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MiJNCHHNFR
CHUGRAPIIISCllE STUDIRN
HERAI'SGEGEBEN
SIEGMUND GÜNTHER.
DKfIZEHNTES STÜCK:
niE SCHWARZEN R.OSSH SÜDAMERIKAS
Dr. JOSEF REINDL.
MONCHKN
THEODOR ACKEKMANN
The Branner Geological Library
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MÜNCHBNER
GEOGRAPHISCHE STUDIEN
HKRAIJSGEGEBEN
VON
SIEGMUND GÜNTHER.
DREIZEHNTES STUCK
DIE SCHWARZEN FLÜSSE SÜDAMERIKAS
VON
Dr. JOSEF REINDL.
MÜNCHEN
THEODOR ACKERMANN
KÖNIGLICHER HOF-BUCHHÄNDLER
1903.
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DIE SCHWARZEN FLÜSSE
SÜDAMERIKAS.
HYDROGRAPHISCHE STUDIE
\\X GEÜLOGISCH-ÜROGRAPHISCHER. PHYSIKALISCHER
UND BIOLOGISCHER GRUNDLAGE,
VON
Dr. JOSEF REINDL.
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MÜNCHEN
THEODOR ACKERMANN
KÖNIGLICHER HOF'BUCHHANDLER
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f %
Vorwort.
Vorliegende Arbeit verdankt ihre Entstehung einer
Anregung meines hochverdienten Lehrers, des Herrn Prof.
Dr. S. Günther in München. Sie will versuchen, das
Material, das über die „schwarzen Flüsse Südamerikas" zu
verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Ländern ver-
öffentlicht wurde, zu sammeln und übersichtlich zusammen-
zustellen. Dass dieser Versuch kein leichter war, ist ohne
Weiteres klar, wenn man bedenkt, dass sich die wissen-
schaftlichen Ergebnisse über diese Frage vielfach wider-
sprechen und dass dieselben in fast zahllosen, in den Sprachen
der verschiedensten Zungen abgefassten Büchern und Ab-
handlungen zerstreut niedergelegt sind. Gleichwohl glaube
ich hoffen zu dürfen, dass mein Versuch kein vollständig
vergeblicher und dass die nachstehende Skizze nicht ganz
ohne Wert für die Förderung der Kenntnis von einer der
sonderbarsten geographischen Erscheinungen sein werde.
^ <XDin> %-
Seinem hochverehrten Lehrer
Herrn Dr. Siegmund Qünther,
ordentlichem Professor an der technischen Hochschule in München,
in Ehrfurcht gewidmet
vom
Verfasser.
Inhalt.
Vorwort und Einleitung.
A. Geographisch-geologische Situation.
I. Das Bergland von Brasilien 5
II. „ „ „ Guayana 10
III. Die Amazonas-Niederung 14
B. Meteorologie.
I. Winde 21
II. Niederschläge 27
C. Hydrographie.
I. Die schwarzen Flüsse des Orinoko-Systems 36
II. „ ,i „ von Guayana 40
III. „ „ „ des Amazonas-Systems .... 49
IV. „ „ „ „ brasilianischen Berglandes 82
V. Zweifelhafte Schwarzwasserflüsse 85
D. Allgemeines.
I. Steigen und Fallen der schwarzen Flüsse ..... 87
II. Sumpf- und Moorbildungen im Gebiete der schw. Flüsse 93
III. Biologie 97
IV. Vermischung der Weiss- mit den Schwarzwasserflüssen loi
E. Analogien 105
F. Farbe iio
«t >
Einleitung.
Die erste Kunde davon, dass auf dem südamerikanischen
Kontinente Flüsse von „eigentümlich schwarzer Färbung'* sich
finden, brachte uns ein Spanier, Gonzalo Pizarro's Send-
ung, Orellana. Im Jahre 1540 fuhr derselbe als der erste
Europäer den Amazonas hinab, kam bis an die Mündung
des Rio Negro und beobachtete mit Staunen die fast schwarze
Farbe dieses Flusses, die auch nach der Mündung in den
Amazonenstrom noch stundenweit bemerkbar war.^)
Indes, so interessant Orellana die merkwürdige Er-
scheinung fand, eine forschende Betrachtung hat er ihr nicht
gewidmet. Auch aus den folgenden zwei Jahrhunderten sind
uns eingehendere Nachrichten über dieses eigenartige geogra-
phische Phänomen nicht bekannt, und nur von Francisco
XavierRibeirodeS. Payo wissen wir, dass er diese Frage
im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts etwas berührte. 2)
Erst Alexander von Humboldt hat die Aufmerksamkeit
und das Interesse wieder auf diese rätselhafte Erscheinung
gelenkt.
*) R u g e, S. : Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen, Berlin
1881, S. 455 ff.; Oviedo, Hist. Gener., Madrid 1845, IV, lib. 49. ^) „Es
ist leicht zu begreifen", schreibt Ribeiro de S. Payo, „dass das dunkle
Wasser des Rio Negro ihm seinen Namen gab. Obgleich die wahre
Farbe des Wassers, wenn man es in ein Glas thut, weingelb ist, so
erscheint es doch bei der grossen Tiefe des Flusses wie schwarze Tinte.
Ob nun diese Farbe durch aufgelöste mineralische oder vegetabilische
Substanzen entstehe, dies lasse man dahingestellt.** (v. Esc h weg e,
„Brasilien, die neue Welt in topographischer, geognostischer, berg-
männischer etc. Hinsicht", Braunschweig 1830. II. Teil 3. Abschnitt S. 143.
R e i n d I , Schwarze Flüsse. 1
— 2 -
In seinen- ;.;A'nsichten der Natur^^ schreibt er anlässlich seiner
• * '■
Reisen. i'rT> örinokogebiete : ,/In dem oberen Teile des Fluss-
gebi-eiEes, zwischen dem 3. und 4. Grade nördlicher Breite,
K'ät-. die Natur die rätselhafte Erscheinung der sogenannten
*. schwarzen Wasser mehrmals wiederholt. Der Atabapo, der
-Temi, Tuamini und Guainia sind Flüsse von kaffeebrauner
Farbe. Diese Farbe geht im Schatten der Palmengebüsche
fast in Tintenschwärze über. In durchsichtigen Gefässen ist
das Wasser goldgelb^".) In seiner „Reise in die Aquioktial-
Gegenden'* gibt derselbe Forscher schon ein grösseres Aus-
breitungsgebiet dieser eigentümlichen Gewässer an. „Um
den 5. Grad nördlicher Breite^*, schreibt er, „fängt man an,
sie anzutreffen, und sie sind über den Äquator hinaus bis
gegen den 2. Grad südlicher Breite sehr häufig." 2) „Die
Mündung des Rio Negro," sagt er weiter, „liegt sogar unter
dem 30 9' S. B.; aber ich weiss nicht, ob der Rio Negro
seine braungelbe Farbe bis zur Mündung behält, da ihm
durch den Cassiquiare und den Rio Blanco sehr viel weisses
Wasser zufliesst.''^)
Humboldt ahnte zwar,*} dass diesen Schwarzwasserflüssen ein
grösserer Verbreitungsbezirk zukomme, allein ihm selbst war es infolge
seines kurzen Aufenthaltes in den südamerikanischen Tropenländern nicht
möglich uns mit weiteren Beispielen von dieser eigenartigen Erscheinung
bekannt zu machen. Doch da mit Humboldt eine neue Epoche in der
Erforschung des südamerikanischen Kontinentes begann und an Stelle
gelegentlicher Beobachtung eine auf wissenschaftlichen Prinzipien ruhende
Forschung trat, so wurden durch die folgenden Forschungen auch die
Nachrichten über die Schwarzwasserflüsse reichlicher und sicherer.
Schon Prinz Max zu Wied-Neuwied, der 1815 - 1817 einen Teil des
grossen brasilianischen Reiches bereiste, berichtet nämlich, dass diese po-
tamologische Erscheinung auch im Osten und Südosten des genannten
Landes ausgeprägt sei. Von den Flüssen der Provinz Bahia schreibt er
z.B. : ^) „Unweit Agä erreichtenwir einen Fluss. Die Ufer diesses Flusses sind
*) Humboldt^ A. v. : „Ansichten der Natur". Seite 127 und 128.
^) Humboldt, A. v. : „Reise in die Äquinotial-Gegenden", Bd. III S. 193.
^) Humboldt, A. v.: „Reise in die Äquinotial-Gegenden", Bd. III S. 193
und 194. *) Humboldt, A. v. : „Reise in die Aquinoktial-Gegenden"
Bd. III S. 195. ^) Prinz Max zu W^ied-N eu wied: „Reise nach
Brasilien in den Jahren 1815— 1817". I. Tl. S. 174.
- 3 -
mit dichten Gebüschen bedeckt und sein Wasser hat eine dunkel-kaffee-
braune Farbe, wie die meisten Waldbäche und kleinen Flüsse dieses
Landes. Herr von Humboldt fand das nämliche am Atabapo, Temi,
Tuamini, Guainia und anderen Flüssen. Nach seinem Urteil erhalten
sie diese sonderbare Farbe durch eine Auflösung von gekohltem Wasser-
Stoff, durch die Üppigkeit der Tropenvegetation und die Kräuterfülle
des Bodens, auf denen sie hinfliessen.*' Auch zahlreiche Flüsse der
Provinz Espirito Santo *) sowie der Provinz Minas Geraes ^a) haben
jene dunkle Färbung, die namentlich bei den in den Ozean mündenden
Gewässern dem grünen Meerwasser gegenüber auffällig erscheint. „Die
deutlich sichtbare Vereinigung des grünen Meerwassers mit dem
dunkelschwärzlichen der Flüsse,'* schreibt Wied-Neuwied, „gab
der Aussicht auf dem Schiffe einen besonderen Reiz . ' b )
Spix undMartius, die 1817— 1820 Brasilien durchzogen,
haben uns ebenfalls eine ganze Anzahl solcher Schwarz-
wasserflüsse kennen gelehrt. „Man findet," berichtet M a r t i u s,
„unter den Wasseranhäufungen des grossen Amazonasthaies
viele Gewässer, welche sogenanntes schwarzes Wasser,
gleich dem des Rio Negro, führen, das in einem Glase
gesehen alle Nuancen von „Hellgelb zu Bernsteingelb und
Braun zeigt/' ^), Auch die Brüder Robert und Richard
Schomburgk, *) die in der ersten Hälfte des vorigen Jahr-
hunderts in Süd-Amerika weilten, brachten uns die Kunde,
dass der Ausdehnungsbezirk dieser „Schwarzwasser" ein
viel grösserer ist, als der, den uns Humboldt bezeichnete.
Richard Schomburgk schreibt darüber: „Nach den Er-
fahrungen, die wir eben sowohl am Takuta, wie am Rupununi,
dem Demerara, wie Barima, in Bezug auf die Färbung ihrer
Quellwasser gemacht haben, scheinen fast alle Gewässer
Guayanas diese auffallende Eigentümlichkeit zu besitzen, und es
steht demnach wohl zu erwarten, dass sich diese auch bei
denen des Orinoko herausstellen wird. Alex. v. Humboldt
beschränkt diese merkwürdige Thatsache auf die Länder-
strecke zwischen der fünften nördlichen und zweiten südlichen
M Wied-Neuwied, I. Teü S. 228. ^a)u.^b) Wied-Neu-
wied, „Reise etc. etc."; I. Teil S. 301. ') Spix und Martins, III.
Teil S. 1351. *) Robert Schomburgk war 1835— 1838 allein,
1840- 1844 mit seinem Bruder Richard in Süd-Amerika thätig.
— 4 —
ßreitenparallele, aber die Quell wasser des Barima sind, ob-
schon sie viel nördlicher liegen, doch noch eben so schwarz,
als die des Takutu und Rupununi/'i)
Mit dem Jahre 1853,^) als die Amazonas-DampfschiüTahrt eröffnet
wurde und dadurch auch die Erforschung des Amazonas und seiner
gewaltigen Zuflüsse mehr ermöglicht war, wurde unsere Kenntnis über
die grosse Ausdehnung der sogenannten Schwarzwasserflüsse noch
bedeutend mehr gefördert. „Eine ganze Anzahl Amazonastributäre,
wie z. B. der Tapajoz und verschiedene Puruszuflüsse", schreibt Ehren-
reich,*) „zeigen in dicker Schicht tintenschwarze, in dünner hellbraune
Färbung, die übrigens den Geschmack des Wassers durchaus nicht alteriert."
Namentlich aber wurde durch die Reisen Bates', Chandless', Av6
La llem.ant's, welche zahlreiche andere Schwarzwasserflüsse entdeckten»
unser Wissen über das Ausdehnungsgebiet dieser Gewässer auf dem
südamerikanischen Kontinente bedeutend erweitert.
Die einzelnen Schwarzwasserflüsse werden wir jedoch erst später
kennen lernen, ebenso ihre Erforscher. Es muss aber hiezu im vor-
aus schon bemerkt werden, dass nur die dem Dampferverkehr zu-
gänglichen genügend bekannt sind und dass wir von einer ganzen An-
zahl selbst bedeutender Flüsse kaum mehr wissen als ihre Mündung.
Zuvor aber soll uns noch, da, wie Schichtel treffend sagt, ,Jedes
Fluss-System die Funktion des Bodenreliefs und der Niederschlags-
Verhältnisse ist'*,*) in den nächsten Abschnitten die Topographie, die
Geologie und die Meteorologe dieser Flussgebiete beschäftigen.
A. Geographiseh'-geologisehe Situation.
Die schwarzen Ströme Südamerikas liegen mit kaum
nennenswerten Ausnahmen auf der grossen ,, Brasilianischen
Masse'S die sich als eine alte geologische Bildung vom
Orinoco - Apure im Norden bis zum Uruguay im Süden
erstreckt.^) Seit der Faltung ihrer archäischen Grund-
gesteine hat diese gewaltige „Masse** keine Störung in der
Lagerung ihrer Gesteinsschichten mehr erfahren, und selbst
die devonischen und karbonischen Ablagerungen, also For-
mationsgruppen sehr hohen Alters, liegen ungestört über
*) Schomburgk Richard: II. Teil S. 102. ^) Ehrenreich,
(Verh. d. Ges. f Erdk. z. ßedin, B. 16 Jahrg. 1889 S. 156. *) Ebenda
S. 160. *) Schichtel, „der Amazonenstrom**, Strassburg 1893 S 4.
^) Suess, Eduard, „Das Antlitz der Erde," Prag und Leipzig 1883. ff-
— 5 —
dem stark gefalteten Grundgebirge. ^) Doch da dieses grosse
Gebiet topographisch in mehrere Teile zerfällt, so wollen
wir, um Wiederholungen zu vermeiden, sogleich die einzelnen
Glieder für sich behandeln.
I. Das Bergland von Brasilien.
Dieser Teil der „Brasilianischen Masse" liegt südlich des Ama-
zonas und östlich des Madeira. Die vertikale Gliederung dieses Berg-
landes ist den hydrographischen Verhältnissen entsprechend eine höchst
einfache. Das dureh den Paranä, den Paraguay und die Amazonas-
tributäre reich bewässerte Binnenland ist grösstenteils flach ^) und nur
allmählich erhebt sich dasselbe nach der Küste zu, um dort ein über
300 00 D km. umfassendes Küstengebirge zu bilden, das, obwohl je
nach den einzelnen Gebirgskämmen verschiedenartig benannt, doch
fast in allen seinen Teilen zusammenhängt und sich bei einer mittleren
Höhe von 300—700 m von der Nordküste herab bis nach Uruguay
hinein erstreckt. *) Der am Meere hinstreichende Gebirgsrücken ist in
seiner grössten Ausdehnung unter dem Namen Serra Geral bekannt.*)
In der Provinz Rio de Janeiro tritt derselbe in Verbindung mit der
von Norden her kommenden Serra Espinha<jo, welche in ihren südlichen
Teilen auch Sera da Matiqueira genannt wird und den bedeutendsten
Gebirgsrücken Brasiliens bildet, der sich in seinen höchsten Punkten
fast bis zu 3000 m erhebt. ®) Der Gipfel des Itatiaya erhebt sich
z B. 2994, der Lapa 2650, der Picos de Sao Matheo 1880 und
der Itacolumy 1750 m über das Meer.*) Der ganze Gebirgszug
zeigt namentlich am Ostabhange landschaftlich herrliche Reize und ist
dicht bewaldet. Da wir nun nicht näher auf die Topographie dieses
Gebirgsrückens, der übrigens noch^zu den besterforschten Teilen Brasiliens
gehört, eingehen können, so weisen wir auf die einschlägigen Reise-
berichte eines Tschudi, ') Spix und Martius, *) Beschoren, *)
*) Vgl. z. B. die zusammenfassende Darstellung von Sievers, Wilh.
„Amerika"; Leipzig und Wien 1894 S. 59. ^) Vogel, P. „Reisen
in Mato Grosso 1887/88"; Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu
Berlin 1893 N. 4. S. 243. ') Vergl. : Kletke, Berlin 1857 S. 435 mit
438. *) Sievers, „Amerika", S. 63. *) Kletke, „Reise des Prinzen
Ad albert von Preussen'*, Berlin 1857 S. 435 mit 458. *) Vergl.
Petermann: Süd Amerika in 6 Blättern. Stieler's Hand-Atlas N92.
') Tschudi „Reisen durch Brasilien" Leipzig 1889 2. Bd. ") Spix
u Martins, „Reise in Brasilien in den Jahren 1817 bis 1820. III. Bd.,
München 1823, 1828. ") Beschoren, „Beiträge zur näheren Kennt-
nis der brasilianischen Provinz Säo Pedro do Rio Grande do Sul", Pet.
Ergänz. -Bd. 1889—90 N. 96.
Hettner/). Lange,*) Breitenbach*) Ave-Lallemant/) Prinz
zuWied-Neuwied*) etc. hin. Das Bergland des Innern, welches keinen
hervorragend hohen Punkt aufweist, wird Serra dos Vertentes. d. h.
Quellengebirge genannt, weil auf ihm die Wiegen vieler südlicher
Nebenflüsse des Amazonas und vieler Zuflüsse des Paraguay und
Paranä liegen.*) Es ist ein 450 m hohes Tafelland mit aufgesetzten
Tafelbergen und tiefen Flusseinschnitten. ') Nach Norden, Westen und
Süden fällt die Hochebene zum angrenzenden tieferem Gebiete in Stufen
ab, welche die zahlreichen Wasserfälle erzeugen, durch die die Schiffahrt
in das Innere beschwerlich gemacht, ja sogar oft verhindert wird.*)
Im ganzen schneidet die Linie der Wasserfälle, entsprechend dem
Stufenabfall des Tafellandes, im Norden den Tocantin in 3—4*, den
Tapajoz in 4-5®, und den Madeira in 8—9® s. Breite.*) Von Süden
aus erscheint das Gebiet als Gebirge mit zerklüfteten, steilen Gehängen
und Wänden. **) Die Binnenplateaux (chapadas) sind entweder nur mit
Steppengras bedeckt oder mit niedrigem Gehölz, sogenannten „Caatingas"
bestanden.^*) Dieselben sind überall kulturfähig und im ganzen gut
bewässert; nur im Nordosten des Landes trifft man ausgedehnte
wasserarme, mit dürren Wäldern bestandene Ebenen, sogenannte
„sertöes" welche sich nicht zur Kultur eignen und sich nur vorübergehend
während der Regenzeit mit frischem Grün bedecken. Auffallend kon-
trastieren mit diesen die mit ewig grünem Urwald (mato virgem
d. h. jungfräulicher Wald) bedeckten Thäler der zahlreichen Flüsse und
Bäche und verleihen den sonst so öden, einförmigen Plateaux einige
Abwechslung und einigen Reiz. '^)
Welche Formen die Denudation aus der kontinuierlichen Decke
herausgearbeitet hat, zeigt die anschauliche Schilderung Ehrenreichs.")
Er sagt: „Die Denudation hat die ursprüngliche Ebene in ein System
übereinander gelagerter Terrassen verwandelt, deren Ränder, gemeinhin
*) Hettner, A., „Das südliche Brasilien'', Zeitschr. der Ges. f.
Erdk. zu Berlin 1891, S. 85. ^) Lange, H., „Südbrasilien", 2. Auflage
Leipzig 1888. **) Breitenbach, „Die Provinz Rio Grande do Sul"
Sammlung von Vorträgen von Frommel u. Pfaff. *) i. Ave-
Lallemant, Reise durch Nord -Brasilien", 2. Bd. Leipzig 1860.
2. A ve- Lalle man t, „Reise durch Süd-Brasilien,** 2. Bd. Leipzig 1859.
*) Neuwied, Frankfurt a. M. 1821. *) Sievers: „Amerika", S. 67
u. 68. ') Clauss, Pet. Mittig. 1886 S. 130: „Bericht über die Schingü-
Expedition im Jahre 1884". (Mit Karte.) ') Vergl. S ie vers, „Amerika"
S. 67-71. •) Suess, „Antlitz der Erde** S 656. *°) Sieve r s „Amerika"
S. 68. **)Griesebach: „Die Vegetation der Erde S. 398. **) S i e v e r s
„Amerika** S. 201 u. 202. *^) Ehrenreich: Zeitschr. d. Ges. f Erdk.
z. Berlin 1891, S. 171.
- 7 —
mit dem ganz unpassenden Namen von S e r r a s (Bergzügen) belegt und
demgemäss auf den neuesten Karten als solche dargestellt, bald in steilen
zerklüfteten Wänden, bald in sanften Gehängenabfallen. Besonders auffällig
zeigt sich die Denudationswirkung in der Abtrennung zahlreicher kleiner
Plateaux von der Hauptmasse. Solche isolierte Erhebungen erscheinen
teils als langgestreckte bastionartige Wälle, teils als mächtig aufragende,
mittelalterlichen Burgen ähnliche Tafelberge. Sie umgeben entweder die
Terrassenränder, namentlich den westlichen Hauptabfall zum Thal des
Cuyaba, wie die vorgeschobenen Forts einer Festung, oder erheben sich
völlig zusammenhanglos mitten auf der Hochebene selbst" Charakteristisch
für das Plateau sind auch dessen Quellbecken. „Dieselben sind**, schreibt
Clauss, * „muschelförmig in das Tafelland eingesenkt; ihr grösster
Durchmesser kann 20 km betragen. Die Ausflussmündung ist verhältnis-
mässig eng,so dass das Becken allseitig umschlossen zu sein scheint; zu beiden
Seiten der Öffnung fällt das Plateau steil ab, das übrige Gehänge ist
rings sanft geneigt. Von diesem fliessen die Wasseradern zusammen
und vereinigen sich zu 40—50 m breiten Flüssen. Dieselben durch-
schneiden dann das Plateau in 2— 3 km breiten Erosionsthälern. Auf
der Wasserscheide der dicht aneinandergereihten Becken stehen gewöhn-
lich Tafelberge, als Überreste einer allseitig arbeitenden Erosion. Die
Höhe ders'elben beträgt ungefähr 80 m; sie sind wegen ihrer steilen
Wände sehr schwer zu besteigen. Oben auf der horizontalen Fläche
dieser Berge steht wieder der kümmerliche Plateau wald. Der Rund-
blick von der Höhe orientiert eigentlich nur über die beiden Nachbar-
becken, auf deren Wasserscheide sich der Berg befindet." Herrliche
und eingehende Berichte über die Topographie dieses Gebietes geben
uns namentlich noch Vogel,*) Karl von den Steinen,'')
Severino da Fonseca,*) Castelnau*) u. s. w.
Ebenso einfach, wie die Oberfläsche dieses Berglandes gestaltet
ist, sind auch die geognostischen Verhältnisse, wenigstens soweit dieselben
bisher bekannt geworden Das ganze Küstengebirge, welches unter
dem Namen einer Serra do Mar zusammengefasst wird, gehört derUr-
gebirgsformation an und ist gefaltet Gneis, Granit und verschiedene
Urschieferarten bilden die Grundlagen des Gesteins.*) In der derselben
Formation angehörenden Serra do Espinhaco, zumal an dem weiter
oben genannten Berge Itacolumi in der Provinz Minas Geraes, tritt
') Claus s: Pet Mit. 1886. S. 131. ') Vogel, Zeitschr. der
Ges. f. Erdk. z. Brl. Nr. 3 u.4, Jhrg 1893. *) Steinen, K. v. den:
„Durch Central-Brasilien% Leipzig 1886. *) Fonseca, „Viagem ao
redor do Brazil'^; Rio 1881. •) Expedition dans les parties centrales
l'Amerique du Sud", Histoire du voyage. Paris 1850 Bd I.
•) Fötterle, Pet. Mittig. 1856 S. 189.
— 8 —
dann auch ein elastisch biegsamer GHmmerschiefer auf, den man nach
seinem Fundort Itacolumit genannt hat. *) Er kommt übrigens auch
auf der Serra do Mar und in Verbindung mit Talk und Eisenglimmer-
schiefer oder Itabirit noch an vielen Stellen des binnenländischen Hoch-
plateaus vor. ^) Auch in Rio Grande do Sul ist nach Beschoren*)
und Hettner*) das Küstengebirge noch die Fortsetzung der archäi-
ischen Sa do Mar; ja selbst in Uruguay treten die Ausläufer dieses
alten Gebirgszuges noch zu Tage. Hettner schreibt:*) „Der südöst-
liche Teil von Rio Grande besteht, ebenso wie der grössere östliche
Teil von Uruguay, wesentlich aus archäischen Gesteinen, Granit, Gneis,
Glimmer, Hornblende, Chlorit, Thonschiefer und krystallinischem Kalk,
die nur an vereinzelten Stellen von jüngeren Schichtgesteinen überlagert
oder von Basalt durchbrochen werden. Die archäischen Gesteine mögen
das letzte Ende des mittelbrasilianischen Faltengebirges bilden, welches
hier aber seinen eigentlichen Gebirgscharakter ganz verloren hat.
Ebenso wie dort an der Küste eigentliche archäische Gesteine beginnen
und nach Westen etwas jüngere Schiefer folgen, so hat Sellow an den
Ufern des La Plata eine ältere östliche und eine jüngere westliche
Gesteinszone festgestellt." *)
Das Innere des Berglandes von Brasilien gehört nicht allein der
Urgebirgsformation^ sondern teilweise auch dem Uebergangsgebirge
an, und zwar weniger der Gesteinsbeschaftenheit , als der Fossilien
wegen, die daselbst gefunden werden. *) Unbestimmt aber ist es noch,
welchen geologischen Zeitaltern die mächtigen Sandsteinablagerungen
entsprechen, die sowohl im Norden, in den Provinzen Maranchäo und
Piauhy, als auch im mittleren Brasilien, in Mato Grosso und Goyaz und
sogar im äussersten Süden auf grossen Flächen vorkommen. Dieselben
enthalten keine Fossilien und lagern meist über Thonschiefer, der
wieder selbst das Urgestein bedeckt. ®) Die Meinungen über das Alter
dieser Sandsteindecke gehen auseinander. Die Mehrzahl der Forscher,
die den Sandstein des bras. Berglandes in der Natur schon gesehen,
stellen ihn seines petrographischen Charakters wegen zum „old red",
wie V. Eschwege, v. Helmreichen, v. Castelnau. Bei dem Fort
') „Physikalische und geologische Forschungen im Innern Brasi-
liens" V. J. Chr. Heusser u. Claraz, Pet. Mittig. 1859 S. 447 u.
453 ^) Fötterle, „Die Geologie v. S. A." Pet. Mittig. 1856 S. 190.
') Beschoren, „Rio Grande do Sul" Pet. Erg.-Hft 1889/90 Nr. 96.
*) Hettner, „Das südl. Brasilien". (Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 1891
S. 91.) ®j Ebenda: S. 91. *) Siehe auch: „Burm ei s ter's Reise in
Uruguay" 1856, Pet. Mittig. 1857. ') Ammon, L. v. , Devonische
Versteinerungen aus Mato Grosso," Zeitschrft. d. Ges. f Erdk. z. Brl.
1893 Nr. 5 S 352. *■) Suess, Eduard, „Das Antlitz der Erde" S 657.
- 9 -
do Principe do Beira am Guapore trifft jedoch die Bestimmung d'Or-
bigny's von Kohlensandstein mit demselben zusammen; in der Provinz
Piauhy und Maranhäo, beschrieben von Spix und Martins, soll er
jedoch zum Quadersandstein gehören. Demnach wird wohl der Sand-
stein auf dem bras. Berglande nicht überall gleichalterig sein, und schon
die grosse Lücke zwischen der O.-Sandsteindecke (S. Franzisko-Tocantius)
und der Westsahdsteindecke (Mato Grosso und Goyaz) dürfte, sagt
Schichtel,*) „eher eine Andeutung sein, dass wir es hier mit äusserlich
ähnlichen, genetisch aber verschiedenen Bildungen zu thun haben."
Nach Süden fällt die Sandsteindecke steil zur Niederung des
Guapore, des Paraguay und des Cuyaba ab. Dieser Plateau- Absturz
bildet die Wasserscheide zwischen Tapajoz und Xingü einerseits und
dem Guapore- und Paraguay-System andererseits.^) Nach Westen zu
geht die Sandsteinzone allmählig in die Madeira-Platte über; wie weit
sie sich aber in der Richtung des Tapajoz und Xingü nach N. erstreckt,
ist noch unbekannt, weil wir in dem ganzen weiten Gebiete zwischen
Araquay im O. und dem Madeira im W. nur die Hauptflussläufe kennen,
die sich schon sehr frühzeitig im Urgebirge bewegen. Der Tocantins-
Araguay ist nach Castelnau und Ehrenreich schon unter 15 Vz®
S. B. in Gneis und kristallinische Schiefer, der Xingü unter 13 V2* S. B.
nach Claus s, Vogel, von den Steinen in Granit der Arinos nach
Chandless unter 11® 38' S. B. ebenfalls in Granit und der Madeira
nach Keller-Leutzinger unter 10® 58' S. B. in Gneis eingebettet.
Wo das Urgebirge im Berglande von Brasilien nicht von der er-
wähnten Sandsteindecke überzogen ist, ist es meist von Diluvium be-
deckt, das grösstenteils aus Verwitterungsproduklen der archäischen
Gesteine besteht. Dieses angeschwemmte Gebirge ist die Fundstätte
von Diamanten und Gold, auf deren Verbreitung und Ausbeute wir
nicht näher eingehen können. Wir weisen deshalb auf die Werke von
Eschwege,*) Helmreichen,*) Clemen^on hin,*) die darüber in
eingehender Weise Auskunft geben.
Am Nordrand des bras. Berglandes sind dem Urgebirge nach
Norden einfallende Thoschiefer aufgelagert, deren Alter am Tocantins
nach Castelnau devonisch sein soll. Da das Devon auch westlich von
Monte Alegre auf der Südseite des Amazonas mitten aus den Alluvionen
') Schichtel, „Der Amazonenstrom" S. 18. — Vergl. auch:
Suess: „Das Antlitz der Erde"; S. 657. *) Clauss, Pet. Mittig. 1866
S. 130. *) Esch wege, W. v. , „Pluto Brasiliens". Berlin 1833; —
„Brasilien, die neue Welt"; Braunschweig 1830, II. Tl. *) Helm-
reichen, v., „Ueber das geognostische Vorkommen der Diamanten etc.
Weimar 1846. *) Giemen <jon, „Considerations abregees sur la Geognosie
du District des Diamants du Brasil", Lyon.
— lO —
des genannten Stromes hervortritt, *) so dürfte diese Formation einst
zusammengehangen haben mit der gleichen devonischen Bildung im
Norden des Amazonas, die längs einer silurischen Zone dort gegen W.
bis an den Uatuma, einen kleinen FIuss zwischen Trombetas und dem
Rio Negro, hinstreicht. Auch Carbonablageningen sind am Nordrande
des bras. Berglandes gefunden worden, namentlich am Tapajos, und
sie breiten sich nach S u e s s wahrscheinlich vom Tocantins bis zum
Madeira aus.') Da wir auf diese palaeozoischen Zonen später noch
zurückkommen, so sehen wir von einer näheren Erörterung vorerst ab
und betrachten nun zunächst die „brasilianische Masse" im Norden des
Amazonas.
II. Die yybras. Masse^^ nördlich vom Amazonas.
Das ganze Gebiet am mittleren und oberen Rio Negro, am Ata-
bapo und Cassiquiare ist nach Wallace ein breites Granitgebiet, das
sich durch seine Söhligkeit (Horizontalität) auszeichnet ') Diese Eben-
heit erklärt uns sofort die geringe Strömung und die zahlreichen Bitur-
kationen und Stromvermischungen der dortigen Gewässer. Von einer
scharf ausgeprägten Wasserscheide zwischen Rio Negro- und Orinoco-
system, wie sie Humboldt* glaubte annehmen zu müssen, kann
daher nicht die Rede sein, denn am oberen Ynirida, Guainia und Yaubes
bilden nur gruppenweise Erhebungen die wasserscheidende Schwelle,
während tiefe Thäler eine Vermischung der dortigen Gewässer, nament-
lich zur Regenzeit, bewerkstelligen. *) Höhenmessungen über einzelne
Punkte in diesem Gebiete sind uns von Humboldt, Wallace, Monto-
lieu etc. gegeben,*) allein dieselben sind so abweichend von einander,
dass wir sie lieber nicht anführen, da sie mehr verwirren, als förderlich
sind. Im grossen und ganzen erhebt sich das ganze erwähnte Gebiet
nicht viel über 300 m über das Meer und nimmt von Westen nach
Osten allmählig an Höhe zu. Zugleich wird es im Osten des Rio
Negro von einer Sandsteindecke überlagert, wodurch die Landschaft
ein ganz anderes Aussehen als am Guainia, Yaubes und Ynirida erhält.
Diese Sandsteindecke führt uns auch zugleich auf die Betrachtung des
eigentlichen Berglandes von Guayana, das ebenfalls „das Mutterhaus"
zahlreicher schwarzer Ströme ist.
Schon die Serra Imeri und die Serra Tapiira peco, die westlich-
sten Ausläufer der Serra Parima, gehören nach den Ergebnissen der
*) Suess; „Antlitz der Erde"; S. 659 Bd. II. ^) Ebenda S. 659
*) Wallace: „Travels on the Amazon and Rio Negro" 421. ff. S.
*)Humbdt. etc.: „Ansichten d. Natur". S. 27. ^) Deutsche Rundschau,
Heft 4, S. 176. •) Schichtel, „Der Amazonenstrom" S. 21.
— II —
bras.-venez. Grenzkommission der Sandsteinformatiöh Guayanas an. ')
Lange, mit schwarzem Wald bedeckte Bergzüge von teils runden
Formen, teils schroffen Felsen, bilden diese Gebirgslandschaft zwischen
Orinoco- und Rio Negro-System.*) Vom Pacaraima-Gebirge schreibt
Rieh. Scho mburgk, ') dass es ein kahler Gebirgszug sei, der von
Westen nach Osten streiche und bis zu 600 m Höhe habe. Nach den
Berichten der bras.-venez. Grenzkommission besteht es aus scheinbar
regellos durcheinandergeworfenen Höhenzügen und hat in seinen
höheren Teilen Savannen-Charakter.*) Coudreau bestätigt das. ^)
Östlich vom Rio Branco bis zum Essequibo liegt mit südlicher Streich -
richtung die Sa. da Lua oder das Mondgebirge, „ein breiter Gebirgszug
von starken Schluchten durchschnitten und in ebenso viele besondere
Massive getrennt." *; Diese erwähnten Höhenzüge bilden nun vom Rio
Negro bis zum Essequibo die Hauptwasserscheide zwischen dem Ama-
zonassystem im Süden und dem Orinoco- und Essequibosystem im
Norden. Unterbrochen wird diese Wasserscheide nur zwischen dem
Mahu und dem Rupununi, auf einem flachen Granitgebiet, wo zur
Regenzeit eine Wassermischung zwischen diesen zwei letztgenannten
Strömen stattfindet. ') Südlich der Hauptwasserscheide, zwischen Rio
Negro im Westen und Trombetas im Osten bis zur Amazonasrinne im
Süden, ist das Gebiet wenig erforscht. Nur einzelne Flussläufe sind
bekannt, und diese meist nur oberflächlich. In geologischer Beziehung
ist auch hier die Sandsteinformation vorherrschend, die dem Medina-
Sandstein der Niagaragruppe in Nordamerika entsprechen und ober-
silurisch sein soll. Ausserdem kommt das Devon hier in beträchtlicher
Entwickelung vor und zwar längs der genannten silurischen Zone gegen
Westen bis zum Uatuma, einem kleinen Fluss zwischen dem Trombetas
und dem Rio Negro. *j Das Gebiet nördlich der genannten Hauptwasser-
scheide wurde durch Brown,*) Thurn*®) und Seh omburgk*') bereist,
gleichwohl aber kennt man auch dort nur die Flussläufe und darüber
hinaus nur einige Routen. Auch hier lagert über dem alten Urgebirge die
schon erwähnte Sandsteindecke, die M a r t in ^^) für cretacisch,gleichalterig
mit den aufgefalteten cretacischen Sandsteinen der Cordillere von Merida
*) Zeitschrft. d. Gesellsch. f Erdk. z. Brl. 1887 S. 3. ^) Ebenda
S. 3. *) Schoniburgk, Rieh.; „Reisen in Britisch-Guayana." Bd. I.
S. 381; Bd. II S. 189. *) Zeitschrft. d. Gesellsch. f Erdk. z. Brl. S. 4.
*) La France equinoxiale Bd. II S. 7. *) Sievers „Amerika" S. 74.
') Rieh Schomburgk, Bd. I S. 393. ') Suess; „Das Antlitz d. Erde;"
S 659. •) Proceedings of the R. G. S. of LAidon; Vol. XV. No. 2.
'^ Thurn und Perkins; Proc R. G. S. 1885 m. Karte. ") Rieh.
Schomburgk; „Reisen in Britisch-Guayana," II. Bd. Leipzig 1847.
"j Martin; „Niederland.- Westindien" , Leiden 1888 Bd. II. S. 208.
— 12 —
hält. Der Landschaftscharakter ist hier ebenfalls ziemlich gleichartig.
„Am meisten", schreibt Sievers,*) „fällt der Wechsel weiter Thäler
und in Tafelberge autgelöster Höhenzüge auf, die auch noch dadurch
einen Gegensatz in die Landschaft bringen, dass sie bewaldet sind,
während die breiten Thalgründe meist von Savannen eingenommen
werden, die dann wieder durch Waldstreifen längs der Flussufer unter-
brochen sind. Auf den Savannen stehen nur vereinzelte Bäume, während
kurzes Gras den Boden bedeckt, der stellenweise auch ganz von Vege-
tation entblösst ist. An anderen Stellen sind die Savannen mit den
Bauten einer Termite in Form einer 2 m hohen Pyramide bedeckt,
und hier und da weiden Heerden von Rindern und Pferden. In der
Regenzeit bilden die Savannen weite Überschwemmungsgebiete, über
die man von der Nordküste nach dem Amazonas gelangen kann.
Wahrscheinlich ist dadurch die Mythe von dem grossen See Parima
entstanden, in dessen Fluten sich der Dorado waschen sollte."
Da im Westen des Essequibo die gewaltigen Sandsteinauflage-
rungen, welche im Osten davon noch nicht gefunden wurden, besonders
hervortreten, so kann dieser Strom als eine geologische Scheidelinie
gelten , die eine Zweiteilung Guayanas in dieser Beziehung bedingt.
Aber auch in orographischer Hinsicht ist der Essequibo eine Scheide-
linie. Er bildet die Grenze zwischen dem höheren venezolanischen
Westen und dem niedrigeren, europäischen Nationen gehörenden Osten.
Wie oben erwähnt, fehlt im Osten des Essequibo die grosse
Sandsteindecke und die alte archäische Masse tritt wieder zu Tage.
Auch in diesem östlichen Teile ist die Hauptwasserscheide nach Süden
verschoben, ja sie liegt sogar 3 Breitengrade dem Äquator näher, als
die westliche. Sie beginnt als Sa. Acarai am Essequibo und zieht
zuerst in nordöstlicher Richtung bis zu den Quellen des Corentyn.^)
Auf dieser Strecke ist sie einmal unterbrochen, indem im Quellgebiet
des Trombetas zur Regenzeit eine Verbindung (Bifurkation ) zwischen
Essequibo und Trombetas möglich ist. ') Nach Schomburgk*) ist
dieser Teil von geringer Höhe und dicht bewaldet. Östlich des Coren-
tyn bildet die Wasserscheide das Tumac-Humac-Gebirge, das Cre-
vaux^) und Coudreau®) zum Teil bereist haben. Dieser Gebirgszug
besteht aus drei mehr oder minder mit einander und mit der Küste
gleichlaufenden und deutlich nach Ostsüdost gerichteten Hauptketten,
welche insgesammt etwa eine Länge von 300 km, eine Breite von
*) Sievers „Anjerika". S. 72. ^) Siehe die Karte von „Britisch-
Guayana", Rieh. Schomburgk. I. Tl. ") Coudreau, Bd. II S. 271
u. 290. *) Rieh. Schomburgk, Bd. II S. 475. ®) Crevaux, „voyages
dans d'Amerique du Sud/' Paris 1883. *) Coudreau, Bull. S. G.
Paris 1891 S. 447 ff.
- 13 —
loo km und einen Flächenraum von 30000 qkm haben. Die grösste
(absolute) Höhe übersteigt nicht 800 m und steigt allmählig von Osten
nach Westen an.*) Nach Velain*) ist es ein breiter Granitzug, der
dicht bewaldet ist.
Südlich von dieser östlichen Hauptwasserscheide bis zum Ama-
zonas-Alluvialland besteht das Gebiet aus flach-einfallenden Thonschie-
fern, Sandsteinen und Graniten. *) Es sind dies dieselben geologischen
Schichten, die wir auch südlich der westlichen Hauptwasserscheide zum
Teil erwähnt haben und die also ununterbrochen fast bis zur atlanti-
schen Küste reichen. Am Trombetas und an den kleinen Flüssen
zwischen Trombetas und Paru fand Derby*) auch fossilführende
Schichten , die anscheinend den versteinerungslosen Schiefern , die
Crevaux am Yary und Paru fand, aufgelagert sind. Selbst Carbon-
ablagerungen fehlen hier nicht. ^) Diese streichen an der Nordseite des
Amazonas gegen Osten wenigstens bis Prainha, erreichen bei Alemguer
das Strombett selbst und erstrecken sich gegen Westen auch bis min-
destens an den Uatuma.
Das Gebiet nördlich der östlichen Hauptwasserscheide senkt sich
langsam zum Atlantischen Ozean. Sievers schreibt darüber: „Die
inneren Teile von Französisch-Guayana liegen etwa 200—400 m hoch
und stellen sich als ein ebenes Land mit zerstreuten Gipfeln dar, die
800 m nicht übersteigen, während die der Küste näheren Landschaften
auch in ihren Spitzen 400 m nicht mehr erreichen und im Ganzen nur
100—200 m hoch liegen. Über das südliche Niederländisch - Guayana
wissen wir nichts näheres, über den Südosten von Britisch-Guayana
wenig, doch darf man annehmen, dass auch hier ein langsamer Abfall
des Landes von der Wasserscheide nach den Atlantischen Ocean statt-
findet. ®) Nach Joe st jedoch ist der Übergang vom Hochland in das
alluviale Küstengebiet in ganz Guayana ein ziemlich unvermittelter, ')
was auch schon daraus hervorgeht, dass wir bei allen mächtigen
Flüssen dort, die im Hochland entspringen, um in nördlicher Richtung
nach dem Atlantischen Ozean zu strömen, den Lauf in ziemlich gleicher
*) Deutsche Rundschau, Wien, Jahrgang 1894. S. 270. ^) Es-
q u i s s e , geol. de la Guyane francaise et des bassins du Parou et Jary,
Bull. Soc. Geogr. 7. Ser. T. 6. 1885. S. 453. ') Crevaux, Voyages,
S. 205. *; Derby, Contribution to the Geology of the lower Amazonas.
American Philos. Soc. Vol. 18. 1878 -1880. S. 155 ff. ^) Suess „Ant-
litz der Erde". Bd. II S. 659. *) Sievers '„Amerika". S. 74.
'; J o e s t W. ; „Guayana im Jahre 1890." (Verhandig. d. Ges. für Erdk.
z. Brl. Bd. 18 S. 391)
- 14 -
Entfernung von der Küste durch Wasserfälle und Stromschnellen unter-
brochen finden. Das Küstenland selbst liegt beinahe tiefer als die
Niveaufläche des Meeres bei Hochflut und täglich sieht man hier, durch
die 12 Stunden dauernde Flut hervorgerufen, die Ströme rs— 20 Meilen
stromaufwärts fliessen. *) Nach den Reiseberichten Schomburgk's,
Kaplers und Joest's ist dieses Gebiet von Urwald und Savannen
bedeckt und der ganze Verkehr ist dort auf den Wasserweg angewiesen.
Das Materiel zu den mächtigen Anschwemmungen wurde grösstenteils
durch die Küstenströmung von der Amazonasmündung hergetragen ; ^)
allein auch die Ströme Guayanas liefern nach J o e st, zumal zur Regen-
zeit, dem Meere ebenfalls ganz unberechenbar viel Erdmassen. ') Diese
Sedimente wurden dem Golf von Darien zu abgelenkt, *) wodurch eine
eigentümliche Küstenbildung entstand, die S u p a n als eine Ausgleichs-
küste bezeichnet, ^j Ob diese Alluvialbildung an der Küste Guayanas
immer noch wächst, muss durch eingehende Forschung erst noch fest-
gestellt werden, zumal Joest an einzelnen Orten daselbst ein Zurück-
weichen des Festlandes zu bemerken glaubte; ®) doch dürften diese ein-
zelnen von Joest betrachteten Fälle vorerst mehr auf Sackung oder
auf andere mechanischen Veränderungen , als auf säkulare Senkungen
zurückzuführen sein. ')
III. Die Amazonas-Niederung.
Treffend hat Derby®) das ungeheure Thal des Amazonas mit
der Gestalt einer Flasche verglichen: Der Hals der Flasche ist die
grosse Mulde, die zwischen dem Berglande von Brasilien und dem
Hochlande von Guayana liegt ; die Seitenwände werden gebildet durch
die Bodenanschwellungen, die zwischen Amazonas- und Orinocosystem
einerseits understerem und Paraguaysystem andererseits liegen; den Boden
der Flasche endlich bilden die Ost-Cordilleren Peru's und Ecuador*s. Von
Westen nach Osten senkt sich diese gewaltige Niederung auf einer
Strecke von 3000 km kaum 180 m,") also nur ungefähr 0,04 m per km.
') Hann, Klimatologie S. 368. *) Hermann Wagner, „Lehr-
buch der Geographie," Hannover u. Leipzig 1900 S. 414. *) Joest^ etCM
Verhandig. d. Ges. f. Erdk. z. Brl. Bd. 18 S. 393. *) Sievers „Ame-
rika", S. 45. ^) Supan, Grundzüge der phys. Erdk. S. 578. *) a.a.O.
S. 395 ') Sievers , „Amerika". S. 333. ®) Derby, phys. Geogr.
u. Geol. Brasiliens. *) Sievers, „Amerika"; S. 81.
— 15
Einige Höhenmessungen sind von W. nach Ost :
Ort
Spixu.Martius^)
Orton V
Reiss u. StabeP)
m
m
m
Pebas
J05
S. Antonio
78
Loreto
44
Mündung d. Javary
205
77,6
56
S Paulo d. Olivenza
202
Tocantins
42
Fönte Boa
195
Egas (Teff.6)
30
46
Manaos
170
60
34
Serpa
48
Obidos
136
34,8
20
Santarem
112
32,6
Gurupa
82
11,6
Bei den obigen Zahlenreihen fällt sofort die erhebliche Differenz
zwischen den Messungen von Orton und Stübel-Reiss einerseits
und den Beobachtungen von Spix und Martins andererseits auf,
ferner bei den Messungen Ortons und Stübel-Reiss' die Zunahme
der Höhenzahlen an verschiedenen Stellen mit fallendem Fluss. Schuld
an diesen abweichenden Resultaten ist ohne Zweifel das habituelle
Luftdruckminimuni am oberen Amazonas, das schon Herndon bei
seiner Thalfahrt konstatierte *)
Bedeutender als der Abfall von W nach O. ist die Senkung der
Amazonastiefebene vom Berglande von Guayana aus zur Stromrinne
des Amazonas. Die Niederung fällt hier auf einer Strecke von unge-
fähr 600 km fast 150 m. Nach Coudreau^) liegt z. B. die Konfluenz
der beiden Quellflüsse am oberen Trombetas 132 m, der Wasserfall
Porteira 28 m und Oriximina 15 m über dem Meere. Weiter im
Westen ist dagegen die Senkung von N. nach S. etwas geringer. Die
Jaryhana-Fälle des Japura liegen nämlich 140 m, Pebas am Amazonas,
fast unter dem gleichen Meridian, aber 250 km südlicher, 105 m hoch. *)
Ebenso ist der südliche Teil der westlichen Amazonasniederung flacher
als der östliche, von S. nach N. einfallende Muldenflügel. So beträgt
\i Spix u. Martins, Bd. III. Anhang S. 40. ") Amer. Journal
11. Ser. Bd. 46. S. 203. *) Pet. Mittig., 1887 p. 44. *) Herndon,
Exploration of the Valley of the Amazon. Washington 1853—54.
S. 261. *) Pet. Mittig. 1900 S. 130. •) Stiel ersehe Karte: „Süd-
Amerika"; Blatt 90.
— i6 —
die Meereshöhe bei der Mündung des Aquiry in den Purus, 1772 km
von der Mündung entfernt, 11 1 m, *) bei der Vereinigung des Purus
mit dem Amazonas 58 m, am Tapajoz dagegen beim Cach. de Maranhao
173 m, bei Santarem 30 m. *)
Auch von diesem gewaltigen Tieflande ist nicht viel mehr er-
forscht als die Ufergegenden der grösseren Flüsse. Urwälder breiten
sich hier in einer Ausdehnung aus, wie sie in anderen Gegenden der
Erde nicht mehr gefunden werden. Vom Fusse der Anden bis zum
Rio Negro und Madeira bedeckt der Wald die ganze Niederung. ^)
Ebenfalls scheint er nach Osten sich ununterbrochen fortzusetzen bis
zum Trombetas, wo dann ausgedehnte Campdistrikte die Oberherrschaft
gewinnen. „Die Nähe der Campregion", schreibt Ehrenreich, ,,die
hier den Urwald an verschiedenen Stellen durchbricht und nach Norden
zu sich wahrscheinlich bis zu den Savannen des inneren Guayanas er-
streckt, macht sich allenthalben im Osten bemerkbar. Inmitten der
hochstämmigen Wälder erscheinen plötzlich weite Lichtungen mit der
charakteristischen Campflora, den niedrigen, gewundenen, kronleuchter-
artig sich ausbreitenden Bäumchen mit weicher, dicker, rissiger Rinde,
steifen, rauhen Blättern, dichten Hecken, stachelicher Bromelien, kleinen
kugeligen Cacteen, Zwergpalmen und dürren Gräsern."*) Das ganze
Gebiet zwischen Trombetas und Paru ^j sowie ein grosser Teil der
Inseln Marajon *) und Mexiana ') gehören diesen Camp-Regionen an.
Auch Santarem liegt inmitten eines Camp-Distriktes. ®)
Die Ströme, die sich in dieser grossen Ebene bewegen, werfen
sämtlich ihre Wassermasse dem Amazonas zu, der die Niederung von
W. nach O. durchzieht. Sämtliche Flüsse tragen hier denselben Cha-
rakter eines in unzähligen Schlingen sich windenden Laufes und niede-
rer, während eines grossen Teils des Jahres vom Hochwasser über-
fluteter Ufer. Namentlich für die Gewässer westlich vom Madeira und
Rio Negro sind die fortwährenden Veränderungen des Stromlaufes
charakteristisch. Ehren reich schreibt hierüber:*; „Vom hohen Ufer
der terra firma , dem Rest jenes alten Meeresbeckens , werden unge-
*) Schichtel: „Der Amazonenstrom". S. 90. ^) Stielersche
Karte: „Süd-Am."; Bl. 90 u. 91. ') Martins S. 1271, 1272. — Orton
S- 393; — Bat es S. 274; — Ehrenreich, (Verhdlg. d. Ges. f Erdk.
z. Brl. 1890 S. 156) — Deutsche Rundschau 17. Jhrg. 1895 ^ 205. —
Wallace, Journ. R. G. S. 1858. Bd. 23 S. 212. — Keller-Leu-
zinger, „Vom Amazonas u. Madeira;** S. 76—78. *) Ehrenreich,
etc.; Verh. d. Ges. für Erdk. z. Brl. 1890 S. 159. ^) Coudreau, „La
France equinoxiale". Siehe Karte. *) Bat es, S. 91. ') Wallace
travels S. 86. ®) Griesebach S. 379. — Ehrenreich, a. a 0.
S. 159 u. 160. *) Ehren reich, a. a. O. S. 163.
— 17 —
heure Massen durch Unterspülung abgeschwemmt und geben an Bie-
gungsstellen Material für mächtige Alluvialbildungen, die schliesslich die
Ströme aus ihrer Bahn ablenken und zu neuen Volten nötigen. Es
entsteht so ein labyrinthisches Kanalsystem, das die Flüsse in ihrem
ganzen Laufe begleitet, die sogenannten I gar ap es, die aber auch weit
in die Terra firma eingreifen. Wird nach Bildung einer neuen Biegung
der Eingang oder Ausgang einer alten verlegt, so bildet sich an ihrer
Stelle eine bogenförmige Lagune, die durch kleine „Furos" mit dem
Hauptflusse in Verbindung bleibt. Beiderseits wird ein solcher Fluss
von einem ganzen System solcher Lagunen eingefasst, wie dies im
kleinen Massstabe auch bei europäischen Flüssen, z. B. dem mittleren
Rhein der Fall ist. Derselbe Prozess wiederholt sich bei den Neben-
flüssen; es bilden sich Kommunikationen zwischen diesen und den
Tributären des Parallelstromes, so dass schliesslich ein Fluss mit dem
andern in Verbindung steht."
Die geologischen Verhältnisse dieser grossen Niederung sind
heutzutage so ziemlich aufgeklärt. Schon bei der Betrachtung der
Bergländer Brasiliens und Guayanas haben wir erwähnt, dass im öst-
lichen Teile der Niederung sich paläozoische Formationen diesseits und
jenseits des Amazonas dem Strome nähern. Nach Suess bilden diese
paläozischen Ablagerungen eine symmetrische Mulde, deren Mitte die
Carbonschichten einnehmen. ') Eine Ueberflutung mag hier bis zur
Kreidezeit dann nicht mehr stattgefunden haben; denn bis zur creta-
cischen Formation besteht hier eine ausserordentliche Lücke in den
Sedimenten. Zur Kreidezeit aber war die ganze Amazonasniederung
(auch die Niederung westlich der paläozoischen Mulde, wo ältere For-
mationsglieder als Kreide nicht zu Tage treten) von einem gemeinsamen
Kreidemeer überflutet. Es ist ein grober Sandstein, der hier überall
abgelagjert wurde und in der Nähe von Ereve bis M. Alegre, ^) an den
Flüssen Maue-assu, Abacaxis und Canuma,') am Madeira, Aquiri und
oberen Purus, *) unterhalb Tunantins am mittleren Amazonas *) und am
„Marona Rock", unterhalb der Mündung des Rio Negro®) zu Tage
tritt. Auch tertiäre Sandsteine sind in der grossen Niederung gefunden
worden, jedoch nur an einzelnen Orten. Sie scheinen nicht gleichmässig
über die ganze Niederung verbreitet zu sein. ')
Ueber die Agassiz'sche Hypothese,") dass in der Quartärzeit
das grosse Thal eine ungeheuere Glazial-Zeit aufzuweisen hatte, dürfen
'j Suess, „Das Antlitz der Erde"; S. 659. ^) Suess etc.;
S. 638. ') Chan dl ess. Journ. R. G. S. 1870 S 421. *) Jour. R. G. S.
Bd. 36 Jahrg. 1866. — Pet. Mittig. 1867 S. 262. *) Bates, „Der Natur-
forscher" etc."^ S. 391. ") Amazon River, Blatt 6. Hydrographical
Office. Washington 1890. ') Suess, „Antlitz der Erde"; S. 660.
•) L. Agassiz, A. Journey in Brazil, Boston 1875 S. 398 ff.
R e i n d I , Schwarze Flüsse. 2
i8
wir hinweggehen, da sie bereits durch die Untersuchungen von Hartt,*)
Keller-Leuzinger,^) Barrington Brown*'') u. A. widcriegt
ist. Auch die Orton'sche*) Annahme der Existenz eines ruhigen
Binnensees zu dieser Zeit ist schon veraltet und bedarf keiner ein-
gehenden Erörterung mehr. Dagegen ist eine positive Strandverschie-
bung, eine Senkung der Schichten in der Quartärzeit, wie die ameri-
kanischen Geologen sie annehmen, ^) wonach das Meer in die paläozoische
Mulde eintrat und durch seine Tidenströme die Mündungen der in diese
Mulde eingehenden Flüsse erweiterte, worauf dann gleichzeitig von W.
her eine Zuschüttung des Meeresarmes durch die Sedimente des vor-
handenen Hauptstromes erfolgte, nicht ohne Weiteres von der Hand
zu weisen. Wenigstens für das Gebiet des unteren Amazonas werden
die Anschauungen dieser Geologen den dortigen Erscheinungen gerecht, *)
aber für das ungeheure Flachland westlich der paläozoischen Mulde
dürfte die Hypothese nicht annehmbar sein, denn hier haben sich der
Amazonas und seine Nebenflüsse in tertiäre Thone eingegraben, deren
Lagerungsverhältnisse beweisen, dass sie nicht aus fliessendem Wasser
abgesetzt sind. Hartt') und Brown*) gaben wohl die richtigste Er-
klärung über die geologischen Verhältnisse des Amazonasthaies seit
der Kreidezeit. Ausser dem schon erwähnten tertiären Sandstein
wurden nach Hartt und Brown auch blaue Thone abgelagert, die
fossilführend sind und durch ihre normale, meist horizontale Lagerung
auf Absatz an einem ruhigen Wasser, in das zahlreiche Ströme mit
viel vegetabilischem Material mündeten (häufige Lignit-Streifen zwischen
den Thonschichten), hinweisen. Brown glaubt, die Thone könnten die
obersten Glieder einer Schichtreihe sein, die in ähnlicher Weise, wie
die Schichten unserer Deltas, abgelagert wurde (die Fossilien sind Süss-
und Brackwasser-Mollusken). Neben diesen blauen Thonen liegen nun
— aber scharf von ihnen durch unregelmässige (falsche) Schichtung,
die auf Ablagerung aus fliessendem Wasser hinweist, getrennt — die
') Hartt, American Journal of Science, 3 Ser. Vol. 4 S. 53.
^) Kelle r - Leu zing er, „Vom Amazonas u. Madeira,'* S. 38 u. 39.
•) Barrington Brown, „On the tertiary" Deposits-on the Solimoes and
Javary'* River, Quart. Journal. Geol. Soc. London. Vol. 35. 1879 S. 76.
*) The Andes and the Amazon, 3. Aufl. New- York 1876 S. 551.
*) Smith, Brazil, Brooklyn 1879, Appendix. — Derby, Proc. Ameri-
can philos. Soc. Philadelphia Vol. 18. 1878—80. •) Ihre Anschauung
stützt sich auf den Umstand, dass die sedimentarmen Nebenflüsse des
Amazonas innerhalb der paläoz. Mulde weite Mündungen haben, die
in keinem Verhältnis stehen zu ihrer Wassermasse. ') Hartt, Ame-
rican Journal of Science, 3. Ser. Vol. 4. S. 53.^) Bar rington Brown,
„On the tertiary** Deposits on the Solimoes and Javary River, Quart.
Journal. Geol. Soc. London. Vol. 35. 1879 S. 76.
- 19 —
bunten Thone, welche ununterbrochen von den Anden bis zum Atl.
Ozean streichen. Ueber diesen Thonen folgen dann endlich jüngere
Flussablagerungen des Amazonas, wie Sande, feine Thone etc., eine
Bildung, die dem Laterit Afrikas ähnlich zu sein scheint. Namentlich
in der grossen Amazonasdepression westlich des Rio Negro und Madeira
ist die letztere Bildung ausgeprägt. „Ein anstehender Stein ist dort, "
sagt Ehrenreich,*) „eine Naturmerkwürdigkeit." „Der von den
Anden heimkehrende Bewohner dieses Flachlandes beladet" . nach
Pöppig^) „seinen Kahn mit dem festen Gestein des Gebirges, das
zum Schleifen von Werkzeugen und zum Mahlen von Mais bis zur
brasilianischen Grenze verführt wird."
B. Klimatologisehes.
Während wir aus dem Innern Afrikas ganzjährige
meteorologische Aufzeichnungen besitzen, ist dies vom Innern
Südamerikas nicht in gleicher Weise der Fall, obgleich das-
selbe civilisierten Staaten angehört. Wir sind deshalb auf
die Berichte der Reisenden angewiesen, wenn wir uns von
den dortigen Wind- und Regen Verhältnissen eine Vorstellung
machen wollen. Da aber diese Berichte grösstenteils nur
auf vorübergehend angestellten Beobachtungen und Mes-
sungen beruhen, so ist ohne Weiteres klar, dass unsere
meteorologischen Kenntnisse über diese Gebiete noch auf
ziemlich schwachen Unterlagen beruhen.
Das betrachtete Gebiet gehört nach der Einteilung der
Erde in Klimaprovinzen von Koppen, 3) die vorzugsweise
auf die Vegatation Rücksicht nimmt, dem Lianen- und dem
Baobabklima an, einzelne Theile auch dem Camellien und
Hochsavannenklima. Das Lianenklima, das eigentliche Ur-
waldklima, ist hauptsächlich in der gangen Amazonasniede-
rung und auf der Seeseite der Sierra do Mar bis zum
Wendekreis des Steinbocks ausgeprägt. Die jährliche Regen-
menge ist hier sehr gross, eine Trockenzeit fehlt oder sie
*) Ehrenreich, Verhdlg. d Ges. f. Erdk. z. Brl. 1890 S. 159.
^) Pöppig, Reisen in Chile, Peru u. auf dem Amazonas, Leipzig 1831
S. 340. *) Koppen, Versuch einer Klassifikation der Klimate vorzugs-
weise nach ihren Beziehungen zur Pflanzenwelt." Leipzig 1901 S. 23
bis 29.
2*
— 20 —
ist doch höchstens nur 2 Monate lang. Ebenso fehlt eine
Jahresschwankung der Temperatur fast ganz. Der Unter-
schied zwischen dem wärmsten und kältesten Monat beträgt
nur I bis 6^ C, wie uns Hann in seiner Tabelle „Tempe-
raturmittel für Guayana und Brasilien" zeigt. \) Hochstäm-
mige Urwälder von höchst mannigfaltiger Zusammensetzung,
von Lianen und Epiphyten durchweht, kennzeichnen diesen
ungeheuren Bezirk. Ein anderer Theil unseres Gebietes
weist das Baobabklima, das typische Savannenklima, auf,
das namentlich auf dem bras. Bergland südlich vom Ama-
zonas bis zum 24 s. B. in seiner westlichen, und bis zur
San Franciscoquelle in seiner östlichen Ausdehnung dominiert.
Auch in Venezuela und in Britisch-Guayana herrscht dieses
Klima vor. Der Temperaturunterschied zwischen dem wärm-
sten und kältesten Monat ist hier meistens grösser, der
Regenfall erreicht nicht mehr 2000 mm und eine ausge-
sprochene Trockenheit stellt sich ein. Savannen (Campos)
und lichte Wälder, die in der Trockenzeit ihr Laub ab-
werfen (Caatingas) , bestimmen den Landschaftscharakter.
Nur in den grossen Flussthälern finden sich Urwälder, die
mehr den Typus der Lianenregion haben und als regelrechte
Galeriewälder uns entgegentreten.
Südlich von der Baobabklimaprovinz folgt in Brasilien
das Gebiet des Camellienklimas. Die tiefste Monats-
temperatur erreicht hier noch nicht 2^ C. Immergrüne
Macquis und fruchtbare Matesträucher herrschen hier vor.
Die Niederschläge fallen ziemlich reich zu allen Jahreszeiten.
In Parzellen tritt das Hochsavannenklima im oberen
Rio-Negrogebiet einerseits und auf einem kleinen Teile der
Sierra do Mar vom 20 bis 23^/2^ s. B. andererseits auf. Ausge-
sprochene Trockenheit im Winter und Frühling, häufige und
heftige Regengüsse im Hochsommer sind charakteristisch.
Die Blütezeit der Pflanzen fällt in den Spätsommer.
Was die regelmässigen Temperaturmessungen in den eben be-
sprochenen Regionen betrifft, so sind dieselben noch äusserst spärlich
*) Hann, Handbuch der Klimatologie. 1897. IL Bd. S. 349—^83.
— 21 —
und beschränken sich fast nur auf die Küstengebiete. Nur von einigen
wenigen Orten des Innern, wie von Iquitos, Manaos, Cuyaba und San-
tarem liegen auch ganzjährige Beobachtungen vor. Die Resultate
hierüber hat bereits Hann in klassischer Weise kritisch verarbeitet
und in seinem Handbuch der Klimatologie niedergelegt. Die mittlere
Jahrestemperatur scheint darnach fast nirgends über 26 V2® merklich
hinauszugehen und der jährliche Wärmegang ist überall ziemlich gleich.
Nur im äussersten Nordosten fällt die niedrigste Temperatur noch auf
den nördlichen Winter, auf Januar und Februar, das Maximum aber in
die Trockenzeit, auf September und Oktober. Ferner treten vom 8® S. B.
an der südliche Sommer und Winter in ihre Rechte ein, indem die
wärmsten Monate hier Dezember bis Februar, die kältesten Juni und
Juli sind.
Auch die Jahresschwankung der Temperatur ist im ganzen tropi-
schen Teile Südamerikas nicht erheblich, selbst im Innern gegen den
Wendekreis des Steinbocks hin beträgt sie nur 8—9 ®. Nur die mittleren
Jahresminima auf den Hochflächen Südbrasiliens sind nach Hann
ziemlich schwankend, während aber die Maxim a fast konstant bleiben.
Selbstverständlich zeigt die Küstenlandschaft etwas grössere Ab-
weichungen bezüglich der Jahresschwankungen der Temperatur, die
sich im südlichsten Teile Brasihens, wie Hanns Tabelle zeigt, sogar
bis zu 30® Differenz erhöhen können.
Unregelmässiger als diese Temperaturverhältnisse sind aber die
dortigen Wind- und Niederschlagsverhältnisse, die wir infolgedessen
auch einer eingehenderen Betrachtung unterziehen wollen. Betrachten
wir nun zuerst die Wind-, dann die Niederschlagsverhältnisse.
I. Winde.
Das Gebiet, in dem sich die schwarzen Flüsse Süd-
amerikas befinden, liegt grösstenteils in den Tropen, wo die
Winde abhängig sind von den über den Weltmeeren ruhen-
den Hochdruckgebieten, aus welchen die Passate wehen,
deren Wandern mit dem Sonnenstande dann noch den Grund
zur Veränderung der Jahreszeiten gibt. Zwischen beiden
Passatzonen liegt der Gürtel der Windstillen mit Regen zu
allen Jahreszeiten. Wenn die Sonne am weitesten nördlich
steht, so bemerken wir den Nordostpassat auf den Antillen,
an der Küste von Venezuela und Centralamerika sowie auch
noch in Guayana, während er über die Küsten hinaus in
das Innere des Kontinents nicht zu dringen vermag. Dagegen
überweht dann der Südostpassat von Brasilien her einen
— 22 —
grossen Teil Südamerikas bis zu den Anden und erreicht
sogar noch die Llanos und den Rand der Gebirge von
Venezuela, so dass hier im Juni und Juli eine Unterbrechung
der Regenzeit eintritt. Wendet sich die Sonne südwärts, so
gewinnt in dieser Richtung das Gebiet des Nordostpassats
an Ausdehnung, während der Südostpassat zurückweicht.
Der Nordostpassat überweht dann im Januar den ganzen
Norden bis gegen den Amazonas, während der Südostpassat
sich auf die Küsten Südbrasiliens beschränkt und im Innern
Platz für die veränderlichen Winde der Kalmenregion lässt.
Da nicht allein die geographische Breite, sondern auch
die Bodengestaltung von wichtigem Einflüsse auf die Wind-
richtung ist, so treffen die eben erwähnten Regeln nur der
Hauptsache nach zu und es können sich daher Verhältnisse
zeigen, die ganz verschieden, ja oft entgegengesetzt sind
von dem, was wir allgemein sagten. Betrachten wir die
einzelnen Gebiete für sich.
Im Küstengebiet Guayanas weht nach Kappler*) der Wind be-
ständig aus Osten; „in den ersten Monaten des Jahres hat er eine
mehr nördliche, in den grossen Regenzeiten eine mehr südliche Richtung.
In der Trockenzeit herrscht meist Windstille bis gegen Nachmittag, wo
die Seebrise sich erhebt, die Hitze schnell mässigt und bis 9 Uhr oder
II Uhr abends anhält. Westliche Winde sind äusserst selten und
halten nie länger als einige Stunden an. Orkane kommen nicht vor."
Auch im Innern Guayanas ist die Wirkung des Passats noch stark
zu verspüren.*) Unter dem Namen „Savannen wind" zeigt er hier seine
Herrschaft. Schomburgk schreibt darüber : ') „Schon mochten wir
einige Stunden gefahren sein, als uns plötzlich durch die drückende
Schwüle ein kühler Windzug entgegen wehte, den die Indianer als den
erfrischenden Savannenwind willkommen hiessen. Dieser ungemein
heftige Wind ist im Innern ganz das, was an der Küste die kühle See-
luft ist, da er, wie jene, täglich aufspringt. Gewöhnlich erhebt er sich
abends acht als sanfter kühler Nordost, der gegen Mitternacht seine
grösste Stärke erreicht, wo er gleich einer Windsbraut über die
Savanne hinfegt, dann gegen Tagesanbruch allmählig abnimmt und mit
der aufgehenden Sonne plötzlich nach Ost umspringt." Besonders
häufig sind ausser diesen Savannen winden im Innern, namentlich am
') Hann, Klimatologie Bd II S. 358. *) Rieh. Schomburgk,
Bd. I S. 282. *) Ebenda S. 353.
— 23 —
Rupununi, Mahu, Takutu etc. auch die eigentümlichen Wirbelwinde, die
plötzlich entstehen und über die Savanne ziehen. „Plötzlich sieht man,
wie von einem Punkte aus der Staub und die Blätter der Sträuche u. s. w.
ziemlich in horizontaler Richtung in schneckenförmiger Linie eine
Strecke über die Ebene hingetrieben werden, bis sich der Anfang immer
mehr hebt und bald als spirale Säule einen Augenblick über der
Savanne steht und dann über diese hinjagt, wobei sie gegen die Erde
hin immer durchsichtiger wird, sich dann in der Mitte scheidet und
spurlos verschwindet".*)
Am oberen Rio Negro und im Gebiete der Bifurkation des Orinoco
und Amazonas ist der Passat nicht mehr zu spüren, während er etwas
nördlich davon, in den Llanos des Orinoco, noch frei über die aus-
gedehnten Savannen streicht.^)
Eigenartige Verhältnisse findet man im Amazonasthal. Während
man erwarten sollte, dass hier die Windstille des Kalmengürtels aus-
geprägt wäre, fehlt diese Erscheinung ganz. Vielmehr vereinigen sich
hier die nördlichen und südlichen Passate zu einer mittleren, genau
östlichen Windesrichtung und verbreiten die verhältnismässig frische
Kühle des Meeres in das Innere, indem sie zugleich dem Klima des
Hauptthalweges eine seltene „Salubrität" verbürgen.") „Bei Santarem"
schreibt Bates, „herrscht 5 bis 6 Monate des Jahres mit wenigen
Unterbrechungen der Ostwind, — der amazonische Handelswind.''*
Auch in Villa Bella lässt ihn derselbe Forscher noch heftig wehen
dagegen soll er zu Manaos nicht mehr zu spüren sein.*) Schon Griese-
bach betrachtete als Ursache dieses Ostwindes das Wärmecentrum in
den weiten Ebenen des oberen Amazonas. ,,Dort werden", schreibt
er,*) „nur unregelmässig wechselnde Luftströmungen und häufige Wind-
stillen beobachtet, wie in dem Kalmengürtel des Meeres. In diesem
Abschnitte des Stromlaufes, wo derselbe den Namen Solimoes führt, ist
der Wald am ausgedehntesten und undurchdringlichsten, von Savannen
nirgends unterbrochen; das ganze Jahr hindurch fallen die Nieder-
schläge, der menschliche Organismus wird durch die Wärme und
Feuchtigkeit der Luft berührt, als befände er sich in einem beständigen
Dampf bade. Hier liegen die höchsten Isothermen (20® R) in der Nähe
des Äquators, die erst ostwärts zu den offenen Campos Brasiliens in
südlicher Breite übergehen. Diesem inneren Wärmecentrum ist es
zuzuschreiben, dass am unteren Amazonas ein immerwährender Ostwind
herrscht, welcher den Wasserdampf des Atlantischen Meeres beständig
erneuert und dem Festlande zuführt."
') Rieh. Schomburgk Bd. II S. 7. *) Griesebach S. 361.
») Griesebach S. 37a *) Bates S. 127. *) Bates S. 156. •; Grie-
sebach S. 378.
24 —
Ob Griesebach recht hat? Schon Martius berichtet, dass
zwischen Manaos und Egas noch sehr starker Ostwind zu spüren sei.
„Wir waren froh*', schreibt er, „mit Anbruch des Tages durch den
Ostwind begünstigt zu werden, welcher den ganzen Tag anhaltend
uns an der langen Sandinsel Praya do Perquito vorüber, gegen' Abend
auf die Praya de Goajaratuva brachte."*) Desgleichen beobachtete
Brown zwischen Manaos und der Javary Mündung die gleiche Wind-
richtung,^) und Galt,*) Rimbach,*) Herndon*) fanden sie im oberen
Amazonasthal. Da ferner die ganze Ostseite der Anden nach den
Reiseberichten Monniers,') Hettners^) u. A. auf eine ausserordent-
liche wasserdampfr eiche östliche Windströmung hinweist, die aber nichts
anderes sein kann als der Passat, so dürfte die Erklärung G r i e s e •
bachs für den O.-Wind am unteren Amazonas, als entstanden durch
Aspiration des genannten Wärmecentrums am oberen Amazonas,
wenigstens nicht allgemein gültig sein und der O.-Wind am unteren
Amazonas dürfte z. B. nichts anderes sein als der gewöhnliche
S.-O.-Passat, der nach O. abgelenkt ist, weil er aus höheren in niedere
Breiten kommt.
Wie liegen nun die Windverhältnisse in dem von uns
zu betrachtenden Gebiete südlich des Amazonas? Da uns
von den dunklen Zuflüssen des Purus und Madeira keine
derartigen Angaben vorhegen, so müssen wir uns an die
Angaben halten, die darüber bei den Hauptströmen
oder deren grösseren Weisswasserzuflüssen vorhanden
sind und die im allgemeinen auch hier zutreffend und
passend sein dürften. Am Purus und Aquiry herrschen
nach Chandless in der Trockenzeit (Juni bis September)
abwechselnd warme Winde von N.W. mit hellem Wetter
und kühle von S.-O. und O.-S.-O., welche stets von starken
Regen begleitet sind und dadurch grosse, aber schnell sich
verlaufende Überschwemmungen hervorrufen.^) Ausserdem
tritt nach Ehrenreich ^) am Purus gegen Ende der Regen-
zeit häufig eine oft mehrere Tage anhaltende sogenannte
') Spix u. Martius S. 1137, 1144. ^) Brown and Lidstone a. a.
O. p. 449, 489. ") Galt. Iquitos. Proc R. G. S. 1873. Bd. 17 S. 13a
*) Rimbach: „Reise im Gebiet des oberen Amazonas". (Zeitschr. d.O.
f. Erdk. z. Brl. 1895 S. 387. ^) Herndon, Exploration ofthe Valley ofthe
Amazon, Washington 1853-54 S. 194. *) Monnier, Bull. S. G. 1889
S. 548. ') Hettner, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 1885 S. 392. *) Chand-
less, Journ. R. G. S. Bd. 36 S. 108 u. 122. *) Ehrenreich, „Verhdlg.
d. Ges. f. Erdk. z. Brl. 1890 S. 108."
— 25 —
„Friagem" ein, ähnlich wie in Mato Grosso, mit heftigem
Südwestwind, Nebel und starker Temperaturerniedrigung
bis auf 15 Celsius, eine Erscheinung, welche durch kalte
Luftströmungen von den Cordilleren herbeigeführt wird,
wenn nach andauernder Hitze die feuchtheisse Tieflandsluft
in die Höhe steigt. Auf der Madeira-Platte sind ebenfalls
zur Trockenzeit (Juni und September), wie am Purus, ab-
wechselnd warme Winde von N.-W. und kühle von S.-O.
vorherrschend. „Die beiden Windrichtungen", schreibt
Gibbon,^) „scheinen in fortwährendem Kampfe miteinander;
manchmal weht es genau drei Tage von S.-O. und dann
ebenso lang von N.-W.; das ist so häufig der Fall, dass die
Einwohner sagen, wenn der Wind aus einer Richtung be-
gonnen hat, erwarten sie ihn drei Tage lang aus derselben."
Am unteren Abacaxis beobachtete Chandless^) meistens
den N.-O. oder O.-N.-O., der die Richtung des Flussthaies ver-
folgte. Da diesen Wind auch Bat es am Tapajoz^) und
die Xingu-Expedition bei ihrer Thalfahrt auf dem Xingu
beobachteten, so ist anzunehmen, dass er nichts anderes ist
als der O. -Passat des Amazonenthaies, der in die weiten
Thäler der südlichen Amazonasnebenflüsse aufsteigt und hier
als N.-Wind sich zeigt.
Am mittleren Tapajoz und im Quellgebiete dieses Flusses sind
die Windverhältnisse von Mato Grosso massgebend. Die meteoro-
logische Tafel , die Vogel seinem Reisebericht : „Reisen in Mato
Grosso 1887/88" nach genauen Beobachtungen zu Cuyaba beigegeben,*)
sagt, dass die N.-W. -Winde während der Regenzeit, die Südwinde
während der Trockenzeit ihre grösste Häufigkeit haben. Weitaus
überwiegend sind die Nord- und N.- West- Winde. Die zu erwarteten
S.-O. -Winde treten nur in den Monaten Dezember bis April etwas
häufiger auf. Ähnliche Beobachtungen machte auch Gl a u s s bei seiner
Xingu-Expedition^j Er schreibt: „Die Nächte auf dem Plateau waren
immer klar. Mittags wurde der Horizont rings von mächtigen Gumuli
umsäumt. Ebenso herrschte in den Nächten, sowie abends und morgens,
gewöhnlich vollkommene Windstille. Dagegen setzte mit Regelmässig-
*) Gibbon, Exploration of the Valley of the Amazon ; Washing-
ton : meteorologisches Journal für Trinidat vom Juni bis August 1852.
^) Journ. R. G. S. 1870. London. S. 423. ') Bat es, S. 238. *) Vogel,
Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. z. Brl. 1893. ") Pet. Mittig. 1886 S. 170.
— 26 —
keit um lo» und ii* ein scharfer N.-O. bis N.-W.-Wind ein, meistens N.
Er kam in Stössen, die häufig 5 der Beaufortskala erreichten. Dieser
Wind liess nachmittags ab und hatte sich um 3 Uhr vollständig gelegt
Da in Cuyaba in dieser Jahreszeit der Südwind dominiert, so darf man
vielleicht an eine Luftbewegung denken, welche durch die starke Be-
strahlung des Plateaus in den wolkenarmen Monaten hervorgerufen
wird; dann müsste ja die Luft von den Niederungen in N. und S. des
Plateaus nach diesem zusammenfliessen. Dafür würde auch sprechen,
dass an einigen bewölkten Tagen, am 21 , 23. und 24. Juli der Nord-
wind ganz ausblieb." (Siehe auch Clauss: Tafel I: Resultate der
meteorologischen Beobachtungen in Cuyaba, P. M. 1886 S. 169 )
Diese N.-W.- Winde, die wir auch bei der Betrachtung der Wind-
verhältnisse am Purus und auf der Madeira-Platte kennen lernten, sind
also nichts anderes als aspirirte Winde, was auch schon der Umstand
beweist, dass sie nach Norden zu häufiger und länger auftreten, während
im Süden dasselbe für den S.-O. der Fall ist. Dieser letztere Wind
dagegen ist der Südostpassat, der jenseits des Äquators vom atlantischen
Meere über den Kontinent bis zur Hylaea und zu den Anden hinweht.*)
An der Ostküste sind der „viracäo" oder der See- und der „terral"
oder der Landwind die regelmässigsten täglichen Winde. ^) Das Vor-
herrschen der Seewinde aus S.-O. bewirkt jene Feuchtigkeit an der
Küste und auf der Ostseite der Serra do Mar, dass hier bis zum
Wendekreis die vegetative Entwickelung niemals unterbrochen wird.')
Auch im Staate Sao Paulo sind der „viracäo" und der „terral" noch
ausgeprägt. Lange*) schreibt, dass von 10 Uhr vormittags bis gegen
4 Uhr nachmittags der N.-W. vorherrsche, dann sich aber eine süd-
östliche Windrichtung zeige, die ein bedeutendes Sinken der Temperatur
bewirke und die Feuchtigkeit in der Atmosphäre erhöhe. Der S.-O.- Wind
ist der häufigste; während der Wintermonate hat aber der N -W.-Wind
Neigung, vorzu herrschen. Dagegen haben die südlichsten Provinzen
Brasiliens, südlich vom Wendekreis, ganz andere Windverhältnisse.
Im Sommer herrschen hier nordöstliche Winde vor, während im Winter
daneben auch südwestliche und südöstliche Winde zur Geltung kommen.*)
Am Lagoa dos Patos ist die auffallende Erscheinung, dass die Winde
immer nur wenige Tage aus einer Richtung wehen und dann in die
entgegengesetzte umschlagen, so dass es den Segeljachten möglich ist,
den einen Wind zur Hinfahrt, den andern zur Rückfahrt von Rio Grande
zu benutzen.*) Wahrscheinlich ist dieser Wind Wechsel durch wandernde
örtliche Gebiete niedrigen Luftdrucks bedingt. Die Stürme wehen fast
*) Griesebach S. 394. ^) Pet. Mittig. 1891 S. 15. ^) Griese-
bach S. 395. *) Lange, „Aus dem Staate Säo Paulo*' P. M. 1891
S. 15. ^) Segelhandbuch für den Atl. Ozean; herausgeg. v. der See warte,
Hamburg 1885 S. 66 ") Pet. Mittig. 1887. S. 292.
— 27 —
immer aus Nordwest und Südwest;') manche auch aus Nordost, welche
zugleich die stärksten sind. So wurde an der Barre von Rio Grande
ein N.-E.-Wind von 43,6 m und ein S.-W.-wind von 38,5 m Geschwindig-
keit beobachtet.*) Im Binnenlande wird am meisten der Minuano ge-
fürchtet, ein sehr heftiger, kalter Westwind, der in der Regel bei
klarem Himmel drei Tage lang anhält. Er wird gewöhnlich mit dem
Pampero verwechselt, der aber mehr aus Südwesten kommt und eben-
falls kalt, aber nicht trocken, sondern meist der Vorläufer oder Begleiter
heftiger Gewitter ist.')
II. Niederschlagsverhältnisse.
Wäre die jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge
in den Tropen nur abhängig von dem Zenitstande der
Sonne, so würde aus der Hauptregel der normalen tropischen
Regenzeiten unmittelbar folgen, dass am Äquator und hinauf
bis zu jenen Entfernungen zu beiden Seiten desselben, wo
zwischen den beiden Zenitständen der Sonne noch ein
längerer Zeitraum liegt, sich zwei Regenzeiten im Jahre
bemerkbar machen, entsprechend den beiden Durchgängen
der Sonne durch den Zenit. Meistens stellen sich im be-
treffenden Gebiete auch solche doppelte Regenzeiten ein;
aber bei den geringen Wärmeunterschieden der doppelten
Insolationsmaxima sind secundäre Einflüsse leicht im Stande,
das Auftreten doppelter Regenzeiten zu unterdrücken.
Namentlich sind es topographische Faktoren, welche den
theoretischen Voraussetzungen entgegen einen ununter-
brochenen Gürtel doppelter Regenzeiten nicht recht auf-
kommen lassen. Das Folgende wird uns lehren, dass auch
im Gebiete der schwarzen Flüsse Südamerikas die Nieder-
schlagsverhältnisse nicht so einfach liegen und dass die
jahreszeitliche Verteilung derselben sich nicht so gleichmässig
und regelmässig abwickelt, wie man meist annimmt.
Am Ynirida haben wir z B. nach Montolieu*) nur eine Regen-
zeit, die vom März bis Oktober dauert; am Atabapo bei San Antonio
*j Beschoren, „Beiträge z. näheren Kenntnis der bras. Provinz
Rio Grande do Sul"; Pet. Erg. 1889— 90 S. 79. *) H. v. I bering, „Deutsche
geogr. Blätter VII S. 168. *) Pet. Mittig. 1887 S. 292. — Pet. Erg.
1889-90 S. 79 — Av6-Lallemant: „Reise durch Süd-Brasilen" I. Tl.
S. 468. *) Montolieu, Bul. S. G. 1800 S 290.
.1
— 28 —
de Yavita regnet es fast das ganze Jahr.*) In Yavita mass Humboldt
den Regen, der am i. Mai (1800) innerhalb 5 Stunden 46 mm und am
3. Mai sogar 30 mm innerhalb 3 Stunden ergab.') „Am Pimichin", schreibt
der gleiche Forscher, „regnet es seit mehreren Monaten unaufhörlich und
Bon pl and gingen die Exemplare von Pflanzen, die er mit künstlicher
Wärme zu trocknen suchte, zu Grunde." *) Auch am oberen Rio Negro
sind alle Monate des Jahres reich an Niederschlägen; „es regnet fast das
ganze Jahr, Dezember und Januar ausgenommen, und selbst in der
trockenen Jahreszeit sieht man das Blau des Himmels selten zwei, drei
Tage hintereinander. Da es unaufhörlich regnet (der Regen ist fein,
aber sehr dicht), so können in diesen Wäldern jährlich nicht wohl unter
2.43 bis 2,71 m Regen fallen.*) In San Carlos*) sah Humboldt zu ver-
schiedenen Zeiten in 2 Stunden 16 mm; in 3 Stunden 40 mm ; in 9 Stunden
106,8 mm Regen fallen. Die Regenzeit findet hier bei nördlicher
Deklination der Sonne statt und ist normal.
Abnorm ist dagegen das Fehlen einer Trockenzeit im Fallgebiete
des Rio Negro. Wallace schreibt darüber:*) „Die regelmässige
tropische Trockenzeit ist hier fast verschwunden, das ganze Jahr hin-
durch ein beständiger Wech.sel von Regenschauern und Sonnenschein.
Im Juni, Juli, August und September, wenn der Amazonassommer in
all seiner Glorie steht, haben wir hier nur wenig besseres Wetter im
Juni; dann wieder so viel Regen wie immer, bis im Januar und Februar,
wenn die nasse Jahreszeit am Amazonas beginnt, hier im allgemeinen
1 — 2 Monate warmes Wetter herrscht." Die Erklärung dieser abnormen
Erscheinung ist nicht schwer. Ohne Zweifel steht die aspirirende Wirkung
der Llanos des oberen Orinoco damit im engsten Zusammenhange. Dies
bestätigt uns Spruce'), der diese Verhältnisse eingehender untersucht
„Die Regenzeit unter dem Äquator und nördlich von ihm zur Zeit des
Amazonassommers kann uns nicht wundern bei der allgemeinen Ver-
schiebung der Jahreszeiten nach S. zu über den mathematischen Äquator
(Napo, Canelos); das „bessere Wetter" im Juni fällt auf die nördlichste
Deklination der Sonne. — Wenn die nasse Jahreszeit am Amazonas
ihren Höhepunkt hat (März, April), aspiriren die Llanos des Orinoco;
es müssen sich daher am Rande des Berglandes von Guyana (Negro
Fälle) und an den Bergen nördlich von ihm Steigungsregen niederschlagen,
die mit der Höhe jener Berge (dem jetzigen Verlauf der brasilianisch -
venezuelischen Grenze) abschneiden.
Gehen wir weiter nach Osten, nach Guayana! Hier haben wir
genau das Klima des Innern von dem des Küstenlandes auseinander zu
') H u m b o 1 d t, Bd. III S. 225. ") Ebenda S. 225. ') Ebenda S. 228.
*) Ebenda S. 269. *) Ebenda S. 269. •) W alla ce, travels S 430. ') Jörn.
1860 Bd. 36 p. 71.
— 29 -
halten. Das Centralfeld oder die grosse Savanne von Britisch Guayana
(3®— 4® N.; 56"— 60" W.) hat nach Appun*) nur eine Regenzeit vom
April bis August mit durchschnittlieh 200-230 cm hohem Regenfall,
Nordwest- und Westwinden, furchtbaren Gewitterstürmen und gewaltigen
elektrischen Entladungen. Die Niederschläge sind an manchen Stellen
zu dieser Zeit geradezu enorm. So betrug z. B. die Quantität des ge-
fallenen Regens am Takutu nach Schomburgk^) bei einem einzigen
Regenfalle, der nur einige Stunden dauerte, 75-100 mm, und die an-
gestellten Beobachtungen desselben Forschers ergaben dort von Ende
Mai bis Ende August 72 Zoll (1,8 m) Regen. Zu Pirara war infolge der
mächtigen Regen die Atmosphäre mit Feuchtigkeit so geschwängert, dass
die Kleidungsstücke der Mitglieder der Schomburgk'schen Expedition
in den Koifern vermoderten. Eiserne Werkzeuge, die nur wenige Tage
am Boden gelegen hatten, waren von Rost bis zur Unbrauchbarkeit
zerfressen, das Silber war oxydirt, die Arsenikseife zersetzt und die
botanischen Sammlungen zerstört. ')
Zur Trockenzeit, die vom September bis zum April dauert und
von O.- und NO.-winden begleitet ist, herrscht in den Savannen Dürre
und Wassermangel. Nur die Flüsse und Bäche, die mit Galleriewäldern
begleitet sind, wie dies meistens im Quellgebiete der schwarzen Flüsse
der Fall ist, empfinden nicht die sengende Hitze, ihre Ufer sind auch
zu dieser Zeit feucht und sumpfig. „Man hat behauptet," schreibt
Schomburgk, ,,dass die Vegetation erst einige Tage Regen verlange
bevor sie von neuem zu treiben beginne; die Ufer des Takutu aber wider-
sprechen dieser Annahme in der blühendsten Sprache; denn der Monat
März und die zurückgelegten Tage des April waren fast ohne einen
Tropfen Regen vorübergegangen und doch waren die Ufer des Flusses
an vielen Stellen wie mit einem Blütenteppich überzogen.*)
Während nun die Savannen im Innern nur eine Regen- und
Trockenzeit besitzen, fallen in den höheren Teilen des Landes unter
denselben Breiten z. B. am Roraima auch im November und Dezember
Regen, so dass hier also wie an der Küste, eine doppelte Regenzeit
herrscht*) Daraus erfolgt, dass auch im Innern Guayanas zwei Zenit-
regenzeiten ausgebildet wären, wenn nicht die unermesslichen Urwälder
der Küste den Passatwinden zur kleinen Regenzeit deren Feuchtigkeit
berauben würden.
An der Küste Guayanas teilen sich die Regen- und Trockenzeiten
in folgender Weise:")
*) Siehe H ann, „Klimatologie*' Bd. II S. 359. ^) Schomburgk, R.,
Reisen etc. Bd. IIS. 143. ') Schomburgk, R., Reisen etc. Bd. II S. 128
*) Ebenda S. 21. *) Sievers, „Amerika" S. 172. *j Joest, W., „Guayana
im Jahre 1890" (Verhandlung der Ges. für Erdk. zu Berlin) Bd. 18 S. 402.
— 30 —
Ende Februar bis Ende Mai kleine trockene Zeit; Ende Mai bis
Ende August grosse Regenzeit; Ende August bis Ende November trockene
Zeit; Ende November, bis Februar nächsten Jahres kleine Regenzeit.
Freilich benimmt sich, nach Joe st, auch hier der Himmel nicht immer
so, wie es die Meteorologen nach eben genannter Regel feststellten
J o e s t schreibt : „Als wir am 7. Februar im Georgetown anlangten,
hatte es dort 21 Tage hindurch täglich, beinahe unaufhörlich geregnet —
das nannte man die „kleine*^ Regenzeit. Während meines Aufenthaltes
in Surinam, von Mitte Februar bis Mitte April 1890, musste ich jeden
Tag „Regen" in mein Tagebuch eintragen. Oft waren es nur kurze
Schauer, häufig aber strömte der Regen ohne Unterbrechung 24 Stunden
hindurch. Das war also während der „kleinen trockenen Zeit". Die
Niederschlagsmengen während der Regenzeit sind an der Küste ebenfalls
grösser als im Innern. Während z. B. nach den von Schomburgk*j
angestellten Beobachtungen in den Savannen die Höhe des von Ende
Mai bis Ende August gefallenen Regens 72 Zoll betrug, schwankte sie
während derselben Zeit an der Küste z^^-ischen 80 und 100 Zoll. In
Georgetown-Demerara betrug der Regenfall im Jahre 1889: 97,36 engl
Zoll <,ca. 2400 mm\ in Paramaribo in derselben Zeit bei 214 Regentagen
2276,26 mm. Im Jahre 1890 wurden in Paramaribo sogar 226 Regentage
verzeichnet mit etwa 9336,8 mm Regenfall.') Das Aussehen dieses Ge-
bietes zur Regenzeit schildert Kappler in malerischer Weise.*»
Schwere Regengüsse, wie man sie in Europa nicht kennt, fallen oft
mehreremale täglich : leichtere Ladungen halten auch wohl, aber selten,
tagelang an: alles niedere Land wird unter Wasser gesetzt; die FlQssc
des oberen Landes treten aus und viele Savannen gleichen Seen, über
die man mit grösseren Ruderbooten fahren kann. Flusslische ziehen in
die überschwemmten Waldungen ein und leben von Früchten und
sa!\igen Beeren. Im Innern des Landes, wo die L'fer steil und bergig
sind, kann der Unterschied zwischen dem höchsten Wasser der Regenzeit
und dem tiefsten der Trockenzeit 10—13 "* betragen. Gegen die Mitte
des Juli nehmen die Regenschauer ab und fallen nur noch zu gewissen
Tageszeiten und Nachtstunden"
Anders wiederum, als auf dem guayanischen SchoUenlande und
an der nördlichen Küste von Südamerika finden wir die Regen- und
Trookenzeiten . sowie die Niederschlagsmengen, im Amazonenthal
verteilt- In Parä* . an der Mündung des Amazonas, gleicht jahraus
' S c h o m b u r g k . Rieh.. Bd. LI S- 143 * Dieselben verteilten sicfc
in !.^ Inender Weise auf das Jahr: Januar 23; Februar 17; März 21:
AprL jo: Mai xi, Juni 27; Juli 27; Augtist 15: September 13 ; Oktober^:
N Yc n:S: r 14: LV ze ~ ber 2 1 Regentage. * H a n n . „K lina: : Lo gie"* Bd. E
S A=Ä * Bjies S. A-
- 3' —
jahrein ein Tag dem andern. Ein kleiner Unterschied besteht zwischen
der trockenen und der nassen Jahreszeit; in der Regel aber wird die
trockene Jahreszeit, von Juli bis Dezember, durch Regenschauer unter-
brochen, die nasse, von Januar bis Juni, durch sonnige Tage. Zu
Santarem *j, am Einflüsse des Tapajoz in den Amazonas, beginnt die
Regenperiode Anfang Februar und ist vom April bis Juni am stärksten
ausgebildet; vom August bis zum Februar verstärkt sich die Heftigkeit
der Ostwinde; dann herrscht fast vollkommene Dürre und heiterer
Himmel. Der späte Beginn der Regenzeit in Santarem und der völlige
Regenmangel während der Trockenzeit beruhen beide wohl auf lokalen
Verhältnissen, denn Santarem liegt nach B a t e s ^J inmitten eines Camp-
Distriktes, wo wahrscheinlich die zwischen Tapajoz und Xingu bis zum
Amazonas vorspringende bewaldete Hochlandszunge den Regenschatten
wirft. Dass diese eigentümlichen Niederschlagsverhältnisse lokaler Natur
sind, beweist auch der Umstand, dass weiter oben am Tapajoz, in der
Nähe der Fälle (4*30' s) B a t e s ') das Klima auch in der Trockenzeit
feuchter fand und Coudreau*) auf seiner meteorologischen Tabelle,
worauf er das Wetter am Tapajoz vom 28. August 1894 bis i. Januar 1895
angegeben hatte, von diesen 127 Tagen 25 Regentage verzeichnete.
Oktober und November hatten an je 16 Tagen Regen. Da auch Bat es*)
für Villa Bella, am Einflüsse des Parana do Ramos in den Amazonas,
eine kleine Regenzeit erwähnt, die bereits zu Manaos deutlich hervortritt,
so dürrte unsere Annahme, dass zu Santarem nur lokale Einflüsse eine
kleine Regenzeit verhindern, fast zur Gewissheit erhoben sein. Zu
Manaos liegen auch genauere Aufzeichnungen über die dortigen Regen-
mengen vor. So bringt das Novemberheft der „Revista do Observatorio
de Rio de Janeiro" vom Jahre 1891 die Resultate vierjähriger Regen-
messungen. Darnach beträgt die Jahresmenge 2359 mm.
Am grössten ist die Feuchtigkeit oberhalb Manaos. Hier regnet
es fast das ganze Jahr. Die schwersten Regen fallen von März bis
August. Von St. Paulo am oberen Amazonas erzählt Bat es:*)
„Mein Haus war noch feuchter als das, welches ich in Fonta Boä be-
wohnte, und es hielt ausserordentlich schwer, meine Sammlungen zu
bewahren, dass sie nicht durch die Feuchtigkeit litten In St. Paulo war
es unmöglich, das Salz einige Tage in einem festen Zustande zu erhalten,
während man in Ega die Körbe, in denen es aufbewahrt wurde, nur gut
mit Blätter zu umhüllen brauchte. Sechs Grad weiter westlich, nämlich
am Fuss der Anden, scheint die Feuchtigkeit des Klimas der amazonischen
Wälder den höchsten Punkt zu erreichen, denn Pöppig fand bei
*) Griesebach S. 379 'j Bat es S. 200, 203, 204. 'jBatesS235.
*) Coudreau, voyage au Tapajoz 1897. *) B a t c s S. 156. *) B a t e s
S 404 und 405.
— 32 —
Chinchao, dass der am besten raffinirte Zucker sich in wenigen Tagen
in Syrup verwandelt und das beste Schiesspulver, selbst in Blechbüchsen
verwahrt, flüssig wurde. Bei Säo Paulo hielt sich raffinirter Zucker in
Zinnbüchsen ganz gut und ich hatte keine Schwierigkeit, mein Schiess-
pulver in Blechbüchsen trocken zu erhalten, obgleich eine Flinte, die
über Nacht geladen blieb, am Morgen selten abgefeuert werden konnte."
Ähnliches berichten uns von dieser Gegend Spruce^), Condamine"),
Orton'), Galt*) u. a.
So die Verhältnisse im Amazonental. Betrachten wir nun das
Gebiet südlich der grossen Amazonasrinne. Dieser Teil steht fast ganz
unter der Herrschaft des Südostpassats, der vom Atlantischen Ozean
über den Kontinent bis zur Hylaea und zu den Anden hinweht. Da aber
auch hier die vertikale Gliederung des Landes ihren Einfluss auf die
Niederschlagsverhältnisse in nicht unerheblicher Weise zur Geltung
bringt, indem nämlich die Serra do Mar, die sich längs der ganzen
Südostküste erstreckt, die Feuchtigkeit des Passates aufhält und dem
Binnenlande so den atlantischen Wasserdampf entzieht, so empfiehlt es
sich hier, die Küstengebiete und die Campgegenden des Innern streng
auseinander zu halten. Wie liegen nun die Niederschlagsverhältnisse
an der Küste ?
Vom Nordende der Serra do Mar bis gegen Bahia zu ist der
Küstenstrich sehr niederschlagsreich. Pernambuco hat z. B. nach vier-
jährigen Beobachtungen eine jährliche Regenmenge von 2752 mm, und
die Wiriterregen herrschen hier vor Die Ursache dieser Winterregen
schreibt Hann dem Umstände zu, dass die Hochebenen im Innern im
Winter relativ zu kalt sind gegenüber dem Wasser des Ozeans, weshalb
die kalte Luft aus dem Innern gegen das Meer hin abfliesst und infolge-
dessen den Passat zum Aufsteigen zwingt.*) Auf den Hochebenen der
Sierra do Mar im Innern bis ebenfalls gegen Bahia zu herrschen oft
grosse Perioden der Dürre, weshalb Steppen- und Wüstenbildungen hier
häufig sind (z. B. die Sertäos von Bahia und Algoas). Namentlich das
Innere von Ceara leidet in noch höherem Masse an solchen Dürren, weil
hier der Passat parallel zur Küste weht.
Weiter im Süden, in Minas geraes, ist der Winter die trockene
Zeit (vom Mai bis Oktober) und der Sommer (vom November bis April)
die Regenzeit. Aber auch zur trockenen Jahreszeit sind Strich- und
Platzregen nicht selten und trübe Tage sehr häufig. Der Sommer
zeichnet sich dagegen fast durch täglichen Regen und heftige Regengüsse
aus. In Ouro Preto betrug z. B. die Regenmenge während 27 Tagen
*) Spruce, Journ. R.G.Bd. 31 S. 175. ^) Condamine p. 27.
')Orton, S. 181. *)Galt, S. 380. ') Hann, Bd. II S 370.
— 33 —
89 Pariser Zoll ^= 3,296 Zoll per Tag.*) An den Küsten von Espirito
Santo und in Rio de Janeiro regnet es dagegen das ganze Jahr, im
Mittel jedoch zumeist im Sommer: die trockensten Monate sind Juni
bis August. Auch in Sao Paulo sind zwar die Sommerregen noch
ausgeprägt , aber auch die übrige Jahreszeit zeigt in jedem Monat
Regenfall,^) so dass hier der Übergang zu den südlichen Provinzen
Brasiliens südlich des Wendekreises mit Niederschlägen zu allen Jahres-
zeiten deutlich bemerkbar ist. Dort, im südlichen Parana, in St. Catha-
rina, in Rio Grande do Sul, sowie im Staate Uruguay regnet es das
ganze Jahr, das Maximum der Niederschläge fällt jedoch in den Winter,
von Juni bis September. Auch hier sind es die östlichen Seewinde,
die die Feuchtigkeit in das Land bringen, so dass sich infolge der Er-
hebung des Küstengebirges die Niederschläge, wie im Norden des
Wendekreises, nach dem Binnenlande hin vermindern. Doch auch von
N. nach S. ist eine Abnahme der Niederschläge bemerkbar, denn
während Lange in Säo Paulo während seiner Reise für Januar 21,
Februar 16, März 22, April 19, Mai 13, Juni 4, Juli 10, August 6, Sep-
tember 22, Oktober 16, November 15, Dezember 24 Regentage ver-
zeichnen konnte,*) kommen in Rio Grande do Sul in Durchschnitt im
Sommer nur 19, im Herbst 15, im Winter 18 und im Frühjahr nur
13 Tage mit Regenfall vor*)
Wir wenden uns nun gegen das Gebiet westlich der Serra do
Marl Da letzterer Gebirgszug, wie schon einigemal erwähnt, sich längs
der ganzen Südostküste erstreckt und infolgedessen die Feuchtigkeit
des Passates aufhält und dem Binnenlande so den atlantischen Wasser-
dampf entzieht, so herrschen auf diem Tafellande des brasilianischen
Berglandes meistens, wo nicht fliessende Wasser den Boden tränken,
Savannen vor, die auch Campos genannt werden und in denen die
regelmässige Zenitregenzeit des südhemisphärischen Sommers von den
regenlosen Monaten des Passatwindes scharf getrennt ist.*) Dennoch
ist das Binnenland noch feucht genug, zahlreichen Strömen das Leben
zu geben, denn die Luft enthält durch den Einfluss des S.-O. doch noch
soviel Feuchtigkeit, dass bei der starken nächtlichen Abkühlung über
dem Plateau selbst in der Trockenzeit Taubildung stattfindet.*) Ausser-
dem sind hier die Regenzeiten von nördlichen Winden begleitet, welche
dem südlichen Passat entgegenwehen, und wo beide sich begegnen,
werden aufsteigende Luftströme erzeugt, die reichliche Niederschläge
') Tschudi: „Die Provinz Minas geraes*', Gotha, Justus und
Perthes 1862. ^) Lange, „Aus dem Staate Sao Paulo". (Pet. Mittig. 1891
S. 15. Siehe auch Tabelle.) ') Lange, P. M. 1891 S. 15. *) Be-
s c h o r e n , Pet. Erg.-Hft. Bd. 21 S. 78. *) G r i s e b a c h , S. 395.
•) Clauss, Pet. Mittig. 1886 S. 130.
R e i n d 1, Schwarze Flüsse. o
- 34 -
veranlassen.') Stets folgen dann die ersten Regen, wo die Wirkung
der Insolation bei unbewölktem Himmel am grössten ist. Einen Einfluss
auf die Dauer der Niederschläge übt hier grösstenteils aber nicht die
geographische Breite, sondern die plastische Gestaltung der Landschaft
aus. So tritt in Goyaz unter dem sechzehnten Parallelkreise, wo die
Sonne erst Ende November in das Zenit tritt und im Januar dahin
zurückkehrt, die nasse Jahreszeit schon im September ein und dauert
bis zum April.") Ehrenreich beobachtete dort sogar den letzten
Regenfall erst am ii Juni.'; Besonders aber zeigt sich an den Flüssen,
die in grossen Thälern und von Urwäldern begleitet dahinfliessen, der
topographische Einfluss des Landes auf die Regenverhältnisse. Die
Niederschläge sind hier reicher und grösser als auf den Campos
und bedingen eine grosse Wasserfülle de Ströme. Die Regen-
beobachtungen, die C lau SS in seinem Bericht üben die Xingü-
Expedition vom Cuyabä-Gebiet gibt,*j dürften auch ein annähernd ähn-
liches Bild vom Quellgebiet die Xingü und des Tapajoz liefern, da diese
Erdstriche sich unmittelbar berühren. Nach Clau ss beginnt die Regen-
zeit in Cuyaba mit dem September und hört im Mai auf Vom Juni bis
August kommen nur ganz ausnahmsweise Regenfälle vor, und diese
Monate repräsentieren daher die eigentliche Trockenzeit. Die grössten
Regenmengen fallen nach Clauss in den Monaten Dezember bis März.
Der grösste Regenfall betrug iii mm innerhalb 5*,'4 Stunden am
13 Februar 1885. Im Jahre 1879—80 betrug die Regenmenge 1732 mm;
1880—81 1520 mm; 1884—85 1285 mm. Im Gebiete der schwarzen
Flüsse Maue-assu, Abacaxis und Canuma dauert die Regenzeit vom
Februar bis incl. August, aber auch in der Trockenzeit fand Chand-
1 e s s im oberen Teil des Abacacis häufige Regenschauer, während es
dagegen am Unterlaufe des Flusses gar nicht regnete ^) Damit wären
wir bereits in das Gebiet der westlichen Amazonasniederung gekommen,
wo in der Nähe des Äquators bei Manaos noch zwei Regenzeiten und
zwei Trockenzeiten ausgeprägt sind, weiter westlich davon es aber fast
das ganze Jahr regnet. Erst weiter südlich, ungefähr unter 10° s. Br.,
ist die Andeutung einer kleinen Regenzeit wieder gegeben,*) die bis
zu dieser Breite hin durch die mit dem Vorrücken der Sonne nach S.
intensiver werdende Aspiration des Plateaus unterdrückt wird.')
C. Hydrographie.
Auf der brasilianischen Masse und in der grossen
Amazonasniederung, welche Gebiete wir im Vorhergehendem
*)Grisebach, S. 399. *) St. Hilaire in Nouv. Annales des
voyages 1847 S. 50. Jahresb. ') Zeitschr. d. Ges. f Erdk. z. Brl. 1891
S. 177. *) Clauss, Pet. M. 1886 S. 169. ®) Chandless, Journ.R.G.S. 1870
S- 430. •) Chandless, R. G. S. Bd. 36 S. 91. ') Seh ic htel S. 47.
— 35 —
in topographisch-geologischer und in meteorologischer Hin-
sicht behandelt haben, kommen die sogenannten „Schwarz-
wasserflüsse mit klarem, dunklen Wasser/' wie sie uns
Humboldt vom oberen Orinocogebiete zwischen dem 3. und
4. Grade nördlicher Breite schilderte, in grosser Anzahl vor.
Namentlich sind diese eigenartigen Gewässer charakteristisch
ausgeprägt in Britisch-Guayana , im Gebiete des oberen
Orinoco und Rio Negro, im unteren und oberen Amazonas-
thal und auf der Sierra do Mar.
Bei der nun folgenden Einzel-Betrachtung dieser Flüsse
haben wir folgende Gruppen aufgestelt:
I. Die schwarzen Flüsse des Orinocosystems ;
II. „ „ „ „ Guayanas;
III „ „ „ „ Amazonassystens;
a) rechtsseitige Amazonaszuflüsse;
b) linksseitige „
IV. „ „ „ „ bras. Berglandes.
V. Zweifelhafte Schwarzwasserflüsse.
Bevor wir jedoch die Einzelbetrachtung dieser Flüsse beginnen,
möchten wir noch kurz auf zwei Punkte aufmerksam machen , die,
sofern wir sie nicht jetzt schon in Erwähnung bringen, später zu Ver-
wirrungen und Missverständnissen führen könnten. Einmal darf an die
Worte „gross" und „klein" bei diesen Strömen nicht der Massstab
unserer deutschen oder auch europäischen Flüsse gelegt werden. „Der
Pimichin", schreibt Humboldt, „der dort ein Bach (Cano) heisst, ist
so breit wie die Seine, der Galerie der Tuilerien gegenüber."*) „Was
man in Frankreich einen grossen Fluss nennt, ist in S.-Amerika", sagt
C r e V a u X , „ein Creek." ^)
Ferner darf bei den Ausdrücken und Bezeichnungen „Rio Blanco"
und „Rio Negro" (oder Rio Preto), wo die Schwarzwasserflüsse auf
einem bestimmten Gebiete charakteristisch auftreten, nicht an einen
starken Kontrast bezüglich der Wasserfärbung dieser Flüsse gedacht
werden , wie er etwa besteht zwischen dem Hz- und Donau wasser.
Wer schon einmal an der Stelle gestanden, wo sich der „schwarze"
mit dem „weissen" Regen vereinigt, wird nur einen ganz geringen
Unterschied in der Farbe dieser Gewässer bemerkt haben, und unseren
Gebirgsflüssen auf der bayerischen Hochebene gegenüber wäre der
*) Humboldt, R eise etc. S. 243. ^) S c h i c h t e 1 S. 57.
- 36 -
weisse Regen immerhin noch ein ganz dunkler Fluss.* Dieselben Ver-
hältnisse dürfen wir auch in Britisch-Guayana oder am oberen Orinoco,
überhaupt, wo die sogenannten Schwarz wasserströme einem weiten
Gebiete eigen sind, voraussetzen. Namentlich zwischen den Rio Pretos
und Rio Pardos dürfte nur ein ganz geringer gradueller Unterschied
in ihrer Färbung bestehen und ihr beiderseitiges häufiges Vorkommen
auf einem gemeinschaftlich bestimmten Bezirke zur Annahme berechtigen,
dass die ähnliche Farbenerscheinung ihrer Wasser auf die gleiche
Ursache zurückzuführen ist.
«
I. Die schw^arzen Flüsse des Orinocosystems.
Wir beginnen zuerst mit der Betrachtung und Be-
schreibung jener schwarzen Flüsse, die zum Flusssysteme
des Orinoco gehören.
Es sei uns gestattet, einleitend das anzuführen, was Humboldt
in seinem vortrefflichen Reisebericht über diese Flüsse sagt:'*) „Mit der
Mündung des Rio Zama", so führt er aus, „betraten wir ein Flusssystem,
das grosse Aufmerksamkeit verdient. Der Zama, der Mataveni,
der Atabapo, der Tuamini, der Temi, haben schwarzes
Wasser (aquas negras), das heisst, ihr Wasser, in grossen Massen
gesehen, erscheint kaffeebraun oder grünlich schwarz, und doch sind
es die schönsten, klarsten, wohlschmeckendsten Wasser. . . Wenn ein
gelinder Wind den Spiegel dieser schwarzen Flüsse kräuselt, so er-
scheinen sie wiesengrün, wie die Schweizer Seen. Im Schatten ist der
Zama, der Atabapo etc. schwarz wie Kaffeesatz. Diese Erscheinungen
sind so auffallend, dass die Indianer allerorten die Gewässer in „schwarze
und weisse" einteilen."
Von den meisten schwarzen Flüssen dieses Gebietes
ist freilich leider nur der Unterlauf einigermassen bekannt,
während uns Nachrichten über den Ursprung und den Mittel-
lauf derselben soviel wie gänzlich fehlen. Nur der Atabapo
und der Ynirida sind uns in ihrem ganzen Laufe näher
bekannt geworden.
Die Erforschung des ersteren verdanken wir namentlich
*
*) Ich denke dabei auch an den „Weissen Nil", der trotz seines
Namens ein „tintenschwarzes" Wasser hat. (Siehe Schwein furth:
„Im Herzen von Afrika", während der Jahre 1868 — 1871, Leipzig 1878
S. 17.) *) Humboldt, Reisen etc. S. 192.
\
— 37 -
Humboldt,^) Montolieu^) und dem Grafen Stradelli.^)
Seinen Ursprung hat er südlich des Orinoco, wo er als
Atacavi*) unter 30 n. B. aus mehret-eh Seen entsteht und unter
diesem Namen etwa 160 km nach Westen fliesst, um sich
bei S. Cruz mit dem Temi zu vereinigen. Dieser letztere
hat seine Wiege südlich des 3. Breitengrades, fliesst zuerst
nach Südwesten bis Yavita, empfängt hier den ebenfalls
schwarzen Tuamini und wird darauf durch eine von Norden
nach Süden streichende Hügelkette nach Norden geworfen.
Der Temi bildet auf seinem Laufe zahlreiche Stromschnellen
und empfängt eine Reihe von kleineren schwarzen Tribu-
tären. Seine Ufer sind äusserst einförmig und von Urwäldern
begleitet. Er bildet auf seinem ebenen. Terrain zahllose
Schlingen, und der Wald steht meist bis 10 km weit vom
Ufer entfernt unter Wasser. An seiner Mündung hat der
Temi eine Breite von 155 bis 175 m, eine Breite, die ihn in
Europa das Recht gäbe, sich dort bedeutenderen Flüssen an
die Seite zu stellen.
Bei Cruz vereinigen sich, wie schon erwähnt, Atacavi
und Temi zum Atabapo. Verstärkt durch eine Reihe weiterer
Zuflüsse, von denen nur der bei Baltazar mündende Garza
omari und der oberhalb Chamucida endende C. Ucaqueni
genannt sein sollen, eilt nun der Fluss in vorherrschend
nördlichem Laufe dem Orinoco zu, den er bei S. Fernando
de Atabapo hart unter dem 4^ n. Breite erreicht.^)
Da es am Atabapo fast das ganze Jahr hindurch
regnet, so ist der Fluss beständig hoch. Er hat überall ein
eigentümlich einförmiges Aussehen und das eigentliche Ufer
ist nirgends sichtbar, da es beständig überschwemmt ist.
Ein grosser Kontrast besteht zwischen der Atabapo-
*) Humboldt, A. V., „Reisen in die Äquinoktiai-Gegenden."
^) Siehe: BuUetin de la Soc. de Ggr. de Paris, April 1888. =») Stra-
.delli, E., Note di viaggio nelP Alto Orinoco (con 17 disegni et una
carta) B. S. Geogr. Ital. Ser. 3 Vol I 1888. *) Sievers: „Amerika"
S. 192. *j Vergl. „Karte des Bifurcations- Gebietes des Orinoco," Geogr.
Rundschau III Heft 4-
- 33 -
und Orinocolandschaft. Humboldt gibt davon eine treffliche
Schilderung. Er sagt: ^Sobald man das Bett des Atabapo
betritt, ist alles anders, die Beschaffenheit, der Lauf, die
Farbe des Wassers, die Gestalt der Bäume am Ufer. Bei
Tage hat man von den Moskiten nicht mehr zu leiden, die
Schnaken mit langen Füssen (Zancudos) werden bei Nacht
sehr selten, ja oberhalb der Mission San Fernando ver-
schwinden diese Nachtinsekten ganz. Das Wasser des
Orinoco ist trübe, voll erdiger Stoffe, und in den Buchten
hat es wegen der \nelen toten Krokodile und anderer
faulender Stoffe einen bisamartigen, süsslichen Geruch. Um
dieses Wasser trinken zu können, mussten wir es nicht
selten durch ein Tuch seichen. Das Wasser des AtabapK)
dagegen ist rein, von angenehmem Geschmack, ohne eine
Spur von Geruch, bei reflektiertem Lichte bräunlich, bei
durchgehendem gelblich. Das Volk nennt dasselbe ,,leicht*,
im Gegensatze zum trüben, schweren Orinocowasser. Es
ist meist um 2®, der Einmündung der Temi zu um 3® kühler
als der Orinoco. Wenn man ein ganzes Jahr lang Wasser
von 27® bis 28® trinken muss, hat man schon bei ein paar
Graden weniger ein äusserst angenehmes Gefühl. Diese
Temperatur rührt wohl daher, dass der Fluss nicht so breit
ist, dass er keine sandigen Ufer hat, die sich am Orinoco
bei Tag auf 50^ erhitzen , und dass der Atabapo . Temi,
Tuamini und der Rio Negro von dichten Wäldern beschattet
sind.^
Die Länge des Atacavi- Atabapo beträgt 260 km;^) die Quellseen
des Atacavi liegen ungef^r 300 m über dem Meere; Yavita am Temi
besitzt nach Humboldt eine Meereshöhe von 323 m • nach M o n toi ieu
300 m), San Fernando de Atabapo 238 'nach Montolieu 237 m;. Die
mittlere Geschwindigkeit des AtabapK) beträgt 650 — 600 mm in der
Sekunde.
Ein anderer Schwarzwasserfluss im Orinokogebiete, der
fast bis zu seiner Quelle befahren wurde, ist der Y n i r i d a , ein
Nebenfluss des Guaviare. Der Franzose F. Montolieu-
*; Als Vergleich : »Die Länge der Isar beträgt 270 km, die der
Aar 280 km."
— 39 —
war es, der ihn näher erforscht hat.^) Man verlegte früher
seine Wiege auf die Cordillieren; allein das ist nicht richtig.
Er hat vielmehr seinen Ursprung auf einem Höhenzug, der
sich westlich des 72 ^ östl. L. ungefähr 34 km nördlich und
südlich des 2^ n. B. erstreckt, den Namen Yimbi führt und
den westlichsten Ausläufer der Wasserscheide zwischen
Orinoco- und Amazonassystem bildet.
Verstärkt durch mehrere andere Quellflüsschen überschreitet der
Ynirida den 2* n. Br. und wird dann durch eine herantretende Hügel-
kette nach Nordosten gedrängt Diese Kette zeigt in ihrem Verlaufe
eine Reihe von tiefen Einschnitten, und die Annahme Montolieus,
dass vom Ynirida zum Guainia eine direkte Verbindung bestehe,
wenigstens zur Hochwasserzeit , wird dadurch fast zur Gewissheit
erhoben. Auch Humboldts Erkundigungen bei den Indianern decken
sich mit dieser Annahme.^)
Er ist in Granit eingebettet und zeigt sehr zahlreiche
Stromschnellen und Katarakte, Seine Länge beträgt unge-
fähr 400 km.
Auf der linken Seite empfängt der Orinoco noch als
schwarze Zuflüsse den C. Mataveni und den C. Zama,
von denen aber leider nicht viel mehr bekannt ist, als ihre
Mündung^)
Von rechts strömen ihm zahlreiche Flüsse West-
guayanas zu, darunter ebenfalls solche mit dunkler Färbung.
So münden in der Ebene von Esmeralda, am Fusse des be-
kannten Duidas, zahlreiche Schwarzwasserflüsse
und -bäche, die durch ihre Reinheit und Klarheit dem
Guainia- Wasser vollständig ähnlich sind.*) Auch der
Padamo, den Robert Schomburgk») und Georg Hüb-
ner «) uns bekannt gemacht haben, zeigt jene dunkle Farbe.
Er ist ungefähr 250 km lang und hat seine Quelle auf der
Sa. Pacaraima. In seinem Oberlaufe ist er 30—40 m breit
') Bulletin de la Soc. de Geogr. de Paris; April 1888. ^) Hum-
boldt, Bd. III S. 264. •) Ebenda Bd. III. S 192. *) Ebenda Bd. IV
S. 54. *j S c h o m b u r g k Robert, „Reisen in Guiana und am Orinoco'*.
S. 441, 448, 452, 454, 455, 458, 459. •) Hübner Georg, „Reise im
Orinocogebiet." (Deutsche Rundschau 1898 S. 19.)
— 40 —
und zeigt eine sehr rasche Strömung. (3 Meilen in der
Stunde.) In seinem Mittellaufe ist er 80—90 m breit und
bildet hier unzählige Wasserfälle. Am grossartigsten darunter
ist der Katarakt bei der Vereinigung des Kundanama mit
dem Padamo.
In seinem Unterlaufe breitet sich der Padamo immer
mehr aus und bildet flachere Ufer. Die Strömung wird hier
sehr gering, aber das Wasser nimmt nach der Aufnahme des
Matakuni eine hellere Färbung an. Bei seiner Mündung in
den Orinoco hat der Padamo eine Breite von 260 m (nach
Hübner nur 150 m!). Die Indianer nennen den Fluss Parämu.
Ein anderer Schwarzwasserfluss Guayanas, der zum
Orinocosystem gehört, ist der Cannaracuna, der dem
Merewari von West-Nord-West her zufliesst. „Sein Wasser
ist schwarz", schreibt Schomburgk, „und bildet einen
strengen Kontrast gegen die rötlichen Fluten des Merewari.' '
Der Cannaracuna ist ziemlich seicht und windet sich unter
zahllosen Wasserfällen im Sandsteingebiet dahin. Seine
Mündung in den Merewari erfolgt unter 4^ 30 n. Br.i)
IL Die schivarzen Flüsse Guayanas.
Neben den bereits behandelten Strömen Guayanas, die
dem Orinoco tributär sind, fliessen auch manche Schwarz-
wasserflüsse Guayanas dem Atlantischen Ozean direkt zu.
Die Entdeckungsgeschichte von einigen derselben reicht bis
in die Zeit der Conquistadoren und Goldsucher zurück, allein
die Namen eines Hortsmann aus Hildesheim, eines Don
Francisco Jose Rodriguez Barata, eines Don
Antonio Santos, eines Philipp v. Hütten und wie sie
alle heissen,2) haben mehr historisches, als geographisches
Interesse. Von wissenschaftlichem Werte für die Erforschung
Guayanas waren erst die Reisen der Brüder Robert und
Richard Schomburgk, 3) die von der „Royal Geographica!
') Schomburgk, Robert, a. a. O. S. 427 und 428. ^) Siehe
Schomburgk, Richard, „Reisen etc." II Tl. S. 373; Schomburgk,
Robert. S XV -XXIV Vorwort. ") a a. O.
— 41 —
Society in London" dorthin gesandt wurden. Bedeutend sind
auch die Forschungen F. Appuns,^) der 1849 — 1868 un-
ermüdlich in Guayana und Venezuela thätig war, sowie die
Reisen und geologischen Aufnahmen Guayanas durch Charles
Barrington Browns im Jahre 1870.2) 1875 durchforschten
sodann Sawkins und Galmers Britisch-Guayana,») 1878
weiter gelangte Thurn auf seiner Reise dortselbst den
Essequibo und Rupununi hinauf nach den Pirara und Quatata
und auf der Wasserscheide von da nach dem brasilianischen
Fort Joaquim am Rio Branco.*) 1883 bis 1885 endlich reiste
H. A. Crevaux vom Rio Branco zu den Quellen des Esse-
quibo, worauf er dann den oberen Trombetas untersuchte.^)
Betrachten wir nun einzelne dieser Schwarzwasserflüsse
von Guayana, die ihre Fluten dem Atlantischen Ozean zusenden.
Hieher gehört der: i. Barima') Er entsteht auf dem Imataca-
gebirge und wurde von Richard Schomburgk fast bis zur Quelle
befahren. Der ganze Oberlauf des Flusses ist in das Urgebirge
eingebettet (pag. 210) und zeichnet sich durch seine reissende Strömung
aus. Schon bei seiner Aufnahme des Rocky-River hat der FIuss eine
Breite von circa 10 m (pag. 210). Zahlreiche Katarakte und zahllose über-
einander gestürzte Bäume, die den Fluss nach allen Richtungen hin
durchkreuzen, bilden der Flussfahrt ein unübersteigliches Hindernis.
Die Strömung betrug nach Schomburgk 6,5— 7 km per Stunde. Seine
bedeutendsten Zuflüsse sind auf dieser Strecke der Rocky River,
Mehokawaina, Wanama, Nakukai.
Der Fluss, der bis Manari, deren Lage Schomburgk auf 7*35'
34" n. B. und 6o'o' 36'' w. L. bestimmte, östHche Richtung hat, fliesst
von da ab nordöstlich bis Honobo, immer noch sich im Urgebirge be
wegend. Bei Manari hat er bereits eine Breite von ungefähr 40 m und
zeigt noch die gleiche dunkle Farbe wie bei seinem Ursprung Sein
Zufluss Amissi steht in Verbindung mit dem Kaituma und ist auch des-
halb noch merkwürdig, weil bis zu seiner Mündung die Einwirkungen
der Ebbe und Flut deutlich noch erkennbar sind.')
*) A p p u n , C. F., „Unter den Tropen". Wanderungen durch
Venezuela, am Orinoco, durch etc etc. 1849— 1868 (Jena 1871).
') Proceedings of the R. Geogr. Soc of London, Vol. XV No. 2.
•) Pet. Mittig. 1900 S. 140. *) Pet. Mittig. 1880 S. 441. *) Pet. Mittig.
1900 S. 140. •; Die Beschreibung des „Barima" ist zusammengestellt
aus Rieh. Schomburgks „Reisen etc." I. Teil. ') Schomburgk,
a. a. O. S. 190
- 42 —
Von Honobo an beginnt der Barima seinen Tietlandslauf und wird hier
zugleich zum Küstenstrome. Seine wichtigsten Tributäre sind auf dieser
Strecke der Kaituma und der Anika, von denen der erstere an seiner Mün-
dung ungefähr 60 m breit ist und schon in seinem Mittellaufe durch zahl-
reiche Bäche und Flüsschen mit dem mittleren Barima in Verbindung steht.
Der Aruka, den Schomburgk fast bis zur Quelle verfolgt hat, ist
dunkelschwarz, aber unklar und läuft mit dem Kaituma parallel. Da
sich die Wasserscheide zwischen Barima und Amacuru an den Quellen
des Aruau, einem Seitenflusse des Aruca, bis zu 12—20 m senkt, so
könnte es nach Schomburgk nichts leichteres geben, als einen Kanal
hier zwischen Barima und Amacuru herzustellen, der von grossem Vor-
teil för den Verkehr wäre (pag. 155'!. Mit dem Waini steht der Barima
bereits in Verbindung und zwar mehrere Male. Namentlich ist es der
Mora-Creek (oder der Maro-wan der Indianer), der eine bequeme Wasser-
strasse zwischen den beiden Flüssen herstellt. Bei seiner Abzweigung
vom Waini hat dieser Kanal eine Breite von ungefähr 40 m und eine
Tiefe von 5 m, bei seiner Vereinigung mit dem Barima eine Breite von
220 m und eine Tiefe von 6—9 m.
Bei seiner Mündung, die grösstenteils versandet ist, hat der Barima
eine Breite von etwa 50— 60 m. Die Länge des ganzen Stromes beträgt
ungefähr 400 km (vgl. die Ems = 400 km).
Während sein Wasser im Unterlaufe zwar dunkel, aber getrübt
und salzig erscheint, „sind seine Fluten im Ober- und MitteUaufe ebenso
klar und schwarz als die des Takutu und Rupununi" (Bd. II S. 102 bei
Schomburgk).
2. Der Essequibo, der grösste Fluss Guayanas, zeigt
in seinem Quellgebiete bezüglich seiner Färbung die gleiche
Erscheinung wie der Barima.M Sein Name scheint, ebenso
wie derjenige aller guayanischen Flüsse, einheimischen Ur-
sprungs zu sein, wenigstens nach der Endung „bo" zu schliessen.
Gleichwohl, sagt Reclus, berichtet Schomburgk von einer
Legende, welche die Entstehung dieses Wortes auf einen
Begleiter Christoph Columbus', aufDon JuanEssequibel
oder Jaizquibel, zurückführt.^) In der Region, wo er sich in
den Atlantischen Ocean ergiesst, haben ihm die Uferbewohner
den Namen Aranauma gegeben.^) Er ist etwas weniger lang
als ihn die Karten von Schomburgk und Brown dar-
stellen. { Das Quellgebiet des Essequibo rückt nach C ou d r e a u
** Schomburgk, Robert, S. 121. *. Reclus, Bd. 19 S 15.
*) Reclus, Bd. 19 S- 15.
— 43 —
fast um einen Breitengrad weiter nach Norden, als ihn die
S chomburgk'sche Karte angibt. i)
Die Wiege des Essequibo liegt auf der Sierra Acarai, einem dicht-
bewaldeten Granithügelzuge, der von S-W. nach N.-O. streicht. Die
beiden Quellflüsse sind der Chipwa oder Essequibo und der Jaore.^).
Zur Regenzeit stellen in seinem Ursprungsgebiet zahlreiche Lagunen
eine Verbindung mit dem Trombetas, einem Amazonastributär , her.')
Sein Bett ist im Oberlaufe vollständig in Granit und Gneis eingegraben
und wird durch unzählige Katarakte und Stromschnellen, unter denen
der „König Wilhelm IV. Katarakt" am bekanntesten ist, unterbrochen.
Die Breite des Stromes wechselt hier zwischen 30 und 50 m, und die
Geschwindigkeit beträgt 2 Vi Meilen in der Stunde. Zur Zeit der Über-
schwemmungen, vom Dezember bis März, erhebt sich der FIuss bis
gegen 10 m über seinen normalen Spiegel.* > Da dieser Teil des Flusses
bis zur Aufnahme des Rupununi schwarze Färbung zeigt, so wollen wir
ihn als Oberlauf bezeichnen, im Gegensatze zu seinem Mittellauf, den
wir von der Mündung des Rupununi bis zum Austritt aus dem Berglande
rechnen, und der gekennzeichnet ist durch die verschiedene Färbung des
Essequibowassers, bedingt durch die Aufnahme der oft anders gefärbten
Nebenflüsse.
Robert Schomburgk schreibt über diese Wasserveränderung
des Essequibo folgendes: „Bei dem Wilhelmskatarakt ist sein Wasser
dunkelbraun, das sich aber erhellt, sobald es den weissen Rupununi
aufgenommen; weiter nördlich wird er .'durch die roten Wasser des
Siparuni abermals gefärbt, und noch weiter nach Norden gibt ihm der
Potara seine frühere Farbe zurück, die er auch nun bis zu sainer Ver-
einigung mit dem Mazaruni und Cuyuni beibehält, worauf er wieder die
Farbe annimmt, die er nördlich vom Rupununi hatte.*)
Von der Mündung des Mazaruni-Cuyuni an beginnt der Unterlauf
des Essequibo. Der Fluss hat hier bei einer mittleren Breite von 8 See-
meilen noch 45 Seemeilen bis zu seinem Einflüss in den Ozean. Der
Essequibo gleicht auf dieser Laufstrecke mehr einem See als einem Fluss
Die Mündung selbst ist 14 Meilen breit und wird durch drei flache Inseln
in vier Kanäle geteilt, von denen die grösste Insel, Wakenaam, sieben
Meilen lang ist.*)
*) Vgl. Schomburgk, Richard, „Reisen in Britisch-Guiana*',
Bd. I Karte; ferner Coudreau, „La France equinoxiale", Bd. II Karte.
^) Sievers, „Amerika", S. 74. *) Coudreau, Bd. II, S. 360. —
Schomburgk, Rieh., Bd. II S 471. *) Schomburgk, Rob., S. 314,
315,316,318. *) Schomburgk, Rob., S. 149. •*) Schomburgk, Rob,
a. a. O S. 41.
- 44 —
Die Länge des Essequibo beträgt nach Reclus looo km (Rhein
I220 km\*) seine mittlere Wassermasse in der Sekunde 2000 cbm.
Der Essequibo hat auch zahlreiche direkte und indirekte Zuflüsse;
dieselben sind:
a) Der Wapuan, der sich mit „seinem schwarzen
Wasser von S. -Osten her in den Essequibo ergiesst/'^j Er
entsteht auf der Sierra Acarai und scheint ein kleiner Fluss
zu sein, b) Der Rupununi.^) Er ist im Oberlaufe ein
Savannenfluss von Galeriewäldern begleitet und ist in Granit
eingebettet. Anfangs schlägt er, von seinem Ursprung aus,
nordwestliche Richtung ein, bis ihn der Gebirgszug Patighetiku,
der sich auf seinem westlichen Ufer erhebt, diese aufzugeben
zwingt. Wenige Kilometer darauf bahnt er sich einen Weg
durch wildaufeinander geschichtete Granitmassen, verzweigt
sich darauf in eine Menge Kanäle, vereinigt sich dann wieder
zu einem Strome und stürzt sich nun als mächtiger Wasser-
fall über den Granitgürtel von Cutatarua, der ungefähr 160
geogr. Meilen von der Mündung entfernt liegt.
Der Mittel- und Unterlauf des Rupununi hat lehmige und sandige
Ufer,*) denen der Fluss seine nun lehmgelbe Farbe zu verdanken hat.^j
Seine mittlere Breite beträgt 30 — 40 m. Auffallend ist seine geringe
Tiefe, die meist i m nicht überschreitet.
c) D e r M a p i r e , ein Nebenfluss des Rupununi. S c h o m -
burgk schreibt über ihn: „Der Fluss Mapiri, der sich um den
nördlichen Fuss des Berges gleichen Namens herumwendet,
vereinigt sich beim Eintritt in die Gebirge mit dem Rupu-
nini von Osten her. Er hat schönes, schwarzes, kühles
Wasser."^) d) Der Siroppafluss. Von ihm sagt Schom-
burgk:*^) „Am östlichen Ufer des Essequibo erhoben sich
einige Berge, die ihren Namen von einem Flüsschen erhielten,
das an ihrem Fusse hinströmt und so schwarz ist, dass es
die Indianer Siroppabach nannten, weil sein Wasser dem
Syrup des Zuckers an Farbe, wenn auch nicht an Süssigkeit,
*) Reclus, Bd. 19 S. 27. ^) Sc hom burgk, Robert, S. 313.
*) Schomburgk, Richard, Bd. II S. loi und 102. *) Schomburgk,
Robert, S. 22, 66, 68, 75, 93, 120. *) Schomburgk, Robert, S. 93.
*) Ebenda, S. 79. ') Ebenda^ S. 139.
— 45 —
gleicht. Der Indianer jst nie über einen passenden Namen
in Verlegenheit. Wahrscheinlich wurden sie mit dem Flüss-
chen erst bekannt, als die ersten Ansiedler schon angekommen
waren und das Zuckerrohr gebaut hatten. Sie sahen den
Syrup, und indem sie bemerkten, dass die trägen Wasser
des Baches dieselbe Farbe hatten, hängten sie einen Vocal
an das fremde Wort und indianisirten es/ e) Der Potaro-
oder schwarze Fluss. Er wurde von B. Brown im
April 1870 befahren. 1) Seine Wiege hat er auf der Sierra
Pacaraima und mündet nach einem Laufe von etwa 130 km
unter 50 21' n. B. und 580 54 w. L. v. G. in den Essequibo.
Nach Browns Berichten bildet er einen Wasserfall ersten
Ranges, den „Kaieteur", der einen ununterbrochenen Fall
von 741 engl. Fuss (230 m) hat. Sein Wasser ist klar und
schwarz.2) f) Der Mazaruni. Er ist grösstenteils ein
Savannenfluss und hat seine Quelle auf dem Ayancana-
Gebirge. Seine Länge beträgt ungefähr 400 km (Neckar
370 km). Für die Schiffahrt ist er beinahe ganz verschlossen.
Bei den Katarakten von „Cichi" (in der Sprache der Macusi,
„Sonne" bedeutend), steigt er von 420 m auf 150 m auf einer
Strecke von 13 km herab.^) Er ist ganz in Sand- und
Granitsteine eingebettet und wird von Galeriewäldern be-
gleitet. Sein Wasser ist krystallhell und schwarz.*) g) Der
Marawar, ein Nebenfluss des in den Cuyuni mündenden
Wenamu. Seine Vereinigung mit dem Wenamu erfolgt in
der Nähe des Bergzuges Auran-tipu.^) h) Der Ekruyeku
ist ebenfalls ein schwarzer Fluss, „der ziemlich die Breite
des Wenamu und ganz das kaffeebraune Wasser des Rio
Negro hat." 6)
Ein weiterer Schwarzwasserfluss Guayanas, der sich
in den Atiischen Ocean ergiesst, ist der
3. Demerara, ein Parallelfluss des Essequibo. Die
*) Siehe Engl. Wochenschrift „Nature" und Proceedings of the
R. Geogr. Soc. of. London; Vol. XV N. IL ^) S c h ombur gk, Rob.,
S. 52 u. 148. ') Reclus, Bd. 19 S. 20. *) Schomburgk, Rob.. S. 43
u. 68. ^) Schomburgk, Rieh., Bd. II S. 348. •) Ebenda, Bd. II S. 348.
- 46 -
Entfernung zwischen diesen zwei Flüssen beträgt nirgends
kaum mehr als lö— 20 Meilen, und die Wasserscheide
zwischen beiden liegt näher dem Essequibo als dem Deme-
rara. Seinen Ursprung hat letzterer Fluss auf dem Maccari-
Gebirge, das sich unter dem 4P 28' n. Br. dem Essequibo
nähert. Ebenso, wie sein Parallelbruder, hat sich der
Demerara in seinem Ober- und Mittellaufe in das Urgebirge
eingegraben und ist dabei bestrebt, auch die Windungen
und Stromveränderungen desselben nachzuahmen. In seinem
Unterlaufe ist er Tieflandsfluss und der Einwirkung der
Ebbe und Flut so bedeutend unterworfen, dass das Fallen
und Steigen des Stromes 50 km von Georgetown entfernt
noch ungefähr 12-16 Fuss (4 — 5 m) beträgt.
Eine besondere Eigentümlichkeit des Flusses sind die „schwimmen
den Grasinseln** an seiner Mündung, die Schomburgk vortrefllich
geschildert hat Die Länge des Stromes beträgt 280 km, die ungefähr
der des Lechs (260 kmj oder der der Isar (270 km) gleichkommt. Die
Breite an der Mündung beläuft sich auf 2—3 km. Auch der Demerara
ist nur in seinem Unterlaufe (Bo ~ loo km) von grösseren beladenen
Schiffen befahrbar, in seinem Mittel- und Oberlaufe bilden dagegen
zahlreiche Stromschnellen und Fälle dem Verkehr ein fast unüber-
windbares Hindernis. Von seiner Wasserfarbe sagt Robert Schom-
burgk: „Der Demerara hat in seinem Oberlaufe eine dunkle Färbung
und ist in seinem Äussern bedeutend von dem schmutzigen Flusse
verschieden, den er bei Georgetown bildet." *)
Ein weiterer Schwarzwasserfluss Guayanas, der zugleich
Hauptstrom ist, ist der
4) Berbice,2j dessen Länge 560 km (vergl. Inn52okm;
Main 520 km) beträgt. Seine mittlere Wassermasse in der
Sekunde beläuft sich auf ungefähr 500 cbm. Bei seiner
Mündung ist er 5 6 km breit und 8—10 m tief 160 km
aufwärts ist er noch ebenfalls so tief und hat immer noch
eine mittlere Breite von 2 km. Oft wird er auf dieser
Strecke sogar „seeartig" und bietet der Schiffahrt günstige
Verhältnisse. Vom 5^ n. B. an bis zu seinem Ursprünge ist
*) Siehe Rieh. Schomburgk Bd. II S. 102; Rob. Schomburgk,
S. 48, 51, 65, 150, 284; Reclus, Bd. 19 S. 27. ^) Schomburgk,
Rob., S. 193, 194, 196, 197, 204, 211, 214, 217, 294.
— 47 ~
der Berbice dagegen fast unpassirbar. „Die Fahrt auf dem
Flusse", schreibt Rob. Schomburgk, „ist in, dieser Gegend,
wo Stromschnelle auf Stromschnelle und Fall auf Fall folgt,
so schwierig, dass wir nach zweitägiger, höchst ermüdender
Arbeit kaum 5 Meilen vom Itabru entfernt waren. Oft
brauchten wir gegen zwei Stunden, um nur 180 m vorwärts
zu kommen, wozu die vereinten Kräfte der ganzen Mann-
schaft erfordert wurden/' Landschaftlich bietet aber der
Fluss auf diesem Laufe herrliche Reize; namentlich der
„Weihnachts-Katarakt" soll nach Schomburgk seines-
gleichen in dieser Beziehung suchen. Auch der Berbice
fliesst in seinem Mittel- und Oberlaufe im Urgebirge dahin.
Die schwarzen Flüsse des Berbice-Systems sind :
a) Der Waironi. Ein direkter Nebenfluss des Berbice
und etwa 120 km lang. Die Strömung in seinem Oberlaufe
ist so stark, dass Rob. Schomburgk in i Stunde bei
seiner Thalfahrt 12 km zurücklegen konnte. Bei der Auf-
nahme des Yawari ist der Waironi 15 m breit und 3 m tief.
Die Wasserfarbe ist hier bedeutend dunkler als an der
Mündung; gleichwohl ist sein Wasser auch dort noch
„ziemlich schwarz und vollkommen klar." Bei seiner Ver-
einigung mit dem Berbice hat er bereits eine Breite von
90 m und eine Tiefe von 7—8 m. Zahlreiche Krümmungen
sind seinem Laufe eigentümlich. M
b^ Der Yawari. Er hat eine nördliche Laufrichtung,
hellbraunes Wasser und ist ein Zufluss des Waironi von
Süden her.2)
c) DerWaiioka, ebenfalls ein Nebenfluss des Waironi ;
er ist bei seiner Mündung so gross wie der Waironi an
dieser Stelle und ebenso schwarz.^)
d) Auf Seite 290 seines Werkes erwähnt Robert
Schomburgk ebenfalls einen Fluss, der schwarzes Wasser
hatte, eine sehr bedeutende Strömung besass und wahr-
scheinlich zum Berbicesystem gehört.
*) Rob. Schomburgk, S 278, 282,284,288. ^) Schomburgk,
Rob., S. 282. ■; Ebenda, S. 282. s
- 48 -
e) Femer berichtet Rob. Schomburgk:
^Während wir den Berbice hinaufstiegen, stiessen
wir auf einen kleinen Fluss, der bei einer Breite von
15 Yards (28 m) sein schwarzes Wasser unter 4^21' n. Br.
in den Berbice ergoss, worauf er von ^West bei Süd
herfloss*. (pag. 262 und 264.)
5. Ein kleinerer Schwarzwasserfluss Guayanas, der in
den Atlantischen Ocean sich ergiesst ist der
Canje. Seine Länge beträgt ungefähr 150 km. In
seinem Oberlaufe ist er „ziemlich dunkel gefärbt und hat
eine reissende Strömung, etwa 7 km in der Stunde.* Zahl-
reiche Krümmungen sind ihm ebenso eigen wie seinen
Parallelflüssen. Seine Mündung erfolgt unterhalb New-
Amsterdam in den Atlantischen Ocean. i)
6. Ein mächtiger Atlantic-Tributär ist wieder der
Corentyn, der ebenfalls ein Parallelfluss des Esse-
quibo ist. „Der Corentyn**, schreibt Reclus, „ist bereits
ein mächtiger Fluss, wenn er die Felsen passirt, wo sein
westlicher Begleiter, der Berbice, entspringt." 2) Er entsteht
auf der Sierra Acarai , welche die Wasserscheide bildet
zwischen dem Bassin des Amazonas und den zum Atlanti-
schen Ocean fliessenden Guayana-Strömen. Bis zum 5® n. Br.
fliesst er im Guayanischen Berglande dahin, für die Schiff-
fahrt vollständig untauglich. Während der Regenzeit erhebt
er sich hier 6 — 8 m über seinen normalen Wasserstand.
Seine Strömung ist ziemlich stark, und seine Breite beträgt
bei den Mavari-Monotopo-Fällen bereits 800 m. Die Wasser-
färbe ist schwärzlich.
Der Unterlauf des Corentyn, vom 5" n. B. an, bewegt sich im
lockeren, kieselartigen Konglomeratboden, untermischt mit rotem Sand-
stein, kleinen Körnern abgerundeten Quarzes, schieferhaltigem blauen
Thon, lockeren Sandlagern etc. Die Flut ist 70 Meilen von der Mündung
entfernt noch 30 Zoll hoch. Die Ufer sind meist niedrig ; bei 5 • 15' n. Br.
hat der Fluss bereits eine Breite von 1200 m; 40 Meilen von der
Mündung entfernt eine solche von 2 km im Durchschnitte. Die Mittel-
höhe der Flut beträgt an der Mündung 2-3 m.
*) Schomburgk, Rob-, S. 291. ^) Reclus, Bd. 19 S. 20.
— 49 —
Die ganze Stromlänge des Corentyn beläuft sich auf 725 km
(vergl. Weser 650 km), seine mittlere Wassermasse in der See. auf
1000 cbm.*)
Der grösste Nebenfluss des Corentyn ist ebenfalls ein
Seh warzwasserfluss ; nämlich
der Cabalaba. Dieser ist an seiner Mündung, unge-
fähr unter dem 5. N. n. Br., 90 rr breit, erweitert sich aber
6 Meilen weiter oben um ein Beträchtliches. Seine durch-
schnittliche Tiefe beträgt auf dieser Strecke 2 — 3 m. Der
Oberlauf ist noch nicht befahren worden.
Wie sein Hauptfluss, der Corentyn, bildet auch er zahlreiche
Windungen und Catarakte. Seine Ufer sind dicht bewaldet und be-
stehen aus Sandsteinen und Granit. „Der Cabalaba", schreibt Rob.
Schomburgk, „erinnert mich wegen der Farbe seines Wassers,
seiner zahlreichen kurzen Biegungen, seiner spitzen Sandbänke und
der ähnlichen Fische, wozu auch der Stachelroche gehört, lebhaft an
den oberen Rupununi.'*^)
III. Die schwarzen Flüsse des Amazonen-Thaies.
Herr Friedrich Katzer, früher Landesgeologe in
Para, jetzt Landesgeologe in Sarajevo, hatte die liebens-
würdige Güte, dem Verfasser zu schreiben: „Der Typus
der Schwarzwasserflüsse Süd-Amerikas ist der Rio Negro
im Staate Amazonas. Der in Südamerika, besonders im
Amazonasgebiet allgemeine Sprachgebrauch bezeichnet jedoch
als Schwarzwasserflüsse auch jene, deren Wasser im auf-
fallenden Lichte dunkelgrün erscheint, wenngleich es viel
klarer ist als die sog. ,weissen' Flüsse. Vielleicht wollen
Sie diese auch in den Kreis Ihrer Darstellung ziehen.
Dann könnten Sie vom Tapajös, als den Typus eines solchen
, schwarzen' Flusses ausgehen. Schwarzwasserflüsse dieser
Art sind mehr oder minder alle Zuflüsse des Amazonas;
dieser selbst aber ist ein ,Hellwasserfluss'."
Die Ausscheidung zweier verschiedener Typen von Schwarz-
wasserflüssen, wie sie sich nach der dankenswerten Mitteilung des Herrn
*) Siehe: a) Rob. Schomburgk: 164, 165, 166, 168, 169, 170, 179,
180, 183, 203. b) Rieh. Schomburgk: IL Bd. 476, 477, 478, 480, 481,
482. c) Reclus, Bd. 19 S. 27. ^) Rob. Schomburgk, S. 173, 174.
Reindl, Schwarze Flüsse. 4
— 5° -
Katzer ergibt, soll uns nun vorerst noch nicht beschäftigen,
ebensowenig die etwaige verschiedene Ursache der Wasserfärbung, da
ich diese zwei Punkte in einem späteren Abschnitte speziell einer
näheren Prüfung unterziehen werde. Ich will in diesem Kapitel, ohne
Rücksicht auf die Ursache der schwarzen Färbung, alle jene Flüsse als
Schwarzwasserflüsse behandeln, die von wissenschafthch gebildeten
Reisenden als solche bezeichnet sind, und zwar werde ich nur die-
jenigen Gewässer näher in den Bereich meiner Abhandlung ziehen, bei
denen eine schwärzliche Farbe ausser allem Zweifel steht. Freilich
wäre die Anzahl der Amazonasschwarzwasserflüsse eine sehr erhebliche,
ja fast alle derselben dürften, wenigstens zur Trockenzeit, wie wir
später noch erfahren werden, eine Schwarzfärbung ihrer Fluten auf-
weisen; allein vorerst sind teils viele Flüsse bezüglich ihrer Farbe
noch nicht näher untersucht, teils liegen so abweichende, ja oft sich
widersprechende Aussagen darüber vor, dass bei ihrer zweifelhaften
Kenntnis in dieser Hinsicht eine Behandlung an diesem Platze nicht
thunlich erscheinen dürfte.
Betrachten wir nun jene Flüsse des Amazonasgebietes,
die zweifellos in den Rahmen unserer Abhandlung gehören!
a) Die linksseitigen Schwarzwassemebenflüsse des
Amazonas.
I. Der Trombetas. Die wissenschaftliche Erforsch-
ung dieses Stromes beginnt mit R. Schomburgk,i) der
auf seiner Reise nach Guayana i. J. 1840—44 auch das
Quellgebiet des Trombetas erforschte. Schomburgk
sowohl, wie nach ihm Sprue e und Pena^) und der Missio-
nar Carmello Mazarino^) haben uns manch wertvolles
Material über das Trombetasgebiet geliefert. Wichtiger noch
für unsere Kenntnis sind die Untersuchungen des Stromes
geworden , die Barboza Rodriguez*) in Gemeinschaft
mit einer englischen Kommission, bestehend aus C. Barrington
*) Schomburgk Rieh., IL Tl. S. 471. ^) „Untersuchung einiger
Nebenflüsse des Amazonas." (Zeitschrft. d. Ges. f. Erdk. z. Brl. Bd. 17
S. 389.) *) Ebenda. *) Explora^äo e Estudo do Valle do Amazonas.
Relatorio apresentado ao Ilimo etc. Ministro e Secretario de E^tado
dos Negocios de Agricultura etc. por J. Barboza Rodriguez — Rio
Trombetas, 39 S. Rio de Janeiro 1875 S. i Karte.
— 51 —
Brown, Trail und W. Lidstone ^) im Jahre 1874
vornahm. Rodriguez verdanken wir auch eine karto-
graphische Aufnahme des Trombetasunterlaufes und eine
Beschreibung dieses Flusses.^) Freilich, manche Unrichtig-
keiten der Rodriguez sehen Karte, die auch den Unterlauf
der Flüsse Nhamundä, Uatuma und Uruba darstellt, musste
durch die neueren Forschungen korrigiert werden; 3) ver-
lässiger als sie sind deshalb auch die kartographischen
Arbeiten von H. A. de Rosa, der eine „Karte des Staates
Parä'**) zeichnete, sowie jene von Jose Verissimo,^) der
sein grosses Material, das ihm zur Benützung stand, in der
„Karte des Grenzgebietes der Staaten Parä und Amazonas"
niederlegte. Die beste Karte vom Unterlaufe des Trombetas
stammt von Friedrich Katz er. ^) Katzer hat dieses Gebiet
selbst gesehen und bereist. Bei Bearbeitung seiner Karte
stützte er sich aber, wie er selbst angibt, vorzüglich auch
auf die topographischen Arbeiten des belgischen Ingenieurs
Haag und der französischen Ingenieure Le Blanc und
Robert, die gelegentlich der Vorarbeiten zur Errichtung
einer Telegraphenlinie von Obidos nach Faro (1890— 1892)
die Landschaft aufnahmen.
Für die geologische Kenntnis des unteren Trombetasgebietes ist
die treÖliche Arbeit von Orville A. D e r b y ^) grundlegend geworden.
Als weitere Erforscher dieses Stromes reihen sich noch an Ferolles®)
und Crevaux,") sowie Coudreau/*) welch letzterer 1899 die Frage
des Mittellaufes endlich löste.
Gehen wir nun auf die Beschreibung des Flusses selbst ein!
Der Rio Trombetas entsteht aus den Quellflüssen Caphiwuin oder
Apiniau und dem Wanamu,**} die beide reissende Gebirgsbäche mit
') C. Barrington and W. Lids tone: Fifteen thousand miles
on the Amazon and its tributaries, London 1878. ^) Siehe: Zeitschrift
der Ges. f Erdk. zu Berlin. Bd. 17 S. 388 (mit Karte). ') Pet. Mittig.
Bd. 47 Jhrg. 1901 S. 49 *) Mappa do Estado do Parä 1892 (1:500000).
*) Parä e Amazonas Questäo de Limites 1899; Karte 1:125000. *) Pet.
Mittig. 1901; Tafel 4. ') Orio Trombetas (Boletin do Mus. Parense 1898
II p. 366 ff. *) und *) Reclus Bd. 19 S. 133. *®) Voyage au Trombetas
7. aout 1899 - 25. November 1899. 4". ill. a 68 vign. et 4 cartes, Paris,
Lahure J900. **) Schomburgk^ Richard, II. Teil S. 471.
4*
— 52 —
gelben, trübem Wasser und zahlreichen Fällen und Katarakten sind.
Vom „Wanamu" schreibt Schomburgk: „Seine Strömung betrug un-
gefähr I V« Knoten in der Stunde, wobei sein Bett von mächtigen Granit-
felsen durchbrochen wurde. Die Berge, an deren Fuss sich der Fluss hin-
wand, erreichten nur an einzelnen Stellen eine Höhe von 300 Fuss, desto
höher aber stieg jeden Mittag die Hitze, da das Thermometer dann
gewöhnlich 128* F. in der Sonne zeigte, obschon es am Morgen selten
höher als 68 * stand." *j
Ober die Fixierung der Vereinigungsstelle beider Quellflüsse gehen
die Beobachtungen Schomburgks und Coudreaus auseinander.
Ersterer gibt den Zusammenfluss des Apiniau und des Wanamu unter
i'2V«' n. B. an,*) letzterer unter o,57'3i" n. B.*; Diese Ergebnisse be-
dürfen noch einer sorgfältigen Nachprüfung. Wahrscheinlich hat sich
Coudreau durch Barbozas Rodriguez sehen Bericht beeinflussen
lassen, der die Konfluenz annähernd unter den Äquator setzt.
Eine Aufnahme des Mittellaufes vom Rio Trombetas erfolgte erst,
wie schon erwähnt, durch Coudreau.*) „In glänzender Weise hat
jedoch", wie Ehrenreich schreibt, ,,dieser Forscher seine Frage nicht
gelöst.** Doch da bis jestzt eine Nachprüfung von Coudreaus Reise-
angaben an Ort und Stelle noch nicht erfolgte, so sind meine Aus-
führungen über jene Flusstrecke einzig und allein auf diese angewiesen.
Damach fliesst der Trombetas über gewaltiges Sandsteingebiet und hat
unzählige Stromschnellen zu überwinden.
Am besten sind wir über den Unterlauf des Rio Trombetas unter-
richtet, der bei Porteiro beginnt und durch einen ruhigen Lauf aus-
gezeichnet ist. Der Fluss verlässt hier das Sandsteingebiet und gräbt
sein Bett in alte Schiefer und Granit ein. Von links mündet in ihn der
Fluss und See Jacar^; an seinem rechten Ufer liegt zwischen hügeliger
Umgebung der Lago Tagagem. Bis hierher können ziemlich grosse
Dampfschiffe gelangen, weiter aufwärts ist die Fahrt selbst auf Canoes
mühsam und gefahrvoll.*; Vom Lago Aguofria bis zum Einflüsse des
Rio Erepecurü hat der Trombetas östliche Laufrichtung. Seine Ufer
sind hier bald hügelig, bald flach, und dichte Galeriewälder begleiten
den Strom. Zahlreiche Seen stehen ferner mit ihm in Verbindung, von
denen der Lago Juquiry-a9u, der Lago Aripe9u, der Lago Mucura und
der Lago Batata die wichtigsten sind.
50 Meilen vom Amazonas entfernt mündet in ihn sein grösster
Nebenfluss, der Erepecurü, welcher als Rio Cun.inia selbst in den besten
neueren Karten noch angedeutet erscheint, obwohl letztere Bezeichnung
*) Ebenda, S. 475. *) Ebenda, S. 474. ") Pet. Mittig. 1900 S. 129.
*) Coudreau, O., Voyage au Trombetas, Paris 1900. *) Zeitschrift
d. Ges. f. Erdk. zu Berlin, Bd. 17 S. 389.
lediglich dem östlichen Mündungsarm des Erepecuru zukommt. Der
Erepecuru läuft parallel mit dem Trombetas und hat klares, sehwarzes
Wasser. Sein Bett ist gleichfalls in Granit und Sandstein eingegraben
und von zahlreichen Cachoeiros, von denen nach Rodriguez der
Cajual, Tremeterra und Inferno die wichtigsten sind, unterbrochen. An
seiner Mündung bildet er ein Gewirr von Seen, Kanälen und Inseln,
so dass man glauben möchte, ein Riesenstrom Amerikas habe hier sein
Delta. Zur Hochwasserzeit steht der Erepecuru in unmittelbarer Commu-
nication mit dem Amazonas.
Von der Mündung des letztgenannten Nebenflusses an schlägt der
Trombetas südliche Richtung ein, die er auch beibehält bis zu seiner
Vereinigung mit seinem Hauptstrome. Er durchfliesst anfangs immer
noch das Granit- und Sandsteintafelland, dessen Ränder jetzt oft bis an das
Flussufer herantreten. „Wo diese aber zurückweichen," sagt K a t z e r , ')
„breiten sich im Räume zwischen ihnen und dem Fluss Lagos (Seen)
aus, welche , wie die Karte zeigt , jetzt den ganzen Unterlauf fast un-
unterbrochen begleiten und eine charakteristische Eigenheit desselben
vorstellen." Sie sind nichts anderes als Ausweitungen des Flusses,
hängen vielfach miteinander zusammen und bilden zur Hochwasserzeit
sehr ausgedehnte Wasserflächen, wie namentlich am Nord- und Ostfusse
der Serras do Sapucua. Flussaufwärts werden die „Seen" in der Regel
von langgestreckten, zuweilen nur wenige Meter breiten Varzeastreifen
begrenzt, welche das eigentliche Flussbett wie Uferwälle einsäumen und
kanalartige Durchlässe vom Flusse in die Seen freilassen. Zuweilen
breiten sich die Varzeastreifen mehr aus und zerteilen sich in Inseln,
welche bezeichnenderweise immer in einer Reihe hintereinander liegen.
Viele sind bewachsen und daher in ihrer Gestalt und Lage weniger
veränderlich als jene, die erst Schlamm- und Sandbänke sind."
Die Entstehung dieser Uferwälle denkt sich K atz er folgender-
masseri:^) Zur Regenzeit werden grosse Mengen Sandes und Thones
von dem Tafellande herabgeschwemmt. Vom gleichzeitig anschwellenden
Strom wälzen sich die Fluten zu den höheren Uferböschungen hin und
bewirken durch ihren Druck, dass die vom Uferland herabström enden
Gewässer ihre Sinkstoffe niederschlagen und sich zunächst zu suba-
quatischen Wällen anhäufen, welche immer höher und höher werden
und Igapö und Varzealand bilden können. Ist die Hochwasserzeit vor-
über und sind die Flüsse des Tafellandes dann zurückgetreten, so beginnt
der Trombetas nun seine Arbeit, die Sinkstoff*anhäufungen parallel zum
Stromstriche zu ordnen. Die Stauwasser werden infolgedessen hinter
diesen nun gebildeten Stromwällen abgeschlossen, wodurch jene zahllosen
') K atz er, Pet. Mittig. Bd. 47 S. 50. '} Pet. Mittig. Bd. 47 S. 51.
— 54 —
Seen erzeugt werden, die genetisch vollständig verschieden sind von
jenen anderer AmazonaszuQüsse (wie Araguaya, Purus etc.), welche nur
abgeschnürte, ehemalige Stromschlingen vorstellen.
Bei der Aufnahme des Sapucua verlässt der Trombetas das Tafel-
land, betritt nun junges Anschwemmungsgebiet und bildet zugleich sein
grosses Delta, das durch seinen sumpfigen Charakter eine wahre Miasmen-
brutstätte ist, wodurch derFluss durch seine mörderischen Fieberepidemien
berüchtigt wurde.*) Hier ist auch die klassische Stelle der bras. Sage,,
wo Orellana 1540 den Kampf mit den kriegerischen Weibern bestanden
haben will, dem der „Rio das Amazonas" seinen Namen verdankt.^)
Die Mündung des Trombetas liegt nur 18,4 m über dem Meere;*)
die Vereinigung seiner beiden Quellflüsse 132 m;*) die Länge des ganzen
Stromes beträgt ungefähr 570 km/j die Grösse des Stromsystems
123000 qkm.') In der Sekunde wirft der Trombetas 1500 cbm Wasser
in den Amazonas.')
Die Indianer nennen den Fluss „Oriximia", ein Name^ der oft in
selbst bedeutenden Kartenwerken für „Trombetas" gebraucht ist.
In seinem Oberlaufe ist der Trombetas durch Detritusmassen
getrübt;*) wie seine Wasserfarbe im Mittellaufe ist, ist unbekannt, da-
gegen ist er von Porteira an nach Rodriguez ein echter Schwarz-
wasserfluss mit „klarem, schwarzen Wasser." ")
2. Der Rio Negro.
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, war es Orellana,
der 1540 als der erste europäische Forscher den Amazonas
hinauffuhr und an die Mündung des Rio Negro kam. Hundert
Jahre später, 1639, berichten uns zwei Jesuiten, Christoval
de Acuna und A. Artedia ebenfalls von diesem Strome.i^)
Genauere Kenntnis des Rio Negro verdanken wir aber erst
D'Anville. Zwar zeigt seine erste, aus dem Jahre 1750
stammende Karte von Südamerika den Orinoko noch als
einen Arm des Caqueta, aus dem der Rio Negro unmittelbar
entspringt; aber schon in einer zweiten Ausgabe des Blattes
zeichnete D ' A n v i 1 1 e den Cassiquiare als Bifurkation
zwischen Orinoco und Rio Negro, wahrscheinlich auf den
') Pet. Mittig. Bd. 47 S. 51. ^) Ehrenreich, Verhdlg. d. Ges. fOr
Erdkunde zu Berlin, Bd. 17 S. 160. ^) Pet. Mittig. Jahrg. 1901 S. 51.
*) Pet Mittig. Jahrg. 1900 S. 130 ") Reclus, Bd. 19 S. 147. *) Ebenda.
') Ebenda. *) Schomburgk, Rieh., 2. T. S. 475. *) Zeitschr. d. Ges.
für Erdk. zu Berlin, Bd. 17 S. 390. '") Humboldt, A., Bd. 4 S. 43.
— DD —
Nachrichten des Jesuitenpaters ManuelRamon fussend, der
1744 den Oberlauf des Rio Negro kennen lernte und auf dem
Cassiquiare zum Orinoco vordrang.^) Nun erscheinen in
kurzen Zwischenräumen mehrere Beschreibungen und Karten
der Flussysteme Südamerikas, besonders des Amazonas und
Orinoco.2; Auch sie haben unsere Kenntnis von der Ent-
wickelung und dem Laufe des Rio Negro in jeder Hinsicht
gehoben, aber trotzdem gaben sie noch kein zuverlässiges
Bild von diesem Flusse.
Da betrat um das Jahr 1799 Alexander v. Humboldt
den südamerikanischen Boden. Mit ihm begann eine neue
Epoche in der Erforschung des südamerikanischen Kontinentes:
an Stelle gelegentlicher Beobachtung trat jetzt eine auf
wissenschaftlichen Prinzipien ruhende Forschung,^; und damit
werden auch die Nachrichten über den Rio Negro reichlicher
und sicheren Er selbst nahm einen Teil vom Oberlaufe des
Stromes auf und gab eine meisterhafte Beschreibung von
demselben. 1819 sodann erforschte der Reisende Spix den
Fluss aufwärts bis Barcelles;*) 1838 befuhr Rob. Schom-
b u r gk den Mittellauf desselben. ^i Wa 1 1 a c e endlich zeichnete
nach einer vierjährigen Reise (1848 — 52) den ganzen Lauf
des Flusses, so, wie wir ihn im allgemeinen auf unseren
Karten heute noch finden.^)
Freilich, es blieb noch manches zu berichtigen und manches zu
ergänzen. Namentlich in der Darstellung der Nebenflüsse des Rio Negro
waren Wallace verschiedenerlei Ungenauigkeiten , ja Unrichtigkeiten
unterlaufen Die neueste Zeit hat das Verdienst, völlige Klarheit ge-
schaffen zu haben. 1881 erforschte P a y e r den Rio Branco, den grössten
linksseitigen Nebenfluss des Rio Negro, ^) der schon 100 Jahre vorher
durch Silva da Pontes und Am ei da*; befahren worden war. Vor-
*) Pet Nfittlg. 1900 S. 125. ^) Die wichtigsten: i. Die Karte von
La Cruz Olmedilla und Survilla ^1775). 2. Carte generale de la Guayana
• 1798) *) Günther, S., Entdeckungsgeschichte und Fortschritte der
wissensch. Geogr. im 19. Jahrhundert, Berlin 1902 S. 112. *) Spix und
Marti us: „Reise in Brasilien 1831". *j Schomburgk, Robert:
„Reisen in Guiana und am Orinoco 1835—39". 'j Wallace, On the
Rio Negro Joum. R- G. S. Vol. 23, 1853 p. 212. ') Pet. Mittig 1884 S. 395.
• Schichte! : „Der Amazonen ström" S. 69.
- 56 -
zügliche Beiträge zur Geographie des Rio Negro verdanken wir auch
der brasilianisch -venezuelanischen Grenzkommission. *) Die Arbeiten
derselben erfolgten unter Leitung des Brasilianers Fr. Lopezde
Ar au ha. Die Kommisson lehrte uns den Hauptquellfluss des Rio Negro,
den Rio Guainia, sowie mehrere Zuflüsse desselben kennen.
Auch Coudreau,^) L. Agassiz,*) Barrington Brown,*) Georg
Hühner,^) Ihre Kgl. Hoheit, Prinzessin T her es e von Bayern*) und
noch zahlreiche andere Reisende und Forscher trugen dazu bei, die
Kenntnis über diesen Fluss zu erweitern. —
Nun eine kurze Betrachtung dieses Stromes!
In seinem Oberlaufe bis zur Aufnahme des Cassiquiare führt der
Rio Negro den Namen Guainia. Sein Ursprung liegt nicht, wie man
früher annahm , auf den Anden Columbiens , sondern auf den Cerros
Yimli, einer Höhenstufe der Amazonasebene, die vom Äquator bis gegen
den Guaviare nordwärts zieht. Dort entstehen nahe beieinander noch
der Isana, der Codiari und der Yaupes.')
Der Guainia beschreibt einen grossen Bogen nach Norden und ist
vollständig in Granit eingebettet. „Was den Guainia im Oberteil seines
Laufes vorzüglich auszeichnet," sagt Humboldt, „ist der Mangel an
Krümmungen : er stellt sich als ein breiter, in gerader Linie durch eine
dichte Waldung gezogener Strom dar ; so oft er seine Richtung ändert,
bietet er dem Auge Aussichten von gleicher Länge dar. Die Ufer sind
hoch, aber eben und selten felsig. Der von ungemein starken Quarz-
adern durchzogene Granit geht meist nur in Mitte des Flussbettes zu
Tage. Die Flussgestade sind öde.®) Der ganze Oberlauf bewegt sich
auf einer Meereshöhe von 390—570 m, und die Breite des Stromes
schwankt zwischen 0,4 und 0,8 km. Bei der Schanze San Agostino er-
gab Humboldts Messung eine solche von 569 m.
Der Guainia hat eine Menge von Cascaden und Stromschnellen zu
*) Eine eingehende Darstellung dieser Arbeiten hat Lopez in
einem Bericht von 80 grossen Quartseiten an das Ministerium nieder-
gelegt, welcher in dem „Relatorio apresentado a assemblea general
legislativa pelo ministro dos negocios estrangeiros Francisco de Carvalho
Soares Brandao" (Rio de Janeiro 1884) abgedruckt ist. ^) Coudreau,
La Fran<pe equinoctiale, Paris 1887 Bd. 2. ^) Agassiz, A journey in
Brazil, Boston 1875. *) Barrington Brown, Quart Jour. Geol. Soc.
London 1879, Vol. 35 pl. 38. *) Hübner, Georg: „Nach dem Rio
Branco". (Deutsche Rundschau, S. 14 — 21; 306 — 313; 20. Jahrg. 1898.)
*) Kgl. Hoheit Prinzessin Therese von Bayern: „Meine Reise in den
brasilianischen Tropen". 8®, 544 SS., mit 2 Karten, 4 Tafeln, 18 Voll-
bildern und 60 Textabbildungen. Berlin, D. Reimer, 1897, S. 82 — 104;
121 — 145. ') Sievers: „Amerika", S. 82. ®) Humboldt, Bd. 3 S. 264.
- 57 -
Überwinden, hervorgerufen durch gewaltige Granitblöcke. Sein Wasser
ist tintenschwarz, klar und durchsichtig und zeigt eine mittlere Tem-
peratur von 28—29°.
Oberhalb San Carlos mündet der Cassiquiare in den Guainia. Von
hier bis zur Mündung des Rio Branco erstreckt sich der Mittellauf des
Rio Negro.
Bei San Carlos hat der Guainia bereits eine Breite von iioo m. *)
Er erweitert sich immer mehr und verfolgt bis zur Mündung des Yaubes
eine südliche Richtung. Seine Ufer sind hier wenig bewohnt und
grösstenteils von Wäldern begleitet. Bei San Joao Baptista de Mabi
erweitert er sich bis zu 1600 m ^) und wird von da an durch Inseln und
zahlreiche Felsrippen in eine Menge Kanäle geteilt. Namentlich von
der Mündung des Yaubes an, wo er durch die fast 1000 m hohen Berg-
rücken der So do Cabary, S? do Uanary und Sa Curicuriary gezwungen
Avird, bis zur Mündung des Rio Blanco nach Südosten zu fliessen, zeigt
er seine grösste Zerrissenheit. Granitinseln. Catarakte und verborgene
Klippen wechseln hier in unendlicher Kette einander ab. *) In der Nähe
des Dorfes Wanawacca*; hat er schon eine Breite von 4 km während
seine Tiefe von 3 m bis auf einige Zoll wechselt. Weiter nach Osten
erweitert sich der Fluss immer mehr. Bis zur Mündung des Padaviri
hat er eine durchschnittliche Breite von 10—12 km, an manchen Stellen
erreicht er eine solche sogar von 20 km. Seine grösste Breitenausdeh-
nung besitzt er unterhalb Barcellas, nämlich über 30 km. ^)
Vom Rio Branco an, dessen weisse Wasser den grössten Kontrast
beim Zusammenflusse mit dem schwarzen Rio Negro bilden, *) beginnt der
Unterlauf des Rio Negro. Die Ufer werden nun flach und sandig und der
Strom verlässt das Granitgebiet. Zur Hochwasserzeit, vom April bis
zum August, werden die Inseln, die jetzt nicht mehr, im Gegensatze zu
den Restinseln des Granitgebietes, aus Felsen bestehen, sondern sämtlich
zu den Anschwemmungsinseln gehören, unter Wasser gesetzt.7) Der
Fluss bildet, sagt R e c 1 u s , wie die canadischen Flüsse, mehr die Fort-
setzung eines Sees, als die eines Flusses. Er hat oft eine Breite von
25 km und seine Strömung ist ausserordentlich schwach. Mit Recht
bezeichnen ihn die Indianer, wie uns R e c 1 u s ebenfalls berichtet, im
Gegensatze zu dem reissenden Amazonas als den „toten*' Strom. ®)
*) Schomburgk, Rob. S. 477. ^) Schomburgk, Rob. S. 482.
•) Günther, Geophysik II. Bd. S. 918; Schomburgk, Rob.; S. 489,
490; 488. *) Schomburgk, Rob. S. 488. ^) Ebenda S. 498. ®)Reclus,
Bd. 19 S. 126; Pet. Mittig. 1884 S. 395; Rob. Schomburgk S 498.
') Coudreau Bd. II pag. 121. ®) Reclus, Bd. 19 S. 126
- 58 -
Dasselbe berichten auch S p i x , *) A g a s s i z etc ^) Die Annahme S p i x' , *)
„dass der Rio Negro hier aus einem System von grossen Binnenseen
entstanden sei, das erst durch die Beiflüsse die Natur eines selbstän-
digen Stromes angenommen hat", ist wohl nicht notwendig; denn die
ganze Flachheit des Gebietes lässt eine solche Ausdehnung des Flusses
zu, ohne dass man hier auf die Hypothese von Spix greifen muss.
Nach Condamine beträgt die Breite des Rio Negro an der
engsten Stelle bei Manaos 2350 m, *) und der Amazonas fliesst hier in
den Rio Negro zurück. Beide Flüsse werden hier durch 9—10 m hohe
Anschwemmungsprodukte auf eine weite Strecke lang an ihrer Ver-
einigung gehindert. Die Tiefe des Rio Negro schwankt hier zwischen
30-50 m.')
Nach Klöden®) beträgt die ganze Rio Negro-Länge 2329km, der
Quellenabstand 1810,5 km, sein Stromgebiet 721324,3 qkm. (Als Ver-
gleich diene die Donau, ebenfalls nach K 1 ö d e n s Berechnung : Länge
2745 km; Quellabstand 1632 km; Stromgebiet 816984 qkm.) Der Rio
Negro kann 750 km von der Mündung an mit grösseren Dampfern be-
fahren werden, während Segelschiffe von 100 Tonnen den Verkehr aui
ihm und seinen Nebenflüssen, Rio Branco, Yaubes, Cassiquiare u. a.
nicht nur auf bras. Gebiet, sondern auch bis nach Venezuela und Columbia
hinein vermitteln. Die Statistik zählt jährlich ungefähr 750 Dampfer
und iioo kleinere Fahrzeuge. ')
Auf seinem Wege durch das Granitgebiet (Ober- und Mittellauf)
hat der Rio Negro, wie die Reisenden berichten, klares, schwarzes
Wasser, auf seinem Unterlaufe dagegen, im sandigen Gebiet des Ama-
zona«, sind seine Fluten durch Beimengung von Sedimenten getrübt.
„Die Farbe", schreibt Wall ace, „wechselt an Intensität in verschiedenen
Teilen seines Laufes. Im unteren Teil ist das Wasser leicht olivfarben
durch Beimengung von Sedimenten, höher hinauf, in dem felsigen
Distrikt, ist die Färbung viel reiner und durchsichtiger."®) Ihre Kgl.
Hoheit Prinzessin Therese schreibt davon : „Die Farbe des Rio Negro
ist ein schönes Bernsteingelb, scheint jedoch, wo das Wasser tiefer ist,
undurchsichtig schwarz und hat hiedurch dem Strom seinen Namen
gegeben." (S. 82.)
^) Martins, Bd. III S. 1292, 1296. ^) L' Agassi z. A journey
etc. Boston 1875 p. 185. *') Martins, Bd. IIL S. 1296. *) De la Con-
damine. Relation d*un voyage fait dans Pinterieur de PAmerique
Meridionale. Maestrich t 1878. (pag. 114.) ^) Kgl. Hoheit, Prinzessin
Therese von Bayern Reise etc. S. 82. ®) Geogr. Jahrb. 20. Bd. S. 401.
') Reclus, Bd. 19 S. 147. ®) Wall ace, On the Rio Negro. Journ.
R. G S. Vol. 23. 1853.
- 59 -
Das ganze Rio Negro-System ist, wie die zahlreichen Reiseberichte
ergaben, reich an „schwarzen" Gewässern. Wir erwähnen hier nur die
bekanntesten. Dieselben sind auf der linken Seite:
a) der Pimichin.i) Er entsteht auf der „Bodenschwelle*',
die sich zwischen dem Amazonas- und Orinocosystem von
N.-O. nach S.-W. hinzieht. Von seinem Mittellaufe schreibt
Humboldt: „Der Pimichin ist hier ein Bach (Cano), der so
breit wie die Seine, der Galerie der Tuillerien gegenüber, ist;
aber kleine, gern im Wasser wachsende Bäume, Corossols
(Anona) und Achras, engen sein Bett so ein, dass nur ein
30 bis 40 m breites Fahrwasser offen bleibt. Er gehört mit
dem Rio Ghagre zu den Gewässern, die in Amerika wegen
ihrer Krümmungen berüchtigt sind. Man zählt deren 85,
wodurch die Fahrt bedeutend verlängert wird. Sie bilden
oft rechte Winkel und liegen auf einer Strecke von 9 bis
13 km hintereinander.'* Die Strömung des Pimichin beträgt
hier 664 mm in der Sekunde. Die Ufer sind niedrig, aber
felsig (Granit). Der Fluss ist das ganze Jahr schiffbar."
Da die Entfernung von Yavita am Temi bis zum Pimichin nur
ungefähr 15 km beträgt, so könnte diese Stelle von grösster wirtschaft-
licher Bedeutung werden, wenn man, wie bereits Humboldt den Vor-
schlag machte, statt des Trageplatzes einen Kanal vom Atabapo zum
Pimichin errichten, würde. Die Fahrzeuge gingen dann von San Carlos
nicht mehr über den Cassiquiare, der eine Menge Krümmungen hat und
wegen der starken Strömung gerne gemieden wird. Die Bergfahrt wäre
über den Cano Pimichin um die Hälfte kürzer.
Das Wasser des Pimichin ist klar und schwarz. Auch der grösste
Teil seiner Zuflüsse zeigt die gleiche Erscheinung.*)
b) der Cafto Caterico, ein Zufluss des Cassiquiari.
Er hat ein schwarzes, ungemein durchsichtiges Wasser. 3)
c) der Pacimoni. Seinen Lauf hat die Venezolanisch-
Brasil. Grenzkommission einigermassen festgestellt. Er ent-
steht aus dem Baria und dem an der Vereinigungsstelle mit
dem Baria 150-300 m breiten Jatua, der aus der Serra
Imery kommt, und heisst dann Pacimoni. Er mündet unter
*) Siehe Humboldt, Bd. III S. 231, 230, 243. '^) Humboldt,
Bd. III S. 231. 3) Humboldt, Bd. IV S. 23.
— 6o —
letzteren Namen bei Buena Vista in den helleren Cassi-
quiare. ^) Nach Robert Schomburgk hat er dort eine Breite
von 560 m und eine schwarze Wasserfarbe. 2)
d) Fast alle Flüsse des linken Rio Negro-
Systems, vom Cassiquiari an bis zum Rio Blanco,
sind ebenfalls schwarz. Sie wurden, wie der Pacimoni,
von der Venezuelanischen-Brasilianischen Grenzkommission
festgestellt. Dieselbe fuhr den Guainia abwärts bis zur
Mündung des Rio. Dimity, dann diesen aufwärts, überschritt
unter grossen Beschwerden die Wasserscheide zwischen
diesem und dem Ica-Fluss, und erreichte dessen Mündung
in den Cauabury unter oOi3'24,9" n. Br. und 66^ i8'52,5"
w. G. Von hier zog die Expedition den starkströmenden,
steile Ufer führenden Cauabury hinauf und erreichte am
12. März den Maturacä-Kanal, der sich hier am Fusse der
wahrscheinlich aus Sandstein bestehenden pittoresken Serea
Onory mit einem heftig strömenden Nebenflüsse von schwarzer
Farbe vereinigt. Der Kanal Maturacä fliesst zwischen Steil-
ufern zwischen der Serra Onora auf dem rechten, der Serra
Pirapucu auf dem linken Ufer. Am 27. März erreichte
man den interessantesten Punkt der Reise, nämlich eine
Bifurkation. Der Rio Bahiua nämlich , v^elcher auf der
Serra Imery zu entspringen scheint, teilt sich in zwei
Arme, von denen der eine durch den erwähnten Kanal
Maturacä und den Rio Canabury in den Rio Negro, der
andere durch den Kanal Ocuene in den Bariafluss, von
hier in den Pacimoni und so in den Cassiquiare mündet, so
dass also der Orinoco nicht allein durch den Cassiquiare
selbst, sondern auch durch den in den Cassiquiare mündenden
Pacimoni-Baria und den Cauabury mit dem Rio Negro in
Verbindung steht. Auch scheint ferner noch ein in den
Maturacä oberhalb des 6 m hohen Katarakts von Hua ein-
mündender Arm aus dem Erubichy zu kommen, der seiner-
seits wieder in den Baria mündet, so dass eine zweite Bifur-
*) Zeitschrift der Ges. f. Erdk. z. Berl. 1887. S. 2. (Siehe auch
Karte.) ^) Schomburgk Rob. S. 474. — Humboldt, S. 12. IV. Bd.
- 6i —
kation vorliegt. Endlich sendet der Bahiua schon vor der
Abzweigung des Maturacä den Mariciudni noch den Baria zu.
Die auf diese Weise zwischen dem Rio Negro, dem Cassiquiare,
dem Pacimoni-Baria und dem Maturacä-Cauabury befindliche grosse Insel
haben die Brasilianer Ilha-Pcdro II genannt. Ihre Ausdehnung von Süd
nach Nord beträgt etwa 260 km, ihre Breite im nördl. Teil 50, im süd-
lichen bis 120 km, hat also etwa die Grösse Hollands.
Sämtliche obengenannte Flüsse, mit Ausnahme des
Cassiquiare, haben klares, schwarzes Wasser und
sind mit wenigen Ausnahmen langsam strömende Gewässer. ^)
e) Der Rio Preto, -ein grosser linksseitiger Zufluss des
Rio Negro, der aber bis jetzt noch nicht befahren wurde und
von dem nur seine Mündung und sein Nebenfluss Padauiry
bekannt ist. 2)
f) Der Mahu. Er ist ein Nebenfluss des Takuta und
kein bedeutender Fluss. Bei seiner Mündung in den Takuta
hat er 210 m, weiter oberhalb 170 m Breite. An seinem
rechten Ufer liegt ein kleiner See, mit dem er in Verbindung
steht : nahe den Quellen mündet in ihn der Ukiripa, welcher
zwischen der Serra Urumbaru im Süden und Tipiren und
Tauairen im Norden fliesst. 3) Nach Richard Schomburgk
bildet der Mahu herrliche Wasserfälle und durchfliesst
malerische, aber unfruchtbare Thäler. Während der Regenzeit
• trägt er namentlich zu den Überschwemmungen der Savaiien
bei, was zur Folge hat, dass sich die Gewässer zweier Flüsse,,
die ganz verschiedenen Flussystemen angehören, mit einander
vermischen.*) (Mit dem Essequibosystem.) Der Mahu hat
eine ziemlich bedeutende Strömung. Die Macusis nennen
ihn Ireng. 5) Sein Wasser ist kaffeebraun, ß)
g) Der Tacutu. Seine Quellen sind noch nicht be-
kannt. Sie liegen nach Rob. Schomburgk wahrscheinlich in
dem Vindiaugebirge, 6 Tagereisen von dem Ursatogebirge
*) Zeitschrift der Ges. f. Erdk. zu Brl 1887 S. 2. ^) Ebenda, S. 3-
'; Ebenda, S. 4 u. 5. *) Schomburgk, Rieh.; Reisen etc. II. Tl. S. 11,
*) Schomburgk, Rob.; S.'36i. ') Schomburgk, Rieh., S. 11 II. TL
— Humboldt: „Ansichten der Natur" S. 49.
— 62 —
entlernt. 1} Bis zur Aufnahme des Mahu hat er eine fast
nördhche Richtung. Auf dieser Strecke hat er eine schwarze
Wasserfarbe. 2) Genaue Aufnahme des Flusses vom Fort
de S. Joaquim bis zum Mahu erfolgte erst 1882 durch die
Venezol.-Bras. Grenzkommission. 3)
h) Der Sawara-auuru, ein Zufluss desTakütü, hat
ebenfalls schwarzes Wasser. *) Er wurde noch nicht be-
fahren, sondern nur von Rieh. Schomburgk an ein paar
Stellen überschritten. *)
Die bekannten Schwarzwasserflüsse des Rio Negro-
Systems auf der rechten Seite des Rio Negro sind :
a) Der Isana. Robert Schomburgk schreibt über
ihn : „Er kommt aus Nordwest und West von dem Tunuhui-
gebirge. An seiner Mündung ist er 250 Yards breit (460 m);
sein Wasser ist schwarz." 5) Schomburgk hat den Fluss
nur an seiner Mündung gesehen. Die übrigen Angaben des
Flusslaufes etc. scheinen auf Erkundigung zu beruhen. Auch
die Venezol.-Bras. Grenzkommission hat nur einen kleinen
Teil dieses Flusses festgestellt. ^)
b) Der Uaupes. *) Er ist der grösste Nebenfluss des
Rio Negro mit schwarzem Wasser. Man hielt ihn früher für
den Hauptquellfluss desselben und verlegte seine Wiege an
den Ostrand der Anden. ^) Sein Ursprung liegt aber unge-
fähr unter derselben Länge wie der des Guaviare und Yni- '
rida. ^) 1854 wurde der Uaupes vom Jesuiten Cordeira bis
zu seiner Quelle verfolgt, seitdem haben nur wenig Reisende,
wie Wallace, Stradelli, Coudreau,^) G. Coppi und
A. Colini,i<>) den Fluss besucht. An seiner Mündungsstelle
hat er nach Wallace eine Breite von 2 km. Von der
*) Auch Yaupes und Yaubes
^) Schomburgk Rob., S. 351. ^) Schomburgk Rieh., II. Tl.
S. 102. ^) Zeitschr. der Ges. f. Erdkunde z. Brl. 1887 S. 4. *) Schom-
burgk Rieh, II. Tl. S. 103. *j Schomburgk Rob., S. 482. •) Zeitschr.
der Ges. f. Erdk. z. Brl. 1887. S. 2. ') Wallace, Travels; S. 418.
"j Montolieu L'Ynirida. Bull. S. G. Ser. 6. F. 19. S. 289. *) Reclus;
Bd. 19. S. 127. — Globus 1890. S. 248. ^•) Boll. della Soc Geogr. Ital.
1885 Nr. 3. - Pet. Mittig. Hft. VIII. S. 310.
- 63 -
Mündung des Uaupes schreibt Schomburgk: „ Unmittelbar
unter San Joaquim teilt sich der Uaupes in zwei Arme und
bildet dadurch eine kleine Insel von 5 Meilen Länge. Die
Breite des Uaupes beträgt an seiner Mündung in dieser
Jahreszeit 300 Yards; seine Strömung ist bedeutender als
die des Rio Negro, 1V2 Meilen in der Stunde; sein Wasser
ist schwarz. "1) Von seiner Mündung 210 km weit aufwärts
ist er nach W a ] 1 a c e durch einen ruhigen Lauf ausge-
zeichnet. In seinem Oberlaufe hat er dagegen, wie der Rio
Negro, unzählige Cascaden und Stromschnellen über Granit-
felsen zu überwinden, von denen einige Fälle 2 — 3 m Höhe
besitzen.
c) Nach Wallace ui)d Schichtel sind alle Neben-
flüsse des Rio Negro auf seiner S. -Seite, oberhalb seiner
Mündungsarme, die mit dem Amazonas communiciren, schwarz.^)
3. Der Caqueta-Japura.
Er ist kein Schwarzwasserfluss in seinem ganzen Laufe,
sondern nur ein kleiner Flussabschnitt von ihm zeigt die
Farbe des Rio Negro. „Von Arara-Coara bis zu den Fällen
von Cupati hat er eine schmutzig grüne Farbe," schreibt
Martius; „bei S. Joäo selbst wird diese fast in das Kaffee-
braun des Rio Negro verändert, indem eine Menge brauner
Bäche und Canäle sich mit ihm vermischen." Martius 3)
hat den Strom bis zu den Araraquara-(Araracoara) Fällen
befahren; Creveaux*) verfolgte ihn von den Anden bis zur
Mündung. Er ist ein echter Niederungsfluss und durchfliesst
grösstenteils Sandsteingebiet. Von einer ausgedehnten Granit-
masse, die er ebenfalls nach Martius durchbrechen soll,
erwähnt Crevaux nichts. Seine Länge beträgt 1400 km
(Rhein 1320 km). Er entsteht als Rio Capueta in der
Columbianischen Centralkordillere in der Höhe von 4000 m
aus zwei Quellflüssen und bildet, obwohl er nur 150 m
Höhenunterschied zwischen dem Fusse der Anden und der
') Schomburgk, Rob , S. 4 .^. ^) Schicht el, S. 70. *) Spix
und Martius. Bd. II. S. 1197— 1290 *) Crevaux, voyages pag.
353 — 376. Fleuves de TAni^rique du Sud.
- 64 -
Mündung zu überwinden hat, doch vier grössere und viele
kleinere Fälle, besonders bei der Uberquerung der Aracuara-
Höhen unter 73 0* und der äussersten Randstufe unter 69V2
w. B. Die Breite des unteren Japura gibt Crevaux mit
1800—2000 m an; die Tiefe fand Herndon (pag 398) etwa
I km oberhalb der Mündung zu 17 m.
Von seinen schwarzen Zuflüssen erwähnt Martins den Vana-
racu. „Eine halbe Legoa oberhalb Maripi passirten wir an dem
schwarzen und kühlen Vanaracu, einem Paranamirim, der nach den
Indianern der Ausfluss des grossen Sees Ayamä ist und sich weit gegen
Norden hinziehen soll.*)
4. Der Tonantins. Bis jetzt ist nur seine Mündung
bekannt. Er mündet beim Orte Tonantins, etwas unterhalb
der Ica-Mündung in den Amazonas. Er ist von undurch-
dringlichen Urwäldern begleitet und erstreckt sich nördlich
und nordwestlich in den Wald hinein, wo er mit einem Arm
des Rio Japura zusammenhängen soU.^) An der Mündung
ist er 100 — 200 Schritt breit. Sein Wasser ist schwarz.^)
5. Der Rio I^a oder Putumayo. Er hat fast in
seinem ganzen Laufe den Charakter der Niederungsflüsse
und ist infolgedessen von seiner Quelle bis auf einige Tag-
reisen oberhalb seiner Mündung mit Detritusmassen ge-
schwängert. Auf dieser Strecke hat er trübgelbe Farbe.
Sobald der I^a aber sich seiner Detritussubstanzen entledigt
hat und in die Thonebene des Maranon kommt, hat er
schwärzliche Fluten.*) Reyes^) hat den Fluss zuerst von
der Quelle bis zur Mündung befahren und die erste Compass-
Aufnahme seines Laufes gemächt. Simson^) und Cre-
vaux*^) geben eingehende Schilderungen über die allge-
meinen Verhältnisse dieses Flusses. Darnach soll er sich
durch das Fehlen von Stromschnellen und Catarakten und
*) Martins, S. 1212. ^) Ave-Lallemant: „Reise durch Nord-
Brasilien;" IL Tl. S. 218— 219. ') Bates, S. 391. *) Spix u. Martins;
pag. 1186, pag. 1192. ^) Verh. d. Ges. f. Erdk. Bd. 4. 1877. *) Proc
R. G. S. Bd. 21. 1876—77; p. 570 f. 'j Crevaux; Les fleuves de
TAmerique du Sud. Paris 1883. Crevaux; Voyage dans TAm^rique
du Sud. p. 325—349.
- 65 -
durch den Mangel an bedeutenden Nebenflüssen wesentlich
von den anderen Nebenflüssen des Amazonas unterscheiden.
Er wird bis nach Cuemby, in gerader Linie etwa looo km
von seiner Mündung entfernt, mit Dampfern befahren. Seine
Breite beträgt etwas oberhalb der Mündung 500 - 700 m.
b) Die rechtsseitigen Schwarzwasserflüsse des
Amazonas.
1. Der Rio Moju. Er ist ein Strom, der nur um
weniges kleiner ist als die Themse, hängt etwa 20 englische
Meilen vor seiner Mündung durch einen kurzen künstlichen
Kanal mit einem kleinern Strome, dem Igarape-mirim,
zusammen, der in entgegengesetzter Richtung dem Wasser-
systeme des Tocantins zuströmt.^) Seine Quellen liegen
jenseits des vierten 'Parallelkreises in ausgedehnten Wald-
ungen. Er mündet in den Rio Para und teilt alle Perioden
und Bewegungen der Flut, der Ebbe und des Hochwassers
mit dem Parastrome, und zwar treten nach Martins diese
Erscheinungen hier ungefähr acht Minuten später ein als in
der Stadt Para. Sein Wasser ist schwarz.^)
2. Der Araguaya-Tocantins. Eine ebenso fleissige
als treffliche Darstellung über die Entdeckungsgeschichte
dieses Zwillingsstromes von der Zeit der Conquistadoren
an bis zum Jahre 1817 gibt uns Martius.^) Da während
dieser Periode jedoch eine reguläre Flussaufnahme niemals
unternommen wurde, so war das Kartenbild in damaliger
Zeit vom Araguaya-Tocantins ein erheblich abweichendes
vom jetzigem. Auch die Castelnausche Expedition vom
Jahre 1844 hat keine besonders wichtige*n Erfolge für die
Kenntnis dieses Stromes aufzuweisen, im Gegenteil, „sie hat",
schreibt Ehrenreich, „mehr dazu beigetragen, die gra-
phische Darstellung, die Cunha Mattos 1836 vom Strome
gab, wieder gründlich zu entstellen."
') Bates, S. 62. *) Spix u. Martius, Bd. III S. 1042; 927,
977, 979, 967, 1327. — Kletke, S. 738. ') Martius, Bd. III S. 1043
u. 1044.
R e i n d 1 , Schwarze Flüsse. 5
- 66 -
Erst durch die Arbeit Ehrenreichs, der bei seirter
Thälfährt auf dem Araguayä Gelegenheit hatte, das ihm zur
Verfügung stehende brasiHanische Kartenmaterial zu prüfen,
erhielt das Kartenbild des mittleren und unteren Araguayä
eine wesentlich andere Gestalt. Namentlich der auffallende
Bogen beim Einflüsse des Crixas fällt nach Ehrenreich
weg, ferner erfuhren viele andere Positionen am Hauptflusse^
wie z. B. die Mündung grösserer Nebenflüsse und die Gestalt
der Insel Bananal starke Veränderungen. i)
Als wichtige Relätorios für die Geographie und Hydrographie
des Araguayä empfiehlt Ehrenreich:
1. den von Moraesjardim über seine Fahrt verfassten Bericht:
„O Rio Araguayä, Helatorio de sua explora^ao" Rio 1880;
2. die treffliche, sehr eingehende Beschreibung der Kataraktenstrecke
durch den Ingenieur Antonio Florencio Perreira do Lago, der
dieselbe im Jahre 1871 im Auftrage der Regierung untersuchte:
„Relatorio dos estudos da commissäo exploradora dos rios Ara-
guayä e Tocantins. Rio 1876.^)
Beschreibung des Stromlaufs.
Die Wiege des Araguayä hat noch kein wissenschaftlich gebildeter
Forscher gesehen. Von den drei Quellflüssen Cayapo Grande, Caya-
posinho oder Rio Bonito und dem Rio dos Barreiros gilt der erstge-
natinte als der Hauptfluss. Sein südlichster bekannter Punkt ist die
Übergangsstelle Ehr eure ich s unter 16" s. B. und 52^20' westl.
Länge Gr. bei Macedina. Hier ist der Fluss bereits 150 m breit.
Vom Hafenorte S. Leopoldina an, wo der Fluss schon eine Tiefe
von 4 — 7 m und eine Breite von 525 m hat, ist der Araguayä bereits
für Dampfschiffe befahrbar. Über 6 Breitengrade lang fliesst er nun
durch öde Campgegenden. „Unzählige, zur Hochwasserzeit über-
schwemmte Inseln", schreibt Ehrenreich, „erfüllen auf dieser Strecke
das Bett. Lagunen, durch schmale „Furos" mit dem Strom kommuni-
zierend, finden sich an beiden Ufern in Menge. Ihre ausnahmslos halb-
mondförmige Krümmung charakterisiert sie als Reste zugeschwemmter
Flussbiegungen. Bis zur Tapirapemündung treten im Flusse selbst nur
kurz unterhalb des Rio Vermelho und am Ufer bei S. Jose Felsmassen
*) Zeitschrft. der Ges. f. Erdk. z. B. 1892 S. 121 — 123. — Ebenda
1891 S. 167. ^} Zeitschrft. d. Ges. f. Erdk. z. B. 1892 S. 123 . u. 124.
- 67 -
ZU Tage. Die ersteren bilden zerstreute abgerundete Blöcke aus hartem
kieseligem Gestein, behindern jedoch selbst bei niedrigstem Wasser-
stande nicht die Schiffahrt. Die* Breite des Stromes schwankt zwischen -
500 und 1000 m." *)
Etwas unterhalb der Crixas-Mündung teilt sich der Strom in einen
östlichen und westlichen . Arpi, die sich unter ungefätu* 10® si,B. wieder
vereinigen. Die so gebildete Insel führt den Nameij „Insel Bananal"
oder „Santa Anna" und hat nach Cunha Mattos eine Länge von
60 Legoas (300 km) und eine ßreite von 20 Legoas (ipa km).^). Auf
dem rechten Arme passierte im Jahre 1844 (Juni— Juli) die Gast el-
nausche Expedition. Damals hatte der linke Arm 360m, der rechte
276 m.'') Der stets schiff*bare linke Arm ist jetzt die eigentliche
Schiffahrts-Strasse. In ihn münden die drei grossen Nebenflüsse:
Gristallino, Rio das Mortes und Tapirapes.
Etwas südlich vom 10® s. B. an vereinigen sich wieder die beiden
Arme deö Araguaya. Der Zusammenfluss derselben soll infolge der
mächtigen Urwälder, die sich in den Fluten des Wassers spiegeln, einen
imposanten Anblick gewähren. Der rechte Arm des Stromes ist hier
230 m, der vereinigte Strom 678 m breit, die Schnelligkeit des letzteren
beträgt 33V« ni in der Minute.*)
Bei Santa Maria beginnen bereits die bekannten Stromschnellen
des Flusses, die nur mit grosser Gefahr passiert Werden können; Es
lassen sich hier namentlich zwei Gruppen grösserer Abstürze des Flusses
unterscheiden, die Eh r/en reich eingehend schildert.*)
Bei San Joäo .das duas Barras unter 5° 20' ^. B. mündet der
Tocantinß in drei Armen in den . A.raguaya. Ersterer .Strom hat sein
Quellgebiet im Urgesteinszug der Provinz Goyaz und übertrifft die
Länge des Rheines um das Doppelte. Etwa unter 12® 10' s. B. taucht
das Urgestein aus dem Sandstein auf, und der Fluss vvird völlig un-
fahrbar. . An dieser Stelle verliess ihn die C a st elna'us che Expedition,
nachdem sie ihn von seiner Mündung an befahren hatte.*)
Nach der Vereinigung mit dem Araguaya behält > der Toqantins
meinen Namen bei, ob.wohl der erster^ Strom viel länger und wasser-
reicher ist ^Is der letztere. Der Grund zu dieser Thatsache liegt darin,
dass nämlich der Tocantins viel früher bekannt und besiedelt wurde
als sein grösserer Zwillingsbruder. Die Breite nach der unmittelbaren
Vereinigung dieser Ströme beträgt, von Castelnaü trigonometrisch
gemessen, 1780 m.')
*) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. z. B. 1892 S. 125. ^) Ebenda S. 126.
•) Pet. Mittig. 1857 S. 164. *) Pet. Mittig. 1857 S. 164. *) Zeitschrft. d.
Ges. f. Erdk. z. B. 1892 S.. 129-135. *) Pet. Mittig. 1857 S. 164. ') Pet.
Mittig. 1857 S. 164.
— 68 —
Der Tocantins behält zunächst die W.-Richtung des untersten
Araguaya bei, wendet sich dann nach Norden und tritt unter s'/a^s.B.,
nachdem er sich über gewaltige Catarakte gestürzt, in die Amazonas-
niederung ein. B a t e s hat den Fluss von seiner Mündung in den
Amazonas bis zu den Stromschnellen von Guaribas unter 4® 10' s. B.
befahren und gibt uns eine herrliche Schilderung von dieser Fluss-
strecke.') Darnach gleicht dieser Strom hier mehr einem See als einem
Fhisse. An der Mündung beträgt seine Breite nämlich 10 Engl. Meilen,
(= 16 km), Cameta gegenüber noch 5 Engl. Meilen (= 8 km).^)
Prinz Adalbert von Preussen ^) und B a t e s bezeichnen den
Fluss als auffallend klar und dunkel.*/
3. Der Xingu. Obwohl der Xingu unter den Ama-
zonastributären, die ihre Wiege auf dem brasilianischen
ßerglande haben, sich erst am spätesten der Aufmerksamkeit
gebildeter Forscher zu erfreuen hatte, besitzen wir heutzutage
dennoch den besten homogenen Bericht über ihn. Man darf
fast sagen, dass dieser Fluss bis zur ersten grossen Expedition
Karls von den Steinen und seiner weitbekannten Mannen
dem grössten Teil seines Laufes nach so gut wie unbekannt
war. Zwar war schon gegen Ende des achtzehnten Jahr-
hunderts ein deutscher Jesuilenpater Namens Hundert-
pfund bis in das Gebiet der Yuruna-Indianer vorgedrungen,
allein einen wissenschaftlichen Bericht über seine Reise hat
er uns nicht hinterlassen.*^) Auch im Jahre 1842 wurde
vom verstorbenen Prinzen Adalbert von Preussen eine
Fahrt Xinguaufwärts unternommen,«) allein diese Expedition
fand schon unter dem 4° s. B. ihr Ende; und so dürfen wir
mit gutem Recht sagen, dass man erst im Jahre 1884 mit
Erfolg daran ging, den Schleier über ein nicht unbeträcht-
liches Gebiet unbekannter Erde zu lüften. Wie schon
erwähnt, war es die erste Xinguexpedition, die mit der Er-
forschung dieses Stromes mit grossartigen Erfolgen begann.
') Bates, Kapitel IV S. 60-99. *) Bates, S. 63. '') Kletke,
S. 733» 734- *) Bates, S. 62, 63, 73, 75. *) Clauss, „Die Xingu-
Expedition vom Jahre 1884. Berlin 1885 S. 4. *) Kletke, H., „Reise
des Prinzen Adalbert von Preussen". Berlin 1857.
- 69 -
Karl von den Steinen,^) Otto Clauss2) und der
Vetter des ersteren, der Maler Wilhelm von den Steinen,
waren es, die zum erstenmal im Jahre 1884 den Xingii von
seinem Quellflusse, dem Batovy, bis zur Mündung in den
Amazonas befuhren. Nachdem aber eine nähere Unter-
suchung der Quellflüsse des Xingu dennoch notwendig war,
unternahmen 1887 Paul Ehrenreich aus Berlin, Wilhelm
von den Steinen aus Düsseldorf, Karl von den Steinen
aus Berlin und Peter Vogel aus München eine zweite
Xingu-Expedition.3) Hier wurde nun der Lauf des Batovy
und der des Kulis^hü festgestellt, allein die beiden Haupt-
quellflüsse Ronuro und der Kuluene warteten noch immer
auf ihre Befahrung. Während bis heute nun durch die dritte und
vierte Xingu-Expedition unter Hermann Mayer 1896/97
und 1898/99 (die dritte unter Begleitung des Anthropologen
Karl Ranke aus München) auch der Ronuro erforscht
wurde,*) ist die Kuluene-Quelle noch immer unserer Kennt-
nis entzogen. Zur selben Zeit, als Hermann Mayer auf
seiner ersten Reise im Quellgebiete des Xingu thätig war
(1896/97), wurde auch der Unter- und Mittellauf des Flusses
befahren und zwar von dem bekannten Franzosen Cou-
d r e a u.^) Die letzte Forschungstour in das Xingugebiet ging
endlich im Oktober 1900 unter Max Schmidt ab,
wovon jedoch Reiseberichte zur Zeit noch fehlen.«)
Beschreibung des Xingu. „Das Flussgebiet des oberen
Xingu gleicht einer Hand", schreibt Hermann Mayer.') „Die einzelnen
Quellflüsse entspringen in einer verhältnismässig schmalen Zone des
*) Karl vondenSteinen, „Durch Central-Brasilien'V Leipzig,
Brockhaus 1886. ") „Bericht über die Schingü-Expedition im Jahre 1884*"
von Otto C lau SS, Pet. Mittig. 1886, Heft V u. VI. (mit 2 Karten) —
ferner: Clauss, „Die Schingu-Expedition von 1884'', Berlin 1885.
•) Zeitschrift der Ges. f. Erdk. z. Berlin N. 4 u. 5. 1893. (Hierzu Tafel
3 u. 4.) *) a) Hermann Mayer, „Bericht über die I. Xingu-Expe-
dition". (Verh. d. Ges. f. Erdk. 1897 S. 172—199.) b) Hermann
Mayer, „Bericht über die IL Xingu-Expedition". (Verh. d. Ges. f. Erdk.
z. B. 1900 S. 112— 129) ^) Globus 1898 S. 121. *) Globus 1901 S. 195.
') Verh. d. Ges. f Erdk. z. Brl. 1900 S. 112.
— 7° -
nördlichen Abfalls des grossen Hochplateaus, welches die Wasser-
scheide des gewaltigen Stromgebietes des Amazonas und La Platas
bildet." Die in fünf grösseren Becken entstehenden Quellflüsse sammeln
sich in zwei HauptflQssen, dem Ronuro und dem Kulufine. Der west-
liche Quellfluss, der Ronuro, ist sowohl der bedeutendste als auch be-
kannteste. Die Frage nach seiner Herkunft war eine äusserst wichtige
für die Geographie des Xingu und bildete die Gen^ralidce Hermann
Mayers bei seiner zweiten Expedition. Bei seiner ersten Reise hatte
dieser Forscher bereits den Jatoba, einen ziemlich bedeutenden Zufluss
des Ronuro und den letzteren selbst von der Mündung des Jatoba an
abwärts befahren. Erst auf seiner zweiten Reise gelang es Mayer,
den Schleier von dem Ronuro-Gebiet endgültig zu lüften. Er befuhr
den Fluss von der Quelle bis zur Mündung und stellte fest, dass der
Ronuro aus zwei kleinen Quellbächen entsteht, dem Rio Bombas und
dem Rio Formosa. Der Ronuro hat in seinem Ober- und Mittellaufe
unzählige Fälle und Schnellen zu überwinden, so dass er dort fast un-
befahrbar ist.') Von der Aufnahme des Jatoba an hat er bereits eine
Breite von 200 m,*) und vor der Mündung des Batovy traf ihn Mayer
mit einer solchen von 300 m an.') Von links erhält der Ronuro den
„Steinen-Fluss", von dem aber nicht mehr als seine Mündung bekannt
ist. Von rechts erhält er den Batovy, den die erste deutsche Xingu-
Expedition schon befahren hatte. Diese schiffte sich nämlich beim
Austritt des Batovy aus seinem Quellbecken, also beim Beginne seines
Erosionsthaies unter 13® 57,2' S. B., auf ihm ein und begann ihre Thal-
fahrt. Innerhalb des Erosionsthaies und ausserhalb desselben, bis zu
13» 4' S. Br., auf einer Strecke von ungefähr 120 km, durchsetzen zahl-
lose Steinschwellen, die mehrfach die Breite von 500 m erreichen, das
Flussbett und bilden Wasserfälle, Katarakte und Stromschnellen. Durch
das Flachland nimmt der Batovy entsprechend seiner geringen Grösse
in zahllosen engen Windungen seinen Lauf, so dass die Flusslänge das
doppelte der Entfernung von der Quelle bis zur Mündung beträgt. Er
mündet unter 12° S. B. in den 300 m breiten Ronuro.*)
Während der zweite Hauptquellfluss des Xingu, der Kuluöne, nur
in seinem Unterlaufe befahren wurde, ist sein grösster Beifluss, der
Kulisdhu, wieder eingehender erforscht. Dieser wurde von der 2. Xingu-
Expedition befahren und ist nur in seinem Oberlaufe der vielen Strom-
schnellen wegen sehr schwer zu passieren; vom dritten Bäkairi-Dorf
an dagegen hat er einen ziemlich ruhigen, ungefährlichen Lauf*)
*) Verh. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin 1900 S. 112. ^) Ebenda, Jahr-
gang 1897 S. 186. •) Ebenda, Jahrg. 1897 S. 187. *) Pet. Mittig. 1886
S. 132. *) Vogel, „Reisen in Mato Grosso"; Zeitschr. der Ges. für
Erdk. zu Berlin 1893 Nr. 4 S. 258 mit 263.
■n
Unter dem ii**5o' S. B. vereinigen sich Ronuro und Kuluäne und
bilden den eigentlichen iJCingu der Karten. Dieser hat dort schon die
ansehnliche Breite von 500 m; seine Ufer sind eben und mit einer
dichten Wand üppiger tropischer Vegetation gesäumt. An dem steil-
abfallenden Sandufer findet man Spuren, dass zur Hochwasserzeit die
Wasserfläche bis zu 5 m höher liegt. Ausgedehnte Sandbänke er-
schweren degegen zur Trockenzeit selbst für seicht gehende Boote
die Fahrt.')
Ehe unter dem 10° S. B. die Ufer des Xingu Gebirgscharakter
annehmen^ empfängt er von beiden Seiten noch je zwei stattliche Neben-
flüsse, die ihn zu einem Strom voh i km Breite vergrössern. Innerhalb
der Berge, die dem Xingu bis nach seiner Mündung folgen, konnte
C lau SS keine bedeutenderen Zuflüsse konstatieren, und wenn trotzdem
der Xingu allmählich unter dem 3* S. B. zu einem 5 km breiten Strom
herangewachsen ist, so hat er dies allein der reichen Wasserabfuhr der
Berge zu verdanken, welche in zahllosen Rinnsalen stattfindet.^)
Innerhalb des Gebirges wird der Xingu zu grossen Biegungen
gezwungen; er hat meist ein nahezu stagnierendes Wasser, und das
Gefälle von 160 m, das die erste Xingu-Expedition für die Strecke
zwischen 10. und 3. Grad feststellte, wird lediglich ausgeglichen durch
zahllose (gegen 200) mächtige Stromschnellen , welche . nur unter der
kundigen Führung von Indianern mit einiger Sicherheit zu passieren sind.
Die grössten Katarakte des Xingu finden sich jedoch in jener
charakteristischen Biegung unter dem 3® S. B. zusammengedrängt, und
durch sie wird das Xingubett um 90 m tiefer, also direkt nach der
Basis des Amazonas verlegt.
Als 9 km breiter Strom ergiesst sich der Xingu unter 1V2® S. B.
in den Amazonas. Die Wirkung von Ebbe und Flut wird auf seinem
ganzen unteren Laufe verspürt. Über seine Länge sagt ' C 1 a u s s : „Um
sich an der Hand geläufiger Distanzen eine Vorstellung von der un-
geheuren Länge des Xingu zu bilden, denken wir uns seine Mündung
nach Hamburg verlegt; dann würden wir seine Quellen an der afri-
kanischen Nordküste bei Tunis zu suchen haben "*)
Über seine Farbe im Unterlaufe lese ich in dem Werke: „Reise
des Prinzen Ad albert von Preussen" S. 451 : „Der Xingu ist noch dunkler
als der Tapajoz"; Seite 543: „schwärzliches Bouteillengrün" ; Seite 639:
„schwarzgrün"; Seite 702: „dunkel und klar"; Seite 539: „schon eine
ganze Weile vorher hatte der Xingu sich durch sein klares, bouteillen-
grünes Wasser angekündigt, dem allmählich die trübe, gelbe Flut des
Amazonas das Feld hatte räumen müssen."
*) Pet. Mittig. 1886 S. 132. ^) Pet. Mittig. 1886 S. 133. ») Ihre
Königl. Hoheit Prinzessin Therese von Bayern, „Reise etc." S. 160
*) Clauss, „Die Schingu-Expedition" S. 6.
— 72 —
Herr Claus s hatte die liebenswürdige Güte, mir brieflich
mitzuteilen, dass das Wasser des Xingu „entschieden dunkel" sei.
Ferner hatte Herr Karl von den Steinen aus Berlin mir eben-
falls die grosse Ehre geschenkt , auf meine Anfrage über die Wasser-
farbe des Xingu folgendermassen zu antworten : „In meinem Buche
,Durch Central-Brasilien', Leipzig 1886, finden Sie Seite 198 für den
Schingu schon kurz nach der Vereinigung der Hauptquellen : Die Farbe
des Wassers ist in der Mitte des Flusses dunkelgrün, was die Leute
jSchwarz* nennen; S. 218: ,flaschengrün*, gegenüber dem schmutzig-
braunen (oder ,agoa preta' der Leute) Wasser eines rechten Nebenflusses.
Ich habe das Wasser stets als flaschengrün, mehr oder weniger hell,
aufgefasst und so in der Erinnerung."
4. Der Tapajoz. Solange die Wasserstrasse der
Paraguay-Flüsse, die jetzt bequem zur Hochebene von Mato
Grosso führt, noch nicht benützt wurde, fuhren die brasiliani-
schen Händler meistens den Tapajoz hinauf, um ihre Waren
nach Diamantino und Cuyaba zu bringen. Ihre Mitteilungen
über diesen Fluss waren indes äusserst dürftig und von sehr
wenig wissenschaftlichem Werte. Die Erforschung des Tapajoz
begann erst mit Chandless,i) dem wir auch die erste
kartographische Aufnahme des Stromes verdanken. Die
Reise, welche Orton^) im Jahre 1870 durch das Tapajoz-
Gebiet antrat, ist von geringer Bedeutung, während uns
Brown und Lidstone 3) 1873 über den Unterlauf des Flusses
sehr schätzenswerte Mitteilungen machten. Clauss*) kam
1883 auf der Xingu-Expedition in das Quellgebiet des Arinos
und Paranatinga, und die Forscher Ehrenreich, Wilhelm
und Karl von den Steinen, sowie Vogel aus
München überschritten 1887 den San Manuel, wie der zweite
Hauptquellfluss des Paranatinga genannt wird. 1889/90 wurde
der Paranatinga von Teiles Pir es, deVelleroy, Miranda
und Carlos da Silva Teiles von der Quelle bis zur
Mündung befahren ß) und 1895 besuchte in einem Canoe
*) Chandless: Notes on the rivers Arinos, Juruena und Tapajoz.
Joum. R. G. S. 1862 ßd. 31, p. 268—280. ^) Orton, American Journ.
Ser. II Bd. 47 p. 339. ') Brown and L i d s t o n e , fifteen thousand miles
on the Amazon and its tributaries; London 1878. *) Pet. Mittig. 1886,
Heft 5 und 6 mit 2 Karten. *) „Ausland" No. 48 Jahrg. 1890.
— 73 —
H. Coudreau den Tapajoz von Itaituba bis zum Salto
Augusto.^) Wertvolle Beiträge zur Kenntnis dieses Stromes
verdanken wir auch Bates,^) Katzer, 3) Spix und Martius*)
und Castelnau.5)
Betrachten wir nun den Tapajoz näher!
Er entsteht aus den beiden Quellflüssen Arinos und Juruena, deren
Zusammenfluss etwa unter lo® 20' S. B. erfolgt. Die Wiege des Arinos
liegt fast genau unter 14* 29' stidl. Br. und 56 w. L. auf der Serra
Tombador. Eine friedliche Laufrichtung scheint diesem Flusse zu fehlen,
denn unter 11® 38' S. B. ist sein Bett schon von zahlreichen Schwellen
und granitischen Felsinseln unterbrochen. Der Rio Preto und der Rio
Estivida führen ihm wahrscheinlich ihre Wasser zu. Bei Hochwasser
stehen vermutlich zahlreiche Tributäre des Arinos mit dem Cuyaba in
Verbindung, so dass zu dieser Zeit eine Wasservermischung mit dem
Paraguay-System nicht ausgeschlossen ist.*) Der Rio Sumiduru, der
Rio Parecis und der Rio Peixe sind grössere Zuflüsse des Arinos-
Der zweite Quellfluss des Tapajoz, der Juruena, entsteht auf der
Serra dos Parecis.') Er wurde noch nicht befahren und seine Kenntnis
beruht lediglich auf brasilischen Quellen. Seine bedeutendsten Tributäre
sollen der Rio Jubina und der Rio Camarard sein. Beim Zusammen-
flusse des Arinos und Juruena hat der erstere 275 m, der letztere 460 m
Breite. Der vereinigte Strom führt dann den Namen Tapajoz und ist
ausgezeichnet durch seinen ruhigen Lauf, der nur zweimal auf der
ganzen Strecke bis zum Amazonas von grösseren Catarakten unter-
brochen wird, nämlich zwischen dem 8° und 9« und unter dem 4* 30'
s. Br. Die kleinen Störungen, die Chandless angibt, sind der SchifF-
fahrt nicht hinderlich. Unter den oberen Fällen hat der bedeutendste,
der Salto Augusto, eine Niveauversetzung von 9 m, Coudreau gibt
in seiner Höhentafel den Fall oben 475, unten 458 m hoch über dem
Meere an. Die obere Kataraktengruppe hat ungefähr 18 Schnellen, von
denen mehrere durch Umladen umgangen werden müssen; namentlich
*) Voy. au Tapajoz 1895/96 mit Karte i : 600000; Paris 1897.
■) Bates: Kapitel 9 „Reise den Tapajoz hinauf, S. 228—273. ') a. Katzer:
F., A. „foz do Tapajos e suas relacöes com a aqua subterranea na regiao
de Santarem." — BoUetin do Museu Paraense de Hist. Natural e Ethnogr. ;
Para 1897 2 No. i S. 78. b. Katzer: „Zur Geographie des Tapajoz",
Globus, 1900, S. 281 mit 285 (i Karte). *) Spix und Martins, 3. Bd.
S. 1050— 1052. *) Castelnau: „Exped. dans les parties centrales de
TAmerique du Sud." *) Vgl. Vogel: „Reisen in Mato Grosso 1887-88''
(Zeitschr. der Ges. für Erdk. zu Berlin 1893 No. 4). ') Globus^ 1900
S. 281.
— .74 —
V
kann der Saltq Augusto während des ganzen Jahres nicht überschritten
werden, weshalb der Tapajoz nicht jene Bedeutung für die Schiffahrt
erlangte, die man von ihm zu hoffen wagte.
Zwischen dem 8 ** und 6 <> S. B. empfängt der Tapajoz von rechts
zwei grosse Zuflüsse, den San Manoel, an der Mündung 460—550 m
breit und den Rio Tropas, an der Mündung 320 m breit. Während
letzterer Fluss. nur einige Meilen von* der Mündung aufwärts bekannt
ist, wurde der San Manoel durch die von der Geogr. Gesellschaft zu
Rio de Janeiro ausgesandten Expedition 1889/90 vollständig auf seinem
ganzen Laufe befahren.*) Dadurch war die Frage gelöst, dass der
Paranatinga, der früher als Nebenfluss des Xingu betrachtet wurde,
gleichbedeutend ist mit dem Mittellaufe des Rio San Manuel, dessen
Oberlauf die i. und 2. Xinguexpedition schon einigermassen festgestellt
hatte. Seinen Ursprung hat dieser Fluss nach VogeP) unter 14» 38,6 S. B ;
seine Breite beträgt am Hafen der Bakairi schon 130 m. Für die Schiff-
fahrt ist der Fluss ohne Wert, denn er besitzt 4 grosse Fälle, einige
30 Katarakte und unzählige Stromschnellen. Die ganze Länge des
Stromes beträgt 290 Leguas.") *).
Unter 4 ° 30' südlicher Breite befinden sich die unteren Katarakte
des Tapajoz. Der Cach. Diagorao und der Cach. Maranhäo sind hier
die bekanntesten Fälle. Der Fluss verlässt dort auch die brasilianische
Masse, wird seeartig und zu einem echten Niederungsfluss. In diesem
Teile, sagt R e c 1 u s , ") ist der Tapajoz noch mehr tot als der Rio Negro
und fast ebenso schwarz als er, daher die Volksbezeichnung Rio Preto,
d. h. schwarzer Fluss
Bei Santarem mündet der Tapajoz in den Amazonas. Wo sich
beide Flüsse vereinigen, verringert der Tapajoz sein Volumen zwischen
der Insel Las Oncas und Santarem plötzlich von 17306 auf 9476 cbm
Wasser in der Sekunde. Katzer sucht dies dadurch zu erklären, dass
er eine unterirdische Abzweigung des Tapajozwassers und die Speisung
der Brunnen von Santarem durch dieses annimmt.*)
In seinem Oberlaufe ist der Fluss in Sandstein eingegraben, von
100 S. B. an durchfliesst er nach Chandless Granitgebiet. Mächtige
Urwälder begleiten den fast unbewohnten Strom. Die ganze Länge des
') „Die Natur'*, Zeitschrift zur etc. 1891 Bd. 40 S. 46. ^) Zeitschr.
der Ges. f; Erdk. zu Berlin 1893 No. 4 Tafel 3. =») „Die Natur", Bd. 40
S. 46 Jahrg. 1891. *) Nach Clauss war bereits 1819 ein brasilianischer
Leutnant, namens Peixote, den „Paranatinga" hinabgefahren und in
den Tapajoz gekommen. („Die Schingu-Expedition von 1884", Berlin 1885
S. 4.) ^) Reclus, Bd. 19 S. 134. *) Katzer, A. foz do Tapajos e suas
relacäes etc. (Bol. do Mus. Parense de Hist. Natural e Ethnogr. Para,
1897 2 No. I S. 78.)
- 75 -
Flusslaufes beträgt 1930 km;*) das Stromgebiet umfasst 430500 qkm.
Jährlich wird der Tapajoz von ungefähr 700 Dampfern und iioo kleineren
Fahrzeugen befahren.^)
Über die Wasserfarbe des Tapajoz schreibt Chandless:^)
„Oberhalb der Müqdung; des. San Manoel v^r^vaadelt sich das
Flusswasser von dem hellen Grün des Arinos.und Juruena
in eine dunkle schwärzliche Färbung ; aus diesem Grund ist
der Fluss von San Manoel abwärts unter dem Namen River
Preto bekannt. Sogar in Santarem spricht man unter keinem
andern Namen. von ihm."
A V e -L al 1 e m an t sagt darüber :*) „In schräger Richtung
setzten wir über den grauen Strom (Amazonas), der plötzlich
scharf abgeschnitten schwarz erschien; Beide Wasser-
schichten liefen ganz unvermischt nebeneinander hin , jede
ihre Uferseite behauptend, ein höchst auffallendes Phänomen.
Das ist das sogen, „schwarze Wasser" des mächtigen
Tapajoz, an dessen rechtem Ufer Santarem liegt. Silberklar
und vollkommen rein ist das Wasser des Tapajoz, zumal
neben dem trüben, grauen Wasser des Amazonenstromes . . "
K atz er endlich sägt davon r^) „Das Wasser des Tapajoz
erscheint im reflektierten Licht, wenn sich der reine Himmel
darin spiegelt, blauschwarz, bei direkter Sonnenbestrahlung
schwärzlichgrün (wie Alizarintinte) bis hell olivengrün, je
nach der Tiefe. Es ist dabei äusserst klar, so dass man selbst
durch eine 3 bis 4 m mächtige Schicht bis auf den Grund
sieht. Es gilt als sog. „schwarzes" Wasser und der Fluss
wird daher von den Cearenser Kolonisten bei Santarem auch,
kurz Rio preto (schwarzer Fluss) genannt. Die Analise einer
bei Itaituba geschöpften Probe ergab einen aussergewöhn-
lich geringen Gehalt an gelösten Bestandteilen, in welchem
Sinne der Tapajoz zu den reinsten Flüssen der Welt gehört."
') Reclus, Bd. 19 S. 147. ^) Ebenda, Bd. 19 S. 147. ') Journal
of the Royal Geographical Society, London 1862. Chandless: „Notes on
the river Arinos, Juruena und Tapajoz/* *) Ave-Lallemant^ Reise
durch Nordbrasilien, 2. Tl. S. 89 und 90. ^) Katzer : „Zur Geographie
des Rio Tapajoz*'; Globus 1900 S. 284.
- 76 -
Auch Ehrenreich, 1) Bates, 2) Reclus, 3) Prinzessin
Therese von Bayern^) bezeichnen das Wasser dieses
Stromes ebenfalls als „tintenschwarz".
5. Der Mauö-ässu, Abacaxis tind Cantima.^)
Diese drei Ströme, die uns Chandless kennen lehrte,
münden in den Paranä-mirim de Canuma, einen etwa 245
Meilen langen Seitenkanal des Madeira, der als Paranä-mirim
de Romos bei der Stadt Villa Bella in den Amazonas mündet.^)
Während aber der Paranä-mirim im allgemeinen ein Weiss-
wasserstrom ist, haben seine genannten Zuflüsse klares,
schwarzes Wasser. Auch dadurch sind letztere sich ähnlich,
dass sie in ihrem Laufe drei verschiedene Phasen zeigen, die
auf ihre Bildungsgeschichte schliessen lassen : In einer kurzen
Entfernung von ihren schmalen Mündungen nämlich, welche
durch das angeschwemmte Land des Madeiradetritus verengt
worden sind, zeigen sich lange, weite offene Flussreviere mit
Altwasser, oft mit einem klaren Wasserhorizont und mit nur
ein paar kleinen Inseln, welche die Aussicht nicht stören. —
Bei der 2. Phase ist dies anders. Die Breite von Ufer zu
Ufer ist etwas geringer als bei der ersten; zwischen beiden
Ufern liegt ein Labyrinth von Inseln; die Kanäle zwischen
diesen enden vielfach blind. Bei Niedrigwasser lässt eine
schwache Strömung den Flusskanal von den blind aus-
gehenden unterscheiden, bei Hochwasser fehlt auch sie; dann
ist ein Zurechtfinden in dem Labyrinth unmöglich. — Die
3. Phase endlich zeigt den Fluss als einen wohldefinierten
Kanal, der nur hie und da einige Inseln aufweist und eine
gute Strömung zeigt. Breite und Wassermasse stehen hier
in richtigem Verhältnis zu einander.*^) Auch ein Nebenfluss
des Maue-ässu zeigt die gleiche Erscheinung, nur in noch
drastischer Weise, nämlich der Guaranatuba. Er setzt sich
*) Verhandig. der Ges. für Erdk. zu Berlin 1900 S. 160. *) Bat es,
S. 126, 205, 209, 198, 270. ') Reclus, S. 134 Bd. 19. *) Prinzessin
Therese von Bayern, „Meine Reise etc." S. 157. *) Chandless: Journ.
R. G. S. Vol. 40 1870 S. 4.19 — 427 mit einer Karte. *) Ebenda S. 419.
') a. a. O. pag. 420.
— 77 —
nac^. oben fort in den Carauahy; der so klein ist , dass es
unmöglich war, seine Mündung ohne Führer zu finden,
Während der Guranatuba eine Breite von i V2 km und mehr hat,
Allem Anscheine nach sind die unteren Teile dieser Flüsse nach
C h an dl es s Ästuarien gewesen, die jetzt von oben, von den sediment-
armen Flüssen nur sehr langsam zugeschüttet werden.*)
Besprechen wir nun jeden Fluss einzeln!
a) Der Mau6-assu,*^) welcher oberhalb der Mündung
des Amaua Parauary genannt wird, hat eine ziemliche An-
zahl von Stromschnellen, von welchen die niederste fast
genau auf den Parallelkreis 5^ Su trifft. Die ersten zehn
Stromschnellen kann man stromaufwärts in 2 Tagen in einem
kleinen Boote passieren, weiter oben liegen dieselben weiter
auseinander. Von sämtlichen derselben ist nur der „Salto
Grande", der eigentlich kein Wasserfall, sondern nur eine
sehr reissende Strömung in eingeengtem Bette ist, zu Wasser
unpassierbar. Die geologischen Verhältnisse an diesem Flusse
sind sehr einfach: Die Sandsteinformation ist hier wie auf
dem brasilianischen Plateau ausgebildet. Der Fluss Amaua
ist ein Tributär des Maue-assu und bildet einen schönen, un-
gefähr 50 Fuss hohen Fall. Auch er hat sich tief in Sand-
stein eingegraben und zeichnet sich aus durch seinen „toten"
Lauf. Die ganze Gegend ist wenig bewohnt.
b) Der nächste Schwarzwasserstrom ist der A b a c a x is.^)
Am auffallendsten fand Chandless in seinem Unterlaufe
die manchmal in kurzen Zwischenräumen auftretende Ab-
wechselung von einfachen weissen Sandklippen mit den ge-
wöhnlichen roten Lehmbänken. Auf den ersteren war der
Baumwuchs aber dünn und niedrig, auf den letzteren zeigte
er üppige tropische Vegetation. Am mittleren Laufe des
Abacaxis ist die Sandsteinplatte, ähnlich wie auf „Mato
Grosso **, mit einer 4 Fuss hohen Schichte von Kieselsteinen
und Sand bedeckt. Interessant ist die Schilderung, die
Chandless von der Farbe dieses Stromes gibt. „Das
^) a. a. O. pag. 420 und 421. ^) a. a- O. pag. 421. *) pa^. 422.
— Siehe auch Martius S. 1061.
- 78 -
Wasser des Abacaxis", sagt er, „ist, wie das der andereir"
zwei Flüsse, in dem breiten, tieferen Teil klar und dunkel,
aber nicht kaffeebraun wie das des Rio Negro. Weiter auf-
wärts jedoch, nämlich oberhalb des Lago Grande, fand ich
es beständig weniger dunkel und mit mehr Satz , bis es
ziemlich genau dem Wasser des Madeira oder' anderer Weiss-
wasserflüsse zur gleichen Zeit des Jahres, wenn sie niedrig
sind, glich, und wie dieser zeigte es eine grüne, nicht eine
braune Färbung. Aber weiterhin, nachdem ich die grosse
Krümmung des Abacaxis hinter mir hatte, fand ich, dass das
Wasser wieder nach und nach klarer und dunkler wurde,
bis es so braun war wie das Rio Negrowasser, und so ging
es fort, soweit ich kam. Es schien mir, dass der Wechsel
in dem mittleren Teil durch den Ausfluss aus Stäuwassern
verursacht wurde, in welchen Lehmbänke blossgelegt wurden.
Die Richtung des Flusses begünstigte die Thätigkeit des
Windes (N.O. oder O.-N.O.), was eiine Ausspülung verur-
sachte und den Gedanken mir aufdrängte, dass der Lehm
vielleicht die braune Farbe des Wassers absorbiere und ihm
eine grünliche Färbung gäbe. Wenn der Fluss hoch ist,
würde diese Ursache wegfallen, und dies mag der Grund
davon sein, warum (wie ich so oft bei detl Mündungen der
Zuflüsse des Purus u. s. w. beoabachtet habe) das Wasser
von solchen Flüssen viel heller ist, wenn sie niedrig sind,
dagegen dunkle Färbung aufweist 'zur Zeit der Flut."^)
Mit unbedeutenden Ausnahmen fand Chan dless alle Flüsse,
welche in den Abacaxis ihre Wasser führten, annähernd von derselben
schwarzen Farbe wie der Hauptstrom. ^)
c) Der C an um a- Fluss, 3) der letzte von den drei
Paranamirim-Tributären, ist am wenigsten erforscht. Auf ihm
kam Chan dless nicht soweit aufwärts, als bei den. andern
beiden Strömen; die 3. Phase erreichte er hier nicht .mehr.
Auf der befahrenen Strecke soll der Canuma viele ,Strom-
schnellen haben, von denen einige schwer und gefährlich zu
passieren sein sollen. 60 bis 70 Meilen oberhalb der Mündung
*) pag. 423. ^) pag. 423. ') pag. 4J24.
— 79 —
des Acäry sind vermutlich keine Störungen niefhr im Strom-
lauf des Canuma vorhanden. Der Fluss ist durch die starken
Fieberepidemien berüchtigt, die vifährend des „Niedrigwassers"
auftreten und oft mörderisch: wirken, beim ersten Steigen des
Wassers aber als wie mit einem Schlage vernichtet erscheinen
sollen, ganz ähnlich als wie in New Orleans der erste Frost
das gelbe Fieber beendet. Am untern Teil des Flusses wird
Tabak gebaut; weiter aufwärts herrscht Urwald vor und ist
der Fluss so gut wie unbewolint.i)
6* Die schwarzen Nebenflüsse des Madeira und des Purus.
Die drei Schwarzwasserströme Canuma, Abacaxis und
^^aue-assu, die in den Paranä-mirim de Canuma, einem Seiten-
^t*m des Madeira, münden, haben wir bereits kennen gelernt,
^-^b die beiden Rio Negros, von denen der eine ein Neben-
fluss des Beni, der andere ein Tfibutär des San Miquel
Ci^ebenfluss des Guapore) ist, 2) Schwarzwasserflüsse mit
l<Iarem Wasser sind, wissen wir nicht, dagegen ist der River
IMacHado, der rechtsseitig in den Madaira fliesst, ein solcher.^)
Ohandless sagt von ihm auch, däss er im Februar und
März steige und dass zu dieser Zeit das Fieber an seinen
Ufern gewaltig hierrsche. Der Madeira selbst soll zur Trocken-
zeit nach Sei lin*) eine sehr braune Farbe haben, während
er zur Regenperiode, wenn Detritusmassen seine Fluten ver-
unreinigen, gelblich sei wie der Amazonas..
Das gleiche s6ll auch beim Purus zutreffen.^) , Ausserdem hat
dieser Strom ebenfalls echte .Schwarzwasserströme als Nebenflüsse.
Ehrenreich schreibt: „Verschiedene Puruszuflüsse zeigen in dicker
Schicht tintenschwarze ^ in dünner hellbraune Färbung, die den Ge-
schmack des Wassers nicht alteriert." *) Auf eine Anfrage von meiner
Seite aus bei Herrti Ehrenreich über die näher ep Ursachen
dieser eigenartigen Bchwarzwasser hhtte der sehr verehrte Forscher die
Güte, mir folgendes zu entgegnen : „In Erwiderung Ihrer Anfrage
*) Siehe auch: i. Martins, S. 1308, 1306, 1315; 2. Bates, S. 158.
^) Debes, „Neuer Handatlas" (Mittel- und Südamerika No. 59). ^) Journ.
R. G.S.1870 S.423. *) Seil in: ,, Das Kaiserreich Brasilien",!. T.,Leipz. 1885,
S. 15. ^) Ebenda, S. 15. — Ferner: Ave -Lallement, IL Tl.: „Durch
Nordbrasihen'', S. 208 *) Verhdlg. d* Ges. f Erdk. zu Berlin 1890 S. 160.
— 8o —
bezüglich der Schwarzwasserflüsse erlaube ich mir Ihnen mitzuteilen,
dass ich diese Frage nicht genauer verfolgt habe. Der Purus scheint
mehrere Zuflüsse mit schwarzem Wasser zu haben, von denen ich einen,
den unterhalb Hyutanaham einmündenden Aciman, selbst befahren habe."
— Auch nach Chandless haben mehrere Purustributäre schwarze
Fluten. „Am 7. Juni", so schreibt Chandless, „passierte der Kahn
die Mündung des Parana-pixuna, dessen schwarzes Wasser über 3 engl.
Meilen weit unvermischt im Purus zu bemerken war." *) Der Inauynim
gehört ebenfalls hieher.^)
7. Der Rio Autaz. Dieser Schwarzwasserfluss ist
nur an seiner Mündung bekannt. Ave-Lallemant schreibt
von ihm: 3) „Am Nachmittag erkannte der Indianer, den mir
Herr Braulio als einen des Weges kundigen Menschen mit-
gegeben, in der Ferne die Mündung des Rio das Uautaz oder
Otas, und wirklich liefen wir bald in einen etwa 1000 Klafter
breiten Fluss mit klarem, schwarzgrünem Wasser ein, welcher
sich offenbar noch in einem Zustande von Aufstauung befand^
denn noch immer war der Amazonenstrom hoch genug, unx
das Ablaufen der Wasser aus seinen Zuflüssen zu verhindern.
Diese Aufstauung — Represa — schien mir am Rio-das-Otas,
welcher einige Meilen oberhalb des mächtigen Madeira in
den Amazonenstrom fällt, doch auffallend gross. Der kleine
Fluss, der wenigstens als solcher auf den Landkarten steht und
mir als ein solcher bezeichnet worden war, erschien mir ein
unabsehbarer Landsee und für einen unbedeutenden Nebenfluss
ungeheuer gross und breit. Das Tachi blühte in prachtvoller
Menge längs des dunkeln, spiegelglatten Wassers. Ein wun-
derbarer Abendschatten senkte sich herab auf den schwarzen
Fluss.«
8. Der Rio Coary. Der Coary ist ein dem Purus
sehr ähnlicher Fluss, welcher ebenfalls vom Solimöes sich
in südlicher Richtung bis etwa 10 ^ s. B. erstreckt. „Ein
Mann, der zu uns kam", schreibt Ave-Lallemant, ,,war
15 Tage den Strom aufwärts gegangen, ohne sein Ende zu
') Pet. Mittig. J867 pag. 257. *) Pet. Mittig. 1867 pag. 260. ») Av€
Lallemant: „Reise durch Nord-Bras." II. Tl. S. 259 und 260.
— 8i —
erreichen. Ein ununterbrochener Wald deckte sein Ufer.**
Sein Wasser ist schwarz.^)
9. Der Rio Teff6.2) Er ist ebenfalls ein Schwarz-
wasserfluss mit klarem Wasser und führt die Namen Tefe,
Taife, Taipe, Tapi (d. h. in der Tupisprache : tief). Während
er bei seinem Einflüsse in den Amazonas sich seeartig er-
weitert, engt er sich weiter aufwärts sehr bald ein. Seine
Ufer sind mit dichter, aber niedriger Waldung bedeckt, arm
an Sasseparilla und Cacao, deshalb wenig besucht. An
seinem Unterlaufe liegt die Stadt TefTi (Egas). Eine Strö-
mung des Flusses war nach Bates nicht bemerkbar, „und
das Wasser hatte eine olivenbraune Farbe ; die unter Wasser
gesetzten Stämme waren aber bis zu einer grossen Tiefe
sichtbar.* Das „schwarze** Wasser des Teffe braucht lange,
sag^ Avä Lallemant, bis es sich mit den grauen Fluten
des Amazonas vereinigt.
IG. Der Jutahy. Dieser Fluss wurde von Brown und
Lids tone mit einem Amazonasdampfer 725 km w^eit von der
Mündung aus aufwärts befahren.^) Er ist nicht zu verwech-
seln mit dem Jutachy, einem nördlichen Tributär des Ama-
zonas, der zwischen dem Paru und Rio Curupatuba dahin-
fliesst. Sein Flussbett liegt in der grossen Amazonasniede-
rung westlich des Rio Jurua und ist in lockeren Sand und
in Sandsteine, welch letztere aber selten anstehen, einge-
graben. Zuerst hat der Jutahy bis etwa über den 5^* S. Br.
hinaus nordöstliche Richtung, worauf er dann bis zu seiner
Mündung fast rein nördKch fliesst.
II. Der Samiria-Fluss.^j Er ist ein kleiner Strom,
welcher wenig oberhalb der Mündung des Ucayale auf dem
*) I. Av6-Lallemant: „Reise durch Nord-Brasilien", IL Tl.
S. 210. 2. Spix und Martius, S. 1153. *) Siehe: Spix und Martins,
S. 1161 und 1163. — Bates, S. 286, 312, 315. — Ave-Lallemant:
„Reise durch Nord-Brasilien", IL Tl. S. 212, 214, 251. *) Brown and
Lids tone: Fifteen thousand miles on the Amazon and its tributaries
pag. 502- *) Zeitschr. der Ges. för Erdk. z. Brl. Bd. 32. Jhrg. 1897.
S. 3Ö7-
R e i n d 1, Schwarze Flflss«. 6
— 82 —
rechten Ufer des Maranon einmündet und in ziemlich starken
Windungen im allgemeinen von Süden nach Norden fliesst.
Seinen Ursprung hat er wahrscheinlich in dem etwas erhöhten
Gelände in der Gegend des Yurimaguas. Sein Wasser ist
im Gegensatz zu dem trüben, weisslichen des Maranon,
braunschwarz und klar. Im Glase betrachtet erscheint es
goldbräunlich ; sein Geschmack ist etwas unangenehm. Die
Wassertemperatur fand R i m b a c h an der Oberfläche 230 C.
IV. Die schwarzen Ströme des brasilianischen Berglandes.
Schon die Namen Rio Preto, Rio Negro und Rio Pardo
auf unseren Karten zeigen, dass auf dem alten Gebirgszuge,
der sich vom Amazonas bis zum La Plata an der Küste
dahinzieht, die Schwarzwasserflüsse landschaftsbestimmend
auftreten. ,^Unweit Agä", schreibt Wied-Neuwied,^)
„erreichten wir einen Fluss, dessen Wasser eine dunkel-kaffee-
braune Farbe hatte wie die meisten Waldbäche und kleinen
Flüsse dieses Landes" (Bahia). „Der Name der Gewässer
ist sehr häufig* ^ sagt Tschudi^) von den Flüssen der Provinz
„Minas geraes'*, „von ihrer Farbe genommen, daher die un-
zählige Wiederkehr der Flussbenennungen Rio Negro oder
Rio Preto (der schwarze Fluss), Rio Pardo (der braune Fluss)."
— „Die deutlich sichtbare Vereinigung des grünen Meer-
wassers mit dem dunkelschwärzlichen der Flüsse der Provinz
Espirito Santo und der Provinz Minas geraes gab der Aus-
sicht auf dem Schiffe nach Wied-Neuwied „einen beson-
deren Reiz*'. ^) — Leider sind uns von den zahlreichen schwarzen
Strömen der Sa do Mar nur wenige gut bekannt. Teils
liegt der Grund hiezu darin, dass die Reisen in diesem Ge-
biete infolge des Gebirgscharakters fast ausnahmslos zu Lande
ausgeführt werden, teils aber auch in dem Umstände, dass
*) Prinz Wied-Neuwied, I. Tl. S. 174. ^) Fet.'Ergänz. Bd.
1863 und 1864. N. 9. „Die Bras. Prov. Minas Geraes.'* *) Neuwied,
I. Tl. S. 301.
- 83 -
verhältnismässig nur kleine Strecken Landes von europäischen
Reisenden erforscht sind. Die unzähligen Namen: Rio Negrö,
Rio Preto etc. sind meist den Flüssen von den Eingeborenen
gegeben worden, ob aber wirklich alle diese Gewässer ihre
ßezeichnungen verdienen, entgeht unserer Kenntnis. Wir
^Verden im folgenden daher auch nur die Flüsse behandeln,
^cn denen wir auf Grund authentischer Berichte ihit Sicherheit
"Vvissen, dass sie wirkliche Schwarzwasserflüsse sind.
1. DerParaguassu. Er entsteht mitten in der Provinz Bahia
den Abhängen der Serra da chapa da diamantina. „Hier im Zentrum
L«r Provinz vereint sich ein ganzes Netz von Flüssen", schreibt A v e -
allemant,') „welche dann zusammen in einem nicht unbedeutenden
^ätrome und vielfach gebogener Schlangenlinie nach Osten fliessen unter
"^em Namen des Paraguassu. Doch verhindern 12— 15 geogr. Meilen vor
-deiner Mündung einige Stromschnellen und Wasserfälle des so entstan-
<ienen Flusses die Beschiffung, ^reiche in der That nur 7 Leguas (5 geogr.
Aleilen) von seiner Verbindung mit dem Meerbusen aufwärts bemerkens-
vrert ist/* Die ganze Länge des Paraguassu beträgt ungefähr 500 km.
An seiner Mündung ist der Strom 450 m breit. Seine Fluten haben
schwärzliche Farbe.*)
2. Der Rio Inhumerim. Er ist nur ein kleiner Fluss, der bei
Rio de Janeiro in den Atlantischen Ozean sich ergiesst. In hundert
Windnngen schlängelt er sich nach Eschwege von der granitischen
Serra dos Orgaös herunter in das Meer. Je weiter man den Fluss auf-
wärts fährt, desto schwärzer wird sein Wasser. ')
3. D e r Rio J a c u h y. Er durchfliesst die Provinz Rio Grande
<io Sul von West nach Ost. Seine Breitendimensionen sollen wundervoll
isein; „denn", sehreibt Ave-Lallemant, „wenn der Fluss auch oft
verengt erscheint, wenn auch einzelne^ oft bedeutende Sandbänke sich
weit hineinschieben ins Wasser und manche Stromschnellen, Cachoeiras,
im heftigeren Lauf . die oft sehr geringe Tiefe des Wassers verraten, so
dass das Damptboot von sehr kundiger Hand geleitet werden muss,
wenn auch das alles vorkommt, so erscheint der schöne Fluss dennoch
meistens 5—800 Fuss breit und bildet besonders an Stellen, wo man
ihn fast eine halbe Meile hinaufschauen kann, herrliche Flusscenerien
') Ave-Lallemant, I. Tl. S. 55, 56, 58 „Reise durch Nord-
brasilien". ^) Spix und Martins, S. 619, 620, 621. Bd. IL *) Esch-
wege: „Brasilien, die neue Welt" etc. I. Tl. S. 3 und 4.
f.*
- 84 -
und anmutige Landschaftsprospekte." Er mündet bei Porto Alegre in
den Atlantischen Ozean. Sein Wasser ist schwarz und klar.*)
4. Der Rio Uruguay. „Das ganze Colorit des Flusses ist so",
schreibt Ave Lallemant von seinem Oberlauf, „dass ich ihn einen
schwarzen Fluss nennen möchte, wenn es nicht schon viele Rio-Negros
gäbe.*) Sein Quellgebiet liegt in der Serra Geral, wo die zwei Bäche,
\yelche aus seinen bedeutendsten Quellen gebildet werden, die Namen
Cachorros und Canöas führen. Nach einem Laufe von ungefähr 40 km
vereinigen sich beide Bäche und empfangen einige Meilen unterhalb
ihrer Confluenz unter 27® 30' S. B. den Carreiras.*) Der ganze Oberlauf
ist im allgemeinen nach Westen gerichtet und ist eigentümlich durch
sein ungleiches Tiefenverhältnis und seine sehr veränderliche Wasser-
menge. „Während er bei Itaqui 43,2 m tief war", berichtet Ave
Lallemant, „und nicht die geringste Strömung zu erkennen gab, fancW«.
ich ihn auf meiner Fahrt an andern Stellen kaum einige Fuss tief, wo-
er dann schneller dahinschoss, Wirbel und Kreise auf seiner Fläche
zeigte und selbst zu rauschen anfing."*) Das ganze obere Uruguay-
Gebiet ist noch von echtem Urwald bedeckt. Zwischen 27® und 28^
s. Br. bildet der Fluss grosse Fälle; hier verlässt er seinen Hochlands-
lauf, ist für grössere Schiffe nun befahrbar und verfolgt immer mehr
eine südliche Richtung. Er läuft nun ziemlich dem Paranä parallel und
mündet in das grosse La Plata-Ästuarium. Auf dieser Laufstrecke ist
der Uruguay ein echter Tieflandsstrom und hat einen mannigfachen
Wechsel in seiner Wasserfärbung aufzuweisen, daher wohl sein Name".
Uruguay d. h. „Wasser des bunten Vogels".
5. Der Rio Mortes ist ein Nebenfluss des in den Parana
fliesseriden Rio Grande. Er hat schwarzes Wasser und seine Wiege
auf der granitischen Sa Mantiqueira.^)
6. Der Rio Ti et ^. Er ist ein Nebenfluss des Rio Parana und
wurde schon von Martins und Spix bis zu seiner Mündung befahren.')
Seine Quellen liegen auf der Sa Paranapiacaba. La Ave- Lallemant
schreibt vom Tiete: ') „Recht eigentlich mitten durch die Provinz S. Paulo
fliesst in nordwestlicher Richtung zum Paranä ein herrlicher Strom, der
schon genannte Tiet6, dessen Wichtigkeit für die Provinz S. Paulo nicht
nur, sondern für Goyaz und Mato-Grasso von jeher in die Augen
springend war." Auch Eschwege lieferte einen kleinen Beitrag zur
*) Äve-Lallemant: „Reise durch Süd-Brasilien", L Tl. S. 184,
186, 185. ^) Ebenda, S. 330. ^) Beschoren, „Beiträge zur näheren
Kenntnis der bras. Provinz Rio Grande do Sul", Erg.-Band 21, 1889—90.
N. 96, S. 67. *) a. a. O. S. 354. ^) Spix und Martins, Bd. I S. 316,
317. ®) Ebenda, Bd. I S. 216, 264, 267, 288, 289. ') Ave-Lallemant^
„Reise durch Südbrasilien", II. Tl. S. 439.
- 85 -
Kenritnis dieses Stromes.*) Das Wasser des Flusses ist nach Martius
schwarzbraun.
V. Zweifelhafte Schwarzwasserflüsse.
Wir haben nun im vorhergehenden sämtliche Flüsse
angeführt, von denen wir auf Grund authentischer Berichte mit
Sicherheit wissen, dass sie schwärz und meistens ganz klar
^ind, so ungefähr, wie sie uns Humboldt als auffallend vom
Atabapogebiet schildert. Wie wir später erfahren werden,
muss es natürlich noch unzählige solcher Gewässer auf der
grossen brasilianischen Masse geben, was auch die zahlreichen
schwarzen Seen und Teiche, die dort auftreten, beweisen, 2)
und uns ferner hunderte von Namen „Rio Negro, Rio Preto"
etc. bezeugen. Freilich müssen letztere Bezeichnungen, wie
ich schon einmal erwähnte, mit Vorsicht aufgefasst werden,
da sie meistens bloss auf Erkundigungen beruhen; 3) allein
die Existenz der meisten dieser Flüsse dürfte doch gegeben
sein in dem Vorhandensein der örtlichen Umstände, die einen
Schwarzwasserfluss mit klarem Wasser bedingen. Ganz
anders liegen die Verhältnisse aber in Südamerika ausser-
halb der brasilianischen Masse. Auch dort kommen sog.
Rio Negros, wie unsere Karten zeigen, nicht selten vor,
und namentlich Argentinien, speziell die Gran Chaco, ist
reich an dunklen Gewässern, wie mir Herr Prof Vogel aus
München persönlich mitteilte ; doch die Ursache dieser dunklen
Färbung liegt offen zu Tage: Dadurch, dass diese Ströme
meistens schlammigen und salzhaltigen Boden haben und mit
zahllosen Salzmorästen und sumpfigen Lagunen in Verbindung
stehen, können sie ganz dunkel und oft schwarz erscheinen,
allein ein auffälliges Rätsel sind sie den Forschern noch nie
geworden. Ich habe die besten Reiseberichte z. B. über den
^) Eschwege, „Brasilien, die neue Welt", 2. Tl. S. 61—64.
^) Spix und Martius, S. 1351, 1135, 1161, 1183, 1184, 1215. — Deutsche
Rundschau 1898 S. 91. *) Auch in anderen Erdteilen ist es so; siehe:
Baikie's Exploring Voyage p. B. „the Natives fancy, there is a diffe-
rence in the colour of the two streams." London.
— So-
sehr gut erforschten „Rio Negro" Patagoniens, durchstudiert
und fand keine Stelle, nach der er als eigentlicher Schwarz-
wasserfluss zu betrachten wäre.^-*) Er kann zwar nach dem
Darwin'schen ö) Bericht an seiner Mündung von Schlamm-
und Grusmassen so durchschwängert sein, dass er, nament-
lich zur Hochwasserzeit, grau und dunkel erscheint, allein
ein eigentlicher Schwarzwasserfluss wie die „schwarzen Flüsse
Brasiliens" ist er nicht. Ähnliche Beispiele haben wir genug !
Der Kara Darya (schwarzer Strom), ein Quellfluss des Sir
Darya, hat seinen Namen nur von seinen durch Salz- und
Grusmassen verunreinigten Fluten ; ^) das gleiche ist der Fall
beim Inirida (schwarzer Fluss) Afrikas^) Freilich, wo die
Verhältnisse günstig für die Bildung von klaren Schwarz-
wassern sind, da müssen diese Gewässer vorhanden sein.
So erzählt uns z. B. Humboldt, dass diese „schwarzen
Wasser", wenn auch selten, auf den Hochebenen der Anden
vorkommen. „Wir fanden die Stadt Cuenca im Königreich
Quito von drei Bächen umgeben, dem Machangara, dem Rio
del Matadero und dem Yanuncai. Die zwei ersteren sind
weiss, letzterer hat schwarzes Wasser. Dasselbe ist, wie das
des Atabapo, kaffeebraun bei reflektiertem, blassgelb bei
durchgehendem Licht." s) Auch mehrere Seen in Peru fand
Humboldt bräunlich, ja fast schwarz.^) Leider ist unsere
Kenntnis über diese Gewässer zur Zeit noch so gering, dass
wir uns vorerst mit diesen kurzen Angaben begnügen müssen.
Descalzi, ,,Der Rio .Negro Patagoniens." Pet. Mittig. 1856.
S. 32. ^) Zeitschrift d. Ges f. Erdk. 1882. z. B. S. 153. *) Wichmann: „Die
Pampas des südl. Argentinien"; Pet. Mittig. 1881. S. 99. *) „Wissen-
schaft!. Resultate einer argent. Expedition nach dem Rio Negro" von
Gustav Niederlein, Zeitschr. d. Ges. f. Erdk. 1881 S. 61. *) Charles-
Darwin, Naturalist's Voyage, London 1845 PP- 63—65. ®) Sven
Hedin, „Beobachtungen über etc.", Verhandig. der Ges. f. Erdk. z-
Berlin. 1894. S. 160. ') Pet. Mittig.: „Brief Walkers an Peter-
mann"; S. 112. Jahrg. 1875. *) Humboldt, III. Bd. S. 195. *) Ebenda^
S. 193.
- 87 -
D. Allgemeines über die Sehwarzwasserflüsse
Südamerikas.
I.
Das Steigen und Fallen der Sehwarzwasserflüsse.
In unseren Klimaten, in mittleren oder höheren Breiten,
wo die jährlich aus der Atmosphäre niederfallende Wasser-
menge sehr nahe durch alle Jahreszeiten gleich verteilt ist,
ist auch der Wasserstand der Flüsse gleichmässig. Ganz
anders gestalten sich diese Erscheinungen in den wärmeren
Klimaten, und namentlich in Gegenden der Erde, welche
innerhalb der Wendekreise liegen. Dort ist, wie wir aus
den übereinstimmenden Berichten der Naturforscher wissen
und wie es auch unmittelbar aus den Verhältnissen des
Standes der Sonne und der Einwirkung, welche sie auf die
Erdoberfläche ausübt, hervorgeht, keineswegs die Wasser-
masse, welche die atmosphärischen Niederschläge geben,
das ganze Jahr hindurch auch nur annähernd gleich verteilt.
Die Witterung teilt sich in diesen tropischen Klimaten in
zwei sehr entschieden gegen einander hervortretende Jahres-
zeiten, in deren einer es gar nicht oder doch höchst selten,
in der anderen dagegen häufig und reichlich regnet, und die
man daher mit einer besonders passenden Bezeichnung die
Trockenzeit und die Regenzeit zu nennen pflegt.
Dieses Verhältnis muss natürlich auch in dem Stande der Flüsse
jener Länder sich wiederspiegeln, und der Wasserstand schwankt daher
hier in regelmässig wiederkehrendem Verlauf. Angesichts der Be-
deutung, welche die Vermehrung oder Verminderung des Wassers der
Flüsse ftir die Kultur eines Landes hat, wird die Wasserstandsänderung
ein Gegenstand grosser Beachtung und Wichtigkeit für die Anwohner.
Eben deshalb wird auch in diesen Teilen der Erde das jährhche Aus-
treten der Flüsse mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet. Der
regelmässige Verlauf und die nahezu sich gleich bleibende Höhe
charakterisieren das regelmässig zu denselben Zeiten wiederkehrende
Phänomen.
Selbstverständlich ist diese wichtige Erscheinung, wie wir im
folgenden hören werden, auch bei den schwarzen Flüssen der bras.
Masse deutlich bemerkbar; freilich, genaue Werte über die Höhe der
— 88 —
verschiedenen Wasserstände bei den einzelnen Flüssen fehlen fast voll-
ständig, da Pegelbeobachtungen in diesem Gebiete so gut wie ganz
fehlen. Aber dennoch sind wir im Stande, vermittelst zahlreicher
natürlicher Wasserstandsmarken ungefähre Werte über das Fallen und
Steigen dieser Gewässer zu geben ; denn die durch die Überschwemm-
ungen an den Ufern der Flüsse hervorgebrachten Veränderungen sind
so augenfällig, dass selbst die Indianer mit der Beschreibung der Ufer
die Höhe des Wasserstandes zu bezeichnen gewohnt sind. „Hoch-
wasser", sagt Martins, „nennen sie Ygapö-ocu oder Ojepypyc-oae,
d. i. alles ertrunken; niedrigsten Stand: Cemeyba pirera, d. h. gefallene
Ufer, weil dann die entblössten Ufer einzustürzen pflegen ; den Zustajid
halber Stromfülle heissen sie Cemeyba pyterpe, d. h. halbe Ufer."*)
Die vom Wasser zur Periode seines Fallens an den Bäumen zurück-
gelassenen Schlammspuren sind es auch, welche den Reisenden an
jene gewaltige Höhe erinnern, die das entfesselte Element zur Zeit der
Überschwemmungen erreicht. Meist reichen die wildwogenden Fluten
bis an die Wipfel der Bäume, die dem Drange der Wellen preisgegeben
sind. „Der Samiria", schreibt z. B. Rimbach,^) „war, wie man an
den Schlammniarken sah, erst wenig gefallen. Der dichte hohe Wald,
der die ganze Gegend bedeckt, stand in der Nähe der Flussläufe überall
unter Wasser.*' Aber wir haben nicht nur Wasserstandsmarken, die
das vertikale Steigen dieser Gewässer bezeichnen; auch die Grenzen
der Überflutungen landeinwärts sind meistens fest markiert durch fixe
Linien und Flächen. Wir sehen ab von kleineren Erkennungszeichen,
die die Ausdehnung dieser Überschwemmungen markieren, wie z. B.
von der Thatsache, dass die Schildkröten nur ihre Eier, wie Spix und
Martins berichten, an die äusserste Grenze grössten Wasserstandes
legen, weshalb die unzähligen zerbrochenen Schalen ziemlich gute
Merkmale bilden über die Ausbreitung der Gewässer zur Hochwasser-
zeit;') wir denken namentlich an die Vegetation, die fast bei all diesen
Flüssen, speziell in der Amazonasniederung, ein vortrefflicher Massstab
für die horizontale Grösse dieser gewaltigen Überschwemmungen ist:
es sind die drei Typen des Igapö, der Varzea und der Terra firma.*)
Die erstere Vegetationsform, der Igapo, ist das bis zu 30— 35km
breite, an den beiden Flussufern sich hinziehende Überschwemmungs-
gebiet, welches in der Regenzeit für mehrere Monate so überflutet
wird, dass selbst die höchsten Bäume nur noch mit den Wipfeln über
dem Wasser hervorragen. Das nächstfolgende Gebiet nimmt die
*) Spix u. Martins, Bd. III S. 1359. ^) Zeitschr. d. Ges. f. Erdk.
z. Brl. 1897, 32. Bd. S. 387. ^) Spix u. Martius, S. 1138 u. 1139.
*) Keller-Leuzinger, S. 25 u. 26. — Bat es S. 283; — P. M. 1867
S. 260 — Verh. d. Ges. f. E. 1890 S. 169.
- 89 -
Varzea ein. Sie wird nicht mit jedem Hochwasser überflutet und
niemals bis zu bedeutender Tiefe. Bei normalem Wasserstande bildet
sie fast durchgehends die Ufer. Die Terra firma. endlich wird von
der Hochflut nicht mehr erreicht. Der Wald hat hier ein ganz anderes
Aussehen. Die Bäume erreichen oft eine Höhe von 60—70 m, und das
Unterholz und die Schlingpflanzen, die sich von Baum zu Baum winden,
stehen oft so dicht beieinander, dass man sich nur mühsam und Schritt
für Schritt seinen Weg mit dem Waldniesser hindurchzubahnen vermag.
Dass der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrig-
wassef bei den einzelnen Schwarzwasserflüssen wieder meist
sehr verschieden ist, ist erklärlich. Die örtliche Lage des
Flusses, der betreffende Flussabschnitt und die Niederschlags-
mengen müssen hier in erster Linie berücksichtigt werden.
Bei manchen der von mir betrachteten Schwarz wasserströme
ist die Differenz zwischen dem höchsten und niedersten
Wasserstande einigermassen bekannt. Sie beträgt z. B. beim:
Essequibo (im Oberlaufe)
Rupununi
Corent3m
Rio Negro (Oberlauf) . .
Rio Negro (Unterlauf)
Xingu, oberhalb der Volta
Xingu, unterhalb der Volta
8 m ?)
6 m^)
6 m»)
4 m^)
lO m")
4 m«)
am')
•) Obige „ideale Darstellung der verschiedenen Altersstufen der
Ablagerungen" ist nach Franz Keller-Leuzinger gezeichnet. (Siehe :
„Vom Amazonas u. Madeira", S. 25.)
*) Rob. Schomburgk S. 318. ^) Ebenda S. 325. ') Ebenda
S. 180. *) Coudreau, Bd. 2 p. 238. *) Prinzessin Therese von
Bayern S. 82. *) Clauss, P. 1886 S. 171. ') Ebenda S. 171.
— 90 —
Araquaya bei S. Leopoldina . . . 7 m*)
Araquaya bei S. Maria .... 8—9 m *)
Unterer Tocantins 10 m ')
Tapajoz 9 ni*)
Was die genaue Dauer des Steigens und Fallens der südameri-
kanischen Schwarzwasserflüsse betrifft, sowie das Maximum und
Minimum dieser Erscheinungen, so liegen darüber noch wenig Be-
obachtungen vor. Allerdings kann man im allgemeinen sagen, dass die
Flüsse zu Beginn der Regenzeit steigen und beim Hereinbrechen der
Trockenzeit rapid fallen; allein diese allgemeine Regel, die wir am
Anfange schon erwähnten, wird in einzelnen Fällen durch verschiedene
Faktoren oft so modifiziert, dass das Bild hierüber eine ganz andere
Gestalt erhält. Um ein Beispiel zu gebrauchen, sei nur erinnert, dass
der Rio Negro im Unterlaufe im November gerade den Anfang der
Regenzeit hat und hier so ziemlich noch den niedrigsten Wasserstand
haben würde, wenn nicht zu dieser Zeit eben sein grösster Zufluss,
der Rio Branco, seine Hochwasserperiode hätte. Und was die Maxim a
und Minima dieser Erscheinung in den einzelnen Monaten betrifft, so
sind natürlich genaue Beobachtungen darüber noch spärlicher. Um
eine genaue Flutkurve von einem Gewässer zu erhalten, bedarf es eben
längerer Zeiträume der Beobachtung und auch dann noch hat eine
solche Kurve nur Wert für einen bestimmten Flussabschnitt.
Jan. Febr. März.April.Mai. Juni. Juli. Aug.SephOkK Nov. Dez.
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Die einzige vorhandene graphische Darstellung des Steigens und
Fallens einzelner südamerikanischer Flüsse ist die von Martius, B. III
S. 1359. Auf welchem Material seine Skizze beruht, gibt der Forscher
nicht an, wahrscheinlich auf Erkundigung. Die Kurve für den Tapajoz
*) Ehrenreich, G. G. E. 1892 S. 142. ") Ebenda. *) Ebenda.
*) Martius S. 1358. — Bates S. 204.
— 91 —
entspricht nach Martins ungefähr den Regenverhältnissen auf dem
brasilianischen Plateau und stimmt so ziemlich mit der Regenkurve
P. Vogels überein.*)
Die beste Nachricht über den Wasserstand des Tapajoz gibt
uns aber K atz er. Er schrdbt:*) „Der Höhenunterschied zwischen
dem Tief- und Hochwasserstande beträgt am unteren Tapajös durch-
schnittlich 5 bis 6 m. Die Trockenzeit mit Niederwasser dauert hier
von Juli bis Dezember ; am oberen Tapajoz tritt sie aber schon im
Mai ein und dauert bis Oktober. Der höchste Wasserstand fällt ober-
halb der Fälle auf den Dezember, am unteren Tapajoz jedoch auf den
Februar, wobei ein Ausgleich der Wasserstände oft gewissermassen
ruckweise zustande kommt und Eigentümlichkeiten aufweist, die näher
studiert werden sollten. So soll z. B. im. Jahre 1892 (im Februar) der
höchste Wasserstand bei Cury um 22 cm unter jenem vom Jahre 1896
geblieben sein, wohingegen er bei Itaituba um 1,30 cm höher als jener
vom Jahre 1896 gemessen wurde. Es war dies seit dem Jahre 1859
überhaupt der höchste beobachtete Wasserstand. Diese seltsamen Un-
regelmässigkeiten dürften wohl von den Stromriegeln und den Aus-
weitungen des Inudationsgebietes abhängig gefunden werden."
Die Kurve für den Xingu, die M a r t i u s gibt, entspricht eben-
falls den Regenverhältnissen auf dem brasilianischen Plateau: Beginn
des Steigens im Oktober. Am untern Tocantins ') sind die Itaboca-
Katarakte nur von November bis Mai passierbar; der Araguaya*) hat
seinen höchsten Stand im Dezember und Januar. Was dann die Curve
für den Rio Negro betrifit, so ist nicht recht klar, für welchen Fluss-
abschnitt sie eigentlich gelten soll. Wahrscheinlich hat sie Bezug auf
den Mittellauf, denn die von mir beigegebene Kurve nach Wallace , die
den Wasserstandsverhältnissen im Fallgebiete des Rio Negro entspricht,
deckt sich im wesentlichen mit der Kurve Martins*. „Der Fluss",
schreibt Wallace,*) „der vom Juli an sehr langsam gefallen war,
entleert sich schnell und hat im März gewöhnlich seinen tiefsten Stand.
Anfangs April beginnt er plötzlich zu steigen und zwar bis Ende Mai
um 6 m; dann langsam weiter bis zum Maximum im Juli, und beginnt
dann mit dem Amazonas zu fallen."
Wie bedeutsam diese Erscheinung auch für die ganze organische
') Vogel, „Reisen in Mato Grosso 1887/88" (Zeitschr. der Ges.
f Erdk. z. Berl. 1893. Tafel 5). Die Regenkurve gilt eigentlich für
Cuyaba; da das obere Flussgebiet des Tapajoz aber in unmittelbarer
Nähe liegt, so benützten wir sie als Vergleichsobjekt. ^) Globus 1900
S. 284. *) u. *) Ehren reich, Verh. d. Ges. f E. 1889 p. 439 u. Z. d.
Ges. f. Erdk. 1892 p. 142. *) Wallace, travels p. 430.
— 92 —
Lebewelt ist, schildert uns Ave -Lalle mant in unvergleichlich schönen
Worten;*) Das Steigen der Flüsse wird niemals eine Überschwemmung
genannt. Wohnungen, Pflanzungen, Viehhürden, — alles ist auf das
Steigen der Flüsse eingerichtet. Furchtlos sieht man das unabsehbare
Element anschwellen und seine volle Höhe erreichen. Die Tiere des
Waldes ziehen sich weit zurück vom Flusse und machen ebenso, w^ie
der Fluss wächst und fällt, ihre typischen Wanderungen.
„Je mehr nun der Fluss wieder fällt, desto höher treten seine
Ufer wieder hervor, desto mehr erscheinen in dem Strome von raeer-
artiger Ausdehnung Sandbänke und nackte Schlamminseln. „Die Zeit
der Ufer" („o tempo das prayas") nennt man diese Zeit. Und jetzt
entwickelt sich wieder ein volles, reges Tierleben am Ufer. Tapire,
Capivaris und andere Nager zeigen sich; die Unzen kommen zum
Fischen an das Ufer; init dem Schwänze, den sie in das Wasser hinein-
hängen lasseil, locken sie die Fische an und mit der Tatze schleudern
sie geschickt ihre Beute auf das Trockene. Mehr und mehr zeigen
sich Reiher und Strandläufer. Wo die Fische sonst hausten, laufen die
befiederten Bewohner der Lüfte und des Waldes umher, ein buntes
Gewimmel und Getümmel.***) '
Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass die zahlreichen
Schwarzwasserflüsse , die dem Atlantischen Ozean ihre
Fluten zusenden, auch unter dem Einflüsse der Gezeiten
stehen. Oft 80— iio km landeinwärts ist bei den Strömen
Guayanas der Flutstrom ersichtlich und die Stauung im
Unterlaufe des Essequibo beträgt meist 7—8, bei Springflut
meist 10-12 Fuss Höhe.^) Am Demerara ist die Flutwelle
nach Schomburgk bei den Normalgezeiten sogar 10 Fuss
hoch*) und am Waini, iio km von der Mündung entfernt,
werden jedesmal beim Tidenstrome die Ufer vollständig
unter Wasser gesetzt.^) Von den Schwarzwasserflüssen
Brasiliens, die sich in das Meer ergiessen, wissen wir, dass
auch sie der Einwirkung der Gezeiten nicht entzogen sind:
der Mojü teilt sogar mit dem Amazonas die Pororoca,®) und
vom Rio Peruaguagu schreibt Martius, dass er mit dem
*j „Reise dureh Nord-Brasilien", IL Tl. S. 104. ") Siehe auch
Martius, Bd. III S. 1359; ferner Martius Bd. II S. 535. *) Rieh.
Schomburgk, Bd. II S. 257. *) Ebenda, Bd. II S. 443 *; Ebenda, Bd. II
S. 448. *) Martius, Bd. III S. 1042.
— 93 ~
benachbarten Meere Ebbe und Flut teile und dass die Schiff-
^ahrt auf ihm stromaufwärts erst mit dem Beginn der Flut
erfolgen kann.^)
Von welch tiefgreifendem Einflüsse namentlich die Gezeiten in
Ouayana für die Bewohner sind, schildert uns J o e s t in vortrefflicher
AA/'eise. „Man darf nie vergessen", schreibt er, „dass es hier weder
I-andstrassen noch überhaupt irgend welche Strassen, Reit- oder Fahr-
"Wege, Pfade und dergleichen gibt, dass also der ganze Verkehr, wenn
«r auch nur gering ist, ausschhesslich auf den Wasserweg angewiesen
ist. Und das in einem Lande, wo alle Flüsse täglich zwölf Stunden
stromaufwärts fliessen, die jeden Tag zu einer anderen Stunde ein-
setzende Ebbe und Flut sich auch im Innern dermassen bemerklich
macht, dass der Unterschied des Wasserstandes der meisten Flüsse
zwischen niedrigstem Stande bei Ebbe in der trockenen Zeit und höchstem
Stande bei Flut während der Regenperioden, da wo die Wasser sich
stauen, 30— 40 Sleilen von der Mündung stromaufwärts noch bis über
zehn Meter, am Orinoco oft zwanzig Meter beträgt.*'^)
II. Moor- und Sumpf bildtingen an den Ufern der schwarzen
Flüsse.
Wohl nirgends fanden die sumpf- und moorbildenden
Agentien so günstige Verhältnisse zu ihrer Entwickelung, als
an den Flussufern der schwarzen Flüsse Südamerikas. Das
Ineinandergreifen und Zusammentreffen fast aller nur mög-
lichen Moorbildungsursachen musste näturgemäss jene ge-
waltigen Phänomene hervorrufen, die, was ihre Dimensionen
betrifft, unter ähnlichen Erscheinungen der gemässigten Zone
ihresgleichen suchen.
Schon im vorausgehenden haben wir erfahren, dass sich der
grösste Teil der schwarzen Gewässer Südamerikas durch sein geringes
Gefälle auszeichnet. Durch die grosse Ebenheit der Bodenfläche einer-
seits und die ganz geringe Strömung der Flüsse andererseits musste
näturgemäss Infiltration des Wassers eintreten, welchen Vorgang uns
schon Franz von Paula Schrank*) vor einem Jahrhundert in seiner
*) Martins, Bd. II S. 619. *) Joest, „Guayana im Jahre 1890",
Verh. d. Ges. f. Erdk. zu BrL 1891. S. 393. ') Frz. v. PaulaSchrank^
Naturhist. u. ök, Briefe des . Donaumopses. 17Q5.
— 94 -
Theorie von der Entstehung des Donaumooses klar gelegt und Güm-
bei*) und Soyka*) in überzeugender Weise bestätigt haben. Da nun,
bedingt durch die Horizontalität des Bodens, die schwarzen Flüsse Süd-
amerikas, ähnlich unseren Moorbächen, auf viel verschlungenen , ge-
krümmten Pfaden dahinziehen, in ihrem Verlaufe durch steten Wechsel
der Breite des Bettes und durch Serpentinbildung gekennzeichnet, so
begünstigen ausser der dadurch verstärkten Infiltration zahlreiche Über-
schwemmung^ und Stauungen des Wassers die Bildung von Sümpfen
und Mooren. Es kann uns deshalb nicht Wundem, dass auch die Sa-
vannenflüsse das ganze Jahr hindurch dumpfige Ufer haben können,
zudem sie ja ausserdem noch meistens von Galeriewäldern begleitet sind.
Ein weiterer Faktor, der als wichtiger Sumpfbildner hier auftritt,
ist die überaus grosse atmosphärische Feuchtigkeit. Das Kapitel über
die Niederschlagsverhältnisse im Gebiete der Schwarzwasserflüsse lässt
sofort einen Schluss auf das Vorhandensein dieser Sumpf bildungen ziehen.
Im Gebiete des Rio Negro und oberen Orinoco, auf dem Berglande von
Guayana, in der Amazonasniederung und im östlichen Teile des Berg-
landes von Brasilien sind die Niederschlagsmengen geradezu enorm,
hier finden wir infolgedessen auch ausgedehnte Sumpf- und Moorbil-
dungen. Im südlichen Brasilien und auf Mato Grosso sind zwar die
Niederschlagsmengen nicht gerade gering, aber ungünstig auf die. Jahres-
zeiten verteilt, infolgedessen herrscht hier, mit Ausnahme einiger von
Urwäldern begleiteten Flussufer, die Campregion vor.
Dazu kommen die geognostischen Verhältnisse! Die Gesteins-
arten, deren Vei*witterungsprodukte an der Oberfläche die durchlässige
Schicht bilden, sind die alten Urgesteine : Cneis, Glimmerschiefer, Granit
und der geologisch jüngere Sandstein. Die chemische Beschaffenheit
dieser Gesteine ist, wie die Tabelle III sagt, fast gleich. Auch ihre
Zersetzungsprodukte stimmen in dieser Hinsicht überein: jener Grus
und Sand, der im Gebiete der schwarzen Flüsse fast überall zu finden
ist, ist nichts anderes, als was wir in Afrika Laterit nennen. Nun ist
bekannt, dass Laterit sehr permeabel ist. Zufolge seiner Wasserkapa-
zität hält er die Feuchtigkeit zurück, die durch Adhäsion an die Boden-
teile, sowie durch Capillarität der Hohlräume gebunden wird. Dadurch
dass nun unterhalb der durchlässigen Verwitterungsprodukte die un-
durchlässigen Tonsubstanzen und die Urgesteine und Sandsteine dem
Wasser entgegentreten, sammeln sigh allmählig die Wasser hier an,
verdrängen die Luft aus den Poren der durchlässigen Schicht und füllen
diese selbst mit ihrer Feuchtigkeit aus. Dass dadurch den sumpfbilden-
') G ü m b e 1 ; Geologie v. Bayern IL Bd. S. 367 und 368. ^) S o y k a ;
„Die Schwankungen des Grundwassers" ett. Wien 1888.
— 95 —
den Agentien allein schon ein vorzüglicher Ort zu ihrer Entwickelung
geboten ist, bedarf keiner näheren Ausführung.
Doch nicht genug! Hier auf diesem feuchten und fruchtbaren
Boden konnte sich auch eine Vegetation bilden, die einem Urwalde das
Leben verlieh. Selten betritt ein menschlicher Fuss diese undurchdring-
lichen Wälder, keine Axt fällt die meterdicken Bäumriesen. Wo der
Sturm einen Stamm zu Boden wirft, bleibt dieser liegen. Aus den ab-
gestorbenen Ästen und Zweigen, aus verfaulten Blättern, toten Wald-
pflänzchen und dichten Streumassen bilden sich am Boden schlammige
Humus- und Moorschichten, die das Wasser aus der Atmosphäre mit
Begierde aufsaugen und in dem undurchdringlichen Schatten des Wald-
dickichtes auch leicht zurückhalten. Diese Moore sind (in Bayern haben
wir ähnliche Erscheinungen: Die Moore des Böhmerwaldes) *) echte
Waldmoore (Holzmoore), im Wald und aus dem Walde entstanden, in
ihren unteren und oberen Schichten fast völlig aus Waldresten und
Baumstrünken zusammengesetzt.
Dass Wälder Ursache von Sumpf- und Moorbildungen sein können,
ist bereits bewiesen worden durch die zahlreichen Untersuchungen
Arendts, Andersens u.a. Die Ansicht von Le Quereux — der
sich noch heutzutage zahlreiche Geographen anschliessen, und die in
manchen Lehrbüchern irrtümlicher Weise immer noch Eingang findet — ,
dass nämlich die Waldmoorbildung nicht unmittelbar, sondern erst durch
Sphagna, die sich auf dem modernden Holze einfinden, entstehe, ist
schon durch Sendtner") treffend widerlegt und später durch Güm-
b e 1 s ') klassische Arbeiten als unrichtig nachgewiesen worden.
Da im Gebiete der schwarzen Flüsse Kalkeinlagerungen so gut
wie ganz fehlen, und die Thonschiefer, Granite, Glimmerschiefer und
Sandsteine die Hauptbestandteile der festen Bodenschicht bilden, werden
sämtliche Moore dort zu den kalklosen Mooren gerechnet werden
müssen. „Nicht das Mass des Wasservorrats, auch nicht die physi-
kalischen Eigenschaften des Untergrundes, deren Modifikationen in beiden
Verhältnissen gleichen Umfang haben, entscheidet die Verschiedenheit,
sondern allein das chemische Elemeht", sagt Sendtner. Es kommt,
wie hier betont sei, dabei nur auf die chemische Beschaffenheit des
Wassers, das das Moor dur^chtränkt, an, nicht auf die chemische Be-
schaffenheit des Untergrundes des Moores. Wiesenmoore sind z. B.
die Moore der Kalkgegenden, soweit sie von kalkhaltigen Flüssen,
Quellen etc. getränkt werden, Hochmoore (Moosmoore) dagegen sind
*) Baumann, „Die Waldmoore des Böhmerwaldes" (Forst-natur-
wissenschaftl. Zeitschrift. München 1896. S. 15). ^) Sendtner, „Die
Vegetationsverh. Südbayerns"; S. 637. *) Gümbel, Geologie v. Bayern
Bd. I S. 419.
- 96 -
aj. wcidiefc 'Wasser gebunden. Wenn aber ein Wiesenmoor soweit
cmfJotjcewBcbsen ist, dass seine Oberfläche dem Einfluss der Kalk-
p'-nräsaer ^^^rh entzieht, dann kann auf dieser Oberfläche sich ein Hoch-
m'jor *»»ifWT^ . cäas dann aber sein Wasser nur direkt von der Atmosphäre
afc RsgrsE- Tau u. s. w. bezieht, also weiches Wasser. So kommt es,
d^ anzr anf Kalkboden z. B. im Schweizer Jura, Hochmoore oft in
.^nsser A^sdehoiing auftreten, aber nie direkt auf Kalk, sondern dann
-ler jof einem emporgewachsenen Wiesen moor. Mangel an Kalk ist
; 5- V-rbedingung für die Entstehung eines Hochmoores, was wiederum
IT Jen Gewässern zum Ausdrucke kommt. Welch grosser Unterschied
rTrascheot, den Kalkmoorgewässern und den Gewässern kalkjjreier Moore
n chemischer Beziehung besteht, beweisen folgende Analysen:
L- Kalkmoorwasser: (Moosachwasser aus Schleisheim);*)
Im Liter Wasser Milligramm : Kalk 102.
Kieselsäure 1,6.
U. llochmoorwasser: (Weisser Regen^ oberhalb Köitzting) : *)
Im Liter Wasser Milligramm: Kalk —
Kieselsäure 10,18.
Inwieweit dieser grosse Unterschied, der in der ehem. Beschaffen-
heit der Gewässer dieser beiden Moorarten besteht, deren Farbe beein-
tlusst, werden wir später sehen. In diesem Kapitel möchten wir nur
aoch erwähnen, dass sich die Sumpf- und Moorbildungen der Tropen-
^one Südamerikas insoferne von denen unserer Gegenden unterscheiden,
als sie sich nicht zu T orfbildungen u mg estalten können
Senft sagt hierüber in seinem Buche: „Die Humus-, Marsch-, Torf
und Limonitbildungen" folgendes : „Ausser den torfbildenden Ge\yächsen
zu denen unter günstigen Verhältnissen alle Pflanzenarten tauglich sein
können, der geeigneten Unterlage und dem nötigen WasservorratjC, ge-
hören nun ganz besonders bestimmte klimatische Verhältnisse zur Um-
wandlung der abgestorbenen Pflanzen in Torfsubstanz. Es müssen die
durch des Sommers Wärme zur Verwesung angeregten Pflanzenreste
durch des Winters Fröste in ihrer Verwesung gehemmt und ihre schon
erzeugten Humussubstanzen unempfindlich gegen dqn Sauerstoff und
die übrigen Verwesungspotenzen gemacht werden. Dies alles kann
aber nur in denjenigen Landesgebieten der Erde stattfinden, in denen
mit verhältnismässig kurzen, häufig feuchten Sommern frostreiche Winter
wechseln.'* Daraus ergibt sich, dass die Torf bildungen haupt^chlich
der gemässigten Zone angehören müssen, wie es auch thatsächlich der
Fall ist. Hier sind die klimatischen Verhältnisse derart, dass sie einer-
seits zu üppiger Vegetation der Pflanzenwelt anregen, andererseits
*) Diese Analyse wurde mir von Herrn Wein, zur Zeit
Professor zu „Weihenstephan*' bei Freising gemacht. ") Siehe TafellV.
— 97 —
aber auch mit Hilfe des luftabsperrenden Wassers die vollständige Ver-
wesung der abgestorbenen Vegetabilien hindern, somit die Torfbildung
ermöglichen. In der kalten Zone sind die Bedingungen für das Ent-
stehen von Torfmooren weit weniger günstige, weil dort jener üppige
Pflanzenwuchs fehlt, der eine Anhäufung grosser vegetabilischer Massen
bedingt. In den Tropen dagegen, wo die Mittel zu einer überaus reichen
Vegetation in vollstem Masse gegeben sind, wirkt wieder die sich
während des ganzen Jahres gleichbleibende hohe Temperatur derart
beschleunigend und fördernd auf den Zersetzungsprozess der ab-
gestorbenen Pflanzenteile ein, dass es nur zu gewöhnlichen Sumpf- und
Moorbildungen kommen kann. Dadurch aber, dass dieser Zersetzungs-
prozess in heissen Gegenden viel rascher vor sich geht, wird ungeheuer
viel Humussäure an die Gewässer abgegeben, was, wie wir später er-
fahren werden, von grossem Einfluss auf die Farbe derselben sein kann.
IIL Biologie der schwarzen Flüsse.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Erforschung
der Flüsse auch nach der biologischen Seite hin gewaltige
Fortschritte gemacht. Zuletzt hat besonders Ule auf die
Bedeutung dieser Arbeiten hingewiesen.^) Ganz eigenartige
Verhältnisse liegen allem Anscheine' nach in biologischer
Hinsicht bei den schwarzen Flüssen vor, und es wäre ohne
Zweifel eine äusserst verdienstvolle Arbeit, die genannten
Gewässer auch nach dieser Seite hin gründlich und allseitig
zu erforschen. Schon Humboldt^) hat beobachtet, dass sich
in den schwarzen Gewässern zwischen dem 5. n. und dem
2^ S. B. sehr wenige Krokodile und noch weniger Fische
aufhalten, und dass die Moskitos, die sonst in Schwärmen
von Millionen in den Tropen die Reisenden belästigen, hier
in auffallend geringer Zahl sich finden. Speziell vom Atabapo
erzählt Humboldt, dass es im eigentlichen Bette dieses
Flusses oberhalb von San Fernando keine Krokodile und
keine Seekühe mehr gäbe und dass nur hie und da eine
Boa oder einzelne Süsswasserdelphine zu treffen seien.^)
Auch zahlreiche andere Forscher bestätigen, dass die
*) Ule, „Die Gewässerkunde im letzten Jahrzehnt", Geogr. Zeit-
schrift von Hettner, 3. Heft, Leipzig 1900 S. 168. ^) Humboldt,
„Ansichten der Natur" S. 128. ') Humboldt, „Reisen etc.** S. 212.
R e i n d 1 , Schwarze Flüsse. 7
- '98 -
schwarzen Flüsse ungemein arm an Lebewesen sind. „Im
Tapajos sind die Fische selten/* schreibt Bat es, i) und vom
Jacuhy berichtet Ave- Lall emant, 2) dass das Wasser des-
selben arm an Lebenserscheinungen sei. „Kaum einzelne
Schildkröten sieht man, die auffallend schiecht untertauchen.
Fast nie zeigt sich ein Fisch. Oft freilich scheinen einzelne
grössere dicht utiter der Oberfläche des Wassers sich zu
bewegen, kommt man aber hinzu, so entdeckt man den Irrtum:
ein Baumast unter dem Niveau kräuselt die Fläche, eine
Untiefe macht einen kleinen Wirbel und mit Mühe nur streift
das Dampfschiff dahin über den Steinboden des Flusses.
Vom Rio Negro schreibt Ihre Königliche Hoheit Prinzessin
Therese von Bayern (S. 82): „Wie alle Schwarzwasser-
flüsse beherbergt auch der Rio Negro wegen Mangels an
Wasserpflanzen und Ufergras verhältnismässig wenig Fische
und ist auch von der entsetzlichen Mückenplage befreit,
welche den Aufenthalt am Amazonas zu einem so qual-
vollen macht.'* Auch der Uruquay ist fast gänzlich bar an
grösseren Lebewesen.' „Er kam mir wie ein Totenfluss vor'*,
schreibt Ave-Lallemant,^) „kein Tierleben am Strande;
kein Fisch sprang aus der Tiefe auf, kein Vogel flog, über
das averner Wasser im Westen von Rio-Grande.*'
Diese merkwürdigen Erscheinungen bedürfen, wie schon erwähnt,
■noch der allseitig begründenden Erforschung. Was das Fehlen der
Krokodile im Atabapo anbelangt, so scheint diese Thatsache nur auf
beschränkte örtliche Verhältnisse zurückzuführen zu sein; denn die
übrigen Schwarzwasserflüsse Guayanas und des Amazonenthaies zeigen
keinen Mangel an solchen Tieren. Nach Spix und Martins lieben
diese Wesen das ruhige , warme Wasser der Flüsse und Seen und
'werden in grossen Mengen in solchen Gewässern gefunden.*) Da nun
der Atabapo ausnahmsweise unter den dunklen Gewässern eine tiefere
Temperatur als sein heller Hauptstrom, der Orinoco hat, was seinen
Grund ohne Zweifel im beständigen Laufe des Atabapo durch uner-
messliche Urwälder haben wird, so darf mit Recht angenommen werden.
*)Bates, S. 173. ^) A ve -Lallemant, „Reise durch Süd-
brasilien", I. Tl. S. .188. '). Ave- Lallemant, a. a. O- S. 323 (L Tl.).
*) Spix und Martins, S. 1161.
- 99 -
dass die Krokodile einzig und allein das Orinocowasser deshalb lieber
aufsuchen, weil es 2* — 3* wärmer ist als das Atabapowasser.*) .Diese
Erklärung dürfte ebenso auch auf den Mangel an Seekühen im Atabapo
zutrefifen, denn auch diese Tiere lieben nach den Aussagen der Forscher
Spix und Martins die wärmeren Gewässer mehr als die kühleren.
Dass aber ein Temperaturunterschied von 2«— 3« in den Tropengegenden
von den Organismen schon sehr empfunden wird, ist von allen Reisenden,
die diese Gegenden schon besucht haben, bestätigt worden und bedarf
keiner näheren Erörterung. Dagegen dürfte das geringe Vorhandensein
von Fischen in den Schwarz wassern besondere Beachtung verdienen.
„Während wir auf dem Amazonas und Solimoes schifften*, schreibt
Martins, „fehlte es niemals an Jagd, und mit jedem Wurfe des Netzes
zog man 50 bis loo Fische von verschiedener Grösse heraus. Das
Gegenteil findet auf den schwärzlichen Gewässern des Rio Negro statt.
Weder der Wald noch das Wasser bieten etwas dar, und man kann
Tage lang fischen, ohne einen Fisch zu erbeuten." *) Dieser Mangel
an Fischen wurde nicht nur bei den dunklen Gewässern Südamerikas
konstatiert, sondern er zeigt sich auch sehr bedeutend bei den Schwarz-
wasserflüssen der bayerischen Oberpfalz. Dass diese Erscheinung im
engsten Zusammenhang mit der chemischen Beschaffenheit der Gewässer
gebracht werden muss, ist fast allgemeine Anschauung der Gelehrten.
B a u m a n n schreibt z. B. über die diesbezüglichen Verhältnisse der
oberpfälzischen Flüsse: „In der Region des Gneises, Granits, Glimmer-
schiefers sind die Quellen und Flüsse ausserordentlich arm an gelösten
Mineralsubstanzen, insbesondere sind Boden und Gewässer so arm an
Kalk und Magnesia, dass die ganze Tier- und Pflanzenwelt eine eigen-
artige Ausbildung erfahren musste. " *) Auch Schwager*) und G ü m b e 1 *)
haben für diese Erscheinung die gleiche Erklärung und bestätigen eine
auffällige Armut an Tieren und eine eigentümliche, an Arten verhältnis-
mässig sehr arme Flora. Da nun die schwarzen Flüsse Südamerikas
in ihrer Entstehungsweise eine auffallende Ähnlichkeit mit den ober-
pfälzischen Gewässern zeigen, so dürfte auch bei ihnen der Mangel an
zahlreichen Fischen durch die grosse Armut an Mineralsalzen, namentlich
durch das Fehlen von Kalk und Magnesia, ' zu erklären sein. Ob auch
die Flora der südamerikanischen Schwarzwasserflüsse jene eigentümliche
Ausbildung, wie diejenige der Oberpfalzgewässer, zeigt, entgeht unserer
Kenntnis, da bis jetzt eingehende Studien darüber nicht vorliegen ; aber
*).Humboldt, „Reise etc." S. 208. *)Spix u. Martins, S. 1292
3. Bd. ') B.aumann, Forstl. und Nat.urwissenschftl. Zeitschr. 1896 S. 19.
*) S c h w a g er, Geognostische Jahreshefte 1894. ^) G ü m b e 1 , Geologie
von Bayern 1894 2. Bd. S. 419.
7*
— lOO —
wahrscheinlich wird sich auch bei ihnen diese Erscheinung bemerkbar
machen.^)
Und das Fehlen der Moskitos an den Ufern der schwarzen Ge-
Wässer Südamerikas? Über diese auffällige Erscheinung, die sämtliche
Südamerika-Forscher bestätigen, gibt uns Marti us Aufschluss. Nicht
wie andere Insekten, -wie z. B. der Pium,^) folgen die Moskitos dem
Zuge der Wärme und des Lichtes, sondern sie erheben sich mit Sonnen-
untergang von dem Schlamme der Ufer und den Gesträuchen in der
Nähe der Gewässer, und fliegen, bald höher, bald niedriger, je nach dem
Zuge der Winde, in zahllosen Schwärmen einher. Martius schreibt:
„Es ist bereits von Herrn von Humbolcl^t bemerkt worden, dass diese
Schnaken sich nicht in der Nähe solcher Flüsse aufhalten, die, im
ganzen angesehen, braunes oder schwärzliches Wasser führen Auch
wir machten die Bemerkung. Wahrscheinlich sind die in dem schwarzen
Wasser aufgelösten ExtractivstofFe den Eiern und den Larven verderblich,
während der Flussschlamm der übrigen Gewässer ihre Entwickelung und
Vermehrung begünstigt."
*) Interessant sind in dieser Beziehung die Beobachtungen
Schwagers bei den oberpfälzischen Flüssen. Er fand, dass zwar eine
grosse Armut an grösseren Lebewesen in diesen Flüssen bemerkbar sei,
dagegen konnte er auffallend viel Diatomeen im Vereine mit braun-
schwarzen Flocken unbestimmter Art nachweisen. Diese Thatsache
schreibt er dem Umstände zu, dass die Urgebirgsgewässer vornehmlich
an Kieselsäure reich sind und daher dem Wachstum der Diatomeen-
Kieselpanzer mit ihrem gelbbraunen Zellplasma und den stets diese
begleitenden braunen Flocken ein hervorragend günstiges Feld zu deren
Wachstum bieten. „Manche Quellflüsse", sagt Schwager, „scheinen
auf diese Weise wie mit manganhaltigen Eisenausscheidungen erfüllt,
was sich bei näherem Zusehen immer als diese Anhäufung von zweifel-
haften kleinsten Lebewesen pflanzlicher Natur herausstellt. Dass diese
Erscheinung in den grösseren Sammelwässern dem Auge entrückt ist,
liesse sich durch die grössere Verteilung dieser Masse erklären,, eine
Folge der Bewegung des Wassers. Treten im Verlauf ihres Weges für
jene Organismen günstige Lebensbedingungen ein, zu denen wir einen
gewissen Salzgehalt des Wassers und verminderte Bewegung gewiss
rechnen können, so wird leicht eine bedeutende Vermehrung derselben
Platz greifen können" — Ähnliche Resultate gewannen auch A. Fric
und V. Vävra bei ihren Untersuchungen der Urgebirgswasser des
„Schwarzen See'* und des „Teufelssee" im Böhmerwald. (Bd. lo No. ^
der naturwissenschaftlichen Landesdurchforschung von Böhmen. — Sicher
auch Globus i8g8 pag 152.) ^) Spix u. Martius S. 1056, 1857, i058-
— lOI
Ob das geringe Vorhandensein der Insekten an- defi. schwarzen
Gewässern nicht auch mit der Grund ist für die geringe ZaStil^h Fischen,
das dürfte gewiss weiterer Beobachtungen wert sein.
• •
IV. Langsame Vermischtmg der Schwarzwasserflü%t^e
mit den Weiss wasserströmen.
•
Bei der Vereinigung der Schwarzwasserflüsse mit den,
Weisswasserströmen kann man durchweg die äusserst inte-
ressante Erscheinung beobachten, dass eine Vermischung der
verschiedenfarbigen Wasser' nur sehr langsam vor sich geht.
Das Wasser des Rio Negro ist, wie schon erwähnt, noch
mehrere Meilen unterhalb der Mündung des Flusses in den
Amazonas sichtbar; nach Chandless' Mitteilungen kann
man ferner die schwarzen Wasser des Paranapixuna nach
seiner Mündung über 5 km unverraischt mit jenen des Purus
dahinströmen sehen,i) ja während des Novembers, in welchem
Monat der Rio Branco ausnahmsweise mehr Wasser hat als
der Rio Negro, kann man noch 30 km unterhalb ihrer Ver-
einigung die Wasser der beiden Ströme von einander unter-
scheiden.2) Es ist klar, dass die erkennbare Farbe nur das
äussere Zeichen ist, das uns sagt, wie weit das getrennte
Nebeneinanderfliessen der Ströme im gemeinsamen Haupt-
bette dauert. ^
Fragen wir nach den Gründen dieses eigentümlichen
Phänomens !
Die Schwarzwasserflüsse sind mit ganz geringen Ausnahmen
langsam dahinfliessende Gewässer. Mündet nun so ein träger Strom in
einen raschen Weisswasserfluss , so werden nach den Gesetzen der
Druckkraft die Wasser des langsamen Flusses umsomehr auf die Seite
gedrängt, je grösser das Gefälle und die Wasserfülle des Weisswasser-
stromes sind; dagegen wird sich die Vermischung desto mehr be-
schleunigen, je mehr ihre Stromstärke und ihre Geschwindigkeit einander
gleichkommen. Nirgends können wir diese Thatsache schöner beob-
achten als bei der bayerischen Stadt Passau. Hz und Inn münden hier
fast einander gegenüber in die Donau. Während aber der die Hz an
Grösse zehnmal übertreffende reissende Inn schon 200 m unterhalb der
Mündung seine Fluten vollständig mit denen der Donau vermischt hat,
') Pet. Mittig. 1867 S. 259. ^) Reclus, Bd. 19 S. 126.
— ro2 —
sind die Wajsser der kleinen trägen Hz nahezu 500 m unterhalb ihres
Einflusses sß.die Donau erkennbar.
JE)ie. Schwarzwasserflüsse sind sehr arm an anorganischen Sub-
Standes;, ihre Wasser sind also spezifisch leichter als jene der oft mit
MiÄ^l^fesürigefn geöchwängerteh helleren Ströme.') Infolgedessen be-
'.wegen sich die Wasser Öer dunklen Flüsse auf der Oberfläche der
, '. schwereren Wasser dahin und müssen von oben aus eine Vereinigung
./ /mit den letzteren bewerkstelligen. Dass dieses viel längere Zeit in An-
Spruch nimmt, bedarf keines weiteren Beweises.
Endlich spielen auch die verschiedenen Tertiperaturen sich ver-
einigender Flüsse eine sehr bedeutende Rolle bei der Vermischung
verschiedenfarbiger Wasser. Bei meinen zahlreichen Untersuchungen
habe ich stets beobachtet, dass sich das wärmere dunkle Wasser auf
dem kälteren helleren Wasser ausbreitet^) Es sei mir auch gestattet,
*) Nach Spix und Martius beträgt z. B. das spez. Gewicht des:
a) Rio Negrowassers bei der Barra (schwarz) bei 15® R. = 1,0568.
b) Tapajoz Wassers bei Santarem „ „ „ „ = 1,0511.
c) Madeirawassers oberh. d. Mündung (weiss) „ „ „ = 1,0645.
d) Yapura Wassers „ „ „ „ ,, „ „ == 1,0607.
^) Die zahlreichen Messungen an den Mündungen der Hz, des Regen,
der Wömitz und mehrerer kleiner Moorflüsse Oberbayerns ergaben fast
durchaus die Thatsache, dass die dunklen Wasser immer i— 20, oft sogar
2—3® Wärmer waren als die der naheliegenden Hellwasserflüsse. Es
hängt dies wohl einerseits mit dem langsameren Lauf der schwarzen
Flüsse, andererseits mit der Thatsache zusammen, dass die dunkleren
Farben die Sonnenstrahlen mehr aufSaugen, als die helleren. Interessant
sind besonders die Ergebnisse meiner Beobachtungen an der Mündung
der Ilz und des Inns in die Donau. Sie sollen hier eine Stelle finden:
I. Beobachtung [ 2. Beobachtung
24. Juli 1901, mittags 2 h.: 2. September, mittags 2 h.:
I6^,
I4^.
ä) Ilz: 30 m oberh. d. Mündg. ig^C
an der Mündung . . 19^ „
50 munterh.d. Mündg. 17^,,
80 „ „ „ „ 16^ „ i 13^,,
b) Donauwasser bei der
Mündung der Ilz . . 16^ „ 13° „
c) In n: 30m oberh. d. Mündg 17^,, 12^,,
an der Mündung . . 17^,, . 12^,,
80 munterh.d. Mündg. 16^ „ ... 12^,,
150 m „ „ „ 16° „ 12^ „
Ohne Zweifel ist nach meinen Beobachtungen die geringere Be-
weglichkeit der Schwarz Wässerflüsse der Hauptfaktor, der eine höhere
- I03 —
das Ergebnis einer Untersuchung Sven Hedin anzuführen, die der
berühmte Forscher in Asien am Zusammenflusse der den Sir Darya
bildenden Quellflüsse Narin und Kara Darya machte. Er schreibt
darüber: „Die .Verteilung der Temperaturen und Farben des Wassers
gibt zu einigen ganz interessanten Schlussfolgerungen Veranlassung- Am
rechten Ufer zeigte das Thermometer -|-i,i* C; 60 m davon +1,5*;
60 m vom linken Ufer +2,1° und dichter am linken Ufer 4-2,3*. Hier
„rauchte" der Fluss (um 11 Uhr vormittags bei —9,7* Lufttemperatur);
dichte, aber durchsichtige Wolken von Wasserdampf stiegen in die J^uft
empor. Der Führer des Prahms teilte mir mit, dass dieser Nebel früh
rnorgens so dicht gewesen war, dass der Prahm, sobald er den Stand
v-erlassen hatte, ausser Sicht kam und ein grosses Feuer auf dem gegen-
tiberliegenden Ufer, das als „Leuchtturm" diente, gar nicht zu. sehen
xvar. Dieses Phänomen sei bei dieser Jahreszeit sehr gewöhnlich. Am
i* echten Ufer rauchte der Fluss jetzt gar nicht. Hier hatte aber ein
'Wasserstreifen von ungefähr 15 m Breite dieselbe klare, hellgrüne Farbe
A?vie das Wasser des Narim ; dann wurde die Farbe mit einem Mal grau
bis zum linken Ufer, genau so wie im Kara Darya (schwarzer Fluss).
Dies zeigt, dass die Wassermassen der beiden Flüsse
noch sechs Werft unterhalb ;deren Vereinigung sich
nicht gemengt haben, oder vielmehr, dass das warme
Wasser des Kara Darya sich auf dem kalten )Vasser des
Narim ausbreitet, das nur am rechten Ufer in einem schmalen
Wasserfaden noch zu Tage tritt. Dass dieses helle Narim-Wasser sich
Temperatur gegenüber den raschfliessenden HeU wasserströmen bewirkt.
Eine Wärmeschichtung, wie sie bei langsamströmenden Gewässern ein-
treten kann, ist bei schnellfliessenden Flüssen ganz ausgeschlossen; die
Erwärmung durch die Sonne verteilt sich daher bei den rasch fliessenden
Flüssen auf eine grössere Wassermenge und macht sich daher überall
geringer bemerkbar; bei langsam fliessenden Wassern aber bleibt sie
mehr auf die Oberflächenschichten konzentriert, wozu, wie schon er-
wähnt, auch noch die die Sonnenstrahlen begierig aufsaugende dunkle
Färbung jener Flüsse kräftig mitwirkt.
Dass mit dieser Temperaturerhöhung eine Verminderung des
spezifischen Gewichtes der betr. dunklen Gewässer Hand in Hand geht,
mithin dieselben bei steigender Temperatur sich ausdehnen und dadurch
leichter werden, ist klar. Dieser Umstand, mit Berücksichtigung der
bereits oben erwähnten grossen Armut dieser Gewässer an anorganischen
Substanzen, befördert in höherem Grade noch ein Fortbewegen der
dunklen Wasser auf der Oberfläche der schwereren Hellwasserflüsse,
bis eine allmählige Vermischung von oben aus sich vollzieht, selbst-
verständlich zu Gunsten des wasserreichsten Stromes.
— I04 —
aber auf so kurze Strecke um einen ganzen Grad hat erwärmen können,
ist eigentümlich, beruht jedoch auf der innigen Berührung mit dem
wärmeren Kara ■ Dary a -Wasser. " ')
Interessant ist es, dass auch die beiden Schomburgk eine
ähnliche Beobachtung beim Essequibo und Rupununi machten, die als
weiterer Beweis, dass die verschiedenen Temperaturen der sich ver-
einigenden Flüsse eine wichtige Rolle bei der Vermischung verschieden-
farbiger Wasser spielen, hier erwähnt werden soll. Richard Schom-
burgk schreibt: „Am nächsten Morgen erreichten wir nach beinahe
vierwöchentlichem Kampf mit dem Strom und den Stromschnellen unter
3* 59' 45" n. B. die Mündung des Rupununi, eines der Hauptnebenflüsse
des Essequibo, der diesem vbh S. -W. her zuströmt. Da das Wasser
des Essequibo hier eine schwärzliche, das des Rupununi aber eine trüb-
gelbe Färbung hat, so konnte man letzteren Strom noch weit in den
Essequibo hinein verfolgen, bevor beide Flüsse ganz miteinander vereinte
dem Ocean zurollten. Merkwürdig war es, dass die Temperatur de^
schwärzlichen Wassers des Essequibo 2* höher war als die des gelblichere.
Rupununi."*)
Robert Schomburgk schreibt darübe|f^^) (^die Beobachtungen
wurden 6 Jahre früher gemacht): „Sowohl hier (am Einflüsse des
Rupununi in den Essequibo), als am Cuyuni untersuchte ich den Unter-
schied in der Temperatur des schwarzen und weissen Wassers und
erhielt folgende Resultate:
I) 25. Sept. : Temp. der Luft um 7 Uhr vorm. 79^ F. = 26^ C
„ „ „ des Mazaruni um 7 Uhr vorm. (schwarz) 84^ „ = 29^ „
„ „ „ „ Cuyuni „ „ „ „ (weiss) 83^ „ =2873%
II) 22. Oktober. Temperatur um 6 Uhr vormittags:
Luft Essequibo Rupununi
(schwarz) (weiss^
750 F. = 240 C. 820 F. = 27 % C. 80,50 F. = 26,50 C.
III) 22. Oktober Temperatur um 6 Uhr abends:
Luft Essequibo Rupununi
(schwarz) (weiss)
80O F. = 26^/30 C. 830 F. = 28' Ib^ C. 810 F. = 27'//> C,
Die Linie der Wasserscheide war ganz deutlich und das Thermo-
;meter wurde 30 Yards (= 55 m) davon entfernt eingesetzt." Auch vom
*) Sven Hedin: „Beobachtungen über die Wassermenge des
Sir Darya im Winter 1893— 1894. Verhandig. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin
Bd, 21 No. 2 und 3 S. 161. ^) Schomburgk, Richard, „Reisen in
Britisch Guiana", Leipzig 1847, I. Tl. S. 341 u. 342. *) Schomburgk,
Robert, ,,Reisen in Guiana und am Orinoco" 1835—1839^ Leipzig 1841
S. 67 und 68
— I05 —
Rio Negro schreibt Martius, dass sein Wasser wärmer ist als die
»»kühleren" Fluten des Solimoes,*) und die Wasser des Rio Branco fand
er an der Mündung mit einer Temperatur von 26*/«® C, diejenigen des
Rio Negro dagegen mit einer solchen von 27^ C.^)
E. Analogien.
Wie wir im Laufe unserer Abhandlung gesehen haben,
^ind die Schwarzwasserflüsse auf der grossen „Brasilianischen
Alasse*' eine fast allgemeine Erscheinung. Ihr Vorkommen
i^t jedoch nicht allein auf dieses Gebiet beschränkt, diese
Oewässer kommen auch, — wenn auch vereinzelt — in
anderen Teilen des südamerikanischen Kontinentes vor.
I^ragen wir nun: treffen wir auch ähnliche Erscheinungen
in den übrigen Erdteilen an? Schon Humboldt erwähnt
^us den alten Erdbeschreibungen die schwarzen Bäder von
Astyra und Lesbos und macht ferner aufmerksam auf die
braunen, ja fast schwärzlichen Seen von Savoyen, die er
mit eigenen Augen gesehen.^) Der damalige Stand der
Geographie ermöglichte es ihm nicht, auch andere Gebiete
zum Vergleiche anzuführen, wo dieses Phänomen besonders
ausgeprägt und ausgedehnt erscheint. Unsere heutigen
geographischen Kenntnisse, obwohl ebenfalls, namentlich in
Bezug auf die Erforschung der Flüsse, noch auf sehr
schwacher Basis ruhend, ermöglichen es jedoch, einen
grösseren Ausbreitungsbezirk für diese merkwürdige Er-
scheinung anzugeben. So finden wir die Schwarzwasser-
flüsse z. B. unter dem nämlichen Tropenhimmel, unter den
nämlichen Begleiterscheinungen und in fast gleichgrosser
Ausdehnung im benachbarten
Afrika.
Eine ganze Anzahl von Kongotributären hat z. B. nach
den Aussagen zahlreicher Afrikaforscher die nämliche klare
*) Martins, S. 1292. ^) Ebenda S. 1295. ") Humboldt, Bd. III
^^ ^ ^-^^^
— To6 —
schwarze Farbe wie die Flüsse Brasiliens und Guayanas.
Lassen wir einzelne Forscher und Gelehrte selbst sprechen :
In Sievers „Afrika" *) heisst es: „Von Norden erhält der Congo
den Nkuku oder „Schwarzen FIuss", dessen Wasser wie das aller
aus dem Waldgebiete kom m ender fas t schwarz ist, den
Itimbiri oder Rubi, den 550 m breiten Magala und mehrere kleinere
Tributäre. Von links ist zwischen dem Lubilasch-Lomani und i " n- Br.
kein einziger nennenswerter Nebenfluss zu bemerken, denn die südlich
des Kongobogens fliessenden Flüsse machen denselben Bogen wie der
Kongo selbst in abgeschwächtem Maasse nach. Zu diesen gehören der
Lulongo und der Buruki oder Tschuapa, von denen der erste aus zwei
Flüssen zusammen fliesst, dem Maringa im Süden und dem Lopori im
Norden, beide müssen zwischen o* und i® n. B. im Süden des Kongo-
bogens entspringen. Der Maringo ist von Grenfell und Fran<;ois^)
im September 1885 bis 22* östl L. verfolgt worden, der Tschuapa von
demselben Reisenden im Oktober 1885. Sein linker Nebenfluss ist der
Bussera. Da auch diese Flüsse das grosse Wald gebiet
durchf Hessen , haben sie ebenfalls schwarzes Wasser"
Auch der Lukenje , den Kund und Tappenbeck befahren
haben, zeigt jene klare, schwarze Farbe. Kund schreibt : ') „Schweigend
wälzt der Fluss seine schwarzen Fluten im Sonnenglanze zwischen
dem hohen Urwalde dahin" Tappenbeck sagt, dass unterhalb der
Mündung des Lukenje oder Mfini^ wo sich die gesamte Wassermasse
des südlichen Kongobeckens zwischen 2^ s. Br. und der Wasserscheide
in eine einzige starke Wasserader zusammendränge, im gelben Grund-
tone derselben das schwarze Wasser des Lukenje-Mfini noch lange
Zeit sichtbar wäre.*) „Sämtliche Gewässer überall im Lande zwischen
Koango und Lukenje", sagt ferner Kund,*) „sind in der Farbe sehr
verschieden, vom schwarz, wie es den ersten moorigen Zuflüssen
der Donau etwa eigen, durch lichtbraun bis zur klarsten Farbe wie
unsere Gebirgsbäche abgestuft/* — Vom Luapula schreibt Paul
Reichard:*) „Freudig begrüssten wir den Strcnn, dessen paradisische
Landschaft jeder Beschreibung spottet. Hunderte von Inseln ragen aus
dem dunkeln, klaren Wasser des mit hehrem Rauschen dahin-
gleitenden Stromes hervor etc. . /* Auch der Leopold II -See,') der
^
') Sievers: „Afrika" 1891 S. 95; — Sievers: Afrika 1901
S. 364. ^) Vergl. Verh. der Ges. f Erdk. z. Brl. Bd. 13, 1886 S. 161.
") Verhandig. d. Ges. f Erdk. z. Brl. Bd. 13 S. 331. *) Verhdlg d. Ges.
f. E. z. Berl. Bd. 13 S 491. ') Verhdlg. d. Ges f. Erdk. z. Brl. Bd. 13
S. 319. **) Verhdlg. d. Ges. f. Erdk. z. Brl. 1886. ') Sievers: Afrika
1901 S. 364.
— loy —
Kagera-Nil/) ja Sogar der „weisse Nil" haben klare, schwarze Fluten.
Von letzterem berichtet Schweinfurtr^) „D^r Sobat stösst in flachen,
soweit das Auge reicht von endlosen Steppen umgebenen Ufern zum
Nil und hat an der Mündungsstelle etwa die halbe Breite des Haupt-
stromes. Die den Bergstrom kennzeichnenden, durch schwach milchige
Trübung gefärbten Wasser stechen noch auf eine weite Strecke von den
tiefschwarz erscheinenden Fluten des „Weissen Nils" ab, dennoch
wird das Sobatwasser dem letzteren weit vorgezogen, welches zwar
durchscheinend klar, nachdem es durch eine Filter von Gras
gelaufen, aber dem Gaumen wegen seines faden, sumpfigen Nachge-
schmacks durchaus nicht angenehm erscheint. Der Einfluss der beiden
Gewässer lässt sich bis Faschoda hinab verfolgen etc. . /'
Gehen wir nach
Nord- Amerika,
so finden wir, abgesehen vom grossen Quellfluss des
Mackenzie, dem grossen „Black-River", namentlich im
Mississippi-Systerti die sogenannten „black waters ** auffallend
ausgeprägt. Manche Ströme davon, wie der „Black-River",
der durch seine Fälle weltbekannt ist und unter ungefähr
92® 30' w. L. und 44^ n. B. in den Mississippi mündet, ferner
Ströme wie der „Black-River", der in den White River, und
der „Black River", der in den Washita sich ergiesst, haben
meist die ansehnliche Grösse von einem ziemlich grossen
Hauptstrome Deutschlands. Ob nun diese genannten „black-
waters" der grossen Apalachischen-Ebene aber auch „sämt-
lich" die klare, schwarze Färbung zeigen, wie ihre süd-
amerikanischen Kollegen, ist nicht festzustellen, da sich trotz
allen Suchens in der Literatur hierüber keine Angaben finden.
Dagegen ist von den Flüssen der Nordamerikanischen Südstaaten,
die ihren Ursprung auf den Alleghanys haben, bekannt, dass sie
namentlich in ihrem Unterlaufe jene Farbenerscheinung zeigen, wie der
Rio Negro Brasiliens oder wie der Atabapo Venezuelas. Deckert
schreibt darüber in seiner grossen Abhandlung: „Land und Leute in
den Nordamerikanischen Südstaaten" : *) „In ihrem Oberlaufe sind die
*) Baumann, Oskar : „Reise durch Deutsch - Massailand und
zur Quelle des Kagera Nil'* ; Verh. d. Ges. f. Erdk. z. Brl. ^) Schwein-
furth: „Im Herzen von Afrika." Leipzig 1878 pag. 17. ^) Deckert:
„Land u. Leute in den ,nordam. Südstaaten'." Zeitschr. der Ges. für
Erdk. z. Berlin 1887.
— io8 —
Ströme der Sodstaatcn fast allenthalben rasch und reissend, und infolge
ihres ausserordentlichen Reichtums an SinkstofFen stellen sie daselbst
fast ohne Ausnahme trübe Schmutzfluten dar, die je nach ihrem Gehalt
an Eisenoxyden bald gelblich weiss, bald gelb-rot gefärbt sind. In
ihrem Unterlaufe dagegen fliessen sie langsam und ruhig dahin, und
vielfach könnte man fast von einem Schleichen oder Stagnieren bei
ihnen reden, ihr Wasser aber erscheint durch die reducierende Wirkung
der darin modernden Pflanzenstoffe schwärzlich gefärbt und bis auS
den Grund hinab durchsichtig."
Asien.
Auch Asien hat seine Schwarzwasserflüsse mit klarenn
dunklem Wasser. Die sämtlichen Urgebirgsw asser um der?
Baikalsee scheinen schwarze Fluten zu haben. Der „Baikai-
See'* selbst zeigt jene schwärzliche Färbung;^) ferner wissen
wir auch vom „schwarzen Irkut*'^) und vom Amur, 8) dass
ihnen die Bezeichnung „Schwarzwasser" vollständig gebührt.
Von letzterem Fluss schreibt z. B. Perry: „Nach der Ver-
einigung der beiden Quellflüsse hat das Wasser des Amur,
vom Ufer aus gesehen, eine schwärzliche Farbe, in einem
Glase betrachtet zeigt es eine helle Schattierung von Thee-
farbe. Die Tartaren nennen deshalb den Fluss Sachalifi oder
Karamuran, d. i. Schwarzfluss.*'*) Aus Maximowicz's
Reise entnehme ich:^) „Weiter unten im Tiefland wird das
Wasser des Amur sehr trübe. Der Dsungari trägt die
Schuld daran ; dieser ist so trübe und trägt einen so grossen
lehmigen Niederschlag mit sich, dass das Amur-wasser
ebenfalls getrübt und braun erscheint.'* In seinem Unterlaufe
scheint der Amur also kein klarer Schwarzwasserfluss mehr
zu sein.
Europa.
In Europa scheinen die Schwarzwasserflüsse ebenfalls
den alten Gebirgsarten eigen zu sein. In Süd- und Nord-
Irland, in Schottland und in Schweden treten diese Gewässer
') Pet. Mittig. 1860 S. 262. ^) Pet. Mittig. 1857 S. 144. •) Pet
Mittig. 1861 S. 262. *) Pet. Mittig. 1859. S. 24. ^) Pet. Mittig. 1862 S. 168.
N
— . 109 —
nämlich in grosser Anzahl auf. Die sogenannten „black-
waters*' Irlands vergleicht schon Reclus^) mit den
schwarzen Flüssen Südamerikas", und von den Gewässern
Schottlands" berichtet uns Ruith, dass sie ebenfalls schwarz
3ein: „Schwarz sind die Berge gefärbt, schwarz die Ge-
>;vässer."2)
Von den Seen von Vester- und Norbotten in Skandinavien sagt
:ferner Hoppe:') „Die Seen, die hier aufeinander folgen, sind echte
I-appmarksseen, d. h. düstere, von Granitbergen umgebene, tiefe, dunkle
Ciewässer." Vom „Vindalelf bemerkt derselbe Autor: „Der Vindalelf,
^in grosser Nebenfluss des Umeelf, ist sehr reissend und sein Wasser
ist dunkler, so dass man auch nach ihrer Vereinigung das ,schwarze'
Wasser des Vindalelf von dem helleren des Umeelf unterscheiden
kann.*' Wie im „Kaledonischen Gebirge'* von Suess, so sind die
schwarzen Gewässer nun auch im variscischen Gebirgszuge zu finden.
Schon aus den alten Quellen lesen wir: „nach dem Rhein geend in
das gross deutsch Meer Vidrus, ein schwartzwasser in hessen ent-
springende aus den Bergen Chattorum" *) oder „vidrus hodie unda nigra
in chattorum piontibus oriens." ') (Kiepert denkt bei Vidrus an die
Vechte, doch dürfte dieser Fluss nicht gemeint sein.) Namentlich im
Schwarzwald haben die kleinen Flüsse und Bäche , wie ich selbst
beobachtet, klare und schwärzliche Wellen, und auch die Bezeichnung
„dunkler** Mummelsee ist keine leere dichterische Phrase. Am auf-
fälligsten schwarz sind jedoch die Ströme der alten „böhmischen Masse*'.
Schon „Hans Sachs** schreibt in seinem Gedicht : „die hundert vnd
zehen wasserflues des deutschen landes:**
„Die Ylcz für Pasaw trüb vnd schwarcz.***)
Schwager sagt davon: „In scharfem Gegensatz stehen zu den
südlichen Zuflüssen und der Donau selbst, welche meistens bald eine
bläulich grüne, bald wieder eine grünliche Färbung aufweist, die nörd-
lichen Flüsse des Urgebirges. Diese zeigen meist die braune Farbe, die
bei einigen bis zum tiefen Schwarz übergeht. Auch die Flüsse des
*) Reclus, Bd. 1:9 S. 128. ^) Ruith: „Land- u. Seefahrten in
Schottland.** Jahresbericht der Geogr. Ges. in München 1872 S. 118.
•) Hoppe Otto: „Schweden in Wort u. Bild. Breslau 1891 S. 40.
*) Seb. Frank: Weltbuch „ein kurtze aussoerterung der geschwell,
Grentz, berg, waeld, flüss, voelcker uund statt Germanie etc., Jahres-
bericht d. Geogr. Ges. z. München^ 14. Hft. 1896 S. 36. ') Wilib. Pirck-
heimer, „Germania**, Jahresber. d. Geogr. Gesellsch. zu München,
1896 S. 36. •) Jahresber. d. Geogr. Ges. z. München, 14. Hft. 1896 S. 28.
— IIO —
Fichtelgebjrges stellen sich in dieser Beziehung . zur Seite. Nach der
Farbenabstufung ergibt sich folgende Reihe : fJaab, Regen, Erlau, Saale,
Hz und als das dunkelste jenes des Rachelsees." *)
F. Farbe.
a) Urteile über die Färbung der Schwarzwasserfiüsse
von Seite mehrerer Forscher.
Über die Ursache der schwarzen Färbung unserer be-
trachteten Flüsse haben sich schon die verschiedensten
Forscher geäussert. Lassen wir hier zunächst die Meinungen
derselben folgen:
1. Eine etwas nähere Betrachtung schenkte schon Franzisco
Xavier Ribeiro de S. Payo (1743) dem Rio Negro- Wasser.
„Obgleich die wahre Farbe des Wassers", schreibt er, „wenn man es in
ein Glas thut, weingelb ist, so erscheint es doch bei der grossen Tiefe
des Flusses wie schwarze Tinte. Ob nun diese Farbe durch aufgelöste
mineralische oder vegetabilische Substanzen entstehe, dies lasse. man
dahingestellt sein."^)
2. Humboldt (1800) schreibt : ') „Das Wasser des Lagartero sah
bei durchgehendem Lichte goldgelb, bei reflektiertem kaffeebraun aus
Die Farbe rührt ohne Zweifel von gekohltem WasserstpflF her. Man
sieht etwas Ahnliches am Düngerwasser, das unsere Gärtner bereiten,
und am Wasser, das aus Torfgruben abfliesst. Lässt sich demnach
nicht annehmen, dass auch die sch^varzen Flüsse, der, Atabapo, der
Zama, der Mataveni, der Guainia, von einer Kohlen- und WasserstofF-
verbindung, von einem PflanzenextraktivstofF gefärbt werden? Der
starke Regen unter dem Äquator trägt ohne Zweifel zur Färbung bei,
indem das Wässer durch einen dichten Grasfilz sickert. Ich gebe
diesen Gedanken nur als Vermutung. Die färbende Substanz scheint
in sehr geringer Menge im Wasser enthalten; denn wenn man das
Wasser aus dem Guainia oder Rio Negro sieden lässt, sah ich es nicht
braun werden wie andere Flüssigkeiten, welche viel Kohlenwasserstoff
enthalten/! : . . . „Die meisten der gleichen Farbenerscheinungen
kommen bei Gewässern vor, welche für die reinsten gelten, und man
wird sich vielmehr an auf Analogien gegründete Schlüsse als an die
*) Sch^y;ager, Hydrochem. Untersuchg. im Bereiche des unteren
.Donaugebietes. Geognostische Jahreshefte VI S. 67 if. ^) Eschwege:
Brasilien, die „Neue Welt." IL Tl. S. 143. ") Humboldt, III. Bd.
S' 195-
— III —
nhmittelbare Analyse hialten mfissei., um über diesen noch sehr dunklen
Punkt einiges Licht zu verbreiten." (Humboldt Bd. III S. 193)
3. Martius (1817) sagt:') „Dass die Entstehung der dunklen
Gewässer durch ganz örtliche Verhältnisse bedingt sd, wird vorzüglich
durch die Verschiedenheit der Färbung mehrerer Wasseranliäufungen
im Umkreise weniger Stunden dargethan. Überall konnte ich die Be-
merkung machen, dass die schwarzen Wasser das Licht stärker zer-
streuten, als die weissen, was der Meinung Raum geben möchte, dass
sie irgend einen brennbaren Stoff (Bitumen, Torf oder andere vege-
tabilische ExtractivstoflFe ?) aufgelöst enthalten."
4. Nach Bat es (1847) ^) rührt die olivenbraune Farbe des Rio Negro
daher, dass die Wasser dieses Flusses während der jährlichen Über-
schwemmungen mit grünem Laube gesättigt iverden.
5. Wallace (1848) *) schreibt die dunkle Färbung der Schwarz-
wasser vegetabilischen Substanzen zu. Er sagt: „Die Thatsache,
dass die reinsten Scfawarzwassei^üsse durch Distrikte mit dichtem
Wald fliessen und Granit-Betten haben, scheint zu zeigen, dass es die
Filtration des Wassers durch zerfallende vegetabilische Substanz ist, die
ihm seine besondere Farbe gibt. Fliesst ein Fluss aber durch Distrikte,
in denen er hellgefärbtes Sediment aufnehmen kann, so wird er ein
,Weisswasserfluss'."
6. Keller-Leüzinger (1874) berichtet ' *) f,Obgleich das Rio-
Negrowasser an und für sich von kristallheller Durchsichtigkeit, scheint
es, an Stellen grösserer Tiefe gesehen, ganz dunkelbraun, beinahe
schwarz. Es teilt übrigens diese Farbe, welche von verfaulten Pflanzen-
stoffen, hauptsächlich von einer Art schwimmenden Grases, welches
in den Lagos (Seen) zu beiden Seiten des Flusses in unglaublicher
Menge wächst, mit vielen anderen Flüssen des Landes."
7. Chandless (1862) sagt:**) „Warum die eine Art der Flüsse
klares, dunkles Wasser und die andern trübes Wasser zeigen, ist eine
Frage, die nicht leicht anders als hypothetisch zu beantworten ist; gerade
wie beim Photographieren : wir wissen, was den Niederschlag verur-
sachen wird, aber (gewöhnlich) nicht, was ihn verursacht hat ... .
Dass die dunkle Färbung des Wassers vegetabilischen Substanzen zu-
zuschreiben ist , ist sehr wahrscheinlich ; aber diese Annahme ist oft
mit einer anderen zweifelhafteren Verbunden worden, nämlich der, dass
die Flüsse mit dunkliem Wasser von Seen kommen. Dass die Seen
*) Spix u. Martius, III. Bd. S. 1351 ^)Bates, S. 185. *) Siehe
Schichtel S. 70. *)Keller-Leuzinger S. 25. *) Chandless,
Joum. R. G. S. 1870 S. 421 u. 423.
— 112 —
des Amazonenthals fast allgemein dunkles Wasser haben, ist wahr;
aber das scheint daher zu kommen, dass die Ströme, welche sie speisen,
dunkel sind, nicht daher, dass das Wasser dort dunkler wird, obgleich
es natürlich frei von Satz werden würde/'
8. Ehrenreich (1889) schreibt : *) „Die eigentliche Ursache (der
Schwarz Wasserflüsse Süd-Amerikas) ist noch ziemlich dunkel. Nur so
viel steht fest, dass das Wasser dieser Flüsse fast gar keine anorganische,
aber sehr viel organische Substanz (Huminsäure) enthält."
9. Sievers (1891)^) vergleicht die schwarzen Ströme Süd- Ame-
rikas mit den schwarzen Flüssen Afrikas. „Viele der schwarz gefärbten
Gewässer kommen aus den offenen Savannen, nicht aus dem Urwald,
und entstehen wahrscheinlich im moorigen, eisenhaltigem Boden, so
dass die Analogie mit den äquatorialen schwarzen Zuflüssen des Congo
unleugbar ist."
10. Eingehender bespricht Schichtel (1891)") dieses eigenartige
Phänomen. Er sagt: „Dass die schwarze Farbe nicht vom Granit-
Untergrund abhängt, zeigt die Angabe bei Chandles, nach der eine
ganze Reihe von kleinen Zuflüssen des Purus im lockeren Alluvialland
schwarzes Wasser führen. Dasselbe wird sich überall da finden, wo
die Quellwasser des Flusses durch die Humusdecke des Urwaldbodens
durchsickern und entweder über harten Fels fliessen oder nicht Arbeits-
kraft genug besitzen, um ihren weichen Untergrund zu erodieren. Die
Richtigkeit der von W a 1 1 a c e gegebenen Erklärung für die Farbe der
„Schwarz Wasserflüsse'* bestätigt das mir von Herrn Pfaff gütigst
zur Verfügung gestellte Resultat seiner in Manaos angestellten Analysen.
Er fand in 100 000 Teilen Wasser des Rio Negro den enormen Betrag
von 30 Teilen organischer Substanz (pro 30 Liter mg). Bereits
Martins (p. 1351) hatte von dem von ihm beobachteten stärkeren
Dispersions- Vermögen der Schwarzwasserflüsse für das Licht auf ihren
Gehalt an brennbaren Stoffen geschlossen. Dieses physikalische Ver-
halten deutet auf gelöste organische Besfandteile hin; der grössere
Teil derselben scheint indes nach den Angaben des Herrn Pfaff
suspendiert zu sein; auch nach der Filtration waren unter dem Mikro-
skop noch pflanzliche Elemente zu erkennen."
Schichtel stellt auch eine vergleichende Betrachtung zwischen
den gelösten Bestandteilen des Amazonas- und Rio Negro- Wassers auf
Grund von Analysen von Mellard-Reade und P f a ff an.*) Diese
Analysen ergaben:
Verhdlg. d. Ges. f. Erdk. z. Brl. 1890 S. 160 u. 161. *) Sievers,
„Amerika" S. 77. *) Schichtel S. 70 u. 71. *) Schichtel S. 96.
— 113 —
looooo Gewichtsteile Wasser enthalten gelöste Bestandteile:
Amazonas: Rio Negro:
(nach Reade von einer zu San- (nach Pf äff Von einer aus dem
tarem in der Mitte des Amazonas im Rio Negro bei Manaos entnomme-
Juni 1878 entnommenen Probe). nen Probe).
SiO. 0,98 Si02 0,67
Al(OH)8+Fe(OH)8 . . . 0,38 Al(OH)8+Fe(OHj8 ... 0,34
CaCOs 2,75 CaO ... 0,06
MgCOs 0,22 S08 0,04
KCl 0,23 K+Na(als Cloride) .... 0,29
NaCl 0,15 CO2 0,04 ^
NaaSÖ* 0,13 Org. Bestandtt 28,90
Organische Bestandtt. . . . 0,71 inkl. d. ungel. Bes.
(exkl. der ungelösten B.)
Sa. 5,92
Die Analyse des Rio Negro- Wassers zeigt hier augenscheinlich
neben dem enormen Gehalt an organischen Bestandteilen eine ver-
schwindend kleine Menge von Ca, was den Gedanken erzeugen muss,
dass hier analytisch das Granitgebiet des Rio Negro zum Ausdrucke
kommt.
II. Ebenfalls auf chemischem Wege suchten Müntz und Mar-
c a n o (1888) *) die Ursache der schwarzen Färbung dieser Flüsse zu
finden. Sie schreiben: „Die Ursache der Farbe dieser Wasser ist un-
aufgeklärt. Der eine von uns , Herr M a r c a n o , ist in der Lage
gewesen, die schwarzen Flüsse zu beobachten und in einer ausführlichen
Beschreibung des oberen Orinoco, die peinliche Genauigkeit der von
Alex. V. Humboldt angeführten Thatsachen zu konstatieren. Wir
haben in der chemischen Zusammensetzung die Erklärung ftir diese
Eigenart gesucht.
„Die Regionen, in welchen man diese Wasser antrifft, ist die
Granitformation , bedeckt mit üppiger tropischer Vegetation. Das
untersuchte Muster ist im Laboratorium angekommen, 2 Monate nachdem
es dem Flusse entnommen : es hatte seine Farbe bewahrt, einen frischen
und angenehmen Geschmack und eine vollkommene Klarheit.
„Die Analyse dieses Wassers hat ergeben, dass es per Liter
0,028 gr organische Substanz enthält, die beinahe ganz aus jenen braunen,
noch schlecht definierten Säuren besteht, wie sie sich in Torfmooren
bilden. Dieses Wasser reagiert sauer, die Reaktion verstärkt sich mit
zunehmender Konzentration, bis sie dem Geschmacke sehr fühlbar wird.
*) Comptes Rendus Hebdomadaires des Seances de TAcademie
des Sciences, Paris 1888 S. 908 Bd. 107.
R e i n d 1 , Schwarze Flüsse. "
— 114 -
Man findet darin wenig Kalk (weniger als o,ooi gr per Liter); die Humus-
substanz befindet sich also in ungebundenem Zustande. Nitrate fehlen
ganz. Andere mineralische Substanzen sind spärlich vorhanden; ihre
Summe überschreitet nicht 0,0 16 gr per Liter; sie bestehen aus Kiesel-
säure, Eisen- und Manganoxyden, Aluminium und Kali mit Spuren von
Ammoniak.
„Die Herkunft dieser Gewässer und ihre Zusammensetzung er-
möglichen uns, eine Erklärung ihrer Farbe und ihrer Eigenschaften zu
geben. Diese Wasser haben sich durch die Lösung der freien Humus-
Säuren gefärbt, welche sich durch die Zersetzung vegetabilischer Sub-
stanzen auf Granitboden, niemals auf Kalkboden gebildet haben. Sie
gleichen in dieser Hinsicht den Wassern, welche aus Torfmooren ab-
laufen. Sie behalten ihre Farbe dauernd, weil bei Abwesenheit von
Kalk und trotz des Luftzutritts der Nitrifikationsprozess und daher die
Verbrennung der organischen Substanzen nicht vor sich gehen kann,
wie dies das vollständige Fehlen der Nitrate beweist'*
12. HerrDr. Katzer, lange Zeit als Geologe in Brasilien thätig,
hatte die grosse Liebenswürdigkeit, dem Autor zu schreiben : „Der Typus
der Schwarzwasserflüsse Südamerikas ist der Rio Negro im Staate
Amazonas. Sein Wasser ist auch im Glase bräunlich und unklar und
behält einen bräunlichen Stich auch nach wiederholter Filtrierung, durch
welche alles Suspendierte entfernt wird. Die Analyse lehrt, dass die
Färbung wesentlich aufgelöste organische Substa nzen zur ück-
zuführen ist.
„Der in Südamerika, besonders im Amazonasgebiet allgemeine
Sprachgebrauch bezeichnet jedoch als Schwarzwasserflüsse noch jene,
deren Wasser im auffallenden Lichte dunkelgrün erscheint, wenngleich
es viel klarer ist, als die sog. „weissen Flüsse."
So die wichtigsten Ansichten einer Reihe von Gelehrten,
die dem Problem näher getreten sind. Eine neue, eingehende
Bearbeitung der Frage wird durch die bisher aufgestellten
Hypothesen immer noch nicht überflüssig gemacht.
b) Versuch zur Lösung des Problems.
Die Frage nach den Ursachen der wechselreichen, das
Auge so sehr bestechenden Farbenerscheinungen des Wassers
ist so alt wie die Naturbetrachtung überhaupt. Freilich eine
Theorie der Farben, wie sie die moderne Physik ausgebildet
hat,, darf bei den Alten niemand erwarten; ihr Standpunkt
in dieser Sache war von vornherein ein von dem heutigen
— 115 —
durchaus verschiedener. Schon von den Anfängen im Mythus
bis zur Farbenlehre des Aristoteles zieht sich der Dualismus
von Licht und Finsternis fort, deren Gegensatz sich in den
zwei Hauptfarben „Weiss'' und „Schwarz" kennzeichnet.
Aristoteles^) bringt die Farben in direkte Verbindung mit
den vier Elementen, indem nach seiner Auffassung dem Prin-
zipe des Lichts: Feuer und Luft, dem dunklen Chaotischen:
Wasser und Erde entspreche. Das Wasser entbehre des
Warmen, weil es aus dem Nassen und Kalten bestehe, und
müsse deshalb auch notwendig die dunkle Farbe besitzen.
Zahlreiche Übergangsstufen, die durch Mischung erzeugt
Würden, vermitteln jedoch die äussersten Gegensätze, wodurch
dann die Entstehung der übrigen Farben bedingt sei, und
2war in der Weise, dass vom Weissen gegen das Schwarze
hin lichtgelb, rot, violett, grün und blau als Mittelstufen an-
gresehen werden.
Strabo^) schreibt die verschiedenen Farbenabstufungen der Ge-
wässer dem Reflex der umgebenden Landschaft zu, Plinius berührt
diese Frage überhaupt nicht. Auch das Mittelalter dachte über diese
Sache wenig nach und betete einfach, wie in anderen naturwissenschaft-
lichen Fragen, die Traditionen des Altertums gläubig nach.
Erst mit dem Aufschwünge der mathematischen und
physikalischen Wissenschaften in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts wendete man den Erscheinungen der Licht-
brechung vorzügliche Aufmerksamkeit zu. Seit Newtons
Entdeckung der Zerlegbarkeit des Sonnenlichtes in die pris-
matischen Farben wird die Thatsache , dass dunkle Körper
unter Beleuchtung des weissen Tageslichtes in den ver-
schiedensten Farben auftreten, dahin ausgedrückt, dass die
Körper je nach ihrer Beschaffenheit nur bestimmte Farben-
strahlen des Lichtes zurücksenden, während die übrigen im
weissen Lichte enthaltenen Farben entweder absorbiert oder
durchgelassen werden. Newton bezeichnet die violetten,
blauen und grünen Strahlen als jene, welche das Walser
*) Prantl, „Aristoteles über die Farben." 1849. S. lOQff.
*) Geogr. libr. XII.
8*
— ii6 —
reflektiert, und hält nach einer von Ha Hey in einer Taucher-
glocke gemachten Beobachtung die roten Strahlen für die
durchgelassenen, während Arago^) die reflektierten Strahlen
als blau und die durchgelassenen als grün bezeichnet. Beide
Vermutungen zeigten sich indes bei direkter Prüfung nicht
begründet.
In neuerer Zeit hat man dieses Thema mit grosser
Vorliebe wieder aufgenommen und so das Problem seiner
Lösung näher gerückt. Die Lösung des alten Rätsels war
aber nur an der Hand eingehender physikalischer und
chemischer Untersuchungen denkbar.
In geradezu klassischer Weise stellt F. A. Forel die
Frage der Wasserfärbung in seinem „Handbuch der Seen-
kunde" dar. Er unterscheidet dabei zwischen der „Eigen-
farbe',' des Wassers und der „scheinbaren*' Farbe desselben.
Letztere Farbe nimmt ein Beobachter wahr, wenn er ein
Gewässer unter einem schiefen Winkel beobachtet. „Vom
Ufer aus gesehen", schreibt Forel, „erscheint die Ober-
fläche eines Sees gefärbt, doch nicht in den Tönen des See-
wassers, sondern in denjenigen der jenseits des Sees ge-
legenen Landschaft." Ist der See ruhig, führt dieser Forscher
weiter aus, so ist die Reflexion an seiner Oberfläche sehr
vollkommen, sobald sich aber die Oberfläche des Gewässers
unter dem Einfluss des Windes oder irgend eines mechanischen
Impulses auch nur im geringsten kräuselt, vollzieht sich die
Spiegelung unter ganz anderen Bedingungen. Jede Welle
stellt nämlich einen cylindrischen, im Wellenkamm konvexen,
im Wellenthal konkaven Spiegel dar, der bei grösserem Ein-
fallswinkel verzerrte, in ihrer Höhe verkleinerte virtuelle
Bilder der gespiegelten Gegenstände gibt. Der konkave
Teil der Welle erzeugt verkehrte, der konvexe Teil aufrechte
Bilder. Es entsteht so durch Spiegelung eine gewisse Fär-
bung der Oberfläche des Gewässers, die die Resultante aller
gefärbten sich spiegelnden Gegenstände und ihrer selektiven
*) Sämtliche Werke, tibersetzt von Hanke 1, IX. S. 446.
£
i
'4"
— 117 —
Zurückstrahlung ist. Diese scheinbare, durch Spiegelung
an der Oberfläche entstandene Färbung ist allerdings nur
bei ganz glattem Wasserspiegel und gewisser Entfernung
des Beobachters von der Wasserfläche mehr oder minder
allein sichtbar ; meist aber kombiniert sie sich mit der Eigen-
farbe des Wassers, die von jener wohl unterschieden werden
muss/'
Auch bei unseren Schwarzwasserflüssen lässt sich die
scheinbare Farbe beobachten. Auf sie führen sich die mannig-
faltigen Nuancierungen zurück, die eine Folge der wechseln-
den Beleuchtung im Laufe der Stunden und Tage, der Be-
schattung durch Wälder, durch Wolken u. s. w. sind. Allein
diese kleinen, zarten Abstufungen der Farbentöne haben mit
der eigentlichen schwarzen Farbe der betreffenden Gewässer
nichts zu thun; diese ist immer und unter allen Umständen
Vorhanden, wenn sie auch je nach dem Wasserstand in ihrer
Intensität sich ändern kann. Gehen wir auf diese „Eigen-
farbe" der Gewässer näher ein!
Wenn man einen See, dessen Tiefe so gross ist, dass
der Boden des Beckens nicht mehr durchschimmert, senkrecht
von oben betrachtet, so dass eine Spiegelung der Gegen-
stände ringsum ausgeschlossen ist, so erscheint dessen Wasser
blau oder grün, seltener gelblich, grau, braun, schwarz,
rötlich oder violett, je nach der Jahreszeit und je nach seinen
Eigenheiten. Diese Farbe, die nicht durch Oberflächen-
spiegelung entstanden sein kann, ist die Eigenfarbe des be-
treffenden Gewässers. Wie kommt diese zustande? Wie
kommt es überhaupt, dass wir eine Farbe des Wassers wahr-
nehmen und uns dieses nicht einfach schwarz erscheint?
Wäre das Wasser absolut rein, so würden die Licht-
strahlen in der ihnen durch die Brechung gegebenen Rich-
tung weiterdringen, sie würden allmählich durch Absorption
des Wassers ausgelöscht werden; die Intensität des Lichtes
würde daher beim Eindringen in tiefere Schichten allmählich
abnehmen. In einer bestimmten Tiefe würde praktisch alles
Licht ausgelöscht sein. Solches Wasser müsste, da alles
— ii8 —
liefet absGrfaiert und nichts reflektiert wird, bei Betrachtung
Tcc oben ganz schwarz erscheinen.
I>as Wasser enthält jedoch zahllose mineralische und
Ieben& oder abgestorbene organische PartikeL die ebenso
zahlreicfae Lichtschirme bilden, an denen das ins Wasser ein-
dringoide Licht zmückgeworfen wird, ehe es ganz absorbiert
ist- Dieses von den Lichtschirmen reflektierte Licht gelangt
durch das Wasser zurück und in unser Auge; auf ihm beruht
die Eigenfiarbe der betreffenden Gewässer. Diese Eigenferbe
des Wassers, wie wir sie bei auflEallendera Lichte sehen, ist
alsö durchaus abhängig von der Eigenfarbe des Wassers,
wie sie sich hei durchfallendem Licht zeigt.
Welches sind nun die Faktoren, die diese Eigenfarbe
des Wassers bestimmen?
Nach den Untersuchungen von Bunsen^^ ist das
destillirte chemisch reine Wasser nicht farblos, wie man ge-
wöhnlich annimmt, sondern hat von Natur aus eine reine
blaue Färbung, d. h. es absorbiert alle anderen Strahlen des
weissen Lichtes stärker als die blauen. Die blaue Farbe
bemerkte er, wenn er durch eine zwei Meter lange Wasser-
säule Porzellanstücke betrachtete. Das bestätigten durch
weitere Experimente auch Beetz-» und Spring.*)
Diese dem chemisch reinen Wasser zukommende rein blaue
Farbe kann nun durch mancherlei modifiziert werden, nämlich
1. durch Beimengung schwebender Partikel,
2. durch Autlösung von färbenden Substanzen.
I. Von Eintluss sind vor allem die suspendierten
Teilchen. Die mit gelbem Löss geschwängerten Flusse
Chinas haben ein gelbliches Aussehen; der Rio Negro Pa-
tagoniens führt soviel schwarzen Schlanun mit sich, dass er
eine ganz dunkle Farbe zeigt, der grosse Red Riva- Nord-
amerikas soll endlich seinen Namen dem Reichtum an Kupfer-
i
' L i e b ig und \V h l e r . „Annalen der Chemie and Pharmade".
LXll S- 44. ' Ll>er die Farbe des Wassers. Annalen der Physik und
Chemie 1862 191. Bd S. 137. ^ Bulletin de Tacademie royal belgique,
Ser. 3. Tom. Y. 1883. S- 55
— 119 —
Verbindungen zu verdanken haben, den seine Fluten suspen-
cJiert mit sich führen, ebenso wie der Rio Tinto in Spanien.
Durch die im Wasser freischwebenden festen Partikelchen
\vird nämlich eine Hemmung des eindringenden Lichtes be-
Avirkt und dasselbe diffus nach allen Seiten hin zurück-
geworfen, wie wir oben sahen. Sind diese Partikelchen
zahlreich, so bilden sie gleichsam einen Nebel, dessen Dichte
und Mächtigkeit derart sein kann, dass er schon in wenig
dicken Lagen für Lichtstrahlen absolut undurchdringlich ist.
Je nach der Farbe und Menge dieser suspendierten Teilchen
wird auch die Farbe des Flusses eine andere sein. Sind die
Partikelchen so zahlreich, dass dieselben schon in einer Tiefe
von wenigen Centimetern bedeutende Quantitäten Licht re-
flektieren, so hat dieses Licht nur wenig von seinen nicht-
blauen Lichtstrahlen durch Absorption im Wasser verloren,
es kommt also als ziemlich weisses Licht zu den Partikeln.
Haben diese eine bestimmte Farbe, so wird von dem sie
treffenden fast weissen Licht nur diese Farbe reflektiert.
Wenn auch beim Durchgang des Lichtes nach oben wieder
etwas von den nichtblauen Strahlen absorbiert wird , so
kommen doch die Farben der suspendierten Teilchen nur
wenig verändert ins Auge: das Wasser erscheint in der
Farbe der suspendierten Teilchen. Je geringer die Zahl der
Partikel ist, aus desto tieferen Schichten erst gelangt dann
Licht durch Reflexion von den Partikeln ins Auge, desto
mehr also werden sowohl beim Eindringen als auch beim
Zurückkehren die nichtblauen Strahlen absorbiert, desto mehr
dominieren die blauen. Die Partikel erscheinen also nicht mehr
in ihrer Farbe, sondern in ihrer Farbe mit einem Stich ins
blaue, z. B. gelbe Teilchen grün. Je blauer das Wasser,
desto mehr herrschen unter den in das Auge gelangenden
Strahlen die blauen vor. Freilich werden auch sie immer
schwächer, da ja auch sie eine Absorption erfahren, wenn
auch eine geringere als die anderen Lichtstrahlen. Je mehr
die Trübung vermindert ist, desto tiefer dringen die Licht-
strahlen ein ohne reflektiert zu werden, ein desto kleinerer
— I20 —
Teil derselben gelangt aber in das Auge zurück, d. h. desto
dunkler erscheint das Wasser. Ein Wasser ohne jede Spur
suspendierter Teile, wie es ja freilich in der Natur nicht
existiert, würde wegen Fehlen jeglicher reflektierender Licht-
schirme ein Maximum von Durchsichtigkeit besitzen, so dass
bei flachen Flüssen der Untergrund noch durchschimmert. An
tiefen Stellen aber muss solches Wasser völlig schwarz erschei-
nen. So können durch Suspension von Partikeln verschiedener
Farbe in verschiedener Menge die aller verschiedensten Farben -
töne hervorgerufen werden : von hellgelb zum grün, zum blaa-
grün und schwarz, vom rot zum violett und schwarz, vom weiss
zum hellblau, zum dunkelblau und zum schwarz. Erfahrungs-
gemäss bedingen höhere Wasserstände bei Flüssen infolge
der reichlich zugeführten suspendierten Kalkteilchen lichtere
Farbentöne. Ferner erscheint das Wasser durch die bei
einem anhaltenden Sturme vom Grunde aufgewühlten grösseren
Massen weissen Schlammes weit heller als sonst. Nament-
lich erkennt man in ausgezeichneter Weise an der Isar, in
welch enger Beziehung die Menge der suspendierten Teile
zur Abtönung der Wasserfarbe steht. Im Winter, zur Zeit
des niedrigsten Pegelstandes ist das Isarwasser in München
sehr rein und daher von tief dunkelgrüner Farbe. Bei stei-
genden Wasserspiegel, im Frühjahre aber, erbleicht infolge
von Schneeschmelze oder Regen, wobei eine Menge suspen-
dierter Teile in den Fluss gelangt, der Farbenton und geht
allmählich in trübes Gelbgrün und schliesslich sogar in Gelb
über. Im Herbst, wenn das Wasser sinkt und sich dabei
klärt, kehrt die frühere dunkelgrüne Färbung wieder zurück.
Die Intensität des Anteils blauen Lichtes am Farbenton der
Gewässer und die Menge ihrer Sedimentführung stehen also
im umgekehrten Verhältnis zu einander.
Aber auch suspendierte organische Massen selbst von
solcher Kleinheit, dass sie dem Auge nicht sichtbar sind,
bewirken eine Färbung des Wassers. Springt) beobachtete
*) Spring, „Sur la cause de L'Absence de Coloration etc.",
Brüssel 1898.
— - 121 —
nämlich, dass das frisch destillierte Wasser eine ziemlich
reine, himmelblaue Farbe gab, während das seit längerer Zeit
für Laboratoriumszwecke hergestellte eine hellgrüne Farbe
zeigte, wie eine verdünnte Lösung von Eisensulfat, nicht die
gehoffte blaue. Hieraus konnte nun Spring schliessen, dass
das destillierte Wasser der Laboratorien keineswegs rein ist,
sondern Substanzen enthält, welche mit der Zeit Verände-
rungen erleiden. Dass diese Substanzen lebende Organismen
sind, wurde durch folgenden Versuch geprüft:
Eine Röhre wurde mit gewöhnlichem destillierten Wasser gefüllt,
das hindurchgehende Licht war blau ; die andere Röhre wurde mit dem-
selben Wasser gefüllt, dem ein zehntausendstel Quecksilberchlorid zu-
gesetzt war; die Farbe dieses Wassers war ganz gleich dem Blau des
ersten. Nach sechs Tagen nun war das Wasser der ersten Röhre grün
geworden, das Wasser mit Quecksilberchlorid hingegen hatte seine blaue
Farbe unverändert beibehalten. Da nun Quecksilberchlorid für Orga-
nismen ein heftiges Gift ist, so kam Spring zu der Ansicht, dass auch
im destillierten Wasser der Laboratorien kleinste Lebewesen vorkommen
und mithin Nahrungsmittel zur Entwicklung derselben in ihm vor-
handen sind.
Interessant und sehr wichtig ist, dass unsere behandelten
Schwarzwasserflüsse ausserordentlich rein an suspendierten
Substanzen sind. Da nun das Wasser desto dunkler erscheint,
je reiner es an suspendierten Teilchen ist, so trägt diese
Reinheit bei zahlreichen Flüssen, die eine sehr grosse Tiefe
besitzen (Tapajos, Trombetas etc.), sicher dazu bei, sie
schwarz erscheinen zu lassen.
2. Eine Färbung des Wassers kann auch dadurch er-
folgen, dass demselben gelöste färbende Substanzen zu-
geführt werden. Haben die gelösten Substanzen auch die
Eigenschaft, die roten oder überhaupt die nichtblauen Strahlen
stärker zu absorbieren als die blauen, ist also ihre Eigenfarbe
in dicken Lagen auch blau, wie beim Kochsalz, so verstärkt
ihre Auflösung im Wasser dessen blaue Farbe. Weicht da-
gegen ihre Eigenfarbe von der des Wassers ab, so modifiziert
ihre Auflösung das Blau des Wassers und zwar um so mehr,
in je grösseren Mengen sie dem Wasser beigemengt werden.
Da unsere schwarzen Flüsse, wie wir oben geschildert
— 122
haben, fast alle ganz klare, d. h. schlammfreie Wasser führen,
so leuchtet ein, dass die schwarze Färbung durch gelöste
Farbstoffe hervorgerufen sein muss. Dass dieselbe nicht
einfach durch die Tiefe bedingt ist, geht schon daraus her-
vor, dass sie auch bei flachen Flüssen auftritt.
Fragen wir nach den im Wasser gelösten Substanzen,
so ist da zunächst zu betonen, dass dieselben überaus gering
sind. Es hängt das mit der Beschaffenheit des Einzugs-
gebietes der schwarzen Flüsse zusammen. Der petrogra-
phische Charakter in allen Bezirken der schwarzen Flüsse ist
immer der gleiche : Urgestein, Sandsteine, Thone und Laterit,
die bezüglich ihrer chemischen Zusammensetzung einander nahe-
zu ganz gleich sind, Silikate (siehe Tafel II), deren wichtigster
Bestandteil die Kieselsäure ist, die zwischen 40— -So^^/o der^
Gesamtmasse ausmacht, dann Thonerde, Eisenoxyd und Eisen—-
oxydul, Magnesia, Kah, Natron und Wasser. Wie ver-
schieden z. B. der Gehalt der Urgebirgsgewässer an gelöster?
Substanzen, verglichen mit dem der Flüsse anderer Forma-
tionen, ist, zeigen uns Späth s^) und Metzgers 2) Unter-
suchungen. Dazu diene als Beweis untenstehende Tabelle.
Die Zahlen in derselben stellen die Mittelwerte des in 100
Teilen Rückstand gefundenen Prozentgehaltes dar, und zwar
einerseits aus neun Wasserproben des Keupers und Muschel-
kalkes nach Späth und andererseits aus den gleichen Werten
von 13 Wasserproben aus dem Urgebirge nach Metzger:
Vergleichende Tabelle
der "/o-Zusammensetzungen von 100 Teilen Rückstand in den Wassern :
Rest
Der Triasformat.
("Keuper
und Muschelkalk.)
Der Urgebirgsf.
NazO
3'24
R2O
4,29
CaO
MgO
9,0
Cl
SiOa
SO»
29,34
4ii5
7>09
16,27
11,50
9,70
9,00
Si
12^00
28,90
8,67
26,62
15,13
Das Mittel im Trockenrückstand eines Liters ist in den Wassern aus
der Triasformation 248 mgr, in den Wassern aus dem Urgebirge 87 mgr.
(Siehe auch Tafel III.)
') Späth, Beiträge zur Kenntnis der hydrogr. Verhältnisse v. Ofr.;
Mittig. aus dem pharm. Institut etc., 2. Heft, München 1892. ^j Metzger,
Beiträge zur Kenntnis der hydrogr. Verhältnisse des bayr. Waldes.
Erlangen 1892.
— 123 —
Auch die Wasser des Sandsteingebietes gleichen den
Urgebirgsgewässern an Armut der gelösten Mineralstoffe,
und ihre Reinheit kommt vielfach dei* des destillierten Wassers
nahezu gleich. Da die chemische Beschaffenheit der Sand-
steine ohne Rücksicht auf ihr geologisches Alter (siehe Tafel II)
fast gleich ist, so genügen hier folgende Wasseranalysen : Nach
Gümbel^) enthalten die Gewässer des Sandsteingebietes des
Vorspessarts ausser kleinen Mengen von atmosphärischer Luft
und Spuren von Kohlensäure durchschnittlich nur 36, einzelne
selbst nur 20 mgr Trockenrückstände in i Liter und zwar
hauptsächlich Kochsalz und Kieselerde. In dem Wasser des
Herrnbrunnens bei Lohr betragen beispielsweise die Ge-
samttrockenrückstände in I Liter Wasser 78 mgr, bestehend
nach Prozenten aus Kieselsäure 12, Chlor 18, Natron 12,
Kalk 5, Schwefelsäure 2, Thonerde, Bittererde und Eisen-
oxyd 5, gebundener Kohlensäure 4, sonstigen Mineralstoffen 2,
Organischem • 18, dazu kommt freie Kohlensäure 22. — Die
Analyse des Breitenruhquell wassers im Bibergrund ergab:
Chlornatrium 3,07, Calciumsulphat 2,00, Natriumcarbonat 2,03,
Calciumcarbonat 0,01 und Kieselsäure 6,00 mgr im Liter.
Dass auch die schwarzen Flüsse Südamerikas ausserordentlich
arm an gelösten Bestandteilen sind, berichtet uns z. B. Katzer. Er
schreibt: Das Tapajoswasser ist äusserst klar, so dass man selbst durch
eine 3 bis 4 m mächtige Schicht bis auf den Grund sieht. Die Analyse
einer bei Itaituba geschöpften Probe ergab einen aussergewöhnlich
geringen Gehalt an gelösten Bestandteilen, in welchem Sinne der Tapajos
zu den reinsten Flüssen der Welt gehört. Ich kann darauf hinweisen,
dass alle Fluss- und Bachwässer des Amazonasgebietes, die ich unter-
sucht habe, ohne Ausnahme durch eine auffallende Armut an gelösten
Bestandteilen ausgezeichnet sind.')
Dagegen zeigen diese Flüsse einen ausserordentlichen
Reichtum an Huminsäure, resp. Verbindungen derselben.
Das Vorhandensein enormer Massen an organischen Bestand-
teilen haben uns die Analysen durch Pf äff und Müntz und
Marcano beim Rio Negrowasser ergeben.^) Dass diese
*) Gümbel, Bd. II S. 641. ^) Katzer, Zur „Geographie des
Tapajos'^; Globus 1900 S. 284. *) Siehe Seite 193, 194 und 195.
— 124 —
färbenden Humussäure-Verbindungen den verwesenden Pflan-
zenmassen der Einzugsgebiete der Schwarzwasserflüsse ent-
stammen, ist von vornherein klar. In der That hat F. A.
Forel ebenso wie Witt stein durch Beimengung von Torf-
mooren zu Wasser des Genfersees die verschiedensten Fär-
bungen bis zu braun und schwarz hervorbringen können.
Allein rätselhaft bleibt es, warum Torfwasser, resp. Wasser
aus verwesenden Pflanzenmassen nur im Urgebirge eine
Schwarzfärbung hervorbringen, im Kalkgebiet aber nicht.
Hierüber gibt folgendes Experiment Aufschluss, das wir nach
Rücksprache mit Herrn Dr. Wein, Professor der Chemie an der Aka-
demie Weihenstephan und mit Herrn Apotheker Dr. Heiss in des
letzteren Laboratorium angestellt haben. Man nahm drei mit destilliertem
Wasser gefüllte Gefässe und legte in jedes derselben Humus (Torf oder
Waldhumus) ; während das erste Gefäss ohne anderen Zusatz gelassen
wurde, brachte man in das zweite Gefäss kohlensaures Natron, und in das
dritte kohlensaures Kali. In ganz kurzer Zeit nahm das Wasser im 2.
und im 3. Glase eine dunkle Färbung an, während das Wasser im ersten
Glase sich nicht änderte, sondern weiss blieb. Hieraus geht hervor,
dass die Humussäure nicht etwa in reinem Wasser einfach aus dem
Torf in Lösung geht und dasselbe färbt, sondern dass im Wasser Alkalien
gelöst sein müssen, damit eine Färbung eintritt, wie schon Wittstein
betonte. *) Wenn auch, wie Schwager^) behauptet, Humussäure durch
freie Lösung ins Wasser gelangen kann, so sind die Mengen jedenfalls
gering und nicht imstande, eine merkliche Färbung des Wassers zu be-
wirken; die Anwesenheit von Alkali im Wasser ist notwendig. Auch
W o 1 1 n y '*) hat dies betont, wenn er auch eine freie Lösung für möglich
hielt.«)
Ein Versuch mit hartem, d. h. kalkreichem Wasser ohne Alkalien
ergab indes keine Färbung. Ja, dieJBeimengung von Wasser, in dem grössere
Quantitäten doppelkohlensaures Kalkes gelöst waren, zu Wasser, das
vorher unter Mitwirkung von Alkali durch Humussäure schwarz gefärbt
worden war, ergab eine fast vollständige Entfärbung der letzteren.
Der letztere Versuch wurde in zweierlei Weise vorgenommen.
In der Apotheke des Herrn Dr. Heiss wurde eine starke Lösung von
doppelkohlensaurem Kalk benützt, die durch Durchleiten von Kohlen-
') Sitzungsberichte d. k. b. Akademie der Wissenschaften in
München. 1860. S. 603. ^) Schwager, Geognostische Jahreshefte 1894
und 1897. ■) Geogr. Zeitschr. v. Hettner, 1897, S. 288. — W o 1 1 n y ,
E., „Die Zersetzung organischer Sjoffe etc." Heidelberg 1897.
— 125 -
säure durch einen Brei von präzipitiertem kohlensaurem Kalk und lo
Teilen Wasser gewonnen worden war. Die Entfärbung erfolgte bei
Zusatz dieser Lösung zu schwarzem Wasser, das nachher durch Auf-
lösung von Humussäure in alkalihaltigem Gewässer heller worden war,
wenn auch ein Stich ins Weingelbe zurückblieb. Im geographischen
Institut der Universität Bern wiederholten wir den Versuch mit einer
schwachen Lösung, die durch Schütteln von präzipitiertem kohlensauren
Kalk mit dem Wasser einer Sodorflasche ') hergestellt war. Die Ent-
färbung erfolgte hier allmählich und erreichte erst nach einigen Tagen
den Grad, wie beim ersten Experiment sofort. Bräunlicher Schlamm
setzte sich in beiden fällen zu Boden. Wie sich diese Vorgänge chemisch
erklären lassen, können wir nicht sagen, da die Humussäure, Geinsäure
etc. und die entsprechenden Verbindungen leider noch wenig untersucht
sind. Nur als Vermutung möchte ich hier folgendes anführen. Humus-
säure, Geinsäure etc., wie sie im Torf, überhaupt in allen verwesenden
Pflanzenmassen vorhanden sind, sind in reinem Wasser nur minimal
frei löslich. Enthält das Wasser Alkalien, so gehen diese mit der Humus-
säure Verbindungen ein, die leicht löslich sind, und nun das Wasser
färben. Wird eine Lösung von doppelkohlensaurem Kalk beigefllgt, so
verdrängt das Calcium die Alkalien und es entstehen humussaure, Cal-
ciumverbindungen. Diese sind schwer löslich und fallen daher als
schwarzer Niederschlag aus, so eine Entfärbung des Wassers hervor-
bringend. Verstärkt wurde diese Entfärbung noch durch Zulegung von
Magnesia.
Was ergibt sich nun aus diesem Experimente für die
Frage der schwarzen Flüsse?
Zunächst erklärt sich sofort, warum wir schwarze Flüsse
nur auf Urgebirgen, Sandsteinen, Thongesteinen etc., aber nie
auf Kalkboden treffen. Urgebirgswasser, überhaupt Silikat-
gesteine, enthalten nämlich Alkalien gelöst. Das lehren direkt
die Analysen von Gümbel, Wittstein und Metzger. Gelangen
nun verwesende Pflanzenmassen mit diesem Wasser in Be-
rührung, so färbt sich das letztere schwarz, da sich die lös-
') Flasche, um Wasser mit Kohlensäure anzureichern. Auf den
Flaschenhals wird eine kleine, etwa V2 cbcm fassende Kohlpatrone, die
mit flüssiger Kohlensäure gefüllt ist, gesteckt, die Flasche hermetisch
geschlossen und gleichzeitig durch einen Dorn die Kohlpatrone ange-
bohrt, aus der nun die Kohlensäure in die Flasche übertritt. Durch
Schütteln wird die Kohlensäure in Wasser gelöst. Der präzipitierte
kohlensaure Kalk war vorher in die Flasche gebracht worden.
— 120 —
liehen humussauren Alkaliverbindungen bilden. Bei der
Lösung der Alkalien des Urgesteins bleibt die Kieselsäure
der Feldspäte zurück; diese ist weiss, — so ist auch das
Bett der schwarzen Flüsse weiss.
Anders bei Flüssen auf Kalkboden ; dieselben enthalten
doppelkohlensauren Kalk und Magnesia in grossen Mengen.
Diese gehen mit der Humussäure der verwesenden Pflanzen-
substanzen Verbindungen ein, aber diese sind nicht löslich
und scheiden sich daher am Boden aus. Der Boden der
Flüsse des Kalkgebietes ist deshalb schwarz, das Wasser
aber weiss. Also genau, wie wir das eben geschildert haben.
Aber auch die Entfärbung der Schwarzwasser nach
Betreten von Kalkboden erklärt sich: Das Calcium des als
dpppelkohlensaurer Kalk in Lösung gehenden kohlensauren
Kalkes, sowie das Magnesium verdrängen die Alkalien in den
humussauren Verbindungen, es bilden sich so humussaure
Calcium- und Mägnesiaverbindungen , die als schwer löslich
ausfallen. Das in Lösung bleibende Alkali bleibt infolge-
dessen ohne Wirkung für die Färbung des Flusses, und
dieser wird aus einem schwarzen ein weisser Fluss.
Das genügt völlig, um das Auftreten der Schwarzwasser-
flüsse zu erklären. Wir brauchen nichts weiter, und brauchen
vor allem nichts voraussetzen, was nicht durch Beobachtungen
belegt ist. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass nicht
vielleicht auch noch andere Faktoren bei der
Färbung der Schwarzwasserflüsse mitsprechen können. So
glaubte Schwager jüngst eine andere Ursache für die
Dunkelfärbung des Silikatwasser gefunden zu haben. Er
nimmt die zahlreichen Diatomeen, die sich infolge des grossen
Kieselsäuregehaltes in jenen Gewässern bilden, als Färbungs-
substanz an. „Manche Flüsse'*, schreibt er, „scheinen durch
die zahlreichen Diatomeen im Vereine mit braunschwarzen
Flocken unbestimmter Art auf diese Weise wie mit mangan-
haltigen Eisenausscheidungen erfüllt, was sich bei näherem
Zusehen als diese Anhäufung von zweifelhaften kleinsten
Lebewesen pflanzlicher Natur herausstellt. Und wir werden
— 127 —
nicht fehl gehen, wenn wir jegliche Färbung der Gewässer,
wie zur Zeit schon vielerorts nachgewiesen wurde, mit der
zuständigen Flora und Fauna, zumal mit den niederen Lebe-
wesen in Zusammenhang setzen/* In der That! In fliessenden
Silikatgewässern, wo die Kieselsäure zwischen 40--80O/Q der
Gesamtmasse der gelösten Bestandteile ausmacht (s. Tafel III),
ist jenen niederen Organismen unzweifelhaft zu ihrer Existenz
ein so günstiges Feld gegeben, dass ihr Dasein in grossen
Massen möglich erscheint. Da auch bei verschiedenen Meeren,
so z. B. im Grönländischen Meere bereits nachgewiesen wurde,
dass zahllose Kieselpflanzen eine, Schwarzfärbung' des Wassers
verursachen, so ist die Schwager sehe Anschauung nicht
direkt von der Hand zu weisen. Allein sie erklärt uns doch
vieles nicht. Warum kommen die Schwarzwasserflüsse auf
Silikatgesteinen stark ausgeprägt nur im Urwald und Moor-
gebiet vor und fast gar nicht im Steppen- und Wüstengebiet ?
Das vegetationsarme Mato Grosso ist, wie wir gesehen haben,
fast bar an solchen Gewässern, während die dichtbewaldete,
moorige Sierra do Maar überaus reich an solchen Flüssen ist.
Ähnliche Beispiele giebt es in solcher Zahl, dass eine An-
führung derselben unnötig ist.
Freilich weiss Schwager für diesen Vorhalt eine Ant-
wort. „Treten," schreibt er, „im Verlauf ihres Weges für
jene Organismen günstige Lebensbedingungen ein, zu denen
wir einen gewissen Salzgehalt des Wassers und ver-
minderte Bewegung gewiss rechnen können, so wird leicht
eine bedeutende Vermehrung derselben Platz greifen können."
Wir zweifeln nicht, dass im einen oder andern Fall jene
Lebewesen etwas dazu beitragen können, einen dunklen
Ton bei den Gewässern zu verursachen, allein diese Er-
klärung auf alle schwarzen Flüsse und speziell auf diejenigen
Südamerikas anzuwenden, geht eben deswegen nicht, weil
für diese die Existenz von massenhaften Diatomeen über-
haupt noch nicht nachgewiesen ist.
Dass sie aber Alkali enthalten, ist sicher, da sie im
Urgebirge fliessen.' JÜ^s ihnen ferner Verwesungsprodukte
— 128 —
von Pflanzen in Menge zukommen, steht ebenfalls fest. Das
aber genügt völlig zur Erklärung ihrer schwarzen Farbe.
Anders dürfte es mit der von Spring besonders be-
tonten Rolle des kohlensauren Eisenoxyduls bei der Dunkel-
färbung der Gewässer sein. Gerade die Silikatgesteine sind i
reich an Eisenoxyd, das bei Anwesenheit chemischer Ver-
bindungen leicht in Eisenoxydul reduziert werden kann und i
als kohlensaures Eisenoxydul in Lösung bleibt. Da nun,
wie Springt) durch Experimente nachgewiesen hat, das
Eisenoxydul etwa in einer Verdünnung von Viooooooo ^irie
Gelb' oder Braunfärbung der Gewässer verursacht, so darf
fast sicher angenommen werden, dass das kohlensaure Eisen-
oxydul auch beteiligt ist bei der Schwarzfärbung mancher
unserer betrachteten Flüsse.
Sehluss.
Wir können unsere Resultate in folgenden Thesen zu-
sammenfassen :
1. Schwarzwasserflüsse finden sich nur in Gegenden,
wo grosse verwesende Pflanzenmassen vorkommen.
2. Sie treten in Südamerika und auch anderwärts nur
auf Gesteinen auf, die Alkalien enthalten, auf Granit, Gneis,
Sandstein, Laterit, Thon, kurz auf Silikatgesteinen.
3. Sie fehlen durchaus auf Kalkboden.
4. Tritt ein Schwarzwasserfluss auf Kalkboden über, so
verliert er nach kurzem Lauf seine schwarze Farbe und wird
ein Weisswasserfluss.
5. Das Bett der Schwarzwasserflüsse ist weiss, das der
Weisswasserflüsse, die Moorwasser aufnehmen, schwarz.
6. Die Schwarzfärbung führt sich darauf zurück, dass
bei Anwesenheit von Alkalien im Wasser, wie sie stets auf
Silikatgesteinen eintritt, die Humussäure mit diesen leicht-
lösliche, das Wasser braunfärbenden Verbindungen zum Teil
saure Verbindungen eingeht.
') Spring, Sur la cause de I^^^pice de coloration etc.,
Brüssel 1898 S. 5 und 6.
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7- . In gleicher Richtung dürfte auch im Wasser gelöstes
kohlensaures Eisenoxydul wirken.
8. Verstärkt mag die Schwarzfärbung für das Auge
bei auffallendem Licht durch das Fehlen suspendierter Partikel
und die dadurch bedingte ausserordentliche Klarheit der Ge-
wässer werden, die tiefe Wasser stets dunkel erscheinen lässt.
9. Andere Momente, wie z. B. Beimengung von schwarzem
suspendierten Schlamm, Auftreten von Diatomeen (Schwager)
mögen lokal mitspielen, sind aber unwesentlich.
10. Das Fehlen von Schwarzwasserflüssen auf Kalk-
boden , sowie die Entfärbung derselben beim Betreten von
Kalkboden führt sich auf den Ersatz der Alkalien in den
humussauren Verbindungen durch Calcium und Magnesia
ijurück; diese humussauren Calcium- und Magnesiaverbin-
dungen fallen als schwerlöslich aus.
11. Die weisse Farbe des Bettes der Schwarz wasser-
flüsse erklärt sich daraus, dass die Verbindungen der Lösungs-
produkte der Silikatgesteine mit Humussäure überaus leicht
löslich sind, daher in Lösung bleiben und das kohlensäure-
haltige Wasser die Silikatgesteine resp. deren zersetzbare
Mineralien immer weiter löst; es bleibt weissliche Kiesel-
säure zurück.
12. Die schwarze Farbe des Bettes der Moorwasser
enthaltenden Weisswasserflüsse dagegen führt sich auf die
Ausfüllung der schwerlöslichen humussauren Calcium- und
Magnesiaverbindungen zurück.
R e i n d 1 , Sch-warze Flüsse.
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Bull. S.O. 1880.290.
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Rieh. Schomburgk.
I. Tl. pag. 303. ^_
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S. 172.
Grisebach, S. 37g,
Verhältn-v. Unter-
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Katzer, Globus 1900.
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Katzer, Globus 1900,
284.
Chandless, J. G. S.
1870 S 419.
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Bd. 30. S, 71.
Chandless, J. G. S.
Vol. 40. S. 431
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Martius S. 783
Hann, S. 351,
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1 Apun, C. F., „Unter den Tropen". Wanderungen durch Venezuela,
am Orinoco, durch Britisch-Guayana und am oberen Amazonenstrom
in den Jahren 1849— 1868. Costenoble 1871.
2 Av6-Lallemant, Robert, „Reise durch Nordbrasilien ^im Jahre 1859**,
2 Tl. Leipzig 1860.
3 Derselbe, „Reise durch Südbrasilien im Jahre 1858". 2 Tl. Leipzig 1859.
4 Bates, H. W., „Der Naturforscher am Amazonenstrom**. Leipzig 1866.
5 Bayern, Therese, Prinzessin von, Kgl. Hoheit, „Meine Reise in
den brasilianischen Tropen". 8^. 544 S., mit 2 Karten, 4 Tafeln,
18 Vollbildern und 60 Textabbildungen. Berlin, D. Reimer, 1897.
6 Boas, „Beiträge zur Erkenntnis der Farbe des Wassers". Kiel 1881.
7 Brown and Lidstone, iifteen thousand miles on the Amazon and
its tributaries. London 1878.
8 Coudreau, H., „Voyage au Tapajoz". Paris 1897.
9 Condamine, De la, „Relation d'un voyage fait dans Tintdrieur de
FAmerique M^ridionale". Maastricht 1778.
10 Clauss, Otto, ,.Die Xingu-Expedition von 1884". Berlin 1885.
11 Darwin, Ch., „Naturalist's Voyage". London 1845.
12 Eschwege, W. v., „Brasilien, die neue Welt, in topographischer,
geognostischer, bergmännischer u. s. w. Hinsicht". Braunschweig 1830.
13 Derselbe, „Beiträge zur Gebirgskunde Brasiliens". Berlin 1832.
14 Derselbe, „Pluto Brasiliens". Berlin 1833.
15 Forel, F. A, „Handbuch der Seenkunde". Stuttgart 1901.
16 Grisebach, A , „Die Vegetation der Erde". Leipzig 1872.
17 Grümbel, C. W., „Geognostische Beschreibung des ostbayr. Grenz-
. gebirges". Gotha 1868.
18 Derselbe, „Geologie von Bayern". Cassel 1894.
19 Günther, Sigmund, „Handbuch der Geophysik". IL Bd. Stuttgart 1897.
ao Derselbe, „Lehrbuch der physischen Geographie". Stuttgart 1891.
21 Derselbe, „Geschichte der Entdeckungen im neunzehnten Jahrhundert".
Berlin 1902.
22 Giibbon, Exploration of the Valley of Amazon. Washington 1853.
23 Humboldt, A., „Ansichten der Natur". Deutsche Bearbeitung von
Hermann Hauff. Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart.
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24 Humboldt, A., „Reise in die Äquinoktial-Gegenden". 3. u. 4. Band
von Humboldts „gesammelten Werken". Deutsche Bearbeitung
von Hermann Hauff. Stuttgart.
25 Hann, J., „Handbuch der Klimatologie". Stuttgart, Verlag von
Engelhom, 1897. I^- Bd. (IL Auflage.)
26 Hömeyer, „Beschreibung der Pt-ovinz Rio Grande do Sul". Coblenz
1854.
27 Hoppe, Otto, „Schweden in Wort und Bild". Breslau 1891.
28 Hartt, C. F., Geol. and Phys. Geogr. of Brazil. 8®. Boston 187a
29 Herndon, Exploration of the Valley of the Amazon. Washington
1853—54-
30 Keller-Leutzinger, „Vom Amazonas und Madeira". Stuttgart 1874.
Karte.
31 KLletke, „Reise Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Adalbert von
Preussen nach Brasilien'*. Berlin 1857.
32 Kloeden, „Handbuch der physischen Geographie". 3. Aufl. Berlin 1873.
33 Koppen, W., „Versuch einer Klassifikation der Klimate". Leipzig 1901.
34 Lange, Henry, „Südbrasilien". 2. Auflg. Leipz. 1888.
35 Martin, „Niederländ. Westindien". Leiden 1888.
36 Metzger, „Beiträge zur Kenntnis der hydrogr. Verhältnisse des
bayr. Waldes". Inaug.-Dissertation. Erlangen 1892.
37 Neumayr, Melchior, „Erdgeschichte". Leipzig 1887.
38 Orto/, Jam., „The Andes and the Amazon; or Across the Continent
of South-America. 3 d Edition. Revised and enlarged, containing
notes of second journey etc.". New-York 1876.
39 Pohl, J. E., „Reise im Innern von Brasilien". 2. Tl. Wien 1832
u. 1837.
40 Pöppig, „Reise in Chile, Peru und auf dem Amazonas-Strom".
Leipzig 1836.
41 Reclus, „Nouvelle Geographie universelle la terre et les Hommes".
Paris 1895.
42 Ratzel, Friedr., „Die Erde und das Leben". Leipzig u. Wien 1901.
43 Rüge, S., „Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen". Berlin 1881.
44 Sellin, A. W., „Das Kaiserreich Brasilien". Leipzg. 1885.
45 Segelhandbuch für den Atl. Ozean, herausgegeben von der See-
warte. Hamburg.
46 Sendtner, Otto, „Die Vegetations- Verhältnisse Südbayerns". München
1854.
47 Sievers, Wilh., „Amerika". Leipzig u. Wien 1891.
48 Sievers, Wilh., „Afrika". Leipzig u. Wien 1891, 1901.
49 Sievers, W., „Die Cordillere von Merida" nebst Bemerkg. über das
Karib. Gebirge. Mit i geolog. Karte. Wien 1889.
50 Soyka, „Die Schwankungen des Grundwassers". Wien 1888.
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51 Supan, „Grundzöge der phys. Erdkunde". Leipz. 1896.
52 Suess, Eduard, „Das Antlitz der Erde". Prag 1885.
53 Schichte!, „Der Amazonenstrom". Strassburg 1893.
54 Schomburgk, Richard, „Reisen in Britisch-Guiana in den Jahren
1840— 1844". 2. Bd. Leipzig 1847.
55 Schomburgk, Robert Hermann, „Reisen in Guiana u. am Orinoeo
während der Jahre 1835— 1839". Mit i Karte. Leipzig 1841.
56 Spix u. Martius, „Reise in Brasilien in den Jahren 1817— 1820". 3 Tl.
München 1823, 1828, 1831.
57 Spring, „Sur La Cause de L'Absence de Coloration De Certaines
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58 Späth, „Beiträge zur Kenntnis der hydrog. Verhältnisse von Ofr."
Mittig. aus d. pharm. Institut u. Lab. für angew. Chemie der Univ.
Erlangen von A. Hilger. IL Heft München.
59 Steinen, von den, „Durch Central-Brasihen". Leipzig, Brockhaus 1886.
60 Schweinfurth, Georg, „Im Herzen von Afrika". Reisen u. Ent-
deckungen im Centralen Äquatorial- Afrika während der Jahre 1868
bis 1871. Leipzig 1878.
61 Tschudi, „Reisen durch Brasilien". Leipzig, II. Bd. 1889.
62 Ule, W., „Der Würmsee". Leipzig 1900.
63 Wagner, Hermann, „Lehrbuch der Geographie". Stuttgart 1891.
64 Wied-Neuwied, Maximilian Prinz zu, „Reise nach Brasilien" in den
Jahren 1815— 1817. Frankfurt 1820 u. 1821. 2. Bd.
65 Wissmann, Hermann, „Unter deutscher Flagge" quer durch Afrika
von West nach Ost. Berlin 1889.
Zeitschriften:
1 Annalen der Physik und Chemie.
2 Annalen der Chemie und Pharmacie.
3 Das Ausland. Stuttgart.
4 Bulletin de la Societe de Geographie. Paris.
(Abkürz.: Bull. S. G.)
5 Bulletin de Tacademie royal belgique. Brüssel.
(^Abkürz.: Bull, de l'acad. r. belgique.)
6 Bibliothek der Länderkunde Berlin.
7 Comptes-rendus de la Societe de Geographie. Paris.
(Abkürz. : Compt. rend. S. G.)
8 Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. Wien.
9 Deutsche geographische Blätter.
I Abkürz. : D. geogr. Bl.)
10 Forstlich-naturwissenschaftliche Zeitschrift. München.
(Abkürz. : Forstl. Nat. Z.)
- 138 -
1 1 Geographische Zeitschrift. Herausgegeben von Alfred Hettner. Lc
12 Geognostische Jahreshefte. München.
13 Geographisches Jahrbuch. (Gotha.)
14 Geographische Abhandlung. Wien u. Olmütz.
15 Globus. Braunschweig.
16 Jahresberichte der geogr. Gesellschaft in München. München.
17 Jahrbuch der Astronomie u. Geophysik. Leipzig.
18 „Journal of the Royal Geographica! Society**. London.
(Abkürz.: R. G. S.)
19 Mitteilungen der geogr. Gesellschaft zu Hamburg. Hamburg.
20 Natur, die; Zeitschrift zur Verbreitung naturwissenschaftl. Kenni
Halle.
21 Proceedings of the Royal Geographica! Society. London.
(Abkürz. : R. G. S.)
22 Petermann's Mitteilungen. Ergänzungsband.
(Abkürz. : P. E.)
23 Petermann's Mitteilungen.
(Abkürz.: P. M.)
24 Sitzungsberichte der Kgl. bayr. Akademie der Wissensch
math.-phys. Klasse.
25 Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde. Berlin.
26 Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde. Berlin.
27 Zeitschrift des „Österr. Alpenvereins**. Berlin.
28 Zeitschrift fiir allgemeine Erdkunde. Berlin.
Gütige ülitteilungen
von den Südamerika-Forschern:
I. Dr. Karl von den Steinen, 2. Dr. Paul Ehrenreich, 3. Di
Clauss, 4. Dr. Peter Vogel, 5. Dr. Katzer.
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