AUTSKY
DIE SOZIALISIERUNG DER
LANDWIRTSCHAFT
Die S o z i a 1 i s i e r u n g der Landwirtschaft
,
KARL KAUTSKY
DIE SOZIALISIERUNG
DER LANDWIRTSCHAFT
MIT EINEM ANHANG VON A. HOFER
DER BAUER ALS ERZIEHER
VERLEGT BEI PAUL CASSIRER / BERLIN
19 2 1
Zweite unveränderte Auflage (6.-10. Tausend)
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DEC 1 4 1966
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Paul Ca s sirer, Berlin
Inhaltsverzeichnis.
Vorwort 7
I. Landwirtschaft und Kapitalismus. . . 13
IL Die landwirtschaftlichen. Arbeitsmittel:
1. Die ländliche Arbeiterfrage 35
2. Die Maschine in der Landwirtschaft 42
3. Großbetrieb und Kleinbetrieb 48
4. Die Landwirtschaft der Dorfgemeinde 54
5. Städtische Landwirtschaft 65
III. Landwirtschaft und Sozialismus ... 70
Anhang
Der Bauer als Erzieher von A. Hof er
Vorbemerkung 87
1. Die Ausrüstung der Wirtschaft 89
2. Die Bodenbestellung 94
3. Die Viehweide 99
4. Die Ernte 101
5. Die intensive Viehzucht 117
6. Die Beschäftigung der Landarbeiter im Winter . . 121
7. Kleinbauer und Sozialismus 125
8. Der Großbetrieb der Zukunft 130
Vorwort zur ersten Auflage
Der wesentlichste Teil der hier vorliegenden Ausführungen
wurde vor bald zehn Jahren niedergeschrieben und erschien
1910 in der Form zweier Kapitel meines Buches über die Be-
völkerungsfrage, das den Titel trägt: „Vermehrung und Ent-
wicklung in Natur und Gesellschaft." (Stuttgart, J. H. W. Dietz.)
Ich sah damals schon, im Gegensatz zu vielen meiner Freunde,
die soziale Revolution kommen, doch rechnete ich nicht damit,
daß ich sie selbst noch erleben würde.
Erheblich näher erschien sie mir, als ich die zweite Schrift
abfaßte, aus der hier ein Kapitel abgedruckt ist, die „Sozial-
demokratischen Bemerkungen zur Uebergangswirtschaft" (Leip-
zig, Leipziger Buchdruckerei), doch wurde ich auch da durch
die Tatsachen insofern überholt, als ich zur Zeit der Nieder-
schrift noch nicht erwartete, daß sie bei ihrem Erscheinen die
Revolution als fertige Tatsache vorfinden würde.
Ich verfaßte die Schrift im Winter 1917/18. Technische
Schwierigkeiten bewirkten, daß sie erst im Juli druckfertig vor-
lag. Mit Rücksicht auf die Zensur hatte ich mich so vorsichtig
als möglich ausgedrückt. Immerhin erklärte ich im Vorwort:
Der Krieg kann, wenn er noch lange dauert, in einer Weise enden,
die die kapitalistische Basis aufs tiefste erschüttert und dem Proletariat
den Weg zur Macht eröffnet!"
Meine Vorsicht nützte nichts. Die Zensur verhinderte das
Erscheinen meiner Schrift bis zum November 1918. Sie kam in
die Hände der Leser erst, als meine Erwartung der Revolution
bereits zur Erfüllung geworden war.
Ungeheure Wandlungen haben sich seitdem vollzogen, aber
doch nicht so große, daß die Ausführungen, die ich ein Jahr vor
der Revolution geschrieben, und die Forderungen, die ich dort
entwickelt, gegenstandslos geworden wären. Das gilt von den
Forderungen an Staat und Gemeinde und — leider! — auch
von denen an das Proletariat. Ich schrieb im Juli in meinem
Vorwort:
„Das Proletariat darf in der Uebergangswirtschaft wie auch sonst
nicht an sich allein denken. Seine geschichtliche Bedeutung
beruht darauf, daß sein Klasseninteresse zusammenfällt mit dem Ge-
samtinteresse der Gesellschaft. So ist es seine Pflicht, in der Ueber-
gangswirtschaft, die so chaotisch sein, so sehr nach neuen Formen ringen
wird, nicht nur seine eigenen augenblicklichen Interessen, sondern auch
die der gesellschaftlichen Entwicklung aufs kräftigste zu vertreten,
möglichst viel Ansätze in sozialistischem Sinne zu schaffen und jede
der Fragen der Uebergangswirtschaft nicht für sich allein, sondern in
ihrem Zusammenhange mit der Gesamtheit der ökonomischen und ge-
sellschaftlichen Erscheinungen zu betrachten."
Nie war diese Mahnung notwendiger als jetzt, denn nie war
die Gefahr größer, daß, dank dem neu gewonnenen Kraftgefühl,
kurzsichtiger Klassen-, ja Berufsegoismus in den kampffähigen
und kampflustigen Teilen des Proletariats die allgemeinen ge-
sellschaftlichen Rücksichten zurückgedrängt und die gesellschaft-
liche Entwicklung, damit aber auch den Aufstieg zu einer dem
Kapitalismus überlegenen und ihn dauernd überwindenden Form
des Sozialismus schädigt.
Der Gegenstand der hier abgedruckten Kapitel wird durch
sie natürlich nicht erschöpft. Ausführlicher habe ich ihn in
meinem Buche über die „Agrarfrage" (Stuttgart, J. W. Dietz,
1899) behandelt. Das Werk ist längst vergriffen, ich hinderte
bisher eine Neuauflage, weil ich es gänzlich umarbeiten wollte.
Nicht deshalb, weil sich mein Standpunkt gewandelt hätte: er ist
der gleiche geblieben. Sondern deshalb, weil die Verhältnisse
der Landwirtschaft sich seit seiner Abfassung gänzlich änderten.
Als ich mein Buch schrieb, befand sie sich noch im Stadium
der durch die überseeische Konkurrenz gedrückten Preise von
Nahrungsmitteln. Bald darauf aber setzte die Aera des Steigens
der Lebensmittelpreise, die Aera wachsender Teuerung ein. Das
gab der Agrarfrage in manchen Dingen ein neues Gesicht.
Andere Arbeiten hinderten mich, die Umarbeitung zu voll-
ziehen, und nun ist durch den Krieg und die Revolution die
Landwirtschaft abermals in ein neues Stadium mit neuen Auf-
8
gaben und Bedürfnissen eingetreten. Die Bearbeitung hätte da
ein ganz neues Werk zu schaffen. Es ist fraglich, ob mir dazu
noch Zeit und Kraft bleiben. Ich werde wohl meine „Agrar-
frage" als historisches Dokument der Zeit, in der sie verfaßt
wurde, betrachten und unverändert zu neuem Abdruck gelangen
lassen müssen.
In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts galt
die überseeische Landwirtschaft als eine Gefahr für Europa,
dessen Grundbesitz seinen Ruin fürchtete. Heute bildet jene
Landwirtschaft unsere Rettung. Ohne die Vereinigten Staaten,
Kanada, Australien, Argentinien sind wir dem Hungertode aus-
geliefert, und zwar nicht bloß Deutschland, sondern fast ganz
Europa, seine ehemaligen Kornkammern inbegriffen, wie Ruß-
land und Rumänien. Weit entfernt, zu versuchen, die über-
seeischen Nahrungsmittel durch Zollschutz fernzuhalten, müssen
die Staaten unseres Kontinents alles aufbieten, recht viel von
ihnen hereinzubekommen und zwar so billig wie möglich.
Dabei soll jedoch die inländische Landwirtschaft nicht ge-
schädigt werden. Im Gegenteil, auch ihr Gedeihen ist gerade
jetzt besonders unerläßlich. Das drängt aber bei starker aus-
wärtiger Konkurrenz und Fehlen von Zollschutz zu der ratio-
nellsten Methode, einen Produktionszweig konkurrenzfähig zu
gestalten: zu technischen Verbesserungen, die seine Produktivi-
tät steigern. Indes kann man das in der Landwirtschaft noch
weniger als in der Industrie, und am allerwenigsten bei der
heutigen Notlage, dem Zufall der privaten Initiative überlassen.
Der Staat muß aufs kräftigste eingreifen durch Methoden, die
eine weitgehende Sozialisierung in sich schließen.
Angesichts des vorherrschenden Kleinbetriebs wird diese
allerdings zunächst mehr auf eine Regelung des Zirkula-
tionsprozesses zwischen Stadt und Land bedacht sein
müssen, als auf eine Organisierung der Produktion. Doch
lassen sich auch für letztere schon Ansätze schaffen durch
Förderung genossenschaftlichen und kommunalen Eingreifens in
die bäuerliche Produktion und durch Uebergang der größten
Güter in den Besitz des Staates oder städtischer Gemeinden
und durch Anteilnahme der Landarbeiter an der Gestaltung des
Betriebs.
Für die großen Betriebe, die erhalten bleiben müssen und
nicht zerschlagen werden dürfen, soll nicht die Technik unserer
Landwirtschaft tief herabgedrückt werden, wird diese Soziali-
sierung um so dringender notwendig werden, als sie das sicherste
Mittel ist, die Landarbeiter an der Arbeit zu erhalten und den
großen Gütern neue vermehrte Arbeitskräfte zuzuführen, deren
sie in hohem Maße bedürfen, sollen sie ihre volle Produktivität
entfalten.
Die Revolution in den Städten ist an den Arbeitern auf dem
flachen Lande nicht spurlos vorübergegangen. Es gäbe unsäg-
liches Unheil, würden auch sie vom Streikfieber ergriffen oder
versuchten sie gar die Sozialisierung durch direkte Aktion, da-
durch, daß sie die großen Güter unter sich aufteilten, was ohne
Zerstörungen und Plünderungen nicht abginge.
Davor schützen nicht Handgranaten und Maschinengewehre,
davor schützt bloß eine energische und planmäßige Soziali-
sierungsaktion der Regierung, die der wilden direkten Aktion
zuvorkommt und deren sonst zerstörende Kraft in geregelte
Bahnen leitet und dadurch fruchtbringend gestaltet.
Die deutsche Sozialisierungskommission war eben daran,
die Bedingungen und Formen landwirtschaftlicher Sozialisie-
rung ihrer Prüfung zu unterziehen, da wurde sie zum Rück-
tritt gedrängt. Glaubt die Bürokratie des Reichswirtschaftsamts
die Aufgabe der Sozialisierung rascher oder zweckmäßiger
lösen zu können als die Kommission: nur zu! Auf keinen
Fall darf der Staat die Landwirtschaft lange sich selbst
überlassen oder sich darauf beschränken, mit dem bisherigen
bürokratischen Apparat der Erfassung und Verteilung von
Lebensmitteln weiterzuwursteln. Die Sozialisierungsaktion darf
freilich nicht nach bolschewistischem Muster geschehen. Die
Bolschewiks errichteten eine straffe Diktatur in den Städten
und gaben den Bauern freie Hand, auf dem Lande zu
hausen, wie sie wollten. Das war bei der ökonomischen Zu-
rückgebliebenheit Rußlands unvermeidlich, hatte aber das Re-
sultat, daß der Versuch einer sozialistischen Revolution in
den Städten zusammenfiel mit einer bürgerlichen Revolution
auf dem Lande, das die ungeheure Mehrheit der Bevölkerung
umfaßt.
ie
Dieser innere Widerspruch führte um so eher zu unhalt-
baren Zuständen, als bei der Rückständigkeit der Masse der
russischen Proletarier der Sozialismus der Städte immer mehr
seinen demokratischen Charakter verlor, den er anfangs haben
sollte, und immer bürokratischer wurde. Die Arbeiterräte sind
heute in Rußland nur noch eine kraftlose Dekoration, hinter der
sich die Allmacht einer neuen Bürokratie verbirgt.
Unter diesen Umständen nimmt das Verhältnis zwischen
Stadt und Land eigenartige Formen an. Unter dem industriellen
Kapitalismus entwickelt sich die ständige Flucht der Land-
bevölkerung in die industriellen Zentren. Zu den Aufgaben
des Sozialismus gehört es, die Industrie wieder zu dezentrali-
sieren, sie aufs flache Land zu verlegen, was freilich in großem
Maßstab nur dann ökonomisch zweckmäßig wird, wenn das
Verkehrswesen hoch entwickelt ist. In Rußland aber finden
wir jetzt nicht die Verlegung der Industrie aufs flache Land,
was bei seinen elenden Verkehrsmitteln auch höchst unzweck-
mäßig wäre, sondern die Flucht der Arbeiter von der Industrie
weg zur Landwirtschaft, wo ihnen weniger elende Lebens-
bedingungen winken wie in den Städten. Während so die
städtischen Arbeiter in zunehmendem Maße die sozialisierte
Industrie fliehen, erhebt sich gegen diese Industrie gleichzeitig
aber auch die wachsende Empörung der Bauern. Sie hatten
das bolschewistische Regime bei seinem Beginn 1917 freudig
begrüßt, das ihnen den großen Grundbesitz auslieferte. Jetzt
aber ist der aufgeteilt, und hinfort vermag ihnen die bolsche-
wistische Regierung nichts mehr zu bieten. Gleichzeitig aber
hat die Unterwerfung der Industrie unter die neue bolsche-
wistische Staatsbürokratie die Leistungsfähigkeit der städti-
schen Produktion gemindert. Sie reicht kaum aus zur Deckung
der Bedürfnisse der großen Armee, deren der Bolschewismus
bedarf, um sich zu behaupten, und die fast alle Industrie-
produkte an sich zieht. Für Bauern und Industriearbeiter —
ausgenommen einige privilegierte Schichten — bleibt so gut wie
nichts. Dabei aber soll der Bauer mit seinen Ueberschüssen
die Städter und die Armee erhalten. Wo er das nicht gutwillig
tut, wird ihm das Erforderliche mit Gewalt genommen. So finden
wir wieder, wie in den Zeiten des Zarismus, Rußland erfüllt
von Bauernaufständen.
11
Diese Art Lösung der Agrarfrage kann natürlich nicht die
westeuropäische sein.
Für uns ist das agrarische Problem das komplizierteste,
aber auch das wichtigste der Revolution. Es erheischt das in-
nigste Zusammenwirken von Stadt und Land, von Theoretikern
und Praktikern. Aber auch das innigste Zusammenwirken der
verschiedenen Länder der ganzen Welt. Denn das agrarische
Problem ist ein eminent internationales geworden, seitdem der
landwirtschaftliche Betrieb aufgehört hat, ein sich selbst ge-
nügender zu sein und auf den Zukauf von Rohmaterialien, wie
Dünge- und Futtermitteln, angewiesen ist, die aus allen Teilen
der Welt zu holen sind. Ebenso wenig wie die Großindustrie
vermag die moderne Landwirtschaft die Abschließung der Län-
der voneinander zu ertragen. Mögen die Lebensbedingungen
des Bauern seinen Blick noch so sehr lokal beschränken. Seine
Produktionsbedingungen weisen ihn auf die Weltwirtschaft hin.
Nicht minder wie die Industrie bedarf die Landwirtschaft
vollster Internationalität. Nur in diesem Zeichen kann sie,
können wir gedeihen.
Charlottenburg, Mai 1919
K. Kautsky
12
I.
Landwirtschaft und Kapitalismus
Betrachten wir die heutigen Bedingungen einer Weiterent-
wicklung der Landwirtschaft, so kommen wir zu sehr ver-
schiedenen Ergebnissen, je nachdem wir ihre Technik oder
ihre Oekonomie ins Auge fassen: Die Technik, das heißt,
wie schon erwähnt, das Maß der Beherrschung der Naturkräfte
durch den Menschen, und die Oekonomie, das heißt die Ver-
hältnisse, welche die beim Prozeß der Produktion — das
Wort im weitesten Sinne genommen — beteiligten Menschen
untereinander zu dessen Betreibung eingehen. Wir bekommen
hier wieder ein Beispiel davon, wie unerläßlich die Unterschei-
dung zwischen Technik und Oekonomie ist.
Die Technik der Landwirtschaft ist in raschestem Fort-
schreiten begriffen. Nicht nur das Maschinenwesen sowie die
Technik der landwirtschaftlichen Bauten und Meliorationen,
sondern auch die wissenschaftliche Erkenntnis der Lebens-
bedingungen der Organismen. Jedes Jahr bringt große und
erstaunliche Fortschritte, deren Anwendung die Produktivität
der landwirtschaftlichen Arbeit enorm steigern muß.
Aber diese Anwendung hält keineswegs gleichen
Schritt mit dem raschen Fortgang der Erfindungen und Ent-
deckungen. Ganz anders als in der Industrie finden wir in der
Landwirtschaft, daß die fortgeschrittene Technik sich des Pro-
duktionsprozesses nur langsam, zögernd und unvollständig be-
mächtigt. Der Unterschied zwischen der möglichen und
der wirklichen Produktivität der Arbeit wird in der Land-
wirtschaft immer gewaltiger. In diesem Sinne wird sie, trotz
13
aller Fortschritte, immer rückständiger. Nicht absolut, aber
relativ, im Verhältnis zum Stand von Naturwissenschaft und
Technik.
Das liegt nicht, wie manche glauben, an der Natur der
landwirtschaftlichen Arbeit an sich, sondern an den ökonomi-
schen Verhältnissen, die der Kapitalismus in der Landwirt-
schaft hervorbringt. Kein Gesetz der Natur liegt hier vor,
sondern eines der Gesellschaft. Es ist das Privateigen-
tum am Boden und die Lohnarbeit, was die zu-
nehmende technische Rückständigkeit der Landwirtschaft ver-
schuldet.
Wir wissen bereits, wie im Laufe der Entwicklung der
Bauernschaft eine Aristokratie aufkommt. Mit ihr ersteht die
Staatsgewalt. Beide reißen von den Ueberschüssen der arbeiten-
den Bevölkerung auf dem Lande möglichst viel an sich, wodurch
sie die technische Vervollkommnung der Landwirtschaft hemmen,
zeitweise in einen Rückschritt verwandeln.
Auch die letzte Periode des Feudalismus führte einen der-
artigen Niedergang herbei. Seine Ueberwindung, die in Frank-
reich durch die große Revolution erfolgte, brachte einen raschen
Aufschwung der Landwirtschaft. Aber bald setzte eine neue
Aera der Ausbeutung der ländlichen Arbeit ein. Jetzt, unter
der Aera der kapitalistischen Warenproduktion, ist es das mit
ihr unzertrennlich verbundene Privateigentum an den Produk-
tionsmitteln, also auch am Boden, was diese Ausbeutung be-
gründet. Nicht mehr Fronden und Naturalabgaben hat der
Landmann zu leisten, wohl aber eine Grundrente in
Geld. Das tritt offen zutage beim Pachtsystem. Der Pächter
muß dem Grundbesitzer für die Erlaubnis, seinen Boden zu
bebauen, eine Pachtsumme entrichten, die den ganzen Ueber-
schuß umfaßt, den die Arbeit des Pächters oder seiner Lohn-
arbeiter über die Löhne sowie die Erstattung des herkömm-
lichen Profits vom angewandten Kapital hinaus abwirft. Diese
Pachtsumme ist höher bei fruchtbarem oder günstig gelegenem
Boden als bei unfruchtbarem oder ungünstigem. Sie wächst,
wenn bei gleichbleibenden Produktionskosten die Preise der
Bodenprodukte wachsen.
Es sind kolossale Summen, die auf diese Weise die Pächter
eines Landes jahraus, jahrein den Grundbesitzern abliefern,
14
von denen sie vielfach entweder vergeudet oder in Industrie-
papieren angelegt, statt zur Verbesserung der Landwirtschaft
angewendet werden- Aber das Pachtsystem raubt der Land-
wirtschaft nicht nur reiche Mittel, die der Vermehrung ihrer
produktiven Kräfte dienen könnten, es lähmt auch den Antrieb
zur Vermehrung dieser Kräfte.
Den Hauptantrieb in der kapitalistischen Industrie zur Ent-
wicklung der Produktivkräfte bietet der Extraprofit, den ein
Unternehmer dadurch macht, daß er die Technik seines Betriebs
über das durchschnittliche Maß hinaus verbessert. In der Land-
wirtschaft wird beim Abschluß eines Pachtvertrages jeder Extra-
profit, den der Betrieb über die durchschnittliche Profitrate
hinaus zu liefern vermag, als Grundrente betrachtet, die dem
Grundbesitzer zufällt. Der Pächter hat also gar keine Ursache,
mit großen Unkosten Verbesserungen vorzunehmen, deren Vor-
teile bei der Erneuerung des Pachtvertrags nicht ihm, sondern
dem Grundbesitzer zufallen.
Man sollte meinen, die Sache liege günstiger bei jenen
Grundbesitzern, die selbst Landwirtschaft betreiben. Da ver-
bleibt ja die Grundrente dem Landwirt und ebenso alle even-
tuellen Extraprofite. Tatsächlich wirkt aber hier das Privat-
eigentum am Boden ebenso hemmend auf die technische Ent-
wicklung, wenn auch in anderen Formen und mehr versteckt.
Es ist richtig, die Grundrente bleibt hier zunächst dem
Landwirt. Aber nur bis zum nächsten Besitzwechsel, und der
muß spätestens mit dem Ableben des bisherigen Besitzers
eintreten. Im preußischen Staate wechseln im Jahre über
6 Prozent (im letzten Jahrzehnt fast regelmäßig 6,6 Prozent)
der Grundstücke den Besitzer, also im Durchschnitt jedes
Grundstück alle 15 Jahre. Der neue Landwirt hat beim Be-
sitzantritt entweder den Erbanteil der Miterben oder den ge-
samten „Wert" des gekauften Gutes zu bezahlen. Dieser
sogenannte Wert ist aber nichts als die kapitalisierte Grund-
rente; je mehr die Grundrente steigt, desto höher bei gleichem
Zinsfuß die Geldsumme, die der neue Landwirt für die Er-
werbung seines Betriebs zu zahlen hat. Er kann sie auf zweier-
lei Art erlegen. Entweder besitzt er das nötige Bargeld und
gibt es dem bisherigen Besitzer hin; dann verkürzt er um den-
selben Betrag die Kapitalmenge, die zur Ausstattung und Ver-
besserung des Betriebs aufzuwenden wäre. Das ist aber ein
Ausnahmefall. Meist besitzt er nicht genügende Mittel, er
nimmt eine Hypothek auf und zahlt nun die Grundrente
jahraus, jahrein in der Form von Hypothekenzinsen an den
Wucherer oder die Bank, die jetzt die wahren Grundbesitzer
sind und der Landwirtschaft um so mehr Geld im Jahre ab-
pressen, je mehr die Grundrente steigt. Ein Steigen der Preise
der Bodenprodukte, das die Grundrente erhöht, bedeutet stets
nur eine vorübergehende Besserstellung der Landwirte. Beim
ersten Besitzwechsel schlägt sie in ihr Gegenteil um.
Steigende Grundrenten wirken um so belastender auf die
Landwirtschaft beim Eigenbetrieb des Grundbesitzers, da bei
einem Besitzwechsel als „Wert" des Gutes nicht bloß die
augenblickliche, sondern auch die noch zu erwar-
tende Grundrente in Rechnung gestellt wird. Alle etwa in
Aussicht stehenden Extraprofite werden bei dieser Berech-
nung schon vorweggenommen. So erfordert die Verzinsung
der Kaufsumme oft mehr, als die Grundrente wirklich ausmacht,
der Käufer kann in eine wirkliche Notlage kommen, wenn die
erwarteten Preissteigerungen sich nicht bald einstellen. Die
Extraprofite, die einen so starken Ansporn der technischen Ent-
wicklung in der Industrie bilden, haben also in der Landwirt-
schaft nicht bloß beim Pachtsystem, sondern auch beim Eigen-
betrieb wegen ihres Zusammenwerfens mit der Grundrente die
Tendenz, die Betriebe zu schädigen und ihre technische Ent-
wicklung zu hemmen.
Noch auf andere Weise lähmt in der Landwirtschaft das
Privateigentum den technischen Aufschwung. Wir haben ge-
sehen, wie sich bei jeder Betriebsweise eine bestimmte Größe
des einzelnen Betriebs als die produktivste herausstellt. Auch
hier tritt der Unterschied zwischen Technik und Oekonomte
zutage. Die Ausdehnung des Kapitals, das heißt des durch
das Privateigentum an den Produktionsmitteln bewirkten Aus-
beutungsverhältnisses der Lohnarbeit, kann ins Endlose fort-
gehen, und stets wird dabei das größere Kapital dem kleineren
überlegen sein. Dagegen gibt es für jeden einzelnen Betrieb
ein Maximum seiner Größe, über das hinaus man ihn nicht
ausdehnen kann, ohne seine Produktivität zu verringern. Diese
Größe ist für die verschiedenen Produktionszweige und zu ver-
16
schiedenen Zeiten sehr verschieden, sie hat überall die Tendenz,
mit dem Fortschritt der Technik zu wachsen, wenigstens in
bezug auf die Menge der von dem einzelnen Be-
trieb erzeugten Produkte und die Menge des von
ihm angewandten konstanten Kapitals (Rohstoffe,
Maschinen usw.) ; dagegen nicht immer in bezug auf die An-
zahl der beschäftigten Arbeiter und noch weniger
in bezug auf die eingenommene Bodenfläche.
Soll eine Gesellschaft das Maximum der mit den gegebenen
Produktionsmitteln erreichbaren Produktivität erreichen, dann
muß sie dafür sorgen, daß alle Betriebe die durch die jeweilige
Höhe der Technik ihres Produktionszweigs als zweckmäßig
gegebene Maximalgröße erlangen.
Das ist in der kapitalistischen Produktionsweise, die auf
der Grundlage des Privateigentums an den Produktionsmitteln
beruht, nirgends allgemein durchzusetzen. Wohl wird dauernd
über die Maximalgröße nirgends hinausgegangen, wo die Un-
zweckmäßigkeit ihrer Ueberschreitung zutage tritt. Dagegen
nutzt es einem Unternehmer nicht das geringste, zu erkennen,
daß sein Betrieb zu klein ist, um die größte Produktivität ent-
wickeln zu können. Wenn es ihm an Kapital fehlt, kann er
ihn doch nicht erweitern.
Das ist einer der Gründe, warum in der kapitalistischen
Produktionsweise die theoretisch jeweilig erreichbare größte
Produktivität der Arbeit nie wirklich erreicht wird, warum
eine große Zahl, ja die überwiegende Zahl der Betriebe unter
der Grenze dieser Produktivität bleiben, nicht wenige ganz
unzureichend sind. So energisch die kapitalistische Produktions-
weise den Fortschritt der Technik anstachelt, sie kann ihn nie
vollständig zur Geltung bringen.
Aber weit mehr noch als in der Industrie gilt das in der
Landwirtschaft. Nicht nur, weil in ihr die Akkumulation von
Kapital langsamer vor sich geht als in der Industrie, indes
gleichzeitig der Antrieb zu Verbesserungen geringer ist, son-
dern auch, weil das Privateigentum an Boden jeder Erweiterung
des einzelnen Betriebs ganz andere Schranken entgegenstellt
wie in der Industrie. Der Boden ist in der Landwirtschaft
das hauptsächlichste Produktionsmittel, die Größe des Betriebs
hängt wohl nicht einzig, aber in hohem Grade von der Boden-
Kautsky, Landwirtschalt 2 n
fläche ab. Nun ist es sicher sehr leicht, dort, wo eine Betriebs-
fläche sich beim Uebergang zu einer höheren Betriebsform als
zu groß herausstellt, sie zu verkleinern. Schwerer ist aber der
umgekehrte Fall, und er ist derjenige, der häufiger notwendig
wird. Nur die größten Betriebe haben mitunter die Tendenz,
einige Außengrundstücke abzugeben. Bei den meisten Betrieben
sind die Praktiker ganz anderer Ansicht als jene Doktoren, die
sich als die praktischsten der praktischen Landwirte gebärden
und das Lob des kleinsten Betriebs singen. Die wirklichen
Praktiker entwickeln einen wahren Hunger nach Land, um
ihren Betrieb möglichst groß zu gestalten. Aber der Boden
ist nicht, wie etwa Maschinen, beliebig' vermehrbar. Die
Bodenfläche des eigenen Betriebs kann der Landmann nur
erweitern auf Kosten der Nachbarn, die alle die gleiche Tendenz
nach Vergrößerung ihres Grundbesitzes haben, die alle dank
dem Privateigentum fest auf ihrer Scholle sitzen und von ihr
nicht zu weichen brauchen, solange sie nicht bankrott sind.
Eine Verbesserung des Betriebs durch Ausdehnung seiner
Bodenfläche findet da meist unübersteigliche Hindernisse.
Selbst die bloße zweckmäßigere Gestaltung der Betriebsfläche,
die doch weniger schwierig sein sollte, findet noch oft an der
historisch überlieferten Zersplitterung der Bodenparzellen und
an der durch Besitzwechsel immer wieder erneuten Mengung
solcher Parzellen in verschiedenster Lage ein schweres
Hindernis.
Zu allen diesen Hemmungen, die aus dem Privateigen-
tum hervorgehen, gesellen sich noch jene, die der Lohn-
arbeit entspringen.
Die ursprünglichste Art der Arbeit ist die genossen-
schaftliche. Der isolierte Urmensch, der Robinson, der
am Beginn des Aufstiegs der Menschheit stehen soll, ist eine
Erfindung moderner bürgerlicher Auffassung. Nur durch gesell-
schaftliche Arbeit, durch Zusammenarbeiten mit anderen konnte
sich der Urmensch behaupten und entwickeln.
Je weniger furchtbar die Waffen der ersten Menschen
waren, desto mehr mußten sie sich zusammentun, um der großen
Raubtiere und Huftiere Herr zu werden und durch Anlegung
von Gruben, in denen sie sie fingen, oder durch offenen Kampf,
den sie gegen den Bären und den Büffel nur bestehen konnten*
13
■wenn einige von vorne ihm standhielten und andere ihn von
rückwärts angriffen; endlich durch Treibjagden, bei denen man
auch des flüchtigen Wildes habhaft wurde, indem die einen
es versteckt erwarteten und andere es den Lauernden zujagten.
Und ebenso wie die Jagd war auch der Haushalt ursprüng-
lich gesellschaftlich- Die Frauen konnten ihren mannigfachen
Aufgaben nur gerecht werden, wenn sie sich gegenseitig dabei
unterstützten.
Auch im nomadischen Stadium finden wir noch den Haus-
halt wie die Arbeit der Männer gesellschaftlich. Einer allein
konnte unmöglich die Herden zusammenhalten und gegen ihre
mannigfaltigen Feinde verteidigen.
Nicht minder finden wir im Beginn des Ackerbaus genossen-
schaftlichen Haushalt und genossenschaftliche Männerarbeit.
Wenn es heute Agrartheoretiker gibt, die behaupten, die Land-
wirtschaft vertrage ihrer ganzen Natur nach nicht genossen-
schaftlichen Betrieb, so beweisen sie damit nur, daß sie mit
ihrem Empfinden wie ihrem Denken und Wissen über die Ge-
sellschaft der Warenproduktion nicht hinaussehen. Selbst in
manchen Teilen Europas herrschte, zum Beispiel bei den süd-
slawischen Völkern, im neunzehnten Jahrhundert noch die
Hausgenossenschaft als Form des landwirtschaftlichen
Betriebs. Eine Reihe von Brüdern, unter der Leitung des
ältesten, bildeten da mit Kindern und Kindeskindern eine Ge-
nossenschaft mit gemeinsamem Haushalt und gemeinsamer
Landwirtschaft.
Wenn man von einer Form der Arbeit behaupten könnte,
daß sie die der menschlichen Natur entsprechendste sei, dann
wäre es die genossenschaftliche, die bis zum Aufkommen einer
höher entwickelten Warenproduktion allgemein herrscht und
deren Bestehen wir auf Hunderttausende von Jahren ansetzen
dürfen.
Mit der Warenproduktion aber und dem damit zusammen-
hängenden Privateigentum an den Produktionsmitteln verliert
die genossenschaftliche Arbeit ihren Boden. Nur noch zwei
Formen der Arbeit können da dauernd bestehen: entweder
arbeiten die Besitzer der Produktionsmittel selbst. Dies können
sie unter der Herrschaft des Privateigentums bloß als isolierte
Arbeiter im kleinsten Beirieb tun. Ein größerer Betrieb ist
2- 19
unter dieser Eigentumsform nur in der Weise möglich, daß
neben dem Besitzer der Produktionsmittel oder, wenn die
Betriebsgröße es erlaubt, ohne seine Mitarbeit, Arbeiter durch
irgendeine Art des Zwanges getrieben werden, für ihn zu ar-
beiten. Diese Arbeit der Zwangsarbeiter ist für den Besitzer
natürlich nur dann von Vorteil, wenn sie einen Ueberschuß von
Produkten über ihre eigenen Erhaltungskosten hinaus für ihn
produzieren. Den sucht er also mit allen Mitteln zu erpressen.
In der kapitalistischen Produktionsweise ersteht ihm die nötige
Zwangsgewalt aus der Notlage der besitzlosen Arbeiter, die
keine andere Ware auf den Markt zu bringen haben als ihre
eigene Arbeitskraft.
Wo immer sich im Rahmen dieser Produktionsweise Pro-
duktionsgenossenschaften bilden oder von früher her erhalten,
können sie keinen dauernden Bestand haben. Das Privateigen-
tum einzelner an ihren Produktionsmitteln setzt sich immer
wieder durch, und nach kurzer Zeit tritt unfehlbar innerhalb der
Genossenschaft die Teilung zwischen Besitzern der Produktions-
mittel und besitzlosen Arbeitern ein.
Die Ursachen dieser Teilung mögen mannigfache sein:
Glück der einen und Unglück der anderen; Verschiedenheit
der Charaktere: hier filzige Asketen, dort leichtlebige Genuß-
menschen; hier rücksichtslose Egoisten, dort gutmütige und ver-
trauenselige Altruisten; Verschiedenheiten der geistigen oder
körperlichen Kräfte usw. Die Teilung selbst tritt unvermeidlich
ein. Nicht als Naturgesetz aller Gesellschaft, wie das bürger-
liche Denken meint, wohl aber als unerbittliches Gesetz der
entwickelten Warenproduktion. Nicht die Unmöglichkeit soziali-
stischer Produktion überhaupt wird dadurch erwiesen, wohl aber
die Unmöglichkeit sozialistischer Produktion auf Grundlage der
Warenproduktion.
Je mehr die Warenproduktion in die Landwirtschaft ein-
dringt, desto mehr löst sie die ursprüngliche genossenschaft-
liche Produktion auf. Die Industrieprodukte, die ursprünglich
die landwirtschaftliche Genossenschaft selbst lieferte, werden
jetzt vom städtischen Handwerk weit vollkommener mit ge-
ringerem Arbeitsaufwand geliefert. Damit werden Arbeitskräfte
in der landwirtschaftlichen Genossenschaft überflüssig. Anderer-
seits bietet das städtische Handwerk das Bild von Betrieben, in
20
denen jeder erwachsene Mann sein eigener Herr ist. Das lockt
die jüngeren Brüder in der landwirtschaftlichen Genossenschaft,
sich der Oberherrschaft des älteren Bruders zu entziehen, in der
Stadt ihr Fortkommen zu suchen.
Die Warenproduktion macht es notwendig, daß der Pro-
duzent frei über Produkte und Produktionsmittel verfügt. Zu-
nächst im städtischen Handwerk, Je mehr der Bauer für den
Markt produziert, je inniger seine Berührung mit dem städtischen
Handwerk, je weniger von seinen Produkten im eigenen Haus-
halt verbraucht werden, je mehr sie die Form von Geld an-
nehmen, das vom Haupte der Genossenschaft besessen und ver-
waltet wird, desto mehr fühlt sich dies Haupt als Eigentümer,
nicht bloß Verwalter des Familienguts, desto mehr drückt er
seine jüngeren Geschwister, soweit sie noch auf dem Hofe
bleiben, zu Lohnarbeitern herab, denen am Familiengut kein
Anrecht zusteht. Jetzt dürfen seine jüngeren Geschwister, die
er in seinem Betrieb behält, auch nicht mehr heiraten. Die Er-
zeugung legitimer Erben wird sein Monopol.
Die bäuerlichen Großbetriebe werden nun ähnlich jenen
der Aristokraten, die ihre Betriebe von vornherein mit Zwangs-
arbeitern, Sklaven oder Leibeigenen im Gange hielten. An
Stelle von Zwangsarbeit dieser Art tritt auch bei den Betrieben
der feudalen Aristokraten früher oder später Lohnarbeit, sobald
die Besitzlosigkeit von Arbeitskräften eine Massenerscheinung
geworden ist.
Der bäuerliche Großbetrieb erhält sich am leichtesten dort,
wo Viehzucht vorherrscht, die mehr Arbeit erfordert, als der
Bauer und seine Frau allein leisten können; in Gebirgstälern,
in denen die Menschen fern auseinanderwohnen, ein Bauernhof
oft stundenweit vom anderen getrennt, fast ganz auf sich an-
gewiesen ist.
In fruchtbaren Ebenen, in denen der Getreidebau große
Ueberschüsse erzielt, eine dichtere Bevölkerung möglich ist, die
sich leicht in Dörfern zusammenschließt, wo einer dem anderen
helfen kann, muß die Auflösung der ländlichen Genossenschaft
nicht zum Großbetrieb mit Lohnarbeit führen. Zum Betrieb
des Ackerbaus reicht zur Not ein Mann aus, namentlich in
Gegenden und zu Zeiten, wo nur oberflächlich gepflügt wird,
der Pflug keine großen Spannkräfte erheischt. Schlecht und
21
recht kann da auch eine Kuh den Pflug ziehen- Eine Züchtung
von Großvieh ist in einer Wirtschaft mit nur einer erwachsenen
männlichen und weiblichen Arbeitskraft schwer möglich. Aber
das ist auch bei entwickelter Warenproduktion nicht nötig.
Die viehzüchtenden Großbauern können mit den Kleinbauern
ihren Ueberschuß an Vieh gegen deren Ueberschuß an Getreide
austauschen. Der Kleinbauer muß natürlich dabei den Besitz
seines Großviehs auf ein oder zwei Stück beschränken, die er
zum Zuge oder zur Milchbeschaffung braucht. Seine Fleisch-
nahrung wird möglichst reduziert.
Das sind die beiden einzigen Formen des Betriebs, die in
der kapitalistischen Gesellschaft für die Landwirtschaft weiteste
Verbreitung finden: entweder der größere Betrieb mit Lohn-
arbeitern oder der Zwergbetrieb, den der einzelne Bauer mit
den Kräften seiner Person, seiner Frau und seiner Kinder be-
treibt. Der genossenschaftliche Betrieb bleibt auf Ausnahmen
beschränkt.
Es ist von vornherein ausgeschlossen, daß ein bäuerlicher
Zwergbetrieb sich aller Mittel der modernen Wissenschaft und
Technik bemächtigt. Von Wissenschaft kann bei den Klein-
bauern gar keine Rede sein, kaum von guter Schulbildung.
Der Betrieb des Kleinbauern stellt die größten Anforderungen
an die Arbeitskraft seines Besitzers. Dieser muß unermüdlich
tätig sein, soll nicht das Räderwerk ins Stocken kommen. War
der Bauer der Hausgenossenschaft ein genußfroher Mensch, der
sich nicht gern übermäßig plagte, so wird jetzt der Kleinbauer
zum rastlosesten aller Arbeitstiere. Gerade wegen der Arbeits-
wut, die er bei seinen Besitzern und deren Nachkommen er-
zwingt und schließlich zur zweiten Natur macht, ist der bäuer-
liche Kleinbetrieb stets ein Liebling der bürgerlichen Oekonomie
gewesen; nicht minder allerdings wegen der politisch reak-
tionären Gesinnung, die er leicht überall entwickelt, wo die
feudale Ausbeutungsweise überwunden ist.
Der Kleinbauer bedarf seiner Kinder dringend irn Beirieb.
Sie verfügen nicht über die Zeit und schon gar nicht über
das Geld, höhere Schulen zu besuchen — und wenn eines trotz
alldem Glück und Energie genug hat, auf eine solche zu
kommen und etwas zu lernen, dann geht es erst recht der klein-
bäuerlichen Wirtschaft verloren, in der es nicht die geringste
22
Gelegenheit findet, sein höheres Wissen zu betätigen und eine
Lebenshaltung zu erlangen, die auf gleicher Stufe mit der der
Masse der Gebildeten steht.
Selbst die primitivste Arbeitsleistung ist in einem Betrieb
mit nur einem Mann und einer Frau unmöglich. Auch für das
Vieh ist eine solche ausgeschlossen, wenn nur ein Stück Groß-
vieh im Hause ist.
Maschinen anzuschaffen, fehlt meist das Geld. Der Bauer
wählt ja die Kleinheit seines Betriebs nicht deswegen, weil
er darin die rationellste Betriebsgröße sieht, sondern sie ist
Folge seiner Armut. Gelingt es ihm einmal, Geld zu sparen,
dann ist sein erstes, mehr Land zu kaufen. Die Aus-
dehnung seines Betriebs, nicht seine Verbesserung auf
der gegebenen Bodenfläche, ist seine erste Sorge. Er weiß eben,
daß auf der Grundlage des Zwergbetriebs kein rationelles Wirt-
schaften möglich ist. Die meisten und besten Maschinen sind
im Rahmen des Kleinbetriebs unverwendbar. Es gibt kaum eine,
die in diesem Rahmen voll ausgenutzt werden und ihre ganze
Wirksamkeit entfalten könnte.
Der bäuerliche Kleinbetrieb erweist sich als das mächtigste
Hindernis jedes technischen Fortschritts in der Landwirtschaft.
Je länger diese Betriebsweise besteht und je schneller der
Fortschritt der Technik und Wissenschaft in der Gesellschaft
vor sich geht, desto größer muß der Unterschied zwischen der
möglichen und der wirklichen Höhe der Produktivität
in der Landwirtschaft werden.
Aber die andere Alternative, die Lohnarbeit, ist in der Land-
wirtschaft dem technischen Fortschritt nicht viel günstiger.
In dem Maße, wie die Arbeit monotoner wird, wirkt sie
auch abstoßender. Gehörten in den Anfängen der Kultur viele
Arbeiten zu den Genüssen des Daseins, so verringert sich die
Zahl und Ausdehnung solcher Arbeiten auf dem Gebiet der
materiellen Produktion zusehends mit dem gesellschaftlichen
Fortschritt. Immer mehr wird auf diesem Gebiet der wirk-
samste Ansporn zur Arbeit deren Produkt. Das bleibt dem
Arbeiter aber nur dort, wo er Besitzer des Produktionsmittels
ist, also nur im Kleinbetrieb, wenn sich genossenschaftlicher
Betrieb nicht behaupten kann. Der Kleinbetrieb besitzt damit
23
einen Antrieb zur Arbeit, aber auch zur Sparsamkeit, zur
Schonung der Werkzeuge und Nutztiere, zu sparsamer Ver-
wendung von Rohstoffen und Hilfsmaterialien, der der Arbeit
im fremden Betrieb, also im Großbetrieb fehlt (wenn genossen-
schaftliche Arbeit unmöglich), am meisten bei der Zwangsarbeit,
zum Beispiel Arbeit von Sklaven und Leibeigenen, aber auch der
von Lohnarbeitern. Technische Fortschritte werden aber vom
Kapitalisten heute nicht dort eingeführt, wo sie Arbeit er-
sparen — der Kapitalist arbeitet selbst nicht, und die Arbeits-
zeit seiner Ausgebeuteten ist ihm gleichgültig — , sondern nur
dort, wo sie Profit bringen. Die Arbeit im eigenen Betrieb
pumpt aus dem Arbeiter mehr und bessere Arbeit heraus als die
im fremden. Soll letztere die erstere verdrängen, dann muß sie
technisch nicht nur etwas, sondern sehr viel Vollkommeneres
zu leisten vermögen. Technische Ueberlegenheit bedeutet da
noch nicht ökonomische Ueberlegenheit. Die Einführung tech-
nischer Neuerungen wird dadurch sehr verlangsamt; auch dies
ist einer der Gründe, warum in der kapitalistischen Produktions-
weise die wirkliche Produktivität der gesamten gesellschaftlichen
Arbeit immer hinter ihrer technisch möglichen zurückbleibt und
zurückbleiben muß.
Dies Hindernis wirkt in der Industrie wie in der Landwirt-
schaft, aber in letzterer in weit höherem Grade. In einem
industriellen Betrieb sind die Arbeiten auf einem engen Räume
zusammengedrängt; der Arbeiter bleibt in der Regel ständig bei
einer Hantierung, an einem Orte. Alles das erleichtert seine
Ueberwachung. Andererseits tritt vielfach der Erfolg einer
bestimmten Arbeit sofort genau meßbar in Erscheinung —
soundsoviel Meter Garn, soundsoviel Tonnen Kohlen usw.
Man kann da durch das Akkordsystem zu rascher Arbeit
anspornen, fehlerhafte Arbeit bestimmter Arbeiter oder Ar-
beitergruppen leicht herausfinden, was dem Kapitalisten Anlaß
zu den profitabelsten Strafsystemen gibt.
In der Landwirtschaft sind die Arbeiten über eine große
Fläche ausgedehnt, der Arbeiter wechselt häufig die Arbeit
und den Arbeitsplatz. Seine Ueberwachung wird dadurch
schwierig und kostspielig. Nur selten, wie etwa beim Mähen
oder Dreschen, tritt der Erfolg bestimmter Arbeiten genau meß-
bar in Erscheinung; Akkordlohn und ähnliche Mittel des An-
24
triebs zu schneller Arbeit oder der Verhinderung fehlerhafter
Arbeit finden daher in der Landwirtschaft weit weniger An-
wendung als in der Industrie.
Dazu gesellt sich noch ein anderes hemmendes Moment.
Der technische Fortschritt, namentlich die Anwendung von
Maschinen, hat wohl die Tendenz, die Arbeit zu vereinfachen,
dies gilt jedoch nur für die Masse der angewandten Arbeiter.
Neben diesen braucht er eine Reihe intelligenter und geschulter
Arbeitskräfte. In der Industriestadt sind solche Elemente
massenhaft zu finden. Sie fehlen auf dem flachen Lande und
fehlen dort immer mehr.
In Stadt und Land wächst mit der* kapitalistischen Pro-
duktionsweise die Arbeitswut der Besitzer der Kleinbetriebe
sowie die Anpeilschung der Arbeiter durch die Besitzer der
Großbetriebe. In Stadt und Land wächst das Streben nach
Verlängerung der Arbeitszeit oder, wo dies nicht möglich, nach
vermehrter Intensität der Arbeit. In den Städten schließen
sich jedoch die Arbeiter zusammen, gewinnen sie am ehesten
Kraft, dieses Drängen des Kapitals zurückzuweisen und die
Arbeitszeit zu verkürzen, Zeit zum Genießen des Lebens zu
gewinnen.
Die Stadt bietet auch die mannigfachsten Mittel dazu —
höhere Genüsse, wie die des politischen Kampfes, wissenschaft-
licher oder künstlerischer Vorführungen, freilich auch gröbere
aller Art.
Dem Landarbeiter, isoliert und leicht zu überwachen, ist
es weit schwerer, seine Arbeitszeit zu verkürzen, und noch
schwerer, seine freie Zeit zur Abwechslung seines einförmigen
Lebens zu benützen. Außer der Kirche und Kneipe unter-
bricht kaum etwas die Trübseligkeit seines Daseins; politische
Versammlungen sind fast unmöglich, die zugängliche Literatur
höchst dürftig, künstlerische Darstellungen gibt es gar keine
oder im besten Falle alle paar Jahre einmal eine Schmiere
für einige Tage. Wohl steht ihm die Natur nahe, aber alles
will gelernt sein, auch das Genießen. Nicht etwa, daß nur
der Städter für die Schönheiten der Natur Sinn hätte. Sie
entzückt jeden, der Gelegenheit hat, ihre Mannigfaltigkeit zu
studieren, nicht nur Künstler und städtische Naturenthusiasten,
sondern auch Jäger, Aelpler, Seeleute, deren Beruf ein stetes
25
und aufmerksames Studium der freien Natur bedingt. Beim
Ackerbauer ist das nur wenig der Fall. Bei Tage absorbiert
ihn die Arbeit, und bei Nacht sieht man nichts von der Natur.
Ein sentimentaler Mondscheinschwärmer ist der Landmann
nicht.
Die Nähe der freien Natur entschädigt ihn also nicht für
das Fehlen fast aller gesellschaftlichen Genüsse oder doch Er-
regungen und Abwechslungen, die die Stadt in so reichem Maße
entfaltet.
Kein Wunder, daß die Sehnsucht nach der Stadt wächst
und mit der Verbesserung der Verkehrsmittel die Abwanderung
zur Stadt zunimmt, die schon im Mittelalter begann.
Sie bietet nicht bloß größere Aussichten zum Fortkommen,
größere Freiheit der Bewegung, sondern auch größere Ab-
wechslung, nicht bei der Arbeit, aber außer der Arbeit.
Gerade die Besten, die Energischsten und Intelligentesien
unter den ärmeren Bewohnern des flachen Landes wandern
in die Städte, am ehesten natürlich jene, die ihr Besitz am
wenigsten beschwert. Das ist ein großes Hindernis der sozia-
listischen Propaganda auf dem Lande, aber auch ein großes
Hindernis der Einführung neuer technischer Fortschritte.
Was nützen die Erfindungen, wenn die gebildeten Arbeiter
fehlen, die erheischt sind, ihre Anwendung möglich zu
machen!
Um das Abwandern ihrer Lohnarbeiter zu hindern, trachten
die großen Landwirte, ihre Arbeiter künstlich an die Scholle
zu fesseln durch kleine Gütchen, die man ihnen käuflich oder
pachtweise überläßt. So werden vom Großbetrieb in der
Landwirtschaft selbst Zwergbetriebe geschaffen, die technisch
völlig unzureichend sind, aber auch nicht dem Zwecke dienen,
Ueberschüsse an Lebensmitteln zu produzieren, sondern Ueber-
schüsse an Arbeitskräften, die dem Großbetrieb zur Ver-
fügung stehen.
Die Lohnarbeiter selbst, die auf dem Lande bleiben, ver-
langen nach einem Gütchen. Die schlimmsten Geißeln des
Arbeiters sind die Schwankungen des Marktes. Die des Nah-
rungsmittelmarktes, die ihm Teuerung bringen, und noch mehr
die des Arbeitsmarktes, die ihn mit dem ärgsten Uebel für den
Lohnarbeiter bedrohen, mit Arbeitslosigkeit. Besitzt der Ar-
26
beiter ein Gütchen, das ihm die wichtigsten Nahrungsmittel
sichert, etwa Kartoffeln und die Milch einer Ziege, so fühlt er
sich vor diesen Schwankungen gesichert; er kann die Teuerung
wie die Arbeitslosigkeit leichter überdauern. Er verlangt nach
einem solchen Gütchen nicht um der Grundrente willen, nicht
einmal auf den Profit macht er Anspruch, ja selbst nicht darauf,
daß ihm dessen Ertrag den Lohn für die darauf verwendete Ar-
beit ersetze. Seine Arbeitskräfte sind Frau und Kinder, denen
er nichts zahlt, und seine ökonomische Sicherstellung und grö-
ßere Unabhängigkeit scheinen ihm ein Opfer wert. So ist er
bereit, für sein Gütchen Summen zu zahlen, die der Kapitalist
für die gleiche Bodenfläche nie bewilligen würde, der Arbeits-
löhne zu zahlen hat und einen tüchtigen Profit machen will.
Der Großgrundbesitzer, der von seinem Gute einzelne
Gütchen abtrennt, um sie an Lohnarbeiter zu verkaufen oder zu
verpachten, macht also ein doppeltes Geschäft; er fesselt nicht
nur Arbeiter an seine Scholle, sondern erhält auch von diesen
weit höhere Preise als den Betrag der kapitalisierten Grund-
rente.
So erstehen noch heute gerade in den Bezirken des Groß-
betriebs und zu dessen Förderung und Stützung immer wieder
neue Zwergbetriebe, die technisch miserabel ausgestattet sind
und niemals imstande sein werden, auch nur einigermaßen eine
höhere Produktivität zu entfalten, indes gleichzeitig in den Ge-
genden vorwiegenden Kleinbetriebs dieser sich durch die Hem-
mungen, die das Privateigentum übt, gleichfalls erhält und oft
durch Erbteilungen noch weiter parzelliert wird.
Alle diese der technischen Entwicklung feindlichen Ein-
wirkungen des Privateigentums am Boden und der Lohnarbeit
werden noch verstärkt durch die wachsenden Kriegsrüstungen,
die heute in letzter Linie dem kapitalistischen Konkurrenzkampf
entspringen.
Der Krieg und die Rüstung zum Kriege bildete stets ein
Hindernis für die Entwicklung der Produktivkräfte. Dies Hinder-
nis wächst mit dem modernen Verkehrswesen und der Herrschaft
des Menschen über die Naturkräfle. Mit den Motiven und Mit-
teln der Massenproduktion wachsen auch die des Massenmordes
und wächst die Verschwendung von Kräften, die sonst Mittel des
27
Konsums oder Mittel der Produktion schaffen könnten. Die
Produktion in ihrer Gesamtheit betrachtet, wird die Vermehrung
der Produktivkräfte durch Militarismus und Marinismus in wach-
sendem Maße behindert. Aber nicht alle Produktionszweige
leiden darunter in gleicher Weise. Manche, die als Lieferanten
für Armee und Marine fungieren, namentlich die Eisenindustrie,
können ihre Produktivkräfte dadurch steigern. Aber nur auf
Kosten der anderen Produktionszweige, die um so mehr darunter
leiden. Keiner mehr als die Landwirtschaft. Die Industrie
leidet nicht Mangel an Arbeitskräften, wohl aber die Landwirt-
schaft. Der Militarismus steigert diesen Mangel. Und die Akku-
mulation von Kapital bei den Landwirten wird nicht dadurch ge-
fördert, wenn zu den wachsenden Lasten der Grundrente noch
die der Kriegsrüstungen kommen, alle Ersparnisse nicht nur für
steigende Bodenpreise, Pacht- und Hypothekenzinsen, sondern
auch für steigende Steuern hinzugeben sind.
Die Sache wird nicht besser dadurch, daß die herrschenden
Klassen im Bauern und Grundbesitz überhaupt ein Gegengewicht
gegen die steigende Flut des revolutionären Proletariats der
Städte erblicken und ihn daher durch alle möglichen Begünsti-
gungen und Privilegien auf Kosten der Städte zu stützen suchen.
Der Grundbesitz, das heißt der wirkliche Nutznießer der
Grundrente, sei er Pachtherr oder Hypothekengläubiger, kann
dabei dick und fett werden, die landwirtschaftliche Technik
gewinnt höchsten vorübergehend dadurch. Auch hier tritt wieder
der Unterschied zwischen Technik und Oekonomie zutage.
Was als ökonomische Förderung des Grundbesitzes ge-
dacht ist, wird schließlich immer wieder ein Hemmnis der tech-
nischen Entwicklung der Landwirtschaft. Alle jene Privilegien
haben ja keinen anderen Zweck, als gerade solche Verhältnisse
künstlich zu stützen, die den technischen Fortschritt in der Land-
wirtschaft hemmen. Sie bedeuten entweder eine Erhaltung und
Belebung des technisch rückständigen Kleinbetriebs in Gegen-
den, wo er sonst unhaltbar wäre, oder eine Erhöhung der Grund-
rente, die nur vorübergehend den Landwirten und der Ver-
besserung ihres Betriebs dient, früher oder später ihren Aus-
beutern höhere Einnahmen verschafft, Pachtherren und Hypo-
thekengläubigern.
28
Immerhin, die Landwirte sind eine für die herrschenden
Klassen zu wichtige Klasse in den Industriestaaten, als daß die
Ausbeuter ihre ökonomische Uebermacht jenen gegenüber völlig
ausnützten. Andererseits sind die Fortschritte der Naturwissen-
schaften und der Technik in den alten Kulturstaaten zu gewal-
tige, als daß sie einer Bevölkerung völlig vorenthalten bleiben
könnten, die dicht an den Stätten der Produzierung dieser
Wissenschaft und Technik wohnt.
Der technische Fortschritt der Landwirtschaft wird durch
die eben erwähnten Faktoren gehemmt, die Differenz zwischen
möglicher und wirklicher Produktivität stetig vergrößert, aber
in den kapitalistischen Industriestaaten wird der Fortschritt da-
durch in der Regel nicht aufgehoben, sondern nur verlangsamt.
Anders als in den Industriestaaten steht es in den agra-
rischen Staaten. Diese kann man in zwei große Gruppen schei-
den, von denen die einen am besten durch die überseeischen
angelsächsischen Gemeinwesen, Vereinigte Staaten, Kanada,
Australien, die anderen durch die Staaten des orientalischen
Despotismus — Rußland, Türkei, Persien, Indien, China —
repräsentiert werden, die eben im Begriffe sind, sich dem über-
kommenen Despotismus zu entwinden.
Die Staaten des ersteren Typus sind Kolonien, gegründet
auf einem Boden, der zur Zeit seiner Entdeckung und Er-
schließung eine Bevölkerung trug, die über Jagd und primi-
tivste Bodenkultur noch nicht hinausgekommen war. Die Ein-
führung der Pflugkultur auf der Grundlage der modernen
Technik bedeutet da einen enormen technischen Fortschritt.
Die Landwirtschaft kann sich um so rascher entfalten und die
modernen Werkzeuge ausnutzen, als sie zunächst durch Privat-
eigentum am Boden und Lohnarbeit nicht gehemmt wird. Die
ursprünglichen Besitzer des Bodens, die Eingeborenen, werden
als rechtlos betrachtet und expropriiert, so hat der Boden der
neuen Staaten zunächst keine Besitzer, und er ist in solcher
Fülle vorhanden, daß die Besitznahme einzelner Stücke durch
einwandernde Landwirte noch kein Monopol begründet. Es
gibt keine Grundrente, keinen Bodenpreis von Belang, sein
ganzes Geld kann der Landwirt auf die Ausstattung seines Be-
triebs verwenden.
29
Lohnarbeit in der Landwirtschaft ist unter diesen Bedin-
gungen kaum möglich, da jeder gesunde Mensch mit geringen
Mitteln leicht einen eigenen Betrieb beginnen kann. Also ist
auch Großbetrieb unmöglich, da Warenproduktion herrscht.
Aber gerade auf ihrer Grundlage kann der Kleinbetrieb in der
Kolonie eine höhere technische Grundlage erreichen als im
Mutterland, wo die bäuerliche Wirtschaft noch in den Tra-
ditionen der Produktion für den Selbstbedarf steckt und daher
höchst vielseitig sein muß. In der Kolonie kann der Landmann
sofort für den Verkauf produzieren, kann seinen Betrieb ein-
seitig auf eine bestimmte Spezialität, etwa Weizen, einrichten,
wodurch er an Produktionsmitteln spart und seine Arbeitskräfte
besser ausnutzen kann.
Indes ist die Vielseitigkeit der bäuerlichen Wirtschaft in
Europa nur zum Teil dem Umstand geschuldet, daß sie ur-
sprünglich darauf angelegt war, im wesentlichen alles selbst
zu produzieren, was die Familie ihres Besitzers konsumierte.
Zum Teil wird diese Vielseitigkeit durch die Notwendigkeit er-
zeugt, die Bedingungen der dauernden Fortführung des Betriebs
zu schaffen, die Aussaugung des Bodens zu vermeiden durch
Fruchtwechsel, Produktion von Stallmist und dergleichen.
Das hat die bäuerliche Wirtschaft in den Kolonien zunächst
nicht notwendig, da ja so reichlicher Boden vorhanden ist.
Liefert er an der einen Stelle keinen Ertrag mehr, dann sucht
der Bauer eben eine andere Stelle auf, die er urbar macht. Er
ist also noch ein halber Nomade.
Damit wird aber diese Wirtschaft zum reinen Raubbau, der
rasch den Boden erschöpft.
Die Bodenerschöpfung wird um so verderblicher, da sie mit
schonungsloser Waldverwüstung Hand in Hand geht. Man hat
berechnet, daß in den Vereinigten Staaten im Jahre durch-
schnittlich 110 000 Quadratkilometer Wald vernichtet werden —
das macht mehr als ein Hundertstel der ganzen Bodenfläche des
Landes aus (Oppel, Natur und Arbeit, 1904, II, S. 82).
Kein Wunder, daß die schlimmsten Befürchtungen wegen
dieser wahnsinnigen Waldwirtschaft laut werden. Aber was
vermögen theoretische Befürchtungen gegenüber kapitalistischer
Profitgier!
30
Natürlich muß eine derartige Raubwirtschaft das Land
rasch erschöpfen und ihre eigene Fortsetzung in dem Maße un-
möglicher machen, in dem die Reserven noch nicht in Besitz
genommenen Bodens verschwinden. In den Vereinigten Staaten
ist schon der Anbau mancher Körnerfrüchte, vor allem des
Weizens, ins Stocken gekommen.
Eine stete rasche Zunahme der Weizenproduktion im ersten
Vierteljahrhundert nach dem Bürgerkrieg, von 1866 bis 1891;
im nächsten Jahrzehnt eine Verlangsamung der Zunahme, von
gelegentlichem Rückgang unterbrochen; seit 1901 Stillstand. Die
letzte Ernte von 1909 war eine außergewöhnlich gute, erzielte
80 Millionen Bushel mehr als die von 1908, blieb aber immer
noch um 24 Millionen hinter der von 1901 zurück.
Die gleiche Erscheinung zeigt in den letzten Jahren das
Rindvieh mit Ausnahme der Milchkühe.
Also seit 1907 nicht nur keine Zunahme, sondern sogar Ab-
nahme der Zahl der Rinder.
Man sieht, der Raubbau fängt bereits an, seine Wirkungen
geltend zu machen.
Die amerikanische Landwirtschaft kann auf die bisherige
Weise nicht mehr weiter wirtschaften, sie kann den extensiven
nomadischen Raubbau, wo er noch besteht, nicht mehr aufrecht
halten und muß eine intensive bodenständige Kultur allgemein
durchführen, die auf Erhaltung und Mehrung der Bodenkräfte
bedacht ist. Vielfach ist der Anfang dazu gemacht. Damit
gerät sie aber in ähnliche Bedingungen wie in Europa. Und
gleichzeitig beginnen nun auch die hemmenden Einflüsse des
Privateigentums am Boden, der Grundrente und der Alternative
zwischen Großbetrieb mit unwilliger Lohnarbeit oder Zwerg-
betrieb ohne Wissen und ohne höhere Technik sich geltend zu
machen.
Wie das auf die Bauern wirkt, zeigt die rasche Zunahme
des Pachtsystems. Von den Farmen der Vereinigten
Staaten wurden bewirtschaftet
1880 1890 1900
■vom Besitzer 74,5 Prozent 71,6 Prozent 64,7 Prozent
von Pächtern 25,5 „ 28,4 „ 35,3
31
Die Erschließung der Länder, die von Wilden bewohnt
werden, durch europäische Ansiedlungen und dann Eisenbahnen,
bedeutet also zunächst eine enorme Erweiterung des Nahrungs-
spielraums, die aber unter der Herrschaft kapitalistischer
Warenproduktion die Formen rücksichtslosesten Raubbaus
annimmt, der die urwüchsige Fruchtbarkeit dieser Länder rasch
erschöpft und nach einem kurzen Uebergangsstadium für ihre
Landwirtschaft die gleiche, ja infolge von Raubbau und Wald-
verwüstung leicht eine noch ungünstigere Position schafft wie in
Europa.
Noch schlimmer ergeht es der Landwirtschaft in den Agrar-
ländern des zweiten, des orientalischen Typus. Sie haben be-
leits eine bäuerliche Wirtschaft entwickelt, jedoch eine rück-
ständige, die oft noch das dörfliche Gemeineigentum am Boden
bewahrt.
In diesen Ländern tritt der Kapitalismus zunächst als
der Vernichter der bäuerlichen Industrie und der bäuerlichen
Produktion für den Selbstgebrauch auf. Er zwingt sie, ein-
seitig bloß Bodenprodukte zu produzieren und auf die häus-
liche Industrie zu verzichten. Er zwingt sie, ihre Produkte auf
dem Markte zu verkaufen und Industrieprodukte dort zu kaufen.
Er gebraucht dabei die mannigfachsten Mittel, vor allem aber
wirkt er durch Geldsteuern, die er in Kolonialländern
deren Bewohnern direkt auferlegt, in ,, selbständigen" Staaten
nach Auferlegung von Staatsschulden durch deren nominelle Be-
herrscher für sich erpressen läßt, mögen sie Zar, Sultan, Sohn
des Himmels oder sonstwie heißen.
Die Ausdehnung und damit die Lebensfähigkeit des indu-
striellen Kapitalismus hängt davon ab, daß die Ueberschüsse
an Nahrungsmitteln und Rohstoffen stets wachsen, die ihm die
agrarischen Länder im Austausch gegen seine Industrieprodukte
zuführen. Es gibt zwei Methoden, diese Ueberschüsse zu ver-
mehren, so wie es zwei Methoden der Vergrößerung des Mehr-
wertes unter dem System der Lohnarbeit gibt, die des absoluten
und des relativen Mehrwertes.
Man kann den Mehrwert und das Mehrprodukt dadurch
steigern, daß man die Produktivität der Arbeit durch Ein-
führung technischer Verbesserungen erhöht. Der gewaltige
technische Fortschritt der Industrie beruht auf dieser Methode.
32
Aber schon in der Landwirtschaft der Industrieländer ist sie
viel weniger wirksam als in der Industrie, wie wir gesehen
haben. Noch weniger wirksam in den rein oder überwiegend
agrarischen, vom Kapital unterjochten Ländern. Wohl wird
sie nicht völlig außer acht gelassen — wir erinnern zum Bei-
spiel an die gewaltigen Bewässerungsbauten der Engländer in
Aegypten — , aber im allgemeinen wird die andere Methode
vorgezogen, das Mehrprodukt oder den Mehrwert nicht dadurch
zu steigern, daß dieselbe Arbeit mehr Produkt liefert, sondern
dadurch, daß aus den Arbeitern mehr unbezahlte Arbeit heraus-
geschunden wird, was in den Ländern der Lohnarbeit durch
Ausdehnung der Intensivierung der Arbeitszeit und Herab-
drückung des Reallohns — nicht immer des Geldlohns — er-
reicht wird. In den agrarischen Ländern kommen daneben noch
andere Methoden in Betracht, namentlich Erhöhung von Steuern
und zunehmende Verschuldung des Landwirtes und damit Ver-
mehrung seiner Schuldenzinsen.
Alle diese Methoden der Erhöhung des absoluten Mehr-
produktes sind weitaus bequemer, billiger und rascher wirksam
wie die der Vermehrung des relativen Mehrproduktes. Freilich
führen jene zu vorzeitiger Erschöpfung und schließlich völliger
Ruinierung der Kräfte der Arbeiter und des Bodens — der
beiden Quellen aller Produktivkraft. Aber die kapitalistische
Produktionsweise gehört nicht zu jenen, in denen die Menschen
glauben, für die Ewigkeit zu schaffen, noch auch zu jenen, in
denen die einzelnen das Gefühl haben, für die Gesamtheit zu
schaffen. Da ist jeder für sich im allgemeinen Konkurrenz-
kampf, jeder nur darauf bedacht, so viel für sich aus der gemein-
samen Beute herauszuschlagen als möglich, und zwar so rasch
als möglich, denn alle technischen und gesellschaftlichen Ver-
hältnisse sind in steter Umwälzung begriffen und nur das Heute
sicher. Das ist die richtige Produktionsweise des allgemeinen
und ständigen Raubbaus.
Der Empörung des Proletariats in den Industrieländern ist
es zu danken, daß diese Tendenz zur Ruinierung von Land und
Leuten sich dort nicht völlig durchsetzt und immer stärkeren
Widerstand findet. Ohne den Klassenkampf des Proletariats
hätte das industrielle Kapital die modernen Industrieländer be-
reits völlig erschöpft und ruiniert. Je kraftvoller der Wider-
Kautsky, Landwirtschaft 3 33
stand des Proletariats, desto mehr werden aber nicht bloß die
zerstörenden Raubbautendenzen des Kapitalismus eingeengt,
desto mehr wird er auch gedrängt, die andere Methode der Er-
höhung des Mehrwertes anzuwenden, die Vermehrung der Pro-
duktivkraft der menschlichen Arbeit durch den technischen Fort-
schritt. Die so hervorgerufene technische Revolution ist die
glänzendste Seite in der Geschichte des Kapitalismus. Aber
ihren mächtigsten Antrieb bildet der Klassenkampf des Prole-
tariats.
Man wirft uns Sozialdemokraten vor, wir wüßten nur den
Klassenhaß zu schüren und keine positive Politik zu treiben. In
Wirklichkeit treibt niemand mehr und erfolgreicher positive
Politik wie jene, die den Klassenkampf des Proletariats einheit-
licher, kraftvoller, erfolgreicher zu gestalten suchen. Ohne diesen
Klassenkampf wäre heute schon keine Kultur mehr möglich.
In den agrarischen Ländern des orientalischen Typus fehlt
bisher ein industrielles Proletariat, das stark genug wäre, durch
seinen Klassenkampf der kapitalistischen Ausbeutung im ganzen
Lande Beschränkung aufzulegen, und es fehlt damit das stärkste
Hindernis für den Kapitalismus, seine Politik des Raubbaus frei
zu entwickeln, sowie der stärkste Antrieb, die Produktivität der
Arbeit durch kostspielige und langwierige technische Verbesse-
rungen zu vermehren. Da überwiegt die erstere Methode, die
des absoluten Mehrwertes, weit über die letztere, die des rela-
tiven Mehrwertes; da führt der Kapitalismus zu unaufhaltsamer
nicht bloß relativer, sondern absoluter Verelendung des Bodens
und vielfach auch der Bevölkerung.
34
IL
Die landwirtschaftlichen Arbeitsmittel
1. Die ländliche Arbeiterfrage
Die Landwirtschaft hat in vielen Punkten ihre eigenen, von
denen der Industrie verschiedenen ökonomischen Gesetze.
Das wird auch in der Uebergangswirtschaft zutage treten.
Sie erzeugt den größten Teil ihres Rohmaterials selbst,
Saatgut, Vieh, Dünger. Ihr wichtigster Arbeitsgegenstand ist
gleichzeitig auch ihr wichtigstes Arbeitsmittel, die Erde. Diese
wird weder im Arbeitsprozeß verbraucht, wie Rohstoffe, noch
abgenutzt, wie Maschinen. Andererseits ist der kulturfähige,
wie der in Kultur genommene Boden, nicht beliebig, in alten
Kulturländern überhaupt nicht mehr nennenswert vermehrbar.
Doch nimmt er auch selten ab. Der Krieg hat die Rohstoffe und
Arbeitsmittel vieler Industrien auf ein Minimum reduziert, auch
in Gegenden, die fern von den Kriegsschauplätzen lagen. Da-
gegen hat er selbst dort, wo er am verwüstendsten wirkte, in den
Gebieten des Stellungskrieges, die Erdoberfläche nicht verringere .
Er hat sie dort nur vielfach auf die Stufe des jungfräulichen
Bodens zurückgebracht, der, so wie er ist, nicht in Anbau ge-
nommen werden kann, sondern erst wieder urbar gemacht werden
muß. Solcher Boden ist nicht sofort Arbeitsmittel, wohl aber
Arbeitsgegenstand. Er ist das Rohmaterial, aus dem Kulturboden
zu schaffen ist.
Abgesehen aber von den umgewühlten Lokalitäten des Stel-
lungskrieges hat die Ackerfläche auch auf den Kriegsschau-
plätzen nicht aufgehört, Kulturboden zu sein. Freilich, als Ar-
r 35
beitsmittel hat er sich überall verschlechtert und seine Pro-
duktivität hat abgenommen, denn er wurde wegen Mangels an
Arbeitern, Geräten und Zugvieh schlechter bestellt und die
Düngermassen nahmen ab, die ihm zugeführt wurden.
Durch alles das wurde jedoch die Arbeitsgelegenheit auf
dem Lande nicht vermindert, eher vermehrt. Schon vor dem
Kriege unterschied sich die Landwirtschaft von der Industrie
dadurch, daß jene keine Arbeitslosigkeit kannte, vielmehr an
Arbeitskräften Mangel litt. Dieser Unterschied wird nach dem
Kriege in noch erhöhtem Maße wieder eintreten. Sie wird eben-
soviel Arbeiter brauchen wie vorher. Sie hat aber viele verloren,
die teils vor dem Feinde gefallen, teils Verwundungen oder Er-
krankungen erlegen sind, teils so verstümmelt oder in ihrer Ge-
sundheit geschwächt wurden, daß sie zur landwirtschaftlichen
Arbeit untauglich wurden, die robuste Menschen erheischt, deren
Sinne und Muskeln alle intakt sind.
Man könnte meinen, die Arbeitslosigkeit in den Städten
werde viele ihrer Arbeiter wieder der Landwirtschaft zuführen,
aber das ist nicht zu erwarten. Die Arbeiternot auf dem Lande
rührt hauptsächlich daher, weil dort die Einförmigkeit des Da-
seins und die Abhängigkeit der Lebensführung auch außerhalb
der Arbeitszeit in immer drückenderen Gegensatz zu den städ-
tischen Lebensbedingungen gerät. Solange dieser Gegensatz nicht
überwunden ist, wird auch weitgehende Arbeitslosigkeit in
den Städten die Landflucht nicht in eine Flucht aus der
Stadt umkehren, sondern höchstens die Abwanderung vom
fiachen Lande zeitweise zum Stillstand bringen können. Ganz
abgesehen davon, daß diejenigen kräftigen Leute in der Stadt,
die zur Landwirtschaft taugen würden, am ehesten in der Stadt
Arbeit finden. Die Alten und Schwachen, die die ersten Opfer
der Arbeitslosigkeit sind, eignen sich nicht für die Landarbeit,
namentlich dann nicht, wenn sie ihrer schon längere Zeit ent-
wöhnt waren. Und wer nicht von Jugend auf landwirtschaft-
liche Arbeit betrieb, findet sich später überhaupt nicht mehr
hinein.
Von den Städten hat also die Landwirtschaft keinen Zu-
zug zu erwarten. Darf sie auf das Ausland rechnen? Es gab
Gebiete, namentlich in Ost- und Südeuropa, vor dem Kriege,
die einen Ueberschuß an ländlichen Arbeitskräften produzierten
36
und dabei eine so langsame Entwicklung der Industrie auf-
wiesen, daß diese nicht imstande war, den ganzen Ueberschuß
aufzusaugen. Ein erheblicher Teil davon zog in Länder, die an
ländlichen Arbeitskräften Mangel litten, sei es, weil ihre In-
dustrie stark wuchs, sei es, weil ihre Landwirtschaft sich rasch
ausdehnte, wie in manchen Gebieten Amerikas. Zu den Län-
dern ersterer Art zählte Deutschland. Im Jahre 1912/13 wur-
den im Deutschen Reiche an 767 000 ausländische Wander-
arbeiter Legitimationskarten ausgefertigt, darunter 421 000 für
die Landwirtschaft. Von diesen ausländischen Wanderarbeitern
kamen 317 000 aus Rußland, 281000 aus Oesterreich.
Nach dem Kriege ist dieser Zuzug nicht mehr zu erwarten.
Jene agrarischen Gebiete haben selbst große Menschenverluste
erlitten und zunächst keinen Ueberschuß abzugeben. Es ist
fraglich, ob sie je wieder einen solchen zur Wanderarbeit ins
Ausland entsenden werden. Denn ihre politischen Verhältnisse
haben sich im Kriege gründlich gewandelt, ihre industrielle
Entwicklung dürfte im Frieden ein rasches Tempo einschlagen.
Der Druck, der dort auf den arbeitenden Klassen in Stadt und
Land lastete, ist gewichen, die Verhältnisse bei ihren Nachbarn
dürften eher abschreckend wie anziehend auf sie wirken. Die
deutsche Landwirtschaft hat weder auf polnische, noch auf
sonstige Landarbeiter aus dem Osten zu rechnen. Sie muß
sogar, wenn der benachbarte polnische Staat gedeiht, auf eine
Massenabwanderung landloser Polen gefaßt sein, eine Lösung
der preußischen Polenfrage, die unseren Hakatisten die un-
erwünschteste sein dürfte, obwohl sie ihrem Ideal der mög-
lichsten Verminderung der polnisch redenden Elemente in
Deutschland am nächsten käme.
Der Mangel an Arbeitskräften wird also in vielen Industrie-
siaaten eine große Gefahr für die Landwirtschaft und damit
auch für die Bevölkerung überhaupt werden. Wohl wäre es
lächerlich, irgendeinem der großen Arbeitszweige den Vorzug
vor allen anderen zusprechen zu wollen. In der modernen Ar-
beitsteilung sind sie alle gleich wichtig, keiner zu entbehren.
Aber manche können doch vorübergehend aussetzen, ohne daß
wir gleich zugrunde gehen, andere nicht. Zu den Arbeits-
zweigen, die unter den gegebenen Produktionsverhältnissen
nicht stillgesetzt werden können, ohne sofort das ganze menscli-
37
liehe Leben in ihr zu gefährden, gehört neben dem Kohlenberg-
bau und den Eisenbahnen die Landwirtschaft.
Das ist freilich anders zu verstehen, als die Agrarier meinen,
die unter den Interessen der Landwirtschaft die ihres Grund-
besitzes und ihrer Grundrente verstehen. Unentbehr-
lich ist die landwirtschaftliche Arbeit, nicht der landwirt-
schaftliche Besitz. Eine Form des Grundbesitzes, die die
Arbeiter von der Landwirtschaft abstößt, ist für diese direkt
verderblich, und das hohe Interesse der gesamten Gesellschaft
an der landwirtschaftlichen Produktion gebietet nicht die Er-
haltung, sondern die Abschaffung eines derartigen Grund-
besitzes.
Das soll kein Plädoyer für Zerschlagung des großen Grund-
besitzes in kleine Gütchen sein. Gewiß haften dem kleinen
Grundbesitz nicht die Nachteile des großen an, vor allem nicht
die der Lohnarbeit, die in der Landwirtschaft größere Hemm-
nisse der Produktivität der Produktionsmittel entwickelt, als
in der Industrie. Aber der kleine Grundbesitz entwickelt
andere, noch größere Hemmnisse der Produktivität der Pro-
duktionsmittel und verurteilt überdies seine Arbeitskräfte noch
mehr zu Ueberarbeit und geistiger Verödung als der Groß-
betrieb. Er wirkt daher nicht minder abstoßend auf sie
wie dieser.
Im Deutschen Reiche haben alle Staaten und Provinze»
in der Zeit von 1895 bis 1907 einen nicht bloß relativen, son-
dern sogar absoluten Rückgang in der Zahl der Berufszuge-
hörigen der Landwirtschaft zu verzeichnen, mit nur zwei
größeren Ausnahmen: Südbayern, wo die Zahl der Berufs-
zugehörigen von 1 201 496 auf 1 233 045, also um 31 549 stieg, —
auch noch ein relativer Rückgang bei einer Zunahme der Ge-
samtbevölkerung des Gebietes um 318 649, und Posen, wo
die landwirtschaftliche Bevölkerung 1895 1 053 351 Personen
zählte und 1907 1 062 147, eine Zunahme um ganze 8796 bei
einer Zunahme der entsprechenden Gesamtbevölkerung um
190 760. Ein sehr mageres Ergebnis der mit Hunderten von
Millionen geförderten Ansiedlungspolitik. Badens landwirt-
schaftliche Bevölkerung, 729 187, verminderte sich um 56 242,
Württemberg verlor 51155 von 933 576, Elsaß - Lothringen
47 917 von 616 074, Hessen 30 020, fast ein Zehntel seiner land-
38
wirtschaftlichen Bevölkerung von 371 919! So Gebiete über-
wiegenden Kleinbetriebes. Dagegen verlor von den Gebieten
des Großbetriebes Pommern von 790 983 nur 27 678,
Westpreußen 9313 von 822 666, Mecklenburg-Schwerin 9634
von 295 299, Ostpreußen allerdings 105 289 von 1 171300, Bran-
denburg 76 900 von 962 789.
Es ist ganz unmöglich zu sagen, welche Betriebsart in der
Landwirtschaft auf ihre Arbeitskräfte mehr abstoßend wirkt,
der Großbetrieb oder der Kleinbetrieb. Und es will mich schier
bedünken, daß in dieser Beziehung beide stinken.
Die künstliche Schaffung kleinbäuerlicher Stellen hilft nicht,
der Landwirtschaft ihre Arbeitskräfte zu erhalten. Will man
gar den Zug in die Stadt in einen Rückstrom auf das Land
verwandeln, dann muß man schon zum Sozialismus greifen. Er
allein vermag auf dem flachen Lande kulturelle und soziale
Einrichtungen zu schaffen, die imstande sind, zusammen mit
den sanitären und ästhetischen Vorzügen der innigeren Ver-
bindung mit der Natur die Anziehungskraft der Stadt zu über-
winden.
Aber wir handeln ja nicht von dem großen Thema des
Ueberganges vom Kapitalismus zum Sozialismus, sondern von
dem viel kleineren, doch einstweilen näherliegenden des Ueber-
ganges vom Kriegszustand in den Friedenszustand auf kapi-
talistischer Grundlage.
Auf dieser Grundlage läßt sich verhältnismäßig wenig tun,
um die Anziehungskraft des flachen Landes gegenüber der
Stadt zu steigern. Immerhin noch weit mehr, als tatsächlich
geschieht. Doch die meisten der Maßnahmen zur Verbesserung
der Lage der Landbevölkerung erheischen Zeit, um zur Wirk-
samkeit zu kommen, fallen also nicht in das Bereich der kurz-
lebigen Uebergangswirtschaft.
Zum mindesten aber müßte man die gesetzlichen Be-
stimmungen beseitigen, durch die heute noch die ländlichen
Arbeiter in bezug auf Koalitionsrecht, Kontrakt-
bruch, Schutz vor Mißhandlungen schlechter ge-
stellt sind als die industriellen. Die Beseitigung dieser Ueber-
bleibsel der feudalen Hörigkeit könnte und müßte sofort ge-
schehen. Die Agrarier scheinen freilich eher Lust zu haben,
39
die Fesseln dieser Hörigkeit noch stärker anzuspannen, gerade
wegen des Arbeitermangels, den sie befürchten, wenn ihnen die
Kriegsgefangenen fortziehen. Ihre ganze innere und äußere
Politik beruht ja auf Methoden der Gewalt und des Zwanges.
Daß sie damit den Antrieb der Landflucht nur verstärken, ver-
mögen sie nicht einzusehen, wie sie überhaupt Argumente schwer
einzusehen vermögen. Das einzige, wovor sie selbst Respekt
haben und Respekt bei anderen voraussetzen, ist die Macht
überlegener Gewalt.
Neben den gesetzlichen Fesseln, die dem Landarbeiter ge-
ringere Freiheit lassen als dem städtischen, wird ihm diese noch
eingeengt durch das Wohnungswesen.
Gewiß, die Wohnungsverhältnisse der städtischen Arbeiter-
schaft sind auch alles andere eher als erfreulich. Auf diesem
Gebiete treten die Verelendungstendenzen des Kapitalismus am
krassesten zutage. Doch schlimmere Löcher als die Behausungen
der ländlichen Arbeiter sind die der städtischen auch nicht.
In einem aber zeigen die städtischen Arbeiterwohnungen einen
ausgesprochenen Vorzug vor den ländlichen: Der Vermieter,
mit dem der städtische Arbeiter zu tun hat, ist ein anderes In-
dividuum als der Unternehmer, der ihn beschäftigt. Vermieter
und Unternehmer sind in der Stadt ohne jeden gesellschaft-
lichen Zusammenhang, und die Zahl der Arbeiterwohnungen
eine so große, daß es unmöglich ist, jeden Arbeiter in seiner
Wohnung zu kontrollieren. Wie abhängig er auch in seiner
Fabrik sein mag, sobald er sie verlassen hat, ist er ein relativ
freier Mann.
Ganz anders der Landarbeiter. Er findet eine Wohnung
nur entweder bei dem Unternehmer, der ihn beschäftigt, oder
bei einem ihm nahestehenden Klassengenossen. Diese können
jeden seiner Schritte auch außerhalb seines Arbeitsverhältnisses,
seinen gesellschaftlichen Verkehr, seine Lektüre usw. über-
wachen. Keine Minute wird da der Arbeiter die Abhängigkeit
von seinen Herren los.
Um ihr zu entgehen, trachtet mancher, so viel von seinem
armseligen Lohn abzuknapsen, daß er schließlich eine elende
Hütte sein Eigen nennen kann. Doch damit kommt er aus
dem Regen in die Traufe, denn er verliert nun seine Freizügig-
40
keit, die Möglichkeit, abzuwandern, um anderswo eine andere
Arbeit zu suchen. Seine Abhängigkeit wird dadurch noch
vermehrt.
Sie erheblich zu mildern, gibt es nur einen Weg: die Er-
richtung ausreichender Mietwohnungen für die Landarbeiter
durch eine Gemeinschaft, die unabhängig von den Grund-
besitzern ist, mit ihren Sympathien auf Seite der Landarbeiter
steht; eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die mit öffent-
lichen Mitteln arbeitet und nach allgemeinem und gleichem so-
wie geheimem Wahlrecht gewählt ist und wirkliche Selbstver-
waltungsbefugnisse besitzt. Entweder die Gemeinde — oder
noch besser, da in dieser die Einflüsse der lokalen großen
Grundbesitzer leicht überwiegen, der Kreis oder die Provinz — ,
aber freilich nicht die heutige Kreis- oder Provinzialvertretung
preußischer Art, sondern eine völlig demokratische.
In England hat man die Wichtigkeit der Wohnungsfürsorge
für die Landarbeiter bereits anerkannt und sie zu einer der
Aufgaben der Uebergangswirtschaft gemacht. Daneben sollen
staatlich festgesetzte Minimallöhne die Anziehungskraft
der Landarbeit erhöhen.
Für sich allein bedeuten Minimallöhne ebenso wie Preis-
taxen wenig. Es finden sich immer Mittel, sie zu umgehen,
wenn das Spiel von Nachfrage und Angebot auf dem Arbeits-
markt für die Arbeiter ungünstig ist. Staatlich vorgeschriebene
Minimallöhne können sogar schädlich wirken, wenn sie in der
Arbeiterschaft, für die sie gelten, das Gefühl der Sicherung
hervorrufen und sie ihre gewerkschaftliche Organisation ver-
nachlässigen lassen.
Dagegen können sie gute Erfolge erzielen bei einer Ar-
beiterschaft, die gewillt und imstande ist, sich eine bessere
Position zu erkämpfen, aber noch des nötigen Selbstgefühls
ermangelt. Da mag ein Minimallohn als moralische Unter-
stützung sehr günstig wirken und die gewerkschaftliche Or-
ganisation fördern, als Mittel, die Durchführung des Minimal-
lohns zu überwachen und zu erzwingen,
Alle diese Maßregeln zugunsten der Landarbeiter fordern
wir natürlich nicht als vorübergehende, sondern als dauernde.
Sie sollen nicht bloß für die Zeit der Uebergangswirtschaft
gelten. Sie werden aber doppelt notwendig in dieser Zeit,
41
nicht bloß im besonderen proletarischen, sondern auch im all-
gemeinen Interesse, weil da die größte Produktivität der Land-
wirtschaft noch wichtiger ist als sonst. Diese Produktivität
ei heischt zahlreiche, leistungsfähige und willige Arbeitskräfte.
Zwangsarbeit ist die unproduktivste Arbeit.
2. Die Maschine in der Landwirtschaft
Was immer man aber für die Landarbeiter tun mag, inner-
halb der kapitalistischen Produktionsweise wird es nicht aus-
reichend sein, die Landflucht in eine Stadtflucht zu wandeln.
Es wird den Mangel an Landarbeitern vermindern, man darf
jedoch nicht damit rechnen, daß es ihn beseitigt.
Um so notwendiger wird die vermehrte Anwendung der
Maschine in der Landwirtschaft. Man braucht nicht zu fürch-
ten, daß die Arbeiter dadurch geschädigt werden. Die Ma-
schine wirkt in der Landwirtschaft ganz anders als in der
Industrie. In letzterer degradiert sie oft den Arbeiter, er-
möglicht sie die Ersetzung qualifizierter Arbeiter durch un-
gelernte, männlicher Erwachsener durch Frauen und Kinder,
vieler Arbeiter durch eine geringe Anzahl. Ganz anders in
der Landwirtschaft. In der Industrie ist die Maschine an einen
Platz gebannt, den sie nicht verläßt; sie ist dort tagaus, tagein
tätig, derselbe Arbeiter hat stets dieselbe Maschine zu be-
dienen. Die Arbeiter sind auf einem Flecke konzentriert und
leicht zu überwachen. Die landwirtschaftlichen Maschinen da-
gegen wirken, soweit sie Feldarbeit verrichten, in beständiger
Ortsveränderung auf wechselndem Gelände; sie werden nur
zeitweise angewandt von Arbeitern, die noch zahlreiche andere
Hantierungen daneben zu verrichten haben. Die Arbeiter ver-
richten ihre Arbeiten, auf weiten Flächen zerstreut, in kleinen
Gruppen oder jeder für sich allein. Ihre Ueberwachung ist
schwierig. Nur intelligente, geübte Arbeiter vermögen die
Maschinen in der Landwirtschaft zweckmäßig anzuwenden.
Wenn die Maschine in der Industrie die Zahl der Arbeitskräfte
vermehrt, die im Arbeitsprozeß anwendbar sind, so scheitert
die Anwendung der Maschine in der Landwirtschaft oft viel-
mehr daran, daß sie nicht genug Arbeiter vorfindet, die im-
stande sind, sie anzuwenden, da die bisherigen Lebens- und
42
Arbeitsbedingungen auf dem flachen Lande bei den Arbeitera
Intelligenz und Sorgsamkeit schwer aufkommen lassen. Ver-
mehrung der Maschinen in der Landwirtschaft bedeutet nicht
Verdrängung qualifizierter, reifer Arbeitskräfte durch un-
qualifizierte, unreife, sondern zwingt vielmehr die Landwirte,
auf die Hebung der Intelligenz und der Sorgsamkeit ihrer Ar-
beiter bedacht zu sein, diese also nicht herabzudrücken, son-
dern zu heben.
Dabei bewirkt die Maschine in der Landwirtschaft in der
Regel geringere Arbeitsersparnis als in der Industrie, schon
deshalb, weil sie meist nicht ständig, sondern nur für gewisse,
vorübergehende Gelegenheiten, Pflügen, Säen, Ernten, Dreschen
in Verwendung kommt. Ein Produkt des Mangels an Arbeits-
kräften daher am massenhaftesten in Verwendung gekommen
in den Vereinigten Staaten, hat sie noch nirgends diesen Mangel
in einen Ueberfluß verwandelt, sondern nur bewirkt, daß die
vorhandenen Arbeitskräfte wirksamer angewandt werden
konnten, die landwirtschaftliche Arbeit intensiver betrieben
wurde.
Zur Illustrierung der Wirkungen der Maschine auf die
Arbeiterverhältnisse in der Landwirtschaft mögen folgende
Daten dienen, die einer Untersuchung des amerikanischen
Arbeitskommissars (commissioner of labor) über Hand- und
Maschinenarbeit entnommen sind. Zur Bearbeitung eines
Acres Weizenbodens (Pflügen, Säen, Eggen) waren 1829 drei
Tagelöhner beschäftigt, deren jeder 50 Cents (2 Mark) Tage-
lohn erhielt. Bei Anwendung des Dampf pfluges wurden 1895
für die gleiche Fläche auch drei Arbeiter beschäftigt, ein
Maschinist, ein Heizer, ein Kutscher. Der Lohn eines Tage-
löhners war inzwischen auf 1 Dollar 50 Cents (6 Mark) ge-
stiegen, doch der Lohn jedes der drei beim Dampfpflug tätigen
Arbeiter stand noch höher. Der Maschinist bekam 4 Dollars
(16 Mark), der Heizer 2,50 Dollars (10 Mark), der Kutscher
2 Dollars (8 Mark). Trotzdem war die Maschinenarbeit billiger,
weil sie sich viel rascher vollzog. Bei der Handarbeit brauchte
der Pflüger 6 Stunden 40 Minuten, der Säemann 1 Stunde
25 Minuten, der Egger 2 Stunden 50 Minuten. Dagegen ver-
richtete die Maschine alle diese Arbeiten zusammen in einer
Viertelstunde.
43
Ein weiterer Vorteil mancher landwirtschaftlichen Maschine
ist, nebenbei gesagt, der, daß sie nicht bloß menschliche Ar-
beit spart, sondern auch Material. So geht beim Handsäen
viel Saatgut verloren. Die Drillmaschine erzielt bessere Re-
sultate mit weniger Saatgetreide. Ebenso kann durch die
Düngerstreumaschine die Zufuhr des Düngers genau geregelt
werden, so daß nicht mehr Dünger verbraucht wird, als not-
wendig ist, und die Pflanzen gerade jene Menge erhalten, die
sie brauchen.
Die Anwendung von Maschinen in der Landwirtschaft zu
fördern, wird eine wichtige Aufgabe der Uebergangswirt-
schaft sein.
Doch nicht bloß der Mangel an Arbeitern und Material
wird dies notwendig machen, sondern ebensosehr der Mangel
an Zugvieh, das bisher als bewegende Kraft im Ackerbau die
größte Rolle spielte. Der Ackerbau im heutigen Sinne des
Wortes datiert erst von der Zeit, als das Rind vor den Pflug
gespannt wurde. Spät gesellt sich zum Rind das Pferd als
Zugtier der Landwirtschaft. Lange hat das Pferd nur den
Zwecken des Krieges, der Jagd und des Luxus gedient. Im
Kriege ist es heute noch unentbehrlich. Die Bedeutung und
Stärke der Kavallerie ist relativ freilich sehr zurückgegangen,
im Verhältnis zu der Gesamtzahl des Heeres, aber absolut hat
sie an Zahl nicht abgenommen. Im Jahre 1880 betrug in der
deutschen Armee die Zahl der Dienstpferde der Kavallerie
63 000, 1914 (nach dem Friedensvoranschlag) dagegen 81000.
Erheblich vermehrt wurde die Artillerie, damit auch ihr Pferde-
bestand. Er belief sich 1880 auf 15 000 Pferde, 1914 dagegen
nach dem Friedensvoranschlag auf 61 000. Endlich ist auch der
Train sehr vermehrt worden. Wohl werden durch Automobile
und Feldeisenbahnen viele seiner Aufgaben erfüllt, die ehedem
dem Pferdegespann zufielen. Aber die Aufgaben des Trans-
portwesens sind so enorm gewachsen, daß die Anzahl der Pferde
beim Train doch bedeutend zugenommen hat. Im Jahre 1880
zählte man bloß 2500 Pferde beim Train des deutschen Heeres,
1914 dagegen 8000. Die gesamte Zahl der Armeepferde des
Friedensstandes ist von 1880 bis 1914 von 80 000 auf 160 000
gestiegen, sie hat sich gerade verdoppelt.
44
„Alles in allem ist die Zahl der bespannten Fahrzeuge, einschließ-
lich der Geschütze, bei einem deutschen Armeekorps heute ungefähr
doppelt so groß, wie die eines an Infanterie und Kavallerie ebenso
starken preußischen Armeekorps im Kriege 1866 war." (W. v. Blume,
Strategie, Berlin 1912, S. 97.)
Das galt im Frieden.
Im Kriege wächst mit der Armee natürlich auch die Menge
ihres Pferdematerials. Wenn die deutsche Armee 1880 80 000
Pferde im Dienst hatte, so wurde ihr Pferdebestand im August
1870 auf 250 000 berechnet. Man kann danach ermessen, welche
Pferdemengen der jetzige Krieg in Anspruch nimmt.
Wie die angewandte Pferdemenge wird auch der Verlust an
Pferden bei der langen Dauer des Krieges und dem Futtermangel
bei jeder der kriegführenden Mächte ungeheuer groß sein. Der
, siebentägige Krieg" von 1866 kostete die preußische Armee
4500 tote Soldaten, die auf dem Schlachtfelde fielen oder ihren
Verwundungen erlagen, und 6500 Pferde, die verloren gingen.
Verglichen mit dem jetzigen, erscheint dieser Krieg geradezu
idyllisch. Kein Wunder, daß er bei seiner Kürze und seinen
großen Erfolgen mehr fröhliche als düstere Nachwirkungen zu-
rückließ.
Wenn in dem jetzigen Kriege die Pferdeverluste zu den
Menschenverlusten in einem ähnlichen Verhältnis stehen sollten
wie 1866, muß man auf eine ungeheure Verringerung des Reich-
tums an Pferden gefaßt sein.
Gleichzeitig wird das Rindvieh an Zahl zurückgegangen
sein, da der Welthandel unterbunden ist, so daß die Industrie-
staaten von außen weder die Futterstoffe, noch die Fleisch-
mengen bekommen, die sie im Frieden bezogen, und daher ge-
zwungen sind, mehr Rindvieh zu schlachten, als dem normalen
Zuwachs entspricht. Man spart dadurch an Futter für das Vieh
und schafft vermehrte Nahrung für die Menschen — aber auf
Kosten der Zukunft. Der Viehbestand wird verringert.
Nach dem Kriege wird also die Landwirtschaft viel ärmer
an Zugtieren sein wie vor ihm. Allerdings reicher, als sie
während des Krieges war. Die Demobilisierung wird viele
Pferde frei machen, aber längst nicht so viele, als an das Heer
abgegeben wurden.
45
Mehr als jeder andere Erwerbszweig verwendet die Land-
wirtschaft Pferde. Im Jahre 1917 zählte man im Deutschen
Reich 4 345 000 Pferde, davon in der Landwirtschaft 3 491 000.
Soll die Landwirtschaft so schnell wie möglich wieder ihre alte
Produktivkraft gewinnen, müssen ihr an Stelle der tierischen
Zugkräfte möglichst viele mechanische Motoren geliefert wer-
den. Die moderne Technik ist so weit, die tierische Zugkraft
durch mechanische in der Landwirtschaft völlig zu ersetzen,
und Motoren sind schneller gebaut, als Pferde und Rinder
großgezogen.
Noch von einem anderen Gesichtspunkt aus ist die größt-
mögliche Ersetzung des Zugtieres durch den Motor in der Land-
wirtschaft wie im Transportgewerbe wünschbar.
Frachtraumnot und andere Umstände drohen die Zufuhr
von Lebensmitteln nach dem Kriege sehr einzuengen. Deren
Hauptmasse wird überall zunächst so nahe wie möglieb von
den Konsumenten, also im eigenen Lande gewonnen werden
müssen. Jedoch die Produktivität der Landwirtschaft wird ge-
mindert sein. Sollen die Menschen mehr Lebensmittel für
sich aus der gleichen Bodenfläche bei gleichem oder gar ge-
mindertem Bodenertrag ziehen können, müssen sie trachten, die
Kulturfläche zu vermehren, die dem Anbau solcher Lebens-
mittel gewidmet wird, was bei gleichbleibender Bodenfläche
nur möglich ist durch Verminderung des anderen Zwecken
dienenden Areals. Zu diesen anderen Zwecken gehört der
Anbau von Handelspflanzen, vornehmlich Rohmaterialien, und
von Viehfutter.
Der Anbau von Handelspflanzen wird sich nicht einschrän-
ken lassen, er wird vielmehr ebenfalls nach Ausdehnung streben,
weil die Zufuhr von Rohmaterialien aus dem Auslande zu-
nächst ebenso wie die von Lebensmitteln gehemmt sein wird.
Auch da wird es gelten, den Ausfall möglichst im eigenen Lande
zu decken.
So bleibt nur die Einschränkung der dem Anbau von Vieh-
futter gewidmeten Fläche übrig. Die der Erhaltung des
Fleisch- und Milch viehes dienende Fläche darf aber
ebenfalls nicht verringert werden. Die Verminderung des
Zug viehes, seine Ersetzung durch Motoren, bietet die einzige
Möglichkeit, die Leistungen der Landwirtschaft für die Er-
46
nährung und industrielle Beschäftigung der Menschen rasch zu
steigern, auch wenn die Produktivität der landwirtschaftlichen
Arbeit nicht wächst.
Es handelt sich dabei um sehr erhebliche Bodenflächen,
Im Deutschen Reich waren 1913 bebaut mit Brotgetreide:
Roggen 6 414 000 Hektar
Weizen 1 974 000
Zusammen 8 388 000 Hektar
Dagegen mit Viehfutter:
Hafer 4 438 000 Hektar
Wiesenheu 5 924 000
Zusammen 10 362 000 Hektar
Ein erheblicher Teil der dem Viehfutter gewidmeten
Bodenfläche könnte dem Anbau von Nahrungsmitteln für
Menschen entweder direkt oder indirekt durch Verfütterung
der Produkte an Fleisch- und Milchvieh, statt an Zugvieh zu-
geführt werden, wenn in Landwirtschaft und Transportwesen
die tierische Zugkraft durch mechanische ersetzt würde. Der
jetzige Krieg bietet dazu den stärksten Anstoß, er macht diese
Umwandlung geradezu unerläßlich.
Die technischen Bedingungen dafür sind gegeben. Die Land-
wirtschaft vermag sich der Dampfkraft wie der Verbrennungs-
motoren, der Elektrizität, die in Zentralen erzeugt wird, sowie
der Wasserkraft und der Windkraft zu bedienen. Letztere wird
noch viel zu wenig beachtet.
„Uneingeschränkt und bei weitem mehr, als man für gewöhnlich
denkt, kann die Windkraft in der Landwirtschaft vorteilhaft ausgenutzt
werden: zum Schrot- und Häkseischneiden, zur Ent- und Bewässerung
landwirtschaftlicher Grundstücke usw., vor allem zur Wasserversorgung
der Güter und ländlicher Ortschaften. Es ist eine alte Erfahrung, daß
die hygienischen Verhältnisse auf dem Lande durch die Gruppen-
Wasserversorgung erheblich verbessert werden . . . Die Milchergiebig-
keit hat immer ganz erheblich zugenommen, wenn die Wasserversorgung
unabhängig von menschlicher und tierischer Arbeitsleistung der mecha-
nischen Arbeit überlassen worden ist. Auch Elektrizität . . . kann
durch Wind erzeugt werden . . . Die Elektrizitätsversorgung durch
Windkraft stellt sich in der Regel billiger als der Anschluß an eine
Ueberlandzentrale." (Dr. W. B u s s e 1 b e r g ', Die Technik in der Land-
wirtschaft, Technik und Wirtschaft. Oktober 1917.)
47
3. Großbetrieb und Kleinbetrieb
Natürlich kommt es nicht bloß darauf an, daß der Land-
wirtschaft so viel Maschinen und Motoren als nur möglich
zugeführt werden, sondern auch darauf, daß jede Maschine,
jeder Motor volle Ausnutzung findet. Und da kommen wir
wieder zu der alten Frage: Kleinbetrieb oder Großbetrieb?
Diese ist jedoch nur eine ökonomische Streitfrage, keine
technische. Man kann streiten vom Standpunkte des Pro-
fits, welche Betriebsform die rentablere sei. Merkwürdiger-
weise wird dieser Gesichtspunkt nicht nur von den bürger-
lichen, für die er wohl begreiflich ist, sondern auch von den
sozialdemokratischen Verfechtern des Kleinbetriebs einge-
nommen. Und doch sollte für uns der Standpunkt der Ar-
beit der entscheidende sein; sollte die Frage für uns die
sein, welche Betriebsform bei gleichem Arbeitsauf-
wand das größere Produkt liefert. Die Antwort auf diese
Frage ist aber nicht zweifelhaft. Der Großbetrieb ist darin
dem Kleinbetrieb entschieden überlegen, namentlich im Feld-
bau, in dem die meisten landwirtschaftlichen Maschinen zur
Anwendung kommen; weniger in der Viehhaltung, dem Ge-
müsebau, der Obstzucht, obgleich auch hier die größere Be-
herrschung der Wissenschaft, die größere Arbeitsteilung, die Er-
sparnisse an Bauten und Wegen und ähnliches dem Großbetrieb
die Möglichkeit technischer Ueberlegenheit bieten.
Ein Verfechter des Kleinbetriebs, Professor Sering, gibt in
seiner Schrift über „Die Verteilung des Grundbesitzes und die
Abwanderung vom Lande" (Berlin 1910, S. 32) zu:
„Man wendet ein, die Bauernkolonisation bedeutet einen tech-
nischen Rückschritt, sie führt zur Arbeitsverschwendung. Es ist in der
Tat wohl anzunehmen, daß der Großbetrieb auf den Kopf des
Personals größere Rohstoffmengen dem Boden abzugewinnen pflegt.
Ballod hat berechnet, daß in den Jahren 1904 bis 1908 auf 100 land-
wirtschaftliche Erwerbstätige in Westdeutschland, also in bäuerlichen
Gegenden, 274 Tonnen Getreide geerntet wurden, in Mitteldeutschland
438 Tonnen, in Pommern 499, in den beiden Mecklenburg 573 Tonnen.
Aehnlich verhält es sich mit der Kartoffelernte: Auf 100 landwirtschaft-
liche Erwerbstätige gewann man in Westdeutschland 436 Tonnen, in
Mitteldeutschland 590 Tonnen, in den beiden Mecklenburg 666 Tonnen,
in Pommern 944 Tonnen."
48
Die Ueberlegenheit des Großbetriebs erscheint geringer,
wenn man nicht von der Arbeit ausgeht, sondern vom
Besitz, von der Bodenfläche, da der Kleinbetrieb weit mehr
Arbeitskräfte auf die gleiche Bodenfläche verwendet, als der
Großbetrieb. Man zählte im Deutschen Reich 1907 in den land-
wirtschaftlichen Betrieben:
G.. o it Auf 100 Hektar landwirtschaftl. benutzter
roUeoKlaSSe Fläche landwirtsrhaftl. beschäftigte Pers.
unter 0,5 Hektar , 560,2
0,5 bis 2 , 170,5 . .
2 „ 5 „ 88,2
5 „ 20 44,1
20 „ 100 , 22,2
über 100 „ 17,5
darunter über 200 „ 16,9
Wir können absehen von den Betrieben unter 2 Hektar.
Diese sind überwiegend Nebenbe triebe, ihre Arbeitskräfte
widmen nur einen Teil ihrer Zeit der Landwirtschaft. Aber
auch, wenn wir nur die Betriebe mit mehr als 2 Hektar in
Betracht ziehen, finden wir ebenfalls, daß die kleineren auf
gleicher Fläche weit mehr Arbeitskräfte aufwenden wie die
großen, die kleinsten fünfmal soviel wie die größten.
Trotzdem produzieren die kleinsten nicht mehr Getreide
auf der gleichen Bodengröße, sondern eher weniger. Bei der
Vergleichung der Ernteerträge verschiedener Gegenden muß
man natürlich in Betracht ziehen, daß d:e Bodenfruchtbarkeit
nicht überall dieselbe ist. Das erschwert die Vergleichung
der Ernteerträge. Je nach der Auswahl der Gegenden kar
man dann eine Ueberlegenheit des Kleinbetriebs oder Groß-
betriebs konstatieren. So hob der Verfechter des Kleinbetrieb
der jüngst verstorbene A. Schulz, 1911 in einer Polemik gegen
mich hervor, daß die sechs östlichen Provinzen Preußens im
Durchschnitt des Jahrzehnts 1899/1908 nur 15 Doppelzentner
Roggen pro Hektar ernteten, dagegen die kleinbäuerlichen
Gegenden v;el mehr, so Rheinland 18, Hessen und das links-
rheinische Bayern 19, Braunschweig 20. Ich konnte ihm aber
zeigen, daß sich das Bild ändert, wenn rm:n andere Gegenden
in Vergleich setzt. Ich stellte ihm folgende Tabelle entgegen.
Kautsky, Landwirtschaft 4 <*q
Von 100 Hektar land-
wirtschaftlich benutzter
Fläche entfallen auf
Betriebe mit 100 und
mehr Hektar
Roggenertrag
pro Hektar 1899/ 1C08
Doppelzentner
Gegenden mit stärkstem Großbetrieb:
Mecklenburg-Strelitz . .
Mecklenburg-Schwerin .
Anhalt
60,0
59,7
38,2
Gegenden mit schwächstem Großbetrieb:
Württemberg
Bayern. . . .
Oldenburg. .
1,7
2,2
2,8
15,8
17,0
18,0
13,9
15,7
15,5
Man sieht, auch nach der Fläche berechnet liefert der
Kleinbetrieb nicht mehr Ertrag. Er liefert weit weniger pro
Arbeitskraft. Nur der Großbetrieb liefert einen erheblichen
Ueberschuß an Getreide über den Konsum seiner Arbeitskräfte
hinaus. Der Kleinbetrieb muß so viel mehr Arbeit aufwenden,
um das gleiche Resultat zu erreichen, wie der Großbetrieb, weil
er die Maschinen nur unvollkommen ausnutzen kann. Dies
im Verein mit der Armut und Unwissenheit des Bauern bildet
das große Hindernis der Maschinenarbeit in der Landwirtschaft.
Trotzdem eine Reihe von Maschinen auch dem Klein-
betriebe zugänglich sind, ist er in ihrer Anwendung weit zurück-
geblieben.
Man zählte 1907:
Größenklasse
Betriebe
überhaupt
Betriebe, welche
irgendwelche der
gezähltenMaschinen
benutzten
VonjelOOOBetrieben
der betr. Größen-
klasse benutzten
Maschinen
unter 0,5 Hektar
2 084 060
18 466
9
0,5 bis 2 Hektar . . .
1 294 449
114 986
89
2 „ 5 „
1 006 277
325 665
324
5 „ 20 „ • . . .
1 065 539
772 536
725
20 „ 100
262 191
243 365
928
100 und darüber
23 566
22 957
974
darunter 200 und darüber
12 887
12 652
982
So gering die Zahl der Großbetriebe ist, der Fläche nach
spielen sie für die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Die
nicht ganz 23 000 Großbetriebe über 100 Hektar umfaßten über
7 Millionen Hektar, die mehr als 4 Millionen kleinster Betriebe
(unter 5 Hektar) dagegen nur 5 Millionen Hektar.
Je kleiner der Betrieb, desto weniger Maschinen wendet
er an. Und wie langsam ist die Zunahme dieser Anwendung
im Kleinbetrieb! Man kann die Gesamtzahlen von 1907 nicht
mit denen von 1895 vergleichen, weil früher nicht so viele
Maschinengattungen gezählt wurden wie das letztemal. Wir
geben die vergleichenden Zahlen für drei wichtige Maschinen-
arten, in denen der Kleinbetrieb auffallend weit zurück ist.
Es benutzten unter 1000 landwirtschaftlichen Betrieben jeder
Größenklasse:
Größenklasse
Dampfpflüge
1895 I 1907
Dampfdresch-
maschinen
1895
1907
unter 0,5 Hektar
0,5 bis 2 Hektar
2 „ 5
5 „ 20
20 „ 100
über 100
darunter über 200 Hektar
1
53
75
1
108
164
1
7
69
318
344
1
7
129
519
824
849
3
21
52
109
166
612
736
5
47
127
191
263
741
832
Diese Zahlen bezeugen deutlich, welches Hindernis für die
Einführung der Maschine in den Landbau der Kleinbetrieb
bedeutet. Es wäre daher ganz verkehrt, wenn die Uebergangs-
wirtschaft versuchen würde, wie es schon die Friedenswirtschaft
getan, den Kleinbetrieb in der Landwirtschaft künstlich zu
fördern, Hunderte von Millionen zur Zerschlagung großer Güter
und Schaffung kleiner Bauernstellen zu verausgaben, zu Zwecken
der sogenannten „inneren Kolonisation". Das heißt jetzt, in
Zeiten der Not, nicht nur Geld verschwenden, sondern es zur
Verminderung der Produktivität der Landarbeit verausgaben,
also direkt zu einem schädlichen Zweck verwenden.
Hierher gehören auch manche Experimente, die man mit
den Kriegsinvaliden anstellen will, den „Kriegsbeschädigten",
wie das Kriegsdeutsch sie nennt, um der Gefahr zu entgehen,
einen Ausdruck des internationalen — oder zwischen-
volklichen? — Wortschatzes anzuwenden. Ich weiß nicht, ob
51
man auch die „Invalidenversicherung" künftig in „Beschädigten-
versicherung" umtaufen will.
Es wurde der Wunsch ausgesprochen, die Ansiedlung der
Kriegsinvaliden auf Zwerggütchen zu begünstigen. Den In-
validen wie der Produktivität der Landwirtschaft würde da-
durch kein Dienst erwiesen. Denn, wie schon bemerkt, sie
erheischt einen robusten, vollkräftigen Körper. Sie kann auch
einem Invaliden sehr heilsam sein als Nebenbeschäftigung, wenn
er eine auskömmliche Rente bezieht und daneben noch zu ihrer
Aufbesserung etwas Gartenarbeit, Obstbau und Geflügelzucht
treibt. Aber einen Invaliden ausschließlich auf die Landarbeit
als Erwerbsquelle anzuweisen, legt ihm zu harte Fron auf, und
hunderttausend kleiner Gütchen schaffen, auf denen die Land-
arbeit nur mit halber Kraft geleistet wird, hieße die Produk-
tivität der Landwirtschaft arg herabdrücken.
In der Praxis liefe das Experiment darauf hinaus, daß der
Invalide gedrängt würde, Weib und Kind aufs äußerste im Land-
bau anzuspannen, daß die Last seiner Erhaltung seiner Familie
aufgehalst wird.
Bisher schon überwogen im ländlichen Kleinbetrieb die
weiblichen Arbeitskräfte. Von je 1000 beschäftigten Personen
waren 1907:
Größenklasse
unter 0,5 Hektar 741 weibliche Personen
0,5 bis 2 657
2 „ 5 „ 543
5 „ 20 „ 494
20 „ 100 „ 449
über 100 , 412
darunter über 200 „ 405
Je größer der Betrieb, desto mehr überwiegen die männ-
lichen Arbeiter. In den Kleinbetrieben sind dagegen die weib-
lichen Arbeitskräfte in der Ueberzahl, am meisten in jenen
Betrieben, die nicht nur der Bodenfläche, sondern auch der
Personenzahl nach zu den kleinen gehören. Das sind jene, die
ständig nur eine Person beschäftigen. Ueber diese finden wir
folgende Zahlen in der Statistik von 1907.
52
Größenklasse
Zahl der Betriebe
mit einer Person
Von je 1000 Personen
waren weibi. Personen
0,5 bis 2
1 060 700
492 565
93 154
14 227
860
877
2 „5 „
752
5 „20 „
410
Anderthalb Millionen landwirtschaftlicher Zwergbetriebe
(unter 2 Hektar) beruhen also fast ausschließlich auf der Ar-
beit der Frauen, die 86 bis 88 Prozent ihrer Arbeitskräfte
ausmachen. Die Männer dieser Frauen sind natürlich nicht
untätig. Sie verrichten Lohnarbeit, zum nicht geringen Teil
industrieller Art. Von den Inhabern der Kleinbetriebe bis
5 Hektar waren Unselbständige in der
Größenklasse Landwirtschaft
Industrie
im Verkehr
0,5 bis 2 „
2 „5 „
367 024
160 099
17 169
752 278
305 102
65 004
104 011
32 454
8 2S6
Zusammen
544 292
1 122 384
141751
Nebenbei gesagt, nimmt die Zahl der Kleinbetriebe in der
Landwirtschaft nur zu dank der nebenberuflichen Tätigkeit der
Industriearbeiter in ihr. Die Zahl der Inhaber oder Leiter land-
wirtschaftlicher Betriebe, die in ihrem Hauptberuf Landwirt-
schaft betreiben, hat von 1895 bis 1907 um 245 125 abge-
nommen, darunter 74 710 Selbständige. Dagegen ist die Zahl
der Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, die in der Industrie,
beziehungsweise dem Verkehr als Unselbständige tätig waren,
in dem genannten Zeitraum um 337 046 und 44 096 gewachsen,
zusammen um 381 142.
Will man die Invaliden aufs Land versetzen, nicht damit
sie selbständige Landwirtschaft treiben, sondern als billige Lohn-
arbeiter den verschiedenen Unternehmungen auf dem Lande zur
Verfügung stehen?
Wir haben nicht den mindesten Grund, die Vermehrung
der Kleinbetriebe auf dem Lande zu fördern. Wir haben auch
keinen Grund, es verhindern zu wollen, daß einzelne Güter
ihre Fläche vergrößern, was nach dem Kriege vielfach vor sich
gehen dürfte.
53
Wohl ist durch ihn der Bauernstand nicht in der Weise
ökonomisch ruiniert worden wie das Handwerk. Aber immer-
hin sind viele Tausende von Inhabern kleiner Landwirtschafts-
betriebe gefallen, andere Tausende so verstümmelt oder ge-
schwächt, daß sie harte Landarbeit aufgeben und einen leichteren
Beruf suchen müssen. Wer soll die verwaisten Gütchen über-
nehmen? Landarbeiter, die mit Hilfe ihrer Ersparnisse sich
zu Grundbesitzern aufschwingen wollen? Aber den Land-
arbeitern, den feldgrauen wie den zurückbleibenden, brachte der
Krieg nicht reichlichen Gewinn.
Wohl aber den Grundbesitzern, namentlich den großen, die
er mit billigen Arbeitskräften versah, den Kriegsgefangenen,
und denen er hohe Preise für ihre Produkte brachte. Sie sind
im Kriege ihre Hypothekenschulden losgeworden, sie haben
noch Ersparnisse in Genossenschaften und Banken angehäuft.
Sie werden jede Gelegenheit benutzen, ihre Betriebe durch An-
kauf freiwerdenden Grundbesitzes zu erweitern.
Es liegt nicht im Interesse der Produktivität der Landwirt-
schaft, diesen Prozeß zu stören.
4. Die Landwirtschaft der Dorfgemeinde
Welche Ausdehnung das Wachstum einzelner Güter ge-
winnen wird, ist natürlich nicht abzusehen. Indes ist nicht
anzunehmen, es werde so weit gehen, daß die Bedeutung des
Kleinbetriebes für die Landwirtschaft fühlbar eingeschränkt
würde. Die Betriebe unter 20 Hektar umfaßten in Deutsch-
land 1907 beinahe die Hälfte der landwirtschaftlich benutzten
Fläche — 48,5 Prozent — , die Betriebe von 5 bis 20 Hektar
fast ein Drittel — 32,7 Prozent.
In der Landwirtschaft geht es aber nicht so wie in der
Industrie, daß man die Produktivität eines Produktionszweiges
durch Stillegung der rückständigen Betriebe und Konzentrierung
der Produktion auf die höchstentwickelten steigern kann. Der
Grund und Boden ist für die Landwirtschaft das wichtigste
Produktionsmittel, auch nicht das kleinste benutzbare Stück
seiner Fläche darf ungenutzt bleiben. Und ein schlecht kul-
tivierter Boden liefert immer noch mehr, als ein gar nicht
kultivierter.
54
Weit entfernt, landwirtschaftliche Betriebe stillzulegen,
wird man vielmehr trachten müssen, die Kulturfläche noch
auszudehnen.
Vor dem Kriege war sie merkwürdigerweise im Deutschen
Reiche im Abnehmen statt im Zunehmen, trotz der Kultivierung
von Mooren und Heiden, der Trockenlegung von Sümpfen und
anderen Meliorationen. Die landwirtschaftlich benutzte Fläche
hat sich im Zeitraum von 1895 bis 1907 von 32 518 000 auf
31 835 000, also um 683 000 Hektar vermindert.
Die zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse der land-
wirtschaftlichen Betriebsstatistik, herausgegeben vom Kaiser-
lichen Statistischen Amt (1912), betrachtet diese Minderung
zum Teil als bloß formale, da 1907 die „reichen Weiden"
schärfer definiert wurden als 1895. Doch kann das keine große
Verschiebung der Zahlen bedeutet haben. Die Darstellung
fährt fort:
„Weiter dürfte neben diesem formalen Grund auch die seit 1895
bedeutend gewachsene Vergrößerung der Städte, die umfangreichen
Anlagen von gewerblichen Betrieben auf dem Lande, Bahn- und
Wegebauten, die Anlage von Militärschießplätzen und die
Aufforstung von im Jahre 1895 landwirtschaftlich benutzten
Flächen die Verminderung der landwirtschaftlichen Fläche verursacht
haben." (Seite 10.)
Das Wachsen, im statistischen Amtsdeutsch ,,die gewachsene
Vergrößerung" der Städte, der Bahnbauten, der Industrie auf
•dem Lande läßt sich nicht verhindern.
Anders steht es mit der Verringerung der Anbaufläche
durch militärische Zwecke — Schießplätze, Exerzierplätze,
Festungsbauten und dergleichen — sowie der Aufforstung von
Kulturboden, um den Reichsten der Reichen die Gebiete ihres
Jagdvergnügens zu vergrößern.
Letzteres scheint die Hauptursache der Verminderung des
landwirtschaftlich benutzten Bodens zu sein, denn die anderen
hier genannten Faktoren mußten nicht nur diesen, sondern
die Gesamtfläche der Landwirtschaftsbetriebe einschränken.
Deren Gesamtfläche nahm jedoch weit weniger ab, als die
Kulturfläche. Jene um 178 000 Hektar, diese um 683 000
Hektar. Es gab Gegenden, in denen die von den Betrieben
55
eingenommene Gesamtfläche wuchs und trotzdem die von ihnen
landwirtschaftlich benutzte Fläche abnahm. So finden wir in
Zunahme
Abnahme
der
der
Gesamtfläche
Kulturfläche
Hektar
Hektar
33 135
388 000
152 184
32 570
3 679
7 432
9 829
14 878
46 270
20 211
9 268
5 796
4 296
366
Preußen
Baden
Hessen
Schwarzwaldkreis (Württemberg)
Mecklenburg-Schwerin
Braunschweig
Unter-Elsaß
Eine allgemeine Abrüstung würde die Beanspruchung des
Kulturbodens durch den Militarismus sehr einschränken. Vor
allem aber hätte die Uebergangswirtschaft Ursache, alle land-
wirtschaftlich nutzbare Fläche, die der Jagdlust hoher Herren
zum Opfer fiel, der Lebensmittelproduktion wieder zuzuführen»
Das geht freilich nicht ohne starke Demokratie.
Muß man trachten, allen verfügbaren Kulturboden der
Bodenkultur zuzuführen, so muß man andererseits auch alles
aufbieten, daß diesem Boden die höchstmöglichen Erträge ab-
gewonnen werden. Mögen auch die Kleinbetriebe der Land-
wirtschaft in der Ausnutzung der Maschinen noch so sehr hinter
den Großbetrieben zurückstehen, die Staatsgewalt wird die
Aufgabe haben, sie soviel wie möglich mit Maschinen zu ver-
sorgen.
Es wäre jedoch technisch ebenso unmöglich wie wider-
sinnig, wollte man jeden Kleinbauern mit den Maschinen ver-
sehen, die er anwenden kann und soll und ihn zu ihrem Privat-
eigentümer machen.
Wir haben schon darauf hingewiesen, daß die meisten
Maschinen der Landwirtschaft, namentlich die dem Feldbau
dienenden, nicht an einen Ort gefesselt sind, sondern zur Orts-
veränderung geeignet sein müssen. Auch werden sie meist
nicht ständig, sondern nur zu gewissen Zeiten gebraucht. Es
besteht daher im Gegensatz zur Industrie in der Landwirtschaft
die Möglichkeit, dieselbe Maschine nacheinander in ver-
56
sclnedenen Betrieben funktionieren zu lassen. Von dieser
Möglichkeit wird auch reichlich Gebrauch gemacht, namentlich
bei den Dampfdreschmaschinen und den Dampfpflügen. Erstere
wurden 1907 in 488 900 Betrieben angewandt, von denen aber
nur 19 800 eigene Dampfdreschmaschinen besaßen. Letztere
fanden in 2995 Betrieben Anwendung, aber nur 415 von diesen
verfügten, über eigene Dampfpflüge. Darunter ein Betrieb aus
der Größenklasse zwischen 5 bis 20 Ar, der den eigenen Dampf-
pflug sicher nicht anzuwenden vermochte. Ferner verzeichnet
die Statistik drei Betriebe in der Größenklasse von 1 bis 2
Hektar mit vier Dampfpflügen, also einen mit zweien dieser
Ungetüme, ebenso in der Größenklasse von 3 bis 4 Hektar
zwei Betriebe mit drei, in der Klasse von 4 bis 5 Hektar drei
Betriebe mit vier Dampfpflügen. Daß diese alle ihre Pflug-
maschinen nur deshalb erworben hatten, um fremde Felder da-
mit zu pflügen, ist klar.
Allgemeine Anwendung wird der Dampfpflug nicht finden,
auch nicht im Großbetrieb. Nicht überall sind seine Vor-
bedingungen gegeben. Naben ihm kommt der elektrische Pflug
dort in Betracht, wo elektrische Ueberlandzentralen einge-
richtet sind. Doch hat er sich noch wenig eingebürgert. Da-
gegen findet raschen Eingang der von einem Verbrennungs-
motor gezogene Pflug, der auch auf kleineren Flächen anwend-
bar ist. In Amerika hat er schon vor dem Kriege weite Ver-
breitung gefunden. Der Arbeiter- und Pferdemangel verhilft ihm
zu raschem Vordringen auch in Deutschland.
So berichtet z. B. die „Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure" (1915):
„Bei der Feldbestellung Ostpreußens nach Vertreibung der
Russen wurden in großem Umfang Motorpflüge verwendet. Nur da-
durch wurde es möglich, die Gegenden zu bestellen, in denen Men-
schen, Wagen und Pferde fehlten. Mit Hilfe eines beträchtlichen
Staatsdarlehns wurden deshalb 123 Motor- und 12 Dampfpflüge an-
gcschafit, die den Landwirten gegen jährliche Ratenrückzahlung ge-
geben wurden. Außerdem wurden durch die Militärverwaltung mit
29 Motorpflügen die ganz verlassenen Gegenden beackert. Bisher
sind von den für derartige Zwecke zur Verfügung stehenden 5,8 Mil-
lionen Mark 3,5 Millionen Mark verausgabt worden. Es steht zu
erwarten, daß sich in den nächsten Jahren Motorpilüge in der Land-
wirtschaft weiter einbürgern werden." (Seite 1047.)
57
Aus Frankreich berichtet dieselbe Zeitschrift (März 1917):
„Der französische Landwirtschaftsminister hat einen Ausschuß
ernannt, der die Aufgabe hat, zu untersuchen, wie die aus dem
Heeresdienst ausgeschiedenen Motorwagen am zweckmäßigsten zur
Förderung der Bodenkultur verwendet werden können. Man schlug
vor, namentlich von Wagen mit beschädigtem Untergestell die Mo-
toren den Landwirten zum Betrieb ihrer Maschinen zur Verfügung
zu stellen. Um diesen Bestrebungen bei der Landbevölkerung in
möglichst großem Umfang Eingang zu verschaffen, ist durch Erlaß
des Präsidenten in Noisy-le-Grand auf einem 130 Hektar großen
Landgut eine Schule geschaffen .... Die Schüler werden als Me-
chaniker ausgebildet und erhalten Unterricht im Bedienen landwirt-
schaftlicher Maschinen und Motoren. Außerdem soll die Anstalt Ver-
suche mit neuen Maschinen anstellen und Musterkurse zum Bekannt-
machen und Fördern der Motorkultur bei den Landwirten veran-
stalten. Hierbei sind drei Gesichtspunkte maßgebend: die fehlenden
menschlichen und tierischen Arbeitskräfte sollen durch mechanische
Kraft ersetzt, die ausgemusterten Heereskraftfahrzeuge nach Möglich-
keit ausgenützt und Kriegsbeschädigte für derartige Arbeiten ausge-
bildet werden." (Seite 300.)
Zurzeit ist freilich die Zahl der Motorpflüge in Frank-
reich noch gering. Im April 1918 fand in Noisly-le-Grand ein
staatlicher Motorkulturwettkampf statt, bei dem Angaben über
den Stand der französischen Motorkultur gemacht wurden.
Es wurde berechnet, daß Frankreich 17 000 bis 20 000 Motor-
pflüge nötig hätte, daß aber nur 1000 vorhanden sind, von
denen die eine Hälfte in staatlichem, die andere in privatem
Besitz.
Für Deutschland ist mir eine derartige Statistik nicht
bekannt.
Nach dem Kriege wird man mechanische Pflüge in großen
Mengen brauchen. In dem Sammelwerk über ,, Arbeitsziele der
deutschen Landwirtschaft nach dem Kriege" (Berlin 1918) sagt
Prof, Gust. Fischer:
„Wenn die mechanischen Pflüge schon im Frieden in größeren
Betrieben nicht zu entbehren waren, um die Ackerung gut und recht-
zeitig auszuführen, so kann man sagen, daß unsere Ernährung im Kriege
ohne die Dampf- und Motorpflüge ganz undurchführbar gewesen wäre.
Sobald in ruhigeren Zeiten die Schwierigkeiten in der Herstellung der
mechanischen Pflüge und in der Beschaffung ihrer Betriebsmittel wieder
verschwinden, muß die Benutzung der Dampf- und Motorpflüge noch
weit mehr gesteigert werden, um dem Mangel an Zugtieren und Men-
schen abzuhelfen." (Seite 754.)
58
Nachdem er dann ausgeführt, ,,daß das eigentliche An-
wendungsgebiet des Dampfpfluges der Großbetrieb ist" (S. 755)
und daß ,, weder die elektrischen noch die Motorpflüge bisher
die leichten Antriebsmaschinen für Ackerarbeiten haben bringen
können, die für kleinere Wirtschaften gewünscht werden"
(S.763), fährt er fort:
„Die Unentbehrlichkeit der Motor- und Dampfpflüge hat sich im
Kriege, besonders aber im Frühjahr 1917, aufs deutlichste erwiesen.
. . . Wo keine Kraftpflüge zur Verfügung stehen, ist es unvermeidlich,
daß die Bodenkultur unter dem Mangel an Arbeitskräften leidet, daß
der Acker verqueckt und nicht tief genug gelockert wird. Ohne Zweifel
ist während des Krieges in dieser Hinsicht manches versäumt worden,
und es bedarf einiger Jahre energischer Arbeit, um nur den alten
Kulturzustand, der außerdem durch mangelhafte Düngung gelitten hat,
wiederherzustellen. Um ihn darüber hinaus noch auf eine höhere
Stufe zu bringen, wird erst recht die Heranziehung der Kraftpflüge
notwendig sein." (Seite 763, 764.)
Natürlich wäre es unmöglich, jedem Bauern einen Motor-
pflug zuzuweisen. Und selbst wenn es ermöglicht würde, be-
deutete es eine sinnlose Verschwendung, die man sich gerade
nach dem Kriege am wenigsten gestatten darf.
Wohl gibt es bereits solche Pflüge für kleine Betriebe, aber
die größeren sind weit wirksamer. Diese vermögen 4 bis 6,
die kleineren nur 1,5 bis 2,5 Hektar im Tage zu pflügen.
Ein Pflug mit zwei Pferden freilich im Durchschnitt nur ein
halbes Hektar.
Außerdem aber erheischt der Motorpflug einen geschulten
Führer. In einem Artikel über Motorpflüge in der nun schon
mehrfach zitierten ,, Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure"
(Januar 1916) sagt Professor Fischer:
„Die Benutzung der Motorpflüge setzt voraus, daß der Führer die
Kenntnisse für ihre Führung und Wirkung erworben hat. Aber das ist
auch bei anderen landwirtschaftlichen Maschinen der Fall und wird
dazu beitragen, daß die Landwirte immer mehr die Notwendigkeit der
Einstellung eines tüchtigen Maschinisten einsehen, der in einem größeren
Betriebe kaum noch entbehrt werden kann." (Seite 72.)
Wo der Motorpflug von kleineren Betrieben angewandt
wird, geschieht es am besten von einer Vereinigung solcher
Betriebe. Wie für andere landwirtschaftliche Maschinen haben
sich auch für die Motorpflüge Genossenschaften gebildet, die
59
sie anschaffen und an ihre Mitglieder verleihen. Indessen sollte
man dort, wo man von Staats wegen die Verbreitung der Motor-
kultur fördern will, nicht von solchen privaten, zufälligen
Vereinigungen ausgehen, sondern die Pflüge einzelnen Ge-
meinden zuweisen, in denen die nötigen Vorbedingungen
für ihre Anwendung zu finden sind. Die Gemeinde könnte
dann die gesamte Feldflur ihres Gebietes mit dem Motor be-
ackern, wie heute schon arme Bauern, die über kein eigenes
Gespann verfügen, ihre kleinen Felder von einem Nachbar
pflügen lassen, der ein oder zwei Pferde besitzt, oder wie
größere Grundbesitzer einen fremden Dampfpflug leihen.
Wo aber die Gemeinde den einzelnen Bauern bei der Pflug-
arbeit ausschaltet und diese für ihr ganzes Gebiet besorgt, da
liegt es nahe, daß es so kommt, wie Genosse Hofer im preußi-
schen Abgeordnetenhaus schon vor dem Kriege (30, Januar 1914)
ausführte:
„Wenn die Motorpflüge erst in Tätigkeit treten, dann sehen die
Bauern auch bald, daß ihre kleinen Felder, ihre Grenzen zu eng ge-
worden sind. Sie stoßen überall an den Ecken an, und sie werden
überall auf diesem Wege dahin kommen, daß sie ihre Flächen zu-
sammenlegen."
Jedes Wenden bedeutet für den Motorpflug einen Zeit-
verlust, einen Kraftverlust. Die Raine bedeuten einen Verlust
an Boden sowie an Saatgut, das auf sie fällt. Die Ecken machen
ein Nachhelfen mit Handarbeit erforderlich. Je größer die zu-
sammenhängende Fläche, die zu pflügen ist, desto besser kann
der Motorpflug ausgenutzt werden.
Im Interesse der Produktivität der landwirtschaftlichen Ar-
beit wird also die Uebergangswirtschaft die Zusammenlegung
der Flächen zu fördern haben. Es wäre jedoch höchst un-
zweckmäßig, wenn jeder einzelne Bauer nach vollzogener
Pflügung wieder sein Feldstück abgrenzen und für sich be-
pflanzen wollte. Die logische Folge der Zusammenlegung der
Fläche ist nicht bloß ihre gemeinsame Beackerung, sondern
ihre Bewirtschaftung überhaupt nach einem gemeinsamen kom-
munalen Plan.
In gewissem Sinne wäre das gar nichts Neues. In der alten
Markgenossenschaft galt schon für alle auf gleicher Flur lie-
genden Felder der Dorfgenossen der Flurzwang, das heißt die
60
Pflicht, die gleiche Frucht anzubauen. Wohl bewirtschaftete
dabei jeder Bauer sein Feld für sich, aber nach der Ernte wurden
alle Grenzen zwischen ihnen aufgehoben und ihre zusammen-
hängende Fläche in gemeinsame Weide verwandelt.
Nun gilt es, diese markgenossenschaftliche Wirtschaft den
modernen Verhältnissen, dem Maschinenbetrieb, anzupassen. Das
Endergebnis wäre, daß Haus, Hof und Garten von Bauern wohl
privat bewirtschaftet würden, wie sie auch in der Mark-
genossenschaft volles Privateigentum waren, der Feldbau da-
gegen mit den Arbeitskräften der Gemeinde gemeinsam be-
trieben würde. Sein Produkt oder der Erlös dafür könnte dann
unter die einzelnen Bauern je nach dem Anteil, den ihre Arbeit
oder ihr Boden an dem Ertrag hatte, verteilt werden.
Selbst bürgerlichen Autoren drängt der Zwang der Not ähn-
liche Vorschläge auf.
Wir haben bereits auf das Sammelwerk über „Arbeitsziele
der deutschen Landwirtschaft nach dem Kriege" hingewiesen.
Dort fordert Friedrich v. Braun, Präsident des Kriegsernährungs-
amts, zwingende staatliche Vorschriften für die Düngung, die
Saatgutwahl und die Bekämpfung der Pflanzenkrankheiten (S. 7).
„Die Herstellung von Stickstoff geschieht jetzt unter staatlicher
Führung, und eine ähnliche Entwicklung ist bei der Kaliindustrie vor-
gezeichnet. Von da bis zur öffentlichen Zuweisung des festgestellten
Bedarfs an künstlichem Dünger für alle landwirtschaftlich benutzten
Grundstücke unter Einziehung der Kosten als öffentliche Last des
Grundstücks ist kein weiter Weg." (S. 8, 9.)
,,Es erscheint die Frage berechtigt, warum man nicht bei der Aus-
wahl des Saatguts dieselbe staatliche Einwirkung anwenden soll wie
bei der Körung der Zuchttiere. Sie ist für die Volkswirtschaft zum
mindesten von der gleichen Wichtigkeit und die Vorbedingung für den
raschen Erfolg . . . Man kann sich die Entwicklung so denken, daß für
den Bezirk jeder unteren Verwaltungsbehörde ein Körausschuß unter
dem Vorsitz des Landwirtschaftslehrers oder des Saatgutinspektors ge-
bildet wird, der nicht nur die Auswahl des für die Gegend geeigneten
Saatguts vorzunehmen, sondern auch für die kleineren Betriebe das
Saatgut gemeinschaftlich zu schaffen und vor der Ausgabe gemeinsam
zu behandeln hätte." (S. 9, 10.)
Endlich die staatliche Bekämpfung der Pflanzenschädlinge
sei schon begonnen, brauche nur energischer ausgebaut zu
werden, wie es in anderen Ländern schon geschähe, wie in
61
den Vereinigten Staaten, wo man Felder, die nicht von Un-
kräutern rein gehalten werden, rücksichtslos von Staats wegen
umpflügt.
In der früher schon zitierten, von der ,, Gesellschaft für
soziale Reform" herausgegebenen Schrift über „Soziale Fragen
der Uebergangswirtschaft", betitelt: ,,Der Tag der Heimkehr",
berichtet Dr. W. Bisselberg über „Die Bereitstellung von Arbeit
durch Intensivierung und Mechanisierung der Landwirtschaft",
da fordert er unter anderem:
„Wie für die anderen Gewerbe, müssen für die Landwirtschaft
schon jetzt zur Verteilung der Arbeiter Wirtschaftspläne auf-
gestellt werden , . .
Die Wirtschaftspläne sind von den Kriegswirtschaftsämtern mit
den Kommunalverwaltungen oder doch wenigstens durch
deren Vermittlung und unter ihrer Verantwortung festzusetzen.
Die kleinen landwirtschaftlichen Besitzer sind unter der Führung
der Kreisverwaltungen, am besten in Anlehnung an Großbetriebe, ge-
nossenschaftlich zusammenzuschließen.
Das Wort Produktionszwang klingt zwar auch nichtland-
wirtschaftlichen Ohren noch unheimlich, aber auch praktische Land-
wirte glauben, daß wir im öffentlichen Interesse ohne eine planmäßige
Regelung der Düngung und der Bewirtschaftung (was übrigens im
Interesse der Besitzer liegen würde, wie auch die Erfahrungen der
brandenburgischen Ritterschaft gezeigt haben), unter Umständen selbst
auf dem Zwangswege, nicht mehr auskommen können." (Seite 14, 15.)
Das wäre immer noch keine sozialistische Wirtschaft. Der
besitzende Bauer bekäme mehr als der besitzlose Landarbeiter.
Die Produktion geschähe immer noch zum Verkauf, für den
Markt. Die Triebkraft der Produktion wäre immer noch der
Mehrwert, in den beiden Erscheinungsformen des Profits und
der Grundrente.
Diese Regelungen bedeuten noch nicht Uebergang zum
Sozialismus, sie gehören noch in das Gebiet der Uebergangs-
wirtschaft, die wir hier behandeln. Sie sind ein Mittel, ohne
Veränderung der Grundlagen der bestehenden Gesellschaft die
Produktivkraft der bäuerlichen Landwirtschaft aufs höchste zu
steigern, ihr eine Reihe von Vorteilen des Großbetriebes zu-
gänglich zu machen.
Immerhin bedeuten aber diese Regelungen einen erheblichen
Schritt in der Richtung zu sozialistischer Landwirtschaft, die
62
auf der Basis des Kleinbetriebes unmöglich ist. Zwei weitere
Schritte wären dann noch notwendig, um die Dorfwirtschaft in
sozialistische Wirtschaft zu verwandeln: Einmal die Ver-
staatlichung der Feldflur, der Ankauf der Anteile
der einzelnen Bauerngüter an dieser Flur durch den Staat. Haus,
Kof und Garten könnnten auch dabei noch Privateigentum
bleiben. Der moderne Kommunismus ist nicht der urchristliche.
Er verlangt die Gemeinschaft der Produktionsmittel, die der
kapitalistischen Warenproduktion dienen, nicht die Gemeinschaft
der Haushaltungen.
Der Ankauf des Ackerlandes durch den Staat brauchte kein
gewaltsamer, er könnte ein allmählicher sein. Die Festsetzung
des Vorkaufsrechts des Staates bei jedem Besitzwechsel würde
genügen.
Je größer der Anteil des Staates an der Bodenfläche wird,
desto mehr fällt ihm alles weitere Wachstum der Grundrente
zu, desto mehr wird der Anteil des einzelnen Gemeindegenossen
am Gemeindeprodukt bloß nach der Arbeit bemessen werden,
die er dabei aufgewandt hat, und nicht nach der Größe seines
Besitzes.
Der andere Schritt in der Richtung zur Sozialisierung der
Landwirtschaft, der noch zu tun wäre, bestände darin, daß die
Gemeinde nicht mehr für den Markt zu produzieren hätte, son-
dern für die Gemeinschaft, für den Bedarf der Bevölkerung,
durch Vermittlung der Staatsverwaltung.
Auch das könnte bereits durch die Uebergangswirtschaft
vorbereitet werden.
Schon während des Krieges wäre es dringend nötig gewesen,
die landwirtschaftliche Produktion direkt in den Dienst der Ge-
samtheit zu stellen. Es ist das, trotz der Not der Zeit, nirgends
gelungen, dank der Macht der Agrarier — nicht der Landwirt-
schaft, sondern des Grundbesitzes, des Privateigentums am
Boden, was etwas ganz anderes ist. Aber auch ohne dieses so-
ziale Moment wäre die Leitung der landwirtschaftlichen Pro-
duktion durch Organe der Gemeinschaft aus technischen Grün-
den dort gescheitert, wo der Kleinbetrieb vorherrscht. Die 4621
größten Betriebe (über 100 Hektar) mit 1 930 000 Hektar Land
in Pommern könnte man durch Organe des Staates oder der
Provinz überwachen, aber doch nicht die 538 000 kleineren Be-
63
triebe (unter 100 Hektar) der Rheinprovinz mit ihren 1300 000
Hektar landwirtschaftlicher Fläche.
Zu den stärksten Eingriffen des Staates in den landwirt-
schaftlichen Betrieb (der wohl zu unterscheiden ist vom land-
wirtschaftlichen Besitz) während des Krieges ist es nicht in
Rußland gekommen, dem Lande der proletarischen Revolution,
aber auch eines riesenhaften zahlenmäßigen Uebergewichts der
Bauernschaft. Auch nicht im Deutschen Reich, dessen staatliche
Organisation und dessen Unterordnung aller privaten Bedürf-
nisse unter die Forderungen der Kriegführung so sehr erhoben
wird, sondern in England, dem Lande des Freihandels, des
,,Manchestertums", aber auch des zahlenmäßig überwiegendsten
Großgrundbesitzes und Großbetriebes auf der einen Seite
und der — wenn sie nur will! — stärksten Arbeiterklasse
und der größten Ueberzahl der städtischen über die ländliche
Bevölkerung auf der anderen Seite. Im Deutschen Reiche macht
diese noch 40 Prozent der Bevölkerung aus, in England nur
mehr 22.
Die Engländer schrecken nicht davor zurück, durch das
Landwirtschaftsministerium (Board of agriculture) Betriebs-
inspektoren einsetzen zu lassen, die die einzelnen landwirtschaft-
lichen Betriebe zu überwachen haben. Das würde an sich noch
wenig bedeuten. Doch sollen sie das Recht bekommen, bei
unwirtschaftlich arbeitenden Betrieben die Leitung selbst in die
Hand zu nehmen. Der private Unternehmer ist dadurch noch
nicht ausgeschaltet, aber nur der tüchtig gebildete und ge-
wissenhafte Unternehmer soll künftighin in der Landwirtschaft
geduldet werden.
Derartiges muß ebenfalls bei uns im Interesse der größt-
möglichen Produktivität der Landwirtschaft gefordert, es müssen
ihr auch die Produkte, die sie zu erzeugen hat, vorgeschrieben
werden. Daß läßt sich unschwer bei dem Großbetriebe durch-
führen, nicht aber bei den unzähligen Kleinbetrieben. Auch da
würde der kommunale Landbau die Aufgaben der Uebergangs-
wirtschaft sehr erleichtern.
Der Satz, daß die Ueberwachung und Leitung der Land-
wirtschaft beim Großbetrieb unschwer durchzuführen sei, ist
natürlich nur in technischem, nicht sozialem oder politischem
Sinne gemeint. Da wird ein verzweifelter Widerstand des agra-
64
Tischen Interesses zu überwinden sein. Aber hier untersuchen
wir nicht die Aussichten der Uebergangswirtschaft, die noch
ganz unberechenbar sind, sondern die Forderungen, die
im Interesse des Proletariats und der Gesamtheit an sie zu
stellen sind, für die wir zu kämpfen haben.
Mit Recht weisen die Agrarier darauf hin, daß die Land-
wirtschaft die Grundlage des ganzen gesellschaftlichen Ge-
bäudes, der wichtigste aller Produktionszweige ist. Aber es ist
ganz widersinnig, wenn sie daraus schließen, die Gesellschaft
habe den heutigen Herren dieses Produktionszweiges nun die
ausschweifendsten Privilegien zu gewähren, ihnen Arbeitskräfte
zwangsweise zuzuführen und die fettesten Profite zu sichern,
um sie an der Versorgung ihrer Wirtschaft zu interessieren. Diese
Methode entspricht den Interessen der für die Gesellschaft un-
nützen Privateigentümer am Boden, nicht dem Interesse der
Gesellschaft selbst. Dieses Interesse erheischt vielmehr aufs
dringendste, gerade wegen der Bedeutung der Landwirtschaft,
daß sie unabhängig wird von der Willkür des Privateigentums
und direkt unter gesellschaftliche Kontrolle kommt, und daß
an Stelle unproduktiver Zwangsarbeit die produktive gern ge-
leistete Arbeit tritt.
5. Städtische Landwirtschaft
Neben der Landwirtschaft der Dorfgemeinden kommt noch
eine andere Art kommunaler Landwirtschaft in Betracht, die
der Stadtgemeinden, die auch in der Uebergangswirtschaft an
Bedeutung gewinnen dürfte als Mittel, die Ernährung der städti-
schen Bevölkerung zu erleichtern, ihr die Vorteile des ,, Selbst-
versorgers" bis zu einem gewissen Grade zugänglich zu machen.
Schon vor dem Kriege waren Ansätze zu solcher Art Land-
wirtschaft vorhanden. Auf der einen Seite mußten die Stadt-
gemeinden Grund und Boden aus technischen Gründen, z. B.
Rieselfelder, erwerben, den sie nicht brach liegen lassen wollten.
Anderseits drängte das Steigen der Lebensmittelpreise und das
Wachsen der Ernährungsschwierigkeiten der Stadtgemeinden da-
zu, wenigstens einem Teil ihrer Bevölkerung gute und billige
Nahrungsmittel zuzuführen, entweder durch Verträge mit den
Kautsky, Landwirtschaft 5 ^5
Produzenten oder durch eigene Produktion. In der Zeit der
Uebergangswirtschaft wird der Antrieb zu solchem Vorgehen
durch die hohen Preise und die gesteigerte monopolistische
Stellung des Grundbesitzes sehr verstärkt werden.
Diese städtische Landwirtschaft wird sich von jener der
Dorfgemeinden schon nach den Hauptobjekten ihrer Produktion
unterscheiden. Es wird sich da das Thünensche Gesetz geltend
machen, mit den Modifikationen, die die moderne Technik des
Transports und der Konservierung an ihm hervorbringt.
Die städtische Landwirtschaft muß ihr Schwergewicht auf
die Erzeugung von Produkten legen, die weiten Transport schwer
vertragen und die von der Landwirtschaft ohne jede Zwischen-
stufe in den Haushalt übergehen, also vor allem Milch und Ge-
müse. Die Dorfgemeinde wird eher Produkte herstellen, die
einen längeren Transport sowohl technisch wie ökonomisch sehr
wohl vertragen und die nicht direkt vom Produzenten in den
Haushalt eingehen, sondern noch eine oder mehrere Zwischen-
stufen passieren müssen, also vor allem Getreide, Milch, die in
Butter und Käse verwandelt wird, Magervieh, Gemüse für Kon-
servenfabriken, Rüben für Zuckerfabriken usw.
Doch nicht nur in den Objekten der Produktion unter-
scheidet sich die Landwirtschaft der bäuerlichen von der der
Stadtgemeinde, sondern auch in ihrer sozialen Bedeutung. Kann
die Landwirtschaft der Dorfkommune noch Warenproduktion,
getrieben von dem Streben nach Mehrwert, das heißt Profit und
Grundrente, bleiben, so ist die Landwirtschaft der Stadt-
gemeinde, soweit sie nicht fiskalischen Zwecken dient, direkt auf
die Befriedigung des Bedarfs ihrer Bewohner gerichtet, ohne jede
Absicht auf Profit. Sie gewinnt damit bereits sozialistischen
Charakter.
Beide Arten der Landwirtschaft sind von der Uebergangs-
wirtschaft zu fördern. Soweit sie sich durchsetzen, werden sie
aber solche Vorteile bieten, daß sie mit dem Stadium des Ueber-
ganges nicht wieder verschwinden, sondern sich über dieses hin-
aus erhalten und weiterentwickeln werden. Sie liegen in der
Linie der Entwicklung. Ihre größten Schwierigkeiten finden sie
im Anfang.
Die Uebergangswirtschaft wirft so vieles Alte und Her-
kömmliche über den Haufen, mehr noch, als es der Krieg selbst
66
bewirkt, weil sie mit diesem den Notstand teilt, gleichzeitig aber
den Kampf der Klassen im Innern in voller Macht, ohne jede
Ablenkung durch äußere Bedrängnis, wirken läßt. Sie kann am
ehesten den Anstoß geben, diese schwersten ersten Schritte zu
wagen. Für die Landwirtschaft würde so die Zeit der Ueber-
gangswirtschaft eine Zeit, die nicht nur den Uebergang vom
Kriegszustand in den Friedenszustand vollzöge, sondern auch
den Uebergang von privater zu gesellschaftlicher Landwirtschaft
anbahnte.
Daran ist heute, nach den Erfahrungen der letzten Jahr-
zehnte, nicht mehr zu zweifeln, daß die Entwicklung der Land-
wirtschaft eine andere ist, als die der Industrie. Wenn wir
Marxisten im Verein mit einem großen Teil der bürgerlichen
Oekonomie ehedem annahmen, der Großbetrieb werde in der
Landwirtschaft den gleichen Siegeszug antreten wie in der In-
dustrie, so beruhte das auf wohl beobachteten Tatsachen, deren
Bedeutung wir jedoch überschätzten. Das habe ich bereits vor
20 Jahren in meiner ,, Agrarfrage" anerkannt. Ich habe dort je-
doch auch schon die entgegengesetzte Anschauung zurück-
gewiesen, als gingen wir dem Ende des landwirtschaftlichen
Großbetriebes, dem Siege des Kleinbetriebes entgegen:
„So wenig wir in der Landwirtschaft auf eine rasche Aufsaugung
der Kleinbetriebe durch die Großbetriebe rechnen dürfen, so haben
wir noch weniger Ursache, den entgegengesetzten Prozeß zu erwarten."
(Seite 298.)
Eine Reihe von Sozialisten haben daraus, daß der Groß-
betrieb in der Landwirtschaft nicht vorschreitet, geschlossen,
eine sozialistische Landwirtschaft sei unmöglich, der Sozialis-
mus werde bloß in der Industrie zur Herrschaft kommen — und
sie nehmen an, auch da erst nach ein paar hundert Jahren. In
Wirklichkeit folgt aus dem verschiedenen Gange der Entwick-
lung in Landwirtschaft und Industrie nur, daß der Weg zum
Sozialismus hier ein anderer sein wird als dort.
In der Stadt wird er vorbereitet und unerläßlich gemacht
durch das Vorschreiten des Großbetriebes, der das Proletariat
immer mehr zur zahlreichsten Klasse macht, zugleich aber das
Streben des einzelnen Proletariers, sich zum Privateigentümer
eines Kleinbetriebes emporzuarbeiten, immer aussichtsloser und
sinnloser erscheinen läßt. Seine Kraft entwickelt das industrielle
67
Proletariat im Klassenkampf, dessen Ausgangspunkt der Kampf
um die Arbeitsbedingungen ist, dessen Ziel die Enteignung der
Kapitalisten durch die Gesellschaft wird.
Auf dem flachen Lande nimmt der proletarische Klassen-
kampf nicht die gleiche Ausdehnung und Intensität an. Die
Zahl der Proletarier nimmt da nicht auffallend zu, und dem
Proletarier erscheint das Streben nach Erringung eines Klein-
betriebes nicht so aussichtslos und sinnlos wie in der Industrie.
Sein Kampf gegen den großen Grundbesitz geht da weniger auf
dessen Verstaatlichung als auf dessen Verteilung aus, also
auf Vermehrung und Verstärkung des Privateigentums am
Boden, nicht auf Verdrängung dieses Eigentums durch gesell-
schaftliches.
Diesem Streben wirkt entgegen die fortschreitende In-
dustrialisierung der Landwirtschaft in ihren beiden Formen, der
einen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb in Verbindung mit
einem industriellen bringt, und der anderen, die kleine Land-
wirte in Lohnarbeiter einer auf dem Lande erwachsenden In-
dustrie verwandelt. Damit werden die sozialistischen Tendenzen
der Industrie dem flachen Lande nähergebracht.
Darauf wies ich schon in meiner „Agrarfrage" hin. Seit-
dem ist aber noch ein neuer, gewaltiger Faktor aufgetreten. Da-
mals lebten wir in einer Zeit sinkender Lebensmittelpreise. Das
hörte bald danach auf. Wir traten in eine Periode stetig stei-
gender Lebensmittelpreise ein, die die Not der städtischen
Massen immer mehr steigerte und schon vor dem Kriege sie
stetig radikalisierte. Damit wuchs ihr Gegensatz nicht nur
gegen die industriellen Unternehmer, sondern auch gegen den
Grundbesitz. Die Vergesellschaftlichung der Landwirtschaft
wurde nun ein ebenso dringendes Interesse der städtischen
Proletarier, wie die Vergesellschaftlichung der Industrie. Und
jene blieb nicht ein proletarisches Interesse, sie wurde ein
Interesse der gesamten städtischen Bevölkerung. Dabei ist die
Sozialisierung der Landwirtschaft aber sehr wohl vereinbar mit
dem Interesse der großen Mehrheit der Landbevölkerung, die
von ihrer Hände Arbeit, nicht von dem Einstecken von Grund-
rente lebt.
So wirkt die ökonomische Entwicklung ebenso auf dem
Lande wie in der Stadt in der Richtung auf den Sozialismus,
68
wenn auch hier mit anderen Methoden als dort. Die Uebergangs-
wirtschaft, in der die Not an Lebensmitteln auf die Spitze ge-
trieben sein wird, ist berufen, diesem Entwicklungsgang einen
gewaltigen Stoß nach vorwärts zu versetzen — vorausgesetzt,
daß das industrielle Proletariat seine Schuldigkeit tut.
69
III.
Landwirtschaft und Sozialismus
Alle die gewaltigen Hemmnisse, die der Kapitalismus der Ent-
wicklung der Landwirtschaft in den Weg legt, werden durch
dessen Ueberwindung beseitigt, sowohl das Privateigentum am
Boden wie die Lohnarbeit und die koloniale Eroberungs- und
Erpressungspolitik. Damit ersteht die Möglichkeit, den heute
schon sehr hohen und immer noch steigenden Gegensatz zwischen
der möglichen und der wirklichen Produktivkraft der Landwirt-
schaft zu überwinden, in dieser alle die enormen Produktiv-
kräfte zu entwickeln, die ihr der Stand der theoretischen Natur-
erkenntnis und der praktischen Technik schon bietet und zur
Zeit der Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat
sicher in noch höherem Maße bieten wird. Denn Wissenschaft
und Technik rasten nicht.
Die Ueberwindung des Kapitalismus durch das Proletariat
bietet aber damit nicht nur die Möglichkeit, die Produk-
tivkräfte der Landwirtschaft aufs höchste so schnell zu entfalten,
als es die Produktivkräfte der Industrie gestatten, die ja der
Landwirtschaft die Mittel ihres Aufschwunges zu liefern hat;
sie bringt auch die Notwendigkeit mit sich, diesen Auf-
schwung möglichst zu beschleunigen, weil das siegreiche Prole-
tariat trachten muß, mit allen Mitteln die Summe von Nahrung
und Muße zu vermehren, die für die Bevölkerung erreich-
bar ist.
Ehe wir das näher erläutern, sei einem möglichen Mißver-
ständnis vorgebeugt. Wir haben darauf hingewiesen, daß das
Regime des siegreichen Proletariats zur Aufhebung des Privat-
eigentums am Boden führen wird. Dies ist nur in der Weise
70
aufzufassen, daß wir erwarten müssen, diese Aufhebung werde
schließlich im Laufe der Entwicklung eintreten, die mit dem
Siege des Proletariats anhebt. Keineswegs soll damit gesagt
sein, daß wir forderten, das Proletariat solle, sobald es zur
Macht gelangt, sie sofort dazu benutzen, alle Bauern zu expro-
priieren oder gar ihr Land zu konfiszieren.
Daran denkt niemand in der Sozialdemokratie. Das allein
wäre indes noch keine Gewähr dafür, daß es zu einer derartigen
Expropriation nicht käme. Wir können ja nur für uns
sprechen, wissen aber nicht, wer von uns den Sieg des Pro-
letariats erlebt, unter welchen Bedingungen er eintritt, welche
Anschauungen die Sieger leiten werden. Es gibt jedoch noch
einen anderen Faktor als das Wollen und Wünschen der heute
lebenden Sozialdemokraten, einen Faktor, der eine viel bessere
Gewähr dafür bietet, daß es zu einer Expropriation der Bauern-
schaft nicht kommen wird, und das ist die einfache Tat-
sache, daß dem Interesse des Proletariats diese Expro-
priation nicht nur nicht entspricht, sondern vielmehr ent-
gegensteht.
Das siegreiche Proletariat hat alle Ursache, dafür zu sorgen,
daß die Nahrungsmittelproduktion ungestört fortgeht. Eine
Expropriation der Bauern würde diesen ganzen Produktions-
zweig in die tollste Unordnung bringen und das neue Regime
mit Hungersnot bedrohen. Die Bauern mögen also unbesorgt
sein. Ihre ökonomische Unentbehrlichkeit wird jede Expro-
priation verhüten, ganz abgesehen davon, daß schon die ein-
fachste Regel der Klugheit gebietet, sich ohne Not nicht eine so
starke Bevölkerungsschicht zu Feinden zu machen.
Die Kleinbauern werden durch den Sieg des Sozialismus
nichts verlieren, sie können dadurch nur gewinnen. Erst durch
ihn werden die Gegensätze der kapitalistischen Nationen aus
dem Wege geräumt, die die wachsenden Kriegsrüstungen und
Kriegsdrohungen erzeugen; erst durch ihn werden die Bedin-
gungen der Abrüstung und des so heiß ersehnten ewigen Frie-
dens geschaffen. Dadurch wird niemand so sehr entlastet wie
der Bauer, denn keine andere Bevölkerungsschicht leidet so sehr
unter dem Militarismus wie er.
Das siegreiche Proletariat wird aber auch die Mittel und
das Interesse haben, den Bauer bei der technischen Vervoll-
71
kommnung seines Betriebes zu unterstützen, ihm Dünger, Ar-
beitsvieh, verbesserte Werkzeuge zugänglich zu machen und da-
durch die Menge seiner Produkte zu steigern.
Wenn wir erwarten, daß dies nicht zu einer neuerlichen
Befestigung der kleinbäuerlichen Produktionsweise führen wird,
so folgt dies daraus, daß wir annehmen, auch die größte Ent-
lastung und Unterstützung sei nicht imstande, dem bäuerlichen
Kleinbetrieb die ganze moderne Technik im vollsten Ausmaß
zugänglich zu machen, und die Kleinbauern werden dafür früher
oder später, sobald die sozialistische Produktionsweise sich be-
festigt hat, selbst freiwillig ihre Betriebsform verlassen, die
für sie eine Fessel des weiteren sozialen Aufsteigens wird. Die
sozialistische Gesellschaft wird alle Ursache haben, ihnen beim
Uebergang zu einer höheren Betriebsweise zu helfen, da sie ja
einer Vermehrung ihrer Nahrungsmittel und Rohstoffe bedarf
und daher dabei aufs stärkste interessiert ist.
Dieser Umwandlungsprozeß wird noch in anderer Weise
beschleunigt werden.
Das sozialistische Regime hat es nicht allein mit den Klein-
bauern zu tun, sondern auch mit den zahlreichen Lohnarbeitern
der Landwirtschaft. Wie wird es sich zu jenen Betrieben stellen,
die Lohnarbeiter im Gange halten?
Die Verehrer des bäuerlichen Betriebs um jeden Preis
nehmen an, die ländlichen Lohnarbeiter seien wahre Fanatiker
des Privateigentums am Boden und verlangten nichts sehnsüch-
tiger, als Zwergbauern zu werden. Die soziale Revolution sei
für sie gleichbedeutend mit der Zerschlagung der großen Be-
triebe und der Verteilung der daraus gebildeten kleinen Betriebe
an die bisherigen Lohnarbeiter.
Daß heute noch viele Landarbeiter so denken, unterliegt
keinem Zweifel. Dieses Bedürfnis bildet einen der Gründe der
fortschreitenden Zersplitterung des Bodens in manchen Gegenden
und der hohen Preise, die gerade für kleine Parzellen gezahlt
werden. Aber selbst heute schon, wo noch Teuerung und Ar-
beitslosigkeit den Proletarier bedrohen, übt der eigene Grund-
besitz nicht mehr jenen überwältigenden Zauber auf den Land-
arbeiter aus wie ehedem. Wir sehen es, daß selbst Bauern-
kinder lieber in die Stadt ziehen, um der Oede des bäuerlichen
72
Daseins zu entgehen, als daß sie das eigene Gütchen weiter be-
wirtschaften.
In einer sozialistischen Gesellschaft wird sich aber, das
kann keinem Zweifel unterliegen, die Lage des industriellen Ar-
beiters noch weit günstiger gestalten als die eines Kleinbauern,
wieviel sie auch diesem bieten mag.
Das allgemeine Sehnen der heutigen Arbeiterklasse geht
nicht bloß nach mehr Nahrung, nach besserer Wohnung und
Kleidung, sondern auch nach Verringerung der eintönigen Ar-
beit der modernen Massenproduktion, nach mehr Muße und
Freiheit. Die Muße ist heute nicht minder ein unentbehrliches
Lebensmittel geworden wie Fleisch und Brot.
Soll die Produktion gesteigert und gleichzeitig die Arbeits-
zeit erheblich verkürzt werden, dann ist es unerläßlich, nur
die produktivsten Produktionsmittel anzuwenden, alle weniger
produktiven möglichst außer Gebrauch zu setzen. Das wird in
der Industrie geringe Schwierigkeiten machen. Auch hier, nicht
bloß in der Landwirtschaft, gibt es noch zahlreiche höchst un-
rationelle, oft geradezu parasitische kleine Betriebe, Sie ver-
schwinden nicht innerhalb des Kapitalismus, sondern haben die
Tendenz, an Zahl zu wachsen, trotz des siegreichen Vordringens
des Großbetriebs, ja durch ihn, weil sie immer mehr zu einer
Erscheinungsform der industriellen Reservearmee, zu einer Zu-
fluchtsstätte von Existenzen werden, die der Großbetrieb ar-
beitslos macht. Die ungeheure Mehrheit dieser zwerghaften Be-
triebe kann ohne jede Störung für die Produktion mit einem
Schlage aufgegeben werden, und sie wird aufgegeben in dem
Moment, in dem in den großen Betrieben die besten Arbeits-
bedingungen, reicher Lohn und Sicherheit der Beschäftigung
winken. Führt man etwa in den produktivsten Betrieben eine
Verdreifachung der Arbeiterzahl ein, einen dreimaligen Schicht-
wechsel im Tage mit fünfstündiger Arbeitszeit für jede Schicht,
und vielleicht im Sommer drei Monate lang zweimaligen
Schichtwechsel im Tage und Beurlaubung der dritten Schicht für
einen Monat, so daß jeder Arbeiter im Betrieb so lange Ferien
erhält — wer der kleinen Handwerker und Krämer wollte da
nicht Arbeiter in solchem Betrieb sein, wer wollte sich noch
mit Rezepten zur Rettung des Kleinbetriebs abgeben? Auf die
schmerzloseste Weise wird dieser in Handel und Industrie
73
verschwinden, unter dem freudigen Aufatmen aller kleinen, bis-
her anscheinend „selbständigen" Meister und Ladenbesitzer;
Nicht minder aber werden bei einer derartigen Gestaltung
der Industrie auch die Arbeiter vom Lande ihr zuströmen, nicht
nur bisherige Lohnarbeiter, sondern auch die selbständigen Klein-
bauern, die nun jeglichen Eigentumsfanatismus loswerden und
auf ihr Eigentum pfeifen, wenn sie dafür so herrliches Leben ein-
tauschen können.
So erwünscht es sein wird, daß die kleinen Händler, Bu-
diker, Handwerker ihre für die Gesellschaft zwecklosen Betriebe
aufgeben und die Zahl der Arbeitskräfte in den produktivsten
Großbetrieben der Industrie, und des Verkehrs vermehren, so
gefährlich würde es für das neue Regime, wenn sich dazu eine
Massenfluchl der landwirtschaftlichen Bevölkerung vom Lande
weg zur Industrie gesellte. Die Ausstattung der ländlichen
Lohnarbeiter mit Eigenbetrieben würde diese Gefahr nicht
bannen.
Selbst wenn sich das sozialistische Regime nicht von vorn-
herein, wie es wahrscheinlich ist, daran machen sollte, den
Betrieb der Landwirtschaft möglichst anziehend zu gestalten,
würde es bald durch die Landflucht gezwungen werden, dies zu
bewirken.
Das ist aber in der Landwirtschaft weniger einfach als in
der Industrie. In dieser schafft die kapitalistische Entwick-
lung bereits technisch höchst vollkommene Betriebe, Die neue
sozialistische Gesellschaft wird in der Industrie zunächst weniger
die Aufgabe haben, neue, höhere Betriebe zu schaffen als die,
überlebte stillzusetzen und die Arbeitskräfte in den vollkom-
menen zu konzentrieren.
In der Landwirtschaft gibt es nur wenige Betriebe, die man
als vollkommene bezeichnen darf, in denen das Maximum
dessen erreicht wird, was bei dem heutigen Stande der Technik
und des Wissens geleistet werden könnte. Und diese wenigen
Betriebe wären bei Weitem unzureichend, den gesellschaftlichen
Bedarf an Bodenprodukten zu decken. Es wird heißen, die
ganze Landwirtschaft neu zu organisieren und auf eine höhere
Stufe zu heben. Hier hat die ökonomische Entwicklung dem
Sozialismus nur wenig vorgearbeitet, hier wird er sich seine
74
technische Basis erst selbst schaffen müssen — mit Hilfe der
Naturerkenntnis und der Technik, die der Kapitalismus in der
Stadt entwickelt hat. Die technische Umwälzung der städti-
schen Industrie durch den Kapitalismus, aus der sich der So-
zialismus erheben wird, kann und wird ihm die Mittel geben, die
Landwirschaft technisch umzuwälzen.
Vor allem wird es wichtig sein, um der Landwirtschaft die
größtmöglichste Produktivität zu gewähren, den einzelnen Be-
trieben jene Maximalgröße zu geben, bei der sie alle ihnen zu
Gebote stehenden Mittel am vollkommensten auszunützen ver-
mögen. Diese Maximalgröße wird nicht für alle Gegenden und
Betriebsarten, so wenig wie für alle Zeiten, die gleiche sein kön-
nen. Wir wissen bereits, daß der Marxismus keineswegs be-
hauptet, der größere Betrieb sei unter allen Umständen dem
kleineren überlegen. Er behauptet das nicht von den Betrieben
sondern von den Kapitalien.
Es ist aber kaum anzunehmen, daß jemals und irgendwo
für irgendwelchen größeren Produktionszweig das Ausmaß des
Eigenbetriebs eines Ehepaars als die rationellste Maximalgröße
oder überhaupt als einigermaßen leistungsfähige Größe in Be-
tracht kommen könne. Mag das heute noch bis zu einem ge-
wissen Grade möglich sein, so nur deshalb, weil es dem
bürgerlichen Hirn als selbstverständlich gilt, daß der Arbeiter
ein Arbeitstier ist und ausschließlich seiner Arbeit lebt. Der
kleinbäuerliche Familienbetrieb verliert seine Lebensfähigkeit in
dem Moment, in dem die Massen der Landbevölkerung an-
fangen, die Muße zu den für sie unentbehrlichen Lebensmitteln
zu rechnen.
Ebensowenig wie eine Arbeitsteilung erlaubt der klein-
bäuerliche Familienbetrieb einen Schichtwechsel — oder gar
Ferien, ein längeres Aussetzen von der Arbeit. Ununterbrochen,
tagaus, tagein, vom Morgen bis in die Nacht müssen der Zwerg-
bauer und seine Gattin sich schinden; niemand ist da, sie ab-
zulösen.
Wenn sich neben seinem Zwergbetrieb eine große land-
wirtschaftliche Produktionsgenossenschaft erhebt, in der etwa
während des Frühjahrs, Sommers und Herbstes in drei Schich-
ten von je fünf Stunden gearbeitet wird, während der drei
Wintermonate in zwei Schichten, indes in jedem Monat eine
75
Schicht Ferien hat, wer wollte glauben, daß da der Kleinbauer
daneben noch das Evangelium der Herrlichkeit des bäuerlichen
Familienbetriebs nachbeten wird, das uns jetzt einige Sozialisten
predigen? Er wird alles aufbieten, Mitglied der Produktions-
genossenschaft zu werden.
So wird das Privateigentum am Boden aufhören. Zuerst
für die großen Betriebe, dann ohne jeden Zwang auch für die
kleinen, die in den großen aufgehen.
K Mit der Organisierung mehr oder weniger großer Pro-
duktivgenossenschaften für die Landwirtschaft und der Herab-
setzung ihrer Arbeitszeit wäre es natürlich noch nicht getan.
Sollen sie ihr Vollkommenstes leisten, müssen intelligente und
wissenschaftlich gebildete Arbeitskräfte aufs Land, muß die
Arbeit auf dem Lande für geistig regsame und gebildete Leute
erträglich gemacht werden. Bessere und höhere Schulen sind
dort zu gründen, Bibliotheken und Lesezimmer, Stätten ge-
selligen Kunstgenusses. Damit wird das Bedürfnis nach
Kirche und Gottesdienst auch auf dem flachen Lande ver-
schwinden.
Natürlich müssen die neuen Betriebe aufs beste ausgestattet
werden mit allen Behelfen der modernen Wissenschaft und
Technik, was wieder die Beschaffung zahlreicher motorischer
Kräfte erheischt, die teils durch Dampf, teils durch Wasser-
bauten zu liefern sind. Sollen diese Kraftanlagen völlig aus-
genutzt werden, dann erfordert dies seinerseits eine Verbindung
von Industrie und Landwirtschaft, da diese nicht das ganze
Jahr in gleichem Ausmaß motorischer Kräfte bedarf. Das gleiche
gilt von den menschlichen Kräften. Auch diese können beim
Vorhandensein eines industriellen Betriebs neben dem landwirt-
schaftlichen gleichmäßiger beschäftigt werden.
Die Verlegung der Industrie aufs flache Land, die im Inter-
esse der Steigerung der Produktivität der gesellschaftlichen Ar-
beit liegt, wird aber auch den geistigen Bedürfnissen der länd-
lichen wie der industriellen Arbeiter entsprechen. Diese kommen
dadurch leichter in Verbindung mit der Natur, für jene wird mit
der Verdichtung der Bevölkerung auf dem Lande die Möglich-
keit mannigfaltigerer Geselligkeit und freien Genießens und
Produzierens in Kunst und Wissenschaft vermehrt.
76
Es wird eine gewaltige Umwälzung der Landwirtschaft sein,
die der Sozialismus auf diese Weise bewirkt. Sie wird nicht
ausschließlich die Erzeugung der Bodenprodukte erhöhen; weit
mehr wird sie für die landwirtschaftliche Bevölkerung das Aus-
maß ihrer Muße vergrößern, sie wird sie aus Lasttieren, die sie
heute sind, zu freien Menschen machen.
Allenthalben wird diese Umwälzung der Landwirtschaft eine
tiefgehende sein. Aber noch riesenhafter als in den Industrie-
ländern wird die umwälzende Wirkung des Sozialismus in den
primitiven Agrarländern auftreten, weil dort der Unterschied
zwischen der wirklichen und der möglichen Produktivität der Ar-
beit ein viel größerer ist, der Sprung von jener zu dieser also ein
noch weit mächtigerer.
Ebensosehr wie die kapitalistische muß die sozialistische
Gesellschaft trachten, die Ueberschüsse an Bodenproduktion zu
erhöhen, die die Landwirtschaft liefert. Aber sie kann nur noch
die Methoden der Produzierung des relativen, nicht mehr die
der Produzierung des absoluten Mehrproduktes anwenden. Sie
befreit die Bewohner der Agrarländer von der auf ihnen lasten-
den und sie ruinierenden kapitalistischen Ausbeutung, um ihrer
Landwirtschaft neues Leben einzuflößen und sie auf die höchste
Stufe der Vollkommenheit durch Zuführung des modernen
Wissens und der modernen Technik zu bringen.
Dazu bedarf es keiner Kolonialpolitik, keiner Eroberung,
keines Zwanges. Mittel zur Vermehrung der Produktion und
zur Ersparnis der Arbeit nimmt jeder gern entgegen; die rück-
ständigen Völker wenden sich gegen die modernen Produktions-
mittel nur dort, wo sie ihnen als Mittel der Ausbeutung und
Knechtung entgegentreten. Gerade die Aufhebung jeden Zwan-
ges ist die erste Vorbedingung, den modernen Produktionsmitteln
raschen Zugang in den agrarischen Ländern zu eröffnen. In
einer sozialistischen Gesellschaft wird die Ausbreitung der mo-
dernen Produktionsmethoden innerhalb der agrarischen Länder
in demselben Tempo vor sich gehen können, in dem die Industrie
der Industrieländer die erforderlichen Produktionsbehelfe sowie
die Mittel ihres Transportes beschafft, und in dem die geistige
Bildung der Bevölkerung in den Agrarstaaten die zur Anwen-
dung dieser Produktionsbehelfe erforderliche Höhe erreicht. Wir
77
haben keine Ursache, anzunehmen, daß der zweite Faktor lang-
samer fortschreiten wird als der erstere.
Die überlegene Klugheit irgendeines weisen Realpolitikers
wird auch hier wieder meine „Phantasien" mit der Bemerkung
verspotten wollen, ich erwartete, daß die sozialistische Gesell-
schaft ohne weiteres den Kongonegern Dampfpflüge zur Ver-
fügung stellen werde, um damit den Urwald zu pflügen.
Solche erhabene Kritiker mögen bedenken, daß zu den
Agrarländern, die hier in erster Linie in Betracht kommen,
Länder gehören, in denen modernes Wissen heute schon nicht
ganz unbekannt ist: Irland wie Spanien, Süditalien wie Ungarn,
Rumänien und Rußland, die Balkanländer, Kleinasien, Persien,
Aegypten, Ostindien, die tropischen und subtropischen Länder
Amerikas. Bis es gelungen ist, in allen diesen Ländern die
kulturfähige Fläche auf die Höhe moderner Produktivität zu
bringen, bis nur alle die Anlagen der Entwässerung hier und der
Bewässerung dort vollendet sind, die Aufforstung in den einen
und die Rodung von Urwald in anderen, und ihre allgemeine
Ausstattung mit den besten Produktionsbehelfen und aus-
giebigen motorischen Kräften vollzogen ist — bis wir so weit
sind, wird wohl einige Zeit vergehen, die vielleicht genügen
wird, auch bei den Kongonegern die Bedingungen zur Anwen-
dung des Dampfpflugs zu schaffen — wenn es bis dahin noch
einen solchen geben und nicht ein weit wirksamerer und ein-
facherer Apparat ihn verdrängt haben sollte. Jedenfalls liegt
nicht die mindeste Notwendigkeit vor, mit der Verbreitung des
Dampfpflugs in agrarischen Gebieten gerade bei den Kongo-
negern zu beginnen.
Das Tempo des ungeheuren Prozesses der Umwälzung und
Modernisierung der Landwirtschaft in der sozialistischen Ge-
sellschaft hängt von der Masse der Produktionsbehelfe ab, die
die Industrie für die Landwirtschaft zu liefern vermag. Der
größte Teil der Arbeitskräfte der Metallindustrie und des Bau-
gewerbes, die heute der Erweiterung der Großstädte sowie dem
Kriegswesen dienen, sie werden dann dazu verwendet werden,
Bauten, Maschinen, Werkzeuge für die Landwirtschaft zu
schaffen. Der Sieg des industriellen Proletariats, er wird schließ-
lich am meisten der Landwirtschaft zugute kommen und der land-
wirtschaftlichen Bevölkerung ein höheres Dasein bringen.
78
Der Kapitalismus hat im neunzehnten Jahrhundert vor allem
und fast ausschließlich Industrie und Verkehr umgewälzt; der
Sozialismus, dem hoffentlich noch der größte Teil des zwan-
zigsten Jahrhunderts gehören wird, muß viel mehr die Land-
wirtschaft als die Industrie umwälzen.
Nichts verkehrter, als der Sozialdemokratie Feindseligkeit
oder auch nur Gleichgültigkeit gegenüber der Landwirtschaft an-
zudichten. Nicht der Landwirtschaft gilt unsere Gegnerschaft,
sondern der Grundrente, die von müßigen Grundbesitzern und
Wucherkapitalisten eingesackt wird. Nicht gegen den Klein-
bauernstand wenden wir uns, wohl aber gegen jene, die den
Landarbeitern einreden wollen, ihr Endziel habe die Existenz
des Kleinbauern zu bilden; darauf hin sollten sie mit aller
Macht streben und alle ihre Kraft konzentrieren. Das heißt
ihnen die ewige Arbeitsfron zum Endziel setzen, es heißt aber
auch, ihre Widerstandskraft gegenüber ihren Ausbeutern in der
Gegenwart herabsetzen, denn ihre wirksamste Waffe ist die
drohende Versagung der Arbeit durch Auswanderung, und diese
Waffe legen sie aus der Hand, sobald sie sich an die Scholle
binden.
Der Prozeß der Umwälzung der Landwirtschaft durch die
Industrie, der mit dem Siege des Proletariats beginnen muß, ist
ein so riesenhafter, daß er nicht so bald zu einem Abschluß, ja
nicht einmal zur Verlangsamung kommen kann. Sein Tempo
hängt in erster Linie von der Menge Arbeitskräfte ab, die der
Industrie zur Verfügung stehen. Je rascher diese wachsen, desto
rascher werden sich die Produktivkräfte der Landwirtschaft
entfalten. Auch wenn die heute schon in Anbau genommene
Kulturfläche der Welt nicht erweitert würde, wenn hygienische,
technische, ästhetische Rücksichten nicht erlauben würden, sie
auf Kosten des Waldes im ganzen weiter auszudehnen, wenn
dieser hier gewinnen sollte, was er dort verliert; und auch
wenn der Drang nach Muße die allgemeine Arbeitszeit für die
notwendigen Arbeiten weit unter deren jetzige Ausdehnung
herabsetzen wird; auch dann wird die Lebensmittelproduktion
rasch zunehmen, denn im Vergleich zu der heute schon möglichen
Produktivität der landwirtschaftlichen Arbeit ist deren wirkliche
Produktivität in fast allen Ländern, außer den alten kapita-
listischen Industrieländern noch winzig. Solange dieser Unter-
79
schied zwischen wirklicher und möglicher Produktivität der
landwirtschaftlichen Arbeit nicht ausgeglichen ist, wird jede
neue Arbeitskraft, die der Industrie hinzugefügt wird, eine Ver-
mehrung der Produktivkräfte für die Landwirtschaft, eine Ver-
mehrung ihrer Produktivität und ihrer Ueberschüsse, also auch
des Nahrungsspielraums bedeuten können. Wie sehr sich dieser
noch ausdehnen läßt, dafür nur einige Andeutungen.
Niemand wird behaupten wollen, daß die deutsche Land-
wirtschaft auf der Höhe der Vollkommenheit stehe. Eine jüngst
veröffentlichte Untersuchung der Frage, ob „die deutsche Land-
wirtschaft unter dem Drucke des Gesetzes vom abnehmenden
Bodenertrag steht", schließt der Verfasser, Dr. J. Rybark, mit
den Worten:
„Wer Land und Leute kennt und weiß, wie viele Bauernhöfe, ja
selbst größere Güter es gibt, wo noch kein Körnchen künstlicher Dünger
hineingekommen ist, wo seit Großvaters Zeiten dieselbe Getreide- und
Kartoffelsorte gebaut wird, wo die Ackergeräte dürftig, die Boden-
bearbeitung mangelhaft ist, wo Stallmistpflege, Fruchtfolge und son-
stige technische und wirtschaftliche Maßnahmen an Rationalität noch
viel zu wünschen übrig lassen, der ist sich darüber klar, daß die
deutsche Landwirtschaft als Ganzes trotz aller
Fortschritte noch lange nicht auf dem Punkte an-
gelangt ist, wo größere Erträge nur mit unverhält-
nismäßig höheren Kosten erzielt werden könne n."
(Zeitschrift für Sozialwissenschaft, S. 445, 1909,)
Das gleiche gilt von England:
„Vom englischen Landwirt wird . . . gesagt, daß er ein guter Vieh-
züchter sei, aber im eigentlichen Ackerbau nicht ganz mit der Zeit
fortgeschritten und im Gebrauch des Kunstdüngers noch wenig erfahren
ist. Dies kommt wohl zum Teil von der Rückständigkeit des landwirt-
schaftlichen Unterrichtes, dürfte aber auch mit . . . den kurzen und
unsicheren Pachtverträgen, durch welche angebrachte Meliorationen
nicht ausreichend vergütet werden, in Zusammenhang stehen." (Ad.
Mayer, Ueber den Erfolg der Reform der Pachtgesetzgebung in Eng-
land, Zeitschrift für Sozialwissenschaft, S. 660, 1909.)
Wie weit zurück noch die europäische Landwirtschaft is{,
wie wenig sie sich noch von den technischen Fortschritten an-
geeignet hat, bezeugt uns unter anderem ein Vortrag, den Dr.
Ed. v. Seidl am 16. Februar 1910 an der Wiener Hochschule
für Bodenkultur gehalten hat. Er hat seit 1889 einen Guts-
komplex in Mähren gepachtet, der 2135 Hektar umfaßt, und be-
80
wirtschaftet ihn mit ausreichendem Kapital nach modernen Prin-
zipien, ohne dabei alle Neuerungen einzuführen. Die Elektri-
zität zum Beispiel spielt bei ihm noch keine Rolle, Der Boden
des Gutes ist nicht besonders günstig, zum Teil sumpfig, zum
Teil stark geneigt, die Ackerflächen mit vielen Parzellen anderer
Besitzer gemischt, oft klein und unregelmäßig. Die Arbeiter,
zum Teil slowakische Wanderarbeiter, deren Arbeit gering-
wertig, die Nachbarn jedem Fortschritt feindlich, was zum Bei-
spiel die Dränage sehr erschwert. Und doch gelang es Seidl,
seit 1890 durch Anwendung von Maschinen und Ergebnissen der
modernen Chemie und Biologie die Produktivität des Gutes ge-
waltig zu steigern.
Wie eine einzige Verbesserung wirken kann, zeigt der Er-
folg der Trocknung der Rübenschnitte, die als Viehfutter
dienen:
„Die Rübenschnittrocknung allein gibt mir aus derselben
Rübenmenge Schnittfutter für 1000 Mastochsen im Jahre mehr
als früher, wo ich nur nasse Schnitte verfütterte."
Hätten alle 200 Zuckerfabriken Oesterreichs diese Methode
eingeführt, so könnten sie an 200 000 Ochsen im Jahre mehr mit
denselben Erträgnissen füttern. Aber erst etwa ein Dutzend Fa-
briken wendet das Verfahren an.
Nicht minder wichtig ist ein Verfahren der Strohaufschlie-
ßung, das nicht nur jede Art Stroh sondern auch Kartoffelkraut
in gutes Viehfutter verwandelt. Seidl führte die Methode 1905
ein und konnte seitdem die dem Futterbau gewidmete Fläche
von 430 Hektar auf 250 reduzieren.
Nicht minder bedeutend wie in der Produktion von Vieh-
futter waren Seidls Erfolge auf dem des Körnerbaus:
„Düngung, zeitgemäße Bodenbearbeitung (für 80 000 Kronen
Dampfpflüge!) und richtige Sortenauswahl ermöglichten es mir, . . . die
Gelreideproduktion von 9000 Meterzentner auf 27 000 Meterzentner
pro Jahr, also auf das Dreifache, zu steigern.
Ich ließ aber auch die Fortschritte auf dem neu erschlossenen Ge-
biete der Pflanzenzüchtung keineswegs außer acht ... Es ist gelungen,
aus einer Landrasse von Winterroggen ein Saatkorn zu erzielen, das
im Vorjahr auf 5 Hektar 33 Meterzentner und im letzten Jahre im
feldmäßigen Anbau sogar 37 Meterzentner pro Hektar ergab."
Kautsky, Landwirtschaft 6 gl
Dabei war im Vorjahr im allgemeinen die Ernte keine
gute.
Im Durchschnitt wurden in Mähren während des letzten
Jahrfünfts jährlich 13,4 Meterzentner pro Hektar geerntet! Im
Deutschen Reiche im Durchschnitt der Jahre von 1899 bis 1907
auch nur 15,5 Meterzentner.
Die Erzielung dieser hohen Erträge war keineswegs eine
kostspielige Spielerei. Herr Seidl ist ein guter Geschäftsmann.
Die Höhe seiner Profite freilich verschweigt er. Aber er sagt
uns doch, daß seine jährlichen Einnahmen von 1889 bis 1909 von
420 000 Kronen auf 798 000 stiegen, die Ausgaben für Arbeits-
löhne dagegen nur von 100 000 auf 157 000. Sie waren bis 1906
auf 189 000 Kronen gewachsen, seitdem durch Einführung von
Maschinen um 32 000 Kronen herabgedrückt wordenl
Aber freilich, Kapital mußte in das Gut hineingesteckt wer-
den. Mit den Mitteln bäuerlicher Wirtschaft wäre die Steige-
rung nicht zu erzielen gewesen.
Betriebe wie der Seidische sind nicht das letzte Wort der
modernen landwirtschaftlichen Technik. Trotzdem bilden auch
sie noch sehr vereinzelte Erscheinungen.
Wie weit stehen aber noch andere Länder, die Korn-
kammern der Welt, hinter Deutschland und England zurück!
Nach der Statistik des englischen landwirtschaftlichen Amtes
betrug im Durchschnitt der letzten fünf Jahre (bis 1907) der
Weizenertrag pro Acre in Busheis in:
Großbritannien 31,32
Deutschland 29,59
Belgien 34,09
Dagegen:
Vereinigte Staaten 13,57
Argentinien 10,58
Australien 8,76 i
Europäisches Rußland (ohne Polen) . . 9,72
Indien , 11,44
Der Ertrag der letztgenannten Länder ließe sich, nach
diesen Zahlen zu urteilen, also schon verdreifachen, auch wenn
man sie bloß mit jenen Hilfsmitteln ausstattete, die heute schon
in England und Deutschland allgemein angewandt werden. Die
technisch mögliche Steigerung ginge weit darüber hinaus,
82
Andererseits könnte man die für menschliche Nahrungs-
mittel bereitstehende Bodenfläche erheblich vermehren, wenn
man das Pferd durch mechanische motorische Kräfte ersetzte.
Im Deutschen Reiche sind nicht ganze zwei Millionen Hektar
mit Weizen bebaut, dagegen über vier Millionen mit Hafer,
in Rußland mit diesem fast siebzehn Millionen, in den Vereinig-
ten Staaten dreizehn Millionen.
Wieviel Boden durch Entwässerungs- und Bewässerungs-
anlagen gewonnen werden kann, dafür nur einige Angaben, Im
Deutschen Reiche umfassen die Hochmoore allein 27 500 Qua-
dratkilometer — mehr als das Rheinland, mehr als der Weizen-
boden des ganzen Reiches. Das Sumpfland der Vereinigten
Staaten umfaßte 1900 75 Millionen Acres, dagegen der mit
Weizen besäte Boden bloß 50 Millionen.
Ueber das Terrain, das durch künstliche Bewässerung in den
Vereinigten Staaten zu gewinnen ist, zitiert Simons aus dem Be-
richt einer Kommission des Senats:
„Mehr als zwei Fünftel des Gebiets der Vereinigten Staaten, ab-
gesehen von Alaska, erfordern Bewässerungsanlagen, sollen sie regel-
mäßige Ernten liefern, und in wenigstens vier Fünfteln dieser Land-
striche ist die künstliche Bewässerung Vorbedingung jeglicher Pro-
duktion auf ihnen. Die dürre Region umfaßt 1 200 000 bis 1 300 000
(englische) Quadratmeilen, sie ist um ein Drittel größer als Britisch-
indien und diesem im allgemeinen Charakter sehr ähnlich . . . Die
Zeugen sind einig in der Erklärung, daß ein Acre Boden in Montana
unter Bewässerung an Produktivkraft ebensoviel besitzt wie drei bis
fünf Acres in den feuchten, dem Regen ausgesetzten Staaten."
Dieses Gebiet umfaßt rund 1000 Millionen Acres — gegen-
über den rund 50 Millionen Weizenboden der Vereinigten
Staaten; es liefert schon bei den jetzt dort üblichen Methoden
des Anbaus im Durchschnitt 35 Bushel Weizen pro Acre, gegen-
über dem Durchschnitt der Vereinigten Staaten von 13% Bushel.
Man kann sich vorstellen, welch ungeheure Erweiterung des Nah-
rungsspielraums die Bewässerung dieses Gebiets ergeben muß.
1899 waren davon rund 7 Millionen Acres unter Bewässerung.
Die Bewässerungsbauten hatten 64 Millionen Dollars, etwas über
250 Millionen Mark, gekostet, der jährliche Wert der Ernten
belief sich auf 84 Millionen Dollars, fast 350 Millionen Mark.
(Vergleiche darüber A. M. Simons, The American Farmer,
5. 176 ff., Chicago 1902.)
6*
83
Und ähnliches kann in den Mittelmeerländern erreich i
werden sowie in Mesopotamien, im tropischen Afrika und
Amerika.
Solange dieser Prozeß fortdauert, kann von einer Ueber-
völkerung keine Rede sein, wie rasch auch die Bevölkerung an-
wachsen mag. Es ist aber sicher nicht übertrieben, wenn wir
erwarten, dieser ganze riesenhafte Prozeß der Umwälzung der
Landwirtschaft der gesamten Erde durch den Sozialismus werde
auch nach einem Jahrhundert noch nicht beendet sein.
84
Der Bauer als Erzieher
Vorbemerkung
Den allgemeinen theoretischen Darlegungen Kautskys lassen
wir einige praktisch polemische Ausführungen folgen, die
der sozialistische Gutsbesitzer A. Hofer vor Jahren in der
„Neuen Zeit" (27. Jahrgang, 2. Band) veröffentlichte.
Die mehr parteipolitischen Auseinandersetzungen aus dieser
Artikelserie haben wir fortgelassen.
Bei der heutigen wirtschaftlichen Lage Deutschlands ist die
Entscheidung, ob Groß- oder Kleinbetrieb, von weittragender
praktischer Bedeutung. Die Darstellung Hofers, die Gegenüber-
stellung des Groß- und Kleinbetriebes bei der Ausführung der
landwirtschaftlichen Arbeiten im Wandel des Jahres erläutert
anschaulicher als alles Theoretisieren did technische Ueber-
legenheit des ländlichen Großbetriebes, die durch den Krieg
eher noch gesteigert als verringert wurde. Mögen die ange-
führten Zahlen heute nicht mehr zutreffen, so ändert das nichts
an dem technisch-wirtschaftlichen Verhältnis von Groß- und
Kleinbetrieb, da die Ausgaben bei beiden gleichmäßig gestiegen
sind. Die Sozialisierung hingegen wird eine Reihe von Schranken
hinwegräumen, die es bisher verhinderten, daß die technischen
Vorteile des ländlichen Großbetriebes sich in vollem Maße wirt-
schaftlich geltend machten. Bei der erklärlichen Unkenntnis
großstädtischer Leser über die Einzelheiten des ländlichen Be-
triebes und über die wissenschaftlichen Errungenschaften der
Agrikultur-Chemie und der Agrartechnik und bei dem begreif-
lichen Hang der Kleinstadt- und Landbewohner zur romantischen
Betrachtung der bäuerlichen Wirtschaft sind diese nüchtern
sachkundigen Ausführungen eines praktischen Landwirts mit
87
nationalökonomischer Bildung und praktisch politischer Schu-
lung heute von besonderem Interesse als ein wichtiger Beitrag
zur Kernfrage unserer landwirtschaftlichen Entwicklung. So-
zialisierung landwirtschaftlicher Großbetriebe oder Zerschlagung
vorhandener Großwirtschaften in Mittel- und Kleinbetriebe. Ge-
rade der lebhaft polemische Charakter der Hoferschen Ausfüh-
rungen ergänzt Kautskys Schrift sehr glücklich, und viele Punkte,
die Kautsky nur flüchtig berührt, werden hier ausführlicher be-
handelt. Hofer stellt einen Großbetrieb von 3000 Morgen einer
Anzahl Kleinbetriebe von gleichem Flächenumfang gegenüber
und untersucht, wie sich die Bearbeitung des Bodens von der
Aussaat bis zur Ernte nun praktisch gestaltet.
88
Der Bauer als Erzieher
Von A. H o f er
1. Die Ausrüstung der Wirtschaft
Wir wollen uns die Sache an der Hand eines Beispieles aus
der heutigen kapitalistischen Gesellschaft klarzumachen
versuchen. Nehmen wir eine Fläche von 750 Hektar oder
3000 Morgen. Diese Fläche kann unter den heutigen Verhält-
nissen mit Pferdebetrieb in Großwirtschaft noch rationell be-
wirtschaftet werden, vorausgesetzt, daß die Besitzung gut arron-
diert ist, das heißt daß das Gutsgehöft von allen Grenzpunkten
möglichst gleichmäßig entfernt liegt.
Nehmen wir also an, diese 3000 Morgen wären kahles Land,
meinetwegen von einer noch viel größeren Besitzung oder von
einer Staatsdomäne abgetrennt, und ständen zum Verkauf. Nun
kauft ein einzelner Geldbesitzer diesen Landkomplex, um ihn im
Großbetrieb zu bewirtschaften.
Er wird zunächst möglichst in der Mitte dieser 750 Hektar
die passendste Stelle für das zu errichtende Gehöft aussuchen.
Natürlich hat er die Baugrundverhältnisse, Höhenlage und
Wasserverhältnisse zu berücksichtigen. Ein gewisser Spielraum
ist ihm in der Auswahl der Hofstelle gegeben. Nun beginnt das
Bauen. Es werden gebaut 3 Ställe ä 20 000 Mark, 3 Scheunen
a 15 000 Mark, ferner 10 Wohnhäuser mit allem Zubehör, und
zwar 9 Vierfamilienhäuser und ein Wohnhaus für den Besitzer.
Die Baukosten dieser 10 Wohnhäuser berechnen wir durch-
89
schnittlich mit je 10O00 Mark. Wir haben jetzt im ganzen für
den Gehöftaufbau die Summe von 205 000 Mark verwendet. Nun
fehlen noch Schmiede, Speichereinrichtung und vielleicht noch
ein paar Schuppen für Geräteaufbewahrung usw. Dazu soll unser
Großbesitzer noch weitere 45 000 Mark verwenden. Er hat jetzt
250 000 Mark hineingesteckt und sein Gehöft in modernster
Weise allen Erfordernissen entsprechend aufgebaut.
Nun wird an geeigneter Stelle der Brunnen angelegt und
zugleich Wasserleitung eingerichtet nach sämtlichen Ställen, nach
dem Herrenhaus und zu den Leutewohnungen. Diese Einrich-
tungen nebst den Kosten für den Brunnen dürften 5000 Mark be-
tragen. Ein guter Weg bis zur nächsten öffentlichen Straße wird
ebenfalls an geeigneter Stelle angelegt. Für seine Hofstelle und
zu dem Wege hat unser Besitzer etwa 15 Morgen seines Landes
opfern müssen. Nehmen wir an, der Preis beträgt pro Morgen
Land 200 Mark, so muß er sich 3000 Mark für diesen Zweck zur
Last schreiben. Jetzt mietet er sich 36 Arbeiterfamilien, mit
diesen kann er unter moderner Anwendung von Maschinen seine
3000 Morgen bearbeiten, 60 Arbeitspferde dürften für diesen
Landkomplex ebenfalls vollkommen genügen. Er wird die
Pferde pro Stück mit 400 Mark durchschnittlich bezahlen, also
24 000 Mark für diesen Zweck aufwenden. Für diese 60 Pferde
braucht er eine entsprechende Anzahl Geschirre. Das wird pro
Pferd eine Ausgabe von 20 Mark bedeuten. Nun muß er sich
20 Arbeitswagen ä 100 Mark besorgen und für den Winter
30 Arbeitsschlitten, die etwa 25 Mark pro Stück kosten. Für
Wagen und Schlitten zum persönlichen Bedarf opfert unser
Großbesitzer ebenfalls 3000 Mark.
Nun kommen die Ackergerätschaften an die Reihe. Unser
Großbesitzer braucht für 15 Gespanne Eggen und Pflüge, er
braucht 3 bis 4 Ackerwalzen, ein paar Häufelzöche, 2 Drill-
maschinen, 1 Düngerstreumaschine, 2 Kleesämaschinen, 5 bis
6 Pferderechen, 1 Heuwender, 4 bis 5 Grasmähmaschinen, eben-
soviel Getreidemäher, 1 Kartoffelaushebemaschine und noch
manche andere. Für diese Gerätschaften und Maschinen werden
etwa 15 000 Mark aufzuwenden sein.
Nun fehlen noch die Maschinen, die auf dem Hofe Verwen-
dung finden. Da ist zunächst der Dampfdreschsatz, Lokomobile
mit Dreschmaschine, die zusammen etwa 10 000 Mark kosten
90
dürften, Häckselmaschine, ebenfalls durch die Lokomobile zu
treiben, 500 Mark und Einrichtung zur Mahlmühle etwa 1000
Mark. Für Maschinen und Geräte, die auf dem Speicher und
zur eigenen Reinigung des Getreides, speziell Saatgetreides, Ver-
wendung finden, können wir ebenfalls noch 1000 Mark an-
setzen.
Nun ist noch die Dunggrube an geeigneter Stelle auf dem
Hofe anzulegen; die Herstellung derselben dürfte ebenfalls noch
500 Mark erfordern, dann ist das nötige Nutzinventarium anzu-
schaffen, und der Betrieb kann beginnen.
Rechnen wir nun zusammen, welches Kapital gebraucht wird
für Gebäude, lebendes und totes Arbeitsinventar, bis der Be-
sitzer dieser 3000 Morgen den Betrieb in der Großwirtschaft auf-
nehmen kann, so erhalten wir die Summe von 316 900 Mark.
Nehmen wir jetzt den anderen Fall. Die in Betracht kom-
menden 750 Hektar resp. 3000 Morgen Land würden nicht von
einem einzelnen Kapitalbesitzer, der im Großbetrieb wirtschaften
will, sondern von kleinen Leuten gekauft. Diese Leute wollen
aber nur so viel Land, wie sie, das heißt Mann und Frau, zu-
sammen bearbeiten können ohne fremde Hilfskraft. 71/., Hektar
resp. 30 Morgen dürften die Höchstgrenze darstellen. Ohne
Mitarbeit ihrer Kinder können sie diese 30 Morgen schon gar
nicht mehr beschicken. Um zu richtigen Vergleichsgrößen zu
kommen, müßten wir die Größe der Fläche für den Familien-
betrieb eigentlich kleiner annehmen, denn die 36 Familien des
Großbesitzers stellen nur Mann und Frau zur Arbeit. Der Ein-
fachheit halber nehmen wir aber die Größe von 30 Morgen an.
Es treten in unserem Falle also 100 Familien als Käufer an,
denen die 750 Hektar aufgeteilt werden.
Selbstverständlich muß nun jeder dieser kleinen Leute mög-
lichst mitten in seinen 30 Morgen Land das Gehöft erbauen,
sonst geht den Leuten der einzige Vorteil des Kleinbetriebs,
nämlich die nahe Entfernung des Landes, verloren. In der Aus-
wahl des Bauplatzes ist ihm durch die Lage der Dinge wenig
Spielraum gelassen. Jeder dieser Besitzer muß sich nun ein
Wohnhaus, einen Stall, eine Scheune und einen Keller bauen.
Unter 3000 Mark ist das Wohnhaus selbst bei den bescheidensten
Ansprüchen nicht herzustellen. Für die anderen Gebäude wollen
wir nur zusammen 2000 Mark auswerfen, so kostet die Einrich-
91
tung des Gehöftes immerhin 5000 Mark. Wir haben da sehr
niedrige Zahlen angenommen. Unsere 100 Kleinbesitzer brauchen
also 500 000 Mark, um die Gehöfte aufzubauen. Jedes Gehöft
muß einen Brunnen haben. Es gibt Gegenden, in denen die
Herstellung von Brunnen ungeheure Kosten verursacht. Wir
nehmen hier nur an, daß die Fertigstellung jedes Brunnens
300 Mark kostet. Das belastet die 100 Kleinbesitzer mit 30 000
Mark. Jeder dieser Besitzer braucht einen Weg bis zur nächsten
öffentlichen Landstraße. Nehmen wir jetzt an, Hofstelle und
Weg beanspruchen bei jedem der Kleinbesitzer nur vi Morgen
Land, so gehen unseren 100 Kleinbesitzern immerhin 75 Morgen
verloren. Wenn wir, wie vorhin, den Kaufpreis pro Morgen mit
200 Mark annehmen, so kommt trotzdem ein Betrag von 15 000
Mark heraus.
Auf den 30 Morgen braucht schon jeder der Besitzer 2 Pferde.
Er wird leichtere Pferde kaufen wie unser Großbesitzer. Setzen
wir hier einen Durchschnittspreis pro Pferd von 300 Mark, so
erhalten wir bei 200 Pferden, die erforderlich sind, die Summe
von 60 000 Mark. Die Geschirre für diese Pferde werden eben-
falls schwächer ausfallen können. Rechnen wir pro Pferd
15 Mark für das Geschirr, so müssen wir 3000 Mark in Anrech-
nung bringen. Ferner muß jeder unserer 100 Kleinwirte einen
Arbeitswagen, sagen wir ä 60 Mark, und einen Arbeitsschlitten
ä 15 Mark, wie auch je einen halbwegs anständigen Spazier-
wagen respektive Schlitten haben, die zusammen 200 Mark kosten
mögen. Dabei müssen wir das Konto unserer Kleinbesitzer mit
27 500 Mark belasten.
Nun kommen die Ackergerätschaften an die Reihe. Jeder
Besitzer braucht wenigstens 2 Pflüge, außerdem 1 Häufelpflug,
2 Sorten Eggen, 1 Walze, 1 Pferderechen. Die Anschaffung
dieser Gerätschaften kostet jeden einzelnen, ganz minimal ge-
rechnet, 200 Mark, zusammen 20 000 Mark.
Bleiben noch die auf dem Hofe notwendig gebrauchten Ma-
schinen: nämlich 1 Roßwerk mit Göpelbetrieb, 1 Dreschmaschine,
1 Häckselmaschine, 1 Puntzmühle, Getreidehechel, Schaufeln,
Siebe usw. Die Kosten für die Anschaffung dieser Maschinen
und Geräte dürften auf 500 Mark zu stehen kommen. Für sämt-
liche 100 Kleinbesitzer käme die Summe von 50 000 Mark her-
aus. Die Anlage einer richtigen Dunggrube würde auch etwa
92
40 Mark in Anspruch nehmen, so daß wir nochmals 4000 Mark
dem Kleinbesitzerkonto zur Last schreiben müßten.
Nehmen wir nun die Gesamtsumme zusammen, die unsere
100 Kleinbesitzer nötig hätten, um ihr Gehöft aufzubauen und
die nötigen Anschaffungen von Arbeitsinventar zu machen, so
ergibt sich als Resultat das nette Kapital von 706 500 Mark.
Unser Großbesitzer hat, um ebensoweit zu kommen wie
unsere 100 Kleinbesitzer, nur 316 900 Mark Kapital gebraucht.
Das ergibt eine Differenz von 389 600 Mark. Diese Summe
brauchen die 100 Kleinbesitzer von vornherein mehr, um zunächst
ebensoweit dazustehen wie der Großwirtschafter. Für jeden
unserer 100 Kleinbesitzer beträgt diese größere Kapitalslast
3896 Mark. Wenn wir den Zinsfuß zu 4 Prozent annehmen,
dann hat jeder der Kleinbesitzer von seinen 30 Morgen jährlich
155,84 Mark mehr herauszuwirtschaften wie von entsprechender
Größe der Großgrundbesitzer, oder wenn wir für den Morgen
umrechnen, dann hat der Kleinbesitzer 5,19 Mark pro Morgen
jährlich mehr aufzubringen.
Wir werden nachher gleich untersuchen, ob wenigstens durch
den Betrieb selbst der Kleinbesitzer in der Lage ist, diesen großen
Vorsprung, den der Großwirtschafter errungen hat, wieder wett-
zumachen. — Um überhaupt mit dem Betrieb beginnen zu kön-
nen, ist es nötig, die Hypotheken zu regeln.
Zugegeben, daß Landschaft oder ähnliche gemeinnützige In-
stitute einen gewissen Prozentsatz Geld dem Großbesitzer wie
den kleinen Leuten zu gleichen Bedingungen gewähren. Es wird
aber wahrscheinlich noch Geld gebraucht werden, das von Pri-
vatleuten geliehen werden muß und das diese eintragen lassen.
Der Großbesitzer braucht eine Summe, die in die Hundert-
tausende geht. Unter normalen Verhältnissen wird er leicht
einen Geldgeber finden, der gern bereit ist, dafür, daß er eine so
große Summe sicher an einer Stelle unterbringen kann, den Zins-
fuß um 1 Prozent zu ermäßigen.
Dem kleinen Besitzer geht dieser Vorteil verloren. Er muß
das Geld von kleinen Leuten nehmen, denen selbst um jeden
Pfennig Zins zu tun ist, oder aber er muß sich an Geldleute wen-
den, die dafür, daß sie ihr Geld in kleinen Posten anlegen und ab
und zu Verluste haben, aucli entsprechend höhere Zinsen be-
rechnen.
93
2. Die Bodenbestellung
Wenden wir uns jetzt der Wirtschaftsführung zu, um zu
sehen, wie Licht und Schatten da zwischen groß und klein ver-
teilt ist.
Es ist endlich Frühling geworden. Frost, Regen und Wind
haben im langen Winter die Gebäude arg mitgenommen. Auf
dem Felde ist es für die Bestellungsarbeiten noch zu naß und
daher die passende Zeit, Zäune und Gebäude in Ordnung zu
bringen. Der Großbesitzer mit seinen 3000 Morgen hat seine
17 bis 18 Gebäude auszubessern. Die 100 Kleinbesitzer aber
haben es mit 300 Gebäuden und Zäunen zu tun. Wieviel Kalk,
Ziegel, Dachpfannen, Zement, wieviel Zaundraht, Pfähle und
Nägel werden wohl die 100 Kleinbesitzer mehr brauchen wie der
eine Großbesitzer?
Aendern wir jetzt aber der leichteren Darstellung wegen
unser Beispiel ein wenig und nehmen an, neben dem Großgut
von 3000 Morgen befänden sich die verstreut wohnenden 100
Kleinbesitzer, die je 30 Morgen Land ihr eigen nennen.
Die Frühjahrssaatbestellung rückt heran. Es muß künst-
licher Dünger auf den Acker gestreut werden. Der Großbesitzer
hat sich je nach Bedarf ein paar Eisenbahnwaggons Kunstdünger
kommen lassen, bespannt seine Arbeitswagen mit je 4 Pferden
und ladet auf jede Fuhre 50 bis 60 Zentner, so daß jedes Pferd
12 bis 15 Zentner Gewicht nach Hause zieht.
Die Kleinbesitzer haben, um den teuren Preisen des Höker-
kaufmanns auf dem Lande zu entgehen, sich vielleicht auch ge-
meinsam ein paar Waggons Kunstdünger kommen lassen. Zur
Frühjahrsbestellung braucht jeder von ihnen vielleicht 5 Zentner.
Der Dünger ist angekommen, und alle Reflektanten werden zur
Verteilung zum Bahnhof bestellt. Nun holt der Besitzer mit
seinem Fuhrwerk ganze 5 Zentner nach Hause. Der Guts-
kutscher schaffte 50 bis 60 Zentner. Ist der Bahnhof vielleicht
etwas abgelegen, dann fällt der Kleinbesitzer von vornherein dem
näher wohnenden Kaufmann und seinen höheren Preisen in die
Hände.
Der Kunstdünger ist nun glücklich ausgestreut. Leider hat
dabei der Wind einen gewissen Prozentsatz gerade auf das Feld
der bösen Nachbarn getrieben. Der Gutsbesitzer nebenan hat
94
mit seiner Maschine den teuren Kunstdünger in tadellosester
Weise gleichmäßig ausgestreut.
Nun beginnt die Saatbestellung. Mit seinen von 4 kräftigen
Pferden gezogenen schweren Kultivatoren, denen entsprechende
vierspännige Eggen folgen, arbeitet der Großbesitzer seinen
Acker in tadellosester Weise vor. Zwei- bis dreimaliges Ueber-
arbeiten mit den schweren Apparaten haben genügt, den Boden
so durchzuarbeiten, daß die Einsaat mit der Drillmaschine vor-
genommen werden kann. Bei den langen Streifen bringt die
Drillarbeit ungemein viel Nutzen. Gegenüber der früher üblichen
Handsäerei respektive dem Arbeiten mit der Breitsäemaschine
wird durch die Drillmaschine, die jedes Korn in die Erde bringt,
ein Drittel an Saatgut gespart. Außerdem kommt die Saat in
die vorschriftsmäßige Tiefe, was ein sicheres und gleichmäßiges
Aufgehen verbürgt.
Der Kleinbesitzer nebenan hat auch mit der Saatbestellung
begonnen. Statt des teuren Kultivators hat er zum Voreggen so-
genannte Schareggen, die Zinken mit sogenannten Gänsefüßchen
haben oder etwas Aehnliches. Der Apparat muß seinen beiden
schwachen Pferdchen angepaßt sein, ebenso die anderen Eggen.
Nach dem mechanischen Prinzip, ,,was am Wege verloren geht,
wird an Kraft gewonnen", arbeitet er um so öfter über dieselbe
Stelle, und erzielt doch nicht die nötige tiefgründige Lockerung
und Herausbringung von Quecke usw. Dafür stampfen die
Pferdehufe durch das oftmalige Herumdrehen auf derselben
Stelle den Acker tüchtig fest, namentlich wenn der Boden noch
nicht so richtig trocken ist.
Dann kommt das Säen selbst. Eine Drillmaschine ist für
30 Morgen zu teuer. Der Kleinbauer sät mit der Hand. Das
ist natürlich immer mehr oder weniger unvollkommen. Damit
überall wenigstens die Minimalzahl von Körnern hinfällt, wird
auf vier Fünftel des Ackers Saatgut verschwendet. Ein im Ver-
hältnis zur Fläche sehr großer Prozentsatz an Saatgut fällt auf
die Grenzraine und Grabenkränze.
Ebenso ist es mit dem Aussäen der teuren Kleesaat. Der
Großbesitzer hat auch für diesen Zweck eine tadellos funktio-
nierende Maschine. Der Kleinbesitzer kann sich nicht allerhand
derartige Maschinen anschaffen, die er nur ein paar Stunden
im ganzen Jahre braucht. Auch eine genossenschaftliche An-
95
Schaffung solcher Maschinen ist schwer möglich, denn wenn die
Zeit da ist und das Wetter günstig, muß vor allem gesät werden.
Oft werden die frühen Morgenstunden, solange ein etwaiger
Nachtfrost das Betreten der Winterfelder, ohne dort Schaden an-
zurichten, noch möglich macht, zur Aussaat von Klee und Säme-
reien benutzt. Bei diesen teuren Sämereien wird der Bauer durch
seinen rückständigen Handbetrieb empfindlich geschädigt. Jeder
plötzliche Windstoß treibt diese bekanntlich nur mit drei Fingern
gestreute teure Saat an die falsche Stelle,
Doch noch etwas anderes. Unter den 100 Kleinbesitzern be-
finden sich sicher einige, die das Talent haben, Saatgetreide als
Spezialität zu züchten. Durch Auslese der Getreidestauden
respektive der Aehren, durch Kreuzung verschiedener Getreide-
sorten miteinander, durch Auswahl passenden Bodens, durch
vergleichende Beobachtung des Wachstums und der Erträge ver-
schiedener Getreidesorten unter denselben Saat-, Düngungs- und
Bodenverhältnissen würden diese Leute ihre speziellen Kennt-
nisse und Veranlagungen zum Segen für sich und andere ent-
falten können, wenn sie nur mehr Bewegungsfreiheit hätten.
30 Morgen ist eine kleine Fläche. Verschiedene Sorten der-
selben Getreideart lassen sich da nicht sehr gut anbauen und
namentlich nicht ein Weiterzüchten. Schon von den Grund-
stücken der vielen kleinen Nachbarn treibt bei den Windblütlern
die Luft den Blütenstaub an den verkehrten Ort.
Aber auch bei den Insektenblütlern, zum Beispiel den Legu-
minosen, wird bei nahe beieinanderliegenden Pflanzensorten der-
selben Art eine ewige Kreuzung stattfinden.
Unsere Kleinbesitzer werden ihre Spezialität nicht entfalten
können. Auch der Mangel an genügend getrennten Aufbewah-
rungsorten auf dem Gehöft verbietet es.
Sie werden das dem großen Nachbarn nebenan überlassen
müssen, der bei seinen Versuchen die zu beobachtenden Ge-
treidesorten so weit voneinander entfernt anbauen kann, daß
eine nicht gewollte Vermischung tunlichst vermieden werden
wird.
Nun nebenbei sei erwähnt, wie diesen Kleinbesitzern immer
die Gefahr droht, daß, wenn sie mit vieler Mühe und Arbeit
ihren Acker von Unkraut möglichst befreit zu haben glauben,
durch nachlässige Nachbarn diese Hoffnung illusorisch gemacht
96
wird. Sie haben ihr Feld gut bestellt und für reines, unkraut-
freies Saatgut gesorgt; da betrachten sie eines Tages ihr Feld
und sehen, wie das Unkraut lustig in die Höhe schießt. Der böse
Nachbar trägt die Schuld. Der Großbesitzer riskiert in dieser
Hinsicht immer nur einen für seine Verhältnisse kurzen, schmalen
Streifen an irgendeiner Grenze.
Nun kommt das Kartoffelsetzen an die Reihe. Zu diesem
Zwecke muß der für die Kartoffeln bestimmte Acker gründlich
und recht tiefgründig durchgearbeitet werden. Bei dieser Arbeit
ist unser Großbesitzer mit seinen schweren Gerätschaften und
Pferden dem Kleinen natürlich wieder überlegen. Beim Setzen
selbst dürfte Wind und Sonne zwischen groß und klein eben-
falls ungünstig verteilt sein. Das Setzen mit dem Spaten hat
der Kleinbauer in der Hauptsache aufgegeben, weil die Rein-
haltung der Kartoffeln mittels Handhacke gar zu viel Arbeit ver-
ursacht und mittels Häufelpflug ebensogut besorgt werden kann.
Auch der Kleinbauer setzt heutzutage die Kartoffeln hinterm
Pflug in langen Reihen. Der Unterschied ist auch da wieder der,
daß die Arbeit bei den längeren Reihen des Großbesitzers besser
schafft und bei dem selteneren Kehren nicht so viel Saatgut zer-
stört wird. Der Großbesitzer schafft sich oft auch ein Pflug-
gerät an, mittels dessen der Kartoffelacker gerillt oder gekämmt
wird. In die Rillen werden die Kartoffeln gelegt und die Rillen
einfach zugeschleppt. Derselbe mehrscharige Apparat wird nach-
her auch zur Lockerung und Reinhaltung benutzt. Der Klein-
besitzer kann sich nicht für jeden Zweck verschiedene Geräte
anschaffen.
Beim Behäufeln gereichen die kurzen Reihen dem Klein-
bauern wiederum zum Nachteil. Zeit und Kraft gehen verloren,
und viele Stauden werden beim Kehren geschädigt.
Bei der Kartoffelernte nun ist heute der Großgrundbesitzer
dem Kleinbauern weit überlegen. Ersterer bespannt seine Kar-
toffelaushebemaschine, die sehr viel Arbeit spart. Der Klein-
bauer kann diese Maschine nicht anwenden. Einmal verhindern
dieses die kurzen Reihen, und dann sind für diese Maschine vier
recht kräftige Pferde nötig, die je zwei und zwei voneinander
gespannt werden müssen. Der Kleinbauer wird verdammt sein,
im Schweiße seines Angesichts ewig seine Kartoffeln mit der
Handhacke aus der Erde zu buddeln.
Kautsky, Landwirtschaft 7 0,7
Bei günstigem Wetter beginnt nun auch bald das Rüben-
setzen. Der Kleinbauer besetzt gemeinhin einen weit größeren
Prozentsatz seiner Fläche mit Futterrüben "wie der Groß-
besitzer.
Finden wir vielleicht hierbei eine Ueberlegenheit des Klein-
betriebs über den Großbetrieb?
Das Setzen der Rüben bereitet viel Arbeit. Die Pflanzen,
werden in der Regel auf besonders kräftig gedüngten und ge-
schützt liegenden Beeten herangezogen. Schon hier müssen die
Setzpflanzen reingehalten und womöglich öfter gegossen werden.
Sind sie groß genug geworden, dann werden sie abgezogen, um
auf dem Rübenacker wieder eingepflanzt zu werden. Unter Um-
ständen muß bei ungünstiger Witterung jede gesetzte Rüben-
pflanze angegossen und womöglich auch noch später wiederholt
gegossen werden. Nachher kommt das wiederholte Behacken
und Reinhalten der Pflanzen, was sehr viel Arbeit ver-
ursacht.
Sehen wir einmal näher zu.
Der Großbesitzer benutzt, wenn er großen Rübenbau treiben
will, unter Umständen seine Drillmaschine und drillt die Rüben-
kerne, dann fällt die Aufzucht der jungen Pflanzen auf be-
sonderen Beeten, ihr Versehen und eventuelles Gießen weg.
Allerdings wird dabei viel mehr Saatgut gebraucht und die auf-
gehenden Pflanzen müssen verzogen werden, was ebenfalls große
Arbeit verursacht. Indes kann hinterher der Großbesitzer
mit geeigneten Rübenhackmaschinen die gröbste Arbeit des
Bodeniockerns und Reinhaltens besorgen. Doch Rüben vertragen
kein Behäufeln, wie es die Kartoffeln lieben; die Haupt-
arbeit des Reinhaltens und Hackens wird hier Handarbeit
bleiben.
Beim Rübenbau ist fraglos der Kleinbesitzer seinem großen
Nachbarn überlegen. Während der Kleinbesitzer von seinen
30 Morgen einen bis zwei Morgen Rüben, also den dreißigsten
bis fünfzehnten Teil seines Areals setzen und bearbeiten kann,
wird der Großbesitzer von 3000 Morgen reichlich zu tun haben,
wenn er 50 Morgen, also den sechzigsten Teil seines Besitzes
mit Rüben bepflanzen und diese von seinen Leuten bearbeiten
lc.ssen will.
98
Also der Kleinbesitz wäre hier dem Großbesitz überlegen,
wenn — ja wenn die Kartoffelaushebemaschine nicht gekommen
wäre und wenn die Kartoffel nicht einen viel höheren Ertrag
vom Boden geben würde.
Das einzige Argument, das der Kleinbesitz zuungunsten des
Großbesitzes in die Wagschale werfen konnte, nämlich den
Anbau von Hackfrüchten, das hat die Kartoffelaushebemaschine
über den Haufen geworfen.
Von einem Morgen respektive einem Viertel Hektar erzielt
man, hochgerechnet, einen Durchschnittsertrag von 300 Zentner
Rüben. Rechnet man pro Zentner Futterrübe 50 Pfennig, so würde
das also einen Bruttoertrag von 150 Mark pro Morgen geben.
Beim Kartoffelbau erzielt man pro Morgen einen Ertrag von
100 Zentnern, das ist nicht besonders hoch gegriffen, aber wenn
man die Kartoffeln auf einem Acker bauen würde mit ent-
sprechendem Dünger, wie ihn die Rübe, um überhaupt zu ge-
deihen, notwendig braucht, dann müßten wir Erträge von
120 — 130 Zentner pro Morgen annehmen.
Berechnen wir die Kartoffeln pro Zentner mit 1,50 Mark,
was nicht sonderlich hoch gegriffen, ist, dann beträgt der
Ertrag pro Morgen 150 — 195 Mark. Dieser Ertrag ist
aber erzielt mit verhältnismäßig geringem Arbeitsaufwand, wäh-
rend die Rüben, um 300 Zentner zu geben, ungeheure Arbeit
erfordern.
Der Großbesitzer wird also seinen Kleinnachbar ruhig seine
teuren Rüben bauen lassen, während er selber mit Hilfe der Kar-
toffelaushebemaschine zum rentableren Kartoffelbau übergeht.
Gewiß hat der Bauer von den Rüben, deren Blätter er täg-
lich bricht, den ganzen Sommer hindurch Vorteil, aber die Rüben
quittieren diese Behandlung dann natürlich durch entsprechend
geringeren Ertrag bei der Ernte.
3. Die Viehweide
Nun ist mittlerweise das Nutzvieh auf die Weide gejagt.
Der Großbesitzer nebenan hat seine Kühe und sein Jungvieh
in eingezäunte große Weidegärten getrieben, die an passenden
Stellen angelegt sind, oder er hat vorhandene Wiesenflächen
benutzt. Geeignete Tränkteiche, falls keine natürlichen Wasser-
läufe bei Anlage der Gärten berücksichtigt werden konnten,
r 99
sind gegraben. Hier können die Tiere nach Belieben ihren
Durst stillen. Einfache Schuppen können errichtet werden,
in welchen die Tiere zur Nacht, bei ungünstiger Witterung oder
gegen die sengenden Strahlen der Mittagsonne Schutz suchen
können.
Jedes Tier, sei es Milchkuh oder Jungvieh, kann sich hier
in diesen weiten Gärten das ihm am meisten zusagende Futter
auswählen oder an der Stelle fressen, wo dasselbe Futtergras
infolge anders zusammengesetzten Bodens einen anderen Ge-
schmack angenommen hat. Jedes Tier kann ganz nach Be-
lieben die ihm zum Fressen am meisten zusagende Zeit aus-
wählen, ebenso entsprechend sein Trink- und Ruhebedürfnis be-
friedigen. Selbstredend wird die Milchkuh dafür durch erhöhte
Milchproduktion dankbar sein, ebenso wie Jungvieh durch
schnelleres Wachstum respektive vermehrten Fleisch- und Fett-
ansatz diese Weidegärten lohnt. Auf dieser Erfahrung fußend,
sind heutzutage die Gutsbesitzer allgemein bestrebt, sich ent-
sprechende Weidegärten anzulegen. Die Ersparnis der Arbeits-
kraft zum Hüten wird nebenbei natürlich auch noch gerne mit-
genommen.
Der Kleinbauer hat keine Auswahl zur Anlegung passender
Weidegärten. Er kann auch sowieso keine anlegen, denn sonst
bleibt ihm ein zu geringer Teil des Ackers für den Frucht-
wechsel. Feldfrüchte, die er in gewisser Menge notwendig
anbauen muß, würden zu oft auf dieselbe Stelle kommen. Für
wenige Stücke Vieh einen Garten mit Zaun zu machen und zu
unterhalten, ist auch verhältnismäßig teuer. Zwischen Zaun und
Acker geht außerdem wieder ein Streifen Land verloren; kurz,
er muß seine Kühe und sein Jungvieh auf der Wiese anbinden.
Da bekommt nun jedes Stück, ob Milchkuh, Jungvieh oder
Schaf, seinen besonderen Wirkungskreis angewiesen. Sparsam
muß umgegangen werden mit der Weide. Soweit die Leine
reicht, ist innerhalb des Kreises alles kahl abgefressen, und die
Tiere haben gewöhnlich einen sichtbaren Steg in Halbkreis-
form an der Grenze zwischen neuer Weide und der ab-
gefressenen ausgestrampelt. Welche Tantalusqualen mögen die
Tiere da oftmals ausstehen auf dürrer Heide, von bösen Verhält-
nissen im Kreise herumgeführt, und ringsherum ist schöne grüne
Weide! »
100
Den Besitzern der Tiere hinwieder erwächst eine stete
Arbeit mit ihnen. Beim Großbesitzer hat die Erfahrung ge-
gezeigt, daß die Tiere am besten gedeihen, wenn sie so wenig
wie möglich gestört werden; wohl müssen die Kühe natürlich
gemelkt werden, aber im übrigen ist es am zweckmäßigsten,
so selten wie möglich in den Weidegarten hineinzugehen, man
kann die Tiere sehr gut durch ein Glas beobachten. Dagegen
muß unser Kleinbauer immerwährend hin und her laufen. Da
muß der Pflock aus der Erde gezogen und an anderer Stelle
wieder einhämmert werden; da hat sich ein Tier in der Leine
verwickelt oder die Kreise des anderen gestört; da muß Trink-
wasser getragen werden; da müssen die Tiere zur Nacht in den
Stall und am Morgen auf die Weide geführt werden. Zur Nacht
dürfen sie nicht draußen bleiben, weil sie sich losreißen könn-
ten. Ein andermal wiederum hat sich die Zentrifugalkraft des
Hungers stärker erwiesen als die Zentripetalkraft der halb-
verfaulten Leine; das Tier steht plötzlich mitten in einem Ge-
treidefeld, woselbst es ihm so behagt, daß es sich, als der un-
erlaubte Seitensprung endlich bemerkt wurde, durchaus nicht
greifen lassen will und durch sein Laufen mit dem nach-
schleppenden Ende der Leine die ärgsten Verwüstungen an-
richtet und schließlich die anderen Tiere auch in Aufregung und
Rebellion bringt. Auch die Tiere wollen sich nicht an die Scholle
fesseln lassen. Besonders Schafe, die bekanntlich nicht sonder-
lich intelligent sind, pflegen die geringste ihnen unerwartete Er-
scheinung damit zu quittieren, daß sie mit einem mächtigen An-
lauf den Erdpflock lösen oder die Leine zerreißen und sich auf
dem Hofe in Sicherheit bringen.
Wem wurde nicht schon ein verzweifelter oder wütender
Blick von ehrsamen Bauersleuten nachgesandt, wenn sein un-
schuldiges Hündchen, das er spazieren führte, die angebundenen
Bauernschafe in die wildeste Flucht trieb!
4. Die Ernte
Mittlerweile ist die Zeit der Futterernte herangerückt.
Der Großbesitzer bespannt seine Mähmaschinen, und je nach der
Anzahl der Mähmaschinen, die er arbeiten läßt, hat er es
ganz in der Hand, die Futterernte zu beschleunigen. Heu-
101
wender, Pferderechen und neuerdings sogar eine verbesserte
Harkmaschine, die das Futler gleich in reguläre kleine runde
Kaufen zusammenbringt, wirken überaus arbeitersparend.
Unser Kleinbesitzer kann die Mähmaschine nicht so ver-
wenden. Auf seinen vielleicht je 1 Hektar großen beiden
Futterschlägen, die vielleicht noch durch ein Getreidefeld ge-
trennt sind, lohnt es nicht, die Maschine anzuspannen, abge-
sehen von den für ihn unerschwinglichen Anschaffungskosten.
Er müßte, um mit der Maschine beginnen zu können, sowieso
erst mit der Sense rings um die Fläche einen Strich vorhauen.
In die Ecken kommt die Maschine ebenfalls nicht hinein, und
überhaupt bei den scharfen Kurven, die die kleine Fläche der
Maschine gleich bietet, arbeitet dieselbe nicht besonders, es muß
immer mit der Hand nachgeholfen werden. Eine Harkmaschine
kann auch unser Kleinbesitzer anwenden, er kann diese aber
nicht kleiner oder billiger kaufen wie der Großbesitzer. Er
müßte eine Harkmaschine für 30 Morgen haben, während
5 — 6 Pferderechen unserem Großbesitzer für 3000 Morgen reich-
lich genügen. Eine genossenschaftliche Anschaffung all dieser
Maschinen findet ihre Verhinderung darin, daß diese Maschinen,
wenn sie überhaupt in Arbeit treten, von allen Besitzern zu
gleicher Zeit gebraucht werden.
Nun beginnt das Einbringen des trockenen Futters. Der
Großbesitzer richtet seine richtig besetzte Partie ein, wie hier
der Ausdruck dafür lautet. Je nach der Entfernung des Futter-
schlags werden 3, 4 oder auch 5 und mehr möglichst lange Leiter-
wagen bespannt. 2 Staker neben dem Wagen, 2 Lader auf dem-
selben, 1 Weiterfahrer und 1 Pferderechen hinter dem Wagen
bilden die Arbeitskräfte draußen auf dem Futterschlag. Ist der
erste Wagen vollgeladen, so steht schon der zweite bereit, um
an seine Stelle zu rücken usw. Das erste Fuder ist mittlerweile
auf den Gutshof gelangt und vor den Schuppen gefahren. Der
Kutscher spannt sofort die Pferde ab und bespannt einen bereit-
stehenden weiteren Wagen, den sogenannten Wechselwagen, und
fährt wieder aufs Feld. Zwei Staker haben mittlerweile schon
begonnen, das Fuder leerzumachen. Das Futter wird durch die
Schuppenluken auf den Stall gereicht. Dortselbst befinden sich
je nach der Breite des Schuppens, 6, 8, 10 oder noch mehr
102
Menschen, die das Futter, wie es von den Stakern gereicht wird,
weiterbefördern und sachverständig aufschichten.
Bei diesem Betrieb gibt es kaum einen Augenblick des
Müßigseins für Mensch und Pferd. Es ist wie ein Uhrwerk, das,
einmal in Betrieb gesetzt, wie von selber weiterläuft und vor
allem sich selber immer wieder den Antrieb gibt, in gleicher
Gangart weiterzulaufen. Der Herr respektive der Inspektor hat
seine Tätigkeit in der Hauptsache darauf zu beschränken, jedes
Hindernis sozusagen vor dem Entstehen hinwegzuräumen. Für
einen Wagen, der schadhaft zu werden beginnt, muß vor seinem
Zusammenbrechen ein anderer einrangiert werden. Wenn in der
einen Ecke des Feldes die letzten Fuder geladen werden, dann
muß der Inspektor taxieren können und achtgeben, daß schon
das vorletzte Fuder breiter und voller geladen wird, damit nicht
noch ein dritter Wagen, vielleicht nur halbvoll nach dem Hofe
gefahren werden muß usw.
Und unser Kleinbäuerlein! Auch er spannt seine beiden
Pferdchen an den entsprechend kleinen Wagen zum Futter-
holen. Mit seiner Frau allein kommt er dabei schon gar nicht
zurecht. Seine Kinder müssen mithelfen. Nun fährt die ganze
Gesellschaft auf den Futterschlag. Der Bauer reicht das Futter
auf das Wägelchen, die Frau ladet, ein Kind harkt nach und
ein anderes fährt weiter. Endlich ist das Fuder vollgeladen,
und die kleine Karawane begibt sich zurück auf den Hof. Frau
und Kinder erklettern auf einer Hühnerstiege den Schuppen,
bei dem infolge seiner Kleinheit die Ecken, der Dachfirst und
die sogenannten Okeln, die sich schlecht und beschwerlich voll-
stopfen lassen, einen viel größeren Prozentsatz ausmachen wie
auf dem geräumigen Schuppen des Großbesitzers. Unser Bäuer-
lein erklettert das Fuder und reicht das Futter nach oben, wäh-
rend die Pferdchen derweilen in der Sonne träumen. Endlich ist
das Fuder leer. Frau Bäuerlein und die Kinder klimmen die ge-
fährliche Hühnerstiege wieder nach unten, und das gesamte
lebendige Arbeitsinventarium unseres Kleinbetriebs pilgert wieder
aufs Feld usw.
Das ist hier im kleinen das, was Fritz Reuter in seinem ,,Ut
mine Stromtid" bei Fritz Triddelfitz verspottet hat.
Wenn nun gar die Bäuerin Mutterfreuden erwartet? Die
Arbeit muß gemacht werden. Aber wie leicht ist da ein Unglück
103
geschehen. Das Fuder rutscht oder kippt beim Auf- und Ab-
steigen vom Wagen oder vom Schuppen, ein kleiner Fehltritt,
und dauerndes Siechtum kann die Folge sein.
Nebenan beim einsichtigen Großbesitzer, dessen Einsicht
eventuell entsprechende Gesetze noch erhöht haben, wird eine
Frau, die ihrer Entbindung entgegensieht, solche gefährliche Ar-
beit nicht machen, unter den 36 Arbeiterfrauen ist Auswahl ge-
nug vorhanden.
Die Futterernte ist jetzt beendet, die Getreideernte hat
noch nicht begonnen. Der Bauer hackt seine Rüben, der Groß-
besitzer häufelt die Kartoffeln, irgendwo haben beide ein Stück
Schwarzbrache gelassen, welches besonders verunkrautet und
verqueckt war. Es ist jetzt Zeit, das in Ordnung zu bringen.
Der Großbesitzer geht vielleicht mit einer Scheibenegge, die
recht teuer ist, und hinterher wieder mit seinen schweren Appa-
raten dem Unkraut zu Leibe und hat es bald unterbekommen.
Unser Bäuerlein arbeilet sich mit seinen leichten Geräten ab und
bekommt doch die Quecke nicht aus den tieferen Acker schichten.
Nun wird die Brache tiefgepflügt. Es ist vorher starker Regen
gekommen. Eine tiefliegende naßgründige Stelle ist nach dem
Pflügen vom Sonnenbrand zusammengetrocknet, beim Eggen
gibt es Kluten wie Kinderköpfe groß. So darf das nicht bleiben,
der Acker wird nicht gar. Der Großbesitzer spannt seine schwere
Walze respektive Kroskel oder Schollenbrecher an und zermürbt
die Erdschollen durch ein- bis zweimaliges Ueberwalzen zu
Beutelmehl. Unser Bäuerlein wills nachmachen. Auch er be-
spannt seine Walze. Vergebliche Mühe. Die für 2 Pferdchen
berechnete leichte Walze macht auf die Kluten keinen Eindruck,
er muß zum Schlägel greifen und im Schweiße seines Angesichts
noch arbeiten, während der Kutscher des Großbesitzers nebenan
nach schnell vollbrachter Arbeit ein Liedchen trällernd davon-
fährt.
Mittlerweile ist die Getreideernte herangerückt. Hier
wiederholt sich das Spiel, das wir schon bei der Futterernte be-
schrieben haben. Getreidemähmaschinen der verschiedensten
Sorten arbeiten beim Großbesitzer. Lagerstellen müssen aller-
dings auch da noch mit der Sense genommen werden. Mäh-
maschinen, die in stark gelagertem Getreide arbeiten, werden
wohl schon in verschiedenen Formen auf den Markt gebracht,
104
sie haben sich aber meines Wissens bis jetzt noch nicht bewährt.
Das will aber nicht viel besagen; in der Hauptsache arbeiten die
Mähmaschinen.
Diese verhältnismäßig teuren und schwerfälligen Maschinen
kann der Kleinbauer selbstredend niemals anwenden, auch nicht
auf dem Wege der Genossenschaft. Mit der Hand muß er sein
Getreide mähen, binden und harken.
Während bei schönem Erntewetter die Einfahrtpartien auf
dem Gutshof wieder in Gang gebracht werden und ohne Zeit-
verlust und unnötige Kraftverschwendung Fuder auf Fuder in
die geräumigen Scheunen rattern, pendelt die gesamte
Bauernhofsbevölkerung wieder hin und her zwischen Feld und
Scheune.
Wenn Ziegel möglichst schnell in eine höhere Etage eines
Baues befördert werden sollen, oder Pfannen auf das Dach ge-
bracht, und keine besonderen mechanischen Vorrichtungen da-
für vorhanden sind, dann bilden die Arbeiter auf der Leiter eine
Kette, und es wandert nicht jeder einzelne mit ein paar Ziegeln
die Leiter auf und ab. Wenns wo brennt und Eile nottut, muß
ebenfalls der Eimer von Hand zu Hand durch die Menschenkette
fliegen, und in der Erntezeit brennts.
Dem Großbesitzer stehen nun 20 und mehr verschiedene
Scheunenfächer und Tennen zur Verfügung, in die er seine
diversen Getreidesorten fahren und namentlich das zur Saat
und zum Verkauf bestimmte Getreide gesondert aufbewahren
kann.
Unser Kleinbesitzer hat im besten Falle 4 — 5 voneinander
getrennte Gelasse in seiner Scheune. Wie soll er da nun die ver-
schiedenen Getreidesorten, wie Erbsen, Wicken, Roggen, Weizen,
Hafer, Gerste, Bohnen, Timothysaat, Menggetreide, Saatklee usw.
so aufbewahren, daß die verschiedenen Getreidearten sich nicht
vermischen, ganz abgesehen davon, daß schon beim Säen an den
Grenzflächen zweier Getreidefelderchen die verschiedenen Sorten
durcheinandergelaufen sind.
Die Ernte ist nun glücklich vorbei, das Getreide in den
Scheunen geborgen. Der Großbesitzer hat eine Zeit des bestän-
digen Wetters während der Ernte benützt, um gleich vom Fuder
zu dreschen. Er hat seinen Dampfdreschapparat an geeignetem
Platze aufgestellt, und statt in die Scheune sind die Getreide-
105
fuder an den Dreschkasten gefahren, und die Staker haben
das Getreide den Einlegern, die auf dem Dreschkasten hantieren,
zugereicht. Welche mannigfachen Vorteile erwachsen allein
daraus dem Großbesitzer. Einmal spart er bei einer be-
sonders reichlichen Ernte Scheunenraum. Er läßt das ausge-
droschene Stroh, das der von der Lokomobile gleichfalls ge-
triebene Elevator zu Haufen türmt, natürlich draußen stehen
und kann anderes Getreide dafür in die Scheune bringen, dann
erspart er tüchtig an Arbeit; denn um das jetzt schon vom
Fuder gedroschene Getreide später zu dreschen, hätte es wieder
aus dem Scheunenfach hinausbewegt werden müssen, nachdem
es vorher mit Mühe und Not eingebracht war. Dann aber hat
er gleich sein Saatgut zur Bestellung der Wintersaat fix und
fertig. Aus dem Dreschkasten läuft das Getreide, wenn der
Zylinder etwas enger gestellt wird, zur Saat beinahe brauchbar
in die Säcke.
Aber mehr noch! Kurz vor der neuen Ernte sind gewöhn-
lich die höchsten Getreidepreise. Bald nachdem frisches Ge-
treide auf den Markt gebracht ist, pflegen die Preise zu sinken.
Der Großbesitzer hat schon verschiedene Eisenbahnwagen mit
Getreide befrachtet zur Stadt geschickt und hat schon auf
seine Annoncen für den teuersten Preis Saatgetreide verkauft,
dann erst kommt der Kleinbauer dazu, seine Dreschmaschine
aufzustellen und zu dreschen. Natürlich kommt der Erdrusch
dann noch nicht Verkaufs- oder gar saatfähig aus der Maschine
zum Vorschein, sondern muß erst noch durch die Putzmühle
wandern.
Nach der Getreideernte kommt die Kartoffel- und Rüben-
ernte an die Reihe. Dieses Gebiet haben wir schon oben be-
handelt. Unser Bäuerlein gräbt im Schweiße seines Angesichts,
der Großbesitzer läßt seine Maschine arbeiten. Bei der Rüben-
ernte, die im allgemeinen wohl dem Groß- wie dem Kleinbesitzer
dieselbe Arbeit verursacht, kommt höchstens zugunsten des
Großbesitzers in Betracht, daß 4 Pferde den im selben Verhält-
nis beladenen Wagen leichter ziehen als 2, schon weil das Ge-
wicht des Wagens mit all dem Schmutze, der im nassen Herbste
von den ausgefahrenen Wegen den Rädern usw. mitgegeben
wird, sich auf 4 Pferde verteilt. Entsprechend kann mehr auf-
geladen werden. Belastend für den Kleinbauern ist natürlich
106
auch hier wieder, daß er mit seiner ganzen Karawane vom Hofe
zum Felde und umgekehrt wandern muß. Dasselbe gilt auch für
das Nachhauseschaffen der Kartoffeln.
Inzwischen ist natürlich größtenteils die Bestellung der
Winterfelder geschehen. Auch für die Wintersaat hatte unser
Bäuerlein seine 5 Zentner Kunstdünger ein paar Kilometer weit
nach Hause fahren müssen; auch bei der Wintersaat hat er mehr
Saatgut verwenden müssen, wie nötig gewesen wäre.
Nun wird Stalldung gefahren. Der Großbesitzer richtet auch
dabei seine Partie ein, das heißt eine Anzahl Menschen laden
im Stalle oder auf der Dunggrube den Dünger auf, ein paar
vierspännig bespannte Wagen fahren, und auf dem Felde be-
finden sich wieder Menschen, die den Dünger vom Wagen ab-
haken, respektive gleich ausbreiten. Unser Bäuerlein muß mit
seiner einen Fuhre und mit seiner gesamten Mannschaft natür-
lich wieder hin und her. Streut er den eben auf dem Felde in
kleinen Haufen abgehakten Dünger gleich aus, dann versäumen
die Pferde, läßt er den Dung in den kleinen Haufen vorläufig
noch liegen, um erst einmal denselben schnell vom Hofe zu
bringen, dann trocknet der Dünger auf dem Felde zusammen und
streut sich viel schlechter aus.
Nun wird Stalldung gefahren. Der Großbesitzer richtet auch
Stoppelpflügen; das ist die Vorbereitung des Ackers für die
nächstjährige Frühlingssaat. Natürlich ist der Großbesitzer da
seinen kleinen Nachbarn weit überlegen. Mit seinen für
4 Pferde berechneten Pflügen kann er natürlich viel tief-
gründiger und eigener diese Arbeit besorgen wie die Klein-
besitzer mit ihren für 2 Pferdchen berechneten Pflügen. Ist der
Boden sehr bündig und, was bei uns auch keine Seltenheit ist,
lange Zeit kein Regen gefallen, dann wird unser Bäuerlein über-
haupt das Pflügen einstellen müssen. Kommt es doch sogar vor,
daß die für 4 Pferde ganz besonders stark gearbeiteten
Pflüge zerbrechen und verbiegen, weil die festgetrocknete Erde
einen zu großen Widerstand bietet. „Sommerfrost" nennen es
die Bauern.
Welcher Besitzer von schwerem Boden hat das nicht schon
öfter durchgemacht und sich dann sehnsüchtig einen Retter
herbeigewünscht in Gestalt eines Dampfpflugs! Oft genug
kommt es vor, daß Ackerflächen mit schwerem Boden im Herbste
107
ungepflügt bleiben, weil die Trockenheit ein Pflügen unmöglich
machte. Der im Frühjahr gepflügte strenge Boden gibt in der
Regel keinen Ertrag.
Doch nehmen wir an, das Pflügen geht in einem gut durch-
näßten Boden vorwärts. Großbesitzer wie Kleinbauer halten
sich tüchtig daran. Da geht beim Großbesitzer auf dem Felde
mitten in der Arbeit ein Pflug entzwei. Ein im Acker ver-
borgener Stein hat die Spitze des Pflugeisens verbogen oder ab-
gebrochen. Der Großbesitzer hat für diesen Fall schon einen
Reservepflug auf dem Acker bereit liegen. Die Arbeit erleidet
nur geringe Unterbrechung. Nach Schluß der Tagesarbeit nimmt
der betreffende Gespannfahrer den beschädigten Pflug mit nach
Hause, der Gutsschmied bringt ihn in Ordnung, am nächsten
Tage wird er wieder aufs Feld mitgenommen, um als Reserve-
pflug zu dienen.
Unser Kleinbauer könnte ja auch seinen Reservepflug auf
dem Felde bei der Hand haben, oder da seine Felder nicht zu
weit vom Hofe abliegen, holt er sich von da einen Ersatzpflug;
doch er hat keine Schmiede zu Hause. Er muß den beschädigten
Pflug baldmöglichst auf den Wagen laden und zu der vielleicht
recht weit entfernten Schmiede fahren. Derartiges Malheur
kann unserem Kleinbesitzer natürlich nicht nur beim Pflügen
passieren, sondern in ungezählten anderen Fällen ebenfalls. Da
verliert ein Pferd ein Hufeisen respektive muß umgeschlagen
werden, da geht eine Egge entzwei oder es bricht ein Rad-
reifen usw.
Die Arbeiten auf dem Felde sind nun beendet, respektive
der eingetretene Winterfrost hat dem Hantieren mit Pflug und
Spaten ein Halt geboten. Es beginnen die Winterarbeiten auf
dem Hofe.
Das Vieh ist schon sämtlich eingestallt. Der Großbesitzer
spannt seine Lokomobile an den Dreschkasten und treibt das
Getreide aus der Scheune hindurch. Der Dreschkasten enthält
zugleich die Reinigungsmaschinen, Putzmühle, Siebe und Fächel.
Das Getreide läuft verkaufsmäßig in die Verladesäcke und wird
direkt von der Maschine zum Bahnhof gefahren und waggon-
weise zur Stadt geschickt. Der Preis ist mit dem Getreide-
händler vorher schon vereinbart. Der Gutsbesitzer liest die
Börsenberichte und weiß, welchen Preis das Getreide hat. Dem
108
Getreidekaufmann ist es natürlich sehr lieb, waggonweise das
Getreide auf einer Stelle zu kaufen. Er kann in diesem Falle
höhere Preise zahlen. Der Großbesitzer hat außerdem ein
größeres Absatzgebiet für sein Getreide. Er kann das im
Eisenbahnwaggon verfrachtete Getreide eventuell auch zur
nächsten Großstadt schicken, wenn er glaubt, trotz der höheren
Frachtkosten dort durch höhere Preise noch einen Gewinn zu
erzielen.
Der Kleinbesitzer setzt seine durch die Pferde getriebene
Dreschmaschine in Gang, muß hinterher noch putzen, fächeln
und sieben und erhält doch keine reine Ware, weil das Ge-
treide in der Scheune nicht genügend getrennt gehalten werden
konnte.
Bei einer sehr guten Ernte hat er nun auch einiges zum
Verkauf übrig. Er bespannt sein Fuhrwerk, ladet ein paar
Zentner auf und fährt mitunter meilenweit zur nächsten Stadt.
Wenn möglich, wird er diese Fahrt natürlich mit einem Markt-
tag verbinden, der in der Stadt abgehalten wird, und sich viel-
leicht Ferkel oder sonst was kaufen, um wenigstens nicht leer
nach Hause zu fahren.
Kaum ist er in der Stadt, so überfallen ihn schon die Vor-
käufer oder Deichselspringer, behandeln sein Getreide und
suchen dem unwissenden Bäuerlein mit allen Kniffen möglichst
billig die Ware abzukaufen. Billiger wie die Ware des Groß-
besitzers muß dies Getreide sein, denn das Heer der Vorkäufer
arbeitet im Auftrage desselben Großhändlers, an den auch unser
Großbesitzer seine Getreidewaggons sendet, und alle diese
Zwischenhändler zweiter und dritter Größe wollen auch leben.
Praktischer ist es denn schon, wenn der Großhändler viel-
leicht in einem Dorfe in der Nähe unserer Kleinbesitzer einen
Aufkäufer hinsetzt, der dann von den Bauern Getreide zusam-
menkauft, bis er einen Waggon voll hat und es dann verladet und
zur Stadt schickt. Die Bauern sparen dann wenigstens den
Weg zur Stadt, aber die größeren Unkosten bleiben doch be-
stehen, und das so zusammengekaufte Getreide bildet keine ein-
heitliche Ware, kann also nur minderwertige Preise erzielen,
selbst wenn wir schon nicht annehmen wollen, daß irgendein ge-
wissenloser Besitzer vielleicht schlechtes Getreide dazwischen
schmuggelt und so die ganze Sendung damit verdirbt.
109
Nun ist Saatklee zu dreschen und reinzumachen. Das
letztere ist eine überaus schwierige Arbeit. Das Kleekorn will
sich durchaus nicht aus den Hüllen, in denen es steckt, befreien
lassen. Da muß zehn- und zwanzigmal gedroschen, gerieben und
gearbeitet werden, und trotzdem bleibt noch ein großer Teil der
Kleesaat in den Hülsen.
Dieser schwierigen Reinigungsarbeit wegen haben früher die
Gutsbesitzer vielfach auf den Saatbau der verschiedenen Klee-
sorten verzichtet, sich die Saat fertig gekauft und den kleinen
Besitzern den Anbau von Saatklee überlassen. Auch das ist
jetzt anders geworden. Es ist eine Kleereinigungsmaschine kon-
struiert, hier bekannt unter dem Namen Viktor, die immer grö-
ßere Verwendung findet und die Schwierigkeit des Saatklee-
reinigens vollständig behoben hat. Die Gutsbesitzer schreiten
jetzt wieder zum Saatkleebau. Der Kleinbauer wird sich nach
wie vor mit seiner veralteten Methode quälen können, denn die
Maschine, die ebenfalls durch die Lokomobile getrieben und von
einem Unternehmer von Gut zu Gut gesandt wird, kann nur dort
aufgestellt werden, wo ihr eine gewisse Minimalarbeitsdauer
garantiert wird.
Die Winterszeit wird ferner benutzt, um Holz zu fahren.
Auch der Vorrat für den Sommer wird herbeigeschafft. Der
Forst ist oft eine oder gar mehrere Meilen vom Besitzer ent-
fernt. Der Großbesitzer richtet wieder seine Vierspänner und
ladet seine 5 — 6 Meter auf den Wagen.
Unser Kleinbesitzer kann da wieder nicht mitkonkurrieren.
Im Winter hat er allerdings Zeit. Da kauft er denn, um nicht
zuviel Geld ausgeben zu müssen, den Abfall, die Aeste, soge-
nannten Sprak, und bringt dann mit jeder Fuhre Brennwerk nach
Hause, das einen Wert von 40 — 50 Pfennig hat.
Wie steht es nun mit der Viehhaltung und Pflege im
Winter?
Der Großbesitzer hat das Vieh beim Einstallen entsprechend
gesondert. Hier ist der Stall für die Kühe, da ist das Jungvieh
nach Größe oder sonstwie gesondert untergebracht, im anderen
Stalle befinden sich die Schafe respektive das andere Inven-
tarium. Ueberall sind die saubersten und bequemsten Fütter-
einrichtungen gemacht. Das Wasser wird durch maschinelle
110
Einrichtungen in das Bassin gepumpt, ein Röhrenwerk, das in
jeder Krippe seine Ausmündung hat, ermöglicht das bequemste
Tränken.
Diese Einrichtungen sind vielfach schon wieder verbessert.
In Verbindung mit der Wasserleitung werden automatisch funk-
tionierende Tränkeinrichtungen angelegt, die es jedem Tiere er-
möglichen, ganz nach Belieben zu jeder Zeit sein Wasserbedürf-
nis zu befriedigen. Das Wasser hat in diesem Falle immer eine
angemessene Temperatur. In vollkommenerer Weise kann dem
individuellen Verlangen der einzelnen Tiere in dieser Richtung
nicht mehr Rechnung getragen werden.
Mag unser Kleinbauer, der sich natürlich für seine paar
Stück Vieh keine Wasserleitung anlegen kann, noch so oft durch
Vorhalten des gefüllten Tränkeimers die Kuh stören, die auto-
matische Tränkvorrichtung ist jedenfalls die vollkommenste und
trägt zum Wohlbefinden des Tieres ganz erheblich bei.
Die sonst auf vielen Gütern schon bestehenden Einrichtun-
gen für schnelles und arbeitsparendes Füttern übergehe ich,
jedenfalls können bei unserem Großbesitzer zwei Menschen mit
Leichtigkeit 120 — 150 Stück Jungvieh besorgen; dabei setze ich
allerdings voraus, daß zum Bürsten und Putzen des Viehes
noch eine Hilfskraft tätig ist. Gewöhnlich werden auf den
Gütern für diesen Zweck ältere Arbeiter verwendet, die schwere
Arbeit draußen oder in der Scheune nicht mehr verrichten
können.
Bei Kühen rechnet man auf je 20 Stück eine Arbeitskraft.
Bei einer Herde von 100 Kühen zum Beispiel übernimmt der
Kuhmeister mit vier Gehilfen die ganze Arbeil, das heißt füttern,
melken, den Dung aus dem Stalle schaffen, putzen und auch noch
die Kälberaufzucht.
Unser Kleinbauer von 30 Morgen hat im ganzen aller-
böchstens 10 Stück Inventarium. Er hat 2 Pferde und dann viel-
leicht noch 2 Kühe, 3 Stück Jungvieh, 1 Mutterschaf und
2 Schweine. Jedenfalls muß Herr und Frau Bauer sich mit
diesen 10 Hofgenossen den Winter über durchschlagen. Ja, kann
unser Kleinbäuerlein aus diesen 10 Stück Inventarium nun wenig-
stens etwas Besonderes erzielen, mehr erzielen verhältnismäßig
als der Gutsnachbar nebenan? Sehen wir zu.
111
Der Gutsnachbar nebenan hat 100 und mehr Kühe. Er hat
für diese Kühe Stallschweizer, also qualifizierte Arbeiter, Leute,
die dieses Fach als Spezialfach erlernt haben.
Die Kühe werden an den einzelnen Futtergängen sachgemäß
verteilt. Frischmilchende Kühe respektive solche, die besonders
gute Futterverwerter sind, kommen an den ersten Gang, und
nun stuft sich die Aufstellung nach dieser Tendenz der Reihe
nach an den weiteren Futtergängen ab. Für die Gänge mit den
besseren Futterverwertern wird nun natürlich entsprechend mehr
Kraftfutter vom Speicher, respektive Rauhfutter vom Schuppen
gegeben.
Aber damit allein wird sich der Großbesitzer auch noch nicht
begnügen, sondern von seinem Kuhmeister verlangen, daß er
innerhalb dieser verschiedenen Futtergänge die Kühe noch indi-
viduell behandelt, der einen mehr zusteckt wie der anderen. Ein
guter Kuhmeister macht das schon von selber. Was kann unser
Bäuerlein in der Beziehung mehr tun?
In einem kürzlich erschienenen Artikel der „Monatshefte"
Nr. 7 zeigt Genosse Schulz an der Hand der Veröffentlichungen
der Milchkontrollvereine, daß die Produktionskosten pro Kilo-
gramm Milch beim bäuerlichen Besitz sich etwas niedriger stellen
wie bei Großbetrieb. Dabei spricht meines Erachtens die Fütte-
rung sicher die allergeringste Rolle mit. In der Hauptsache
dürfte dieser Unterschied, wenn der weitere Ausbau der Milch-
kontrollvereine diese bisher doch nur im kleinen gewonnene
Erfahrung bestätigen sollte, zurückzuführen sein auf das bessere
Melken. Ich gebe unumwunden zu, daß im kleinen bäuerlichen
Betrieb, wo die Bäuerin «eiber das Melken beaufsichtigt oder
gar mitmelkt, zum mindesten die Kühe zur Kontrolle nachmelkt,
oder gar in den bäuerlichen Familienbetrieben, wo die Frau ihre
beiden Kühe ganz allein besorgt, daß da die Kuh bis zum letzten
Tropfen Milch ausgestrippt und zu größerer Milcherzeugung an-
geregt wird, während im Großbetrieb, der nur mit fremden Ar-
beitskräften melken und fremde Arbeitskräfte das Melken beauf-
sichtigen lassen kann, vielmals nicht so rein ausgemolken werden
wird. Das sind natürlich kleine Nachteile für den Großbesitzer,
aber dafür melkt beim Großbesitzer auch ein Melker 15 und
mehr Kühe, während unsere Kleinbauersfrau ihre Arbeitskraft
nur an 2 Kühen betätigen kann.
112
Etwas mehr gärend Drachengift des Sozialismus und etwas
weniger Milch der frommen Denkart, mein verehrter Genosse,
dann werden Sie sich sagen, daß das, was die Kühe geben,
nicht das Alleinseligmachende für die Menschheit ist. Für den
Säugling mag die Milchproduktion der Güter Höchstes und Ein-
ziges sein, die Menschheit an sich braucht aber noch manches
andere. Wenn 4 oder 5 Menschen 100 Kühe vollständig be-
sorgen, das heißt füttern, melken, reinhalien und die entsprechen-
den Kälber aufziehen, dann wird die Milch, wenn sie auch
scheinbar um einen halben Pfennig teurer produziert würde, in
Wirklichkeit doch viel billiger sein, und für die Allgemeinheit
würde dabei ein viel größerer Nutzen herausspringen, als wenn
2 Menschen ihre Arbeitskraft an 2 Kühe sozusagen verschwen-
den müssen.
Um überhaupt zu einem richtigen Resultat zu kommen,
müßten die Milchkontrollvereine für den Großbetrieb natürlich
auch andere Preise für das Rauhfutter und Stroh annehmen, denn
die Gewinnung dieser Materialien gestaltet sich im Großbetrieb
billiger wie im Kleinbetrieb. Ebenso ist der Bezug und Einkauf
der Kraftfuttermittel im großen wesentlich billiger.
Der Kuhmeister in seiner Eigenschaft als Spezialarbeiter
auf seinem Gebiet wird in vielen Fällen, zum Beispiel beim
Kalben, wobei häufig genug Komplikationen vorkommen, durch
sofortiges sachgemäßes Eingreifen viel Schaden verhüten.
Unserem Bäuerlein gehen diese Spezialkenntnisse ab. Der
Kuhmeister vom großen Nachbargut wird oft genug von unseren
100 Kleinbesitzern in Anspruch genommen, um Rat gefragt und
herausgeholt, viel mehr, als es unserem Gutsbesitzer vielleicht
lieb ist.
Der Großbesitzer kauft sich nun einen Bullen. Für seine
weit über 100 Häupter starke Herde kann er sich den aller-
besten Bullen aussuchen. Ein paar hundert Mark mehr oder
weniger spielen dabei keine Rolle. Er kann sich aber auch den
Bullen aussuchen, der speziell für seine Herde am besten paßt.
Das eine Mal braucht er einen Stier aus einer besonders milch-
ergiebigen Herde, das andere Mal sieht er vornehmlich auf
Körperformen, einmal wieder auf besonders starke Knochen,
oder er will die häßlichen Kopfformen aus seiner Herde her-
Kautsky, Landwirtschaft 8 113
auszüchten und sucht einen Bullen mit besonders schönem Kopf
und feiner Hornbildung.
Diese freie Auswahl des Vatertieres ist bei der Viehzucht
dem Kleinbauern versagt. Für seine beiden Kühe kann er sich
keinen Bullen kaufen. Gewöhnlich geht er mit seiner Kuh zum
benachbarten Gutshof, und gegen Bezahlung respektive Ver-
pflichtung zu einem Tag Arbeit in der Erntezeit wird die Kuh
belegt. Natürlich nicht mit dem besten Bullen. Der Gutsbesitzer
wird nicht riskieren, sich womöglich durch die fremden Bauern-
kühe Seuchen in seine Herde einzuschleppen. Für die Bauern
und Leutekühe hat er einen billigeren und auch minderwertigeren
Bullen bereitstehen.
Nehmen wir nun auch schon an, unsere 100 Kleinbauern
v/ären so weit vorgeschritten, daß sie sich zusammentun und auf
genossenschaftlichem Wege einen guten Bullen kaufen. Dann
sind sie trotzdem noch viel schlechter daran wie der Groß-
besitzer.
Erstens einmal haben sie den Stier nicht auf dem Hofe
stehen, sondern müssen mit der Kuh, die rindert, oft einen
längeren Weg machen, was im Winter bei Sqhnee und Eis oft
üble Folgen haben dürfte. Doch davon abgesehen, kann bei der
Auswahl des Genossenschaftsbullen wohl auf die Kühe aller
100 Kleinbesitzer Rücksicht genommen werden? Man muß im
Auge behalten, daß die Kühe dieser Kleinbesitzer nicht wie die
Herde des Großbesitzers von vornherein nach einheitlichen Prin-
zipien gezüchtet worden sind, sondern ganz verschiedenartige
Eigenschaften besitzen.
Wir haben schon oft erwähnt, daß es unserem Kleinbäuer-
lein schwer fallen dürfte, seine etwaigen besonderen Fähigkeiten
zu verwerten und zum Beispiel Saatgetreide zu züchten.
Aehnlich liegt die Sache auch bei der Rindvieh-, Schweine-
und Schafzucht. Die eigentliche Tierzucht kann am besten der
Großbesitzer besorgen. Sicherlich werden unter unseren
IOC Kleinbesitzern auch welche vorhanden sein, die besondere
Fähigkeiten zum Züchter haben. Aber kann der beste Feldherr
und Stratege seine Fähigkeiten wohl verwerten und ausbilden,
wenn er weder ein Schlachtfeld noch genügend Soldaten zur Ver-
fügung hat? Kann der beste Spezialarzl seine Fähigkeiten aus-
nutzen und vor allem weiterentwickeln, wenn er nicht genügend
114
Kranke mit dem immer wieder verschiedenen Auftreten der
Krankheiten zur Behandlung und Beobachtung bekommt?
Ein guter Tierzüchter muß nicht nur ein feiner Tierkenner
und Beobachter sein, nein, er muß auch das Tiermaterial in ge-
nügender Menge zur Verfügung haben, er muß die verschiedenen
Tiere miteinander vergleichen können.
Was wird unser Bäuerlein anfangen können, wenn bei
einem der beiden Lämmer seines Mutterschafes eine Variation
auftritt? Als guter Beobachter und Kenner wird er das be-
merken, er wird auch erkennen, daß diese Variation weiter-
gezüchtet, verstärkt und konstant gemacht, irgendwelchen be-
sonderen Nutzen gewähren würde. Wie soll er aber mit diesem
einen Lamm die Variation weiterzüchten? Er müßte vielleicht
zu sämtlichen 99 Besitzern der Nachbarstadt laufen, um fest-
zustellen, ob da auch irgendwo dieselbe Variation aufgetreten
ist, und dann ist es noch fraglich, ob er dieses Tier zu kaufen
bekommt, oder der andere hat diese gute Variation nicht er-
kannt und das Tier als mißraten längst geschlachtet und ver-
zehrt.
Anders steht es in dieser Hinsicht bei unserem Groß-
besitzer. Der hat vielleicht eine Herde von 300 Mutterschafen.
Wenn da nun eine Variation auftritt, die eine Weiterzucht in
dieser Richtung wünschenswert erscheinen läßt, dann ist die
Möglichkeit dazu auch leichter gegeben. Falls unter seinen
vielen hundert Lämmern nur wenige Fälle dieser Varietät auf-
treten, dann fährt er zum Nachbar, der ebenfalls Schafzüchter
ist, und findet in dessen großer Herde das Gewünschte und
tauscht diese Tiere vielleicht ein gegen andere aus seiner
Herde, die der Nachbar zu seinen Züchtungsversuchen brauchen
kann.
Das Züchten von Artbullen, Ebern und Böcken liegt tat-
sächlich doch auch beinahe ausschließlich in der Hand von
Großbesitzern.
Auf die Schweinezucht will ich hier nicht weiter eingehen,
um nicht zu wiederholen, was ich in Nr. 26 der „Neuen Zeit"
geschrieben habe.
Mit dem Verkauf der aufgezogenen Tiere im Groß- resp.
im Kleinbetrieb steht es ähnlich wie mit dem Verkauf von Ge-
115
treide bei Groß- beziehungsweise Kleinbetrieb. Beim Groß-
besitzer findet der Händler gleichmäßiges Vieh in einer Menge,
daß er gleich einen, respektive ein paar Eisenbahnwaggons,
damit befrachten kann. Natürlich zahlt er dann den höchsten
Preis. Will er dieselbe Menge Vieh von Kleinbesitzern zu-
sammenkaufen, ja, wieviel Tage muß er da unterwegs sein und
von Ort zu Ort, von Gehöft zu Gehöft reisen, und schließlich
hat er doch nur bunt zusammengewürfteltes Zeug aufgekauft.
Der Großbesitzer hat unmittelbar an seinem Viehstall auch
die Viehwage stehen, zum Aerger der Händler, die behaupten,
die Viehwage habe ihren ganzen Verdienst vernichtet. Dar
Kleinbesitzer kann sich nicht eine eigene Viehwage anschaffen.
Er ist darauf angewiesen, sein Vieh nach ,, Sicht" zu verkaufen,
wobei der routinierte Händler ihm immer über ist. Im anderen
Falle muß er erst wer weiß wie weit sein Vieh auf die Wage
treiben, womit große Gewichtsverluste verbunden sind.
Der Großbesitzer hat seine eigene durch die Lokomobile
getriebene Schrotmühle stehen. Für seinen Betrieb lohnt selbst-
redend diese Einrichtung. Die Tiere verwerten das gemahlene
Getreide besser. Unser Kleinbauer kann sich für die paar
Zentner, die er zu vermählen hat, natürlich keine eigene
Mühleneinrichtung machen. Er muß entweder das Getreide ganz
verfüttern oder seine paar Scheffelchen zur Mühle hin- und
herschaffen.
Setzen wir einen anderen Fall. Unser Kleinbäuerlein
braucht einen Tierarzt. Er setzt seinen sogenannten Gala- oder
Kirchenwagen in Bewegung und holt den Mann heraus aus dem
vielleicht zwei Meilen entfernten Orte. Der Tierarzt behandelt
den Fall, das Bäuerlein bezahlt wehmütig die Taxe und fährt
den Tierarzt wieder nach Hause. Dort wartet vielleicht schon
ein zweites Fuhrwerk, das einem anderen unserer 100 Klein-
besitzer gehört, und der Tierarzt muß den Weg wieder machen.
Mit dem Menschenarzt kann es ebenso gehen.
Wird der Arzt zum Großbesitzer geholt, dann werden da
immer gleich soundsoviel Fälle mit abgemacht. Auch hierbei
wird das Konto unserer 100 Kleinbesitzer nicht unwesentlich
gegenüber dem einen Großbesitzer belastet werden.
116
5. Die intensive Viehzucht
Haben wir nun im vorhergehenden sozusagen die Entstehung
und den Lebenslauf der großen und der kleinen Besitzer zu
schildern versucht, haben wir da gezeigt, wie ungleich Licht und
Schatten zwischen groß und klein auch im Agrarbetrieb ver-
teilt sind, so wollen wir jetzt noch auf Fragen allgemeiner Natur
eingehen.
Die Verfechter der landwirtschaftlichen Kleinbetriebs-
form stellen sich triumphierend auf den Sockel der Statistik
und verkünden: „Der Kleinbetrieb kann auf derselben land-
wirtschaftlichen Fläche mehr Vieh produzieren wie der Groß-
betrieb."
Nach der Bibel erschlug der ackerbautreibende Kain den
nomadisierenden Abel; jetzt soll der angeblich mehr Vieh pro-
duzierende Kleinbauer Abel den ackerbautreibenden Großbesitzer
Kain erschlagen.
Wenn also der Fortschritt heute in der entgegengesetzten
Richtung liegen mag wie in früheren Tagen, so bestreiten wir
ganz entschieden, daß der Großbetrieb weniger Vieh produzieren
kann wie der Kleinbetrieb. 2X2 ist 4 und nicht 5.
Wir haben oben nachgewiesen, wieviel, im Verhältnis zum
Großbetrieb, der Kleinbesitz mehr an Land durch Höfe, Wege,
Gräben, Grenzraine verliert. Trotzdem soll sich auf weniger
Land mehr Vieh ernähren können.
Gewiß, die Statistik führt uns vor Augen, daß vom bäuer-
lichen Betrieb pro Hektar soundsoviel Schweine mehr geliefert
werden wie vom Großbetrieb von derselben Fläche.
Allerdings, die Bauern verkaufen wenig oder gar kein Ge-
treide; der Transport ihrer paar Zentner ist ihnen eben zu be-
schwerlich; außerdem können sie, wie wir oben gesehen haben,
nicht den Preis erzielen wie der Großgrundbesitzer. Aus diesem
Grunde verfüttern sie ihr Getreide in der Hauptsache an
Schweine.
Wenn unser Großbesitzer es ebenso machen wollte, das
heißt, sein sämtliches Getreide an Schweine verfüttern, dann
würde er sicherlich beträchtlich mehr Schweinefleisch produ-
zieren können wie unsere sämtlichen 100 Kleinbesitzer zu-
sammengenommen. Er würde absolut schon bedeutend mehr
117
produzieren, und gar relativ betrachtet würde er ein ganz ge-
waltig größeres Quantum auf den Markt werfen können. Warum
tut er es nicht? Er könnte es tun, nichts hindert ihn daran,
heute nicht einmal mehr die Seuchenfurcht. Nun, er tut es
nicht, weil er sich dabei keinen genügenden Verdienst ausrechnet.
Er überläßt es den Kleinbauern, sich für einen Hundeverdienst
zu quälen und zu schuften.
Wie steht es übrigens mit den Schweinen, die die landwirt-
schaftlichen Gutsarbeiter produzieren und verkaufen?
Die landwirtschaftlichen Arbeiter figurieren bei der Be-
rufszählung sozusagen als Kleinbetriebsbesitzer, sofern sie Land
zur eigenen Nutzung erhalten, was heute noch allgemein der
Fall ist, wie zum Beispiel die Gewährung von Kartoffelacker
und Gartenland. Wenn die ungeheure Menge Schweine, die
diese Leute umsetzen, dem Kleinbetrieb zugute gerechnet wird,
so kommt ein ganz schiefes Bild zutage. Diese Schweine müssen
ganz selbstverständlich dem entsprechenden Gutsbesitz zugute
gerechnet werden, denn der Gutsbesitz liefert die Materialien
zu ihrer Aufzucht.
Nun soll der Kleinbesitz, wenn auch lange nicht in dem
Verhältnis wie bei der Schweinezucht, so doch auch von der-
selben Fläche mehr Rindvieh produzieren wie der Großbesitz.
Um darüber ein richtiges Bild zu gewinnen, müßten unbedingt
die Verhältniszahlen in Gewichtsmengen zum Ausdruck kom-
men. Das ist aber unseres Erachtens unmöglich richtig zu
machen. Die Bauern verkaufen in den allerseltensten Fällen
ihr Vieh nach Gewicht. Um zu Gewichtszahlen zu kommen,
können also nur Durchschnittsgewichte der einzelnen Rinder-
kategorien angenommen werden oder gar dem von den Bauern
verkauften Vieh dasjenige Durchschnittsgewicht unterstellt
werden, welches das vom Großbesitzer verhandelte Vieh be-
sitzt. Dabei kann unmöglich ein wahrheitsgetreues Bild ge-
wonnen werden.
Man dürfte kaum wesentlich zu hoch greifen, wenn man
annimmt, daß das von den Gutsbesitzern verkaufte Vieh, wenig-
stens Jungvieh, beinahe doppelt so schwer ist wie das von den
Bauern verkaufte.
Die Bauern halten ihr Vieh gewöhnlich ja gar nicht, bis
es ausgewachsen oder gar schlachtreif ausgemästet ist. Sie ver-
!18
kaufen es schon sehr jung- Man braucht ja nur auf irgendeinen
Viehmarkt zu gehen, um das zu erkennen. Die Gutsbesitzer
kaufen dies unreife Bauernvieh entweder direkt oder indirekt
durch Vermittlung des Händlers und machen es erst schlacht-
reif. Der Großbesitzer, zumal wenn er technische Neben-
betriebe, wie Brennerei, Stärkefabrik, Molkerei, Zuckerfabrik
usw. hat, kann das Vieh ja auch viel billiger aufmästen wie
der Kleinbesitzer. Der Bezug von Kraftfuttermitteln im großen
befördert hierin ebenfalls seine Ueberlegenheit über den
Bauern.
Auch bei der Rindviehzucht müssen wir die Frage auf-
werfen, ob in der Statistik nicht etwa die Kuh, die dem Land-
arbeiter gehört, dem Kleinbesiiz zugerechnet wird; das wäre
natürlich ebenfalls unstatthaft.
Würden also einwandfreie Gewichtszahlen für das vom
Groß- respektive Kleinbesitz verkaufte Vieh vorliegen, so
müßte unseres Erachtens die Statistik schon ein ganz anderes
Bild ergeben, das sich bedeutend zugunsten des Grundbesitzes
verschieben würde.
Aber noch ein anderes kommt hinzu.
Ein gewisser Prozentsatz des von dem Kleinbesitzer groß-
gezogenen Viehes hat das Futter gefressen, welches der Groß-
besitz produziert hat.
Die Kleinbauern leisten heutzutage vielfach dem Groß-
besitzer Handdienste in der Erntezeit, um dafür vom Groß-
besitzer Spanndienste und Viehfutter in Anspruch zu nehmen
Vor Jahren, als die Mähmaschinen noch nicht so vollkommen
waren, wie sie es heute sind, als das Mähen des Futters noch
mit der Hand vorgenommen wurde, da war es sehr verbreitet,
daß der zweite Futterschnitt der Grummet, von den Gutsbesitzern
an die Bauern auf Anteil vergeben wurde.
Die Bauern mähten den Grummet ab mußten ihn trocken
machen und in kleinen Haufen zusammenbringen. Dann kam
der Gutsbesitzer, fuhr seinen Löwenanteil nach Hause und ließ
je nach der Quantität des Futters den dritten, vierten, fünften
oder gar nur den sechsten Haufen für die Bauern stehen. Die
Bauern können auf diese Weise Futter gewinnen, und der Guts-
besitzer hatte den Vorteil, ohne Mühe bei dem oft unsicheren
119
Herbstwetter den größeren Teil seines Grummets einzubekommen.
Außerdem verpflichteten sich die Kleinbauern noch, pro Hektar
der vergebenen Futterfläche soundsoviel Tage andere Arbeit bei
dem Gutsbesitzer zu verrichten.
Heute gestatten die Maschinen dem Gutsbesitzer, mühelos
seinen Grummet selber zu gewinnen; wenn dennoch viele
Gutsbesitzer dieses System beibehalten haben, so nur, um
Arbeitstage zu gewinnen. Andere wieder mähen mit Hilfe der
Maschinen meinetwegen etwa drei Viertel ihres Grummets
selber und vergeben den Rest ganz an Kleinbesitzer gegen
Ab arbeit.
Ebenso werden Grabenränder oder Wiesenschlanken, die für
den Großbesitzer zum Ernten zu unbequem sind, gegen Arbeits-
tage oder, wo Arbeitskräfte genügend vorhanden, auch gegen
Entgelt an Kleinbesitzer vergeben. Vereinzelt kommt es sogar
vor, daß Gutsbesitzer einen Teil ihres Getreides den Bauern
auf Anteil zu ernten geben.
Gewinnen also die Kleinbesitzer vom Großbesitz Futter,
um im Winter ihr Vieh durchhalten zu können, so ernähren
sie außerdem gewöhnlich auch noch im Sommer mit Hilfe des
Großbesitzes einen Teil ihres Viehstandes. Gegen Arbeitstage
wird ihnen vielfach auf den Gütern Weide für Rindvieh oder
Schafe gegeben. Die fleißigen, die arbeiten wollen, binden er-
laubterweise ihr Vieh an den Grenzen auf der Weide des Groß-
besitzers an; aber in der Nacht, die ihren Fittich über vieles
breitet, weiß oftmals das Inventarium mancher bäuerlichen Be-
sitzer die Grenzraine des Großbesitzers nicht zu erkennen. Bei-
nahe jeder Großbesitzer erhält auf diese Weise eine Anzahl
kleinerer Besitzer existenzfähig.
Genosse Schulz wird aus, seiner „Tilsiter Niederungszeit"
her gewiß noch im Gedächtnis haben, daß es dort große Wiesen-
güter gibt, ich nenne nur „Kruvertshof", auf denen die Haupt-
arbeit des Besitzers sich darauf beschränkt, seine Wiesen par-
zellenweise zur Futterernte kleinen Besitzern zu verpachten.
Diejenigen Kleinbesitzer nun, die vom Gutsbesitzer kein
Futter erhalten oder nehmen wollen, wandern vielfach in die
Forsten, um in den Waldwiesen gegen Geld Futter zu holen.
Der Forstfiskus hat durch Anwendung künstlicher Düngemittel
in letzter Zeit die Quantität und Qualität der Waldwiesen er-
120
heblich gebessert, und die Bauern holen mitunter meilenweit aus
den Forsten Futter nach Hause.
Nun kann man doch das Vieh, welches durch dieses vom
Großbesitz respektive von Forstwiesen produzierte Futter auf
dem Bauernhof großgezogen wird, unmöglich der vom Klein-
bauern besessenen Fläche zurechnen, indem man etwa sagt, der
Kleinbauer könne aus seinem Landbesitz heraus mehr Vieh
produzieren. Das hängt in diesem Falle absolut nicht mit dem
Kleinbesitz zusammen, sondern nur mit dem Kleinbesitzer.
Weil letzterer durch vergrößerte Ausbeutung seiner eigenen
und seiner Familie Arbeitskraft, indem er von den Graben-
rändern der Gutsgetreidefelder mühsam das Futter heraus-
trägt oder meilenweit nach dem Forst pilgert, sich unabhängig
von seinem Boden die Materialien zur Produktion von Fleisch
beschafft.
Die Zahlen, die uns die Statistik über die Fleischproduktion
auf Groß- respektive Kleinbesitz liefert, können wir also nichts
weniger wie einwandfrei nennen.
6. Die Beschäftigung der Landarbeiter im Winter
Der Kleinbesitzer hält sich eben wirtschaftlich am Leben
durch die ungeheure Ausbeutung seiner respektive seiner Fa-
milie Arbeitskraft während des Sommers. Dafür kann er aller-
dings im Winter auf der Ofenbank liegen, weil ihm Arbeit
mangelt.
Wenn auf dem Mond der Tag anbricht, dann steigt dort
die Temperatur rasch bis zu ein paar hundert Grad Wärme an,
um in der Mondnacht in das Extrem zu fallen und beinahe bis
auf den absoluten Nullpunkt zu sinken. Wird ein vernünftiger
Mensch das als einen zweckentsprechenden Temperaturausgleich
bezeichnen?
Wenn der Kleinbesitzer sich im Sommer mit seiner Fa-
milie beinahe zuschanden arbeitet, um dafür den langen Winter
mit Nichtstun verbringen zu müssen, ist das etwa ein zweck-
entsprechender Ausgleich? So liegen aber die Dinge.
Greifen wir wieder auf unser Beispiel zurück. Unser Groß-
besitzer auf seinen 750 Hektar hat 36 Arbeiterfamilien, mit
denen er unter Benutzung von Maschinen im Sommer auskommen
121
kann. Doch im Winter hat er schon die größte Mühe, diese
36 Familien zweckmäßig zu beschäftigen.
Arbeit ist die Tätigkeit, die sich mit Herstellung von nütz-
lichen Dingen für die Menschheit beschäftigt. Wir kennen einen
Pfarrer, der gab dem reisenden Handwerksburschen erst dann
etwas zu essen, wenn er einen Steinhaufen an einen anderen
Ort getragen hatte, der nächste Kunde mußte dann diesen
Steinhaufen wieder zurück an seinen alten Ort schaffen und
so fort. Das ist natürlich Arbeit für den Handwerksburschen,
für ihn sogar nutzbringende Arbeit, denn er bekam nachher zu
essen, aber der Allgemeinheit wird durch diese Arbeit absolut
kein Nutzen gebracht.
Würde der Pfarrer dem Handwerksburschen aufgeben, die
Steine vielleicht ein paar hundert Meter weit zu tragen, wo-
selbst sie für einen Chausseebau Verwendung finden sollen, so
wäre das schon eine für die Allgemeinheit nutzbringende Ar-
beit, aber immerhin noch recht unzweckmäßig. Richtig zweck-
mäßig würde diese Arbeit erst sein, wenn der Pfarrer einen
Wagen bespannen ließe, auf den der Handwerksbursche die
Steine aufzuladen, an die projektierte Chaussee zu rücken und
dort abzuladen hätte.
Unser Großbesitzer mit seinen 36 Familien wird natürlich
im Winter seine Leute niemals so beschäftigen wie der Pfarrer,
der den bewußten Steinhaufen hin- und her tragen ließ, aber er
wird sie aus Mangel an genügender Arbeit auch nicht sehr
produktiv ausnutzen, sondern vielfach den Mittelweg wählen.
Es ist eben in der Landwirtschaft im langen Winter Mangel
an Arbeitsgelegenheit. Immerhin hat unser Großbesitzer doch
nur für seine 36 Familien nach halbwegs lohnender Arbeit zu
suchen.
Wenn nun aber statt dieses Großbesitzers mit seinen 36
Familien auf den 3000 Morgen 100 Kleinbesitzer säßen, also
beinahe dreimal so viel Arbeitskräfte vorhanden wären, oder
wenn wir im Sinne des Genossen Schulz gleich verallgemeinern
und annehmen wollten, daß nur Kleinbesitzer, die keine fremden
Arbeitskräfte anwenden, überhaupt in der Landwirtschaft vor-
handen wären, wenn also das flache Land, soweit Groß- respek-
tive Mittelbetrieb in Frage käme, seine Einwohnerzahl beinahe
verdreifachte? Wenn diese Umwandlung, wie Genosse Schulz
122
prophezeit, in wenigen Jahrfünften vor sich gehen sollte, dann
würde zunächst unsere Industrie eine gewaltige Krisis durch-
zumachen haben; denn der Zuzug vom Lande zur Industrie
würde nicht nur ausbleiben müssen, sondern wahrscheinlich
müßte die Industrie noch Arbeitskräfte abgeben. In verdrei-
fachter Zahl müßte unsere Industrie Ausländer heranziehen, die
unsere heimischen Arbeiter doch nicht überall vollwertig er-
setzen könnten.
Aber nun denke man der Frage nach, diese dreimal so
starke Bevölkerung im nördlichen und nordöstlichen Deutschland
trete in den Winter.
Bis zum Oktober etwa würden diese Kleinbauern mit der
Ernte und den Feldarbeiten fertig sein. Der November pflegt
Frost zu bringen, und bis in den April hinein ruft der Winter
den eigentlich produktiven Arbeiten auf dem Felde sein Halt
entgegen. In diesem Jahre, das allerdings als Ausnahme zu
betrachten ist, stießen Arbeiter, die auf der Besitzung des Ver-
fassers drainierten, am 12. Mai teilweise noch auf Frost im
Boden. Bis zum Anfang des Mai waren Feldarbeiten nicht aus-
zuführen.
Jedenfalls können wir annehmen, daß unsere verdreifachte
Bevölkerung hier im Norden ein halbes Jahr auf dem Lande
mit ihrer Arbeitskraft sozusagen brach liegt. Im Süden und
Westen Deutschlands liegen in dieser Beziehung die Verhält-
nisse wohl wesentlich anders.
Im Winter hat bei uns der Kleinbauer beim besten Willen
nichts zu tun. Das bißchen Getreide ist bald ausgedroschen,
und nun raucht er seinen, erschrick nicht, Leser, womöglich
selbstgebauten Tabak auf der Ofenbank oder verfällt in den
Winterschlaf, und anstatt ein produktiver Vermehrer des Volks-
wohlstandes zu sein, ist er verurteilt, ein halbes Jahr nur als
Zehrer zu fungieren.
Welchen Einfluß wird diese wirtschaftsbetriebliche Verän-
derung auf dem flachen Lande noch sonst auf die Industrie
üben? Die gesamte Produktion von Maschinen, die der land-
wirtschaftliche Großbetrieb heute in immer steigenderem Maße
in Anwendung nimmt, wäre vernichtet, die Rückwirkung auf
die Kohlengewinnung und Hüttenindustrie unausbleiblich. Wir
123
haben oben schon ausgeführt, daß die hundert Kleinbesitzer
für Gerätschaften und Maschinen (Dreschmaschinen, Häcksel-
maschinen, Göpelwerk) ein beträchtlich größeres Kapital auf-
wenden müssen wie der eine Großbesitzer, das steht aber mit
dem eben vorher angeführten Satze in keinem Widerspruch;
denn was die Kleinbesitzer sich an Maschinen anschaffen, sind
einmalige Aufwendungen; diese Maschinen, weil sie gewöhnlich
rasten, vererben vom Großvater auf den Enkel. Der Groß-
besitz jedoch braucht gerade auch solche Maschinen, die schnell
verschleißen, wie zum Beispiel Mähmaschinen usw. In drei
Jahren pflegt eine Mähmaschine verarbeitet zu sein.
Aber noch etwas anderes. Diese Millionen von Kleinbauern
würden schließlich, um ihre Arbeitskraft auch im Winter etwas
betätigen zu können, unabweislich dazu übergehen, wie in
früheren Zeiten möglichst alles, was sie brauchen, selbst zu
verfertigen. Der selbstgewebte Rock, der vom Großvater bis
auf den Urenkel vererbt und von Generation zu Generation
wärmer und schwerer wurde, dürfte die Textilindustrie gewaltig
in Mitleidenschaft ziehen, analog würde es mit ungezählten
anderen Industrieartikeln gehen. Der Flachsbau würde wieder
aufgenommen werden, um zum Weben von Leinenzeug für den
Winter Material zu liefern.
Wie auf einem Gelände, das früher einmal in Kultur ge-
wesen und dann durch Verfall der Entwässerungen von neuem
Sumpfland geworden ist, hier und da die Irrlichter wieder ihr
spukhaftes Wesen zu treiben beginnen, so würden aus der Lein-
saat die flackernden Oellämpchen in den Bauernstuben zu neuem
Leben erstehen.
Der leuchtende Zeuge dafür, daß der sieghafte Menschen-
geist die Natur bezwungen hat, indem er den verheerenden Blitz
sich zum Sklaven gemacht, der elektrische Funke, der strahlend
auch dem flachen Lande zu leuchten begann, ihm würde ein
„Rückwärts" zugerufen. Die Volksschulen blieben mehr oder
weniger in ihrem alten Elend. Theater, Kunst und sonstige Bil-
dungsstätten, den Millionen von Kleinbesitzern werden sie ewig
unerreicht bleiben. Geschieden bleibt der Menschheit Heer in
Barbaren und Hellenen.
Die sozialistische Kultur der Städte und die Rückständig-
st auf dem Lande stehen sich gegenüber. Der Preis der Lebens-
124
mittel wird die Sphinx jener Zeit werden. Ein tiefer Spalt zer-
reißt unser Volk in zwei Teile, was kann hineingeworfen werden,
um ihn zu schließen?
Die nägelbeschlagenen Schuhe werden nach wie vor die
Marmorfliesen der Städte in Stücke zu trampeln suchen.
7. Kleinbauer und Sozialismus
Genosse Schulz erachtet in seinem Buche das Kommen des
Sozialismus in der Industrie für gegeben und leugnet nur die
Möglichkeit des Sozialismus für das Land, woselbst er als Er-
satz die landwirtschaftlichen Selbstbewirtschafter haben will. Wie
denkt er sich dabei die Möglichkeit der Durchführung des So-
zialismus?
Abgesehen davon, daß bei landwirtschaftlichem selbstwirt-
schaftenden Familienbetrieb auch ohne Beschäftigung fremder
Arbeitskräfte die Ausbeutung nicht aufgehoben, sondern in
schärfster Weise bei den Familiengliedern fortbestehen kann, —
wie wird das Fortbestehen der Familienbetriebe gesichert?
Der eine Kleinbesitzer wirtschaftet vielleicht schlecht oder er
hat ungünstige Verhältnisse im Boden oder in der Lage ge-
troffen, oder er hat auch nur besonderes Pech in der Wirt-
schaft. Er braucht Geld. Er findet es bei einem besonders
tüchtigen oder sonst irgendwie begünstigten Berufsgenossen.
Der will natürlich Sicherheit haben. Die Hypothek und somit
die Schuldknechtschaft ist wieder da. Nun wird der Geld-
braucher schließlich bankerott, und der Geldgeber muß das Land
mit übernehmen.
Und was wird aus der ruinierten Existenz? Darf der Mann
jetzt wenigstens als Arbeiter bei seinem vorherigen Geldgeber
tätig sein? Oder wird er ausgestoßen aus der Gemeinde der
Selbstwirtschafter?
So wird es sein! Ich sehe mit Seheraugen in die Zukunft
und sehe den Genossen Schulz bewaffnet mit einem Schwerte,
wie er den Unwürdigen, der es wagt, pleite zu gehen in der
Gemeinschaft der Heiligen, hinausstößt aus dem Paradies des
Privateigentums und ihn, o so sei verflucht, hinabstößt in den
Sozialismus der industriellen Genossenschaften.
125
Vielleicht wird aber Genosse Schulz gar nicht nötig haben,
mit dem Schwerte hinauszujagen? Vielleicht wird er umgekehrt
sich vor den Ausgang stellen müssen, um zu verhindern, daß die
Gemeinde der Heiligen nicht samt und sonders von dem Teufel
der Landflucht gepackt wird und mit klingendem Spiele in die
Städte, in das Lager des Feindes zum Sozialismus zieht?
Dann stehen Sie, werter Genosse, wie Hannibal auf den
Trümmern von Karthago. Und was werden Sie dann beginnen?
Dann krähen auf den bäuerlichen Höfen noch einmal recht
kläglich die Hähne, und der Spuk ist vorbei.
Nein, verehrter Genosse, wenn Sie sagen, Sozialismus in
der Landwirtschaft ist nicht möglich, dann sagen wir mit min-
destens mehr Berechtigung, landwirtschaftlicher Kleinbetrieb ist
unmöglich, wenn Sozialismus einmal das herrschende Prinzip
in der Industrie geworden ist.
Wie wollen Sie zum Beispiel auch die Erbfolge regeln?
Darf nur das Einkindersystem herrschen? Wenn nicht, so wollen
diejenigen, die nicht zum Thronerben prädestiniert sind, doch
auch was haben, entweder in Bargeld ausgezahlt oder durch ver-
zinsliche Hypotheken.
Und was machen diejenigen, die durchaus nicht zur Industrie
übertreten wollen, aus Lust und Liebe zur Landwirtschaft durch-
aus draußen bleiben wollen, wenn die Erde nun vergeben ist?
Sind vielleicht doch einige Großgüter gestattet, woselbst solche
Käuze Unterkunft finden können?
Nach unserer Auffassung würden es wirklich sonderbare
Käuze sein, die bei dem stupiden, elenden kleinbäuerlichen
Familienbetrieb bleiben wollten, während die Sonne des So-
zialismus die industrielle Produktion durchleuchtet und Kunst,
Bildung, Wissenschaft, Technik, Freude und Genuß zum Reifen
bringt.
Aber diese unter den vom Genossen Schulz angestrebten
Verhältnissen „sonderbaren Käuze" würden sicherlich massen-
haft vorhanden sein, dann aber nicht mehr „sonderbare Käuze"
vorstellen, wenn der sozialistisch-genossenschaftliche Großbetrieb
in der Landwirtschaft Platz gegriffen hat.
Wir haben in unserer Schilderung des landwirtschaftlichen
Großbetriebs nur die allernüchternsten, alltäglichsten Formen
vor Augen gehabt. Wir hätten, ohne dafür utopistisch genannt
126
werden zu dürfen, indem wir uns immer noch an Tatsachen ge-
halten hätten, schon ganz andere Bilder aufmarschieren lassen
können.
Auf der anderen Seite dagegen haben wir den heutigen
Xleinbesitz in viel zu rosigem Lichte erscheinen lassen. In Wirk-
lichkeit liegen die Verhältnisse bei den Kleinbauern vielfach ja
geradezu trostlos.
Man möge herumfahren im Sommer und Vergleiche an-
stellen zwischen den bestandenen Feldern auf den Gütern und
den Bauernfeldern. Was wir unter Berücksichtigung der Acker-
gerätschaften, der Art der Bestellung usw. theoretisch erwartet
naben, wird von der Wirklichkeit noch weit in den Schatten
gestellt.
Man möge die Kleinbauernhöfe besuchen und die vom Ge-
nossen Schulz so gelobte Viehhaltung ansehen und dann auf
den Gutshöfen Umschau halten und Vergleiche anstellen.
In dem Bestreben, eine möglichst große Anzahl von
Häuptern aufzuziehen, wird den Bauern häufig bald Streu und
Futter knapp, die Tiere, namentlich das Jungvieh, werden unter-
ernährt, bekommen Ungeziefer, und schließlich muß der Bauer
sie für jeden Preis verkaufen.
Der Bauer bekommt dann häufig für solch ein verkrätztes,
ein Jahr und darüber altes Tier kaum das ersetzt, was er dem-
selben in der ersten Zeit an Milch vertränkt hat. Auf den
Gütern werden diese Tiere dann erst wieder in Ordnung ge-
bracht. Es ist häufig genug kein erfreulicher Anblick, den so
ein Bauernhof bietet. Das Vieh verkommt aus Mangel an
Streu und da entsprechende Einrichtungen fehlen, die die
Streu entbehrlich machen, liegt es oft förmlich in Dung und
Jauche. Wenn dann der Winter einmal tüchtig einsetzt und
der Wind aus Nordost mit vollen Backen bläst, wie soll da das
Vieh gedeihen?
Der Gutsbesitzer hat oftmals 100 Kühe in einem gemein-
samen Viehstall untergebracht; da wirkt jedes Tier gewisser-
maßen als Ofen, und die Stalltemperatur bleibt erträglich; außer-
dem muß der Stall des Großbesitzers schon des großen Schup-
pens wegen mit recht starken Mauern ausgerüstet sein.
Beim Bauern, der nur eine geringe Anzahl von Tieren im
Stalle hat, dessen Stall außerdem selbstredend auch schwächer
127
gebaut ist, da müssen die Tiere oftmals erbärmlich frieren, und
ein großer Prozentsatz des Futters, das sich sonst in Milch oder
Fleisch umwandeln würde, muß den Tieren als Heizmaterial zur
Wärmeerzeugung dienen.
Wenn zum Beispiel Ostpreußen in den letzten Jahrzehnten
in landwirtschaftlicher Beziehung, sowohl in Ackerbau wie vor
allem in Viehzucht, einen gewaltigen Aufschwung genommen
hat, so ist das nicht den Bauern, sondern allein den Guts-
besitzern zuzuschreiben, die auf allen Gebieten wegweisend vor-
gegangen sind.
Die Bauern sind sehr schwer zu Aenderungen zu bewegen,
selbst wenn diese handgreifliche Verbesserungen vorstellen. Man
muß es am eigenen Leibe erfahren haben, auf welche Schwierig-
keiten es stößt, wenn man die Bauern zum Beispiel für Melio-
rationsgenossenschaften usw. gewinnen will. Mit allen erdenk-
lichen Mitteln von Zahlenbeweisen, zwingenden Vernunftgründen
und Ueberredungskünsten glaubt man die Leute endlich über-
zeugt zu haben, sie können keine Einwände mehr machen. Schnell
wird das schon vorher fertig ausgearbeitete Schriftstück her-
vorgeholt, dem Intelligentesten wird es zuerst zur Unterschrift
vorgelegt. Unterschreiben — nein, das tun wir nicht, und dabei
bleibt es dann.
Wenn die Bauern trotzdem in landwirtschaftlicher Beziehung
sich langsam modernisieren, so ist das allein dem aufklärenden
Beispiel der Gutsbesitzer zu verdanken.
Wie es in dieser Beziehung in Bayern oder West- und
Süddeutschland aussieht, darüber kann ich aus eigener An-
schauung kein Urteil fällen. Ich will nicht jenem biederen
Deutschen gleichen, der eine Reise nach England antrat, gleich
am ersten Tage im Hotel auf einen Kellner stieß, der rote
Haare hatte, grob war und unseren Reisenden übervorteilte. Der
Deutsche reiste flugs nach Hause und erzählte, alle Engländer
hätten rote Haare und Sommersprossen, wären saugrob und
insgesamt Betrüger.
Doch was ich anläßlich des Nürnberger Parteitags als
Teilnehmer eines Ausflugs in einem bayerischen Bauerndorf in
landwirtschaftlicher Hinsicht gesehen habe, war nicht gerade
sehr imponierend. Ich erblickte dort noch Einrichtungen und
128
Instrumente, die in Ostpreußen allenfalls noch im Museum für
Völkerkunde zu sehen sind.
Daß in einem Distrikt mit rein kleinbäuerlicher Bevölke-
rung jeder Fortschritt viel langsamer vor sich geht wie in
Gegenden mit Großbesitz, ist ja doch auch ganz erklärlich. Die
Bauern können sich keine weiten Reisen leisten, um andere
Eindrücke und Wirtschaftsformen mit nach Hause zu bringen,
ihr kleines Grundstück verträgt außerdem Experimente in
keiner Weise.
Würden wir auf der einen Seite den rein kleinbäuerlichen
Betrieb sich selbst überlassen, auf der anderen Seite dagegen
Großbetriebswirtschaften haben, so würden unsere Nachfahren
in nationalökonomischer Hinsicht dieselben Entwicklungsstudien
machen können, die die Naturwissenschaft gemacht hat, als sie
Vergleiche anstellen konnte zwischen der Fauna der großen
Kontinente und der Tierwelt Australiens und mancher Inseln.
Während auf den großen Kontinenten das Gesetz der Entwick-
lung voll zur Entfaltung kam, finden wir in Australien in der
Weiterentwicklung stehengebliebene Tierformen, die dem Forscher
Zeugnis geben, aus welchen primitiven Formen sich die höheren
Tiere herausgebildet haben.
Sagte ich oben, ich hätte die Betriebsverhältnisse des
Großguts nur aus den alltäglichsten allgemein gebräuchlichsten
Formen heraus geschildert, so habe ich nicht zuviel gesagt.
In Wirklichkeit sind ja schon auf den Großgütern in wirt-
schaftstechnischer Hinsicht sehr häufig viel höhere Formen in
Uebung.
Besonders gebaute Scheunen, in die das Getreide mit
mechanischen Abladevorrichtungen von oben hereingebracht
wird, ermöglichen eine große Menschenersparnis. Sogar eine
Maschine, die den Stalldung gleich vom Wagen gleichmäßig
auf dem Felde ausbreitet, ist hier und da schon in Anwendung.
Der Dampfpflug erobert sich, und zwar jetzt in schnellerem
Tempo als je, ein immer größeres Feld.. Noch vor wenigen
Jahren war seine Anwendung nur in beschränktem Maße
möglich, weil er selber noch sehr unvollkommen war. Es konnte
früher mit dem Dampfpflug nicht flach gepflügt werden. Für
den Zuckerrübenbau und speziell in sehr hochkultivierten
Gegenden mit sehr tiefer Ackerkrume war seine Anwendung
Kautsky, Landwirtschaft 9 1 29
auch damals gegeben; doch zum Getreidebau ist es nicht jedes-
mal erforderlich, gar zu tief zu pflügen; auf Ländereien, die
eine nicht zu tiefe Ackerkrume hatten, war früher das Pflügen
mit dem Dampfpflug unmöglich, weil zuviel tote Erde nach oben
gebracht wurde.
Das ist jetzt anders geworden. Heute kann man auch mit
dem Dampfpflug den Acker flach umbrechen und dafür mehr
Pflugscharen einsetzen, wodurch das Dampfpflügen wesentlich
billiger geworden ist.
Zur Dampfpfluganwendung ist auch gewöhnlich drainierter
Acker notwendig, um durch Gräben nicht unterbrochene, mög-
lichst lange Züge zu haben.
Noch vor wenigen Jahren waren selbst die Großgüter nur
selten drainiert. Das ist jetzt alles anders geworden, und der
Dampfpflug schickt sich, entsprechend seiner Schwerfälligkeit
natürlich in behäbigem Tempo, zu seinem Siegeszug an.
Ob er die Palme erringen wird in dem Wettlauf, der be-
ginnen wird zwischen ihm und dem elektrisch betriebenen Pfluge?
Wohl schwerlich! Der elektrische Konkurrent ist ein gar zu
schnellfüßiger und gewandter Partner. Die Elektrizität, diese
geradezu wie für den landwirtschaftlichen Großbetrieb geschaf-
fene Betriebskraft, dringt langsam, aber um so sicherer vor.
Wie ein Prozeß, der kürzlich gegen einen Herrn v. Plitzewitz
in Pommern angestrengt war, gezeigt hat, sind auch dort schon
große elektrische Zentralen für den landwirtschaftlichen Betrieb
errichtet.
Gerade weil im landwirtschaftlichen Betrieb das Arbeits-
feld ein räumlich so weit ausgedehntes ist und die Arbeits-
leistung bald hier, bald da an den verschiedensten Stellen ein-
zusetzen hat, eignet sich die leicht überallhin zu leitende Kraft
so besonders gut für die Landwirtschaft.
8. Der Großbetrieb der Zukunft
Nachdem ich bislang, wie zugegeben werden muß,
mich vollständig bloß an die allernackteste Wirklichkeit ge-
halten habe, möge es mir verstattet sein, endlich auch ein
klein wenig dem Zuge meines Herzens zu folgen, zumal ich
den Genossen Schulz auch einige Male beim Prophezeien
130
ertappt habe. Man kann sich jedenfalls den landwirtschaftlichen
Großbetrieb sehr schön unter den höchsten technischen Formen
betrieben vorstellen.
Riesige elektrische Zentralen an geeigneten Stellen angelegt,
leiten durch ein Netz von Drähten die Kraft zu den landwirt-
schaftlichen Großbetrieben. Ein zweites, sekundäres Drahtnetz
leitet vom Gutshof die elektrische Kraft wieder nach den be-
nötigten Arbeitsstellen. Natürlich ist auf dem Gutshof wie auf
dem dazugehörigen Acker alles dem elektrischen Betrieb ange-
paßt. Die Felder, sämtlich drainiert, sind in regelrechte Quadrate
oder Rechtecke eingeteilt. Feste Gleisanlagen begrenzen die ein-
zelnen Felder.
Auf diesen Gleisen bewegen sich die elektrisch getriebenen
Kraftmaschinen, die den Pflug hin- und zurückziehen; dem
Pfluge folgt die ebenfalls durch elektrische Kraft gezogene Egge,
die Drillmaschine und Walze. Zwischen den Getreidereihen
gehen später Bodenlockerungsmaschinen hindurch, die Unkraut
zerstören und Luft den Pflanzenwurzeln zuführen.
Neuerdings hat man durch praktische Versuche bestätigt ge-
funden, daß Elektrizität eine erhebliche Beförderung des
Pflanzenwuchses bewirkt. Auch diese Erscheinung wird in den
Dienst der Landwirtschaft gestellt.
Ist die Ernte da, tritt die Mähmaschine mit Selbstbinder
in Tätigkeit, immer durch die Kraft derselben elektrischen
Maschinen bewegt. Auch die Stoppelharkmaschine wird durch
dieselbe Kraft gezogen. Das durch die Maschinen in Garben ge-
bundene Getreide ist durch Menschenhand in langen Reihen auf-
gestellt worden, natürlich in einer Weise, die den möglichsten
Schutz gegen Witterungsunbill gewährt.
Nun werden entsprechend konstruierte Wagen in An-
wendung genommen, die von den Kraftmaschinen die Getreide-
reihen entlang gezogen werden. Das Getreide wird auf diese
Wagen geladen, bis an den Schienenstrang gezogen, und fort geht
es durch elektrische Kraft, hinauf in die Scheune, woselbst
durch mechanische Abladevorrichtungcu die Wagen entleert
werden.
Elektrische Bogenlampen respektive Scheinwerfer auf dem
Hofe, respektive an der Arbeitsstelle auf dem Felde, ermög-
9' 131
liehen, wenn es nottut, ein Hineinarbeiten bis in die späte
Sommernacht.
Ist die Getreide- und Futterernte beendet, so tritt die
ebenfalls durch elektrische Kraft gezogene Kartoffelaushebe-
maschine in Tätigkeit. Die Keller sind natürlich auch so ein-
gerichtet, daß die Loren auf dem Mittelgang der Länge nach
durch sie hindurchfahren können, Kartoffeln wie Rüben werden
auf Loren vom Felde in die Keller befördert. Die Wintersaat
ist mittlerweile auch in den Boden gebracht, und der elektrische
Pflug hat jetzt nur noch die zweite Furche zu graben, für die
Felder, die im nächsten Jahre die Sommersaat aufnehmen
sollen%
Nun beginnt die Winterarbeit. Natürlich ist auf dem Hofe
ebenfalls alles dem elektrischen Betrieb angepaßt. Da wird ge-
droschen, Stroh zu Häcksel geschnitten, Getreide geschrotet,
Futterrüben gemahlen und Wasser gepumpt. Da sind auf den
Speichern allerhand Reinigungsmaschinen in Bewegung, ebenso
wird das dort lagernde Getreide auf entsprechende Weise ge-
lüftet. Selbstredend kann des Abends alles elektrisch
beleuchtet werden.
Um den Stalldung auch im Winter auf das Feld zu schaffen,
werden wieder die Schienengeleise benutzt.
Durch Betreiben geeigneter technischer Nebenbetriebe wird
Sorge getragen, daß auch im Winter die elektrische Kraft mög-
lichst Verwendung findet. Stärke-, Hefe- und Zuckerfabriken
sind eingerichtet. Ebenso arbeiten Konservenfabriken auf dem
Lande. Große Mahlmühlen, die das Getreide zu Mehl ver-
arbeiten, verbilligen den Transport desselben. Kleie bleibt zu
Futterzwecken gleich an Ort und Stelle. Vielleicht wird es auch
angezeigt sein, den Bedarf der Landwirtschaft an Stickstoff-
dünger, welch letzterer jetzt in Gegenden mit billiger Wasser-
kraft hergestellt wird, auf dem platten Lande selbst zu fabri-
zieren. Jedenfalls wird man auch im Winter tunlichst für Aus-
nutzung der elektrischen Kraft Sorge tragen.
Man muß berücksichtigen, daß infolge der technischen Be-
triebseinrichtungen auch im Sommer ganz bedeutend viel weniger
Arbeitskräfte auf dem Lande gebraucht würden. Sollte trotzdem
nicht die ganze Arbeitskraft aller Genossen im Winter Verwen-
dung finden können, dann um so besser, dann kann ein Teil der
132
Genossen sich abwechselnd auf Reisen befinden, oder sich in
den Städten künstlerischen und wissenschaftlichen Genüssen hin-
geben.
Dann wird aber die sozialistische Gesellschaft keine Flucht
vom Lande zur Stadt zu verzeichnen haben, umgekehrt dürfte
wahrscheinlicher eine Stadtflucht werden und alles auf das platte
Land hinausdrängen.
Zum mindesten hätte dieser sozialistische Großbetrieb gegen-
über dem Schulzschen Kleinbetrieb den Vorzug, daß unverhältnis-
mäßig weniger Arbeitskräfte gebraucht werden, die die notwen-
digsten Lebensmittel erzeugen müssen, und daß ungezählte Hände
frei werden zur Erzeugung anderer notwendiger Güter, und nicht
nur Hände frei werden, sondern auch Köpfe, die grübeln und
denken können und Pioniere sind, die der Menschheit zu höheren
Zielen die Wege ebnen.
Bis dermaleinst sich die Zeit wieder erfüllet hat und die
Wissenschaft, speziell die Chemie, ein gewichtiges Wort ge-
sprochen haben wird und die Erde umgewandelt werden kann in
einen blühenden Villenpark, in dem die Nachtigallen schlagen
und die Rosen duften. Dann wird auch Genosse Schulz sein Erz-
engelschwert in die Scheide stecken und unter duftendem Jasmin
die letzten, natürlich in Esperanto abgefaßten, Lichtdepeschen
von benachbarten Planeten studieren.
133
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Gericht Die Verhandlungen vor dem § 14-Gericht am
18. und 19. Mai 1917 nach dem stenographischen Proto-
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14.11 Die Sozialisierung der
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