jahres  die 
an  der  Donau  gelegenen  Stadtteile  bedroht  hatte.  Die  vier  Gitter,  die  das  Portal 
und  die  Fenster  zieren,  sind  jedodi  älter;  wahrsdieinlidi  einem  früheren  Bau  ent- 
nommen, trägt  das  eine  von  ihnen  das  Datum  1738.  Audi  der  auf  demselben  an- 
gebradite  Doppeladler  mit  dem  Hauptländerwappen  des  kaiserlidien  Hauses  sdieint 
auf  eine  ursprünglidi  andere  Verwendung  der  Gitter  hinzudeuten.  Die  Abbildung  102 
stellt  die  obere  Hälfte  eines  der  Gitter  dar. 

In  den  Straßen  der  Stadt  selbst,  die  damals  mit  zahlreidien  stattlidien  Palästen 
und  öffentlidien  Gebäuden  geschmüdit  wurden,    konnte  natürlidi  das  Eisen  nur  be- 


Äbb.  101.    Geländer  im  Schlosse  SchloBhof. 


sdieidenere  Anwendung  finden,  als  in  den  freigelegenen  Lustsdilössern  mit  ihren 
weiträumigen  Gärten.  Man  besdiränkte  sidi  im  großen  und  ganzen  auf  Balkone 
und  Oberliditgitter.  Diese  Besdiränkung  führte  aber  dazu,  daß  man,  besonders  bei 
den  Oberliditgittern,  auf  diese  naturgemäß  wenig  umfangreidien  Arbeiten  allen 
Sdimud^  konzentrierte,  den  man  bei  den  größeren  Gitterwerken  auf  eine  ausgedehntere 
Flädie  verteilte.  Dazu  kam  nodi,  daß  die  Oberliditgitter  einer  kräftig  ausladenden 
Bildung  des  Eisenwerkes  sdion  deshalb  bedurften,  um  sidi  gegen  den  umsdiließen- 
den,  stark  profilierten  Steinrahmen  zu  behaupten  und  aus  dem  dunklen  Hintergrunde 
herauszulösen.  Man  blieb  bei  der  Konstruktion  des  Gitterwerkes  also  nidit  in  der 
Flädie,  sondern  ließ  einzelne  Teile  aus  derselben  herausspringen,  so  daß  eine 
energisdie  plastisdie  Wirkung  mit  Lidit  und  Sdiatten  erzielt  wurde.  Eines  der 
glänzendsten  Beispiele  derartiger  Oberlidite  befindet  sidi  am  Eingang  des  Ministeriums 
des  Innern  in  der  Wipplingerstraße,  des  Gebäudes  der  ehemaligen  böhmisdien 
und  österreidiisdien  Hofkanzlei,  weldies  von  Fisdier  von  Erladi  erriditet  wurde 
(Abb.  103).  Das  Gitter  wurde  wahrsdieinlidi  bei  der  1753  vorgenommenen  Ver- 
größerung des  Gebäudes  angebradit.    Der  Doppeladler  und  die  Vasen  sind  in  voller 


100 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


körperlicher  Rundung  aus  Eisenblcdi  getrieben,  das  Laubwerk  und  die  reich  aus- 
gebildeten Voluten  der  Stäbe  sind  aus  dem  Vollen  gesdimiedct.  Während  bei  den 
bisher  vorgeführten  Gittern,  wie  z.  B.  den  Versaillern  (vgl.  Abb.  63),  die  Sockel  mit 
Behängen  stets  in  der  Fläche  dargestellt  wurden,  treten  sie  hier  völlig  plastisch  heraus 
und  dienen  wie  wirklidie  Konsolen  als  Träger  der  Vasen,  die  auf  ihnen  stehen. 
Wegen    ihrer    kunstvollen    Arbeit    sind    auch    die    Brüstungsgilter    im    Portikus    des 


Abb.  102.    Gitter  der  Johanniskapelle  in  Wien. 


Sdiwarzenbergischen  Sommerpalais  besonders  hervorzuheben.  Den  Entwurf  dazu 
schreibt  man  Daniel  Gran  zu,  der  die  malerische  Ausstattung  des  Palastes  ausführte. 
Audi  für  Beschläge  und  Geräte  im  Laub  und  Bandelwerkstil  lassen  sich  die 
besten  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  österreichischen  Monarchie  nachweisen.  In  Prag 
findet  man  mehrere  sehr  gute  Beispiele  eisenbeschlagener  Türen,  welche  sich  in  ihrer 
Gestalt  von  den  Gittertoren  nur  dadurch  unterscheiden,  daß  das  Stabwerk  auf  einem 
Grunde  von  Eisenblech  befestigt  ist.  Bei  der  Tür  der  Thomaskirche  ist  die  Form 
des  perspektivischen  Gitters  gewählt  worden.  Als  außergewöhnlich  schöne  Arbeiten 
stellen  sich  das  Schloß  und  der  Klopfer  der  dortigen  Nikolaikirche  dar  (Abb.  104). 
Schlüsselschild  und  Anschlagplatte  bestehen  aus  durchbrochenem  getriebenen  Eisen- 
blech,   Drücker  und  Klopfer  sind  aus   massiven   Eisenstücken    geschmiedet  und  ge- 


Kapitel  III.     Barock. 


101 


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Abb.  103.    Oberliditgitter  am  Ministerium  des  Innern  in  Wien. 


Abb.  104.    Türbeschlag  an  der  Nikolaikirche  in  Prag. 


102 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


sdinitten.  Besonders  gefällig  ist  die  Türklinke  gestaltet.  Der  scliöngeschwungene, 
mit  Laubwerk  verzierte  Stab  versinnlicht  in  seiner  Bewegung  das  Auf-  und  Abwärts- 
gehen des  Drückers.  Als  Auflage  für  die  Hand  dient  eine  kräftig  ausgebildete  Volute. 
Schloß  und  Klopfer  sind  geradezu  musterhafte  Bei- 
spiele der  Übertragung  des  Laub-  und  Bandelwerks 
auf  die  Kleinarbeit. 

VVahrscheinlidi  österreidiisdier  Herkunft  ist  auch 
ein  sehr  kunstvoll  gearbeitetes  Kastensdiloß  im  Kunst- 
gewerbemuseum zu  Berlin.  Die  durchbrochene  und 
gravierte  Sdiloßdecke  aus  Messing  stellt  oberhalb 
der  Messingkappe  des  Schlüsselgehäuscs  die  Kaiser- 
krone auf  einem  Sockel  mit  Behang  unter  einem 
Baldadiine  dar.  Durdi  die  Öffnung  der  Decke  sieht 
man  den  künstlichen  Medianismus  des  mit  vier 
Riegeln  und  einer  schießenden  Falle  versehenen 
Schlosses.  Einzelne  Teile  des  Mechanismus  sind 
durch  Gravierungen  verziert.  Der  Umschweif  (die 
Seitenwände)  zeigt  auf  gepunztem  Grunde  fein  gra- 
viertes Ornament.  Das  Schloßblech  ist  von  einer 
durdibrochenen  Borte  aus  Laub-  und  Bandelwerk 
in  geschnittener  Arbeit  umgeben  (Abb.  105). 


Abb.  105.     Schloß   im   Kunstgewerbemuseum 
in  Berlin. 


Abb.  106.    Kandelaber  im 
Schlosse  Eisgrub. 


Seltener  sind  Geräte,  doch  finden  sich  auch  dafür  einige  gute  Beispiele.  Einen 
schmiedeeisernen  Kandelaber  im  Stile  der  genannten  Arbeiten,  der  sich  in  dem 
Schlosse  Eisgrub  befindet,  stellt  die  Abbildung  106  dar.  Während  hier  der  Schaft 
eine  gelungene  Auflösung  des  massiven  Stammes  des  Holz-  oder  Bronzekandelabers 
in  die  durchbrochenen,  aus  Stabwerk  gebildeten  Formen  des  Schmiedeeisens  zeigt, 
ist  der  schmiedeeiserne  Kronleuchter  des  Landesmuseums  in  Graz  eine  geschickte 
Übersetzung  der  sogenannten  holländischen  Messingkrone  in  die  Spradie  des 
Schmiedeeisens.  Die  große  Messingkugel  am  unteren  Ende  des  Schaftes  ist  hier 
durch  große  Akanthusblätter  dargestellt.  Auch  am  oberen  Teile  des  Schaftes  sind 
an  die  Stelle  der  geschlossenen  Knäufe  und  Kugeln  durchbrochene  Formen  ge- 
treten (Abb.  107). 


Kapitel  III.     Barock. 


103 


Abb.  108.    Portal  in  der  St.  Emmeranskirdic  in  Regensburg. 


104 


BrQning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Die  österreichischen  Länder  sind  zur  Erkenntnis  der  Ausbildung  des  Laub-  und 
Bandelwerks  in  der  Sdimiedekunst  nur  deshalb  vor  dem  übrigen  Deutschland  be- 
vorzugt worden,  weil  sidi  in  ihnen  dieser  Eisenstil  am  glänzendsten  entwickelte. 
Er  hielt  sidi  in  Wien  und  Umgegend  sogar  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  18.  Jahr- 
hunderts hinein.  Im  übrigen  fanden  die  Laub-  und  Bandelwerkformen  ihre  Ver- 
breitung durdi  das  ganze  deutsche  Spradigebiet.  So  befinden  sich,  um  nur  einige 
Beispiele  anzuführen,  Sdimiedearbeiten  dieser  Art  in  Züridi  (Abb.  93),  in  der 
St.  Emmeranskirdie  zu  Regensburg  (Abb.  108);  stattlidie  Tore  besitzt  der  Römer  zu 
Frankfurt  a.  M.,  ein  Gitter  mit  reichem  Aufsatz  von  1725  schirmt  das  Grabmal  des 
Ministers  von  Kraut  in  der  Nikolaikirche  zu  Berlin.  Um  1741  sind  die  Gitter  ent- 
standen, welche  den  Moltkestuhl  in  der  Nikolaikirche  zu  Rostock  schmücken,  und 
auch  der  Dom  zu  Riga  hat  Schmiedearbeiten  dieses  Stiles  aufzuweisen. 


Abb.  107.    Kronleuchter  im  Landesmuseum  in  Graz. 


Kapitel  IV 

Rokoko  und  Louis  XVL  in  Frankreich 

Die  allmähliche  Abwandlung  der  in  gebrochenen  Linien  sich  bewegenden,  etwas 
strengen  und  schweren  Formen  des  Sdimiedeeisens  der  Zeit  Ludwigs  XIV.  zu 
den  gefälligen  und  geschmeidigen  Linienzügen  dfes  Rokoko  ließ  sich  schon  in  den 
Arbeiten  von  Robert  de  Cotte  und  den  Entwürfen  Louis  Fordrins  verfolgen.  Einen 
weiteren  Schritt  vorwärts  bedeuten  die  in  der  Distribution  des  maisons  de  plaisance 
von  Jacques  Franc^ois  Blondel  1738  erschienenen  Gitterentwürfe.  (Abb.  109).  Das 
Stabwerk  derselben  zeichnet  sidi  durch  reizvolle  Motive  in  weich  gezogenen, 
gesdiweiften  Linien  aus;  das  maßvoll  beigefügte  Laubwerk  erinnert  in  seiner  Bil- 
dung noch  stark  an  den  Akanthus  des  Louis  XIV.,  ist  aber  dünner  und  zierlicher 
und  von  unbestimmter  Zeichnung.  Abgesehen  von  einigen  schüchternen  Andeutungen 
fehlt  das  eigentlidie  Ornament  des  Rokoko-Muschelwerks  noch  ganz,  während  es  in 
den  Wanddekorationen  u.  a.  desselben  Werkes  schon  häufiger  auftritt,  ein  weiterer 
Beleg  für  die  in  der  Geschichte  der  Schmiedekunst  so  häufig  auftretenden  Er- 
scheinung, daß  die  Ornamentik  des  Schmiedeeisens  immer  erst  langsam  den  all- 
gemeinen Fortschritten  der  Kunst  folgt.  Blondel  gibt  auch  einige  Bemerkungen  über 
die  Anwendung  des  Schmiedeeisens.  So  empfiehlt  er  bei  den  das  Stabgerüst  des 
Gitters  schmückenden  Ornamenten  Bronze  oder  Blei  statt  des  Schmiedeeisens,  weil 
die  geschmiedeten  Zierate  leicht  die  Kleider  beschädigten.  Für  das  Abschlußgitter 
des  Vorhofes  eines  Schlosses  schlägt  er  grün  angestrichene  Eisenstäbe  mit  Bronze- 
ornamenten vor. 

Ahnlich  leicht  und  gefällig,  ohne  besonders  reichen  Ornamentschmuck,  sind  die 
Zeichnungen  für  Balkone  u.  dgl.  von  Babin.  Die  früheren  Entwürfe  dieses  Stediers 
zeigen  ebenso  wie  die  Blondelschen  Stiche  ein  ziemlidi  schlichtes  Stabgerüst  mit 
wenig  akanthusartigem  Blattwerk;  auch  jene  schon  von  Tijou  und  Fordrin  angewand- 
ten lanzettförmigen  Blätter  mit  gewellten  Kanten  kommen  vor.  Seine  späteren  Ar- 
beiten haben  schon  etwas  Muschelwerk.  Babin  gab  seine  Vorlagen  in  sieben  Heften 
zu  je  zehn  Blatt  heraus.  Das  sechste  enthält  Umrißzeichnungen  von  wappenhalten- 
den Figuren,  wilden  Männern  und  Tieren  aller  Art,  die  zumeist  als  Schmuck  von 
Portalbekrönungen  dienen.  Bei  ihrer  häufigen  Anwendung  entsprachen  solche  Vor- 
lagen durchaus  den  Bedürfnissen  des  Schlossers. 

Das  bedeutendste  Schlosserbuch  des  Rokoko,  das  etwa  um  17^0  ersdiienen  sein 
dürfte,  ist  das  des  Gabriel  Huquier  (1695—1772);  es  enthält  60  Tafeln,  di2  in  zehn 
Heften  zu  je  sechs  Blatt  gegliedert  sind.')  Die  Entwürfe  sind  außerordentlich  flott 
und  sicher  gezeichnet  und  offenbaren  große  Erfindungskraft  und  reidie  künstlerische 
Phantasie.  Auch  Huquier  verwendet  als  Ornament  noch  den  dünnen  Akanthus  wie 
Blondel,  aber  bei  ihm  wächst  er  zum  Teil  zu  langen  palmenartigen  Schößlingen  aus, 
die  das  schön  geschwungene  Stabwerk  begleiten.  Daneben  kommen  auch  natürlidie 
Blumen  in  sparsamer  Verwendung  vor.  Vom  Muschelwerk  macht  er  in  seinen  Ent- 
würfen für  Schmiedeeisen  auch  noch  wenig  Gebrauch.  Dagegen  zeigen  seine 
Schlüsselschilder  u.  dgl.,  die  für  Bronzeguß  bestimmt  sind,  schon  das  ausgereifte 
Muschelwerk  Meissonniers.    Sehr  lehrreich  für  die  Kenntnis  des  Arbeitsfeldes  der  da- 


1)  Neudruck  der  Hälfte  des  Sdilosserbudis  von  Huquier:   Entwürfe  für  Schmiedeeisen  in 
Stil  des  Rokoko  nadi  G.  Huquier.    30  Lichtdrucke.    Paul  Schahl.    Berlin  1889. 


106 


Brüning -Rolide,  Sdiniiedekunst, 


maligcn  Sdilosserkunst  ist  die  Auswahl  der  Gegenstände.  Neben  Gittern  aller  Art, 
unter  denen  die  großen  Gitter  für  Vorhöfe,  Gärten  und  Kirchen  von  besonders  gra- 
ziöser Zeidinung  und  mannigfaltiger  Erfindung  sind  (Abb.  HO),  und  Sdiloßzubehör 
sind  audi  versdiiedene  Geräte  für  kirdilidien  Gebraudi,  Beleuchtungskörper,  Tische  usw. 
dargestellt.  (Abb.  111.)  Die  letzte  Tafel  enthält  eine  Anweisung,  wie  man  eine 
reditediigc  Füllung  vermittels  eines  Liniennetzes  in  eine  schräg  ansteigende  (für 
Treppengeländer)  verwandeln  kann.  Huquier  hat  sidi  auf  jedem  Stich  als  der  Er- 
finder der  dargestellten  Gegenstände  bezeidinet.  Zu  einem  Zweifel  an  der  Wahrheit 
dieser  Behauptung  könnte  man  dyrdi  einige  Tafeln  des  „Livre  Nouveau  d'Architec- 
ture  par  Mr.  B  .  .  .  Ardiitecte  du  Roy  1767"  veranlaßt  werden,  die  Entwürfe  aus 
dem  Sdilosserbudic  des  Huquier  enthalten,  aber  die  Bezeichnung  tragen:  Oppenord 
inv.  und  Meissonnier  inv.  Da  indessen  auf  denselben  Tafeln  auch  mehrere  stilistisch 
mit  beiden  Meistern  unverträgliche  Arbeiten  aus  dem  noch  zu  nennenden  Schlosscr- 
buche  von  Fontaine  dargestellt  sind,  so  verlieren  jene  Bezeichnungen  völlig  ihren 
Wert.  Allerdings  verraten  ja  viele  der  in  Huquiers  Werk  dargestellten  Gegenstände 
große  Verwandtsdiaft  mit  Oppenord  sowohl  wie  Meissonnier.   Aber  diese  erklärt  sich 


Abb.  109.    Gitter  (J.  F.  Blonde!,  Distribution  des  maisons  de  plaisance  II,  pl.  55). 


Kapitel  IV.     Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreidi. 


107 


leicht  daraus,  daß  Huquier  beinahe  das  ganze  Werk  von  Oppenords  und  Meissonniers, 
wie  audi  das  von  Gillot,  Watteau  und  anderen  gestochen  hat.  Die  in  dem  Werk 
von  Oppenord  selbst  enthaltenen  Gitterentwürfe  zeigen,  wie  z.  B.  das  Chorportal 
der  Kathedrale  zu  Meaux,  ganz  andere,  zum  Teil  noch  ältere  Formen,  als  die  Ar- 
beiten Huquiers.  Es  ist  also  an  der  Urheberscliaft  Huquiers  wohl  nicht  zu  zweifeln. 
Ein  reiferes,  üppiges  Rokoko  in  stark  bewegter  Zeichnung  mit  ausgebildetem 
Musdielwerk  und  reicher  Verwendung  figürlicher  Zutaten  bietet  das  Schlosserbuch 
des    erwähnten    J.  V.  Fontaine,    der    sich    „Königlichen    Schlosser    in    der    Gobelin- 


Äbb.  110.    Rokoko-Kirdiengitter  aus  dem  Schlosserbudie  von  G.  Huquier  um  1740. 


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Abb.  111.    Kohlenbeckenträger  und  Tisdie  aus  dem  Sdilosserbudie  von  G.  Huquier. 


Kapitel  IV.    Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankrcidi. 


109 


manufaktur"  nennt.  Es  enthält  Wandarme,  einen  Lampenträger,  einen  Osterkerzen- 
leuditer  (Abb.  112),  ein  Lesepult,  ein  Taufbecken  und  Aushängescliiider  eines  Uhr- 
machers. In  einer  anderen  Ornamentstichfolge  gibt  er  Bekrönungen  für  Schloß-  und 
Kirchengitter,  in  einer  dritten  Ornamente  in  natürlichem  Maßstabe  zum  Gebrauch  für 
die  Sdilosser.  Von  dem  Buche  des  Schlossers  C.  Michel,  das  1750  ersdiien,  liegt 
nur  noch  das  Titelblatt  mit  zwei  Wandarmen  und  zwei  Konsoltischen  vor,  die  gefade 
keine  besonders  hohe  Vorstellung  von  dem  Können  ihres  Schöpfers  geben. 

Durch  großzügige  Motive  mit  kräftig  betontem  Stabwerk,  das  durch  Blumen- 
Girlanden,  Vasen  und  sonstige  Attribute  bereidiert  ist,  zeichnen  sidi  die  zahlreichen 
Gitterentwürfe  im  Traite  du  beau  essentiel  dans  les  arts  appliques  von  C.  E.  Briseux 
aus  dem  Jahre  1752  und  der  L'art  du  bätir 
des  Maisons  de  campagne  desselben  Ver- 
fassers vom  Jahre  1761  aus.  Ein  Teil  der  in 
dem  letzteren  Werk  enthaltenen  Stiche  mit 
Schmiedewerken  trägt  die  Bezeichnung  Bri 
(seux)  inv.  Bab(el)  sc.  Sämtlidie  Entwürfe 
zeigen  große  Verwandtsdiaft  mit  einer 
größeren  Anzahl  von  Stichen  mit  Gittern, 
die  Babel  selbst  als  seine  eigenen  Erfin- 
dungen herausgab.  (Abb.  113).  Es  liegt 
also  hier  wohl  ein  ähnliches  Verhältnis  vor, 
wie  zwischen  Oppenord  und  Huquier.  Der 
Siedler  Babel  hat  sich  so  in  die  Formenwelt 
des  Briseux  eingelebt,  daß  sie  zu  seiner 
eigenen  geworden  ist.  Einer  der  spätesten 
Stecher  für  Schmiedeeisen  in  Rokokoformen 
endlich  ist  Moreau,  der  unter  anderen  1762 
eine  Sammlung  von  Entwürfen  für  Balkone 
nnd  Treppengeländer  veröffentlichte.  Die 
Zeichnung  seines  Gitterwerkes  ist  unklar 
und  wenig  bedeutend. 

Der  höchste  Triumph,  den  die  Schlosser- 
kunst unter  Ludwig  XV.  feierte,    knüpft  sich 

an  den  Namen  Jean  Lamours.  des  Hofsdilossers  des  Königs  Stanislaus  Leszczynski 
in  Nancy,  dessen  Werk  sich  noch  zum  größten  Teil  —  ein  seltenes  Glück  —  fast 
unversehrt  erhalten  hat.  Lamours  Vater  war  Stadtsdilosser  in  Nancy.  Indessen 
sein  Sohn  (geb.  1G98)  begnügte  sich  nicht  mit  dem  väterlichen  Unterricht;  schon  als 
Vierzehnjährigen  treffen  wir  ihn  in  Metz.  Dann  unternahm  er  zwei  Reisen  nach 
Paris,  um  sich  in  der  Schlosserkunst  und  im  Zeichnen  weiter  auszubilden.  Nadi 
dem  Tode  des  Vaters  übernimmt  Jean  1720  die  Stelle  des  Stadtsdilossers  in  Nancy. 
Unter  anderem  mußte  er  auch  die  Verpflichtung  eingehen,  für  die  Instandhaltung 
der  öffentlichen  Laternen  und  Glocken  der  Pfarrkirchen  zu  sorgen.  An  größeren 
Schmiedearbeiten  finden  wir  zuerst  ein  Gitter  mit  dem  Stadtwappen  in  der  Kirche 
Saint  Epure  erwähnt,  für  welches  er  1728  eine  Zahlung  von  1150  Livres  erhielt. 
Zwei  Jahre  später  ist  er  mit  den  Vorbereitungen  zu  einem  großen  Feuerwerk  be- 
schäftigt, welches  beim  Einzug  des  Herzogs  Franz  III.  in  Nancy  abgebrannt  werden 
sollte.^) 


Abb.  112.    Osterkerzenleuditer  nadi  einem 
Stiche  von  J.  V.  Fontaine 


1)  Vgl.  Cournault,  C,  Jean  Lamour  (Les  artistes  celebres).   Librairie  d'art.    Paris,  D.  Rouam. 
London,  Gilbert  Wood  &  Co. 


110 


Brüning  -  Rohde,  Schmiedekunst. 


Nouveaux  de^sems  de  Balcons. 


Zu  einer  vollen  Entfaltung  seiner  Talente  gelangte  er  aber  erst,  als  im  Jahre  1737 
auf  Grund  des  Wiener  Friedens  Lothringen  als  selbständiges  Herzogtum  dem  ehe- 
maligen Polenkönig  Stanislaus  Leszczynski  anheimfiel,  nachdem  dieser  Fürst  im  pol- 
nischen Erbfolgekriege  zum  zweiten  Male  seinen  Thron  verloren  hatte.  Seinen 
politisdien  Ruhmesträumen   entsagend,    widmete   der    König  sich  hinfort  in  seinem 

neuen  Wirkungskreise  sei- 
nen wissenschaftlichen  und 
künstlerischen  Liebhabe- 
reien. Durdi  seinen  Archi- 
tekten Emanuel  Here  ließ 
er  in  Nancy  und  an  an- 
deren Orten  Lothringens 
eine  größere  Anzahl  Bau- 
ten errichten,  in  denen  sich 
die  Steinarchitektur  mit  den 
Schmiedearbeiten  Lamours 
zu  glücklicher  harmonischer 
Wirkung  vereinigte.  Nancy 
wurde  unter  seiner  Für- 
sorge eine  Perle  unter  den 
französischen  Städten. 

Schon  1738  hatte  La- 
mour  Gelegenheit,  dem 
Könige  mit  seiner  Kunst 
zu  dienen.  Für  die  Grab- 
kapelle, welche  Stanislaus 
für  sich  und  seine  Ge- 
mahlin in  Notre  Dame  de 
Bon  Secours,  der  Haupt- 
kirche Nancys,  ausschmük- 
ken  ließ,  verfertigte  er  ein 
schönes  vergoldetes  Gitter, 
das  aber  schon  1792  einem 
Kunsthändler  in  die  Hände 


J'e  J^nd  a  Pan.\   c/tcdi  Ceureau  ruc  S^Jiuaicca  cut   OtojlJ  S  ■  fitjwu      ^ifcc  frt  vJcfft  du  Ji^-u 


Hbb.  113.    Balkone,  Stidi  von  Babel. 


geriet.  Ebenfalls  fielen  der 
Vernichtung  anheim  die 
Schmiedearbeiten,  die  er 
einige  Jahre  später  für  das 
von  Here  erbaute  Schloß 
Chanteheux  bei  Luncville 
hergestellt  hatte.  Es  ist 
uns  aber  wenigstens  in  der  Abbildung  in  Lamours  Werk,  auf  das  noch  näher  ein- 
zugehen sein  wird,  das  Treppengeländer  erhalten,  welches  schon  die  ausgesprochenen 
Rokokoformen  zeigt,  wie  sie  in  den  späteren  Arbeiten  Lamours  erscheinen.  Lamour 
erzählt  uns,  daß  dasselbe,  als  Ludwig  XV.  1744  durch  Nancy  kam,  die  Bewunderung 
aller  Kenner  im  Gefolge  des  Königs  erweckt  hätte.  Dann  folgen  die  für  Commercy 
hergestellten  Gitterwerke,  von  denen  ebenfalls  mehrere  auf  einer  Kupfertafel  des 
Lamourschen  Werkes  dargestellt  sind.  Sic  zeidinen  sich  durch  eine  lebendige,  gra- 
ziöse Linienführung  des  Stabwerks  aus,  sind  aber  etwas  gedrängt  und  überladen  in 
den  Ornamenten. 


Kapitel  IV.    Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreich. 


111 


Unter  den  zahlreichen  nodi  vorhandenen  Arbeiten,  die  Lamour  für  Nancy  selbst 
schuf,  bilden  die  Schmiedewerke,  weldie  den  Place  Royale  (jetzt  Place  Stanislas) 
sdimücken,  den  Höhepunkt.  Hier  gelangte  nämlich  das  Sclimiedeeisen  in  einer 
monumentalen  Form  zur  Anwendung,  wie  nie  vorher  nocli  nachher  in  ähnlidiem 
Maßstabe.  Der  Platz  bildet  ein  Rechteck  von  124,44  m  Länge  und  166  m  Breite 
und  ist  rings  umher  von  Gebäuden  umgeben.  Die  ganze  Südseite  ist  vom  Hotel 
de  ville  eingenommen,  das  mit  seinen  gewaltigen  Massen  den  Platz  beherrscht.  An 
den  vier  Ecken  sind  Offnungen  zwischen 
den  den  Platz  umgebenden  Bauten  gelassen, 
außerdem  münden  an  den  beiden  Schmal- 
seiten Straßen  ein.  Diese  sechs  Zwischen- 
räume sind  nun  von  prächtigen  schmiede- 
eisernen Aufbauten  ausgefüllt,  die  dem 
Platz  die  zu  einer  künstlerischen  Wirkung 
nötige  Gesclilossenheit  geben.  Die  beiden 
Winkel  des  Platzes  gegenüber  dem  Hotel 
de  ville  nehmen  zwei  große  triumphbogen- 
artige Eisenbauten  ein.  Die  übrigen  vier 
Öffnungen  —  sämtlich  Staßenmündungen  — 
sind  mit  einfacheren,  aber  nicht  minder 
kunstvollen  portalartigen  Anlagen  abge- 
schlossen. Außerdem  schmücken  die  Ge- 
bäude schöne  Laternenträger,  sowie  eine 
fortlaufende  Reihe  von  prächtigen  Baikonen. 
Das  Hotel  de  ville  besitzt  14  Balkone,  von 
denen  der  mittlere  allein  eine  Länge  von 
19  m  hat,  die  übrigen  Gebäude  haben  zu- 
sammen 56  .Balkone.  Auch  die  in  der 
Mitte  des  Platzes  stehende  Statue  des  Kö- 
nigs (früher  Ludwigs  XV.)  umgibt  ein 
schmiedeeisernes  Gitter.  Alles  prangt  in 
reidier  Vergoldung,  im  18.  Jahrhundert 
zum  Teil  in  verschieden  getönten  Gold- 
farben. Den  ganzen  Platz  umrahmt  also 
ein  fortlaufender  Kranz  herrlicher,  im 
Glanz  der  Sonne  strahlender  Schmiede- 
werke, vergleichbar  einem  köstlichen  Ge- 
schmeide   am    Halse    einer    schönen    Frau. 

Diese  unvergleichliche  Anlage  ist  zweifellos  in  ihren  Grundzügen  eine  Schöpfung 
Emmanuel  Heres,  welcher,  indem  er  die  Kunstfertigkeit  Lamours  zu  würdigen  ver- 
stand, diesem  einen  bedeutenden  Anteil  an  der  künstlerischen  Ausschmückung  des 
Platzes  einräumte.  Der  Entwurf  der  Eisenarbeiten  im  einzelnen  und  ihre  Ausführung 
geht  indessen  direkt  auf  Lamour  zurück.  Das  Verhältnis  beider  zu  einander  wird 
klargelegt  durch  das  Kupferwerk  Heres:  Plans  et  Elevations  de  la  Place  Royale  de 
Nancy  vom  Jahre  1753,  als  die  Schmiedewerke  noch  in  Arbeit  waren.  Auf  den 
Tafeln,  welche  den  Platz  darstellen,  sind  sämtliche  sechs  Lücken  mit  gleichen  Triumph- 
bogen abgeschlossen,  während  doch  bei  der  späteren  Ausführung,  wie  schon  erwähnt, 
vier  eine  ganz  andere  Gestalt  erhielten.  Ein  besonderer  Stich  bringt  dann  die  Ab- 
bildung eines  der  wirklich  ausgeführten  Abschlußgitter  mit  der  Poseidongruppe;  er 
trägt   die   Bezeichnung:    Fait   par  J.  Lamour  Serrurier  du  Roy.     Vergleicht  man  in- 


Äbb.  114. 


Mittelteil  des  Äbsdilußgitters 
der  Abb.  115. 


112 


ßrüning - Rohdc,  Sdiniiedekuiist. 


Rhh.  115.    AbsdiluBgitter  des  Place  Stanislas  in  Nancy, 


Abb.  116.    AbsdiluBgitter  des  Place  Stanislas  in  Nancy. 


Kapitel  IV.    Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreich. 


113 


dessen  diesen  Entwurf  mit  der  vorhandenen  Anlage,  so  ergeben  sich  verschiedene 
Untersdiiede.  Die  kleineren  Felder  unter  den  großen  Füllungen  zu  beiden  Seiten 
der  Nebenportale  fehlen.  Die  Bekrönung  der  Hauptportale  ist  niedriger.  Außerdem 
hat  dieser  Vorentwurf  doppelte  Pilaster  zu  Seiten  der  mittleren  Öffnung,  während 
das  ausgeführte  Werk  nur  einfache  Pilaster  besitzt.  Es  ist  leidit  ersichtlich,  worauf 
diese  Veränderungen,  die  das  fertige  Werk  gegenüber  diesem  ersten  Entwurf  auf- 
weist, hinzielen;  sie  sollen  dem  Triumphbogen  eine  größere  Höhenausdehnung 
geben   gegenüber  dem   erwähnten   Entwürfe,   der  etwas  gedrückt  und  in  die  Breite 


Abb.  117,    Eingangsgitter  zum  Platze  Stanislas  in  Nancy. 


gezogen  erscheint.  Vielleicht  hat  der  König  selbst  den  Anstoß  zu  dieser  Umgestal- 
tung gegeben.  Lamour  berichtet  uns  wenigstens  in  der  Einleitung  seines  Werkes, 
daß  Stanislaus  seine  Werkstatt  besucht  und  seine  Zeichnung  korrigiert  habe.  Die 
angeführte  Unterschrift  des  Stiches  kann  demnach  nur  auf  die  geistige  Urheberschaft 
Lamours  sich  beziehen. 

Die  beiden  Abschlußgitter,  bei  denen  die  Kunst  Lamours  sich  am  höchsten  er- 
hebt, dienen  als  Umrahmungen  zweier  Fontänen,  von  denen  die  eine  mit  der  Figur 
des  Poseidon,  die  andere  mit  der  der  Amphitrite,  beide  umgeben  von  Meergottheiten 
und  Amoretten,  geschmückt  ist.  In  den  seitlichen  Portalen  des  einen  Aufbaues  sind 
kleine  Gruppen  mit  Amoretten  und  Delphinen  eingestellt,  die  des  Gegenstückes  dienen 
als  Durchgänge.  Die  in  Blei  gegossenen  Gruppen  sind  ein  Werk  des  Bildhauers 
Barthelemy  Guibal,  von  dessen  Hand  auch  die  früher  in  der  Mitte  des  Platzes 
stehende  Statue  Ludwigs  XV.  herrührte.  Reicher  Baumschlag  dient  den  beiden  Auf- 
bauten als  wirksamer  Hintergrund.     Die  Gitterwerke  selbst  sind   mit  Ausnahme  des 


Brüning-Rohdc,  Schmiedekunst. 


8 


114 


Brütiiiig-  Rolide,  Sdimiedekunst. 


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Kapitel  IV.     Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreidi. 


115 


kleinen  Steinsockels  mit  vieler  Kunst  aus  Eisen  gebildet.  Sie  haben  eine  Breite 
von  23,45  m,  eine  Höhe  von  10.60  m.  Besonders  prächtigen  Schmuck  trägt  das 
Mittelportal.  Die  Kapitelle  der  Pilaster  tragen  als  Zierat  einen  Hahn  und  eine 
Sonnenmaske,  die  Zwickel  zwisdien  Architrav  und  Rundbogen  sind  mit  Waffen- 
trophäen ausgefüllt.  Die  hochaufragende  Bekrönung  zeigte  ursprünglich  in  ihrer  Mitte 
das  Wappen  der  französischen  Könige.  Zur  Zeit  der  Revolution  wurde  dasselbe  in- 
dessen, ebenso  wie  die  Namenszüge  des  Königs  Stanislaus  in  den  Aufsätzen  der 
seitliclien  Portale,  aus- 
gebrochen. Bei  einer 
Wiederherstellung  des 
Gitters  im  Jahre  1864 
ersetzte  man  die  drei 
Lilien  des  bourbonischen 
Wappens  durch  die  Distel 
der  Stadt  Nancy.  Auch 
die  beiden  pyramiden- 
förmigen Aufsätze  ober- 
halb der  Pilaster,  welche 
die  Medaillons  des  Mars, 
der  Minerva,  des  Apollo 
und  der  Ceres,  um- 
geben von  Fahnen  und 
kriegerischen  Emblemen, 
zeigen,  waren  1831  we- 
gen ihres  schlechten  Er- 
haltungszustandes ent- 
fernt worden.  Erst  als 
man  1879  in  der  Rumpel- 
kammer eines  Schlossers 
einen  dieser  Aufsätze 
wiederfand,  entschloß 
man  sich,  sie  zu  erneuern. 
Der  Schlosser  Lipmann 
in  Straßburg  stellte  die 
vier  Aufsätze  für  1 1  000 
Eres,  wieder  her.  (Abb. 
114—116). 

Nicht  nur  als  ge- 
waltige tedinische  Lei- 
stungen, sondern  auch  als  vollendete  Kunstwerke  zwingen  uns  diese  beiden  Sdimiede- 
werkc  hohe  Bewunderung  ab.  Es  ist  ein  reifes,  abgeklärtes  Rokoko,  das  mit 
mannigfaltiger  Ausbildung  des  Ornaments  im  einzelnen  klare  Linienführung  im 
ganzen  und  ein  weises  Maßhalten  in  der  Anwendung  der  Ziermotive  verrät.  Neben 
jener  palmenschoßartigen  Bildung,  die  sich  als  Ausläufer  des  Laubwerks  aus  der 
Zeit  Ludwigs  XIV.  ergab,  erscheint  das  Muschelwerk  in  voller  Ausgestaltung. 
Während  dieses  Muschelwerk  als  unpersönlidies  Ornament  die  Schwingungen  des 
Stabwerkes  begleitet,  findet  daneben  auch  das  naturalistische  Pflanzenornament,  den 
Gesetzen  seines  natürlichen  Wuchses  folgend,  eine  bescheidene  Anwendung,  weniger 
bei  den  Triumphbogen,  als  bei  den  übrigen  vier  die  Zugänge  des  Platzes  einfassen- 
den  Portalanlagen,    bei   denen  es  in  den  Gesimsbekrönungen,   den  Laternenarmen 


Abb.  119.    Treppengeländer  im  Hotel  de  ville  zu  Nancy. 


116 


Brüning  -  Rohde,  Sdimiedekunst. 


und  Vasen  auftritt.  Diese  Portale  sdiieben  sidi  von  den  die  Straßenmündungen 
einrahmenden  Häusern  auf  den  hier  erweiterten  Trottoirs  in  die  Straßen  hinein;  nacli 
dem  Fahrdamm  zu  sclilicßen  sie  mit  einem  sehr  sdiön  gezeidineten  Pfeiler  ab,  der 
eine  Blumenvase  trägt.  An  diesen  Pfeilern  sind  Laternenträger  angebradit,  deren 
Endigungen  als  Hähne  u.  dgl.  gestaltet  sind,  die   in  ihren  Sdinäbeln   Laternen  von 


Abb.  120.    Tafel  mit  der  Widmung  in  „Lamour,  Recueil  des  ouvrages  en  serrurerie* 


Kapitel  IV.    Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreich. 


117 


gefälligen  Formen  tragen.  Zwisdien  den  Pfeilern  ist  ein  offener  Raum  gelassen, 
hinlänglicli  breit,  um  zwei  Wagen  den  Durcligang  zu  gestatten.  Es  ist  möglich,  daß 
man  lediglicli  aus  Verkehrsrücksichten  von  den  ursprünglich  auch  hier  geplanten 
Triumphbogen  abgegangen  ist.  Die  Zeichnung  der  Füllungen  dieser  Portale  ent- 
spridit  den  betreffenden  Gegenstücken  an  den  Triumphbogen  fast  genau  (Abb  117). 
Von  den  den  Platz  umgebenden  Baikonen  ist  der  mittlere  der  ersten  Etage  des 
Hotel  de  ville  besonders  prunkvoll  ausgestattet  (Abb.  118).  Die  Mitte  nimmt  das 
Wappen  des  Königs  ein  mit  den  Ordenskelten  des  h.  Geistes  und  des  h.  Michael. 
Zwei  große  Adler  halten  das  Wappensdiild,  sie  heben  sich  von  einem  Gittermuster 
ab,  bei  welchem  die  rautenförmigen  Öffnungen  mit  einem  Vierblattornament  gefüllt 
sind.    Wir  erfahren  von  Lamour,  daß  er  bei  diesem  Stück  die  Wirkung  der  ziselierten 


Abb.  121.     Bekrönung  (Lamour,  Recueil  des  ouvrages  en  serrurerie). 

Bronze  habe  erreidien  wollen.  Auch  das  Innere  des  Hotel  de  ville  birgt  eine  be- 
deutende Leistung  Lamours,  das  Treppengeländer,  das  mit  einer  überströmenden 
Fülle  von  Muschelwerk  ausgestattet  ist.  Die  stark  bewegten  Linien  des  Stabwerks 
scheinen  in  ihrem  vorwärts  drängenden  Streben  den ,  der  die  Treppe  hinaufsteigt, 
mit  sich  fortzuziehen  (Abb.  119).  Mit  besonderem  Stolz  hebt  Lamour  hervor,  daß 
die  25  m  lange  Handleiste  des  Geländers  so  geschickt  zusammengefügt  sei,  daß  sie 
aus  einem  Stück  zu  bestehen  scheine.  Lamour  erhielt  für  die  zum  Schmuck  des 
Hotel  de  ville  ausgeführten  Arbeiten  60411  Livres,  für  die  Gitterwerke  der  Place 
RoLjale  149324  Livres.  Für  die  Vergoldung  der  Gitter  und  Balkone  bekam  die 
Witwe  des  Philipp  Niclos  1372,  Nicolas  Gastaldy  17328  Livres,  für  den  Anstrich 
wurde  dem  Maler  Charles  Devarennes  776  Livres  ausgezahlt.')  Nadi  vierjähriger 
Arbeit  waren  die  Gitter  samt  dem  übrigen  Schmuck  des  Platzes  vollendet.  Den 
festlichen  Abschluß  bildete  die  Enthüllung  des  Denkmals  Ludwigs  XV.,  welche  am 
26.  November  1755  unter  großen  Feierlichkeiten  begangen  wurde.  Die  Fontänen 
speiten  an  diesem  Tage  Wein  aus,  und  vier  Stadträte  warfen  von  den  Baikonen 
des  Platzes  Geld  unter  das  Volk. 


1)  Vgl.  Compte  general  de  la  depense  des  edifices  et  bätiment  que  le  roi  de  Pologne  a 
fait  construire  pour  rembellissement  de  Nancy.    Luneville  1761. 


118 


Briining  -  Rohde,  Sdimiedekuiist. 


Audi  die  benadibartc  Place  de  la  Carriere  ist  mit  Gitterwerken  von  Lamour 
ausgestattet,  die  in  ihrer  Bildung  an  die  Portale  der  Place  Royale  erinnern.  Zwei 
präditige  Gitter  von  seiner  Hand  besitzt  audi  die  Kathedrale;  das  eine  schließt  die 
Grabkapelle  des  Kardinals  Karl  von  Lothringen  ab,  das  andere  die  des  Prälaten  du 
Bouzcy.  Die  vier  anderen  Kapellengitter  stammen  von  anderer  Hand,  sie  sind  be- 
zeichnet: Jean  Maire  1759.  Von  den  übrigen  nodi  in  großer  Zahl  in  Nancy  er- 
haltenen Arbeiten  Lamours  verdienen  die  Balkone  der   ersten   Etage   seines   Hauses, 

rue  Notre  Dame  Nr.  32, 
wegen  der  hohen  Voll- 
endung der  Arbeit  beson- 
dere Erwähnung. 

Lamour  hat  selber 
dafür  gesorgt,  daß  sein 
Name  der  Nachwelt  er- 
halten blieb,  indem  er 
1767  seine  besten  Ar- 
beiten in  einem  aufs 
prächtigste  ausgestatteten 
Kupferslichwerk  in  Groß- 
folio unter  dem  Titel: 
„Recueil  des  ouvrages  en 
serrurerie,  que  Stanislas 
le  Bienfaisant,  Roy  de  Po- 
logne,  Duc  de  Lorraine 
et  de  Bar,  a  fait  poser 
sur  la  place  Royale  de 
Nancy,  ä  la  gloire  de 
Louis  le  Bien-Aime;  com- 
pose  et  executc  par  Jean 
Lamour  son  serrurier  or- 
dinaire  avcc  un  discours 
sur  l'art  de  Serrurerie  et 
plusieurs  autres  desseins 
de  son  invention  Dedie 
au  Roy"  veröffentlichte 
und  dem  König  widmete/) 
Die  Widmung  an  den 
König  ist  auf  dem  ersten 
Blatt  innerhalb  einer  schönen  Rokokoumrahmung  angebradit,  welche  im  Stile  seiner 
Schmiedearbeiten  gehalten  ist.  Auf  der  unteren  Leiste  des  Rahmens  sind  in  einer 
kleinen  Vignette  schmiedende  Amoretten  in  einer  Grotte  dargestellt.  Der  obere  Teil 
des  Rahmens  umsdiließt  ein  größeres,  von  Collin  gestochenes  Bild,  welches  den  Be- 
such des  Königs  in  der  Sdimiede  Lamours  nach  einem  jetzt  in  Luneville  befindlidien 
Gemälde  Benards  vorführt  (Abb.  120).  Man  ist  gerade  mit  der  Herstellung  eines  der 
beiden  Triumphbogen  der  Place  Royale  beschäftigt.  In  der  Mitte  der  Schmiedewerk- 
statt steht  der  König,  ein  wohlbeleibter  Herr  und  mustert,  mit  einem  Augenglas  be- 
waffnet, einen  der  Pfeiler,  auf  den  Lamour  mit  der  rechten  Hand  hinweist,  während 
er  in  der  Linken  den  Plan  des  Ganzen  hält.    Im  Hintergrunde  sind  mehrere  Arbeiter 


Abb.  122.    Portal  vor  dem  Hotel  Dieu  zu  Troyes. 


')  Neudrudt:  Jean  Lamour,  Recueil  des  ouvrages  cn  serrurerie.    R.  Levy.    Paris. 


Kapitel  IV.     Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreich. 


119 


mit  der  Montierung  des  Triumphbogens  beschäftigt,  im  Aufsatz  des  mittleren  Portals 
sind  deutlich  die  drei  Lilien  der  Bourbonen  zu  erkennen.  Rechts  davon  arbeitet 
ein  Mann  mit  einer  großen  Feile  an  einem  Schraubstock,  links  im  Vordergrunde 
vergleichen  mehrere  Leute,  über  einen  Tisch  gebeugt,  die  geschmiedeten  Eisenteile 
mit  der  Werkzeichnung.  Die  Kamine  der  beiden  Schmiedeessen  führen  direkt  zu 
den  Fenstern  hinaus.  Es 
war  eine  alte,  nicht  mehr 
im  Gebraucli  befindliche 
Kirdie,  in  der  Lamour 
seine  Werkstatt  eingerich- 
tet hatte. 

In  großen  Stichen 
führt  uns  dann  Lamour 
seine  widitigsten  Werke 
vor.  Besonders  wertvoll 
sind  die  Abbildungen  sol- 
cher Schmiedearbeiten,  die 
nicht  mehr  vorhanden  sind, 
wie  die  von  Commercy 
und  Chanteheux.  Andere 
Entwürfe  scheinen  über- 
haupt nicht  zur  Ausführung 
gelangt,  sondern  als  Vor- 
lagen gezeidinet  zu  sein. 
Dazu  gehören  eine  größere 
Anzahl  von  Wandarmen 
für  Laternen  und  Aus- 
hängeschilder mit  den 
Wappen  des  Königs,  des 
Dauphins  usw.,  ferner  Be- 
krönungen  aller  Art,  zum 
Teil  mit  kirchlichen  Em- 
blemen und  Kerzenhaltern 
versehen.  Einer  dieser 
Aufsätze  enthält  das  Wap- 
pen, das  den  französischen 
Schlossern  verliehen  wur- 
de; an  den  beiden  Pyra- 
miden rechts  und  links  sind 
Schlosserwerkzeugc  u.  dgl. 
angebracht  (Abb.  121).  Des 

gotischen  Schlosses,  das  Lamour  abbildet,  ist  sdion  Erwähnung  getan  (S.  27).     Die 
letzte  Tafel  bietet  Ornamente  in  natürlicher  Größe. 

Stanislaus  wußte  in  wahrhaft  königlicher  Art  seinen  Hofsdilosser  zu  ehren.  Er 
ließ  sein  eigenes  Porträt  und  das  Lamours  als  Gegenstücke  in  gleidier  Größe  in 
Pastell  malen  und  schenkte  beide  dem  Künstler.  Die  Bilder  befinden  sich  jetzt  im 
lothringischen  Museum  zu  Nancy.  Lamour  trägt  auf  dem  Porträt  die  Tracht  des 
Hofmannes,  Rock  und  Weste  von  blauem  Sammet  mit  goldenen  Borten.  Im  Hinter- 
grunde wird  ein  Stück  eines  der  Triumpbogen  der  Place  Royale  sichtbar. 

Mit  dem  Tode  des  Königs  im  Jahre   1766  sdieint  auch  Lamours  Tätigkeit  im 


Abb.  123.    Gitter  in  der  Kathedrale  zu  Ämiens. 


120 


Brüning-Rohde,  Sdiiniedekunst. 


vvescntlidicn  ihren  Absdiluß  erreidit  zu  haben.  Die  reidien  Aufträge,  die  während 
der  Regierung  Stanislaus'  ihm  zugeflossen  waren,  hatten  ihm  nidit  nur  einen  ehren- 
vollen Namen,  sondern  audi  einen  nidit  unbedeutenden  Reiditum  versdiafft.  So 
war  er  in  der  Lage,  eine  Sammlung  von  Gemälden  und  anderen  Kunstsadien  allmäh- 
lidi  zu  erwerben,  weldie  er  Freunden  der  Kunst  gern  zu  zeigen  pflegte.  Unter 
seinen  Mitbürgern  genoß  er  hohes  Ansehen.     Die  Advokaten  Nancys  erwiesen  ihm 

die  Ehre  der  Aufnahme 
in  ihre  religiöse  Brüder- 
sdiaft.     Er  starb  1771. 

Gegenüber  dem  Reidi- 
tum an  Sdimiedewerken, 
weldie  die  Stadt  Nancy 
der  Tätigkeit  Lamours  ver- 
dankt, ist  das,  was  in 
anderen  Städten  Frank- 
reichs von  Eisenarbeiten 
in  Rokokoformen  sich  er- 
halten hat,  verschwindend 
gering.  Zu  nennen  ist 
noch  das  prachtvolle  Por- 
tal, welches  den  v'orhof 
des  Hotel  Dieu  in  Troyes 
abschließt,  eine  Arbeit  des 
Schlossers  Pierre  Delphin. 
Es  dürfte  etwa  der  Zeit 
von  1730 — 1740  angehö- 
ren und  soll  ursprünglich, 
für  die  Abtei  Clairveaux 
angefertigt  worden  sein 
(Abb.  122).  Besonders 
schön  baut  sich  die  Be- 
krönung  auf.  An  den 
aufsteigenden  Seiten  ran- 
ken sich  üppige,  palmen- 
schoßartige  Blattbüschel 
empor.  Rechts  und  links 
vom  Portal  sind  die  Wap- 
pen der  Champagne  und 
von  Navarra  angebracht, 
während  die  Torbekrönung 
das  Königswappen  trägt.  Die  Gestaltung  der  Torflügel  mit  den  parallel  laufenden 
Stäben,  von  denen  jedesmal  der  zweite  und  dritte  durch  einen  breiten  Bund  zu- 
sammengefaßt sind,  weist  auf  ähnliche  Bildungen  aus  der  Zeit  Ludwigs  XIV.  zurück. 
Unter  den  stattlichen  und  umfangreichen  Gitterwerken,  von  denen  sich  in  den 
Kirchen  noch  mehrere  an  Ort  und  Stelle  befinden,  verdienen  eine  besondere  Hervor- 
hebung die  den  Chor  und  die  Kapellen  abschließenden  Gitter  in  der  gotischen  Ka- 
thedrale zu  Amiens  (Abb.  123).  Der  vornehmste  Schmuck  der  Gitterfüllung  sind 
palmetten-  und  kartuschenartige  Ornamente  aus  zackigem  Muschelwerk.  In  den  Auf- 
sätzen ist  reiche  Verwendung  von  natürlichen  Blumen  gemacht.  Der  Schlosser 
Veyrens  zu   Corbie  führte   das   Gitter  nach  Entwürfen  von  Rene  Michel  Slodtz  aus. 


Abb.  124.    Portal  nach  einem  Stiche  von  J.   Breslau. 


Kapitel  IV.     Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreich. 


121 


Veyrens  verfertigte  auch  einen  Baldachin  in  Gestalt  einer  Palme  für  den  Haupt- 
altar der  Abteikirclic  zu  Valvire,  der  vor  der  Ablieferung  in  Aniiens  ausgestellt  wurde. 
Auch  sonst  pflegten  die  Schlosser  besonders  kunstvolle  Arbeiten  nach  ihrer  Her- 
stellung dem  Publikum  zu  zeigen.    So  konnte  der  berühmte,  aus  vier  Palmen  mit  dem 


flbb.  125.    Fenstergitter  nadi  einem  Stiche 
von  J.-F.  Forty. 


Abb.  126.    Fenstergitter  nadi  einem  Stiche 
von  J.-F.  Forty. 


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Abb.  127.    Treppengeländer  in  der  Ecole  militaire  zu  Paris. 

Osterlamm  und  anbetenden  Engeln  bestehende  Baldachin,  den  der  Schlosser  Gerard 
1769  für  die  Kirche  St.  Genevieve  in  Paris  herstellte,  drei  Tage  lang  gegen  Eintritts- 
geld besichtigt  werden.^) 

Entsprechend  ihrer  konservativen  Tendenz,  längere  Zeit  als  die  übrigen  Kunst- 
übungen sich  Neuerungen  gegenüber  zu  verschließen,  gewährt  die  Schmiedekunst  auch 
dem  Stil,  den  man  mit  dem  Namen  Ludwigs  XVI.  zu  bezeichnen  pflegt,  erst  verhältnis- 
mäßig spät  Aufnahme.  Während  auf  anderen  Gebieten  schon  um  die  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts  klassizistische   Neigungen    sich  geltend  machen,  treten  dieselben  in  Eisen- 


1)  Vgl.  Qavard,  H.,  Dlctionnaire  de  l'ameublement  unter  dem  Worte  Serrurerle. 


122 


Brüning  -  Rohde,  Schmiedekunst. 


arbeiten  im  großen  und  ganzen  erst  in  den  siebziger  Jaiiren  auf.  So  kommt  es, 
daß  wenigstens  in  der  Sdimiedekunst  so  ziemlich  der  Stil  Ludwigs  XVI.  sidi  mit 
der  Regierungszeit  dieses  unglüddichen  Monarchen  deckt. 

Ludwig  XVI.  übte,  ebenso  wie  Ludwig  XIII.,  selbst  das  Schlosserhandwerk  aus. 
Noch  jetzt  existiert  seine  Schmiedewerkstatt.  Sie  befindet  sich  im  Dachstockwerk  der 
Hauptfassade  der  Cour  de  Marbre  in  Versailles  redits  von  der  Uhr.  Hier  verfertigte 
Ludwig  XVI.  mit  Unterstützung  des  Schlossers  Gamain,  der  während  der  Revolution 
in  sdiändlidister  Weise  den  König  verraten  sollte,  und  eines  Gehilfen,  namens  Durey, 
Sdilösser,  Sdilüssel,  Riegel,  Hämmer  u.  a.  Der  robusten  Natur  des  Königs  sagten 
diese  alle  Körperkräfte  anspannenden  Arbeiten  besonders  zu.  Seine  delikate  Ge- 
mahlin nahm  freilidi  öfter  Anstoß,  wenn  er  mit  Händen,  die  die  Arbeit  geschwärzt 
hatte,  erschien.  Sic  nannte  ihn  wohl  im  Scherze  ihren  Vulkan.  Es  wird  erzählt, 
daß    der    König,   als  einst  Feuer   in  einem  benachbarten  Gemach  ausgebrochen  war 


Abb.  128.    Geländer  am  Schlosse  Grand-Trianon. 


und  man  die  Pforten  desselben  nicht  öffnen  konnte,  selbst  mit  seinen  Werkzeugen 
herbeigeeilt  und  die  Tür  aufgebrochen  habe,  so  daß  man  des  Feuers  Herr  werden 
konnte.^)  Im  Conservatoire  des  arts  et  metiers  zu  Paris  werden  noch  die  Werkzeuge, 
deren  der  König  sich  bediente,  aufbewahrt. 

Auch  für  den  Stil  Ludwigs  XVI.  sind  wir  in  der  Schmiedekunst  vor  allem  auf 
die  Ornamentstiche  angewiesen.  Sie  zeigen  uns  im  allgemeinen  ein  starkes  Sinken 
der  künstlerischen  Erfindung,  es  sind  meistens  trockene  öde  Kompositionen,  die 
mit  der  sonstigen  zierlichen  Eleganz  und  Grazie  dieses  Stiles  wenig  gemein  haben. 
Zu  den  frühesten  Stidien  von  Sdimiedewerken  dieser  Art  gehören  die  im  5.  Bande 
der  Recueil  elementaire  d'Ardiitecture  des  Architekten  Neufforge  erschienenen  Tafeln 
mit  Eisenarbeiten.  Es  sind  ziemlich  langweilige  und  geschmacklose  Entwürfe  von 
sdilichter,  meist  gradliniger  Bildung;  wo  gebogene  Linien  vorkommen,  bewegen  sie 
sich  meistens  in  der  Kreisform.  Auch  die  in  dem  etwa  zehn  Jahre  später  veröffent- 
lichten Supplementbande  abgebildeten  zahlreidien  Schmiedearbeiten  weisen  keinen 
nennenswerten  Fortschritt  auf. 

Neben  solchen  radikalen  Unternehmungen,  an  die  Stelle  der  keck  gesdiwungenen 
Linienzüge  des  Rokoko  streng  symmetrisdie  Linienkompositionen  zu  setzen,  stehen 


^)  Siehe  d'Hezecques  a.  a.  0.     S.  159. 


Kapitel  IV.    Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreich. 


123 


dann  Arbeiten,  die  nodi  das  geschweifte  Stabwerk  beibehalten  haben,  wie  z.  B.  das 
Vorlageweri<  des  Sdilossermeisters  Gabriel  Bonthomme  von  1775,  in  dem  nur  die 
mäanderförmigen  Endigungen  der  Stäbe  eine  ernstere  Note  in  die  im  übrigen  leben- 
dige Bewegung  des  Stabwerkes  bringen.  Die  ungefähr  in  dieselbe  Zeit  fallenden 
Veröffentlichungen  des  Schlossermeisters  J.  Breslau  bieten  Vorlagen  für  Gitter,  welche 
in  ihrer  Komposition  lebhaft  an  Arbeiten  aus  der  Zeit  Ludwigs  XIV.  anklingen;  sie 
sind  nur  insofern  abgewandelt,  als  die  Linienführung  durch  eine  ausgedehnte  Ver- 
wendung gerader  Linien  statt  der  gebogenen  lebloser  und  kälter  geworden  ist 
(Abb.  124).  Die  großen,  reicli  ausgestatteten  Portale  sind  mit  Bekrönungen  versehen, 
welclie  mit  Trophäen,  Wappen,  Figuren  u.  dgl.  gesclimückt  sind.     Einen  Anhalt  zur 


Abb.  129.    Treppengeländer  nach  einem  Stiche  von  J.-F.  Forty. 


Bestimmung  der  Zeit,  in  welcher  die  Stiche  Breslaus  entstanden  sind,  geben  mehrere 
Folgen  von  Entwürfen  mit  der  Bezeichnung:  Invente  et  dessine  par  B  .  .  .  en  1775, 
welche  zum  großen  Teil  Gegenstiche  nach  Breslau  enthalten. 

Der  führende  Meister  unter  den  Ornamentstechern  für  Schmiedeeisen  aus  jener 
Zeit  ist  Jean-Fran(;ois  Forty,  der  sich  selbst  als  Dessinateur  bezeichnet.  Er  bietet  in 
drei  Folgen  zu  je  sechs  Blatt  Fensterbrüstungen,  Balkone  und  Treppengeländer. 
Unter  Fensterbrüstungen  (appuis  des  fenetres)  sind  in  den  Fensterrahmen  eingespannte 
niedrige  Gitter  im  Gegensatz  zu  den  aus  der  Fläche  der  Mauer  hervortretenden 
Baikonen  zu  verstehen.  Alle  seine  Entwürfe  erfreuen  durch  flotte,  sichere  Linien- 
führung und  Großzügigkeit  der  Motive,  die  von  eigenartiger,  selbständiger  Erfindung 
sind.  Die  Füllungen  seiner  Fensterbrüstungen  und  Balkone  enthalten  gewöhnlidi  ein 
einheitlidies,  großes  Ornamentmotiv  von  schöner  und  mannigfaltiger  Zeidinung 
(Abb.  125/6).  Bei  manchen  herrscht  das  Stabwerk  fast  allein  vor,  bei  den  meisten 
wird  ein  größerer  oder  geringerer  Gebraudi  von  Akanthusblättern,  -rosetten  und 
kelchen   gemadit.     Bei   reicheren  Arbeiten   kommen   dicke  Blattgirlanden,  Vasen  und 


124 


Brüning-Rolide,  Schmiedckunst. 


Embleme  allerlei  Art  hinzu.  Besonders  stattlich  und  prunkvoll  sind  seine  Treppen- 
geländer. Neben  der  aus  einer  Folge  von  Balustern  bestehenden  älteren  Form  des 
Treppengeländers  bringt  er  mehrere  in  dieser  Zeit  beliebte  Bildungen,  bei  der  die 
ganze  Füllung  des  Geländers  sidi  aus  einem  einzigen  Motiv  zusammensetzt,  dem 
sogenannten  „laufenden  Hunde",  weldies  aus  einer  Aneinanderreihung  von  schräg- 
gestellten S  förmigen  Stäben  oder  Bändern  besteht.  Diese  S-Schnörkel  stoßen  ent- 
weder mit  ihren  Spitzen  zusammen,  oder  sie  sind  so  aneinander  gefügt,  daß  die 
übereinanderliegenden  Teile  zweier  sich  begegnenden  S-Stäbe  kleinere  oder  größere 
Kreise  oder  Ovale  mit  eingesdiriebenen  Akanthusrosetten  bilden,  wie  bei  dem 
Treppengeländer  der  Ecole  militaire  (Abb.  127)  oder  dem  Geländer  am  Scliloß  Grand 


Abb.  130.    Treppengeländer  nach  einem  Stidie  von  J.-F.  Forty. 


Trianon  (Abb.  128).  Die  aufsteigende  Bewegung  dieses  Ornaments  eignet  sich  vor- 
trefflich für  den  Zweck  des  Treppengeländers  und  bietet  eine  der  besten  Lösungen 
dieser  schwierigen  Aufgabe,  die  stets  dem  Schlosser  viel  Kopfzerbrechen  gemacht  hat. 
Ein  besonders  prächtiger  Entwurf  stellt  in  der  Füllung  sich  wiederholende  heraldische 
Lilien  in  einer  nierenförmigen  Umrahmung  als  Hauptmotiv  dar,  dazwischen  sind 
jedesmal  Szepter  auf  gekreuzten  Palmen-  und  Lorbeer-  bezw.  Efeuzweigen  an- 
gebracht. Die  mit  der  Sonnenmaske  und  einem  Medaillon  geschmückten  Pfeiler 
tragen  eine  Kriegstrophäe  und  zwei  Putten  mit  dem  königlichen  Wappen.  Wie  aus 
den  erhaltenen  Originalen  jener  Zeit  ersichtlich  ist,  waren  die  Ornamente  wohl  zur 
Ausführung  in  Bronze  bestimmt,  nur  das  Stabgerüst  wurde  aus  Eisen  gebildet 
(Abb.  129,30). 

Verwandt  mit  Fortys  Arbeiten,  aber  etwas  nüchterner  und  trockener  sind  die 
Entwürfe  des  Architekten  Desboeufs  du  Saint-Laurent,  welche,  von  Pelletier  graviert, 
in  drei  Heften  zu  sechs  Tafeln  (Balkone,  Treppengeländer  und  Portalbekrönungen) 
erschienen.     Das  erste  Heft  trägt   das   Datum  1775.     Bei   seinen    Treppengeländern 


Kapitel  IV.    Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankrcidi. 


125 


benutzt  Desboeufs  neben  dem  laufenden  Hunde  eine  Reihe  von  zwei  konzentrischen 
Kreisen,  die  entweder  sldi  mit  ihren  Peripherien  berühren  (Abb.  131)  oder  sich  über- 
schneiden, wie  bei  der  Treppe  im  Sciiloß  zu  Compicgne  (Abb.  1 32).  Weniger  glücklich  sind 
die  Entwürfe  für  Balkonc,  bei  denen  er  Muster  benutzt,  die  nicht  nur  in  der  horizon- 
talen ,  sondern  auch  in  der  vertikalen 
Richtung,  also  nach  allen  vier  Seiten 
hin  rapportieren,  d.  h.  nicht  abschließen, 
sondern  beliebig  weiter  fortgesetzt  wer- 
den können. 

Die  übrigen  Zeichner  für  Schmiede- 
arbeiten im  Stil  Ludwigs  XVI.,  Boucher 
fils,  Caillouet,  Fay,  Aubert  Parent  vcr- 


Hbb.  132.    Treppengeländer  im  Schlosse 
zu  Compiegne 


Abb.  131.     Geländer  nadi  einem  Stidie  von 
Desboeufs  du  Saint-Laurent. 


Abb.  135.     Gitter  in  St.  Germain-I'Äuxerrois 
zu  Paris, 


dienen  kaum  Berücksichtigung.  Ihre  Arbeiten  sind  dürftig,  phantasielos  und  ohne 
jeden  Reiz.  Auch  Lalonde,  sonst  ein  fruchtbarer  Geist,  kommt  in  seinen  Entwürfen 
für  Gitter  selten  über  steife  langweilige  Stabgerüste  hinaus.  Seine  Schlösser,  Schlüssel, 
Riegel  und  Klopfer  sind  zur  Ausführung  in  Bronze  bestimmt.  Man  beschränkte  sich 
für  das  Schmiedeeisen  jetzt  fast  ausschließlich  auf  das  Gitterwerk,  und  auch  hier 
verwandte  man  für  die  Ornamente  nunmehr  vorzugsweise  Bronze,  das  mit  den  zu- 
meist blank  gefeilten  Eisenstäben  durch  Niete  verbunden  wurde. 


126 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Eines  der  sdiönsten  nodi  vorhandenen  Beispiele  dieser  Verbindung  von  Schmiede- 
eisen mit  Bronzcornamenten  ist  das  Geländer  der  Haupttreppe  in  Petit -Trianon 
(Abb.  133).  Hier  sind  die  Eisenstäbe  mit  einem  grünen  Anstriche  versehen,  der 
vortrcfflidi  zu  den  vergoldeten  Bronzeornamenten  steht.  Besonders  prächtig  ist  der 
wie  ein  Schlangenleib  sidi  aufbäumende  Anlauf  gestaltet.  Der  Knauf  hat  die  Form 
einer  Vase.  Die  erste  Füllung  hinter  dem  Anlauf  ist  mit  reichem  Schmuck  versehen, 
eine  an  einem  Bande  aufgehängte  Lyra  und  ein  Merkurstab  zwischen  einem  Palmen- 
und  Lorbeerzweige;  das  mittlere  Feld  des  ganzen  Geländers  trägt  die  Initialen  der 
Königin  Marie  Antoinette,  die  indessen  erst  später  hinzugefügt  sind,  da  das  Geländer 
wahrsdieinlidi  zwischen  1765  und  1768  geschaffen  ist  und  zwar  von  Gamain,  dem 

Vater  des  erwähn- 
ten Gehilfen  Lud- 
wigs XVI.  Gamain 
verfertigte  auch  in 
Gemeinschaft  mit 
dem  Mechaniker 
Ridier  die  Maschi- 
nerie jenes  „Tisch- 
lein deck'  dich", 
das  sich  LudwigXV. 
in  Petit  Trianon 
hatte  einrichten  las- 
sen. Dasselbe  ver- 
schwand auf  den 
Druck  einer  Feder 
hin  im  Fußboden, 
um  voll  besetzt 
wieder  empor  zu 
tauchen.  Nach  einem 
Rechnungsbericht 
von  1791  hatte  Ga- 
main eine  Rech- 
nung von  13264 
Frcs.  für  seine  in 
Petit  Trianon  ge- 
leisteten Schlosser- 
arbeiten aufgestellt; 
7700  Frcs.  hatte  er 
schon  erhalten,  den  Rest  schuldete  man  ihm  noch.  Auch  das  einfache,  fast  schmuck- 
lose Gitter  der  Cours  d'honneur  stammt  wohl  von  ihm;  hier  sind  die  Ornamente 
ebenfalls  Bronze.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  Erfindung  des  schönen  Treppen- 
gitters auf  den  Erbauer  des  Schlosses,  den  jüngeren  Gabriel,  zurückgeht.^) 

Ganz  aus  Eisen  gebildet  ist  dagegen  die  stattliche  Balustrade,  die  sich  an  der 
Nord-Westecke  des  Schlosses  Grand  Trianon  befindet.  Der  ansteigende  Gitterteil 
ist  mit  einem  „laufenden  Hunde"  gefüllt,  welcher  hier  drei  große  Ovale  mit 
AkanthusrosGtten  einschließt,  während  in  die  Zwickel  breite  Akanthuskelche  gesetzt 
sind.  Der  dann  folgende,  horizontal  liegende  Abschnitt  des  Gitters  ist  mit  zwei 
symmetrischen,  starken  Akanthusspiralen  gefüllt,   das  ovale  Medaillon   in   der  Mitte, 


flbb.  133.    Treppengeländer  im  Schlosse  Petit-Trianon. 


1)  Desjardins,  G.,  Le  Petit-Trianon.    Versailles  1885.     S.  33  und  406. 


Kapitel  IV.    Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreidi. 


127 


unterhalb  dessen  zwei  Schlangen  ihre  Leiber  zusammenringeln,  ist   mit  einem   Blitz 
geschmückt  (Abb.  128). 

Auch  sonst  sind  die  Bauten  Jean-Jaques  Gabriels  mit  prächtigen  Gitterwerken 
versehen.  Im  Schlosse  zu  Compiegne,  das  er  umbaute,  legte  er  eine  große  Fest- 
treppe an  mit  einem  praditvollen  Geländer,  das  ähnlidi  wie  bei  der  Treppe  von 
Petit  Trianon  hinter  dem  als  große  Volute  gestalteten  Anlauf  zunächst  ein  besonders 
reich  ausgestaltetes  Feld  zeigt.  Audi  hier  sind  die  vier  Ecken  dieses  Feldes  durch 
rautenförmige  Rosetten  mar- 
kiert. Den  Hauptsdimuck 
bildet  eine  Sonnenmaske  auf 
gekreuzten  Szeptern  zwi- 
sdien  Lorbeerzweigen.  Dann 
folgt  eine  fortlaufende  Reihe 
sich  überschneidender  Kreise, 
durch  Rosetten  verbunden, 
welche  einen  konzentrisdi 
einbesdiriebenen  Lorbeer- 
oder Efeuzweig  umschließen 
(Abb.  132). 

In  Paris  besitzt  die 
Ecole  Militaire  auf  dem 
Marsfelde,  die  Gabriel  in 
den  Jahren  1752—1773 
erbaute,  in  dem  Portale 
des  Vorhofes  und  dem 
Treppengeländer  vortreff- 
liche Sdimiedearbeiten.  Die 
Wirkung  des  Portals  ist 
leider  durch  das  Fehlen  des 
Oberteils  der  ßekrönung 
stark  geschädigt  (Abb.  134). 
Sehr  einfach,  aber  dabei 
doch  von  gutem  harmoni- 
schen Zusammenklang  sind 
die  übrigen  Teile  des  Por- 
tals. Die  Türflügel  sind 
aus  glatten,  paarweis  zu- 
sammengefaßten Stäben  ge- 
bildet. Nur  ein  unschein- 
bares, aber  hödist  wirkungsvolles  Motiv  bringt  Leben  in  die  sonst  starre  Regel- 
mäßigkeit der  parallelen  Linien  hinein:  das  sind  die  kleinen  gewellten  Stacheln,  die 
von  dem  die  Enden  der  Stäbe  vereinigenden  Bunde  ausgehen.  Sowohl  die  jede 
Füllung  in  zwei  ungleiche  Hälften  teilende  Querleiste,  wie  die  Flächen  der  einrahmen- 
den Pilaster  und  des  Architravs  sind  mit  dem  am  Treppengeländer  von  Compiegne 
im  großen  angewandten  Ornament  der  sich  überschneidenden  Kreise  mit  einbeschrie- 
benen Rosetten  gefüllt.  Die  unterhalb  der  Kapitale  seitlich  neben  den  Pfeilern  aus- 
ladenden, auf  kurzen  kräftigen  Eisenpfeilern  ruhenden  Voluten  erinnern  lebhaft  an  das 
gleiche  Motiv  am  Portal  des  Gitters  der  Cour  Royale  zu  Versailles.  Auch  die  Gitter- 
stäbe in  Form  von  Lanzen  mit  Fransenbehang  stammen  ebendaher.  Sie  sind  über- 
haupt in  dieser  Zeit  wieder  sehr  beliebt.     Das  herrliche  Treppengeländer    der    Ecole 


Abb.  134.    Portal  der  Ecole  militaire  zu  Paris. 


128 


Brüning  -  Rohde,  Sdimicdckunst. 


militairc  mit  sdiwungvoll  gezeidinGtem  Anlauf  und  einer  zierlidien  Vase  als  Knauf 
setzt  sidi  aus  langgestrcd^ten  Feldern  zwisdien  gedrungenen,  breiten  kannelierten 
Pilastern  zusammen.  Die  großen  Felder  füllt  ein  viergliedriger,  in  sidi  gesdilossener 
„laufender  Hund"  mit  Akanthusblättern  aus,  die  die  Stabspiralen  fast  in  ihrer  ganzen 
Länge  begleiten  (Abb.  135).  Das  von  Gabriel  erbaute  Ministerium  der  Marine  be- 
sitzt ebenfalls  nodi  ein  gutes  Treppengeländer. 

Ein  sehr  stattlidies 
Geländer  befindet  sidi  audi 
in  dem  1763  von  Constant 
d'Jvry  erriditeten  Treppen- 
hause des  Palais  Royal. 
Es  ist  aus  blank  gefeiltem 
Eisen  mit  vergoldeten 
Bronzeornamenten  gebil- 
det. Seine  Füllung  setzt 
sidi  aus  Kreisen  mit  einbe- 
sdiriebenen  Rosetten,  wel- 
die  mit  ihren  Peripherien 
aneinanderstoßen,  zusam- 
men, die  Zwidtel  sind  mit 
Akanthuskeldien  besetzt. 
Das  Gitter  soll  vom  Sdilos- 
ser  Corbin  nadi  Modellen 
des  Jacques  Caffieri  an- 
gefertigt sein.^)  Das  Trep- 
pengeländer des  früheren 
Hotel  des  Postes  (Hotel 
d'Armenonville),  das  mit 
einem  „laufenden  Hunde" 
gesdimüdit  ist,  wird  jetzt 
in  den  Sammlungen  des 
Musce  des  arts  decoratifs 
zu  Paris  aufbewahrt. 

Von  sonstigen  nodi 
vorhandenen  Treppen- 
brüstungen ist  nodi  das 
der  Kanzel  in  St.  Rodi  zu 
erwähnen,  das  ebenfalls 
aus  blank  gefeiltem  Eisen 
mit  Bronzezieraten  besteht  und  wahrsdieinlidi  von  Garnier  verfertigt  ist.')  Von 
gleidier  Arbeit  ist  audi  das  sdiöne  Kommuniongitter  in  St.  Germain  l'Auxerrois,  der 
kleinen  gotisdien  Kirdie  gegenüber  dem  Louvre  (Abb.  135).  Es  besteht  aus  mehreren 
Füllungen,  von  denen  die  dargestellte  das  Monogramm  SV  (Sainte  Vierge?)  in  einem 
doppelkreisförmigen  Medaillon,  umrahmt  von  Lilienzweigen,  enthält.  Das  Medaillon 
hängt  an  einer  Bandsdileife,  bekanntlidi  ein  für  den  Stil  Ludwigs  XVI.  diarakteri- 
stisdies  Motiv. 

Wohl  die  späteste  erhaltene  Sdimiedearbeit  mit  Bronzebesdilägen  ist  das  Portal 


Abb.  136.    Portal  des  Justizpalastes  zu  Paris 


^)  Champeaux,  H.  de,  L'art  decoratif  dans  le  vieux  Paris.    Paris  1898.    S.  26^1. 
"-)  Abbildung  bei  Starkie  Gardner,  Ironwork  II,  Fig.  123. 


Kapitel  IV.    Rokoko  und  Louis  XVI.  in  Frankreich.  129 

und  Gitter  des  Justizpalastes  in  Paris  (Abb.  136).  Die  Torbekrönung  mit  dem  könig- 
lichen Wappen  ist  erst  im  19.  Jahrhundert  wieder  hinzugefügt  worden.  Es  hat  sich 
noch  ein  Stich  erhalten,  der  bis  auf  geringe  Abweicliungen  genau  die  Form  dieses 
Portals  zeigt.  Er  ist  das  erste  Blatt  von  einer  Stidifolge  und  trägt  die  Ueberschrift: 
„Differentes  Grilles  pour  les  Chateaux,  les  Choeurs  et  les  Chapelles  de  Communion. 
Compose  et  Dessine  par  la  Londe  en  1789"  und  die  Unterschrift:  „La  Grille  du  Pa- 
lais Marchand  Termine  d'apres  le  desin  de  Mr.  Antoinne  Archittec  du  Roy".  Der 
damalige  Name  Palais  Marchand  für  das  jetzige  Palais  de  Justice  hat  sich  noch  in 
der  im  Palais  befindliclien  Galerie  Marchande  erhalten.  Der  künstlerische  Anteil  an 
der  Herstellung  des  Gitters  verfeilt  sich  vielleicht  in  der  Weise,  daß  Lalonde,  dessen 
Stil  das  Gittertor  durchaus  entspricht,  den  mehr  skizzenmäßigen  Entwurf,  dem  Archi- 
tekten Antoine  die  ausführliclie  Zeichnung  des  einzelnen  anheimfiel.  Der  Schlosser 
Bigonnet  unternahm  die  Herstellung  des  Portals,  das  200000  Livres  kostete. 

Die  politischen  Ereignisse  des  ausgehenden  Jahrhunderts  sowohl,  wie  auch  die 
neue  Geschmacksriditung,  die  die  Kunst  des  alten  Hellas  und  Rom,  wo  eine  eigent- 
liche Schmiedekunst  unbekannt  war,  zum  Vorbilde  nahm,  waren  der  weiteren  Ent- 
wicklung der  Sclimiedekunst  nicht  förderlich.  In  der  sogen.  Empirezeit  kommen  ge- 
sdimiedete  Arbeiten  von  künstlerischer  Form  fast  gar  nicht  mehr  vor,  an  die  Stelle 
der  Sdimiedearbeit  trat  nun  der  Eisenguß,  der  für  längere  Zeit  das  Feld  behaupten 
sollte. 


Brüning-Rohdc,  Sdimiedekunst. 


Kapitel  V 

Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutschland 

Einer  der  bedeutendsten  Vorkämpfer  des  deutschen  Rokoko,  der  auch  durch  vor- 
trcffliclie  Entwürfe  diesem  Stile  Eingang  in  die  Schmiedekunst  verschaffte,  war 
Franz  CuvilHes,  der  Hofbaumeister  der  bayerischen  Kurfürsten  zu  München,  Geboren 
zu  Soignies  im  Hennegau,  wurde  er  wegen  seiner  mangelhaften  Körperbildung  noch 
in  jungen  Jahren  als  Hofzwerg  vom  Kurfürsten  Max  Emanuel,  der  damals  als  Statt- 
halter der  Niederlande  in  Brüssel  lebte,  in  dessen  Haushalt  aufgenommen,  und,  da 
er  große  Talente  zeigte,  sorgfältig  erzogen.  1717  wurde  er  Fähnrich  im  Leibregiment 
zu  Fuß;  wahrscheinlicli  war  diese  Bestallung  nur  ein  Vorwand,  um  ihm  eine  Be- 
soldung zukommen  zu  lassen.  Zu  seiner  weiteren  Ausbildung  wird  er  dann  1720 
mit  einer  vom  Kurfürsten  ihm  gewährten  Unterstützung  von  1100  Gulden  jährlich  — 
für  die  damalige  Zeit  eine  sehr  hohe  Summe  —  nach  Paris  gesandt.  Fünf  Jahre  später  er- 
hielt er  seine  Anstellung  als  Hofarchitekt  des  bayrischen  Kurfürsten.  Seine  im  reifsten 
Rokoko  ausgeführten  Hauptwerke,  die  reichen  Zimmer  in  der  Residenz  zu  München 
und  die  Amalienburg  im  Nymphenburger  Park,   fallen   noch  in   die   dreißiger   Jahre. 

Uns  interessieren  hier  zunächst  seine  Entwürfe  für  Schmiedearbeiten,  von  denen 
er  zwei  Büdilein  zu  je  sechs  Tafeln  herausgegeben  hat.^)  Aus  dem  Titel  der  Bücher, 
welche  die  Bezeichnung  tragen:  „Nouvellement  Invente  par  Fran(;:ois  de  Cuvillies, 
Conseiller  et  Architecte  de  Sa  Majeste  Imperiale",  folgt,  daß  sie  zwischen  dem 
12.  Februar  1742  und  dem  20.  Januar  1745,  als  Karl  Albert  unter  dem  Namen 
Karl  XII.  deutsdier  Kaiser  war,  entstanden  sein  müssen.  Sie  sind  von  Charles  Albert 
de  Lespilliez  gestochen  und  enthalten  Portale,  Balkongitter,  Treppengeländer,  Ober- 
lichte, Wandarme,  Klopfer,  Schlüsselschilder,  Schlüsselgriffe,  Riegel  usw.  Ein  Blatt 
gibt  Riegel  und  Schloßteile  zur  Ausführung  in  Bronze.  Es  sind  zum  Teil  gefällige 
Kompositionen  mit  Hervorhebung  des  Stabwerkes,  das  sich  in  lebendig  bewegten 
Linien  ergeht.  Das  Muschelwerk,  das  ein  rindenartiges  Aussehen  hat,  ist  meistens 
nur  skizzenhaft  angedeutet.  Dazu  kommen  als  weiterer  Zierat  Palmenzweige,  natür- 
lidie  Pflanzen  und  Blumen  aller  Art,  auch  hier  und  da  Masken  und  Blumenvasen 
(Abb.  135).  Stilistische  Beziehungen  Cuvillies  zu  Blondel  sind  in  diesen  Stichen 
nachzuweisen.  Sie  zeigen  zum  Teil  deutliche  Anklänge  an  die  in  der  Distribution 
des  maisons  de  plaisance  von  Blondel  1738  abgebildeten  Schmiedearbeiten  (vgl 
Abb.  139,  sowie  Cuvillies  7  livre  pl.  1  mit  Blondel  pl.  57,  Cuvillies  7  livre  pl.  2  mit 
Blondel  52,  Cuvillies  8  livre  pl.  2  und  3  mit  Blondel  pl.  53,  Cuvillies  8  livre  pl.  5 
mit  Blondel  pl.  55). 

Das,  was  die  Ornamentstidie  des  Cuvillies  vermissen  lassen,  eine  klare,  zur  Aus- 
führung in  Schmiedeeisen  brauchbare  Zeichnung  des  für  die  deutschen  Schlosser  neuen 
Ornamentes,  des  Muschelwerks,  bieten  die  Tafeln  eines  sehr  fleißigen  Stechers,  des 
Augsburger  Schlossermeisters  Johann  Samuel  Birckenfeld,  die  derselbe  im  Verlage  des 
Martin  Engelbrecht  und  des  Johann  Georg  Hertel  herausgab.    Ein  Teil  seiner  Stichfolge 


1)  Neudruck:  Kunstsdimiedearbeiten  im  Stil  des  Rokoko  von  Fran^ois  du  Cuvillies.   Berlin, 
Ch.  Claesen  &  Co. 


Kapitel  V.     Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutschland. 


131 


r 


Lin£HSi:s    I'IECE>      li'OCi  IlAO£:s    de.      SERP.JJRKJUE. 

£.  XA-iK-     «.•   /et-t-'./iu-  y.tu-  /.ii-     'i.\    J'itffj-    nuar^u^^'    A.    .-t  ntm.      paar     /^      Mutrxr      ^ui     mj     jnt.     par     Hapo-t- 


JDcu^      Oiitres     JhhnCA'     ^     -Ft'r   y^ttf    pfnijiv     //tir    Jin,ffi/f'ti;r    mt      l^ntffu^r 


\ruj'     /•■      ^Ay^ij-      .^tatfu'    /^ff'-^    fii     yleitt         Ciutre     Ji.arae     de      St.<     jPirJs      oii      ^'C 


Abb.  137.    Entwürfe  für  Sdimiedearbeiten  von  F.  Cuvillies. 


132 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


geben  flott  gezeidinetes  Musdielwerk 
in  natürlidier  Größe.  Die  erste  Folge 
betitelt  er:  „Neu  inventiert  Lauberbudi 
bestehend  in  6  Theil,  denen  Anfängern 
der  Zeidinung  zum  Nutzen  oder  viel- 
mehr denjenigen  weldie  keine  gelegen- 
heit  haben,  sidi  informieren  zu  lassen, 
durdi  Joh.  Samuel  Bird^enfeld,  Sdilos- 
sermeister  gezeidinet".  Sic  sind  jeden- 
falls sehr  braudibar  und  geben  gute 
Vorlagen  für  das  neue  Ornament 
(Abb,  138).  Außerdem  veranstaltete  er 
Abb.  158.  Musdielwerk,  Stich  von  J.L.Birckenfeld.      ^^^    eine  Veröffentlidiung    von    ähn- 

lidiem  Musdielornament  mit  beigefügtem  Stabansatz  in  kleinerem  Maßstabe.  Er  be- 
gründet auf  dem  Titelblatt  der  neuen  Folge  dieselbe  mit  den  Worten:  „Weilen  aus 
vielfältiger  erfahrung,  dass 
es  denen  jenigen  weldie 
nadi  lernung  Grosser  Lau- 
ber-Gitterwerk zu  Zridi- 
ncn  anfangen,  sehrSdiwer 
Kleinere  reinlidi  nadizu- 
madien  ankörnt.  So  hat 
es  mir  in  diesem  Vor- 
beridit  anlass  gegeben 
(um  es  denen  jenigen  desto 
leiditer  zu  madien)  von 
zersdiiedenen  Sorten  klei- 
ner in  Sprengwerdt  (d.  i. 
Gitterwerk)  tauglidier  Lau- 
ber mitzutheilen,  um  sidi 
zuvor  auf  soldie  Art  Exer- 
zieren zu  können."  In 
einem  längeren  G^didite, 
das  auf  dem  zweiten  Blatte 
folgt,  wendet  er  sidi  gegen 
soldie,  weldie  behaup- 
ten, man  könne  seine 
Zeidinungen  nidit  sdimie- 
den. 

„Wer  einen  Zwe'fel  hat  der 

kome  nur  zu  mir 
idi  stelle  ihm  davon  die  mög- 

littikeit  selbst  für 
Idi  wollte  noch  vielmehr  von 

eisen  machen  können 
Wan  man  zui-amt  dem  Ruhm 

denLohn  auch  wollte  gönnen  : 

Außerdem  hat  Birk- 
kenfeld  nodi  eine  Anzahl 
von  Folgen  mit  Vorlagen 
für     Gitter,      Wandarme,        Abb.  139.    Portal  (Ordo  Jonica),  Stidi  von  ]•  L.  Birdtenfeld. 


Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutschland. 


133 


Untersätze,  Kaminböcke,  Leucliter,  Traufstützen,  Sdiloßteile  usw.  herausgegeben. 
Seine  Gitter  sind  zum  großen  Teil  wenig  bedeutend  in  der  Komposition,  oft  wird 
die  Klarheit  der  Zeidinung  durch  übergroße  Verwendung  von  Muschelwerk  gestört. 
Am  besten  ist  noch  eine  bei  Hertel  ersdiienene  Folge  von  sechs  Blatt  mit  Portalen, 
von  welcher  fünf  die  Bezeidinung  führen:  Ordo  Toscana,  Dorica,  Jonica  (Abb.  139), 
Corinthia,  und  Composita.  Die  Kapitale  der  Pfeiler  sind  jedesmal  in  der  Art  der 
genannten  Säuienordnungen  gebildet,  während  die  Flädien  des  Sdiafts  mit  Rokoko- 
schnörkeln gefüllt  sind.  Einige  sind  redit  gut  im  Aufbau  und  Umriß,  wenn  auch 
überreidi  mit  Muschelwerk  ausgestattet,  zwischen  weldies  auf  den  Türflügeln  kleine 
Figuren,  Sdiäfer  und  Schä- 
ferinnen, Jäger  und  Tiere, 
zum  Teil  redit  glüd^lich, 
hineinkomponiert  sind.  Die 
Entwürfe  für  Drücker, 
Schloßbledie, Griffe  und  An- 
schlagplatten sind  meist  in 
Originalgröße  dargestellt. 
Die  als  Zierat  hinzugefüg- 
ten Köpfe  und  Tiere  sind 
nicht  recht  mit  demMusdiel- 
werk  organisdi  verbunden. 

Aus  der  Kunst- Ge- 
werbe- und  Handwerks- 
Geschidite  der  Reichs-Stadt 
Augsburg  von  Paul  von 
Stetten  (Augsburg  1779) 
erfahren  wir,  daß  der  Va- 
ter des  Ornamentstechers, 
Johann  Balthasar  Bircken- 
feld,  auch  ein  Schlosser 
war,  „welcher  ungemein 
feine,  zierlidie  und  künst- 
liche Schlösserverfertigte", 
und  daß  sein  Sohn  „nicht 
geringer  in  dergleichen  Ar- 
beiten" gewesen  sei.  Von 
der  Hand  des  letzteren 
stamme  das  vom  Kaufmann  Peter  Laire  gestiftete  Gitter  in  der  Barfüßerkirche  zu 
Augsburg,  das  sich  noch  jetzt  dort  befindet  und  das  Datum  1760  trägt.  Die  Ab- 
bildung 140  stellt  die  Eingangstür  des  Gitters  dar,  dessen  oberer  Rand  stark  geschweift 
ist.  Die  Torflügel  tragen  zwei  Kartuschen  mit  dem  Wappen  nnd  dem  Monogramm 
Peter  Laires,  zu  beiden  Seiten  desselben  sind  große  Palmzweige  durch  das  Gitter  ge- 
siedet. Neben  dem  Muschelwerk,  das  hier  in  einer  eigentümlichen  Form  mit  regelmäßigen 
Riefeln  und  umgeschlagenen,  leidit  gewellten  Rändern  auftritt,  sind  auch  zum  Schmuck 
des  elegant  gezeichneten  Stabwerkes  natürliche  Blumen  und  sehr  ins  Kraut  geschossene 
Akanthusblätter  verwandt  worden.    Die  Pfeiler  an  den  Seiten  tragen  Blumenvasen. 

Mit  ganz  geringen  Abweichungen  sind  zwei  Teile  des  Gitters  in  einer  Stichfo'ge 
von  Emmanuel  Eidiel,^)  die  bei  Joh.  Georg  Hertel  (Verl.-Nr.  134)  erschien,  abgebildet 

1)    Ndch  P.  V.  Stetten  (a.  a.  O.  I.  S.  409)  wird  der  Kupferstecher  Emmanuel   Eichel  1770 
Instruktor  an  der  Zeichensdiule  des  evangelischen  Gymnasiums  in  Augsburg  (geb.  1717). 


Hbb.  140.    Gitter  in  der  Barfüßerkirche  zu  Augsburg. 


134 


Brüning-Rohde,  Sdimicdekunst. 


Hbb.  141.    Vorlagen  für  Schmiedearbeiten  von  E.  Eidiel. 


Da  sidi  Eichel  in  seinen 
sonstigen  Sticlien  als  ein 
selbständiger,  erfindungs- 
reidier  Künstler  offenbart, 
so  bietet  diese  Entlehnung 
nur  wieder  einen  Beweis 
für  die  Harmlosigkeit,  mit 
der  man  damals  Arbeiten 
anderer  kopierte,  ohne  sich 
über  die  Frage  des  gei- 
stigen Eigentums  große 
Skrupel  zu  machen.  Eichels 
übrige  Entwürfe,  seine 
Kreuze, Wandarme,  Leuch- 
ter und  Treppengeländer 
sind  zum  Teil  von  schöner, 
fließender  Linienführung 
fAbb.  141).  Bei  manchen 
Arbeiten  macht  er  nur  be- 
sdieidenen  Gebrauch  von  Muschelwerk,  so  daß  die  keck  geschwungenen  Züge  der 
Stäbe  klar  hervortreten,  bei  anderen  überschwemmt  das  wellenartig  emporschießende 
Muschelwerk  zu  sehr  die  Zeichnung  des  Stabgerüstes. 

Noch  viel  schlimmer  madit  sich  dieses  Überwuchern  des  Muschclwerkes  in  den 
bei  Martin  Engelbrecht  in  Augsburg  erschienenen  Stichen  des  Joseph  Baumann 
geltend.  Die  weichlichen,  wolligen  Schnörkel  füllen  mit  ihren  breiten  lappigen 
Flächen  fast  den  ganzen  Grund  (Abb,  142).  Ähnlich  ist  es  mit  den  von  Philipp 
Jakob  Kessel  gezeichneten  und  von  Mathias  Losherr  gestochenen  Entwürfen  mit 
fedrig  zerflatterndem  Muschelwerk.  Die  Zeichnung  wirkt,  da  jedes  klare  Komposi- 
tionssdiema  fehlt,  unruhig  und  zerrissen.  Und  doch  sind  auch  solche  mit  Muschel- 
werk überladenen  Vorlagen,  wie  z.  B.  die  Oberlichtgitter  des  Klosters  Ottobeuren 
beweisen,  in  Wirklichkeit  ausgeführt  worden.  Die  unter  dem  Doppeltitel  „Schlosser 
Riss",  „Dessins  de  ser- 
rureries"  durd)  Hertel 
veröff  entlid)teStid)e  von 
Franz  XaverHabermann 
betonen  freilich  das 
Stabgerüst,  zeigen  aber 
sonst  krause,  unruhige 
Formen, 

Österreicl)ischGr  Her- 
kunft sdieint  derStedier 
Johann  Andreas  Graf- 
fenberger  gewesen  zu 
sein.  Seine  früheren 
Vorlagen  geben  Gitter, 
welche  eine  Weiter- 
bildung der  österreid)i- 
sdien  Schmiedearbeiten 
in  Laub-  und  Bandel- 
werkformen  darstellen. 


Hbb.  142.    Schloß  und  Schlüsselgriffe  nach  einem  Stiche 
von  J.  Baumann. 


Kapitel  V.     Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutschland. 


135 


Nur  sind  die  gebrodienen  Linien  durch  rundlidi  gebogene  ersetzt.  Der  Akanthus 
ist  lebendig  bewegt,  indem  die  Spitzen  der  Blätter  umgebogen  sind.  In  späteren 
Entwürfen  erscheint  das  Muschelwerk,  das  mit  seinen  tiefausgesdinittenen  Formen 
dem  Akanthuslaub  Graffenbergers  sich  annähert.  Die  Füllungen  sind  nicht  ohne 
Geschmad<  gegliedert.  In 
der  Ausführung  würde 
das  Gittertor  jedenfalls 
nodi  eine  bessere  Figur 
machen,  als  in  der  ziem- 
lich ungesdiickten  Zeidi- 
nung  (Abb.  143). 

Gute,  frisch  empfun- 
dene Entwürfe  selbstän- 
diger Erfindung  bietet  auch 
das  Sdilosserbüdilein  des 
Heinridi  Gottlieb  Forster 
(Forshter  sdireibt  er  sich), 
Sdilossermeisters  und  Ei- 
senschneiders in  Brunn, 
der  1723 — 25versdiiedene 
Gittertore  im  Schlosse  Ni- 
kolsburg  in  Mähren  aus- 
führte.') Auch  hier  finden 
wir  noch  Reminiszenzen 
an  das  Laub-  und  Bandel- 
werk, das  ja  gerade  in 
den  Ländern  der  öster- 
reidiisch-ungarischen  Mo- 
narchie eine  Heimat  ge- 
funden hatte.  Neben 
reidiausgebildetem  Mu- 
schclwerk,  das  bald  an 
die  Rippen  der  Musdieln, 
bald  an  Fledermausflügel 
anklingt,  findet  auch  der 
Akanthus,  sowie  Masken 
und  Tiere  Verwendung 
(Abb.  144). 

Audi  Deutsd)land  be- 
sitzt ein  Nancy  und  einen 
Lamour,  das  ist  Würzburg, 
wo    der    Schlossermeister    Abb.  143.   Vorlagen  für  Schmiedearbeiten  von  J.  Ä.  Graffenberger. 
Oegg  im  Verein  mit  dem 

Architekten  Balthasar  Neumann  Sdimiedewerke  schuf,  die  an  Schönheit  der  Zeich- 
nung nur  wenig  hinter  des  Lothringers  unvergleichlichen  Arbeiten  zurückstehen,  sie 
aber  an  technischer  Vollendung  weit  übertreffen.  Leider  sind  die  Würzburger 
Schmiedearbeiten  nicht  so  vom  Glück  begünstigt  worden,  wie  die  von  Nancy.  Ein 
großer  Teil   derselben    ist  verloren  gegangen,   und  ein  so  stolzes  Abbildungswerk, 


*)  Siehe;  Sdiiredt,  C,  Die  Kunstsdilosserei  in  Mähren.    Brunn  1893.    S.  XVI. 


156 


Brüning  - Rohdc,  Sduniedekunst. 


4Sb 


wie  Lainour  es  uns  hinterlassen,  existiert  nidit,  das  uns  für  das  Fehlende  einen  Er- 
satz bieten  könnte. 

Johann  Georg  Ocgg  (1703  80)  stammt  aus  Siltz  in  Tirol.  Nachdem  er  bei 
seinem  Oheim  Peter  Oegg  in  Linz  eine  längere  Lehrzeit  durdigemacht  hatte,  kam 
er  nach  Wien  und  arbeitete  dort  in  der  Hofschlosserei.  Die  Erbauung  des  fürst- 
bisdiöflidicn  RcsidcnzsdiJosses  zu  Würzburg   durdi    Balthasar    Neumann,    zu    deren 

Ausschmückung  neben  den 
übrigen  Künsten  und  Hand- 
werken audi  die  Schmiede- 
kunst in  weitgehendem  Ma- 
se  hinzugezogen  werden 
sollte,  war  die  Veranlassung 
zu  seiner  Berufung  als  f ürst- 
bischöflidicr  Hofschlosser 
nach  Würzburg.  Man  nimmt 
an,  daß  Neumann  in  Wien 
gewesen  sei.  Eine  Bestä- 
tigung dafür  gibt  auch  seine 
Bekanntschaft  mit  Oegg,. 
den  er  dort  kennen  gelernt 
haben  wird. 

In  Würzburg  errang 
Oegg  sich  bald  durch  seine 
Kunst  eine  angesehene  Stel- 
lung, die  er  auch  trotz  der 
Anfeindungen  der  zünftigen 
Stadtschlosser,  an  deren 
Spitze  Marcus  Gattinger,, 
der  Verfertiger  des  großen 
Chorgitters  im  Dom,  stand, 
und  die  natürlidi  den  Ein- 
dringling mit  sdieelen  Au- 
gen ansahen,  zu  behaupten 
wußte  Daß  es  dabei  zu- 
weilen auch  zu  handgreif- 
lichen Reibereien  kam,  bei 
denen  die  Parteien  vom  Le- 
der zogen,  ist  bei  den 
rauhen  Sitten  jener  Zeit 
nicht  verwunderlich.  Oegg 
behielt  bis  1769  sein  Amt  als  Hofschlosser,  dann  trat  er  es  an  seinen  Sohn  An- 
ton ab.^) 

Eine  der  ersten  Arbeiten  Oeggs  für  die  Residenz  dürfte' wohl  das  Oberliditgitter 
am  Seitenportal  des  Sdilosses  sein,  das  das  Monogramm  des  kunstsinnigen  Fürst- 
bischofs Friedrich  Karl  von  Schönborn  (regierte  1729  —  1746)  trägt,  dem  das  Haupt- 
verdienst an  der  Förderung  des  Baues  gebührt.  Stilistisch  ist  es.  wenigstens  vor  alle 
übrigen  Schmiedewerke  der  Residenz  zu  setzen,  da  das  Muschelwerk  noch  völlig  fehlt. 


Hbb.  144.     Portal  nach  einem  Stiche  von  H.  G.  Forster. 


^)  Vgl.  Stamminger,  Würzburgs  Kunstleben  im  18.  Jahrhundert,  im  Ärdiiv  des  historischen 
Vereins  für  Unterfranken  und  Äschaffenburg  1892. 


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158 


Brüniiig -  Rohde,  Sdimiedekunst. 


i\bb.  146.    Gartentor  der  Residenz  zu  Würzburg  (am  Residenzplatze). 

Es  ist  noch  das  alte  Laub-  und  Bandelwerk,  nur  mit  der  Abwandlung 
Stäbe  in  rundliclien  Linien  sich  bewegen.  Die  Endigungen  der  Stäbe 
schneckenartigen  Voluten  aufgerollt.') 

Seit  1737  arbeitete  der  Meister  dann 
an  einem  Schmiedewerk,  das  leider  ganz 
verloren  gegangen  ist,  nämlich  dem  gro- 
ßen Absdilußgitter,  das  den  Ehrenhof 
abgrenzte,  indem  es  die  vorspringenden 
Flügel  des  Schlosses  verband.  In  einem 
Schreiben  Neumanns  vom  5.  Januar  1737 
wurde  mit  Oegg  der  Preis  für  seine  Ar- 
beit dahin  bestimmt,  daß  er  10  Batzen 
für  das  Pfund  erhalten  sollte.  Der  erste 
Entwurf  zu  diesem  Abschlußgitter  stammt, 
wie  wir  aus  einem  Brief  Friedrich  Karls 
vom  11.  September  1744  erfahren,  von 
Johann  Lucas  von  Hildebrand  her,  dessen 
Rat  der  Fürstbischof  für  seinen  Bau  heran- 
zog. Nach  einer  Mitteilung  Neumanns 
vom  16.  Februar  1739,  daß  er  „auch  den 
schluss  des  Haubthofes  mit  denen  Statuen 
nach  des  Herrn  von  Hildebrands  Meinung 


,   daß  die 
sind    zu 


')  Abbildungen  der  Würzburger  Gitter  in 
Ehemann,  F.,  Kunstschmiedearbeiten  aus  dem 
XVI.-XVIII.  Jahrhundert.    Berlin  1884. 


Abb.  147.    Seitenteil  des  Portals  der  Abb.  144. 


Kapitel  V.     Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutsdiland. 


159 


zusammengesetzt"  habe  '), 
scheint  Neumann  diesen 
Aufriß  Hildebrands  selb- 
ständig verwertet  zu  iha- 
ben.  Jedenfalls  aber  ist 
der  Hauptgedanke,  die 
Gliederung  des  Eisengit- 
ters durdi  starke  Stein- 
pfeiler, durdiaus  im  Sinne 
Hildebrands,  welcher  ja 
ganz  ähnlich  am  Belvedere 
und  in  Schloßhof  an  der 
March  Schmiedewerk  und 
Steinarchitektur  zu  glück- 
lidier  Harmonie  vereinigt 
hatte.  Auch  die  noch  zu 
erwähnenden  Obelisken 
waren  nach  dem  genann- 
ten Briefe  desFürstbiscliofs 
in  dem  Entwürfe  Hilde- 
brands vorgesehen.  Da 
am  1.  März  1741  schon 
die  Pfeiler  zum  Gitter  ge- 
setzt worden  waren,  und 
in  demselben  Jahre  ein 
besonders  hoher  Posten 
für  Schmiedearbeiten  in 
den  Rechnungen  steht, 
nämlich  31,953  Gulden,  so 
ist  es  möglich,  daß  das 
Gitter  damals  schon  fertig 
gestellt  wurde.  Die  Bild- 
hauerarbeiten waren  frei- 
lich nocli  zur  Zeit  der 
Vollendung  des  Schlosses 
im  Rohbau,  1774,  nicht 
völlig  ausgeführt  worden. 
Einen  Teil  des  plastischen 
Schmuckes  stellte  der  Bild- 
hauer J.  W.  von  der  Au- 
vera  her,  der  dafür  4100 
Gulden  erhielt;  Oegg  be- 
kam für  die  Gitter  28,745 
Gulden.  Um  dieselbe  Zeit 
wie  das  Hauptgitter  wer- 
den auch  die  Balkon- 
brüstungen, die  aus  sich  wiederholenden  gegossenen  Eisenbalüstern  bestehen,  für 
welche  Oegg  drei  Batzen  für  das  Pfund  erhielt,  angefertigt  worden  sein. 


Abb.  148.    Gartentür  der  Residenz  zu  Würzburg  (am  Rennweg). 


1)  Vgl.  Keller,  Ph.  J.,  Balthasar  Neumann.    Würzburg  1896.    S.  67  ff. 


140 


Brüning - Rolide,  Sdimicdekunst. 


Leider  wurde  1821  aus  Unverstand,  wie  man  damals  glaubte  „aus  guten  archi- 
tektonischen Gründen",  indem  man  sicli  für  klüger  hielt,  als  der  Erbauer  des  Schlosses 
selbst,  das  Äbsdilußgittcr  entfernt  und  nadi  mündliclier  Überlieferung  alter  Würz- 
burger nadi  England  verkauft. 

Dodi  können  wir  uns  aus  Stidien  eine  annähernde  Vorstellung  von  der  Gestalt 
dieses  Gitters  versdiaffen.  Die  Sammlungen  des  historisdien  Vereins  in  der  Residenz 
in  VVürzburg  besitzen  zwei  sehr  seltene,  von  einander  unabhängige  Stiche,  die  uns 
eine  authcntisdie  Darstellung  des  Hauptgitters  geben.')  Der  kleinere  Stidi  ist  be- 
zeichnet: „J.  C.  Berndt  Nürn- 
berg", der  größere  trägt  die 
Untersdirift:  „M.  Müller  Inge, 
et  Archit.  del.  J.  B.  Gutwein 
Aulae  et  Universit:  Chalcogr: 
fecit.  Wirceb".  Einen  Aus- 
schnitt aus  dem  letzteren 
gibt  die  Abbildung  145.  Dar- 
nach trat  das  Gitter,  das 
außer  dem  Portal  aus  16 
schmiedeeisernen  Gitterteilen 
bestand,  im  Zickzack  vor  die 


Abb.  149.    Teil  eines  Portals  der  Residenz  zu  Würzburg 
(an  der  Hofpromenade). 


Abb.  150.   Schlüssel  im  Kunst- 
gewerbemuseum zu  Berlin. 


Fluchtlinie  der  Front  der  Seitenflügel  hervor.  Die  das  Portal  flankierenden  Stein- 
pfeiler trugen  Löwen  mit  Wappensdiildern,  dann  folgten,  ähnlidi  wie  bei  den  Ver- 
sailler  Gittern,  Wachthäuser,  von  hohen  Obelisken  bekrönt.  Auf  den  übrigen 
Steinpfeilern  standen  abwechselnd  Statuen  und  Blumenvasen.  Die  beiden  Gruppen, 
Herkules  im  Kampfe  mit  der  Hydra  und  mit  Antäus,  haben  sich  noch  erhalten  und 
sind  in  den  Glacisanlagen  aufgestellt. 

Wenn  wir  also  auch  den  Verlust  des  Hauptgitters  vor  dem  Ehrenhof  zu  be- 
klagen haben,  so  ist  doch  noch  immer  reichlich  übrig  geblieben,  den  Ruhm  Neumanns 
und  des  kunstreichen  Meisters  Oegg  zu  verkünden.     Erhalten  haben  sich  noch,  ab- 


')  Der  Stich  des  R.  Corvinus  in  dem  1740  von  Salomon  Kleiner  herausgegebenen  Werke 
über  „Die  Residenz-Stadt  Würzburg"  zeigt  ein  abweichendes  Gitter.  Dasselbe  beruht  aber  auf 
freier  Erfindung,  da  damals  ja  das  Gitter  überhaupt  noch  nicht  fertiggestellt  war. 


Kapitel  V.    Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutschland. 


141 


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Abb.  151.    Gitter  im  Treppenhause  des  Schlosses  zu  Brühl. 


gGschen  von  dem  erwähnten  Oberlichtgilter,  die  drei  aus  einem  großen  Portal  und 
zwei  Seitengittern  bestehenden  Garteneingänge  am  Residenzplatz,  an  der  Hof- 
promenade und  am  Rennweg,  die  Portal- 
bekrönungen  am  Rennweg  in  der 
Fluchtverlängerung  der  Vorderfront,  meh- 
rere Sperrböcke  auf  dem  breiten  Gesims 
zwischen  den  beiden  Stockwerken,  die 
Gitter  der  Arkaden,  sowie  eine  eiserne 
Tür,  ein  Paar  bemalte  Wandleuchter  und 
ein  zierlicher  Schloßbeschlag  im  Innern 
des  Schlosses.  Nicht  mehr  an  Ort  und 
Stelle  befinden  sich  zwei  Gitter,  welche 
früher  am  Rennweg,  dort,  wo  nur  noch 
die  Bekrönungen  vorhanden  sind,  auf- 
gestellt waren;  sie  sind  jetzt  im  Besitz 
des  Bayrischen  Nationalmuseums  in 
München. 

Alle  diese  Gitter  sind  erst  nadi  der 
Einrichtung  des  Ehrenhofgitters  in  einem 
Zeitraum  von  ungefähr  25  Jahren  ent- 
standen. Die  Zeit  ihrer  Herstellung  läßt 
sich  im  einzelnen  an  den  beigefügten 
Wappen  und  Monogrammen  annähernd 
feststellen.  Unter  der  Regierung  des  Nach- 
folgers Friedrichs  Karl  von  Schönborn, 
des  Fürstbischofs  Änselm  Franz  von  Ingel- 
heim, der  von  1746  bis  1749  regierte, 
sind  das  Portal  an  der  Hofpromenade  und 
die  Seitenteile  des  Garteneingangs  am 
Rennwege,  unter  Philipp  von  Greifenklau 
(1749  bis  1754)  sind  das  Gartentor  am 
Rennweg  und  die  Seitengitter  am  Renn- 
weg in  der  Fluchtverlängerung  der  Vor- 
derfront angefertigt  worden.    Oegg  erhielt 

Abb.  152.  Fensterkorb  am  Hause  Ritterstrasse  21     i"  den  Jahren  1752  bis  1754  ein  Honorar 
zu  Basel. — ^  von  33,784  Gulden.    Das  Mittelportal  des 


142 


Brüning- Rohde,  Sdimiedekunst. 


Garteneingangs  am  Rcsidenzplatzc  selbst,  sowie  der  Torbogen  am  Rennweg  in  der 
Fluditverlängcrung  der  Vorderfront,  weldier  ungefähr  eine  genaue  Wiederholung 
der  Portalbckrönung  des  Garteneingangs  am  Residenzplatze  ist,  tragen  das  Mono- 
gramm des  Adam  Fricdricli  von  Seinsheim  (1755 — 1779).  Die  Gitter  in  den  vom 
Hofbaumeister  I.  P.  Geigel  errichteten  Arkaden  können  nicht  vor  1770,  dem  Jahr  der 
Erbauung  dieser  Anlagen  entstanden  sein.     (Vgl.  Abb.  146  —  149.) 

Was  nun  zunädist  die  Erfindung  dieser  praditvollen  Gitter  angeht', 
so  rührt  zweifellos  der  Entwurf  zu  den  bis  zum  Jahre  1753,  dem  Todesjahre 
Neumanns,     angefertigten    Gitter    von    diesem    genialen     Ardiitektcn     selbst    her, 

der  nicht  nur  'die  äußere 
Architektur  der' Residenz 
geschaffen,  sondern  auch 
ihre  gesamte  innere  Ein- 
richtung und  sonstige  Aus- 
stattung bis  zum  Schlüssel 
herab  selbst  entworfen  hat. 
Das  sogenannte  Skizzen- 
buch Neumanns  in  der 
Kgl.  Universitätsbibliothek 
zu  Würzburg  enthält  auf 
Blatt  143  eine  Zeichnung 
des  Gittertores  am  Resi- 
denzplatze, dessen  Seiten- 
teile fast  genau  mit  den 
ausgeführten  Gittern  über- 
einstimmen. Das  Portal 
in  der  Mitte  weist  dagegen 
eine  den  Seitengittern  ent- 
sprechende Bildung  auf, 
während  ja  das  jetzige 
Portal  klassizistische  For- 
men zeigt.  Das  Blatt  trägt 
das  Datum:  28.  Sept.  1748. 
Blatt  22  stellt  zwei  Ein- 
gänge mit  Eisengittern 
des  Lustgartens  des  Schlosses  Schönborn  in  Niederösterreich  dar,  die  sich  mit 
dem  betreffenden  Stiche  von  Gutwein  genau  decken,  Blatt  42  zwei  Schlüssel  mit 
hübschen  Griffen  und  dem  Monogramm  und  Namenszug  Karl  Friedrichs,  Blatt  142 
die  einfachen,  nur  mit  Monogramm  und  Löwen  geschmückten  Fenstergitter  der 
Schönbornsdien  Kapelle  am  Dom  zu  Würzburg,  Blatt  144  ein  dreifaches,  den 
Wiener  Arbeiten  verwandtes  Portal  mit  dem  Wappen  der  Schönborn;  Blatt  145 
cnthäU  die  Zeichnungen  verschiedener  Gitter  von  Schloßhof. 

Überhaupt  trägt  die  Ornamentik  der  Gitter  bis  in  die  kleinsten  Details  durchau- 
den  Charakter  der  sonstigen  Arbeiten  Neumanns.  Die  bezeichnenden  Merkmale 
seines  Rokoko,  das  wild  bewegte,  zerrissene  Musdielwerk,  welches  in  seiner  zer- 
flatternden Bildung  an  die  vom  Winde  gepeitschten,  zersprühenden  Wellen  erinnert, 
die  dazwischen  geschobenen  Palmzweige  u.  a.  sind  Eigentümlichkeiten,  die  sich  auch 
in  den  Innendekorationen  Neumanns  vorfinden.  Den  unter  Neumanns  Leitung  an- 
gefertigten Gittern  gemeinsam  ist  die  Unterbrechung  der  vertikal  laufenden  parallelen 
Stäbe    durdi    zwei    sich    kreuzende    Palmzweige,    Blumengehänge    oder    S-förmige, 


Abb.  153.    Aushängeschild  der  Sternbrauerei  in  Salzburg. 


Kapitel  V.    Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutschland. 


143 


mit  reichem  Blattwerk  gesdimücktc  Stäbe.  Nur  das  Tor  des  Garteneingangs  am 
Rennweg  zeigt  eine  abweidiende  Bildung,  indem  an  die  Stelle  der  glatt  durclilaufen- 
den  Stäbe  eine  vielgliedrige  Komposition  gesetzt  ist. 

Eine  ganz  besondere  Gestaltung  unterscheidet  das  Portal  am  Residenzplatze  von 
den  übrigen  Eingängen.  Während  in  der  Bekrönung  nocli  das  bewegte  Linienspiel 
des  Rokoko  fortlebt,  herrscht  dagegen  in  der  Dekoration  der  Türflügel  und  Seiten- 
pilaster  die  kalte  Ruhe  des  Klassizismus,  die  sich  sowohl  in  der  von  regelmäßigen 
Linien  umsdiriebenen  Komposition  des  Ganzen,  wie  im  einzelnen  Ornament  aus- 
spridit.     Doch  fehlt  auch  hier  neben  den  eigentlichen  Ornamenten  des  Zopfstils,  den 


flbb.  154.    Leuditer  im  Bayrischen  Nationalmuseum  zu  München. 


Mäandern,  den  Laubgirlanden,  dem  „laufenden  Hund",  den  aus  Kreisen  und  Ro- 
setten gebildeten  Friesen  usw.  das  Muschelwerk  nicht  ganz.  Eine  ähnliche  Mischung 
neuer  und  alter  Formen  zeigen  audi  die  im  übrigen  bedeutend  schwächeren  Gitter 
der  Arkaden. 

Die  tedinische  Ausführung  dieser  Gitterwerke  ist,  wie  schon  hervorgehoben 
wurde,  vollendet.  Die  Stäbe  sind  durchsdinitUich  3 — 4  cm  stark,  das  Muschelwerk 
und  die  Palmwedel  sind  aus  mehrere  Zentimeter  dicken  Band-  bezw.  Stabeisen 
herausgeschmiedet.  Die  plastische  Bildungsfähigkeit  des  Eisens  ist  aufs  höchste  ent- 
wickelt. Das  spröde  Material  ist  in  zierliche  Formen  aufgelöst,  ja  selbst  in  zarte 
Blütenblätter  verwandelt,  der  tote  Stoff  ist  durch  die  kunstreichen  Hände  des  Mei- 
sters zn  reichem  Leben  auferweckt.  Die  glatten  ruhigen  Massen  der  Steinpfeiler, 
zwischen  welche  die  Gilter  eingespannt  sind,  steigern  noch  in  wirkungsvollem  Kon- 
trast den  Eindruck  entzügelter  Leidenschaft,  der  aus  dem  lebendig  gewordenen 
Eisen  spricht,  sie  wirken  wie  gewaltige  Felsen,  an  denen  die  tobende  Brandung 
ohnmächtig  anprallt,  um  dann  wieder  in  sich  selbst  zurückzukehren. 


144 


Brüninc]  -  Rohde,  SdiiniGdekunst. 


Auch  die  köstlidien  Gittcrvverke  an  der  1736  geweihten  Sdiönbornschen  Kapelle 
am  Dom  zeugen  von  der  Meistersdiaft  Oeggs,  dem  zweifellos  diese  Arbeiten  zu- 
zusdireiben  sind.  Das  Cliorgitter  im  Dome  selbst  vollendete  Marcus  Gattinger  1749. 
Es  ist  dem  von  demselben  Schlosser  stammenden  Chorgitter  der  Abteikirche  zu 
Amorbadi  (Abb.  161)  sehr  verwandt. 

Ein  bezeidinendes  Werk  Oeggs  ist  ein  als  Trinkgefäß  dienender  großer  Zunft- 
schlüssel in  der  Samm- 
lung des  historisdien 
Vereins  in  der  Residenz 
mit  Ornamenten  in  Kup- 
fer und  Messing,  der 
das  Datum  1740  trägt. 
Zwischen  Rohr  und 
Bart  sind  in  durch- 
brochenem Kupfer  die 
Buchstaben  J.  G.  O.  an- 
gebracht. Außerdem  ist 
der  Schlüssel  mit  hüb- 
schen Inschriften  ver- 
sehen: 

Die  hodi  Fürstlich  Sdilos- 

serey 
Dies   Zeidin  Für  sich  ge- 

madit 
in  dem  Jahr  wies  hier  Da- 

bey 
Doch  niemand  sonst  ver- 

adit 

Von  gott  ist  alle  Kunst 
viel  lob  ist  eidel  Dunst 

Von  sonstigen  Ar- 
beiten,    die    man    auf 

Oegg  zurückführen 
möchte,  ist  das  Gestell 
auf  dem  Rezepturtische 
der  Apothekedes  Julius- 
hospitals in  Würzburg 
zu  nennen,  das  die 
Jahreszahl  1 762  trägt 
und  nodi  in  die  Formen 
des  Rokoko  gekleidet 
ist*),  sowie  ein  großer  Wandarm,  der  ein  Aushängeschild  mit  einem  Kreuz  trägt. 
Er  ist  vom  Berliner  Kunstgewerbemuseum  aus  der  Sammlung  Ettlinger  in  Würzburg 
erworben  worden  und  schließt  sich  ebenso  wie  das  Wagegestell  in  seiner  Ornamen- 
tik direkt  an  die  Gitter  des  Residenzschlosses  an.  Dasselbe  Museum  besitzt  auch 
einen  aus  Eisen  geschnittenen  kleinen  Schlüssel  mit  Ziervergoldung,  dessen  Griff  als 
unregelmäßig  geschweifte  Kartusche  gestaltet  ist,  durch  welche  über  Kreuz  ein 
Schwert  und  ein  Bischofstab  gesteckt  ist.  Unter  einem  Fürstenhut  ist  auf  der  einen 
Seite  das  Monogramm  von  Friedrich  Karl  von  Schönborn,  auf  der  anderen  der  ge- 
krönte  schreitende  Löwe  aus  dem  Wappen  der  Schönborn,  beides  auf  vergoldetem 
^)  Abbildung  bei  Hefner-Älteneck,  a.  a.  0.  II,  Tafel  82. 


Abb.  155.    Tür  am  Zeughause  zu  Augsburg. 


Kapitel  V.    Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutsdiland. 


145 


Grunde  dargestellt.  Das  Rohr  ist  in  seinem  oberen  Teil  wie  der  gescliuppte  Leib 
€ines  Fisches  gebildet,  den  unteren  Teil  umhüllen  zierlidi  gesclinittene  Akanthus- 
blätter  auf  goldenem  Grunde  (Abb.  150).  Auf  der  Ausstellung  des  Burlington  Fine 
Arts  Club  in  London  von  1900  war  aus  dem  Besitze  der  M.  Whitcombe  Green  ein 
Sdilüssel  ausgestellt,  der  auf  der  einen  Seite  des  Griffes  den  Kopf  des  genannten 
Fürstbisdiofs,  auf  der  anderen  den  sdireitenden  Löwen  zeigt  und  mit  Goldtausia  ge- 
sdimüd<t  ist.')  Also  audi  diese  Kunst  war  Oegg  nidit  fremd,  denn  auf  ihn  dürfen 
wir  wohl  audi  dieses  Stüd<  zurüdtführen. 

Audi  die  Bauten  des  sdion  unter  den  Ornamentstediern  des  Rokoko  vorgeführ- 
ten Franz  Cuvillies  sind  reidi  an  Eisenarbeiten,  wenn  er  audi  keinen  Oegg  zu  ihrer 
Ausführung  gefunden  hat.  in  dem  von  ihm  gesdiaffenen  „Reidien  Zimmern"  der 
Residenz  zu  Mündien  (1750-37)  hat  die  Sdimiedekunst  in  den  vortrefflidien  Kamin- 
vorsätzen, die  einen  großen  Teil  der 
Räume  sdimüd^en,  Betätigung  ge- 
funden.    Sie  sind  wahrsdieinlidi  Ar- 


Abb.  156.    Sdiloß  im  Bayrisdien  National- 
museum in  Mündien. 


Abb.  157.    Tausdiierte  Dose  im  Kunst- 
gewerbemuseum zu  Berlin. 


beiten  des  Sdilossers  Nikolaus  Berned^her,  der  audi  das  herrlidie  Geländer  der  leider 
sdion  1764  wieder  zerstörten  Pradittreppe  gesdimiedet  hat.  Von  demselben  rühren 
audi  die  Eisenarbeiten  am  ehemaligen  Palais  Preysing  her,  Berned^her  hatte  seine 
Kunst  in  der  französisdien  Sdilosserei  erlernt,  weldie  der  Kurfürst  Max  Emanuel  im 
Zeughause  eingeriditet  und  der  Leitung  des  Sdilossers  Antoine  Motte  und  des  Kunst- 
und  Eisendredislers  Frant^ois  Houard  unterstellt  hatte.-)  Die  ebenfalls  von  Cuvillies 
in  den  Jahren  1734—40  erbaute  Amalienburg  im  Nymphenburger  Sdiloßgarten  be- 
sitzt einen  zierlidi  gearbeiteten  Rundbalkon  an  dem  Aussiditsplateau,  weldies  sidi 
auf  dem  Dadie  des  Sdilößdiens  befindet.  Die  Herstellung  desselben  gesdiah  durdi 
den  Nymphenburger  „Bestandtsdilosser"  Andreas  Aignman.^)  Die  Komposition  des 
Balkons  besdiränkt  sidi  im  wesentlidien  auf  das  gefällige  Linienspiel  der  Stäbe, 
ohne  daß  von  Ornamenten  ausgedehnte  Verwendung  gemadit  ist. 


^)  Äbgeb.  in:  Burlington  Fine  Ärts  Club.  Exhibition  of  diased  and  embossed  steel  and 
ironwork  of  European  origin.    London  1900.  pl.  19,  Fig.  3,  N.  76. 

'-)  Vgl.  Aufleger  und  Trautmann,  Die  reidien  Zimmer  der  Königl.  Residenz  in  Mündien. 
Mündien  1893.    S.  3  u.  ff. 

^)  Hufleger  und  Trautmann,  Die  Amalienburg  im  Königl.  Sdiloßgarten  zu  Nymphenburg. 
Mündien  1894  S.  7. 

B  rüning-Rohdc,  Sdimiedekunst.  10 


146 


Brünnig  -  Rohde,  Sdiniicdekunst. 


In  rcidicm  Umfange  kommt  audi  die  Sdilosserkunst  in  dem  Sdilosse  des  Kur- 
fürsten von  Köln,  Clemens  August  zu  Brühl,  zur  Geltung,  an  dessen  Ausschmückung 
ebenfalls  Cuvillics  weitgehenden  Anteil  hatte;  speziell  die  Sduuiedearbeiten  sdicinen 
zum  größten  Teil  auf  ihn  zurückzugehen.  Auf  den  Außenseiten  schmückt  das  Schloß 
eine   fortlaufende    Reihe   von    Baikonen,    das   große   Treppenhaus   ist   mit    schönen 

Balustraden  und  einer  großen 
Laterne  in  Schmiedeeisen  ver- 
sehen, und  im  Konzertsaal,  der 
durch  zwei  Stockwerke  hindurch 
geht,  läuft  in  der  Höhe  des  zweiten 
Stockes  eine  mit  einem  schmiede- 
eisernen Geländer  ausgestattete 
Galerie  herum.  Die  Schmiede- 
arbeiten im  Treppenhause  wur- 
den von  den  Schlossern  Köbst 
und  Müller  ausgeführt  und  1745 
vollendet.')  Einzelne  Füllungen 
des  Geländers  sind  in  der  Mitte 
mit  Emblemen  der  Jagd  und  ähn- 
lichem geziert,  die,  soviel  wenig- 
stens aus  den  Photographien  zu 
ersehen  ist,  in  Gußmetall  ange- 
fertigt sind.  Die  Zeichnung  des 
Muschelwerks,  die  Verwendung 
palmenartiger  Schosse,  sowie  die 
hin  und  wieder  im  Stabwerk 
auftretenden  gebrochenen  Linien 
entsprechen  den  Gepflogenheiten 
Cuvillies,  wie  wir  sie  aus  seinen 
übrigen  Dekorationen  kennen 
(Abb.  151). 

Fast  in  jedem  Schloß  der 
damaligen  Zeit  fand  in  ähnlicher 
Weise  das  Schmiedeeisen  in  mehr 
oder  minder  ausgedehntem  Um- 
fange Verwendung.  Es  würde 
zu  weit  führen,  wollte  man  alle 
Beispiele  namentlich  aufführen. 
Erwähnt  seien  nur  noch  die  Eisen- 
arbeiten des  entzückenden  Schlöß- 
chens Wilhelmsthal  bei  Kassel, 
welches  1767  vom  Ardiitekten 
Simon  Louis  Du  Ry  vollendet 
wurde.  Während  die  Altane  nadi 
dem  Park  hin,  ähnlidi  wie  beim  Würzburger  Schloß,  von  Geländern  aus  gegossenen 
Eisenbalüstern  eingefaßt  sind,  ist  die  Vorderseite  mit  zierlichen  schmiedeeisernen  Ba- 
lustraden ausgestattet.  Im  Innern  führt  ein  elegant  gezeichnetes  Treppengeländer  in 
dunkelblauer  Farbe  mit  Gold  zum  oberen  Stockwerke. 


Abb.  158.    Portal  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Leipzig. 


^)  Vgl.  Renard,  E.,  Die  Bauten  der  Kurfürsten  Joseph  Clemens  und  Clemens  August  von 
Köln,  in  den  Jahrbüdiern  des  Vereins  von  Äitcrtumsfreunden  im  Rheinlande.  Heft  C.  S.  29. 


Kapitel  V.     Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutsdiland. 


147 


Auch  das  Bürgerhaus  madite  von  sdirnicdeeisernen  Arbeiten  je  nadi  dem  Maß- 
stäbe der  Verhältnisse  seines  Besitzers  Gebrauch.  Eines  der  schönsten,  noch  bis  vor 
kurzer  Zeit  fast  völlig  mit  seiner  inneren  Einriditung  erhaltenen  Privatgebäude  des 
18.  Jahrhunderts  war  das  Haus  des  ehemaligen  Kaufmanns  und  Bürgermeisters  Jo- 
hann von  Wespien  in  Aadien.  weldies  um  1740  von  Johann  Joseph  Couven  erbaut 
wurde.  Es  enthielt  an  Sdimiedearbeiten  einen  Balkon,  ein  interessantes  Treppen- 
geländer und  prächtige  Kaminvorsätze, 

Ein  bei  Stadthäusern  sehr  beliebter  Schmuck  jener  Zeit,  der  freilich  zunächst 
einem  praktisdien  Bedürfnisse,  nämlich 
der  Sicherung  der  Häuser  diente,  ist  das 
Fenstergitter.  Es  tritt  in  dreifacher  Form 
auf.  Entweder  bleibt  es  in  der  Fläche 
des  Fensterrahmens,  oder  es  schließt  als 
fladier  rediteckiger  Kasten  das  Fenster 
ab,  wie  der  in  der  Abbildung  152  dar- 
gestellte Fensterkorb  des  Hauses  Ritter- 
straße 21  zu  Basel,  oder  es  hat  eine  ge- 
schweifte Form ,  indem  der  untere  Teil 
weit  ausgebaucht  ist,  sodaß  ein  Heraus- 
lehnen aus  dem  Fenster  zur  bequemen 
Aussicht  nach  den  Seiten  hin  ermöglicht 
wird.  Diese  dritte  Gattung  nannte  man 
damals  Bauchgitter,  in  Frankreich  hießen 
diese  Gitter  grilles  ä  la  tombeau. 

In  verhältnismäßig  großer  Anzahl 
haben  sich  auch  noch  schmiedeeiserne 
Wandarme  mit  Aushängeschildern  von 
Gewerkschaften  und  Wirtshäusern  erhal- 
ten, sowohl  in  den  öffentlichen  Samm- 
lungen, wie  audi  an  ihrem  ursprünglichen 
Ort.  Eines  der  besten  Beispiele  dieser 
Art  befindet  sidi  noch  jetzt  an  der  Stern- 
brauerei in  Salzburg  (Abb.  153).  Nicht 
nur  der  Wandarm  und  das  Aushänge- 
schild, sondern  audi  die  als  Stützen  des 
Armes  dienenden  Windeisen  sind  mit 
reidiem  Schmud^  bedacht  worden.  Für 
Geräte  verwendet  auch  das  Bürgerhaus 
jetzt  nur  selten  noch  das  Eisen.  Schmiede- 
eiserne Leuchter,  wie  die  in  der  Abbil- 
dung   154    dargestellten     im     Bayrischen 

Nationalmuseum  in  München,  kommen  nicht  häufig  vor.  Auch  schmiedeeiserne  Tür- 
beschläge, wie  die  der  Tür  im  Zeughause  zu  Augsburg  (Abb.  155)  sowie  Schlösser, 
wie  das  von  David  Nordmann  m  Regensburg,  das  sich  im  Münchener  National- 
museum befindet,  gehören  zu  den  Seltenheiten  (Abb.  156),  Zum  Schmucke  des 
Schlosses  wird  jetzt  das  Messing  bevorzugt.  Die  Deckplatte  wird  mit  Vorliebe  mit 
einer  durchbrochenen,  mit  Reliefdarstellungen  oder  gravierten  Ornamenten  versehenen 
Messingplatte  verziert,  welche  den  blanken  Grund  des  Eisens  durchsehen  läßt. 

Dagegen  wurde  das  Eisen  in  veredelter  Form,  nämlich  mit  tauschiertem  Zierate, 
gern  zur  Herstellung   aller   möglichen   Kleingeräte   u.dgl.,  von  Dosen,   Eßbestecken, 


Hbb.  159.    Grabkreuz  auf  dem  St.  Peterskirch- 
hofe in  Salzburg. 


148 


Brüning  -  Rohdc,  Sdimiodekunst. 


Fächern,  Stockgriffen ,  Sdinallen,  audi  Leuchtern  und  Liditputzscheren  usw.  benutzt 
(Abb.  157).  Die  Ornamente  wurden  in  Gold,  Silber,  Kupfer,  Messing  und  sonstigen 
Legierungen  von  versdiicdenen  Farbtönen  eingelassen  und  zwar  entweder  als  flache 
Blcclistückdien,  die  dann  mit  gravierter  Innenzeichnung  versehen  wurden,  oder  pla- 
stisdi  modelliert  und  ziseliert.  Das  Eisen  wird  entweder  blank  gefeilt  oder  blau 
angelassen.     Bei  einer  großen  Gürtelsdinalle  im  Berliner  Kunstgewerbemuseum  sind 

die  Ornamente  in  fladiem 

Relief  gesdinittcn,  der  auf- 
gerauhte Grund  ist  mit 
Goldblättchen  bedeckt. 

Vielfache  Anwendung 
fand  dasGitterwerkaufden 
Friedhöfen  zum  Abschluß 
der  Grüfte.  Besonders  statt- 
liche Sdimiedearbeiten  die- 
ser Art  befinden  sich  noch 
auf  dem  Johanniskirchhof 
in  Leipzig.  Das  sdiönste 
derselben,  ein  Portal  mit 
der  Jahreszahl  1751,  wird 
in  dem  dortigen  Kunst- 
gewerbemuseum aufbe- 
wahrt (Abb.  158).  Audi 
die  Sitte  der  Friedhof- 
kreuze wird  beibehalten 
(Abb.  159). 

In  ausgedehntem  Ma- 
ße findet  auch  jetzt  noch 
in  den  Kirchen  die  Schmie- 
dekunst ein  reiches  Feld 
zur  Betätigung  ihrer  Lei- 
stungsfähigkeit, sowohl  im 
Innern  der  Kirchen,  wie 
im  Äußern.  So  sdiließen 
z.  B.  den  Eingang  der  Je- 
suitenkirche zu  Mannheim, 
welche  1733 — 56  von  dem 
Architekten  des  pfälzischen 
Hofes  Allessandro  Galli 
Bibiena  erbaut  wurde, 
prachtvolle  Gittertore  mit 
einer  übcrsprudelndenFülle 
von  Schmuckwerk  ab,  welche  an  Vortrefflichkeit  der  Arbeit  nidit  viel  hinter  den 
Würzburger  Gittern  zurückbleiben.  Der  Name  des  Schlossermeisters  Peter  Schoch 
wird  mit  ihnen  in  Verbindung  gebracht^)  (Abb.  160). 

In  zahlreichen,  besonders  süddeutsdien  Kirchen  führte  die  schon  erwähnte  Sitte, 
durdi  die  ganze  Kirche  der  Quere  nach  ein  Abschlußgitter  zu  setzen  oder  den  Chor 
und  die  Kapellen  durch  Gitter  abzugrenzen,  zur  Herstellung  umfangreicher  Schmiede- 


Äbb.  160.     Gittertor  an  der  Jesuitenkirdie  in  Manniieim. 


1)  Hefner-Älteneck,  a.  a.  0.  II.  S.  15. 


Kapitel  V.     Rokoko  und  Zo[)fstil  in  Dcutsdilaiul. 


49 


werke.  So  zieht  sich  in  der  flbteikirche  des  früheren  Benediktinerklosters  Amorbach 
im  baijrisclien  Odenwald  ein  gewaltiges  Gitter  quer  durcii  das  Langhaus,  in  seiner 
bewegten  Ornamentik  einem  grünenden  Spalier  in  lebendigem  Wactistum  vergleich- 
bar (Abb.  161).  Die  fortlaufende  Bekrönung  des  Gitters  ist  mit  Leuchtern  besetzt, 
von  denen  die  über  den  Torpilastern  befindlidien  von  Engeln  getragen  werden.  Es 
ist  ein  Werk  des  Rivalen  Oeggs,  des  Sdilossermeisters  Marcus  Gattinger  in  Würz- 
burg, von  dem  aucli  das  Chorgitter  im  Dom  zu  Würzburg  selbst  stammt.  Am 
17.  April  1748  wurde  mit  ihm  ein  Akkord  abgeschlossen,  wonach  er  das  Gitter  in 
Amorbach  gegen  eine  Summe  von  4650  fl.  nebst  6  Dukaten  Aufgeld  innerhalb 
zweier  Jahre  herstellen  sollte.  Er  erhielt  sogleich  300  Gulden  Anzahlung,  die  übrige 
Summe  in  Raten  innerhalb  der  beiden  folgenden  Jahre.  1749  lieferte  er  die  beiden 
kleinen  Gitter  für  die  Seitenschiffe  ab.  Das  große  Gitter  wurde  nach  erfolgter  Rest- 
zahlung von  Würzburg  nach  Amorbach  geschafft  und   1750  aufgestellt.^) 


Hbb.  161.     Chorgitter  in  der  Äbteikirdie  zu  Ämorbadi. 

Ein  stattliches  Chorgitter  besitzt  auch  die  Klosterkirche  von  St.  Gallen,  welches 
von  Anton  Dirr  entworfen  und  von  dem  St.  Gallenschen  Hofschlosser  Joseph  Mayer 
von  Rütschwil  1769—71  ausgeführt  worden  ist.')  Schöne  Abschlußgitter  des  Lang- 
hauses befinden  sich  in  der  Hofkirche  zu  Fürstenfeld  und  der  Klosterkirche  zu  Dießen 
in  Bayern. 

Vielfach  haben  diese  Chorgitter  auch  jetzt  noch  perspektivische  Bildung,  wie  z.  B. 
das  Abschlußgitter  des  Chores  in  der  Kirdie  der  ehemaligen  Benediktinerabtei  Wein- 
garten in  Württemberg  (Abb.  162).  Das  Gitter  erhebt  sich  direkt  hinter  dem  so- 
genannten Kreuzaltar,  d.  h.  dem  freistehenden  Altar  an  der  Grenze  zwischen  Chor 
und  Vierung.  Infolgedessen  wirkt  der  Mittelteil  des  Gitters  wie  eine  gewaltige 
Nische,  in  der  der  Altar  zu  stehen  scheint.  Die  Vorstellung  einer  wirklichen  Apsis 
wird  noch  verstärkt  durch  die  runden  Scheinfester,  die  in  der  Wölbung  angebracht 
sind.  Auf  dem  Abschnitt  des  Gitters  unterhalb  der  Wölbung  sind  in  ovale  Felder 
Wappenzeichen  eingelassen.  Die  Türen,  welche  zu  beiden  Seiten  des  Altars  auf 
den    Chor   führen,  sind,   wie   audi    bei   früheren   Beispielen    dieser   Art,    als   lange 

»)  Sponsel,  J.  L.,  die  Äbteikirdie  zu  Amorbadi.    Dresden  1896.    S.  47  u.  ff. 
2)  Kick,  W.  a.  a.  0.  S.  12. 


150 


Brüning-Rohde,  Sdimiedekunst. 


Galerien,  die  von  Tonnengewölben  gedeckt  sind,  gestaltet.  Die  Seiten  dieser 
Scheingalcrien  sind  mit  Korkziehersäulen,  die  natürlidi  audi  nur  Kulissen  sind,  ge- 
ziert. Die  Linienführung  des  Stabgerüstes  erinnert  in  seinen  gebrochenen  Formen 
an  das  Laub-  und  Bandelwerk,  indessen  geht  die  Ornamentik  im  einzelnen  schon 
in  das  Rokoko  über. 


Abb.  162.     Chorgitter  in  der  Kirche  zu  Weingarten. 


Noch  prächtiger  ist  das  Chorgitter  der  ehemaligen  Abteikirche  zu  Zwiefalten, 
ebenfalls  in  Württemberg  (Abb.  163  164).  Hier  ist  die  Mitte  wie  einer  jener  großen 
Rokokoaltäre  mit  vorgesetzten  Säulen,  verkröpftem  Gebälk  und  gebrochenem  Giebel 
gestaltet.  Sie  wirkt  wie  ein  Rahmen  für  das  aus  Holz  geschnitzte  Marienbild  auf 
dem  vor  dem  Gitter  stehenden  Altare.  Die  perspektivisdie  Wirkung  ist  so  gelungen, 
daß  man  tatsächlich  von  den  Abbildungen  getäuscht  werden  kann.  Und  doch  liegt 
alles  Eisen  nur  in  einer  Fläche.     Sehr  schön  sind  auch   die   Seitenportale   mit  ihren 


Kapitel  V.     Rokoko  und  Zopfstil  in  Dcutsdiland. 


151 


großen  Voluten,  Palmetten  und  Blumenkörben.    Es  ist  eine  der  vollendetsten  Eisen- 
arbeiten, die  je  geschaffen  worden  sind.     Das  Gitter  wurde   1756  aufgestellt.     1751 


Abb.  163.    Mittelteil  des  Chorgitters  in  der  Kirche  zu  Zwiefalten. 


152 


Brüning-Rohde,  Schmiedekunst. 


wird  beridüet,  daß  „absondcrlidi  wegen  dem  grossen  Gatter  vor  dem  Chor  die  Hammer- 
sdmiiede  aufgcriditct  worden"  sei.    Also  hat  die  Arbeit  fünf  Jahre  gedauert.  Der  Ver- 
fertiger des  Gitters  war  ein  Sdilossergeselle  Joseph  Bussel  aus  Rankweil  bei  Feldkirdi.^) 
Das  Rokoko  hielt  sidi   in   Deutsdiland   in  einzelnen   Bezirken   nodi   bis    in   die 


')  Kick,  W.  a.  a.  0.  S.  8. 


Abb.  164.    Seitenteil  des  Chorgitters  in  der  Kirche  zu  Zwiefalten. 


Kapitel  V.    Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutsdiland. 


153 


achtziger  Jahre  hinein.  So  besitzt  z.  B.  die  Altroßgärtner  Kirdie  im  Reg.-Bez.  Königs- 
berg ein  Oberliditgitter  in  Rokokoformen,  welches  die  Jahreszahl  1784  trägt. 

Der  klassizistische  Stil  hat  in  Deutschland  auf  dem  Gebiete  der  Schmiedekunst 
nur  wenig  Spuren  hinterlassen.  Er  tritt  auch  in  Deutsdiland  bedeutend  später  auf 
als  in  Frankreidi,  zu  einer  Zeit,  als  die  Sdimiedekunst  schon  stark  im  Niedergange  war. 

Audi  die  deutschen  Ornamentstecher  in  jener  Zeit  bieten  wenig  Erfreulidies. 
Einen  Forty  sudien  wir  vergebens  unter  ihnen.  Fast  ausschließlich  erscheinen  die 
Stiche  für  Sdimiedeeisen  jetzt  in  Augsburg.     Wohl   der  bedeutendste  Stecher    jener 


Hbb.  165.    Entwürfe  für  Schmiedearbeiten  von      Abb.  166.    Entwürfe  für  Schmiedearbeiten  von 
J.  Hauer.  J.  Hauer. 


Zeit  (für  Schmiedeeisen  ist  Johann  Hauer  aus  Augsburg,  der  eine  längere  Zeit  in 
Paris  gelebt  haben  muß  (1748  bis  1820).  Mehrere  seiner  Hefte  sind  unterzeichnet: 
Inventes  desines  et  graves  par  J.  Hauer  a  Paris,  Rue  St.  Ursule;  andere  erschienen 
bei  den  Augsburger  Verlegern  Joh.  Gradmann,  Joh.  Georg  Hertel  und  C.  A.  Groß- 
mann. Hauers  Entwürfe  stellen  Gitter,  Wandarme,  Wandleuchter,  Grabkreuze  u.  dgl. 
dar,  zum  Teil  sind  die  Ornamente  in  größerem  Maßstabe  beigezeichnet.  Seine 
Linienführung  ist  infolge  der  starken  Verwendung  der  Formen  des  Rechtecks  und 
des  Kreises,  sowie  regelmäßiger  Ovale  etwas  trocken  und  langweilig.  Vielfach 
wirken  seine  Gitter  dünn,  da  die  klare  Zeichnung  des  Stabwerks  nur  wenig  durch 
Ornamente  belebt  ist.  Seine  Ornamentik  ist  die  für  jene  Zeit  charakteristische: 
Mäander,  Wellenbänder,  „laufender  Hund",  Lorbeerfestons,  ovale  und  runde  Akan- 
thusrosetten,  Bandsdilcifen  und  natürliche  Blumen.  Er  scheint  viel  Anklang  gefunden 
zu  haben,  denn  von  den  erhaltenen  Arbeiten  erinnern  manche  an  seine  Entwürfe. 
Besonders  die  eigenartige  Form  seiner  Wandarme  kehrt  häufig  wieder  (Abb.  165/66). 


154 


Brüiiing-Rohde,  Sdimiedekunst. 


^^£*J  ^J^i/3!^^      Li    iikarf6ff7^^ 


Abb.  167.    Vorlagen  für  Balkongitter  von  J.  Zipper. 


Kapitel  V.     Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutsdiland. 


155 


Abb.  168.     Balkongittcr  am  Ungarischen  Ministerium  in  Wien. 

Audi  der  schon  genannte  Verleger  und  Kupferstecher  Karl  August  Großmann 
gab  ein  Buch  „Neueste  Schlosserarbeit"  heraus,  das  jedoch,  ebenso  wie  die  von 
Fietta  &  Co.  zu  Kriegshaber  bei  /Augsburg  veröffentliditen  Stiche,  unbedeutend  und 
dürftig  ist.  Vielleicht  schon  dem  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  angehörig  sind  sechs 
Hefte  mit  Sdimiedearbeiten  von  Jakob  Zipper  in  Augsburg,  die  deshalb  für  uns  be- 
sonders interessant  sind,  weil  sie  außer  Entwürfen  jedesmal  Tafeln  nebst  Erläuterungen 
in  der  Art  der  Abbildungen  des  Schlosserbuclies  von  Duhamel  du  Monceau  bringen, 
in  denen  die  Herstellung  der  vorgeführten  Schmiedearbeiten  genau  erklärt  wird. 
Wir  ersehen  daraus,  daß  zur  Herstellung  der  Ornamente  fast  ausscliließlich  Gesenke 
benutzt  wurden.  Zipper  bemerkt,  daß  diese  Gesenke  von  Messing  nach  einer  vom 
Bildhauer  geschnittenen  Form  gegossen  werden  könnten,  falls  man  sie  nicht  von 
Stahl  machen  wolle.     Die  Biegungen  der  Stäbe  wurden  an  starken  eisernen  Lehren, 


Abb.  169.    Tor  der  ehemaligen  Sdiülesdien  Kattunfabrik  zu  Augsburg. 


156 


Brüning  -  Rohde,  Sdmiiedckunst. 


die  auf  Klötzen  befestigt  waren,  ausgeführt,  ganz  ähnlich  wie  das  auch  in  dem 
Werke  von  Duhamel  du  Monceau  besdirieben  wird.  Die  Entwürfe  Zippers,  die  für 
die  damalige  Zeit  ganz  ansehnlidic  Leistungen  darstellen,  zeigen  einen  reichen  Ge- 
brauch von  Akanthusranken,  die  in  jenen  für  das  Ende  des  18.  Jahrhunderts  eigen- 
tümlidien  mageren,  metallisdien  Formen  auftreten  (Abb.  167).  Merkwürdig  ist  audi 
das  Auftaudien  pseudogotisdier  Ornamente,  die  ja  bekanntlich  in  England  schon  in 
der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  in   die  Ersdieinung  traten. 

Wie    sdion    bemerkt,    ist  die  Zahl  der  noch  vorhandenen,    also  wohl  auch  der 
überhaupt    gesdiaffenen    Sdimiedearbeiten    in    antikisierenden    Formen     sehr    klein. 

Der  Gitterwerke  dieser  Art  in  Würzburg 
wurde  schon  bei  Besprechung  der  Ar- 
beiten Oeggs  gedacht.  Ebenso  wie  dort 
ältere  und  neuere  Formen  sich  in  eigen- 
artiger Mischung  zusammenfanden,  so  ist 
bei  dem  Balkon  des  Ungarischen  Mini- 
steriums in  Wien  ebenfalls  noch  Orna- 
mentik und  Linienführung  des  Rokoko 
mit  späteren  Formen  verbunden  (Abb.  168). 
Auch  die  schon  den  siebziger  Jahren  an- 
gehörende stattlidic  Portalbekrönung, 
welche  sich  im  Besitz  des  Hamburgisdien 
Museums  für  Kunst  und  Gewerbe  befin- 
det, zeigt  noch  Anklänge  an  ältere  Stil- 
elemente. Sie  schmückte  früher  das  Ein- 
gangstor der  ehemaligen  Kattunfabrik  von 
J.  H.  Schule  vor  dem  roten  Tor  in  Augs- 
burg und  soll  von  J.  M.  Endres  hergestellt 
sein.  In  einer  von  Palmzweigen  um- 
gebenen Kartusche  ist  das  aus  vergol- 
detem Kupfer  getriebene  Schülesche  Wap- 
pen angebracht  (Abb.  169). 

Das  Fentergitter  mit  ausgebauchtem 
Unterteil,  das  im  Bayerischen  Gewerbe- 
museum zu  Nürnberg  aufbewahrt  wird 
(Abb.  170),  ist  dagegen  schon  völlig  in 
antikisierende  Formen  gekleidet.  Es  ge- 
hört dem  Formenkreise  an,  der  in  den 
Stichen  Hauers  uns  entgegentritt.  Vielfach  wird  jetzt,  wie  in  Frankreich  die  Gold- 
bronze, so  in  Deutschland  das  Messing  zum  Schmuck  des  Eisenkörpers  verwandt. 
Ein  kleiner  Wandarm  im  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe  in  Hamburg  ist  mit  Mes- 
singrosetten geschmückt,  und  bei  einer  sehr  gut  aufgebauten  Laterne  im  Berliner 
Kunstgewerbemuseum  sind  die  Zierteile  sämtlich'^aus  dünnem  Messingblech  gebildet. 
Ebenda  befindet  sich  auch  ein  sehr  reich  ausgestattetes  Grabkreuz,  ganz  aus 
Schmiedeeisen  gefertigt.  Wohl  das  in  Form  und  Ausführung  edelste  Werk  der 
Schmiedekunst  jener  Zeit  ist  die  aus  Eisen  getriebene  Tür  an  der  "Reichen  Kapelle 
in  der  Residenz  zu  München  (Abb.  171).  Die  oberen  Füllungen  sind  mit  je  einem 
Löwenkopf  geschmückt,  aus  dessen  Maule  die  Embleme  der  weltlichen  und  geist- 
lichen Gewalt  herunterhängen.  Auf  den  Feldern  in  der  Mitte  und  unten  sind  Roset- 
ten mit  korrekt  gezeichnetem  Akanthus  angebradit.  Eine  besondere  Erwähnung 
gebührt  auch  noch  wegen  der  Seltenheit  derartiger  Geräte  überhaupt  ein   schmiede- 


Äbb.  170.    Fensterkorb  im  Bayerisdien 
Gewerbemuseum  zu  Nürnberg. 


Kapitel  V.     Rokoko  und  Zopfstil  in  Deutschland. 


157 


eiserner  Taufständer  in  der  Stadtkirdie  zu  Ludwigslust  in  Mecklenburg  mit  dem 
Namen  des  Schlossers  R.  Niens  und  der  Jahreszahl  1804/)  Bei  der  geringen 
Zahl  der  nodi  erhaltenen  Schmiedewerke  der  klassizistischen  Stilridhtung  verdient 
jedes  einzelne  Beachtung. 

')    Abbildung    bei    Schlie,    F.,   Die   Kunst-  und    Gcsdiichtsdenkmäler   des   Großherzogtums 
Schwerin,  Bd.  111.     Scliwerin  1899,  S.  246. 


Abb.  171.    Tür  an  der  Reichen  Kapelle  in  München. 


Register 


Äadicn  147. 
Ageri  86. 
Atzen  6H. 

Aigiimann,   Andr.  145. 
Äldcgrcver  29. 
d'AIcmbcrt  4. 
Ältdorf,  Friedhof  38. 
AltroBgarten,  Kirdie 

153. 
Ämalienburg  145. 
Ambras,  Sdiloß  41. 
Amiens  121. 

—  Kathedrale  120. 
Amorbadi,  Abteikirdie 

144,  149. 
Andre  le  Proven^al  44. 
Ansbadi  88. 
Antoine  129. 
Antwerpen  22. 
Aststab  22,  29. 
Aufleger  145. 
Augsburg   85,    86,   94, 

133,  153,  155,  156. 

—  BarfüBerkirdiel33. 

—  Heilige  Kreuz- 
kirdie  94. 

—  Ulridiskirdie20,37, 
86,  87. 

—  Zeughaus  147. 
Auvera,  J.  W.  von  der 

139. 

Babel  109. 

Babin  105. 

van  der  Baude  78. 

Barras  de  la  Penne  65. 

Basel  147. 

Baumann,  Joseph  134. 

Beauvais,     Kathedrale 

72. 
Bcdi  16. 
Behaim  29. 
Bemalung  8,  15. 
Benard  118. 
Berain,  Claude  66. 

—  Jean  44,  65-69,92. 
Berard,  A.  67. 
Berlesdi  23. 

Berlin  89. 

—  Hohenzollern- 
museum  91. 

—  Kunstgewerbe- 
(SdiloB-)   museum 
80,  83.  85,  90,  102, 
144,  156. 

—  Neues  Museum  89, 
90. 

—  Nikolaikirdie  104. 
Berndt,  J.  C.  140. 
Bernini,  Lorenzo  87. 
Bernedcher,     Nikolaus 

145. 


Beverley  80. 

Bibiena,  Alessandro 
Galli  148. 

Bigonnet  129. 

Billwärder  82. 

Birkenfeld,  Joh.  Baltha- 
sar 133. 

—  Johann  Samuell30, 
132. 

Blauanlaufen  8,  15. 
Bledihämmer  3. 
Bloenifield  80. 
Le  Blond  60. 
Blondel,  Jacques  Fran- 

(;ois56,  69, 105,130. 
Blümner  1. 
Bölmann,   Hieronymus 

93 
Bologna  41. 
Bonnard,  Nikolas  64,69. 
Bonthomme,  Gabr.  123. 
Bosse  37. 

Boston,  Museum  1. 
Boudie,  P.  P.  78. 
Boudier  fils  125. 
du  Bouzeg,  Prälat  118. 
Breslau,  J.  123. 
Breslau  94. 

—  Vincenzkirdie  86. 
Breton,  Mathurin  le  44, 

52,  55. 
Bridou  27. 
Brindtmann,  J.  86. 
Briseux,  C.  E.  109. 
Brisville,    Hugues    44, 

45.  66,  78,  88. 
Brühl  146. 
Brunn  135. 
B.  S.  30. 

Büssel.  Joseph  152. 
Bulfink,  Gert  22. 
Bunde  10,  14. 
Burleigh  79. 
Bury  52. 
Buxtehude  85. 

Caffieri,  Jacques  128. 
Caffin,  Fran(;ois  70. 
Caillouet  125. 
Cambridge,  Trinity 

College  79. 
Carlshaiton  80. 
de  Champeaux,  A.  128. 
Chanteheux,  Schloß 

110,  119. 
Chatsworth  78,  79. 
Choisy.  Schloß  57. 
Chopitel  6. 

Clagny,   Schloß  57,  60. 
Claireveaux,  Abtei  120. 
Cleve  89. 
St.  Cloud,  Schloß  57. 


Collin  118. 
Commercy  110,  119. 
Compiegne,  Sdiloßl25. 
Corbeil  6. 
Corbie  120. 
Corbin  128. 
Corvinus,  A.  140. 
Cotte,  Rob.  de  69,  71, 

72,  105. 
Cournault  109. 
Couven,  Joh.Josephl47. 
Cunradus  faber  26. 
Cuvillies,  Frz.  130,  145, 

146. 

Daviler  65,  93. 
Decker,  Paul  93. 
Delobel  56,  61. 
Delphin,  Pierre  120. 
Demoudiy,  Jean  57. 
St.Denis,Kathedrale64. 
Desboeuf   du    Saint- 

Laurent  124,   125. 
Desjardin,  G.  126. 
Devarennes,  Charles 

117. 
Devonshire,  Herzog 

von  79. 
Diderot  4. 
Dießen,  Klosterkirdie 

149. 
Dijon,  Kathedrale  63. 
—  Ecole  Saint-Fran- 

(;:ois   de   Sales  74. 
Dirr,  Anton  149. 
Dolivar  66. 
Doppelmayr  88. 
Drahteisen  3. 
Dresden,    Grünes  Ge- 
wölbe 89. 
Dublin  78. 
Dürer  29. 
Dufour  52. 
Duhamel  du  Monceau 

6,  7,  10,  12,  27,  43, 

155,  156. 
Durdischiebung  14,  15. 
Durey  122. 
Dussieux  50,  52. 

Ebbets  79. 
Edinburgh  78. 
Ehemann,  F.  138. 
Eichel,  Eman.  133,  134. 
Eisenbahn  7. 
Eisenhütten  3. 
Eisenspalterei  3  —  6. 
Eisenschnitt  14. 
Eisgrub,  Schloß  102. 
Endres,  J.  M.  156. 
Engelbrecht,  Martin 
130,  13^. 


Enzyklopädie  4,  6. 
Eobanus  Hessus  3. 
Errard  45. 
Erfurt  20,  33,  3'4. 

—  Dom  18. 

—  Rathaus  18. 
Essone  6. 
Ettlinger  144. 

Fabri  ferrarii  23. 
Fa(^onwalzwerk  6. 
Fay  125. 
Feldkirch  152. 
Felibien  43. 
Fietta  &  Comp.  155. 
Figdor-Wien  22. 
Fion,  Didier  44. 
Fischer  von  Erladi,  Joh. 

Bernhard  97,  99. 
Florenz,  Palazz.Strozzi 

41. 
Fontaine  45. 

—  J.  V.  106,  107. 
Fontainebleau  60. 
Fordrin,  Alexis  71,  72. 

—  Franc^ois  71. 

—  Gilles  61,  71. 

—  Jean  Wwe.  71. 

—  (Fourdrin)  Louis  70, 
71,  72,  78,  81,  105. 

Förster,  Heinrich  Gott- 
fried 93. 

Forster  (Forshter)  Hein- 
ridi  Gottlieb  135. 

Forty,  Jean  Franc^ois 
123,  124,  153. 

Franke,  Meister  18. 

Frankfurt  a.  M.  26,  89. 

—  Römer  104. 
Franz  III.  109. 
Freiberg  37. 
Freistadt  88. 
Friedländer,  Ernst  88. 
Friedrich  Wilh.  I.  83,  89. 
Fugger  37. 

Fürst,  Paulus  33. 
Fürstenfeld,   Hofkirchc 
149. 

Gabriel,  Jean  Jacques 

126-128. 
Galeere  Ludwigs  XIV. 

65. 
St.  Gallen  149. 
Gamain  d.  A.  126. 

—  d.  J.  122. 
Gardner,  Starkie  128. 
Garnier  128. 
Gastaldy,  Nicolas  117. 
Gattinger,  Marcus  136, 

144,  149. 
Gautier,  Jean  64. 


Register. 


159 


Gautier,   Pierre  ö^,  bö. 

Geigel,  1.  P.  142. 

Genua  97. 

Gera  89. 

Gerard  121. 

St.  Germain,  Schloß  57, 

60. 
Gesenke  10.  12. 
Gewerbe  23    26. 
Gillot  107. 
Goy  55. 

Gradmann,  Johann  153. 
Graffenbergcr,  Johann 

Andreas  134,    135. 
Gran,  Daniel  100. 
Gravierung  14. 
Graz,  Landesmus.  102. 
Greifenklau,  Philipp  v. 

141. 
Grenser  23. 
Grobsdimiede  23. 
Großmann,   C.  Ä.  153, 

155. 
Grosso,  Nicolo  genannt 

Capara  41. 
Groß-Zerbst  92. 
van  der  Gudit  78. 
Guerard,  Nicolas  64,  69. 
Guggenberger,Wolf37. 
Guibal,Barthelemy  113. 
Guiffrey,  Jules  50. 
Guillaumot,  Ä.  R.  57. 
Gutwein,  I.  B.  140,  142. 

Habermann,  Frz. Xaver 

131 
Hall  22. 

Hall  (Essex)  79. 
Hamburg  85,  86. 
—  Museum  für  Kunst 

u.  Gewerbe  20.  22, 

30,  41,  82,  91,  156. 
Hammerwerke  3. 
Hampstead  79. 
Hampton  Court  77,  79. 
Hapadier,  Wolf  37. 
Hartmann,  Gottfried  94. 
Harz  4. 
Haste,  Michel    57,    59, 

60,  61,  63. 
Hauer,  Johann  153, 156. 
Haustätten  20. 
Havard,  H.  121. 
Hefner  -  Alteneck    144, 

148. 
Helleweg,  Wilhelm  39. 
Hennegau  130. 
Heraclius  12. 
Here,  EmanuelllO,  111. 
Hessus  siehe  Eobanus. 
Hertel,  Joh.  Georg  94, 

150.  133,  134,  153. 
Herthoge,Wilh.van82. 
Heyden,  Christian  92. 
d'Hezecques  53,  122. 
Hildebrand,  Joh.  Lukas 

von  97,  98, 138, 139. 
Hiiick,  Joh.  Friedrich  86. 
Hoch,  Joh.  Michael  94. 


Hollitsdi  98. 

Hoppert,  Bartholomäus 

88,  91. 
Houard,  Frant^ois  145. 
H.  T.  44. 
Huquier,  Gabr.  105  bis 

107,  109. 

d'Jardin,  Nicolaus  44. 
J   G.  64. 
11g  2,  94,  97. 
Ingelheim,  flnselm  Frz, 

von  141. 
Innsbruck  32. 
Jousse,  Mathurin43,  85. 
Justi,    Johann  Heinridi 

Gottlieb  von  7. 
d'Ivry,  Constant  128. 

Kabdebo  97. 
Kaligraphen  29. 
Karl  II.  (England)  89. 
Karl  VI.  27,  88. 
Karl  Albert  (Karl  XII.) 

130. 
Karl    von    Lothringen, 

Kardinal  118 
Kassel  146. 
Keller,  Ph.  J.  139. 
Kempf,  R.  94. 
Kessel,  Ph.  Jakob  134. 
Kidt,  W.,  91,  149,  152. 
Kirdilehner  99. 
Kleiner,  Salomon  140. 
Kleinmeister  29. 
Köbgt  146. 
Köln,  Joseph  Clemens 

von  146. 

—  Clemens  August  v. 
146. 

Königsberg  153. 
Konstanz  86. 
Kopenhagen,  Schloß 

Rosenborg  89. 
Kostel  86. 
Kracauer  26. 
Kraus  17. 

Kraut,  V.,  Ministe;- 104. 
Krauth  16. 
Kriegshaber  155. 
Kuhn,  Paulus  33. 

—  P.  A.  86. 
Kurfürst.D.Große  89,91. 
Kurfürstin  91. 

Ladame,  G.  44. 

La  Fleche  43. 

Lagucrre,  Louis  78. 

Laire,  Peter  133. 

Lalonde  125,  129. 

Lambadi,  Benediktiner- 
kirche 37. 

Lamour,  Jean  27,  28,  43, 
109-113,  117-120, 
135,136. 

Langley  81. 

Lauingen  37. 

Le  Blond  siehe  Blond. 

Lebrun  57,  61,  66,  67, 


Leipzig,  Kunstgewer- 
bemuseum 148. 

Lemercier  50. 

Leopold,  Joseph  Frz.  86. 

Leopold  1.  88,  89. 

Lcpautre,  Jean  50,  52, 
57—61,  66,  67,  68. 

—  Jacques  57. 

de  Lespilliez,  Charles 
Albert  130. 

de  Lespine  59,  63. 

Lescinsky,  Stanislaus 
27,  109,  110,  113, 
115,  118,  119,  120. 

Levau,  Louis  50. 

Leygebe,  Gottfr.88-91. 

Lincoln  80. 

Linz  136. 

Lionardo  da  Vinci  3. 

Lipmann  115. 

Lodie,  Denis  44. 

Locher  91. 

Lötung  8,  14. 

London  77,  79,  145. 

—  St.  Paulskirche  77, 
79. 

—  South  Kensington 
Museum  37,  44, 
78,  83. 

—  Westminsterabtei 
79. 

Longueil,  Rene  de  45. 
Longuet  44. 
Loriot,  Aubert  44. 
Losherr,  Matthias  134. 
Lothringen  110. 
Lucas  12. 
Luciiet  61. 

Ludwig  XIII.  50,  57,  64, 
65,  69. 

—  XIV.  42,  50,  52,  53, 
55,56,57,69,71,88. 

—  XVI.  122. 

—  Prinz  (Branden- 
burg) 91. 

Ludwigslust  157. 
Lübeck  25,  26. 
Lüneburg,  Rathaus  32.. 
Lüttidi  4,  17,  18. 
Luneville  110,  118. 

Maintenon,  Frau  v.  72. 
Maire,  Jean  118. 
Maison-sur-Seinc,  [78. 
Schloß  45-49,  65, 
Manger  26. 
Mannheim,  Jesuiten- 

kirdie  148. 
Mansart,  Fran^ois  45. 

—  Jules  Hardouin  52, 
53,  55,  61,  69,  72. 

Marburg,   Elisabeth- 
kirche 20,  37. 

Maria  Einsiedeln  86,  87. 

Marly,  Schloß  57,  72. 

Marot,  Daniel  66,  67, 
68,  69,  71,  93,  94. 

—  Jean  45,  46,  49,  65, 
66. 


Marseille  64. 

Massys  22. 

Matherion,  Sebast.  57. 

Maulbronn,  Kloster  16, 
17. 

Max  Emanuel,  Kur- 
fürst 130,  145. 

Maximilian  I.  32. 

Maximiliangebetbch.29 

Mayer,  Joseph  149. 

Mazelin,  Gaspar  44. 

Meaux,  Kathedrale  107. 

Meisonnierl05,106,107. 

Meisterstück  27. 

Metz  109. 

Meyer,  F.  S.  16. 

Michel,  C.  109. 

Minkus  88. 

Moreau  109. 

Moritz  von  Sachsen  37. 

Motte,  Antoine  14.5. 

Müller  146. 

—  Johann  Friedrich  4, 

—  M.  140. 
Mündien  143. 

—  Bayrisdi.  National- 
museum 37,  39, 
141,  147. 

—  Palais  Frey  sing  145 

—  Residenz  143,  145. 
156. 

Münze  3. 

Naar,  Kaspar  39. 
Nageleisen  3. 
Nancy  109,  110,  120. 

—  Hotel  de  ville  111, 
117. 

—  NotreDamedeBon 
Secour  110. 

—  Place  de  la  Car- 
riere  118. 

—  Place  Stanislas 
(Royal)     111—115, 
117,  119. 

—  Rue  Notrc  Dame 
118. 

—  Lothringisch.  Mu- 
seum 119. 

Neiße,  Brunnen  39. 
Nepomuk,  Joh.  von  99. 
Neufforge  122. 
Neumann,  Balthasar 

135,  136,  138—142. 
Niclos,  Philipp  117. 
Niens,  A.  157. 
Nietung  14. 
Nikolaus,  Abt  91. 
Nikolsburg,  Sdiloß  135. 
Nordmann,  David  147. 
Notthingham  78,  79. 
Nürnberg88,  91,93, 140. 

—  Brunnen  32—34. 

—  Germ.  Museum  93. 

—  Bayriscii.  Gewerbe- 
museum 156. 

—  Lorenzkirche  34. 
Nußbaumer,  Vinc.  86. 
Nymphenburg  130,145. 


160 


Register. 


Obermardithal  40,  91. 
Oegg,  Anton  136. 

—  Johann  Georg  135, 
136,  138,  139.  140, 
141—144.  145,  149, 
156. 

—  Peter  136. 
Oelcker,  Heinr.  85,  91. 
Old-Langhton  79. 
Oppcnord  106. 107,  109. 
Ostertag,    Hieronymus 

Martin  94. 
Ottobeuren,KIosterl34. 
Oxford  80. 

Pähler  2. 

Parent,  Hubert  125. 

—  Nicolas  70. 
Paris  91,  109,  153. 

—  Äpollogalerie  45, 
46,  66. 

—  St.  Denis  64. 

—  Ecole  militaire  124. 
127. 

—  St.  Eustache  60,  63. 

—  St.  Genevieve  121. 

—  St.  Germain 
l'Äuxerrois  128. 

—  Louvre  45. 

—  MuseedeCluny  74. 

—  Musee  des  Arts 
decoratifs  62. 

—  NotreDamel7,  18, 
69,  70.  71. 

—  Palais  de  justice 
129. 

—  Palais   Royal  128. 

—  St.  Roch  128. 

—  St.  Sulpice  64. 

—  Val  de  Gräce  57. 
58,   60,   62,  64,  65. 

Patridge  79. 
Payne,  John  6. 
Pelletier  124. 
Percier  45. 
Petit,  Jacques  70, 
Philippon  45. 
Pickel  34. 
Pierritz,  H.  48. 

—  lejeune  57— 61,65. 
Plinius  1. 

Plutarch  1. 

Polhem,  Christoph  6. 
Poilly,  F.  59,  60. 
Potsdam  26. 
Prag  100. 

—  Brunnen  30,  38. 

—  Collegium  Clemen- 
tinum  86. 

—  Dom  37. 

—  Georgskirche  39. 

—  Nikolaikirche  100. 

—  Thomaskirche  100. 
Prunier,  Nikolas  44. 


Quaritsdi  44,  81. 

Haban  vonCanstein  89. 
Rad,  Kaspar  94. 
Rankweil  152. 
Reaumur  7.  27,  29. 
Reckhämmer  3. 
Reding,  Äugustin  II. 

von  86. 
Regensburg  147. 

—  Alte  Kapelle  38. 

—  St.  Emmeran  104. 
Reichart,  Daniel  34. 
Reifeil,  Johann  86. 
Rembeur,    Jean  de  44. 
Renard  146. 

Reniere  12. 
Rcuß,  Fürst  89. 
Richard  70. 
Ridier  126. 
Rieger,  Hans  91. 
Riga,  Dom  104. 
Rigaud  50,  61. 
Rohluppe  2,  3,  16. 
Rostock,   Marienkirche 
33. 

—  Nikolaikirche  104. 
Ronen,  St.  Ouen  72. 
Rudolph,  Christian 

Friedricli  94. 
Ruetschwil  149. 
Rüge,  Hans  32. 
Rummel,  Joh.  Georg  94. 
Rundstab  29,  30. 
duRy.SimonLucas  146. 

Sachsen  30,  37. 
Salzburg  37. 

—  Florianbrunnen  37. 

—  Sternbrauerei   147. 
Savoyen,  Eugen  v.  97. 
Sceaux,  Schloß  57. 
Sdiildmacher  23. 
Schireck,  C.  135. 
Sdilettstadt  17. 
Schlie,  F.  157. 
Schloßhof  an  d.  March 

97,  98,  139,  142. 

Schmiedbarkeit  1. 

Schmiede  1. 

Schmieden  10. 

Sdimiedeamt  25. 

Schmittner,  Frantz Leo- 
pold 94. 

Schneidewerk  3,  4,  5,  6. 

Schoch,  Peter  148. 

Sdiönborn,  Schloß  142, 

—  Friedrich  Karl  von 
136,  138,  141,  144. 

Schönbrunn  sieheWien. 
Sdireber,  Daniel  Gott- 
fried 7. 
Schübler,  Joh.  Jakob  93. 
Schultes,  Hans  34. 


Scliwabadi  91. 
Schwaben  91. 
Sdiweden  4. 
Schweißbarkeit  1,  2. 
Schweißen  14. 
Sdiweiz  91. 
Scudery,  Mademoisellc 

de  50. 
Scutatores  23. 
Seidel,  Paul  88. 
Seigneurie,  Nicolas  44. 
Seinsheim,  Adam  Frie- 

dridi  von  142. 
Sens  72. 
Serrator  26. 
Shaw,  Hennington  79. 
Sheffield  78. 
Silvestre,  Israel  50,  52, 

61. 
Slocere  (slozer)  29,  30. 
Slodtz,  Rene  Michel  120. 
Soignies  130. 
Somer,  P.  van  78. 
Spanien  40,  57. 
Spindelblume  29,  30. 
Sponsel  149. 
Spremberg  85. 
Stabhämmer  3. 
Stahl  1,  2. 
Stamminger  136. 
Stauchen  10. 
Steißlinger,  Johann 

Andreas  94. 
Stella  45. 

Steffen,  Paul  von  133. 
Strabon  1. 
Straßburg  115. 
Strecken  10. 
Streckwalzwerk  3—6. 
Streckwerk  3—6, 
Swedenborg  4. 

Talman  77. 

Tauschieren  8,  15. 

Taylor  81. 

Technik  1 — 15. 

Theophilus  2,  15. 

Thuret  66. 

Tijou,  Jean  71.  77—81, 

105. 
Tippenhauer  82. 
Trautmann  145. 
Trautner,  Johann  93. 
Treibarbeit  8,  12. 
Troyes,  Hotel  Dieu  120. 

Uhrmadier  26,  91. 
Ulm  91. 

Vallee,  S.  69,  72. 
Valvire,Abteikirchel21. 
Varin  45. 

Vanbrugh,  John  77. 
Vergoldung  8,  15. 


Versailles,  Sdiloß  49,50, 
51-56,  60-65,  69. 
78,  82,  100.  122. 

—  Grand  Trianon  72, 
124.  126. 

—  Petit  Trianon  126, 
127. 

Veyrens  120.  121. 
Viollet-le-Duc  16. 
Volkniann  23. 
Vreden  22. 

Waffensdimicde  25. 
Walzwerke  3,  4,  5. 
Warndte  25. 
Watteau  107. 
Weigel,  Joh.  Christoph 
3,  85,  91,  92. 

—  Christoph  jun.  92. 
Weingarten,  Benedik- 
tinerabtei 149. 

Werkzeuge  7. 
Wespien,  Joh  von  147. 
Westfalen  22,  28. 
Wien  94,  97,  104,  136. 

—  Belvedere   97,   98, 
139. 

—  Johanncskapelle99 

—  Ministerium  des 
Innern  99. 

—  Salesianerinnen- 
kloster  99. 

—  Sdiönbrunn  94,  99. 

—  Stephanskirche  99. 

—  Theresianum  88. 

—  Ung.    Ministerium 
156. 

Wilhelm  von  Oranien 

67,  76,  80. 
Wilhelmstal,  Schloß  146 
Wolverhampton  78. 
Wren,  Christoph.  77, 79, 
Würzburg  135,  148, 

149,  '156. 

—  Dom  136,  144,  149. 

—  Juiiushospital   144, 

—  Residenz   98,    136 
bis  144,  146. 

—  Sammlq.  d.  Histo- 
risdi.  Vereins  144. 

—  Universitätsbiblio- 
bibliothek  142. 

Xenophon  1. 

Zainer  3. 
Zainhämmer  3. 
Zeugwarter  39. 
Zipper,  Jakob  155,  156. 
Zunftpokal  39. 
Zürich  104. 
Zwickau,  Marienkirche 

37. 
Zwiefaltcn,  Abteikirdie 

150. 


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