DIE SPRACHE
DER
K O S S Ä E R.
LINGUISTISCH-HISTORISCHE
FUNDE UND FRAGEN
VON
DR- FRIEDRICH DELITZSCH,
PROFESSOR DER ASSYRIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG.
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LEIPZIG
J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG
1884.
Alle Rechte vorbehalten.
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HERRN
GEHEDIRATH PROF. DR. FLEISCHER
EIN TRIBUT
DANKBARER VEREHRUNG S .
Plus ultra !
Immer weiter dehnt sich, dank Hormuzd Rassams und Mr. de
Sarzec's bewunderungswürdigen Ausgrabungsarbeiten, das Gebiet der
Keilschriftforschung und immer weiter dringt hierdurch zugleich die
Erkenntniss des vorderasiatischen Alterthums, der ältesten Geschichte
der Menschheit. Zeitlich öffnen sich Perspectiven, die vor einem Jahr
nicht geahnt wurden, und räumlich fallen die Strahlen des Lichtes,
das über den Trümmerhügeln Babyloniens und Assyriens aufgegangen
ist, auf nähere und fernere Nachbargebiete, das Dunkel entlegenster
Gebirgsthäler erhellend. Das kleine unscheinbare Thontäfelchen,
zu dessen Interpreten die vorliegende Schrift sich gemacht, mag von
neuem verrathen, welche Fülle neuer Gesichtspunkte schon der klein-
sten der dem Britischen Museum neu gewonnenen Keilschrifttafeln zu
entnehmen ist.
Immer weiter hat sich die Erkenntniss Bahn gebrochen von der
Bedeutung der Assyriologie an sich selbst und für die Wissenschaft
im Allgemeinen, immer weiter wird der Kreis derer, welche der
jungen Wissenschaft ihren Fleiss und ihren Eifer zuwenden. Ueber
ein unabsehbar weites Reich waltet die arabische Philologie —
Arabisch, Persisch. Türkisch ist ihr unterthan. ein mächtiges Gebiet,
autokratisch beherrscht von dem Einen, dessen Schüler zu sein ich
mich rühme und dessen Namen diese Schrift mit Stolz an ihrer Spitze
trägt. Aber ein weites Gebiet hat auch die Assyriologie zu ver-
walten: mehr denn drei Jahrtausende der Menschheitsgeschichte, von
3800 v. Chr. bis herab auf Antiochus , umspannt sie und zu den
Weltreichen Babyloniens und Assyriens treten als kleinere Domänen
die alten Staatenbildungen Elams. Mediens, Armeniens und der an-
grenzenden Länder. Wäre es nicht an der Zeit, an den grösseren
Hochschulen Deutschlands auch äusserlich einen Schritt vorwärts zu
thun und der Assyriologie den ihr zukommenden Rang eines der
VI
Aegyptologie und anderen philologisch-historischen Disciplinen eben-
bürtigen selbständigen Wissenschaftszweiges zuzuerkennen, um so
mehr, als die aussergewölmliche Bedeutung der Assyriologie für die
alte Geschichte und Geographie, für die Sprachwissenschaft im All-
gemeinen, wie besonders für die semitische und speciell alttestament-
liche, für Religions-. Kultur- und Kunstgeschichte eine dermalen
unbestrittene ist?
Polemik habe ich. so viel sich auch Gelegenheit aufdrängte,
grundsätzlich unterlassen: sie trübt und hemmt ja doch nur das
Streben nach vorwärts. Auch wo ich auf Angriffe zu erwidern Grund
gehabt , habe ich es vermieden , mich herumzuschlagen . überzeugt
dass die Wahrheit sich von selbst Bahn brechen wird. So bleibe ich
unter anderem auch dessen gewiss, dass meine Aufstellungen über die
Lage des Paradieses dennoch in allen Hauptsachen zu Recht be-
stehen werden — sie werden auch durch diese Schrift in einem nicht
unwichtigen Punkte gefestigt.
So gehe denn dieses Buch, gleich dem andern über » The Hebrew
Languagea die Frucht meines diesjährigen, durch die Munificenz der
Leipziger Albrecht-Stiftung ermöglichten Londoner Aufenthaltes,
hinaus in die wissenschaftliche Welt und mache sich dem immer wei-
teren Fortschritt der Wissenschaft dienstbar, von den Fachgenossen
wie überhaupt Sprach- und Geschichtsforschern wohlwollend aufge-
nommen. Ich bekenne bei dieser Gelegenheit wehmuthsvoll , dass
mit Franoois Lenokmant, dessen erschütternde Todesnachricht so-
eben eintrifft, nicht allein der Assyriologie einer der genialsten, be-
geistertsten und fruchtbarsten Arbeiter, sondern auch mir ein stets
wohlgesinnter Kritiker genommen ist.
Sic aber, hochverehrter Herr Geheimrath. mögen dir Widmung
dieser kossäischen »Araber« gütig aufnehmen von einem Schüler,
der trotzdem dass er jetzt in Babylonien zeltet, ja bis zu den fernen
Kossäern seine Streifzüge ausdehnt, dennoch nimmer aufhört sich
glücklich zu fühlen, vorerst durch Ihre altbewährte arabische Schule
hindurchgegangen zu sein, und über allem Wandern und Vorwärts-
streben die Pflichl der Dankbarkeit gegen den Meister auf semiti-
schem Sprachgebiet niemals vergessen wird.
Leipzig, am 1 1. December 1883.
Friedrich Delitzsch.
Die Sprache der Kossäer.
Das Volk der Kossäer.
Die Sprache der »Kossäer« — doch nicht, so wird man fragen,
die Sprache der KoooaToi, jenes wilden räuberischen Stammes in den
rauhen Thalern des fernen Zagrosgebirges zwischen Medien und Baby-
lonien , dessen die alten Schriftsteller gelegentlich kurze Erwähnung
thun *? "Welch tieferes Interesse könnten wir an diesem Gebirgsvolk
nehmen, welches in der Geschichte der Menschheit eine so gar unter-
geordnete Rolle gespielt hat, welches kaum ein festumgrenztes Land
sein eigen nannte, geschweige dass es irgendwelche Denkmäler hinter-
lassen hätte, und was könnten wir nun gar wissen von der Sprache,
welche jene seit Alexanders des Grossen Zeit verschollenen «Barbaren«
gesprochen ? Und dennoch beschäftigen sich eben mit diesem Volk der
Kossäer1 die folgenden Seiten.
1) Die Hauptstellen aus den Werken der klassischen Schriftsteller über die
Kossäer sind die folgenden. Polybius bemerkt gelegentich der Beschreibung der
Grenzen Mediens (V, 44, 7): »Südwärts berührt es Mesopotamien und die Land-
schaft Apollonien , sowie auch Persien, wogegen es von dieser Seite durch das
Zagrosgebirg gedeckt wird, das ungefähr hundert Stadien hoch ist, und in dessen,
durch eine Menge abgesonderter Höhenzüge gebildeten, Thälern die Kossäer,
Korbrener, Karcher, und mehrere andere sehr kriegerische Barbarenstämme hau-
sen«. Strabo sagt ebenfalls, die Grenzen Grossmediens mit der Königsstadt Ek-
batana beschreibend (XI, 13, 6): »Begrenzt wird es gegen Osten von Farthien und
den Bergen der Kossäer, räuberischer Menschen, welche einst 13000 Bogen-
schützen stellten, als sie mit den Elymäern gegen die Susier und Babylonier kämpf-
ten. Nearchus erzählt, von den vier Räubervölkern, von welchen die Marder an
die Perser stiessen , die Uxier und Elymäer an diese und an die Susier, und die
Kossäer an die Meder, hätten zwar alle Tribut von den Königen erzwungen, die
Kossäer hätten aber auch noch Geschenke genommen, wenn der König, nachdem
er den Sommer in Ekbatana zugebracht, nach Babylonien hinabgereist sei; Alex-
ander aber, der sie im Winter angegriffen , habe ihre grosse Keckheit gebrochen.
Von diesen also wird Medien gegen Osten begrenzt und ausserdem noch von den
Parätacenern, welche, ebenfalls ein räuberisches Bergvolk, an die Perser stossen«.
Delitzsch, Kossäer. 1
2 I. Das Volk der Kossäer.
Auch die Keilschriftliteratur erwähnt dieses Gebirgsrolk der Kos-
säer. und zwar unter dem Namen Kassü. Sanherib (705 681 v. Chr.)
berichtet in den Annalen seines sechsseitigen Thonprismas (Sanh. I 63
— II 7; vgl. Sanh. Bell. 20—33 wörtlich Folgendes:
»Auf meinem zweiten Feldzug ermuthigte mich Asür. mein Herr,
und ich zog nach dem Land des Volkes Kassü und dem Land des
Und weiterhin XVI, I, 18 heisst es: «Die Kossäer sind, wie auch die benach-
barten Gebirgsvölker, Bogenschützen, die stets auf Raub ausgehen. Denn ein klei-
nes und rauhes Land bewohnend, müssen sie von fremdem Gute leben; sie müs-
sen aber auch mächtig sein, denn sie sind alle streitbar. Wenigstens kamen sie
den gegen die Babylonier und Susier Krieg führenden Elymäern mit 13000 Mann
zu Hülfe. Die Parätacener bearbeiten zwar den Boden mehr als die Kossäer,
dennoch aber enthalten auch sie sich der Räubereien nicht«. Ueber Alexanders
des Grossen Feldzug gegen die Kossäer berichtet Diodor (XVII, 111); «Alexander
zog unterdessen mit leichtbewaffneten Truppen gegen die Kossäer, welche noch
nicht zum Gehorsam gebracht waren. Sie waren ein sehr streitbares Volk und
bewohrrten das Gebirgsland von Medien. Auf ihre unzugänglichen Wohnsitze und
ihre Tapferkeit im Kriege sich verlassend , hatten sie nie einen fremden Gebieter
anerkannt und waren auch zur Zeit der persischen Herrschaft unbezwungen ge-
blieben. So trotzten sie denn auch unerschrocken der Tapferkeit der Macedonier.
Der Konig aber hatte bereits die Pässe besetzt, verwüstete den grössten Theil von
Kossüh und behielt in allen Gefechten die Oberhand. Viele von den Fremden wur-
den getödtet und noch viel mehr gefangen, üeberall wurden die Kossäer besiegt,
und es war ihnen leid um die vielen Gefangenen. Sic sahen sich datier genöthigl
durch Unterwerfung die Bettung der Gefangenen zu erkaufen. Also ergaben sie
sich, und es wurde ihnen Friede gewährt unter der Bedingung, dass sie den Be-
fehlen des Königs gehorchten. Alexander hatte mit der Unterwerfung ses Volkes
in. Ganzen vierzig Tage zugebracht. Er baute an den unzugänglichen Plätzen an-
sehnliche Städte und Hess seine Truppen sich erholen«. Hiermit vergleiche Arriän
ExP- Vl Nll> 15> <)= »Er nämlich Alexander) hatte nun bereits eine lange Zeit
der Trauer gewidmet , als er einen Zug wider die Kossäer, ein kriege-
risches Volk, das ;.n die Uxier grenzt, unternahm. Diese Kossäer wohnen in den
Gebirgen, und haben auf dem Lande kein«, festen Plätze. Wenn sieh ihnen aber
eine feindliche Macht nähert, so ziehen sie sieh in starken Haufen auf die spitzen
der l'"''-<"' oder fliehen auch, xxie ein jeder die Gelegenheil dazu ersiehet, und
setzen dadurch die anrückende Machl ausser siand sie anzugreifen. Nachher,
wem. diese abgezogen, leg,.,, sie siel, wieder aufs Rauben wovon sie sich nähren!
Doch verjagte sie Alexander aus ihre., Wohnungen, obschon er diese,, Feldzug im
Winter unternahm. Allein so wenig wie der Winter konnte die nachtheilige Lage
lhm und dem Ptolemaeus, der einen Theil des Meeres wider sie anführte Hinder-
nisse verursachen. So sehr musste sieh i s, was Alexander nur angriff, unter
seine kr'egerische Tapferkeil beugen«. Diodor wie Aman lasse,, unmittelbar auf
die Besiegung der Kossäer Alexander. Zug nach Babylon folgen. — Sonst siehe
aoch A"l;'"' ,ml l0- Ptol. VI. 8, 3. Hin., II. N.. vi, 34. Der Name £ho< Kouo-
'■''■'" findel sich hei Plutarch, Alex. 1-2.
I. Das Volk der Kossäer. 3
Volkes Jasubigallai ', welche sich von alters her den Königen, meinen
Vätern, nicht unterworfen hatten. In den hohen Gebirgen2, einem
Gebiet der Beschwerden, ritt ich zu Pferd und Hess den Wagen mei-
ner Füsse mit Seilen tragen ; zu arge Stellen erkletterte ich zu Fuss
wildochsengleich. Bit-Kilamzali , JJar-dispi , Bit-Kubatti 3, ihre um-
mauerten festen Städte, schloss ich ein, eroberte ich. Die Einwohner,
Pferde, Farren , Esel, Binder und Schafe führte ich aus ihnen fort
und rechnete sie als Beute. Ihre kleineren Ortschaften aber ohne Zahl
zerstörte, verwüstete ich, machte ich dem Erdboden gleich4. Ihre
Zeltwohnungen verbrannte ich mit Feuer und liess sie in Flammen
aufgehen. Bit-Kilamzah nahm ich zur Festung; stärker denn früher
machte ich ihre Mauern und die Bewohner der von mir eroberten
Länder siedelte ich daselbst an. Die Bewohner des Landes des Volkes
Kassü und des Landes des Volkes Jasubigallai, welche vor meinen
Waffen geflohen waren , holte ich vom Gebirg herunter und liess sie
in den Städten Har-dispi und Bit-Kubatti Wohnung nehmen ; meinem
Oberofficier , dem Statthalter der Stadt Arrapha, unterstellte ich sie.
Einen Gedenkstein liess ich anfertigen, die Macht meines über sie er-
rungenen Sieges darauf schreiben und in der Stadt aufstellen«.
Der assyrische König erzählt dann weiter, dass er umgekehrt und
nach dem Land Ellipi gezogen sei, dessen zu Assyrien geschlagene
Gebietstheile dem Statthalter der Stadt Ilarhär unterstellt werden, und
schliesst den Bericht dieses zweiten Feldzugs, welchem als dritter je-
ner nach Palästina und gegen Hiskia von Juda folgt, mit den Worten
(II 29 — 33) : »Auf meiner Bückkehr empfing ich vom fernen Medien,
deren5 Landesnamen von den Königen, meinen Vätern, keiner gehört
hat, schweren Tribut ; dem Joch meiner Herrschaft unterwarf ich sie«.
1) mät amelu Kas-si-i u mät (amelu) Ja-su-bi-gal-la-ai Sanh. I 64. 81.
2) hursäni zakrüti. Der Name Zirfpo; mag auf den babylonisch -semitischen
Wortstamm zakäru »hoch sein, emporragen« zurückgehen, sodass also dieser
Gebirgsname semitischen Gepräges ist.
3) Oder Bit-Kumötü ; beide Lesungen sind möglich.
4) utir karmes. Das assyr. karmu bed. in erster Linie »Acker, Ackerland«,
erst in zweiter Linie »Weingarten«. Der ihm zu Grunde liegende Stamm karämu
ist als Synonym von sahäpu (CjfiD) bezeugt.
5) mät Madai »Medien«, hier wie mit Pluralbedeutung »die Meder« construirt.
1*
4 I. Das Volk der Kossäer.
Dass von diesen beiden Volksstiimmen Kaäsü und Jasubigallai der
erstere mit den KoooaToi der klassischen Schriftsteller Eins ist, ist
ohne Weiteres klar: das von ihm bewohnte Gebirgsland liegt ja, wie
die Erwähnung des bekannten elamitischen Grenzlandes Ellipi 1 so-
wie Mediens zeigt, genau da wo nach den Berichten der Klassiker die
Kossäer wohnten, nämlich im Zagrosgebirg an den Grenzen Mediens
und EIamS2. Dazu ist der Stamm Kassü der Annalen Sanheribs ganz
das kriegerische, freiheitsliebende Gebirgsvolk, als welches die Kos-
säer bei den griechisch-römischen Geschichtsschreibern und Geographen
erscheinen.
Ungleich höheres Interesse gewinnt aber dieses Volk Kassu da-
durch, dass wir ihm auch in Ba.bylonien begegnen und es hier so-
gar eine mächtige politische Stellung zeitweilig einnehmen sehen.
Von ältester Zeit her war die weite babylonische Ebene Sammel-
platz der verschiedenartigsten Völker. Bewässert von zwei der herr-
lichsten Ströme der Welt und schon an sich ausserordentlich frucht-
bar, durch menschlichen Fleiss aber zu beispielloser Fruchtbarkeit
entfaltet, war Babylonien, Ein Garten und Palmenhain bis hinab an
das Gestade des Meeres, je und je von den Völkern ringsum umstrit-
ten und begehrt. Soweit wir die Geschichte Babyloniens zurück zu
verfolgen Vermögens, finden wir bereits zwei verschiedene Volks-
stämme, «las nichtsemitische, sog. sumerische oder akkadische, Volk
und das semitisch-babylonische Volk, auf gemeinsamem Boden neben
einander und zwar in durchaus friedlichem Verkehr-'. Beide Völker
blieben auch die eigentlichen Herren des Landes; die Semiten er-
I Für das Land Ellipi siehe Schrader, Keilinschriften und Geschichts-
forschung, S. IT.'i II'.
2; Für Arrapha = 'A^aizaylxn des Ptol. VI. l, 2), dem Namen des bergigen
Quell- und Durchbruchgebietes des sren Zäb, siehe meine Schrift- Wo lag das
Paradies? S. 124 f. Man konnte schon ans dieser Verbindung des Kossaerlandes
'"" V"',|,||;' schliessen, dass sich ersteres in babylonisch-assyrischer Zeil noch
etwas weiter nordwestwärts erstreckte; bewiesen findet siel, dies S. 32 Ann. 4
:! l!ls :" vlerte vorchristliche Jahrtausend hat sich neuerdings die Per-
spective erweitert ; siehe s. 14 Anra. 2.
i \u,h Berossos aach Alexander Polyhistor, siehe (lernte Smilh's Chaldäische
Genesis, Leipzig 4876, S. 89 f.) spricht davon, dass sich von Anfang an »in Babylon
eine grosse Menge stamm verschiedener Menschen, welche Chaldäi völ-
kerten, zusammengefunden « habe,
I. Das Volk der Kossäer. 5
rangen sich nach und nach völlig die äussere Macht, die Nichtsemiten
erhielten sich, obwohl auch an Zahl mehr und mehr abnehmend, als
einflussreicher Factor der babylonischen Civilisation. Aber die baby-
lonische Ebene lag nach allen Seiten hin offen und ihre fleissige,
kriegerischer Beschäftigung wenig zugethane Bevölkerung brachte es
niemals zu der festgeeinten militärischen Organisation , welche die
Stiirke des assyrischen Brudervolkes ausmachte. Darum begegnen wir
auf babylonischem Boden auch noch mancherlei anderen Völkern und
Stammen, sei es nun dass sie in das Land erobernd einfielen, sei es
dass sie nomadisirend das natürlicher Grenzen ermangelnde Land durch-
streiften oder auch als sesshafte Einwohner Aufnahme in die baby-
lonischen Städte fanden. Um 2300 v. Chr. überfielen die Elamiten
das Land und begründeten eine langjährige Fremdherrschaft, und wie
in jüngerer Zeit die Assyrer Babylonien fortwährend mit verheeren-
dem Krieg überzogen, wie »König von Sumer und Akkacl« zu sein
der assyrischen Könige höchster Ehrgeiz war, ist bekannt genug, um
hier näher ausgeführt zu werden. An den Ufern des Euphrat und
Tigris, vor allem in deren unterem Lauf nach Elam hin zelteten zur
Zeit Tiglathpilesers II, Sargons, Sanheribs allerlei Aramäerstämme
mit zahllosen Heerden 1 und dehnten ihre Wanderungen wohl oft ge-
nug auch in das eigentliche Babylonien aus2. Aramäer [amei* A-ra-mu)
und Araber [ameiu Ur-bi) bewohnten neben den Chaldäern zu Sanhe-
ribs Zeit Erech , Nippur, Kutha , Sippar und andere Städte mehr3,
und noch jenseits des Tigris begegnen wir zur Zeit Asürbänipals Ara-
bern , welche den innerhalb des sumpfigen Mündungsgebietes des
Uknü wohnhaften Stamm Gambul befehden4. Zu allen diesen Feinden
ringsum kamen nun aber noch die Räubervölker in den medischen
und armenischen Grenzgebirgen und den an deren Fuss sich zum Ti-
gris hin erstreckenden Steppen, die Völker Kutü, Sulii und — Kassü.
1) Für diese aramäischen Nomadenstämme, welchen allein Sanherib 20800 0
Gefangene, dazu 7200 Pferde und Far.ren , 11072 Esel, 4233 Kamele, 200100
Rinder und 800600 Schafe abnahm, siehe das Nähere Paradies S. 237 ff.
-2 Vgl. Botta 88, wo Sargon von dem Aramäerstamm Hamarän erzählt, dass
er in Sippar eingedrungen sei und die Bewohner von Babylon geplündert habe.
3) Sanh. I 37 f.
4) V R 3, 65.
() I. Das Volk der Kossäer.
So erzählt von den Sutäern die im Sonnenternpel von Sepharwaim
gefundene Steinurkunde Nabübaliddins (um 880 v. Chr.) , dass sie
noch vor der Zeit des Königs Simmassihu) , vorübergehende Wirren
im Lande Akkad benützend *, die Stadt Sippar überfallen und den
Sonnenternpel verheert hätten, und noch Sargon weiss zu berichten,
dass er den Bewohnern Sippars, Nippurs, Babylons und Borsippas
die »von fernen Tagen her« von den Sutäern geraubten Ländereien
zurückgegeben, die Sutäer aber mit Waffengewalt besiegt halte2.
Wenn wir nun, gleich den Sutäern und den Kutäern, auch ein Volk
Kassu in babylonien antreffen, so scheint ein Zweifel an der Stammes-
gemeinschaft dieser babylonischen Kossäer mit den Kossäern in den
Grenzgebirgen zwischen Babylonien und Medien schon hiernach kaum
berechtigt. Die gleich den Sutäern als Bogenschützen berühmten und
gefürchteten , ebenso räuberischen wie kriegstüchtigen Kossäer be-
schränkten sich eben nicht auf ihre Berge, sondern dehnten ihre
Raubzüge auch auf die südwärts gelegene reiche babylonische Ebene aus.
Das Volk Kassü machte indess nicht nur vorübergehende Einfälle
in Babylonien, sondern wir finden diese Kossäer zu einer bestimmten
Zeit als faktische Eroberer und Beherrscher Babyloniens, welche dem
Lande aus ihrer Mitte Könige gaben und auch, nachdem sie die Herr-
schaft wieder an die semitischen Babylonier verloren hatten, fort-
fuhren eine Machtstellung innerhalb Babyloniens zu behaupten.
I eher diese babylonischen Kossiterköllige sind wir durch die
Thontafel K. 1406, welche einen Abschnitt der synchronistischen Ge-
schichte Babyloniens und Assyriens enthält, zumal wie diese Tafel jetzt
vollständiger als bei ihrer eisten Veröffentlichung IIR65 vorliegt, ziem-
lich gul unterrichtet.
Der erste Kossäerkönig , von welchem wir wissen, ist Kara'in-
das. "der mächtige Koni-. Konig von Babylon, König von Sumer und
t ina rsaii ii dalhäti Sa mal [kkadi. in solchem Zustand der Verwirrung und
Anarchie befand sich Babylonien häufig. \ n . 1 1 Nirgon gebraucht in der sofort zu
erwähnenden Stelle Khors. 135 f. die Ausdrücke ina 6hti mdti und ina dilih mäti, und
zu Sanheribs Zeit riss der Abenteurer Süzub abermals um e£tti mdti die Herrschaft
übei Sumer und Akkad an sich Sanh. l\ 36 ,
2 Khors. 133 l
I. Das Volk der Kossäer. 7
Akkad. König der Kassii, König von Karduniäs«1. Er schloss mit
seinem Zeitgenossen, dem assyrischen König Asürbelnise&u (»Asür ist
der Herr seiner Völker«) , einen bindenden Vertrag : beide gewähr-
leisteten sich mittelst Eidschwurs die gegenseitigen Grenzen.
m Ka-ra-in-da-as sar mät Kar-du-[ni-as]
ü m Asür-böl-nise-su sar mät Assür rik2-sa-a-ti
ina bi-rit-su-nu a-na a-ha-mes ü-ra-ki-su
ü ma-mi-tu ina eli mi-is-ri an-na-ma 3 a-na a-ha-mes id-di-nu.
(II B 65, d. i. K. 4406, Obv. col. I 1—4).
Das Gleiche thaten Burnaburias, der Sohn4 des Karaindas, und
der assyrische König Puzur-Asür (»Schützling Asürs«).
m Pu-zur-Asür sar mät Assür ü Bur-na-bur-ia-as
sar mät Kar-du-ni-as it-mu-ma mi-is-ri
ta-hu-mu5 an-na-ma ü-ki-nur'. (I 5 — 7).
Die Anbahnung noch intimerer Beziehungen führte indess schon bald
zu einem jähen Bruch. Burnaburiäs7 vermählte sich mit einer Toch-
\) Ka-ra-in-da-äs , der mächtige König, König Ka-äs-sü-ü d. i. der Kossäer,
König Ka-ru-du-ni-ia-ds d. i. von Karduniäs. So nennt sich Karaindas in seiner
ganz nach sumerischem Muster abgefassten Weihinschrift IV R 38 No. 3 (er baute
der Göttin Nana ihren Tempel Eana).
2) Geschrieben su; der Lautwerth rik, den das Zeichen hier offenbar hat (vgl.
V R 1, 22), ist sonst nicht belegbar. Sa IV 9 giebt ri-i als einen der Lautwerthe
des Zeichens su; entspricht etwa dieses ri-i vollerem rigf
3) Adverbium auf ma von annu »Gnade«, der Bed. nach ganz wie hebr. CiH
gebraucht: »freiwillig, aus freien Stücken«, ohne vorhergegangenen Krieg be-
schworen sie sich gegenseitig ihre Grenzen.
4) Siehe unten Anm. 7.
5) Vgl. targ. X"2Wn.
6) Eine ganz nach sumerischer Weise abgefasste Backsteininschrift eben-
dieses Kossäerkönigs Bur-na-bu-ri- ia-ds, »des mächtigen Königs, Königs von Ba-
bylon, Königs von Sumer und Akkad«, derzufolge er den Sonnentempel zu Larsam
restaurirte, siehe I R 4 No. XIII. Vgl. ferner I R 69 col. I 55. 57.
7) Dass Burnaburiäs der Gemahl der assyrischen Prinzessin und Vater des
Karahardas gewesen, darf von vornherein aus dem Zusammenhang zuversichtlich
geschlossen werden: denn hätte ein anderer babylonischer König sich mit dieser
assyrischen Königstochter vermählt, so müsste in der synchronistischen Geschichte
dieses Ereigniss erwähnt und der Name des betreffenden babylonischen Königs
genannt sein. Zudem kann sihru mär B. kaum etwas anderes bedeuten als »der
jüngere Sohn des B.«, wodurch Karahardas als der älteste Sohn des B. bezeugt
ist. Und endlich wird sich meine auf die Spuren des Originaltextes gegründete Er-
gänzung zu Z. 14 und 17 (siehe drüben S. 8), dergemäss Karaindas der Grossvater
des Karahardas und Kurigalzu gewesen, wohl sicher bewahrheiten. Hierdurch ist
§ I. Das Volk der Kossäer.
ter des assyrischen Königs Aäüruballit »Asür hat das Leben gegeben«),
höchst wahrscheinlich eines Sohnes des Puzur-Asür: die assyrische
Prinzessin, Namens Muballitat-&erüsa (»die Göttin Serü'a giebt das
Leben«), gebar dein Kossäerkönig den Karahardas. Als dieser aber
seinen] Vater Burnaburiäs auf dem Throne folgte, empörten sieh die
£ossäer, ermordeten ihn und erhoben an seiner Stelle einen gewissen
Nazi Im gas /um König idter sieh.
Ina tar-si m Asür-ii-ballit sar mät Assür m Ka-ra-har-da-as
sar mat Kar-du-ni-as mär f Mu-bal-H-ta-at-üu Se-ru-ü-a
märat m Asür-ü-ballit sähe Kas-si-e
ib-bal-ki-tu-ma idükü-sü m Na-zi-bu-ga-as
[. . . abal la ma-ma l -na a-na sarru-ü-te a-na eli-su-nu is-su-ü.
(I 8—12).
Seinen Enkel und damit zugleich dessen Grossvater väterlicher Seits,
Karamdas, zu rächen, zog nun Asüruballit, ein Regent ausgezeichnet
durch Thatkrafl, dem auch sonst das assyrische Gebiet zu erweitern
geglückt war, nach Babylonien, tödtete den Nazibugas, und setzte den
jüngeren Sohn des Burnaburiäs. Kurigalzu, als König ein.
[m Asür-ü-ballit a-na tu-u r-ri gi-mil-li
[sa m Ka-r] 2a-in-da-as ä[be äbe-sü]3 a-na mät Kar-du-ni-as il-lik
[m Na-z i-ltu-ga-as, sar mal Kar-du-[ni- as i-duk
[m Ku-r]u4-gal-zu si-ih-ru mär « Bur-na-bur-ia-as
a-na sarru-ü-ti is-kun ina küsse äbe [äbe-su5 ü-se-si-ib-sii .
(I 13—17).
Ob auch dieser jüngere Kossäerprinz von jener Assyrerin abstammt,
wissen wir nicht. Alter mag er auch assyrischen Blutes gewesen sein,
jedenfalls verläugnete er seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu
Assyrien, denn wir linden ihn mit Asüruballit's Sohn and Nachfolger,
aber Burnaburid§ ebensowohl als Sohn des Karaindas wie als Vater des Karahardas
and Kurigalzu erwiesen.
1) Von den drei letzten Zeichen sind noch ziemlich deutliche Spuren erhal-
ten; vor abal oder mär fehlen etwa zwei Zeichen.
2) Die noch erhaltenen Spuren winden mir ra fraglich erscheinen lassen.
3 Zusammen mit dem theilweise erhaltenen ersten Zeichen ^> , welches
sich leicht zu £l^T ergänzt, fehlen im Ganzen drei Zeichen.
I Die erhaltenen Spuren des Zeichens TT scheinen ri oder ur auszuschliessen
Von ^^| ab6 und \ su glaube ich noch Spuren erkennen zu kennen.
I. Das Volk der Kossäer, 9
Belniräri »Bei ist mein Helfer«), im Kampf. Der »Priester Asürs«1
freilich behielt den Sieg : Kurigalzu wurde bei der Stadt Sugag ge-
schlagen und mussle in eine namhafte Gebietserweiterung Assyriens
nach der babylonischen Seite hin willigen.
Ina tar-si m iiu Bel-niräri sar mät Assür m Ku-ri-gal-zu si-ih-ru i 2
m iiu Bel-niräri sar mät Assür i-na äiu Su-ga-gi sa eli nur [ 3]
it-ti-su i-duk a-bi-ik-sü is-kun sabe-su karäsa-su '
us-ma-nu-su e-bu-uk ul-tii sä si-li mät Sü-ba-ri
[a-di] mät Kar-du-ni-as ekle ü-sam-si-lu-nia i-zu-zu
mi-is-ru ta-lm-mu is-kun-nu. (I !8 — 23\
Trotz dieser Niederlage scheint der Name Kurigalzu's, des »Königs
ohne Gleichen«5, von allen diesen Kossäerfürsten der gefeierteste
gewesen zu sein ; insonderheit hat auch die von ihm gegründete starke
Festung Dür-Kurigalzu d. i. »Kurigalzus Mauer« den Namen dieses Kö-
nigs verewigt. Die Festung bildete gleichsam den Schlüssel zum
Lande Karduniäs ; ihre Buinen sind in dem jetzigen Trümmerhügel
Akarküf, 20 km oder 2i/2 Stunden westlich von Bagdad, an der Strasse
von Bagdad nach Hilla, erhalten. Viele Backsteine mit Kurigalzus Na-
men hat Sir Henry Rawlinson dort ringsum gefunden0.
1) IV R 44, 24. Rämänniräri I nennt sich an dieser Stelle (IV R 44, 23—27 :
mär märi sa Bel-niräri sangü Asür-ma sa wrvmän kas-si inärüma it nagap zä'eresu
kclsu ikiudu muräpis mteri u kuduri »Enkel des Belnirari, des Priesters des Gottes
Asur, welcher das Kossäerheer bezwang und dessen Hand die Niederlage seiner
Widersacher erreichte, des Erweiterers von Grenze und Gebiet«.
2) Mögen vier Zeichen fehlen, doch war das letzte kaum as.
3) Die winzige am Ende der Zeile erhaltene Spur scheint mir >~>— >-*—, wie
der Tigris sonst auf dieser Tafel geschrieben ist (siehe I 30}, auszuschliessen.
4) Trotz der Geringfügigkeit der erhaltenen Spuren glaube ich die Zeichen
<]£m *P|fy>— <I T d. i. karäsa-su »sein Lager« verbürgen zu können.
5) Als -^yyy v^ <Y^ d. i. »Abkömmling« (siehe S. 17 Anm.) des Ku-
ri-gal-zu sar la sa-na-an , »des Königs ohne Gleichen«, bezeichnet sich der äl-
tere Merodachbaladan , der Sohn des Melisihu , IV R 41 col. I 33 f. — Eine in
Dür-Kurigalzu gefundene Bildsäule Merodach's trägt in ihrem Auge die Inschrift:
»Marduk, seinem König, hat Kurigalzu, Sohn des Burnaburiäs, diese Bildsäule ge-
macht«. Siehe Transactions of the Society of Biblical Archaeology, vol. I, p. 70. —
Gemäss der I R 4 No. XIV, l veröffentlichten Backsteinlegende baute Ku-ri-gal-zu
dem Gotte Bed einen Tempel, dessen Ruinen jetzt durch den Tel Aswad von Akarküf
bezeichnet sind; gemäss der Backsteinlegende ibid. No. XIV, 2 und 3 erneuerte
er in Ur den Tempel (?) des Mondgottes. Vgl. ferner I R 69 col. II 32.
6) Vgl. auch Paradies S. 207 f.
10 I. Das Volk der Kossäer.
Dein nächsten Kossäerkönig begegnen wir unter der Regierung
des Enkels Relniraris, des assyrischen Königs Rämänniräri I. welcher
nicht allein die zwischen dem unteren Zäb, dem Tigris und dem Ge-
birge wohnenden oder nomadisirenden Stämme der Kutü, Lulumü
und Subaru hart züchtigte, sondern auch dem König von Karduniäs,
Namens Nazimaraddas, bei der Stadt Kar-Istar eine schwere Nieder-
lage beibrachte1.
m iiu Rämän-niräri sar mät Assür m Na-zi-marad 2-das sar mit Kar-du-
ni-as
it-ii a-ha-mes ina »in Kar-iin Istar m A-kar-sa-al-lu i-duk
in iiu Rämän-niräri a-hi-ik-tam 8a >» Na-zi-marad-das is-kun
abikta-su im-ha-as karäs-su üu ses-gal-mes-su i-bu-ga-su
i-na 611 mi-is-ri ta-hu-mu an . . 3
mi-sir-re-sü-nu is-tu tar-si sat-pi4 äiu [Ra-pi- ki
sa sepä am-ma-ma5-te sä när Diklat6 sin Ar-ma-an-a-kar-sa-li
a-di Lu-lu-me-e is-ku-nu-ma [i-7] zu-zu8. 124 — 31).
Den letzten kossäischen Königsnamen endlich in dieser wohl un-
unterbrochenen Reihenfolge lesen wir in dem Text III R 4 No. 1 9.
\) Vgl. Rämänniräri's I grosse Steintafelinschrift, in welcher er sich (Obv. 4 ff.)
nennt : um-ma-an Kas-si-i Ku-ii-i Lu-lu-mß-i n 8ü-ba-ri-i mu-lu-ip kul-la-at nu-Li-n-
r-U.i ii iap-lis da-is mätäte-SÜ-nu »der das Heer der Kossaer , Kutäer, Lulumäer
ii in I Subaräer, der alle Feinde droben und drunten zerschmiss, zertrat ihre Länder«.
Beachte dir enge Verbindung, in welcher hier die Kossaer mit den übrigen Stäm-
men nordwärts von ßabylonien genannt sind.
■i Für diese hier einstweilen vorausgenommene Lesung des Zeichens ^^<<M
siehe die Begründung S. 27.
3) Zwei sehr verwischte Zeichen: das erstere irl kalrl , das zweite su'i m6Tl .
t oder nat-pi, kur-pit
5) Das zueile hui beruht offenbar auf einem Versehen des Tafelschreibers.
(\ Geschrieben >->— >->— .
7 Fehlt wohl nicht mehr als dies Eine Zeichen.
s Dir irreleitende lebeiselzung , welche George Smith in seinen Assyriern
[i. 2.!i0, von diesem Slückr giebt, kann ich mir nur erklären, dass das
Fragment, als es Smitb übersetzte, noch ungereinigt und darum nahezu unleserlich
war. Desshalb »ergänzte« auch Smith den assyrischen Königsnamen Tukultl-Adar
rugulti-ninip , während das Fragment klar den Namen Rämänniräri aufweist. —
Obige Zeile '-u isl die Schlusszelle von col. I. Es folgt nur noch ein Trennungs-
strich. Bis de' synchronistische Tafel mit II r (;:;, lb wieder einsetzt, klafft
'■im- Lücke von c. 32- -34 Zeilen, von welchen indess \i durch III R '. Nu. :i er-
setzt werden.
9 Dieser Texl entstammt jenem leider Behr beschädigten Obelisk, welchem
auch I ii 28 angehört und welcher, wie es scheint, eine kurzgefasste Geschichte
I. Das Volk der Kossäer. 1 1
Beziehe ich diese leider sehr verwischte Inschrift richtig auf Rämän-
niräris I Sohn, nämlich Salmanassar I, den Gründen der Stadt Ke-
lach, so war dessen babylonischer Zeitgenosse Karaburias1.
Nach Berossos gingen den 45 babylonischen Königen, welche zwi-
schen Semiramis und Phul 526 Jahre über Babylonien herrschten
(1257 731 v. Chr.), 9 Araberkönige voraus mit im Ganzen 245 Jahren.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass unter diesen »Araberköni-
gen« des Berossos eben unsere Kossäerkönige zu verstehen sind. Die
Nomenclatur des Berossos ist auch sonst, was jene alten Völker be-
trifft, eine nicht sehr genaue: so nennt er ja bekanntlich die Elami-
ten »Meder« und trägt den verhältnissmässig jungen Chaldäernamen
bis in die älteste, sogar vorsintfluthliche Zeit zurück. Im vorliegen-
den Falle begreift sich zudem, wie die Kossäer »Araber« genannt
werden konnten: wie die Sutäer von den Assyrern mit Recht als
»Wüstenstämme« bezeichnet werden*, so waren ja auch die Kossäer
unstät herumziehende, auf Beute ausgehende Wanderhorden, wie es
denn beachtenswert]! ist, dass Sanherib in dem oben mitgetheilten
Abschnitt seiner Annalen von den Kossäern nicht allein als in festen
Städten,, sondern auch als in Zelten wohnend redet 3. Vor allem aber
führt die babylonisch- assyrische Chronologie für diese Kossäer-
könise, die Zeitgenossen der Vorgänger des assyrischen Königs Tu-
kultt-Adar I, welches letzteren Regierung als »600 Jahre vor San-
^ssyriens von der ältesten Zeit ab bis auf Asürnasirpal enthielt, Grund genug die
ünleserlichkeit seiner meisten Schriftzeilen zu beklagen. Das oben erahnte Stuck
handelt auf alle Fälle von einem König lange vor der Zeit Tiglathpilesers I. Der
betreffende König zog wenigstens vier Jahre nach einander gegen das Aramäerland
am und im Ka^jargebirg, d. i. dem Mons Masius, unter ununterbrochenen Kämpfen
r Felde Von Salmanassar I aber wissen wir durch Asurn. I 102 f., dass er an
Tela-Thal des Kasjargebirgs unweit der Stadt Damdamusa eine assyrische Ans.ede-
luna »eeründet hat. w .
l} Geschrieben Ka-]«-bur-ia-a.s III R 4 No. 1, 7; ]« vermuthe ich statt
Y«< wie III R bietet. Auch Smith, Transactions III 366, liest ]«, bezieht aber
den Text sicherlich falsch auf Tiglathpileser I. Für die hier einstweilen voraus-
genommene Lesung ara des Zeichens ^[« siehe S. 28.
2) amelu Su-te-e sa-ab seri Khors. 123; amelu Su-ti-i sähe seri Khors. 136.
3) Vgl auch Kho*rs. 69': »die Länder Agagi, Ambanda, Medien, sa päh amelu
i-ri-bi nipih Samsi d. h. welche an die östlichen Araberstämme grenzen« - auch
hier steht Araber, wie es scheint, von Nomadenstämmen schlechtweg.
]2 I- Das Volk der Kossäer.
berib« für die Zeil um 1310 v. Chr. monumental beglaubigt ist, genau
in ebendie Periode, welcher jene neun Araberkönige zuzuweisen
sind. Lassen wir Semiramis, von welcher die Tradition des Berossos
aiissaizt, dass sie, /.wischen der Dynastie der 9 Araberkönige und der
nächstfolgenden Dynastie der 45 Könige bis Phul mitten inne stehend.
etiam ipsam in Assyrios dominatam esse«, 23 Jahre regiert haben,
so erhalten wir für die Araber- oder Kossäerkönige die Jahre 1525 —
1280. Mag aber Semiramis auch kürzer regiert haben — im Jahr 1500
sass jedenfalls der erste Kossäer auf dem babylonischen Thron '. Wir
würden hiernach 7 der 9 Araberkönige mit .Namen kennen: KaraTn-
das, Burnaburiäs, Karahardas, Nazibugas, Kurigalzu, Nazimaraddas,
Karaburiäs: die Namen der zwei fehlenden dürfte wohl der noch im-
mer fehlende Anfang der synchronistischen Geschichtstafel enthalten.
Es scheint in der That, dass die ersten erwähnungswerthen Beziehun-
gen zwischen dem jungen assyrischen Staat und dem babylonischen
Mutterlande von der Zeit an datiren . da die Kossäerscharen über
Babylonien hereinbrachen und die Besorgniss nahe genug lag, sie
I Die Notiz des Berossos, dass sich unter Semiramis die babylonische
Herrschaft eine Zeit lang auch über Assyrien erstreckt habe, wird durch die
Keilschriftliteratur bestätigt. Wir wissen, dass Salmanassars 1 Sohn Tukulti-Adar I
zwar anfangs im Kampf mit Babylonien glücklich gewesen ist, sodass Hamanni-
i • ; 1 1 i III diesen seinen Ahn geradezu »König von Sumer und Akkad« nennt I R 35
No. 3, 19 f.), dass es ihm also gelungen sein muss, bis in das Herz Babyloniens
seine Waflfen zu tragen und sich dort eine Zeit lang auch siegreich zu behaupten,
.Mut wir wissen nicht minder, dass dieser Triumph nur ein vorübergehender ge-
wesen. Denn wenn Sanherib belichtet, dass er das Siegel Tukulti-Adar's, welches
»als Beutestück« nach Akkad gekommen war, nach 600 Jahren aus der Schatz-
kammer zu Babylon wiedergebracht habe [wohl 704 v. Chr., dem Datum von San-
beribs erster Eroberung Babylons; Tukulti-Adar also c. 1304), so deutet dies
darauf bin, dass sich das Glück schliesslich noch gewendet hat und die Babyio-
nier ihrerseits nach Assyrien vorgedrungen sind. Auch noch aus andern Anzeichen
erhell) diese tiefe Demüthigung der assyrischen Macht. Das III K i No. 3 ver-
öffentlichte Bruchstück der synchronistischen Geschichte weist trotz seiner Lücken-
haftigkeit unzweideutig auf eine grosse Schwächung der assyrischen Macht unter
Tukulti-Adar's Nachfolgern hin. Einer von ihnen, Belkudürusur, lallt sogar im
Kampf gegen seinen babylonischen Gegner, und dieser letztere bietet nun in seinem
Land eine grosse Heeresmachl auf, um, wie ausdrücklich berichte! ist, die Stadt
\ssin zu erobern. Ersl unter Adarpalesara, wahrscheinlich einem Sohne Belku-
dürusur's, gelang es die babylonischen Truppen zur Rückkehr zu zwingen und
weiterhin in einer Reibe Biegreicher Schlachten Assyriens Uebergewicht über Ba-
bj lonien w iederherzustellen.
1. Das Volk der Kossäer. 13
möchten auch den unteren Zäb überschreiten und die assyrische Haupt-
stadt bedrohen.
Die babylonischen Königsnamen, welche zunächst auf Karaburias
folgen, sind, soweit sie bekannt sind, wieder gut semitisch : so tragen
die Namen der babylonischen Zeitgenossen des assyrischen Königs Bel-
kudürusur (um 1220) und dessen Nachfolgers Adarpalesara's Sohn
Asürdän I unverkennbar semitisch-babylonisches Gepräge '. Aber da-
mit sind die Kassu nicht auf einmal von dem babylonischen Schau-
platz verschwunden, vielmehr müssen sie sich in Babylon selbst und
in Karduniäs, der Landschaft um Babylon, in grossen Scharen sess-
haft gemacht und, thatkräftig wie sie waren, wohl auch durch immer
neue Zuzüge verstärkt, es verstanden haben, sich in eintlussreicher
Machtstellung neben den Semiten zu behaupten. Es erhellt dies aus
untrüglichen Anzeichen. Zunächst ist beachteuswerth, dass noch Asür-
näsirpal 884 — 860) in seinem Bericht von der Besiegung der Feld-
herrn und Truppen des babylonischen Königs Nabubaliddin , welche
dieser dem Land Sühi zur Hülfe wider die Assyrer geschickt hatte,
Babylonien schlechtweg als »Kossäerland« bezeichnet2. Kossäer also
in Babylonien noch etwa 400 Jahre nach dem letzten jener 9 Kossäer-
könige und, wenn auch vielleicht damals nicht mehr, so doch jedenfalls
zeitweise noch so mächtig geblieben , dass das Land mit der Haupt-
stadt Babylon geradezu nach ihnen benannt ward3. Sodann steht
1) Belkudürusui's Zeilgenosse hiess Rämün , was Smith (Transactions I,
71 f.; zu Ramün-bal-iddina ergänzt, indem er dann weiter diesen Rämänbaliddina
mit jenem gleichnamigen Konig von Babylon identificirt, welchem die I R5 No.XXII
und in Opperts Dour-Sarkayan, p. 28, veröffentlichten kleinen Inschriften angehören
sollen. Aber diese beiden letzteren könnten auch jenem Smith noch unbekannten
König Rämänbaliddina, welcher ein Zeitgenosse des assyrischen Königs Asürbel-
käla war, zugehören. Die Ergänzung Smilh's scheint hiernach nicht ganz sicher.
Asürdän's Zeitgenosse hiess Adar-sum-iddin , und zwar ist der Gott Adar ilu Za-
mä-mu (Za-gä-gd) geschrieben; dass dieser letztere Name ein Beiname oder eine
besondere Schreibweise des Gottes Adar ist, lehrt II R 57, 70 c. d.
2) mät Kas-si-i Asurn. III 17. Auch in der Legende vom Pestgott (in Ueber-
setzung veröffentlicht Chaldäische Genesis S. 4 4 0 ff., vgl. Paradies S. 234), wo die
Völker und Stämme Täm-dim, Su-mas-tu, As-iü-ru, E-la-mu-ü, Kas-sü-ü, Su-tu-u,
Ku-tu-ü, Lu-ul-lu-bu-ü zusammen genannt werden, wird, da sonst die Babylonier
fehlen würden, Kassü von den Kossäern im weiteren Sinne, nämlich als gleich-
zeitigen Beherrschern Babyloniens verstanden werden müssen.
3) Die in der vorhergehenden Anm. citirte Asürnäsirpal-Stelle ist beiläufig die
14 I. Das Volk der Kossäer.
unzweifelhaft fest, dass auch nach der Zeit jener 9 Kossiierkönige Kö-
nige mit kossiiischen Namen über Babylon herrschten. .Mögen diese
auch, wenigstens zum Theil, Semiten zu Vätern gehabt haben, so er-
klärt sich die kossäische Benennung der Söhne doch nur als ein Zu-
geständniss an den noch immer mächtigen und einflussreichen kos-
säischen Theil der Bevölkerung l. Auch Heirathen zwischen den se-
mitischen und kossäischen Fürstenfamilien sind in Betracht zu ziehen.
Von dem Könit: Sagasaltias oder voller Sagasaltiburiäs, dem
Sohn des Königs Kudür-Böl, steht jetzt fest, dass er um 1050 v. Chr.
regierte2. In diese semitisch - kossäische Periode c 1200 — 900
v. Chr., wie ich sie nennen möchte, und zwar in deren ältere Zeil
zwischen 1I7Ö und I I I 5 . gehört ferner Simmassihu, der Sohn
des Erbä-Sin (»vermehre, o Sin«). Er regierte \1 Jahre und hatte
zu seinen unmittelbaren .Nachfolgern Eamukinzeru, den Sohn des llas-
mar (3 Monate), Kassünädinähü, den Sohn des Sappai (6 Jahre), Ina-
eulbar-surki-iddina , den Sohn des Bazi 15 Jahre), Nabükudürusur,
V
den Sohn des Bazi i Jahre), und endlich Amel-Sukainuna (ä1^ oder
:{> | Jahre . auf welchen ein König von elamilischer Herkunft mit 6 Jah-
ren folgte3. Da Nabükudürusur Nebukadnezar I) gemäss der synchro-
älteste bis jetzt bekannte, in welcher der Name mät Kaldu (babyl. mäi Kasdu
sich findet; siehe Asurn. III 24.
I Diese auch in anderen Perioden der babylonischen Geschichte sich zeigende
Erscheinung, dass Vater und Sohn Namen aus verschiedenen Landesidiomen tragen
(vgl. z. 15. Arad-Sin, den Sohn des elamitischen Königs kudurmabuk), erschwer!
mitunter sehr die genaue Scheidung der einzelnen babylonischen Dynastieen.
•i Der nämliche Nabünä'id-Cylinder, welcher Naräm-Sin :^oo Jahre vor
Nabünä'id, also um :(7">u, regieren lasst, wodurch wir für Naräm-Sin's Vater, den
babylonischen König Sargon, bis 3800 \. Uhr. zurückgeführl werden, la-,>t Saga-
saltiburiäs [geschrieben "< ^Vu-ga-sal-ti-bur-ia- III oder S^ 500 Jahre Nor \.i
bünä'id, also um 1050 regieren; siehe Pinches in Proceedings of the Society of
Biblical Archaeology, 7*i November, 1882, pag. 9 undü. SagasaltiburiäS, der Sohn
des Kudür-Bel 11129.34 , war gemäss diesem von Hassam in Sepharwaim ge-
fundenen Cylinder der letzte König von Babylon bis auf Nabünä'id, welcher den
Venustempel E-ulbar zu Sippar restaurirte. Vgl 1 R 69 col. III 20. 41 , wo der
Name des Königs kürzer m Sä-ga-sal-ti-ia-ds geschrieben isl Nabünä id fand hier-
nach den Th :ylinder dieses seines Vorgängers im Tempel E-ulbar). Pinches
I.e. pag. 9 erwähn) auch eine Schreibweise m Bag-gas ^""Sl -t i-bur-ia-as.
\\\r diese werthvollen Angaben verdanken wir dem Fragment einer Tafel,
welche, wenn sie vollständig erhalten wäre, wahrscheinlich de' ganze Liste der
babylonischen Könige von ältester Zeil ab, und zwar chronologisch geordnet so-
I. Das Volk der Kossäer. 15
nistischen Geschichte ein Zeitgenosse von Tiylathpilesers I Vater, Asür-
resisi, war, so erhalten wir für Simmassihu etwa die Zeit zwischen
Asürdän I (c. 1175) und Asürresisi fc. 1130). Noch nicht der Zeit
wie mit Angabe der Dauer der einzelnen Regierungen und Dynastien , darbieten
würde. Die Tafel ist veröffentlicht und besprochen von George Smith in den
Transactions III 361 ff. unter der Ueberschrift : On fragments of an inscription giving
pari of the chronology from which the canon of Berosus was copied. Das Stück,
welches die oben genannten sechs Königsnamen enthält, gehört der V. Columne
der Tafel an; die Ausgabe Smith's, l. c. p. 373 — 377, ist, wie ich mich durch Col-
lation des Originals überzeugt habe, vorzüglich correct ; nur p. 374 Z. 25 scheint
mir das Fragezeichen hinter J— entbehrlich und Z. 26 ist das erste Zeichen
-^1, nicht ^W. Die Namen sind folgendermassen geschrieben: m Sim-ma-s-si-lut
mürm Er-ba-üu Sin; m üu E-a-mu-kin-zeru mär m Has-mar; m flu Kas-su-ü-nädin-
ähü mär m Sap-pa-ai; [m E-lul-bar- y^ ^'^ ""''' "' Ba-zi; j~T >->+- >-T«-f ^P '
*~~^f ^-^ü-^ d. '• Nabü-kudür-usur mär m Ba-zi; -m A-mc-lu-\ üu Sü-ka-mu-na
(da für drei Zeichen reichlich Raum ist, wird die phonetisch geschriebene Er-
gänzung A-me-lu der ideographischen Schreibung f^*J^L, wie Smith ergänzt, vor-
zuziehen sein ). Was meine chronologische Eingliederung dieser Königsnamen be-
trifft, so steht und fällt sie mit der Richtigkeit der Ergänzung des fünften Na-
mens . . . kudür-usur zu Nabü-kudür-wsur ; indess scheint mir diese auch von
Smith gewagte Ergänzung zweifellos richtig. Vor den 9 »Araber«- oder Kossäer-
königen kann Simmassihu nicht regiert haben; denn kossäische Namen sind erst
seit dem ersten »Araber«- oder Kossäerkönig innerhalb Babyloniens nachweisbar.
So bleibt für diese sechs oder, nehmen wir den Elamiten noch dazu, für diese
7 Könige mit im Ganzen c. 50 Jahren nur die Zeit entweder zwischen Asürdän I
und Tiglathpileser I oder die grosse Lücke von 1090 — 930. Da nun aber gerade
für den ersleren Zeitraum ein König Nabükudürusur, nämlich als Zeitgenosse des
Asürresisi, des Vaters Tiglathpileser's I, sonst ausdrücklich bezeugt ist, scheint
mir ebendiese Periode, die gerade lang genug ist, um jene 7 Regenten zu um-
schliessen (siehe Tig. VII 60 ff. , wonach Asürdän 60 Jahre vor Tiglathpileser re-
gierte), überwiegende Wahrscheinlichkeit zu haben. Auch der König »elamitischen
Geblüts« erklärt sich leicht als einer der Nachfolger Nebukadnezars 1, der uns
jetzt als Besieger Elams bezeugt ist. Eine Heirath zwischen dem babylonischen
und elamitischen Königshaus mag den Frieden besiegelt haben. — Zu den Königs-
namen als solchen mache ich noch die folgenden Bemerkungen: Der Name Sim-
massilm findet sich als » Si-irn-mas-si-hu, König von Babylon«, auch auf der Stein-
tafelurkunde aus dem 31. Jahre des babylonischen Königs Nabübaliddin , I 13;
Kassünädinähü als »«7« Kas-sit-ü-nädin-ähii, König« ebenda I 25; sein Nachfolger
als » Ina-e-ul-bar- ^Lf >^~ , König« ebenda I 29, und ohne ina IV 50. Alle diese
Könige werden in Verbindung mit dem Sonnentempel von Sepharwaim genannt.
Wie die beiden Ideogramme ^^»-^ zu lesen sind, ist an sich nicht sicher; da
indess der Name, worauf schon Smith (l. c. p. 370) aufmerksam gemacht hat, mit
dem Namen m E-ul-bar-^S -l;i->^£> III R 43 col. I 29 gewiss Eins ist, so sichert
| ij I. Das Volk der Kossäer.
nach näher bestimmbar, alter wohl sicher der jüngeren Zeit dieser
semitisch-kossäischen Periode, zwischen 1100 (1090) und 910, zuzu-
weisen sind Melisihu und dessen Sohn Mardukbaliddina der äl-
tere Merodachbaladan] . welche ihren Stammbaum zunächst auf Erbä-
Marduk »vermehre, o Merodach«), in letzter Linie aber bis auf Kuii-
galzu zurückführen1. Ebendieser Periode gehört jener'Köniii an, von
das phonetische Gomplement ki , ki für ^Lf die Lesung als saräku »schenken«;
also vielleicht E-ulbar-surki-iddina »Eulbar hat mir das Geschenk verliehen « bez.
»In Eulbar hat man (nämlich die Gottheit mir das Geschenk verliehen«. Beide
Namen dürfen um so zuversichtlicher identifieirt werden, als auch dieser letztere
E-ulbar-surki-iddina, welcher auf einer aus dem i O.Jahr Marduknädinnlie's datir-
ten Schenkungsurkunde als erster Beglaubigungszeuge erscheint, Sohn des Bazi
sich nennt. Smith identifieirt sogar die beiden Persönlichkeiten , hält den Konig
dieses Namens und den Zeugen dieses Namens, welcher allerdings, wie er an
erster Stelle unterzeichnet, auch durch seine Stellung als amelu res -^Pf >X- sa
mätäte als hochangesehene Persönlichkeit erwiesen wird (vgl. zum Titel noch
I R 66 Xo. 2 col. II, 10. 111 R 43 col. II 6. col. IV Kante 4] , für ein und dieselbe
Person. Ist meine Ergänzung Nabü-lkudürusur richtig, so müsste angenommen
weiden, dass Eulbarsurkiddina nach 15jähriger Regierung dieselbe freiwillig oder
gezwungen aufgegeben und mindestens noch 20 Jahre gelebt habe. Mag dem sein
wie ihm wolle, immerhin gereicht diese Erwähnung eines Sohnes des Bazi zur
Zeit Marduknädinähe's, des Zeitgenossen Tiglathpilesers I, meiner chronologischen
Einreihung der drei zur »Dynastie des Bazi« gehörigen Künigsnamen Eulbarsurkid-
dina, Nebukadnezar I und Amelu-Sukamuna zu weiterer Bestätigung. Wie diese
drei Konige als Konige der »Dynastie des Bazi« bezeichnet sind, so die drei Kö-
nige Simmassihu, Eamukinzer und Kassünädinälui als Könige der »Dynastie des
Landes a-ab-ba«. Das letztere Ideogramm bedeutet ».Meer« wortlich »Wasser-
Behältniss«, a-aba), und wird dann auch vielleicht für »Wüste« gebraucht (so in
dem bekannten Ideogramm für Kamel, welches dieses Thier als »Wüstenthier«
bezeichnen wird). Hier ist es wohl sieher in der ersteren Bedeutung zu nehmen,
-ud;is> sieh mal a-ab-ba mit Täm-dim »Seeland, .Meerland« der Legende vom Pest-
gott s. oben S. 1 :\ Aiim. 2) deckt; im Uebrigen siehe zu diesem »Meerland«, dem
südlichsten Landstrich l nterbabyloniens oder Chaldäas, Paradies S. 180 IL Wie der
Name des zu dieser »Dynastie des Meerlandes« gehörigen Königs Simmassihu be-
weist, erstreckte sich der kossäische Einfluss weit über Babylon hinaus auf das
ganze Land bis hinab nach Chaldäa und dem persischen Meerlinsen. Der Name
des Stammes, als dessen »Führer« Simmassihu erscheint, ist amelu Ku-a-bar.
I) Die Backsteininschrift I R 5 No. WM lautet gemäss Smith, Transactions I,
l>. 76 im Inschriftenwerk i-i /. 5 ungenau veröffentlicht , Z. 5 — 8: »Marduk-bal-
iddi-na, König von Babylon, /"// Erbä-Marduk, Königs von §umer und Akkad«.
Dieses poi, >^fj^, kann unmöglich »Sohn« bedeuten, wie Smith übersetzt, indem
it das Wort als phonetische Schreibung des Status construetus von ablv , aplu
•Sohn« nimmt, sondern bedeutet »Dynastie« urspr. Regierung, palü). Und wenn
si<li ,oii dem l\' H it veröffentlichten Grenzstein ebendieser altere König Mein-
1. Das Volk der Kossäer. 17
welchem wir die grosse Weihinschrift V R 33 in assyrischer Abschrift
aus Asürbanipals Bibliothek besitzen und welchen ich einstweilen
Agum nennen will1. Der König nennt sich daselbst (13 f.): »glän-
zender Spross des Gottes Sukamunu«, und (I 31 — 42) : »König der
Kossäer und Akkadier2, König des weiten Babylonien , der im Lande
Asnunnak zahlreiche Völker ansiedelte, König des Landes Padan und
Abnan, König des Landes Gutü , weitausgedehnter (?) Völker, er-
habener König der vier Himmelsgegenden, Verehrer der grossen Göt-
ter«. Endlich aber wüsste ich nur dieser Periode zuzutheilen alle die
übrigen babylonischen Könige kossäischen Namens, welche das sofort
ausführlicher zu besprechende Rassam'sche Königsverzeichniss am Ende
seiner I. und am Anfang seiner IV. Columne auffuhrt, nämlich Ulam-
buriäs, Ulamharbe, Melihali, Meli sah3, Nimgirabi, Xim-
girabisah3, Nimgirabiburiäs, Karasah3, Nazisihu, Nazi-
buriäs4. Dass für alle diese Könige samt Saeasaltias in der Zeit
dachbaladan Z. 28 — 34 a » Marduk-bal-iddi-na sar kissati sar Sumeri Akkade, mär
M6-li-si-hu sar ISrihili (von mär wie von m6 sind auf dem Original noch Spuren
zu sehen), "MTT ^wiiT^ £-]■£ Ku-ri-gal-zu sar la *ä-na-an«. nennt, so könnten diese
letzteren drei Keilschriftzeichen zwar auch »Enkel« bedeuten (siehe IV R 60, 42a,
wo sich Asurbanipal »Sohn« Asarhaddons, p^TTfl »iiT^ "^T-^ d. '■ »Enkel« San-
heribs nennt), sie können aber ebensogut ganz allgemein »Nachkomme, Abkömm-
ling« bedeuten (siehe I R 35 No. 3, 19, ferner die in Rede stehende Urkunde
Merodachbaladans selbst Z. 8 bez. 3b, und andere Stellen mehr), und dass sie
hier so zu fassen sind, lehrt die zu Kurigalzu hinzugefügte Apposition. Wäre
lMerodachbaladan Enkel des Kurigalzu, so würde er nach babylonisch-assyrischem
Brauch seinem Grossvater mindestens einen seiner rechtmässigen Titel, also etwa
»König von Babylon« zulegen; so aber führt er lediglich seinen Stammbaum auf
Kurigalzu als glorreichen Urahn zurück und da genügte es, diesen als »König ohne
Gleichen« zu bezeichnen. — Erbä-Marduk findet sich in der Schreibung Er-ba-Uu
Mavduk und mit dem Titel »König von Babylon« auch auf einem Gewicht, siehe
Transaetions I, p. 75.
\) Die Besprechung dieses Königs Agum und der Eingangsworte seiner Weih-
inschrift erfordert einen eigenen Excurs; siehe Anhang A.
2) sar Kas-si-i ü Ak-ka-di-i.
3) Die Lesung sah des Zeichens MfTT nehme ich einstweilen voraus; die Be-
weisführung folgt S. 27.
4) Von den in gleichem Zusammenhang genannten und nicht minder sicher
in die semitisch -kossäische Periode gehörigen Königen Kara-Bel , Melisumu (=
babyl. Amel-Sukamuna) und McMi-Sibarru (= babyl. Amel-Simali'a) ist der zweite
wohl eben jener Amßl-Sukamuna, welcher unter diesem seinem semitischen Namen
Delitzsch, Kossäer. 9
-[8 I- Das Volk der Kossäer.
zwischen 14 00 (1090) und c. 910, also in einer Periode von 190 Jah-
ren Raum genug ist, sei ausdrücklich bemerkt; sie würden hiernach
ihren Platz finden zwischen Marduknädinahe, dem Zeilgenossen Tig-
lathpilesers I, sowie Marduksäpikzermäti und Rämanbaliddina , den
Zeitgenossen von Tiglathpileser's I Sohn Asürbelkäla, einerseits und
Samasmudammik sowie Nabüsumiskun, den Zeitgenossen Rämännira-
ri's II 942—890 . andrerseits. Meine Annahme einer solchen »semi-
tisch-kossäischen Periode« noch ziemlich lange nach dem letzten der
9 »Araber«- oder Kossäerkbnige wird endlich dadurch bestätigt, dass
wir gerade in dieser Zeit auch kossäischen Namen bei Privatper-
sonen begegnen, und zwar bestätigt die hohe äussere Stellung der
einzelnen Männer, in welch bedeutendem Einfluss diese babyloni-
schen Kossäer sich zu erhalten wussten. So ist der erste Unter-
zeichner des weiterhin noch wiederholt zu erwähnenden »Freibriefes«
Nebukadnezars I Nazi-Marduk1, ka-lu des Landes Akkad. und auf
der aus dem 10. Jahre Marduknädinahe's stammenden Schenkungs-
urkunde III R 43 finden wir die .Namen Ka s a k 1 i j a nzi , S u ka m una -
ah-iddina, Sohn des Miliharbe, Ulamhala2.
Dass alle die bisher durch gesperrten Druck hervorgehobenen ba-
bylonischen Namen in der That kossäischen Gepräges sind, dies
zu zeigen, ist die zunächstliegende Aufgabe des zweiten Kapitels.
als Nachfolger Nebukadnezars I oben S. I ■'■ (nebst Anm. 3) erwähnt wurde. Der
erste Name ist gemischt kossäisch-semitisch (vgl. den Namen Nazi-Marduk unten
Anm. 1), und das Gleiche scheint bei dein dritten der Fall zu sein; ich schliesse
dies aus dem Götterdeterminativ vor Sibarru; kossäischen Götternamen stellt inner-
halb von Personennamen sonst nie ein Determinativ vor.
i Na-zi-iht Warduk. Der Name ist gemischt kossäisch-semitisch. Der näm-
liche Name findet sich in einer Urkunde Merodachbaladans, IV K 41, 18a. 40b.
i m Ka-sak-ti-ia-an-zi II 10, m Sü-ka-mu-na-äh-iddi-na II 13, m Mi-U-har-bi
II t '.. ts, m I lam-ha-la II 20.
II.
Die Sprache der Kossäer.
a) Unsere Quellen.
Die erste, freilich äusserst dürftige Kenntniss der Sprache jenes
Volkes Kassü, welchem die Könige KaraTndas, Burnaburiäs, Knri-
galzu u. s. f. angehörten, vermittelte das kleine, II R 65 No. 2 ver-
öffentlichte Fragment einer Thontafel , welches einige dieser Kossäer-
namen mit semitischer Namensdeutung darbietet. Dieses Fragment
hat sich seitdem als zu der grösseren Tafel K. 4426 zugehörig er-
wiesen, welche als die »Rassam'sche Königsliste« bezeichnet werden
mag. Diese Tafel ' bietet auf Vorder- und Rückseite je zwei zwei-
spaltige Columnen. Etwa die Hälfte der Tafel, nämlich der Anfang
der Columnen I und II 'Vorderseile; und der Schluss der Columnen III
und IV (Rückseite), fehlt auch jetzt noch. Nach einer Lücke von etwa
33 Zeilen beginnt Obv. col. I mit einer Reihe sumerischer Königs-
namen nebst semitischer Uebersetzung, von denen wir jetzt theilweise
wissen, dass sie nicht zu der Dynastie von Babylon, sondern zu jener
von f£^..£ \y}f <Jpf gehören, einer Stadt, die ihrerseits aber nicht,
da auch ein König Sargon ihr anzugehören scheint, allzu zuversicht-
lich mit Agade (= Akkad?)2 identilicirt werden darf. Es folgt dann
4) Veröffentlicht (obwohl nur die linken Spalten in Keilschrift) und bespro-
chen von Pinches in Proceedings, tlth January 1881, p. 37 ff.
2) Der bis vor kurzem nur als Landesname keilschriftlich zu erweisende Name
Akkad hat sich jetzt auch, in Uebereinstimmung mit ISN Gen. 10, 10, als Stadt-
name gefunden. Auf der Schenkungsurkunde Nebukadnezars I, welche mein jun-
ger Freund, Dr. Hermann Hilprecht, zum Gegenstand einer besonderen Abhand-
lung machen wird , werden am Schlüsse neben anderen Göttern auch die Götter
der Stadt De-c-ir und unmittelbar nach diesen »üu Sin n belit älu Ak-ka-di« als
Rächer für alle Frevel an dieser Urkunde und deren Inhalt angerufen. Nach George
Smith ist Akkad Eins mit Agade (Agane;, der einen Stadthälfte von Sepharwaim ;
9 *
-2(1
II. Die Sprache der Kossäer
eine Trennungslinie, und dieser folgen die Worte: an-nu-tum sar e sa
arki a-bu-bi a-na sa-dir a-ha-mes la sad-ru d. h. »die folgenden waren
König von Babylon 1 nach der Flutli; in gegenseitige Reihenfolge sind
sie nicht gereiht«, und nach einer abermaligen Trennungslinie hebt
nun die Reihe dieser nachfluthlichen Könige von Babylon also an2:
col. I.
Z. 48. Ha-am-mu-ra-bi
49. Am-ini-di-dug-ga
50. Ku-ur-gal-zu
•") 1 . Sim-mas-si-hu
52. U-lam-bur-ia-a-äs
53. Na-zi-^<<<|-das
54. Me-li-si-hu
55. Bur-na-bur-ia-a-as
56. Ka-y«-üu Bei &
Kim-ta-ra-pa-as-tum
Kim-tum-ket-tum
Re-i-i-bi-si-i
Li-dan-iiu Marduk
Li-dan-bel-mätäte
Sil:;-iiu Adar4
Amel-[iin] Marduk
Ki-din-[bel-matä-]te (?)
Tukul-ti [uu Bei]
Hiemit schliesst col. I. Von den in col. II erhaltenen 27 Namen ist,
ebenso wie von den in col. III erhaltenen 29 Namen , keiner welcher
sich als kossäisch gäbe, wohl aber beginnt col. IV mit den folgenden
Namen :
diese Gleichsetzung winde auch hier vortrefflich passen, falls die Stadt Der, was
sein- wahrscheinlich, in der Ruinenstätte Der unweit Abu Habba (Sepharwaim)
wiederzuerkennen ist. Eine andere Stadt Der mit Anu als Stadtgott lag an der
elamitischen Grenze, siehe Freibrief Nebukadnezars 1 col. I 14. Asurb. Sni. ISO,
108, u. a. St. in. . Zu beachten ist freilich, da>s die »Herrin von Akkad« mit-
unter neben Anunit von Agade genannt wird, so III R 66 Obv. 24. 25c und
Synchron. Geschichte col. IV (Ergänzung).
I Ich wüsste nicht, wie die auch in der Unterschrift der Tafel mehrmals
wiederkehrenden Zeichen ^^^T^7 Hß, von deren richtigem VerslSndniss an obi-
ger Stelle das Verständniss der ganzen Tafel abhängt, anders gefassl werden konnten.
Scbrader und Pin :hes umschreiben -surr-e und übersetzen einfach »die Könige«,
aber niemals wird der Plural von sarru oder sonst einem assyrischen Nomen auf
diese Weise geschrieben. Die Zeile ist Ueberschrift, nicht Unterschrift (Pinches).
Von den der Zeile vorausgehenden Namen sind uns wenigstens drei als Namen von
Königen der Dynastie von ^^^^ {11 ^T^T bekannt; Hammurabi und die nach
ihm genannten waren aber in der Thal Könige Nim £;TI, d. i. von Babylon vgl.
zu dieser Schreibung Babylons Paradies S. 2H, ferner IV R 35 No. 8, 1, und viele
andere Stellen .
i Vor jedem der Namen stehl in beiden Spalten 1. das Determinativ vor
männlichen Personennamen.
3 /eichen nun
i Geschrieben nin ib.
■ Geschrieben 6n kit ; ebenso col. IV l .
II. Die Sprache der Kossäer.
21
col. IV.
Z. 1. U-lam-har-be
2. Me-li-ha-Ji
3. Me-li-sü-mu
4. Me-li-iiu Si-bar-ru
5. Me-li-Srffl
6. Nim-gi-ra-bi
7 . Nim-gi-ra-bi- S^YYT
8 . Nim-gi-ra-bi-bur-ia-äs
9. Ka-T«-bur-ia-äs
10. Ka-j« — S=YTT
1 1 . Na-zi-si-hu
12. Na-zi-bur-ia-äs
Li-dan-iiu Bei
Amel-iiu Gu-la
Amel-iiu Sü-ka-mu-na
Amel-iiu Si-i-ma-li-ia
All X V
Amel-iiu Samas
E-te '-ru
E-te-ru-[nu Samas]
E-te-[ru-bel-mätäte]
Tukul-[ti-bel-mätäte]
Tukul-[ti-iiu Samas]
[Sil-üu Mardjuk
| [Sil-bel-] mäläte
Es folgt eine Trennungslinie , welche , wie es scheint , die Liste der
Königsnamen überhaupt abschliesst.
Diese letzteren Namen sind augenscheinlich wieder kossäisch. Da
col. I 55 Burnaburias, wie die synchronistische Geschichte lehrt, ohne
Zweifel Kossäer war, so geben sich sofort als ebenso zweifellos kos-
säisch die gleichfalls mit bur-iäs zusammengesetzten Namen I 52. IV 8.
9. 12 sowie Sagasaltiburiäs (siehe oben S. 14), mit diesen aber wieder
zugleich IV 1 wie auch der am Schluss von Kap. I genannte Personen-
name Ulamhala (ebenfalls mit ü-lam componirt) , IV 6. 7 (ebenfalls
nim-gi-ra-bi aufweisend), I 56 und IV 10 (ebenfalls mit ka-1« com-
ponirt), endlich I 53. IV 1 1 wie auch der Personenname Nazi-Marduk
(ebenfalls mit na-zi componirt). Ist aber IV 1 1 Nazi-sihu kossäisch,
so sind dies auch die übrigen mit si-hu componirten Namen I 51.54,
desgleichen der IV R 34, 44. 53 vorkommende Name Harbisihu; ist aber
Meli-sihu kossäisch, so sind es auch alle übrigen mit mS-li zusammenge-
setzten Namen, also IV 2 — 5 wie auch der am Schluss von Kap. I ge-
nannte Personenname Mili-harbe , und da Kurigalzu als Kossäer durch
die synchronistische Geschichte feststeht, so wären sämtliche Namen
I 50 — 56. IV 1 — 12 sowie die meisten der sonst noch in Kap. I als
kossäisch bezeichneten Namen2 als kossäisch bewiesen.
1) Geschrieben di, ti.
2; Für Kasakti-ianzi siehe den Beweis S. 28, ehendort den für den Gotfesnamen
Sukamuna und den damit zusammengesetzten Personennamen Sukamuna-äh-iddina.
22 H. Die Sprache der Kossäer.
Nur wenige Bemerkungen sind hier einzuschalten. Die Angabe
der Ueberschrift »in gegenseitige Reihenfolge sind sie nicht gereiht«
erweist sich auch für diese Kossäernainon als völlig richtig: andern-
falls hätte ja z. B. gleich Burnaburiäs seinen Platz vor Kurigalzu fin-
den müssen. Es ist aber auch zugleich ersichtlich, nach welchem
Princip die Namen an einander gereiht sind . nämlich offenbar nach
ihrer verwandten Bedeutung (I 48. 49) oder ihrer gleichartigen Zu-
sammenselzungsweise (IV 2 — 5. 6 — 8. 9 — 10. 11 — 12), obwohl dieses
Princip noch strenger durchgeführt sein könnte. Sodann ist zu be-
achten, dass vier Königsnamen, über deren kossäischen Charakter
ebenfalls kein Zweifel sein kann, nämlich die in Kap. 1 erwähnten
Namen KaraTndas, Karahardas, Nazibugas und Sagasalliburiäs (Saga-
saltias) fehlen, diese müssen also in dem jetzt fehlenden Stücke
von col. II oder col. III genannt gewesen sein. Im höchsten Grade
auffallend bleibt es ausserdem, dass die Kossäernamen so ent-
zweigesprengt sind: trennt doch I 50 und IV 1 eine Kluft von etwa
2 X 56, also von über hundert Königsnamen. Es erscheint mir ge-
rathen. bei der Erklärung dieser Erscheinung selbst einer naheliegen-
den Vermuthung mich einstweilen zu enthalten, da Sicheres doch erst
auszusagen sein wird, wenn die ganze unschätzbare Königsliste der-
einst vollständig vorliegt. Was endlich die beiden den Kossäernamen
vorhergehenden Namen col. I 48. 49, Hammurabi und Ammididuga,
betrifft, welche mit den Kossäerkönigen weder chronologisch noch ge-
nealogisch etwas zu thun haben, so habe ich ihnen einen besonderen
Excürs Anhang B gewidmet, um die eigentliche Untersuchung dieser
Schrill nicht allzulange zu unterbrechen. Ich bemerke nur. dass der
Verfasser der Königsliste die Reihe der babylonischen nachfiuthlichen
Könige mit Hammurabi, jenem in Werken des Friedens und der Für-
sorge U\\- die Wohlfahrt seines Landes wahrhaft grossen Monarchen,
zu beginnen vollauf berechtigt war.
Für das kossäische Lexikon liefern uns die Kossäernamen der
Rassam'schen Königsliste die folgenden Wörter:
bur-iäs = bü mätäte »Herr der Länder«, also wohl bur \\iin- .
iäs Lander«. Gemeint ist (\c\- Got1 Rämän, wie ein von Pin-
ches gefundenes Gölten erzeichniss lehrt, welches unter den
II. Die Sprache der Kossäer. 23
mancherlei Namen, die Rämän im Westland, in Elam, in Su-uh
und sonst führte, für Kas-si oder die Kossäer den Namen bur-
ia-as bezeugt '.
ü-lam = lidänu »Kind«;
na-zf = sillu »Schatten«;
ha-]« = tukultu »Hülfe«;
nim-gi-ra-bi = öt&ru »schirmen, schonen«;
f:|H id. i. kid oder sah) = Samas »Sonnengott«:
si-hu = Marduk »Merodach«;
har-b&i = Bä »Gott Bei«;
ha-li (ha-la) = Gula »Göttin Gula«:
sü-mu = Sukamuna »Gott Sukamuna«;
^<<<<y-(/a,v = Adar »Gott Adar«;
sim-mas = lidänu »Kind«;
me-li = amdu »Mensch«;
bur-na = kidinu »Schützling«.
Wie kurigalzu = r&i bist »sei mein Hirt« zu zerlegen, ist unsicher.
Diese Wörter und dazu noch bugax, offenbar ein Gottesname
(im n. pr. Nazibugas), sowie Kar-%iu Duni-iäs , der von den Kossäern
stammende Name der Umgegend von Babylon bez. Nordbabylonien
überhaupt, waren bislang die einzigen Reste, welche von der Sprache
der Kossäer erhalten waren. Sprachwissenschaftlich war hiermit kaum
etwas anzufangen; nur aus dem Wort nu-li »Mensch« oder »Mann«
oder »Diener«, welches mit dem gleichbedeutenden mulu des sog.
Frauendialekts der sumerisch -akkadischen Sprache sowie mit seinit.
babyl. am<Hu ^"HN/ zusammenklingt, glaubte man — gewiss allzu-
schnell — allerhand Folgerungen ziehen zu dürfen.
Als ich im März dieses Jahres in dem Arbeitszimmer der ägyp-
tisch-assyrischen Abtheilung des Britischen Museums mit der Colla-
tion einiger Keilschrifttexte beschäftigt war, nahm ich mit Mr. Theo.
1) Recht baldige Veröffentlichung dieser interessanten Tafel, auf welche Pin-
ches in Proceedings , 6th February 1883, p. 72 anspielt, erscheint dringend er-
wünscht.
2) Die Lesung be, nicht etwa bat, erhellt für das Zeichen >-< aus der Schrei-
bung des S. 2t erwähnten Kossäernamens Har-bi-si-hu (IV R 34, 44. 53).
•7i II. Die .Sprache der Koss
G. Pinches' gütiger Erlaubniss Gelegenheit, auch auf einige der zu-
fällig daliegenden, erst vor kurzem durch Bass - ss bungs-
arbeilen in das Museum - k zu wer-
fen . und bei dieser G< a : blieb mein Blick an einer klein
Thontafel haften, deren Inhalt Mr. Pinches wie mir - ; war —
die Tafel enthielt augenscheinlich ein kleines ssäis -semitis
Glossar. Ihr wahrer und voller Werth war freilieh nicht ohne W -
teres klar, vielmehr schien sie zu dein schon durch die obigen Kos-
säernamen gebotenen Wortmaterial nur wenig - und Wichtig -
hinzuzufügen. Ich selbst verler die Tafel . von der ich mir mit der
Erlaubniss meines geschätzten Fachgenossen ein - :hrift nahm.
läutere Zeit aus den Augen. -■■ _ o den vorbereitungs :ten
zu meinem in London zu vollendenden und nunmehr glücklich voll-
endeten Assvrischen Wörlerbuche in - - :nmen. Als ich
indess meine Abschrift abermals prüfte, erkannte ich. dass dies
kleine Tafel hau - ich durch Eine ihrer Zeilen berufen ist. in
- ker- und Sprachengewim - - -den
iider überraschend neu - I I zu werl
ßentliche Bes - dien
koss - l-s mitis G
durch die vorliegende kleine Abhandlung möglichst umgehend anbahnen
zu helfen. Das v.. — 18 bezeichnete Thontäfelchen > _ - ?nt.
breit, gegen 9 Cent. lang, hellgrau, und prächtig erhalten: am An: .
der Vorderseite fehlen nur gam a die Unterschrift
lehrt, nur zwei Di< S : ist neubabylonisch. Ceber den ur -
neu Raum der einzelnen - llinien gezogen.
\ rder- - ite enthalten in cht durch eine senk-
te Linie getrennten, B - - - rechende Wort-
reihen. _ rift und ig den Anmerkun-
gen zu diese: sung nach mehrdeutigen Zeichen
die sons möglichen S . bezieh gsweis
cheu . die als s _ - -eheinen, die etv
in Betracht kommenden.
II. Die Sprache der Kossäer.
25
Obv.
fehlt
2.
]
[im;
• [
3.
si- [1 Zeichen]
ilu
Sin
»Mondgott«
4.
sa-
ah
ilu
Snnias
»Sonnengott o
5.
su-ri- ia-
V
as
ilu
V V
Samas
»Sonnengott «
6.
ub-ri-ia-
as
ilu
Rämän
» Luftgotto
7.
hu- uda-
ha
ilu
Rain an
» Luftgott«
8.
m;i- rad-
dasb
ilu
Adarc
»Gott Adar«
9.
gi-
dard
ilu
Adarc
»Gott Adar«
10.
ga-
la
ilu
Gu-la
»Göttin Gula«
11.
ka- nml-
la
ilu
E-a
»Gott des Wassers«
12.
sü- ga-
ab
ilu
Nergal
»Löwengott«
13.
sü-ga-mu-
na
ilu
Nergal nu
Nusku
»Löwengott als Gott
der Mittagssonne«
14.
dur e
ilu
Nergal
» Löwengott «
15.
16.
su-gurf
mi-ri-zi-
IM
ir
ilu
ilu
Jielit»'
» Gott Merodach ....
»Göttin Bellis«
17.
ba- as-
hu1'
i-
lu
» Gott«
18.
da- ka-
V
as
ka-
- ka-
bu
»Stern«
19.
da-gi s
gi
Si'iinu-u
»Himmel«
20.
i- lu-
hi
säniu-ii
» Himmel <
21.
zi-in-bi-
na
zi-
ii a
■>
22.
tni-ri-ia-
V
as
ir-
si-
tum
»Erde«
23.
tu-ru-uh-
na
sä-
a-
ru
»Wind, Sturme
24.
ia- an-
zi
sai
- ru
» König«
25.
nuk-
la
sai
•- ru
»König«
26.
nia-
li
a-
ini-
[lu]
» Mensch «
27.
me-
li
ar-
,h.
»Knecht«
Rev.
28.
ku- uk-
la
ab
du
[ *]
»Knecht«
29.
as- lu-
lu
ha
i- bu-
ü m
?
30.
ll a- as-
hu »
ni-
i-
sü
»Name, Wesen.
Leben « '?
31.
ha'-ar-
hu
kak- kä-
du
»Haupt«
32.
lia- me-
ru
se-
e-
pu
»Fuss«
33.
sa- ri-
hu"
se-
e-
pu
» Fuss «
34.
ia-
V ,
SU
ine
i- a-
tum
» Land «
35.
as-
rak*
mu- du-
ü
»weise«
36.
Sir«
ka
as-
lu
» Bogen «
37.
e-
nie
a-
su-
li
» herausgehen «
26
II. Die Sprache der Kossäer.
38.
39.
iti.
41.
42.
43.
44.
45.
46.
iT.
48.
na- zi
ka- y «
V , V . .
sa- ga- sal- ti
nini r-ei-ra-ab
XL\
u- zi-
has s-
si- im-
sa- ri-
sim- l
ki-
ni-
III
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l)Un
]di
[ 1
Sll-
tu-
nap-
e-
e-
ka-
li-
tu-
na-
ki-
res-
luni
kul-
sä-
te-
te-
su-
da-
ul-
da-
di-
tu
» Schatten«
tum
i Hülfe«
ru
» Erlösung«
rum
»schirmen, schonen«
rura
»schirmen, schonen«
SU
•>
nu
» Kind «
ü
»aufhangen, anhan-
gen« (z.B . den Köcher)
nu ■!
»geben«
nu
» Schützling «
»erster«
1
an(?) a- [1 Zeichen]1
a) lalj.
Zeichen für
b) fas (ma-rat-tas). c) geschrieben nin ib. ll) neubabyl.
t^AT. e) neubabyl. Zeiclien für jjT^Agr-. *) ^TY.
M. h) bag, bak. »] ^yy^-A- k) oder das Zeiclien bab, kur?
l) fehlt nichts oder höchstens ein ganz schmales Zeichen. m) pap-pu-ü.
n) pu. °) besser als ma. i1) sal. fi) >-^£>=. r nuni. s tar.
kut, sil. tj Die Numerirung der einzelnen Zeilen ist im Original selbstver-
ständlich nicht mitgegeben. Betreffs der Transcriptionsweise ist hervorzuheben,
dass s = seh tu] und h = ch (n, A>) ist. Ob in den kossäischen Wörtern h nicht
etwa einen dem n nur verwandten Laut bezeichne (wie es im Sumerisch-Akka-
dischen /.. B. ,7 als tonender Spirant ist), muss spätere Untersuchung herausstellen.
Für die assyrischen Wörter dieses Glossars können wenige
Bemerkungen gentigen. Z. 18 beachte die Schreibung ka-ka-bu sonsl
kak-ka-bu : man sprach also käkgbu. Z. -±\ zi-na zi'-im ? . zwischen
Himmel und Erde stehend, weiss ich noch nicht zu erklären: der
Form nach ist das Wort ein femininer Plural auf ä = än, welcher
vor allem bei paarweise vorhandenen Körpertheilen gern angewandl
wiid. wesshalb man ü vielfach geradezu für Dualendung hält. Das
Wdii -nin Ist mir sonst nur noch I H 27 No. 2, 23 bekannt, wo von
drin Thor dos zi-ni dos Palastes die Rede ist. Z. 30 ni-i-su wird
wahrscheinlich nl§u »Name, Wesen, Leben«, nichl etwa n&hu »Löwe«
sein. Z. 35 mu-du-ü, sicher müdü -weise, verständig«; denn dos in
der häufigen Phrase ana mudß massenhafl vorliegende ähnlich Lautende
Wnii isi doch gewiss nur Plural von mudü »Menge«. /.. \Z kasüsu,
gemäss II 1137, 15c. 64c sicher ein Vogel und zwar eine Eulen-
II. Die Sprache der Kossaer. 27
art1 (vgl. auch II R 25 , 42b; 62, 13h). Oh das Wort freilich hier
so zu fassen und es nicht etwa noch ein anderes Wort kasüsu ge-
geben (einen Verbalstamm kasüsu siehe II R 45 , 7 f) , muss dahin-
gestellt bleiben.
Unter den kossäi sehen Wörtern begegnen wir zuvörderst ei-
nigen, welche wir bereits durch die kossäischen Königsnamen er-
schlossen halten und welche nunmehr als zweifach bezeugt um so
fester stehen. Ich meine die acht Wörter: 4. sa-ah »Sonnengott«,
10. ga-la »Göttin Gula«, 27. mö-li «Knecht«, 34. ia-su »Land«, 38. na-zi
»Schatten«, 39. ka-l(^ »Hülfe«, 44. nim-gi-ra-ab »schirmen«, 44. si-
im-mas »Kind«. — Da ia-su »Land« augenscheinlich mit semitischer
Nominativendung versehen ist, so könnte dies auch der Fall sein mit
den Wörtern der Zeilen 17. 20. 29. 30 — 33. 45: bashu, ilulu, aslulu,
nasbu. barhu, hamßru, saribu, saribu. — 4. sa-ah »Sonnengott«; diese
dankenswerthe Angabe macht für das Zeichen C^fff, welches an sich
ebensowohl kid als sah gelesen werden könnte, die (oben S. 17 von
mir antieipirte) Aussprache sah zweifellos. Sowohl in 5. sü-ri-ia-as
als in 6. ub-ri-ia-as wird ia-as als zweiter Theil eines Compositums
abzutrennen sein, sodass der Sonnengott seinen Namen führt als sü-ri
des Landes oder der Länder. Rämän den seinen als ub-ri des Landes
oder der Länder. Beachte die Variante ubri-ias neben bur-ias (siehe
oben S. 23). 8. ma-rad-das, werthvolle Angabe, denn diese einfach
syllabische Schreibweise darf wohl getrost auf die andere, ebenfalls
auf das ausgehende und ebenfalls einen Gottesuamen darstellende
Schreibung ^(<<<l-das übertragen werden. Meine Lesung (oben
S. 10) des Namens des Kossäerkönigs Nazimaraddas gründet sich auf
diese Angabe2. 13. su-ga-mu-na. Der in den babylonisch -semiti-
schen Texten wiederholt und zwar stets mit Schreibung h an Stelle
des g, nämlich als Sukamuna vorkommende Gottesname wird hierdurch
1 Näheres siehe in meiner Schrift The Hebrew Language viewed in the Light
of Assyriern Research, London 1883, p. 33.
-2) Smith, Assyriern Discoveries, p. 250, las bereits ganz ähnlich Nazi-murudas,
gestützt aber offenbar auf Sb 88, wonach im Sumerisch-Akkadischen das Ideogramm
£-^<«y unter anderem auch mvru[b) gesprochen wurde.
28 II. Die Sprache der Kossäer.
als ursprünglich kossäisch erwiesen l. Es stimmt hierzu vortrefflich,
dass sich Agum, der »König der Kossäer und Akkadier« gleichzeitig als
»glänzenden Spross des Gottes Su-ka-mu-nu« bezeichnet V R 33 col. 1 i:
siehe oben S. 17. Ebendesshalb wurde auch für den Personennamen
m Su-ka-mu-na-ähf-iddi-na oben S. 18 kossäisehes Gepräge angenom-
men. Aus der Schreibung sü-mu cbendieses Götternamens in der Ras-
sam'schen Königsliste IV 3 darf vielleicht geschlossen werden, dass
man im Kossäischen, wie im Sumerischen, den Schlussconsonanten
eines Wortes verklingen lassen konnte; su-mu würde dann für su[g)-
uiii n stehen. Würde sich diese Erklärung bewähren, so hätte das
Kossäische auch den vocalischen Nominalauslaut gehabt wie das Sume-
rische: vgl. suga- muna'1. 16. mi-ri-zi-ir, ein Compositum mit eben-
jenem miri, welches in miri-ias Z. 22 »Erde« vorliegt? 18 und 19.
Sind diese beiden Wörter für »Stern« und »Himmel« etwa in da-kas
und da-gigi zu trennen? und ist mit diesem kas der kossäische Got-
tesname Kassü, welcher in dem S. 14 f. erwähnten Königsnamen »i »7«
Kas-su-ü-nädin-ähü erscheint, zu combiniren? 22; siehe zu Z. 16.34.
ialiu Land'; war iah Sing., iäs dagegen (in bur-iäs = assyr. bÜ mäläte,
und ilimii'is) Plural? 24. ianzi. Dieses Wort scheint mir in dem S. 18
erwähnten und ebendesshalb als kossäisch charakterisirten Namen Ka-
sakti-ianzi enthalten zu sein. 39: die Aussprache des Doppelzeichens
T « ist aus der babylonisch-assyrischen Schrift nicht klar; ich möchte,
im Hinblick auf die, wie es scheint, ähnlich wie Ka-*«-buriäS und
h'n-1«-s(ih gebildeten Königsnamen Ka-ra-in-da-as und Ka-ra-har-
dii.s. vorsehlagen, sie ara, das ganze Wort ka-ara, kara »Hülfe, Helfer
zu lesen3. Die Kossäernamen der Rassam'schen Königsliste IV 9 und
10 würden dann, wie auch in Kap. I bereits geschehen ist, hurnhi/-
1) Auch in dem Hymnus IV H 59, 23b werden neben den babylonischen
Gottheiten der Gotl üu Sü-ka-mu-na und (seine Gemahlin?] die Göttin Hu Si-ma-
U-ia] um \ ergebung angerufen.
i Auf gleiche Verklingung des Schlussconsonanten führt vielleicht auch die
Schreibung des kossäischen Namens der Landschaft um Babylon Karduniäs als
Km du [= Kar-du{n)-iäs auf dem Siegel Tukulti-Adars 111 R ! No. I, 2. Z. 11
isl der Name semitisirl zu Kar du m en, Kardunisu. — Liegt vocalischer Nominal-
auslaul vielleicht auch vor in den kossäischen Wörtern <\r\- Zeilen 7. io. lt. 1:;.
■i\. 25?
3 Pinches in Proceedings, Mth Januar^ lss|. !'• :ts- h»'*1 | ^Y >.ii '!-"<'■ ■
II. Die Sprache der Kossäer. 29
rias und Kara-sah zu lesen sein. 40. sä-ga-sal-ti, willkommene Er-
klärung des eben hierdurch als echt kossäiseh erwiesenen Königs-
naiuen Sagasaltias , voller Sagasalti-buriäs »Erlösung Erlöster? des
Herrn der Länder«.
Die Auswahl der Wörter ist geschickt, und es ist charakteristisch,
dass in diese kleine Liste kossäischer Wörter sofort auch die Haupl-
waffe der bogenberühmten Kassü, nämlich der Bogen , sowie der ter-
minus technicus für das Anhängen des Köchers1, mit aufgenommen
ist. Dass die Liste nicht ausschliesslich zum Zwecke der Erklärung
der kossäischen Königsnamen zusammengestellt worden, zeigt sich
daran, dass Namen wie Kara'i'ndas. Nazibugas, Karahardas nach wie
vor theilweise unaufgehellt bleiben. Das Verzeichniss beginnt mit
zwölf Gölternamen (Z. I — 16); von den beiden fehlenden war dor
erste vielleicht der des zu Z. 18 erwähnten Gottes Kassü, wenn dieser,
was wahrscheinlich, der Nationalgott der Kossäer war. Dieser Kassu
mag der Gott des Himmels gewesen sein. Es folgen dann, ähnlich
wie Sb I — 4, die Wörter für Gott, Stern und Himmel (Z. 17 — 20 .
woran sich passend das Wort für Erde anschliesst (Z. 22). Dass
(Z. 24 — 28) die Wörter für König, Mensch, Knecht beisammen stehen,
begreift sich ebenso leicht wie die Zusammenordnung von Kopf und
Fuss (Z. 31 — 33). Die Zeilen 38 — 44 endlich dienen wesentlich der
Deutung kossäischer Königs- oder sonstiger Personennamen.
Was mir nun aber höchste Beachtung zu verdienen scheint, ist
die Gleichung der Z. 24 unseres Glossars:
ianzi = sarru »König«.
Diese Angabe dünkt mir wichtig genug, in einem besonderen Ab-
schnitt behandelt zu werden.
b) Der kossäisclie Königstitel ianzi.
Auf seinem schwarzen Obelisk (Z. 93 — 95) erzählt der König
Salmanassar II (860 — 824) wörtlich Folgendes :
»In meinem 16. Begierungsjahr überschritt ich den Zab, zog nach
1) Für das assyrische tullü vom »Anhangen« des Köchers, ispatu, siehe Asuib.
Sm. 124, 53, und vgl. hebr. ^n.
30 II- Die Sprache der Kossäer.
dem Land Namri. Mardukmudammik, der König von Namri, machte
sich, sein Leben zu retten, davon. Seine Habe, seine Truppen, seine
Götter, brachte ich nach Assyrien. Den Janzii, den Sohn des
Hanban1, setzte ich zur Königsherrschaft über sie ein«.
Und weiterhin (Z. 110 — 126) lesen wir:
»In meinem 24. Regierungsjahr überschritt ich den unteren Zäb
und stieg über das Gebirg Hasihar2, hinabzuziehen nach dem Lande
Namri. Janzü3, der König des Landes Namri. fürchtete sich vor
meinen mächtigen Wallen und, sein Lehen zu reiten, machte er sich
davon. Seine befestigten Städte Sihisalah, Bit-tamul , Bit-riski und
Bit-sedi eroberte ich; seine Krieger tödtete ich, seine Beute führte
ich fort, die Städte zerstörte, verwüstete, verbrannte ich mit Feuer.
Die übrigen von ihnen machten sich davon ins Gebirg — die Berg-
spitze grill' ich an, eroberte ich; ich tödtete ihre Krieger und brachte
ihre Beute, ihren Besitz herab. Aus dem Land Namri brach ich auf.
den Tribut der 27 Könige des Landes Barsua nahm ich entgegen.
Aus dem Land Barsua brach ich auf, zog hinab nach den Ländern
Mesi, Amadai, Arazias, Harhar. Die Städte Kiakinda, Hassanabi, Esa»
mul , Kinablila nebst ihren umliegenden Ortschaften eroberte ich,
ihre Krieger tödtete ich, ihre Beute führte ich fort. Die Städte zer-
störte, verwüstete, verbrannte ich mit Feuer. Ein Bildniss meiner
Majestät stellte ich auf in der Stadt Harhära. Den Janzü, den Sohn
des IIa bau1, schleppte ich nebst seiner vielen Habe, seinen Göt-
tern, seinen Söhnen und Töchtern, seinen vielen Kriegern fort und
brachte sie nach Assyrien.«
Wo dieses band .Namri oder Namar5 gelegen war, erhellt im A 11—
i .In iui-~ ii ii ohne Determinativ^ """' '" Ha-an-ban (Z. 95).
± su, in Ha-si-har /.. im . Norris, Dictionary p. l()3i>, liest Harhar und be-
merkt dazu: »only half the letter ^V^ftT is engraved on the Obelisk« — aber was
in aller Well giebl dann die Berechtigung ar stall st zu lesen-.' Schraders Lesung
Charchar (Keilinschriften und Geschichtsforschung, S. 169) ist, wie in den Nach-
trägen S. 532 hervorgehoben ist, blosser Druckfehler.
:t m Ja-an-zu-ti '/.. 1 1 ± .
'. m Ja im :u ii mär m Hu ba a« /. 125
5j Die Schreibung mal \a-mar, in welcher das nämliche, bislang nur in der
Schreibweise mal Nam-ri |Salm. Ob. 93. 94. IM. Hä. H9. ist. Co. :<s d. i. Lay.
II. Die Sprache der Kossäer. 31
gemeinen schon aus der eben raitgeth eilten Stelle des schwarzen Obe-
lisken: es lag ost- oder südostwärts vom unteren Zäb und den ihm
benachbarten Gebirgszügen, also etwa in den Gebirgsthälern des Quell-
gebiels des Dijälä, des bekannten unterhalb von Bagdad einmünden-
den Nebenflusses des Tigris. Noch genauer unterrichten uns aber die
Schlusszeilen der Obelisk-Inschrift : ihnen zufolge zieht das ass\ rische
Heer, vom Land Barsua kommend, in das — relativ niedriger ge-
legene — Land Namar hinab und verlässt daran!' das Gebirg »durch
die Passe von Simösi o b e r h a I b des La nd e s Hai van« 1. Da dieses
Halvan (Halvan) zweifellos das heutige an einem Zufluss des Dijala
gelegene Hulwän am Ausgang jenes Passes ist, über welchen die
grosse Ilaupistrasse von Medien nach Bagdad führt2, so ist das Land
Namar sicher in den Gebirgsthälern des Dijälä und seiner Quellflüsse
nord- und nord westwärts von Hulwän Alwän) zu suchen. Mit Recht
bemerkt Schrader: »Vielleicht haben wir den Mittelort des Namri-
landes repräsenlirt zu suchen in jenen Ruinen der Ebene Hurin, am
linken Ufer des Dijala (Schirvän), von denen H. Rawlinson insbeson-
dere berichtet, dass er dort eine Inschrift mit archaistisch -babyloni-
scher Keilschrift gefunden habe«3. Diese Gebirgsgegenden zwischen
Babyionien einer- und Medien wie Elam andrerseits, ja noch näher,
13, 9. Sams. IV 38. Cb Obv. 20. 44. Rev. 21. 22. 26. Sarg. Cyl. 14) bekannte,
Land auf der Schenkungsurkunde Nebukadnezars I durchweg erscheint (col. I 47.
48. 51. 52. 55. II 6. 8. 10. 23. 24. 28. 29. 31. 48), entscheidet, wie H il p rech t
unmittelbar erkannte, die auch Paradies S. 237 unentschieden gelassene Frage, ob
Nam-ri oder Zim-ri zu lesen sei, zu Gunsten von Nam-ri (Schrader).
1) ina ni-ri-iS sa Si-me-si (ohne Determinativ) ina res mät Hal-ma-an ü-ri-da
(Z. 190).
2) Vgl. Schrader, Keilinschriften und Geschichtsforschung S. 169. Paradies
S. 205. Der Ort findet sich noch erwähnt Salm. Co. 80, worüber Näheres
S. 32 Anm. 1.
3) A. a. O. S. 170 Anm. Zu der Babyionien benachbarten Lage des Landes
Namar stimmt, dass das mät Nam-ri zugleich mit Chaldäa, Elam und den Aramäer-
stämmen unter den Bundesgenossen des babylonischen Königs Mardukbalatsuikbi
erscheint, als dieser den vom Turnat-Dijälä heranziehenden assyrischen König
Samsiraman am Ufer des Flusses Täban bei der Stadt Dür-Papsukal kampfbereit
erwartet (Sams. IV 38). Für die genannten geographischen Namen siehe Paradies
S. 186 f. 205. Das altassyrische Zeichen für »Fluss«, das Determinativ vor Ta-ban
(so möchte ich jetzt lieber lesen anstatt Da-ban, Paradies S. 189 f.), ist I R 34, 41
falsch transcribirt.
32 H. Die Sprache der Koss;iei .
gerade diese Gebirgsgegenden von Hulwän 1 sind nun aber die Wohn-
sitze, welche wir noch zu Sanheribs Zeit das Volk kassü einnehmen
sehen. Wenn nun der König eines dem kossäischen Sprachgebiet so
nächstbenachbarten, wahrscheinlich sogar noch innerhalb Kossäerge-
bietes gelegenen Landes2, wie des Landes Namar, den Namen J a n z ü.
führt, der kossäische Königstitel aber ianzi ist — liegt da nicht die
Vermuthung nahe, es möchte der Name Janzü nur das semitisirte
Kinzi. der vermeintliche Eigenname also nur Königs tilel sein, ent-
sprechend dem Gebrauch des ägyptischen »Pharao«?
Es liisst sich nun aber geradezu beweisen, dass das Land Na-
mar, und zwar schon in früher Zeit, Kossäergcbiet war, nämlich durch
die Schenkungsurkunde Nebukadnezars I, welche ebenfalls den jüngsten
Ausgrabungsarbeiten Rassam's zu verdanken ist. In diesem Staats-
document , welches die Form eines schlanken weissen Steinbloekes
hat , bestimmt der babylonische König , der Zeitgenosse des assyri-
schen Königs Asurresisi (c. 1130), seinem General Reti-Marduk zur
Belohnung für seine im Krieg wider Elam bewiesene hervorragende
Tapferkeit, dass alle im Land Namar belegenen Ortschaften seines vä-
terlichen Hauses, welche vordem frei gewesen, später aber durch
Feindeshand wieder in die Abhängigkeil des Landes Namar gekommen
waren, von neuem und für alle Zeiten Freislädte , einzig und allein
1) Während Salm. Co. 80 berichtet wird, dass der von Salmanassar II 851
geschlagene babylonische Thron Usurpator Mardukbclusäte ins Gebirg nach der Stadt
älu Hal-van geflohen sei, heisst es in der Inschrift der Bronzethore von Balawäl
i'V 1 — 2), er habe sich nach dem Gebirg des Landes mät Ja-su-bi gewandt und sich
in der Stadt äkt Ar-man befestigt. Mögen hier Ealvan und Annan Arvan) einander
gleichzusetzen sein oder nicht — auf alle Falle lag die Stadt Hulwän im Lande
Jasubi, ebendamil aber, gemäss der oben S. -2—\ mitgetheilten Sanheribsteile,
im Kossäerland. Hierzu stimmt, dass VR12 Nu. 6 der »vor dem Gebirg« ge-
legene Ort Ar-man mitPa-din identificirt wird, der König Agum aber, »der Konig
der K.OSSäer und Akkadier, der König des weiten Baby louicn « sich auch König
des Landes Padan and Alman« nennt. Die Stelle beweist von neuem, dass die
Kossäer drunten in Babylonien mit den Kpssäem drohen in den medischen Grenz-
gebirgen Ein Volk sind. - Zum mät Ja-su-bu siehe noch II H 53, 16a.
2) Es ist in dieser Hinsicht auch beachtenswerth, dass ebenso wie bei San-
herib in enger Verbindung mit den Ländern Ellipi und Medien das Land des Volkes
Kassu erscheint, bei Sargon Cyl. 14 zwischen Medien und Ellipi das Land Na-
mar erwähn! wird [mät \ia-da-ai mät Nam-ri mät El-li-bi).
II. Die Sprache der Kossäer. 33
dem Hause Karzia's, dessen Familienoberhaupt damals Reti-Marduk
war, zugehörig sein sollten. Am Schlüsse dieses Freibriefes nun wer-
den unter den Göttern , deren Fluch auf jedweden herabbeschworen
wird, der sich ge^en diese Urkunde und ihren Inhalt vergehe, auch
die Göttin »Sümalia, die Herrin der glänzenden Berge, welche die
Spitzen bewohnt, auf den Höhen (?) einherschreilel «, und dazu RAmän,
Nergal und Nana als »die Gottheiten des Landes Na mar« an-
gerufen1 — Sümalia oder Simalia, die hier als oberste Gottheit des
Landes Namar erscheint, ist aber, wie die Bassam'sche Königsliste
(IV 4) zeigt, eine kossäische Göttin2.
Meine Annahme, dass Janzü , der vermeintliche Eigenname des
Königs von Namar, nichts weiter sei als der kossäische Königstitel
innzi. wird aber endlich zur Gewissheit durch die folgende Beobach-
tung , welche gleichzeitig für die Geschichte der Kossäer von Wich-
tigkeit ist. In den Fasten des Königs Sargon 722 — 705) lesen wir
(Khors. 54) :
»Von Janzü3, dem König des Landes NaTri, empfing ich in seiner
1) Hu Sü-ma-li-ia be-lit sädS el-lu-ti a-si-bat re-se-e-ti ka-bi-sa-at <jup{kup?)-
pa-a-ti Hu Rämüii ilu Nörgal n ilu Na-na-a iläni üh mät Na-mar (II 46 — 48). Unter
den »glänzenden« (nicht «hohen«) Bergen weiden hier wie sonst die Schneeberge
zu verstehen sein. In den Eingangsworten der Urkunde nennt sich Nebukadnezar I
unter anderem auch sa-li-lu Kas-si-i »Plünderer der Kossäer« — auf Kosten der Kos-
säer, der ursprünglich herrschenden, aber später zeitweise semitisch-babylonischen
Statthalterp (siehe hiefür S. 35 f.) unterstellten Bewohnerschaft des Landes Namar ge-
schah auch die in Rede stehende Unabhängigkeitserklärung gewisser Städte von
Namar. — So glücklich Nebukadnezar I in seiner nur zweijährigen Regierungszeit
(siehe S. 14 nebst Anm. 3) gegen die Elamiten, Kossäer und gegen das Westland ge-
wesen (er nennt sich ka-sid mät a-har-ri-i), so unglücklich war er gegen Assyrien.
Siehe die synchronistische Geschichte II R 65 Obv. col. II 2 — 13. Nachdem schon
ein erster Versuch, der assyrischen Grenze sich zu nähern, ziemlich fehlgeschlagen
war — Nebukadnezar glaubte gegen Asürresisi's Streitwagen einen offenen Kampf
nicht wagen zu dürfen und zog sich nach Verbrennung seiner eigenen Kriegs-
maschinen , die ihm wohl beim Rückzug hinderlich gewesen wären, eilends nach
Babylonien zurück — , wurde er, als er abermals mit Wagen und Reisigen gegen
die assyrische Grenze heranzog, von Asürresisi gänzlich und mit schwerem Ver-
lust an Mannschaft und Kriegsgeräth geschlagen.
2) Siehe oben S. 21 und vgl. S. 28 Anm. 1. Die Göttin ilu Si-ma-U-ia wird
auch in der synchronistischen Geschichte (Ergänzungsfragment zu Rev. col. IV)
erwähnt: Samsi-Rämän III (824 — 811) führte bei seiner Invasion Akkads neben
anderen Gottheiten auch diese Göttin mit fort.
3) m Ja-an-zu-ü Khors. 5 4 ; ebenso Botta 77, 4. 146, 18.
Delitzsch, Kossäer. 3
^4 "• Die Sprache der Kossäer.
befestigten Stadt Hubuskia Pferde. Rinder und Schafe als seinen
Tribut«.
Auch wo dieses Land Hubuskia gelegen war. sind wir trefflich
unterrichtet : das von Kelah (Nimrüd) ausgesandte Heer Salmanas-r
sars II überschreitet den oberen Zäh. zieht Liegen Hubuskia Salm.
Ob. 161) und weiter durch das Land Malhis1 nach Van, und umge-
kehrt betritt das über Hubuskia heimkehrende Heer bei der Stadt
Arbela die assyrische Ebene Salm. Mo. Rev. Gl f.). Ebenso empfängt
Samsirämän auf seinem Zug hinauf nach Na'i'ri, nach Ueberschreitung
des Xäb und des Rerges Silar, zuerst den Tribut von Hubuskia Sams.
II 'M . Nach diesen und anderen Stellen mehr kann Stadt und Land
Hubuskia2 nur Südwest wärls vom Urumia-See gelegen haben. Zu-
gleich scheint sich das Land in der Richtung nach Osten nach dem
Lande Namar hin ausgedehnt zu haben; denn Salmanassars im Jahre
seiner Thronbesteigung unternommener krie^szug führte ihn von dem
Namar nächstbenachbarten Lande Simesi3 durch gewaltig hohe Berge
sofort nach der Sladt Hubuskia Salm. Mo. Obv. 20 . von wo es dann
weiter nach dem .Meer des Landes Na'i'ri« oder dem \ an -See uinu.
In diesem vom Lande Namar nicht allzu lernen Hubuskia also abermals
1 So, um/ Ma-älr-M-sa-a-a, bietet das Original (Salm. Ob. 4 63) ; also Malhis,
nicht Madachir . wie Schrader, Keilinschriften und Geschichtsforschung, S. 163,
durch Layard irregeführt, liest.
-2 Der Name wird auf ■wesentlich doppelte Weise geschrieben: a älu Hub-
us-ki-a Salm. Co. 37 d. i. Ln\. 13, 8 , mät Hub-us-ki-a Salm. Ob. 44. — nom.
gent. mäi Hub us-ka-a-a (var. ia Asurn. I 57, ahn Hub-u$-ka-a-a Asurn. II 80.
b Hu bu^us-ki-a <:>• Obv. 16. Salin. Mo. Obv. 20. 23. Khors. 54. Botta 77, i,
ilu Hu-bu-us-ka-a Salm. Ob. 161. 162, mät Hu-binus-ki-a Cb Obv. 20. 33. 34. —
nom. gent. älu Hu-bu-us-ka-a-a Salm. Ob. 162 Hu-bu-us-ka-a-a Salm. Ob.
177. Sams. II 37. — Könige von Bubuskia waren zur Zeil Salmanassars II und
zwar während seiner ersten Jahre m Ka-ki-a Salm. Mo. Obv. 20 oder m Ka-a-ki
Salm. Mo. Re\ 64, während seines 30. und 34. Jahres < Da ta-na Salm. Ob. 162,
m Da-ta-a Salm. Ob. 177; zur Zeil Samsirämän's <<■ Da di-i Sams. II 37. — Be-
treffs der Lage von Hubuskia bemerk! schon Norris, Dictionary p. 103, richtig:
The place m/ust be on the northeast o) Wineveh, among the mountains near the lake
Van. Nach Lenormanl und ebenso nach Schrader, Keilinschriften und Geschichts
Forschung s. 164, lag das Land Bubuskia in dem durch »die Biegung des oberen
ebildeten Winkel zwischen Zagros Choatras und diesem Fluss«.
iehe für dieses Land Simesi mit der Hauptstadt Vridi oben S. 34 und
vgl. Sams. II \-i.
II. Die Sprache der Kossäer. 35
ein König .hinzu und zwar in den Jahren 715 und 714', also 130 Jahre
nach dein Janzü zur Zeit Salmanassars II (844) ! Der Beweis, dass Janzü
beidemal nicht Eigenname, sondern Königstilei, nämlich der kossäische
Königstilel ianzi sei, scheint mir hiermit erbracht. Selbstverständlich
wird hierdurch das Land Hubuskia oder gar die ganzen Länder Na'iri
noch nicht sofort zu Kossäergebiet; nur dass die Kossäer zeitweilig
auch in dem Nachbarlande die Macht an sich gerissen, folgere ich
aus den Sargonsstellen, uud dieser Annahme steht nichts im Wege.
Aber nicht allein das Land Na mar — ein ziemlich grosses Ge-
biet, da Salmanassar nicht weniger als 250 zu ihm gehörige Ortschaften
zerstört zu haben sich rühmt2 — und, zeitweilig wenigstens, das
Land Hubuskia werden durch das Eine Wort ianzi »König« in engste
Verbindung mit den Kossäern gesetzt, sondern noch ein dritter geo-
graphischer Begriff, nämlich Bit-Hamban »das Haus des Hamban«.
Janzü, der König von Na mar zur Zeit Salmanassars II (844 und
835), ist charaklerisirt als Sohn des Hanban oder Haban. Auf
dem Freibrief Nebukadnezars I aber, welcher als wichtiges Staats-
document von zwölf der höchsten Staatswürdenträger und schliesslich
vom König selbst unterzeichnet ist, figurirt unmittelbar vor dem König
ein gewisser Bclnadinsum, Statthalter von Na mar, aber eben-
falls charakterisirt als Sohn des Habban3. Es ist ohne Weiteres
klar, dass wenigstens bei dem König Janzü die Bezeichnung »Sohn
des Hanban w nicht den Eigennamen des Vaters, sondern den Stamm-
vater des ganzen Hauses darstellt, und nicht minder klar, dass diese
Habbaniten zu dem überwiegend kossäischen Land Namar in besonders
naher Verbindung standen. Das Haus Hamban mag von allem Anfang
an schon semitisch gewesen sein4, aber es war offenbar die reichst-
1) Die erste Tribulleislung des Janzü von Hubuskia fand im 7. Jahr Sargons
statt, unmittelbar nachdem der assyrische König durch Wegführung des Daja'üku
(Dejokes) Ruhe im Land Van wiederhergestellt hatte; siehe Botta pl. 74 bis. Eine
zweite Tributleistung wird aus dem 8. Jahr Sargons berichtet; siehe Botta pl. 77,
und vergleiche zu beiden Stellen Oppert, Les inscriptions de Dour- Sarkay an,
Paris 1870, p. 32 und 33.
2) Salm. Ob. 189.
3) m üu Bel-nädin-.sum mär m Hab-ban sa-lat mät Na-mar (II 23).
4) Es konnte dies nicht befremden. Aehnlich wie die elamitische Ebene [siehe
3*
36 II. Die Sprache der Kossaer.
begüterte, mächtigste und angesehenste Familie vom Ufer des Tigris
bei Bagdad1 bis hinauf in das Land Namar unweit Hui w an. Daher
gehörten zumeist ihr die Statthalter von Namar wie — zur Zeit der
Selbständigkeit des Landes — die Könige von Namar an , und es ist
nur natürlich, dass diese vom babylonisch- semitischen Joch frei-
gewordenen Könige von Namar sich sonderlich auf die vorwiegend
Paradies S. 320), war auch das ursprünglich und wesentlich kossäische Land Namar
von alter Zeit her stark mit babylonischen Semiten bevölkert ; daher begegnen wir
schon zu Nebukadnezars I Zeit Ortschaften im Lande Namar mit semitischen Namen,
z. B. Bit-Samas, ebenso zur Zeit Salmanassars II, z. B. Bit-riski (zu risku, risku =
&tptp"t siehe meine Assyrischen Studien S. 127) und Bit-sedi (Salm. Ob. 144. 145;
s. o. S. 30), und zur Zeit Sanheribs. z. B. Har-dispi (Sanh. I 70. II 2; s. o. S. 3;
dispu heisst im Babylonisch-Assyrischen »Honig«). Beachte auch den semitisch-
babylonischen Namen des von Janzü gefolgten Königs von Namar, Marduk-mudam-
mik (Salm. Ob. 94). Dass aber die Habbaniten von Haus aus wirklich semi-
tisch waren, schliesse ich aus den mancherlei Namensformen des Begründers der
Familie: vgl. m Hab-ban (Urkunde Nebukadnezars I, col. II 23. 4 Mich. col. I 13),
m Ha-an-bi III R 44 col. I 28), m Ha-an-ban (Salm. Ob. 95), m Ha-ba-an (Salm.
Ob. 125); Hit- n, Hab-ban (4 Mich. I 3. 40. 12. II 5), Bit- m Ha-an-bi III R 44
col. I 2. 3. 7. 11, müt BU-ha-am-ban Tig. jun. Obv. 29. 34. Sarg. Cyl. 15. Die
Grundform des Namens scheint Hanbi oder Hanban zu sein; zum Stamm hanabu
siehe vor allem V R 49, 6 — 9 a. b; zur Endung vgl. den Wechsel von Za-bi (ba)
und Za-ban »Fluss Zäb« Sams. II 34, ferner den Stadtnamen Za-ban , Zab-ban,
Za-am-ba-an (siehe Paradies S. 203) , und den Kanalnamen Ta-ban oben S. 34
Anm. 3. Wenn Oppert-Menanl in ihren DocumentS juridiques den Namen llabban
auf dem Michaux-Stein Kil-lim, auf der Urkunde MI R 41 Ha-an-kas lesen, so geben
sie diese theilweise geradezu falschen Lesungen jetzt wohl auf.
1) Dass das "Haus Hamban« bis an den Tigris reichte, lehrt die Schenkungs-
arkunde I Mich. col. 1, der zufolge die am Kanal Me-kal-kal Me-kal-dan?) un-
weit Bagdad gelegene Stadt Kar-Nabu in »Btt-Habban« lag. Für den genannten
Kanal siehe Paradies s. 189. Zu dem auf ebendieser Urkunde ls genannten kos-
säischen?) Namen Bit-m Tu-na-mis-säh vgl. [V R H,22a und beachte Transactions
V, 444 . Die unfein der Ruinen von Ktesiphon entdeckte, i Mich, bezeichnete und I R 70
veröffentlichte Urkunde betrifft die Mitgift, welche (\*'v Babbanite Sir-usur seiner
Tochter Dur-Sarrukinäiti , der ISiaul des TYih-asäp-Marduk , ausgesetzt hat. Der
Bräutigam, welcher unter Nebukadne/.ar 1 Statthalter der Stadt llal\an gewesen
war war zur Zeit seiner Verheirathung , wie auch im 1. Jahr Marduknädinähes,
Botschafter. Der Name der Tochter, die nach der babylonischen Sargonsstadl be-
nannt ist, und der Name des Vaters Sir-usur d. i. »o Schlangengott, schütze«
leinen, dass die Familie der Habbaniten auch mit dem eigentlichen Babylonien
eng verwachsen war; de ter Schlangengotl beachte auch t Mich, l a war,
wie wir jetzt aus «lern Freibriefe Nebukadnezars I H 19 wissen, Stadtgotl der
unfein Sepharwaim gelegenen babylonischen Stadt Der (noch heutzutage Ruinen-
stätte l>'T . — Einen andern »Sohn des Hanbi«, Namens Amel-Bel, siehe lll R 14
col. I 28.
II. Die Sprache der Kossäer. 37
kossäische Bevölkerung ihres Landes stützten und darum geradezu den
kossäischen Königstitel Janzü annahmen. Auch bei Tiglalhpileser II
und Sargon ' erseheint das »Haus Hamban« eng mit dem Lande Namar
verbunden.
Durch alle diese von mir aufgezeigten Beziehungen der Kossäer
nicht allein zu Babylonien, sondern auch zum Land Namar. zur Land-
schaft Bit-Hamban, ja zeitweise sogar zu Hubuskia hart an der Grenze
Assyriens gewinnt dieses Volk der Kossäer natürlich mit Einem Mal
weit höheres geschichtliches Interesse als es. auf die Thäler des Zagros-
gebirges zwischen Elam und Medien beschränkt, beanspruchen konnte,
und die Frage drängt sich unmittelbar auf, ob sich nicht über die
Herkunft und Nationalität dieses Volkes etwas aussagen lasse. Für
die Beantwortung dieser Frage ist unser einziges Hülfsmittel die kos-
säische Sprache und deren etwaige Verwandtschaftsverhältnisse.
Bevor ich indess zu dieser Untersuchung fortschreite, möchte ich
noch auf ein anderes Wort in dem Bassam'schen kossäisch-semitischen
Glossar aufmerksam machen, welches, wenn auch in geringerem Grade
als iauzi. immerhin Beachtung verdient, ich meine Z. 43 : has-mar =
kasüsu. In den Annalen der assyrischen Könige geschieht wiederholt
bei Grenzbestimmungen einer Oertlichkcit Namens Hasmar Erwähnung.
So rühmt sich Asürnäsirpal, dass er »von dem Pass des Landes (bez.
der Stadt) Babet bis zum Land (Var. zur Stadt) Hasmar alle Bewohner
zu den Unterlhanen seines Landes gerechnet habe«2. In welcher
Richtung dieses Hasmar im Allgemeinen zu suchen ist, lehrt die grosse
Monolithinschrift Asürnäsirpals , in welcher (col. II 49 ff.) der König
berichtet, er sei von Ninewe aufgebrochen, habe den unteren Zäb
überschritten, sei in den Pass der Stadt Babel eingezogen, habe den
Fluss Rädänu und weiter den Turnat 3 überschritten und habe dann
Verwüstung verbreitet bis an den Pass des Landes Hasmar4. Hasmar
muss hiernach in der Richtung der medischen Grenze gelegen haben.
1) mät Nam-ri mät Bit-sangibüti mät ßit-ha-am-ban (Tig. jun. Obv. 29. 34)
mät Nam-ri mät El-U-bi mät Bit-ha-am-ban (Sarg. Cyl. 14 f.).
2) adi mät (var. älu) Has-mar (Asurn. Stand. 1-1).
:i Siehe für beide Flussnamen Paradies S. 186.
4) a-di ni-rib sa mät Has-mar (Asurn. II 59 .
3g II. Die Sprache der Kossäer.
Und noch Bestimmteres lehrt die Cyünderinschrifl Sargons, in welcher
der assyrische König sich rühmt, »vom Land Hasmar ' bis nach mät
Si-bar-pat-ti das ferne Medien im Osten, die Länder Namri, Ellipi,
Bit-hamban, Parsua, Minni, Urartu, Kasku, Tabal bis zum Land Musku
erobert« zu haben — Hasmar ist hiernach eine Oertlichkeit noch etwas
östlicher als Medien selbst und Elams Grenzgebiet Ellipi, trifft also
ihrer Lage nach gerade mit der Ostgrenze des Kossäerlandes (nach
den klassischen Schriftstellern zusammen. Es liegt nahe, in diesem
Hasmar ein kossiiisches Wort zu suchen und es mit dem hasmar un-
seres Glossars zu combiniren. Ich thue dies um so zuversichtlicher,
als ebendieses Wort Hasmar als Personenname sich findet, nämlich
in dem oben S. 14 f. Anm. ausführlich besprochenen Fragment eines
Königsverzeichnisses, und zwar als Vater jenes Königs, welcher zwi-
schen Simmassihu und Kassünädinähü regierte — der Name Hasmar
also mitten in der sein i t isch-kossä is chen Periode! Welche Be-
deutung kossäisch hasmar gehabt haben mag, muss noch dahingestellt
bleiben, da sein semitisches Aequivalent kasüsu nicht klar ist. Das
Kossäergebiet erstreckte sich demgemäss von Hasmar an der mediseh-
elamitischen Grenze im Osten bis nach dem Gebirge Jasubi oder zum
Pass von Hulwän im Westen. Von diesem ihrem Stammland aus brei-
teten sich Kossäerscharen noch vor 1 500 südwärts bis in das Innere
Babyloniens aus und für eine Weile um 720 noch weiter westwärts bis
südwestlich vom Urumia-See. Ihr Stammland aber zwischen Ekbatana
und Babylonien behaupteten die Kossäer noch zur Zeit Alexanders
des Grossen.
c) Kossäisches Worterverzeichniss.
as-rak s>il'! weise. ub-ri-ia-as Gott Räman , als der
as-lü-lu = ass. babbü. ubri d. i. Herr s. u. bur der
i-lu-lu Himmel. L ander.
in-da-ai im Namen Kara-indas . u-zi-ib schirmen, schonen.
i is-tu mät Ha-ai-mar Sarg. Cyl. 14 . Diese Schreibung lassl keinen Zweifel,
.ins-, *~*2rmar nicht etwa Kui nun- wie z. B. Pinches in Proceedings, M01 Januarj
1881, p. J2, den kossäischen Personennamen liest , sondern Has-mar gelesen
werden muss. — Ist Va mar etwa eine Bildung wie Has-marl
II. Die Sprache der Kossäer.
39
zi-in-bi-na = ass. zi-na [zä-na),
sa-ah Sonne, Sonnengott.
u-lam Kind.
r-nn] herausgehen.
ba-as-hu Gott. sa-ri-bu Fuss.
ba-ar-hu Haupt. si-im-mas Kind.
bu-ga-as ein Gott, im Namen Nazi- sa-ga-sal-ti Erlösung
bugas. sa-ri-bu aufhängen.
bur Herr, in bur-iäs Herr der Län- si-hu Gott Merodach.
der.
bur-na Schützling.
gi-dar Gott Adar.
da-gi-gi Himmel.
da-ka-as Stern.
dur Gott Nergal.
dun in Kar-duni-iäs.
ka-sak-ti im Namen Kasakti-ianzi.
kar in Kar-duni-iäs ; oder ist /,'//■
semitisch '.'
ka-ara (?) Hülfe, Heistand.
ka-mul-la Gott Ea.
ku-uk-la Knecht.
tu-ru-uh-na Wind, Sturm.
has-mar = ass. kasüsu.
ha-la, ha-li Gottin Gula.
/mr-ftd (6i) Gott Bei.
har-das im Namen Kara-hardas.
ha-me-ru Fuss.
hu-ud hih -ha Gott Räman.
;/-/r in mi-ri-zi-ir Erde, s. d.
szr Bogen.
si-i-ma-li-ia Berggoltin.
su-ga-ab Gott Nergal.
su-ga-mu-na Gott Nergal-Nusku.
su-gur-ra ein Gott.
su-ri-ia-as Sonne, Sonnengott, als
der !w?n der Länder.
su-ma-li-ia = si-i-ma-li-ia. s. d.
/»a-/< Mensch (auch enthalten in
si-i-ma-li-ia '! .
ma-rad-das Gott Adar.
////-// in mi-ri-zi-ir Gottin Beltis
und mi-ri-ia-as Erde.
inr-li Knecht.
na-zi Schatten.
na-as-bu Name. Wesen, Leben ?).
nim-gi-ra-bi nim-gi-ra-ab) schir-
men, schonen.
ia-as ia-sü) Land; vgl. auch mi-
ri-ia-as.
ia-an-zi König.
Ob der Name der Stadt äiu Si-hi-sa-la(sic\)-ah im Lande Namar
(Salm. Ob. 114) kossüisch ist, wage ich so wenig wie für die im
Kossäerland gelegene Stadt äiu Bit-ki-lam-za-ah Sanh. I 70. 77) zu
entscheiden.
d) Kossäische Sprachverwandtschaften V
Die Frage nun, ob das Kossäische zu irgend einer anderen Sprache
in verwandtschaftlicher Beziehung stehe, ist ein linguistisches Räthsel,
für dessen Lösung ich um die Beihülfe anderer Sprachforscher werbe.
Freilich ist vielleicht die Unterlage von nur etwa vierzig sicheren
Wörtern zu einer sicheren Lösung überhaupt nicht hinreichend, zumal
40
II. Die Sprache der Kossäer.
da über der kossaischen Formenbildung zur Zeit noch tiefstes Dunkel
liegt, und welch ausserordentliche Vorsicht in der Yergleichung von
Wörtern nach blossem Gleichklang vonnöthen ist, zeist von neuem,
nachdrücklichst warnend, kossäisch surias »Sonne«, welches mit sans-
kritischem sürias »Sonne« sich völlig deckt und dennoch, aus suri
und iah »Land« zusammengesetzt, grundverschiedenen Ursprungs ist.
Indess, sollte sich auch keine positive Lösung erzielen lassen, so scheint
mir das kossäische Glossar doch bereits einige negative Schlüsse von
nicht geringer Bedeutsamkeit zu gestatten.
Die bislang übliche , obwohl stets mit Vorbehalt ausgesprochene,
Ansicht betreffs der Nationalität der Kossäer ging dahin, dass sie mit
der nichtsemitischen, sog. sumerisch-akkadischen Bevölkerung Baby-
Ioniens verwandt seien. So sagt noch Schrader in der 2. Auflage
von »Keilinschriften und das Alte Testament« (S. 89 Anm.j, die »Ver-
muthung, dass die Kassi sumerisch-akkadischer Nationalität waren,
dränge sich auf«. Prüfen wir daher zunächst diese vermeintliche
Verwandtschaft des Kossaischen mit dem Sumerischen.
1 Verwandtschaft des Kossaischen mit dem Sunie-
r i s c h e n ?
Diese Streitfrage scheint mir jetzt kurzerhand entschieden wer-
den zu können.
Deutsch Kos.--ui.sch Sumerisch
Himmel ilulu, <-l<<</<</i ana
Stern dakas muht
Gott ba&hu <lni</i!r
Sonne sah babbar
Mensch mali In
König ianzi h<(/<il
Herr buri, ubri u
Knecht nirli. kulilü rni
Schützling burna u(m)bara
Kind iihiin. simmai dumu, <lii
Erde mir ins l,iii. Li
Land iai hur
Wind turuhna imi, (ßr
Haupl barh/u sag
l uss hniiirrii. saribu gör
II. Die Sprache der Kossäer. 41
Deutsch Kossäisch Sumerisch
Bogen sir pan
Schatten nazi gis-gi
Erlösung sagasalti nambura
herausgehen cmr 6
schirmen, schonen uzib, nimgirab kar
aufhangen saribu lal
Die Gegenüberstellung dieser Wörter reicht , glaube ich , hin , um
für alle Zeiten die Frage nach der Verwandtschaft des Kossäischen
mit dem Sumerischen mit Nein zu beantworten. Der Wortschatz
beider Sprachen ist ein so gründlich verschiedener, dass der Anklang
von malt »Mensch« an mulu, wie im sog. »Frauendialekt« des Sume-
rischen der »Mensch« heisst, nicht langer in Betracht kommt. Dass
das semitisch-babylonische amölu, avüu »Mensch« mit dem nichtsemi-
tischen mulu etymologisch gar nichts zu thun hat, dass ersteres viel-
mehr ein gut semitisches Wort ist, bemerke ich beiläufig nach-
drücklich.
Von nicht minderein Interesse ist nun aber auch die zweite Frage :
2) Verwandtschaft des Kossäischen mit dem Elami-
tischen?
Herodot nennt bekanntlich das vom Choaspes durchflossene Land
mit der Hauptstadt Susa y9j oder ywpyj Kiaar/j, seine Bewohner Ktaaiot,1,
und es liegt nahe , für diese KIjjwi Zusammenhang und Verwandt-
schaft mit den Kossalot, anzunehmen2. Freilich ist von vornherein
festzuhalten , dass , selbst die Bichtigkeit dieser Namenscombination
und damit die Existenz »elamitischer« Kossäer zugegeben, dies keinerlei
Folgerung für die Zeit des alten elamitischen Beiches und dessen
Sprache, das sog. Elamitische (oder Susische), zulässt. Die Frage, ob
es schon in der alten Zeit, in den Jahrhunderten vor Susa's Erobe-
rung und Zerstörung durch Asürbänipal um 642 v. Chr. ein kos-
1) -pj KiaoiT] (Herod. V, 49), ^cupT) Kiaow] (V, 52. VI, 119); Ktaotot (III, 91.
VII, 62. 86. 210). Ob die Dionys. Perieg. 1014. 1013 jenseit und nördlich von Ba-
bylon ('jTisp BaßuXtüvos im. tivoitjv ßopsao) erwähnten Kissoi mit diesen Ktaaotot oder
aber mit den KoooaTot in nähere Verbindung zu bringen sind , lasse ich dahin-
gestellt.
2) Vgl. z. B. Kiepert, Lehrbuch der alten Geographie, S. 139.
42 II- Die Sprache der Kossäer.
säisches Volkselement in Elam gegeben und ob dieses gar die Herr-
schaft geführt, bleibt nach wie vor eine offene.
Betreffs der Sprache des alten Elam bleiben wir, da die elanii-
tischen Backsteininschriften noch immer ihrer Entzifferung harren,
einstweilen wesentlich auf die Eigennamen angewiesen, welche in der
babylonisch-assyrischen Literatur erwähnt sind.
Für die Namen elamitischer Gottheiten kommt zunächst II R
57. 46 — 50 c. d in Betracht, wonach der Gott Adar1 in Elam die Na-
men führte: DP-mds , A-da-S-nS, Su-si-na-akz, Da-ag-ba-ag . As-
<l>'A-<i. Ferner V R 6, 33 — 43. Dieser Stelle gemäss führte der König
Asürbänipal aus dem eroberten Susa, zugleich mit dem Stadtgott von
Susa , die Bildnisse der folgenden Gottheilen [iiu] weg: Su-mu-du,
La-ga-ma-ru, Pa-ar-ti-ki-ra, Am-man-ka-si-bar, U-du-ra-an, Sa-]>a-ak
diese waren Lieblingsgottheiten der Könige) ; Ra-gi-ba . Su-un-gam-
sa-ra-a , Ka-ar-sa , Ki-ir-sa-ma-as . Su-da-{a-)nu , A-a-pa-ak-si-na,
Bi-la-la, Pa-ni-in-tim-ri, Si-la-ga-ra-a, Na-ab-sa-a, Na-bir-tu, Ki-in-
da-kar-bu. Die Götterliste II B 54 No. 5, 65, ergänzt durch ein Frag-
ment der Rassam'schen Sammlungen, lehrt sodann, dass die ela nau-
tische Repräsentantin der babylonischen Zarpanitum, der Gemahlin des
Gottes Merodach, den Namen E-la-gu führte, und das Beschwörungs-
gebet IV B 58. 59, welches nicht nur die Gottheiten Babyloniens,
sondern in beachlenswerlh freisinniger, kosmopolitischer Weise auch
die Gottheiten der Kossäer5 und der Elamiten um Erlösung von dein
auf einem Menschen liegenden Banne anruft, lautet col. III 46 — 49:
»Es mögen lösen in Susa die Gottheiten Suiinak und La-hu-ra-bä;
i Beiläufig bemerkt, führte ebendieser Liste zufolge (Z. 37 c. d) der Gott Adar
im »Westland« den Namen lilüpinu.
-> Nicht si, wie II K bietet.
— 1 1 1 i 1 1 i nimmt diesen Namen, welcher den Gott als "den von Susa« be-
nennt) als die phonetische Aussprache jenes aus *- V T (II R 57, 64 c. V R 6, 30)
oder «-^^ II R 60, 10 a. IV R 59, 46 b) und fos [Sb ) Obv. 18] zusammen-
gesetzten Götterideogramms, welches nicht allein gemäss II R 57, 64 c. <l, eben-
falls den Gott Adar repräsentirt, sondern noch dazu gerade in seiner Eigenschaft
als Stadtgotl von Susa siehe II K 60, 10a/9b und vgl. V R 6, 30).
i Geschrieben mit jenem »Finsternisse bedeutenden Ideogramm, welches
anter anderem auch in dein Zeichen Sb i'.H enthalten ist.
5 siehe oben S. 28 Anm. 1.
II. Die Sprache der Kossäer. 43
Ja-ab-ru, Hum-ba ..ru mögen lösen, die grossen Götter«1. Endlich
ist noch zu nennen der Gott Na(n)hundi , der, ebenso wie der Gott
Humba, in sofort zu erwähnenden Königsnamen vorkommt.
Namen elamitischer Könige sind: aus der Zeit der elamitischen
Fremdherrschaft in Babylonien gegen das Ende des dritten vorchrist-
lichen Jahrtausends : [m) Ku-dur-na-an-hu-un-di (III R 38 No. 1 Obv.
12. No. 2 Obv. 60); Si-im-ti-si-il-ha-ak (I R 2 No. III 5), der Vater
des Ku-du-ur-ma-bu-uk (I R 2 No. III 3. ö No. XVI 9. IV R 35 No. 6,
10b); Kudur-Lagumara, wie der Gen. c. 14 genannte Kedör-La omer
auf Babylonisch lauten würde ; au Hum-ba-^ba, der Name des aus den
sog. Izdubarlegenden bekannten elamitischen Tyrannen. Aus noch
nicht naher bestimmbarer Zeit : m Um-man-i-gas, der Sohn des m Um-
ba-da-ra-a (V R 6, 52) 3, m Is-tar-na-an-hu-un-di (V R 6, 53). Aus
Sargons Zeit: m n„ Hum-ba-ni-ga-as (Sarg. Cyl. 17. Stier. 12. Khors.
23) und m Su-dur-{iiu) Na-hu-un-di (Khors. 119. Botta 86, 8. 87, 3);
aus Sanheribs Zeit: m Kudur-üu Na-hu-un-du oder -di (Sanh. IV 70. 80),
m Um-ma-an-mö-na-nu (Sanh. V 3 u. ö.) und m Hal-lu-si oder -su (V R
6, 54; Asurb. Sm. 247, f ) ; aus Asarhaddons Zeit: m Um-man-al-da-
[a-)k (Asurb. 106, 74. 78. 116, 89), ; dessen Bruder m Ur-ta-ki (Asurb.
Sm. 100, 15 u. ö. V R 3, 44), auch m Ur-tak (Asurb. Sm. 109, 10) und
m Ur-ta-gu (siehe Asurb. Sm. p. 109) geschrieben; aus Asurbänipals
Zeit: der Vorige und dessen Rruder m Td-um-man (V R 3, 36 u. ö.),
auch m Tü-um-man f)siehe Asurb. Sm. p. 109) ; Urtakis Sohn m Um-
man-i-gas (V R 3, 44 u. ö.), auch m Um-man-i-ga-as (siehe Asurb. Sm.
p. 149) ; dessen Bruder m Tam-ma-ri-tu (V R 3, 48 u. o.), auch m Ta-
am-ma-ri-it-tu , m Ta-am-ma-ri-ti , m Tam-mar-i-ti , m Tam-ma-ri-ti,
m Ta-am-ri-ti geschrieben (siehe Asurb. Sm. p. 149 f.) ; m In-da-bi-gas
(V R 4, 11 u. ö.) ; des ,« At-ta-mc-tu (Asurb. Sm. 181, 114. 215, a)
Sohn m Um-man-al-da-si, -su. oder -das (V R 4, 112 u. o., Asurb. Sm.
i) lip-tu-ru ina Sü-ü-si ki >>Ji7w £:T (sie!) ~ses u üu La-hu-ra-be, äu Ja-ab-ru
ilu Hum-ba[Spuven zweier schmaler Zeichen]-rw lip-tu-ru iläni sur-bu-tü.
2) Der Name des Gottes Humba ist auch in dem elamitischen Stadtnamen
Til-ilu Hum-ba (Khors..20. 138), Til-ilu Hu-um-bi (Sanh. IV 60), Til-hu-um(xav. un)-ba
(V R 7, 68) enthalten.
3) Ebentliesen Namen führte auch ein Magnat Teummans (Asurb. Sm. \M,
94. 134, 48 u. ö.).
II II. Die Sprache der Kossäe r.
215, e) ; m Um x;\v. Am)~ba-kü-u-a (V R 5, 15) und m Pu-f-c V R 7, 51.
10. 17). Diese Namen sind freilich, was sehr beachtenswerth, nicht
ohne Weiteres als reines Elamitisch zu nehmen, vielmehr sind sie,
zum Theil wenigstens, mehr oder weniger babylonisirt. Namen wie
Kudür-Mabuk, Kudür-Nahundi, in welch letzterem der assyrische Schrei-
ber sogar das Ideogramm für assyrisch kudiiru in Anwendung bringt
(so im Sanherib-Prisma . haben mit assyr. kudiiru «Gebiet, Grenze«
u. s. f. nichts zu thun : sie sind lediglich dem Babylonischen ange-
blichen aus m Ku-tir-iu Na-ah-hu-un-tS, wie der zweite Name auf den
elamitischen Backsteinen lautet. Das Gleiche gilt von Sudur-Nahundi,
rein elamitisch m Su~ud-ru-uk-%iu Nah-hu-un-tS, von Hallusu = m Hal-
lu-du-us, von Ihar-nanhundi u. a. m. Diesen elamitischen Backsteinen
entnehme ich gleichzeitig die weiteren Königsnamen m Sil-ha-ak und
m Un-das-an-gal . — Von sonstigen in den assyrischen Texten vorkom-
menden elamitischen Personen (Feldherrn, Magnaten, Stadtfürslenu.s. f.)
seien noch erwähnt m au Hu-um-ba-an-un-da-sa ! (Sanh. V 69) ; m Um-
man-ap-pa (Asurb. Sm. 10(>, 76 u. <>., vgl. m Um-man-ap-pi oder m Um-
man-pi-a 195, b) , „, Ku-dur-ru und m Pa-ru-u ibid. 106, 78. 116, 88;
vgl. den Namen m Pa n-ru-u 171, 9) ; m Um-man-am-ni (195, b. c :
m Si-im-bu-ru (K. 2674 Obv. 4) -, m Um-ba-ki-din-ni (ibid. Z. 6), m Is-
tar-na-an-di (Z. 7), m Zi-ni-ö-ni '/.. 8); I-tu-ni-i (Asurb. Sm. 145, I .
m Un-da-si1 (ibid. 171, 6 u. ö.) oder m Un-da-su (172, 18), m Za-za-as
171, 8 u. ö.). m At-ta-mS-e-tu (171, 10 u. ö.) oder ,« At-ta-ma-tu (172,
I!) . m Um-man-h-bär (199, 11), m Un-da-du (ibid.). Auch diese Na-
men sind augenscheinlich mehr oder weniger babylonisirt.
Geographische elamitische Namen sind: die Städtenamen Su-
su-icn, babyl. »'» Su-sa-an; äw Hal-tö-ma-as V \\ 5, 83. 6, 96), diu Su-
mu-un-tu-na-ah (V R 5, 85; u. a. m. ; die Flussnamen när ld-id-6 (V R
:». 74. 95. 103) und när Hu-ud-h/u-ud K. 10 He\. 18 .
An sonstigen elamitischen Wörtern scheint durch die Backstein-
legenden an-in »König«, §a-ag »Sohn« und durch II \\ ■>'.). 16 e. f
1) Vgl. auch den Stadtnamen älu Dür-un-da-si (V R ö, 53), tih Dtir-n Un-
da-[a-)si (Z. 73. 94), sowie älu Dür-un-da-si-ma '/.. 54).
Die Tafel K. 2074, eine Art assyrischer Museumskatalog, finde) sich yrer-
ullenllieht \suil). Sm. 1 10 IV
II. Die Sprache der Kossäer. 45
hu-ug als allgemeinstes Wort für »hölzerne Gefässe«, wie Eimer u. ä.,
gesichert.
Alle diese elamitischen Namen und Wörter scheinen mir darauf
hin zu führen, dass zwischen dem Elamitischen und Kossäischen kein
Zusammenhang besieht. Zwar dass der Gott Adar bei den Elamiten
ganz andere Namen führt als bei den Kossäern, ist an sich noch kein-
directer Beweis, so wenig etwa daraus dass der Sonnengott bei den
Kanaanäern Bacal, bei den Babyloniern Samas heisst, auf Nichtver-
wandtschaft der Kanaanäer und der Babylonier geschlossen werden
darf. Aber der ganze Sprachtypus, wie er in den obigen elamitischen
Götternamen und noch mehr in den elamitischen Königsnamen zu Taue
liegt, scheint mir ein vom Kossäischen verschiedener. Verführerisch
ist allerdings der so manchen kossäischen und elamitischen Eigen-
namen gemeinsame Auslaut aufs 's] ; vgl. z. B. die Namen Karahardas
einer- und Humbanigas andrerseits. Aber gerade auf diesen Auslaut
lasst sich, glaube ich, keinerlei Schluss bauen; denn auch die Namen
der Länder Barsua (Parsua) am Urumia-See und Mannai am Van-See
finden sich zuweilen Parsuas (Khors. 58. Sanh. V 31) und Mannas
(Salm. Ob. 168) geschrieben, und ist Humbanigas kossäischen Ge-
präges, so sind es auch alle armenischen Eigennamen mit der Nomi-
nativendung i, Mönuas und Argistis, und schliesslich auch die Namen
der Könige von Karkemisch, wie Pisifis (neben Pisiri), und von Ta-
bal, wie Amris1. Der Ursprung dieses auslautenden Zischlautes muss
erst noch untersucht werden: in den einen Fällen mag das s [s) ra-
dical, in andern Formelement, wieder in anderen auf Bechnung der
assyrischen Transcription zu setzen sein — als ein Beweis für die
Verwandtschaft des Elamitischen mit dem Kossäischen kann das aus-
lautende s kaum länger betrachtet werden. Ich beantworte darum
auch die zweite, oben gestellte Frage ziemlich zuversichtlich mit Nein,
hebe aber abermals hervor, dass trotzdem einzelne kossäische Stämme,
wie in Babylonien, so auch in Elam sich sesshaft gemacht haben und
nach dem Sturze der einheimischen Dynastie um 642 zu noch grösserer
1) Vgl. Sayce in den Transactions of the Society of Biblical Archaeology,
VII, 1881, p. 253.
46 II. Die Sprache der Kossäer.
Bedeutung gelangt sein mögen. So viel wenigstens lässt sieh be-
weisen, dass auch auf elamitischem Boden je und je eine Anzahl
fremder und unabhängiger Nationali taten sich heimisch gemacht hat.
Es scheint mir in dieser Hinsicht noch die folgende Beobachtung hier
am Platze zu sein. Die Annalen Sanheribs berichten, dass der ela-
mitische König Ummanmenanu, als er dem König Süzub von Babylon
zu Hülfe zog. die Länder Parsuas l, Anzan, Pasiru, Ellipi, die Stämme
[ameiu] Ja-as-an und La-kab-ri . und andere mehr als Bundesgenossen
herbeigerufen habe. Da alle diese Länder, Stämme und Städte ela-
mitische »Bundesgenossen« sind, auf Einer Linie stehend mit den
Chaldäern und Aramäern, so müssen sie sich gewisser Selbständigkeit
oder voller Unabhängigkeit von der susischen Herrschaft erfreut haben.
Der Stamm .las an oder Jäsian wohnte nun. wie die Berichterstattung
K. 10 lehrt, nicht allein innerhalb elamitischen Gebietes, sondern sogar
in nächster Nachbarschaft von Susa. Der Bericht sagt, die nach Elam
entsandte assyrische Streifschar sei gegen die Stadt Sagidu, 2 Meilen
Wegs von Susa entfernt, gezogen und habe den Amnialadin . den
Fürsten des Stammes Jäsian, mehrere seiner Brüder und anderer
nächster Verwandten, dessgleichen zweihundert der vornehmsten Be-
wohner der Stadt getödtet. Also hart bei der Hauptstadt Elams eine
elamitische Stadt im Besitz eines wenn auch nicht nachweisbar fremd-
ländischen, so doch sicher selbständigen Stammes unter einem be-
1) Meine in S. Baer's Libri Danielis, Ezrae et Nehemiae, pag. IX vorgeschla-
gene Combination der Bewohner des Landes Parsua mit den x-r-ES des Buches
Esra ',. 9; isl sprachlich wie geographisch unanfechtbar. Schrader, Die Keil-
inschriften und das alte Testament, 1. Aufl., S. 645, wendel gegen sie ein, es sei
»nicht ohne Bedenken, das-, gerade des Landes Parsua als eines von ihm be-
kämpften und unterworfenen seitens Asurbanipals in dessen Inschriften keine Er-
wähnung geschieht«. Der Einwand scbeinl mir nicht stichhaltig, um so weniger,
als man früher ja doch kein Bedenken gelragen hat, in Asnappar den König Asar-
haddon zu erblicken, trotzdem dass in dessen Texten eines so hervorragend wich-
tigen Ereignisses wie der Bekämpfung und Besiegung Susa's mit keinem Worte
Erwähnung geschieht. »Bekämpft und unterworfen« brauch! Asürbänipal das Land
Parsua seihst gar nicht zu haben. Aber wenn das Land Parsua zu Sanheribs Zeit
den Elamiten zu Hülfe wider die beiden gleich verhassten Assyrer eilte, so wird
e- dies wenige Jahrzehnte später bei dem Entscheidungskampf zwischen Susa und
Ninewe gewiss ebenfalls gethan haben. Ein noch detaillirterer Berichl über diese
letzten grossen elamitischen Kriege wird wohl aucl ch der Bundesgenossen der
Elamiten und unter ihnen auch des Landes Parsua Erwähnung thun.
II. Die Sprache der Kossäer. 47
sonderen Fürsten1. Es hindert nichts anzunehmen, dass nach Auf-
lösung des alten elamitischen Reiches das kriegerische und räuberische
Gebirgsvolk der Kassü, wie in früheren Jahrhunderten nach Süden
und Westen hin, so jetzt nach Osten, Südosten hin sich ausgebreitet
und, obwohl unter persischer Oberhoheit, einen Hauptbestandteil
der dortigen Bevölkerung (Kioaiot) gebildet habe.
Eine dritte Frage, welche sich aufdrängt, nämlich
3 ) Verwandtschaft des K o s s ä i s c h e n m i t dem sog.
Medischen?
ist für alle die, welche die Verwandtschaft des Elamitischen und des
sog. Medischen (d. i. der Sprache der zweiten Keilschriftgattung) bereits
bewiesen erachten2, durch die Antwort auf die zweite Frage eo ipso
entschieden. Und in der That sind die wenigen Wörter, welche gleich-
zeitig aus dem Medischen und Kossäischen bekannt sind, völlig ver-
schieden. Vergleiche die Opperts La langue des Medes entnommenen
medischen Wörter an-kik(a) »Himmel«, (an)nap »Gott«, un-an »König«,
ruh »Mensch», luba »Diener, Unterthan«, nisgi »schützen«.
Da indess über Sprache und Nationalität der Meder noch immer
tiefes Dunkel sich breitet, wie mir denn die Bezeichnung der Sprache
der zweiten Keilschriftgattung als med i sc her mehr und mehr als
irrig erscheint, so benütze ich diese Gelegenheit, die wichtige Liste
medi scher Eigennamen, welche zuerst George Smith3 veröffent-
licht'hat, auf Grund genauer Collation des theilweise etwas unleser-
1) Beachte die Wiedergabe dieses Stammnamens Jasian durch amelu Ja-a-
si-an (mit d) auf der babylonischen Tafel K. 10 Obv. 14, dagegen durch amelu
Ja-as-an (mit 0) auf dem assyrischen Sanherib- Prisma Sanh. V 32 (die Parallel-
stelle Sanh. Konst. 4 4 f. lässt den Namen aus). — Der Name klingt an an kos-
säisch iäs »Land« (auch enthalten in Jas-ubi?).
2) Eine ganz andere und noch weit weniger bis jetzt entschiedene Frage ist,
ob das Elamitische mit dem Sumerischen verwandt ist. Dass sich die babyloni-
schen Sumerier mit den susischen Elamiten und den nichtarischen Medern zu
einer besonderen Völkersippe zusammengeschlossen hätten , was auch Schrader,
obwohl unter Vorbehalt , für »nicht unwahrscheinlich« halt [Keilinschriften u. d.
A. T., 2. Aufl., S. 120), ist bis jetzt durch nichls zu beweisen. Der blosse An-
klang des Landesnamens Madai [Matai, Amadai) mit sumerisch ma-da »Land« kann
nimmermehr genügen, um das Medische und damit das Elamitische mit dem Su-
merischen in verwandtschaftliche Beziehung zu bringen.
3) Assyriern Discoveries, p. 28S f.
48 II. Die Sprache der Kossäer.
liehen Originaltextes hier noch einmal mitzutheilen. Sie findet sich
auf einem von Smith gefundenen, leider fragmentarischen, achtseitigen
Thonprisma Sargons, und dass wir die Liste in der That für eine Liste
von »Median Chiefs« zu halten haben, lehrt der Zusammenhang des
Prismatextes in Zusammenhalt mit den sonstigen Inschriften Sargons.
Der Abschnitt bietet, soweit er erhalten ist, die Namen von 23 Stadt-
präfecten nebst den Namen der Städte (theilweise die letzteren allein)
aus der Zahl der »45 medischen Stadtpräfecten«, welche gemäss Botta
80, 10 dem König Sargon in dessen neuntem Regierungsjahr, d. i.
7I3 v. Chr., Tribut darbrachten. Das Verzeichniss lautet, unmittel-
bar nach einem Trennungsstrich anhebend, folgendermassen 1 :
[2, höchstens 3 Zeichen] m Pa-ar-nu-a «in Si-ik-ri-na ?)-a-a*
m Zu'/ -tir-na sa «in ? ? ? ah
m Up-pa-am-ma-a sa äht A(?)-gn(?)-tctr-ka-nae
m Ma-as-da-ku sa «i« A-ma-ah-L/a
m Is-U-SU-ku Sa äht U-te-Up-pt<e
m U-ar-za-an sa mät U{?)-ku-ut-ti{
m A$-pa-an-ra sa mät Ka-ak~kaine
m Sa-tar-6~§u m Ku[?)-su(?)-ra-zu
ameiu rn älu pi (d. i. Stadtherrn) sa mät Tu[?)-ba-a-ri
sadu-u (?) bar-ba-re na-gi-i dan-nu-tib
m, Sa-tar-pa-nu sa mät Up-pu-ri-a1
m Pa-ar-kur-lu (?) sa mät Ä7i(?Ba?)-dir-pat-ti-a-nui
m A-jri(?)-ia{?) sa t Bu-uh-tu-?1
m Us-ra-a sa mät Tu(?)-tu(?)-ne'-num
m Ma-as-tak-ku sa mät A-m6 .' -is-tan
m Ha-ar-duk-ka sa mät Ha-ar-zi-a-nu°
m Is-U-U-ku m A-u-a-ri-is-ar-nu
amün rn älu pi sn mät Li ? -i-ta-nu*
m Ar-ba-ku sa mät Ar-jna-si-aq
m Sar-ru-ti sa äht Tir~zi-nu-üx
. . . pa-nu sa mät Ba-ri-ka-a-nu*
sa mät Za-zu-al.-in/ l
I] Zu meiner Transcription ist zu bemerken, dass jedes m auch als v, jedes
pMj up auch als bu, üb gelesen werden mag. Wo immer ich kein Fragezeichen
gesetzt, erschein! mir meine Lesung als fragelos richtig und der Smilh'schen vor-
zuziehen.
II. Die Sprache der Kossäer. 49
[sa] >»(<t Kar-ka-si-a*
Pa(?)-ar-ta-ka-nu"
a) Smith: Pharnes, chief of Sikrana. Bei den nächsten Zeilen bezeichne ich
das »chief of« durch einen Strich. b) Ziturna 'ungenau) — Musana; aber ab-
gesehen von dem Schluss-« möchte ich nicht wagen mit den Spuren der drei vor-
ausgehenden Zeichen einen sicheren Werth zu verbinden. c Uppamma — Ka-
talina. l] Vasdakku — Amakki. e Istesuki — Isteuppu. ' Varzan — Va-
qutti. =,: Aspabara — Kakkam. h Sataresu and Qururasu, Chiefs of Tabari
and Luhbarri, rugged regions. ' Satarpanu — Ubburia. Vgl. auch Botta 80, 4 :
mät Up-pu-ri-ia. k) Parkuttu — Sidirpattianu. l Ariya — Bustu. Das H des
Personennamens ist fast, doch nicht ganz sicher; das nämliche gilt leider von
ia{?si?). Das Schlusszeichen des Ländernamens ist ein breites Zeichen : vielleicht
ar?, doch mag es us sein, also Bustus; siehe diesen Namen auch Salm. Ob. 186,
wo die Stadt Bu-us-tu als eine Hauptstadt von Barsua erscheint; Tig. jun. Obv. 31 :
mät Bu-us-tu-us; Botta 80, 5: mät Bu-us-li-is. m Vusra — Tutunenu. n) Vas-
takku — Amista. " Hardukka — Harzianu. — Vgl. amelu Ha-ar-zu-nu Sanh. V 3 2.J
iJ) Isleliku and Avariparnu mir schien im letzteren Namen pa weniger wahrscheinlich
als is) — Kattanu. (l; Arbaku — Arnasia. r) Karuti — Turzinu. s) ...panu —
Barkanu. t Zazaknu. u Garkasia. v, Partakanu. Das pa ist nicht sicher ,
aber sehr möglich. Der Name könnte vielleicht Personen-, nicht Landesname sein.
Und hieran schliesse ich noch sechs medische Eigennamen, welche
auf dem Asarhaddon- Prisma IV 19—21) vorkommen: >» Up-pi-is,
Stadiherr von diu Pa-ar-tak-ka , m Za-na-sa-na von diu Pa-ar-tuk-ka,
m Ra-ma-t&-ia von äiu U-ra-ka-zcir-bar oder inas-na.
Von diesen medischen Namen tragen die Personennamen augen-
scheinlich ein von den kossäischen ganz verschiedenes Gepräge. Während
z. B. die kossäischen Personennamen, gleich den sumerischen, babyloni-
schen, elamitischen, besonders gern mit Götlernamen zusammengesetzt
sind, wüsste ich aus den obigen Namen keinen Götternamen auszuschei-
den — und der assyrische Schreiber wusste es ebensowenig. Die As-
syrer waren wohl vertraut mit den Religionen ihrer Nachbarländer, und
gaben den fremdländischen Götternamen, wo immer sie in Eigennamen
enthalten sind, meist dieselbe Ehre, die sie ihren eigenen erwiesen,
das heisst, sie leiteten sie ein durch das Determinativ der Gottheit.
In den obigen medischen Namen findet sich kein einziges Mal ein
solches Gottheitsdeterminativ : die medische Namengebung erweist sich
hierdurch als von der kossäischen (wie auch elamitischen) von Grund
aus verschieden. Und obendrein, wer möchte läugnen , dass jene
medischen Namen , so schwer erklärbar sie auch zur Zeit noch sein
mögen, dennoch fast unverkennbar arisches Gepräge zur Schau tragen?
Delitzsch, Kossäer. 4
50 '!• D'e Sprache der Kossäer.
Man könnte nun endlich noch die Frage aufwerfen, ob sich das
Kossäische mit der Sprache irgend eines der anderen Nachbarstämme,
wie der Sutü und Gutii1, oder Nachbarländer, wie z. B. des Landes
Ellipi und der Lander Xa'iri, berühre. Alier für die Sprachen
dieser Stämme und Länder sind wir doch auf zu wenig Wörter oder zu
spärliche Eigennamen angewiesen, als dass es sich verlohnte, dieser
Frage überhaupt näher zu treten. Wenn bei Sargon ein Janzü als
König von Hubuskia. ja als König von Nai'ri erscheint, so wurde
schon S. 35 ausdrücklich hervorgehoben, dass daraus mit nichten etwa
gefolgert werden darf, als seien die Länder Nal'ri Kossäergebiet ge-
wesen. Im Uebrigen wird wohl jeder, welcher die Eigennamen der
Könige der Nai'ri-Länder übersieht . darin mit mir übereinstimmen,
dass Sprachverwandtschaft mit dem Kossäischen auch von dieser Seile
her ausgeschlossen ist2.
So konnten wir betreffs der Frage nach kossäischen Sprachver-
wandtschaften nur zu negativen Resultaten gelangen : keine Verwandt-
schaft weder mit Sumerisch noch mit Elamitisch noch mit dem sog. Mo-
disch. Eine positive Antwort zu geben oder doch anbahnen zu helfen, isl
die Bitte, wrelche ich noch einmal an alle Sprachforscher richten möchte.
1) Siehe fiu- diese Stämme und die wenigen Reste der Sprache des ersteren
Paradies, S. 233 ff.
2) Eine lange Liste von Königen und von Landern , welche alle unter den
Begriff Na'iri zusammengefassl werden, obwohl sie zum Theil sehr weil ostwärts
bis in oder wenigstens hart an das Medergebiet reichen, findet sich auf der Mo-
nolith in seh riff des assyrischen Königs Samsi-Ramän III [824 — 8H), col. III 45 — 63.
Ich gebe diese Liste hier in Anmerkung auf Grund meiner Collation des Originals
und ersetze nur die nomm. gentilicia auf a-a ni durch deutsches »von« der
Stadt, dem Lande .... Sie tautet: m Si-ra as-m4 von mät Ba-ba-ru-ra, m A-ma-
har von i<u< Har-mtS-is-an-da, »< Za-ri-su von m»/ Pa-ar-sa-ni, m Za-ri-su von älu Hw-
vm-dvrur , m Sa na-su von mät Ki-pa-ba-ru-ta-ka , m Ar-da-ra-a von mät Us-ta-as-sa,
m Su-ma-a von mät Ki-nu-ka, <» Ta-a-ta-a-i von mät Gi-in-gi-? , >» Bi-si-ra-in von
mät A-ri-ma , >» Pa-ru-us-ta von mät Ki-ba-ru-sa, >» As-pa-as-ta-ta-uk von U-i-la,
m i ma ma as von mät Ki-in-gi-is-ti-W-6n ." ah, m Tar (oder Has)-si-hit von mäi \ta
si-ra-us, m Ma-ma-ni-is von mät Lu-uk-sa, m Za-an-zar von mäi Di-ma-ma, m Si-ra-
a-su von mät Si-im-gu ri. m <'•> is-ta von mät Ab-da-na, m A-da-da-a-nu von I
sa-ti, m Ur-si von mät Gi in hu-uh ta, m Ba-a-ra von mät Gi-in-zi-na, m A-ru-a von
I Ki in-du ta-ui, m Di-ir-na-ku-ui von mäi Kib-ru-u, m V.n ba-ntt von mäi Zvrza-
i u ,u m Ir-ti sa-ti von mät Gi-in-dd-da, m Ba-ar-zu-ta von mal Ta-ur-la, m 8u-u-a
vo .äi Na-ni- ?, m Sa-ti-ri-a-a und m Ar-ta-si-ra-ri — »alle Könige des Landes
Nairi« III 64).
III.
Die Religion der Kossäer.
Wie das erste, so steht auch dieses dritte Kapitel zu dem zwei-
ten, dem Hauptkapitel in engster Beziehung : es will die ersten sech-
zehn Zeilen des Rassam'schen kossäisch-semitischen Glossars noch et-
was ausführlicher besprechen als dies in Kap. II geschehen konnte.
Das Glossar beginnt mit den Namen von zwölf kossäischen Gott-
heiten , von welchen die beiden ersten jetzt fehlen. Dass an erster
Stelle wohl der Nationalgott der Kossäer gestanden, ist mit Sicherheit
anzunehmen, und dass dieser Gott den Namen Kassü geführt, wurde
bereits S. 29 als wahrscheinlich bezeichnet l. Waren diese zwölf Gott-
heiten die höchsten der Kossäer, so mag auf der zweiten Zeile die
Göttin SümaWa, Simali'a , die Göttin der Schneegipfel, gefolgt sein,
welche ja als eine Hauptgottheit des Landes Namar ausdrücklich ge-
nannt wird und auch sonst in engster Verbindung mit dem grossen
Gott der Kossäer, Sukannma , erscheint2. Im übrigen ist diese kos-
säische Götterliste nicht erschöpfend: es fehlt Sihu als einer der Na-
men Merodachs, es fehlen auch Hardas und Bugas, wenn diese, was
das Nächstliegende scheint, ebenfalls Götternamen darstellen, es feh-
len endlich Harbü, der Name Bels, sowie Duniäs . wenn das letztere
nicht etwa nur ein Beiname eines der zwölf grossen Götter ist.
Die Reihenfolse : Mondsott. Sonnensott. Luftsott Z. 3 — 7) ist die
1} Ein Gott Kassü ist bezeugt durch den S. 15 Anm. erwähnten Konigs-
namen aus der semitisch- kossäischen Periode m üu Kas-su-ü-nädin-ähü. War
Kassü der Nationalgott des Volkes Kassü, so haben wir ein ähnliches Zu-
sammentreffen von Volks- und Gottesnamen wie bei Assur , Asur und vielleicht
Susan, Susinak (siehe oben S. 42 Anm. 3). — War die gemäss Sann. Konst. 32
neben Nand'a (Nanai) in Erech verehrte Göttin Hu Ä'a.^oder Bit -si-tu etwa eben-
falls kossäischen Ursprungs?
2) Siehe oben S. 33 und 28 Anm. I.
4 *
52 III. Die Religion der Kossäer.
in den assyrischen Texten übliche; siehe z. B. Tis. I 5 — 10. Sanh.
Baw. I. II B 48, 33— 35 a. b, u. o.
Der Gott Adar hiess bei den Kossäern Maraddas (Z. 8) oder
Gidar Z. 9 . Ueber das Wesen des babylonisch-assyrischen Gottes
Adar herrscht noch immer grosse Unklarheit , obwohl die Keilschrift-
literatur langst schon das Richtige erkennen liess. Der Gott Adar,
welcher mit seinen beiden, zahllose Mal vorkommenden Ideogrammen
Bar und Nin-ib vorzugsweise als der »Entscheider« oder der »Herr
dcv Entscheidung« bezeichnet wird, ist der Gott der alles verzehrenden
und versengenden Süd- oder Mittagssonne, im Grunde also die
nämliche Gottheit wie der Sonnengott, jedoch nach dessen ausschliess-
lich verderblicher Seite hin als verheerende, zerstörende Sonnen gluth 1.
Auch der Feuergott Nusku, welcher ebenfalls mit Vorliebe mälik müki
iläni rdbüte »der die Entscheidung hat unter den grossen Göltern«
genannt wird und als Gott der Süd- oder Mittagssonne ausdrücklich
bezeugt ist, ist im Grunde Eins mit dem Gotte Adar2. Dass unter
den Planeten gerade der Saturn, babyl. Kaiüänu, dem Gott Adar ge-
weiht war, begreift sich nun leicht. Adar, Gibil (der Feuergott),
Nusku, Malik-Moloch sind im letzten Grunde ganz die nämliche Gott-
heit, und es bedarf nunmehr auch weiter keines Commentars, wess-
halb die Bewohner der Sonnenstadt Sippar-Sepharwaim dem Adram-
melech d. i. dem Adarmalik »Adar, dem Entscheider« zu Ehren ihre
Kinder mit Feuer verbrannten i2 Kön. 17, 31). Von besonderem In-
teresse ist aber endlich, dass unser kossäisch-semitisches Glossar Z. 13)
auch den Gott Nergal als mit Nusku identisch ausweist. Auch dies
erklär) sich leicht. Der Löwe, unter dessen Bild der Gott Nergal
verehrt wird, ist ja das Symbol der verheerenden Sonnengluth, und
wie der vierte Monat, der heisse Monat Tanunüz , dem Gölte Adar
geweiht ist, so ist der Lowe dasjenige Zeichen des Thierkreises , in
I Siehe luefür obenan die Stellen Asurn. I 5. Sams. I 9. ~2'6. II H 57, öl c. d,
Vgl. 7G c. d.
2) Die Identität des Feuergottes Gibil und des Gottes Nusku erhell) aus dem
Hymnus IV H 26 No. 3 und wird ausdrücklich bestätigt durch die in meinen
Assyrischen Lesestücken, I. Aufl., S. 39 I unter dem Titel »Götter und Gö'tterzahlen«
veröffentlichte Tafel K. 170. Für die Bedeutung »Zenith« des Ideogrammes nusku
'>'• l\l siehe z. 15. IV II 9, 40 12a. 28, 25 26b.
III. Die Religion der Kossäer 53
welchem sieh die Sonne während des fünften Monats befindet, welch
letzterer durch sein sumerisches Ideogramm mit dem Feuer in di-
recteste Verbindung gesetzt ist1. Adar (Nusku) und Nergal weisen
auch sonst eine Reihe von Zügen auf, welche ihre ursprüngliche Iden-
tität noch deutlich erkennen lassen. Wie die Assyrer ihren Nergal'-.
so werden auch die Kossäer ihren Sugamuna obenan als Gott des
Krieges und der Jagd verehrt haben.
Auf Adar folgt, wie oft in den babylonisch-assyrischen Texten 3,
seine Gemahlin, die Göttin Gula, kossäisch Mala (Z. 10). Sie führt
in den babylonisch-assyrischen Keilschrifttexten die Beinamen: »die
grosse Herrin, die Gemahlin des Gottes der Mittagssonne«; »die Mutter,
die Gebärerin der schwarzköpfigen Wesen« (d. i. der Menschen :
»die Herrin, die die Todten erweckt«, u. s. f.
Z. 15 sind mir die auf au |, das häufige Ideogramm für den
Gott Merodach, folgenden beiden Zeichen dir-ia unverständlich.
Unter der Z. 16 mit dem Ideogramm für b<u »Herrin« geschrie-
benen babylonischen Göttin, welche der kossäischen Göttin Mirizir
gleichgesetzt wird, wird zunächst die Göttin Bellis d. h. Istar als
Abendstern zu verstehen sein. Wie aber Beltis ebenso wie Anunit.
die Göttin des Morgensterns) im Grunde Eins ist mit Istar, dem Yenus-
stern. und Istar hinwiederum oft mit der Nana (Nanai) vermengt wird,
welche ursprünglich wohl nur eine besondere Eigenschaft der Göttin
Istar, vielleicht als der bogengerüsteten Jägerin, personificirt haben
wird , so wird auch die kossäische Göttin Mirizir getrost der babylo-
nischen Istar-Nana gleichgesetzt werden dürfen. Es würde hierzu
gut stimmen, dass die Schenkungsurkunde Nebukadnezars I einerseits
■1) Näheres über all dies wird das in Vorbereitung befindliche I. Heft meiner
von 1884 ab halbjährlich erscheinenden »Religionsgeschichtlichen Abhandlungen«
darlegen. Ich bemerke hier nur noch, dass ich den — gutsemitischen! — Namen
Adru, Adar jetzt auch phonetisch nachzuweisen in der Lage bin: dessgleichen dass
die Ansicht, der Gott Adar sei unter dem Bilde des geflügelten Stiers mit Menschen-
haupt dargestellt und verehrt worden, jedweden Grundes entbehrt.
2) Für Nergal als Gott des Krieges siehe Salm. Ob. II, wo er sar tamhari
»König des Kampfes« genannt wird, und obenan III R 38 No. 1 Öbv. ML; für
Nergal wie auch Adar als Gott der Jagd siehe z. B. Tig. VI 58.
3) Siehe 1 Mich. IV 1.5. IV R 61 No. 2. 25 27.
54 HI. Die Religion der Kossäer.
den Mondgott Sin und bt'lit »in Ak-ka-di, »die Herrin von Akkad« d. i.
vielleicht (siehe S. 19 f. Anm. 2) Istar-Anunit von Agade als Gott-
heiten des Hauses Habban , andrerseits Sümall'a, Rämän, Nergal und
iiu Na-na-a d. i. Nana als Gottheiten des Landes Namar namhaft
macht (II 50. 48).
Die Religion der Kossäer, wie sie sich nach unserm Glossar dar-
stellt, ist vielleicht nicht ohne Beeinflussung von Seiten der Religion
ihres neuen Heimathlandes, Babyloniens, geblieben. Zwar dass die
Kossäer Mond, Sonne, Sturm, Donner und Blitz, Feuer und Wasser
göttlich verehrten1 und in der Göttin der schneebedeckten Bergspitzen
ein ihnen eigenthümliches Götterwesen ausgestaltet haben, ist durch-
aus natürlich ; ob aber ihre Verehrung einer der babylonischen Gula
entsprechenden Göttin oder eines Gottes Merodach älter sei als ihre
Ansiedelung innerhalb Babyloniens, Hesse sich bezweifeln. Eigennamen
wenigstens wie Harbisiku d. i. »Herr (Bei) ist Merodach« scheinen mir
lediglich der äusseren Schale nach kossäisch, ihrer Bedeutung nach
aber nur als auf babylonischem Boden erwachsen verständlich zu sein.
I Vergleiche was Herodot (I 131) unter anderni von der Religion der Per-
ser sagt: »Die Perser pflegen auf die höchsten Berge zu gehen und daselbst dem
Zeus Opfer zu bringen, indem sie den gesamten Kreis des Himmels mit dem Na-
men Zeus bezeichnen. Dann bringen sie Opfer der Sonne, dem Mond, der Erde,
dem Feuer, dem Wasser und den Winden: diesen Göttern allein opfern sie von
Anfang an« u. s. \v.
Anhänge.
A.
Der
babylonische Kossäer -König Agum
(Agum-kak-rime) .
Auf dem 33. Blatt des V. Bandes des Londoner Inschriftenwerkes
ist eine Thontafel von e. 18 eent. Lange und 13 cent. Breite ver-
öffentlicht, welche aus zwei Stücken, bezeichnet K. 4348 und S. 27,
zusammengesetzt, noch immer aber nicht vollständig ist. Das erstere
Stück war bereits II R 38 No. 2 veröffentlicht, diese neue Edition
verdanken wir Pinches. Die Tafel , welche Liemäss der Unterschrift
zur Bibliothek Asürbänipals gehörte, enthält auf Vorder- und Bück-
seite je 4 Schriftcolumnen und ist augenscheinlich die neuassyrische
Abschrift einer irgendwie beschaffenen Weihinschrift eines babylo-
nischen Königs. Nach dem aus drei, durch Linien abgegrenzten,
Abschnitten bestehenden Eingang , welcher eine lange Beihe von Ti-
teln und sonstigen Attributen des Königs enthält und unten ausführ-
lich mitgetheilt werden wird, heisst es dann weiter, dass Merodach,
der Herr von Esagila, in »ein fernes Land, das Land Hanü« wegge-
führt gewesen sei, nunmehr aber seine Zurückbringung befohlen habe,
worauf er, der König, Merodach und seine Gemahlin Zarpanitum nach
Esagila und Babylon habe zurückholen lassen. Der König hebt ferner
die werthvollen Weihgeschenke an Gewändern und Edelsteinen her-
vor, welche er beiden Gottheiten geschenkt, berichtet, dass er ihren
Tempel Esagila prächtig wiederhergestellt habe, und fährt dann fort,
in mehreren Abschnitten der Götter Segen auf sich herabrufend,
VI 42 ff. : ana sarri a-gu-um d. i. dem König agum, welcher das Heilig-
thum Merodachs gebaut, Esagila erneuert hat u. s. w., sa sarri a-gu-um
d.i. des Königs agum Tage mögen lang, seine Jahre mögen lang sein
56 A. Der babylonische Kossäer-Künii.' Agum.
VII II ff.), Merodach möge das und das zu Theü werden lassen ana
sarri damki a-yu-um d. i. dem freundlich gesinnten König agum. wel-
cher die Heiligthümer Merodachs gebaul hat VII 2S IV. . Das Wort
a-gu-um (ohne vorausgehendes §arru kehrt dann noch einmal ganz
am Schluss wieder (VIII 25], ohne dass sich bei der Unsicherheit der
vorausgehenden und der nachfolgenden Zeile etwas damit machen
Hesse. Man fasst an diesen Stellen allgemein das Wort a-gur-um als
Eigennamen des Königs1, und in der That , so auffällig die Vorord-
nung des Königstitels vor den Eigennamen scheint sarru pflegt
meines Erinnerns sonst fast stets dem nomen proprium appositioneil zu
folgen) , so dürfte doch kaum eine andere Deutung in Vorschlag zu
bringen sein, zumal wenn man Z. 19 der Eingangsworte mit berück-
sichtigt. Diese Einsansjsworte lauten2:
. . ka-ak ri-me
Kind ur si gu ru bar.
der erhaltene Spross
col. M [ . .a ka-ak ri-me
mär ur si gu ru barb
zeru 61- lum
sä ii» Sü-ka-mu-nu Sukamunus.
'■') ni-bi-it n« A-nim u uu Bei der Berufene Anus und Bels.
iiu E-a u iin Marduk Eas und Merodachs,
v v I
üu Sin u ii» Samas Sins und Samas',
et- lum da- an- nu der mächtige Herr
sä üu Is- tar ga- rit- ti' Istars, der Heldin
10 i- la- a.- ti a- na- ku der Göttinnen, bin ich.
4) Das Fehlen des Determinativs m lassi sich nicht als Gegengrund einwen-
den, denn es fehlt auch II 8 sowie I 2. 13 und vielleicht — falls hier überhaupt
ein Eigenname vorliegt — I 15. Dagegen steht es wohl VI 39 (vgl. 33 und 36 ;
oder ist Y liier = <nm .'
■i Mein Text ruhl auf sorgfältiger Collation des leider gerade in den wich-
tigsten Zeilen ziemlich beschädigten Originals. Die Abweichungen von Pinches'
Ausgabe V K 33 gebe ich, zugleich mit etlichen das Verständniss betreffenden No-
tizen, in unmittelbarem An schluss an den Text selbst. Natürlich will ich meine
abweichenden Lesungen nicht ohne Weiteres als bessere oder gar als die einzig
richtige gegenüber denen meines verdienten Mitarbeiters aufgefasst sehen. Nun
Divergenzen ausserhalb der Eingangsworte merke ich unter andern gelegentlich
an-. I4G: a-nti ; na schein! mir nach den Spuren unmöglich. 150: für mehr Zei-
chen ah tu scheint kein Raum. II 8 lies statt des Zeichens kisallu das ganz ähn-
liche nni eingefügtem \»t. II 23: /» » - m4(8ib)-sü-[nu-ti]. II ä(.i : für mehr Zei-
chen als ti schrint kein bäum. II '. ."> : lu-ii. \\ .is: erstes Zeichen ebensogut /"
als /". \' i i : lelzlcs Zeichen l.it leid
A. Der babylonische Kossäer-Köniu Acium.
57
sai-
sa r
mär
li-
15 sä
kar-
m~
ablu
V ,
sa
20 zeru
ta-s
sar(?
ga-1
re.-
25 nise
kar-
re-
mu-
lsid
30 a-
mil- ki u ta- sim- (i
tas- nie- e u sa- li- me
ur si gu ru barb
ip- li- ![p- pu]
a- bi- gu(??)
ra- du [6k-]
na(?) zir(?)
res- tu- üe
a- gu- um ra- bi- i f
el-lum zer sarru-ti
mi- ih sir- ri- li
- lium (?) h re- e- ü
dud
rap(??)- sti
as-
ru
e-
rapsä-
ra-
e- a-
ki-
kusse a-
na-
i- na-
bi-
ku
i
tim
du
um
in
SU
ku
Ein König des Raths und der Klugheit,
ein König der Erhörung und Gnade,
Kind ur si gu ru bar,
Sprössling
von a-bi-gu ,??) [ ],
ein Held, jugendkräftig,
■7
der erste Sohn
des agum, des Grossen,
der glänzende Spross, der königliche Spross,
der das Scepter trägt,
ül)ergevvaltig, ein Herrscher.
ein machtvoller, bin ich.
Ein Herrscher
über weite Völker,
ein Held,
ein Herrscher,
welcher fest gründet
das Fundament des Throns seines Vaters.
bin ich.
sar kas- si- i
ü ak- ka- di- i
sar mät Bäb- ilu ti
ra- pa- äs- tim
35 mu- se- si- ib
mät As- nun- na- ak nise
rapsä-tim sar nwtk Pa-da-an
u Al-ma-an sar mät Gu-ti-i
nisek sak-1 la- a-
li
40 sarru mus- ta- äs- kinm
kib- rat ar- ba- 'i- i
mi- gir iläni rabüte
a- na- ku
König von Kassü
und Akkadü,
König von Babylonien.
dem weitgedehnten,
der da ansiedelte
in Asnunnak weite
Völker; König der Länder Padan
und Alman, König von Gutü,
. . . Völker,
ein König, welcher dienstbar machte
die vier Weltgegenden,
ein Verehrer der grossen Götter,
bin ich.
a) Spuren von a-gu-um sind nicht zu sehen; man könnte sogar vermuthen,
es sei überhaupt nur für zwei Zeichen Platz. b) oder: tas si gu ru mas.
c) = ka-rid-ti, Fem. von kardu, Asurb. 12ä, 44. d) du scheint mir nahezu sicher;
Pinches ergänzt: [et-luml. e) Pinches: res-tu; aber ich sehe Spuren von drei
Zeichen, deren erstes wohl sicher res, das letzte wohl sicher ü ist. f) alle Zei-
chen klar und zweifellos. g) Pinches liest um und übersetzt (im Guide to the
58 A. Der babylonische Kossäer-König Agum.
Kouyunjik Gallery, 1883, p. 9): »of the royal seed of Ummih-sirriti«; aber das könn-
ten die Worte nicht bedeuten, selbst wenn um richtig wäre. Ta ist sicher; für
sirritu »Stab, Scepter« als Synonym von sibirru, siehe K. 4399 Rev. ; für sibirru
"Stab, Scepter« siehe Haupt, Keilschrifttexte S. 120, 16. k) oder tur i si (Pinches)?
oder tur gal Iura? j) ga nach Spuren und Zusammenhang sicher. k) so bie-
tet das Original. l) sag, sag. m) oder ki.
Die Erklärung dieses Textes ist mit manniehfachen Schwierig-
keiten verknüpft. In der ersten Zeile erwartet man mit Recht den
Namen des Königs, und man wird sich desshalb Pinches' Ergänzung
A-gu-um schwerlich entziehen können, wenn man nun einmal in den
folgenden Columnen A-gu-um für den Königsnamen hält. Eine an-
dere Frage ist, ob ka-ak ri-mS mit zu dem Eigennamen hinzuzunehmen
ist. Die meisten thun dies und halten Agum für abgekürzt aus dem
längeren und volleren Namen Agum-kak-rim& ; so auch Pinches, der
V R 33 die Ueberschrift gegeben hat: » Inscription of Agü-kak-rimea.
Eine solche Namensabkürzung, bei welchem nur der erste Namens-
bestandtheil übrig geblieben wäre, stünde freilich ganz vereinzelt,
und noch unerhörter und unmöglicher würde die Abkürzung sein,
wenn man in Agum etwa gar einen Gottesnamen erblicken wollte —
mit einem Gottesnamen schlechtweg hat sich kein König Rabyloniens
oder Assyriens jemals benannt1. Soweit unsere jetzige assyrische
Kenntniss reicht, kann ka-ak ri-mö nur bedeuten : Waffe (st. cstr. von
kakku) der Schützlinge (rimu urspr. »geliebt, begnadigt« von nfumu
= Dm, wovon das häufige Abstractnomen rimütu2 »Zustand des Re-
gnadigtseins , Begnadigung«). Kak rimö in dieser Fassung könnte
möglicherweise ein rühmendes Attribut des Königs Agum sein, durch
welchen er sich als eine Schutzwehr aller derer, denen er seine Huld
zugewendet, bezeichnet. Eine zweite nicht minder schwierige Frage
ist . auf welchen Zeilen der König seine unmittelbare Abstammung
oamhafl macht. Pinches3 hält Agum-kak-rime für den »son of Tassi-
gurumah, grandson <>f Ahi-(jn\ruin<tt<]«. Aber gegen diese Fassung der
1) Das SaliiKhiK III K 4 No. -2, tu wird durch Salmänu^ussir Z. I als Ver-
sehen oder Nachlässigkeil des Schreibers erwiesen.
i Nicht talmiitu Haupi zu lesen; vgl. rtmutu »Begnadigung« Asurn. 111 06.
76. Salm. Ob. 170.
3 Guide to the Kouyunjik Gallery, p. 9.
A. Der babylonische Kossäer-König Agum. 59
Zeilen 2 und 13 ff. lüsst sieh die Frage einwenden, warum sich denn
der König nicht im ersten Abschnitt, wie als Sohn des und des, so
auch gleich als Enk*el des und des bezeichnet hat — dies ist wenig-
stens in allen sonstigen Königsinschriften Brauch. Und wie erklärt
Pinches Z. 18 1".? Ich glaube, wenn irgendwo, so ist in Z. 19 der
Name des Vaters erhalten, denn was sollte auf »erster Sohn des«
anders folgen als eben der Name des Vaters? Als dieser Vatersname
scheint mir nun aber nicht Agum-rabl d. i. »Agum ist gross« genom-
men werden zu dürfen, denn mag man in Agum einen Gott oder sonst
ein Wort indifferenter Bedeutung sehen — ich wüsste nicht, wie dann
eine andere Person Agum schlechtweg heissen könnte. Vielmehr scheint
sich der König Agum »erster Sohn Agum's, des Grossen« zu nennen
— gross war sein Vater als der Begründer einer Dynastie (I 28 f.)
und den Namen seines glorreichen Vaters trügt mit Stolz auch sein
Sohn. Ist dem so, dann, aber auch nur dann allein, könnte kak-rimS
sogar zu dem Namen selbst gezogen werden , es könnte ein Agum,
dem Sohn, etwa vom Volk gegebener Zusatzname sein. Auf alle Fälle
sind Z. 2 und 13 kein Grund gegen diese unsere Fassung der Zeilen
18. 19. Denn wie so oft1, wird mär ur-si-gu-ru-bar oder wie man
nun lesen mag einfach die Zugehörigkeit des Königs zu dem und dem
Hause oder Stamme bezeichnen, nicht die eigentliche Sohnschaft. Agum
rühmt sich als zugehörig zu einem Geschlecht oder Hause Namens Ursigu-
rubar, einem zweifellos kossäischen Geschlecht, wie Z. 4 die Zurück-
führung des Geschlechtes auf den Kossäergolt Sukamunu, dessgleichen
Z. 31 beweist, und als Angehöriger dieses Hauses kann er sich Spröss-
ling eines berühmten Ahnen, dessen Name Z. 15 leider verslümmelt
ist, rühmen — Sohn, eigentlicher Sohn aber bleibt darum Agum
immer von Agum, dem Grossen, welcher, Haupt einer berühmten
Kossäerfamilie. obendrein den babylonischen Königsthron sich gewann,
auf welchem sich dann sein Sohn mit Hülfe der von ihm reich be-
schenkten Priesterschaft Babylons zu erhalten wusste. Der Name
Agum selbst mag semitisch sein, trotzdem dass seine Träger kos-
1) Vgl. z. B. oben S. 4 5 Anm., wo die Könige, welche mar m Ba-zi genannt
sind, hierdurch ebenfalls als lediglich dem Hans oder der Dynastie des ßazi zu-
gehörig charakterisirt sind.
60 A. Der babylonische Kossäer-Koni« Agum.
säischen Geblüts waren vgl. S. 14); das Wort konnte vielleicht mit
a-gu-um »Krone« irgendwie zusammenhängen.
Was nun die Regierungszeit dieses Königs Agum(kakrime) be-
trifft, so wird diese zwar gewöhnlich sehr alt angesetzt, vonPincb.es1
z. B. in das 17. Jahrhundert, aber, so viel ich sehe, liegt nichts vor,
was auf eine so alte Zeit hinführte. Nichts, gar nichts nöthigt, die-
sen Kossäerkönig vor die semitisch-kossäische Periode zu versetzen,
im Gegentheil giebt sich die Inschrift ihrer ganzen Fassung nach weit
mehr als jüngeren denn älteren Datums. Aus der Wegführung der
Gottheilen Babylons nach dem im Westen gelegenen Häna-Land2 und
ihrer Zurückholung von dort lässt sich Positives nicht seh Hessen ; denn
kriegerische Verwickelungen Babyloniens mit dem Westland sind auch
schon für die älteste Zeit bezeugt. Aber dass auch während der
somit isch-kossäischen Periode derartige Verwickelungen stattfanden,
lehrt unter anderm der Eingang der Schenkungsurkunde Nebukad-
nezars I, wo sich dieser König käsid mät ahärö »Eroberer des West-
landes« nennt.
.Noch auf Eines mache ich endlich aufmerksam. Der König Agum
sagt col. I 36 f. von sich, er habe im Land Asnunnak [mät As-nun-
na-ak zahlreiche Völker oder Volksangehörige angesiedelt. Es liegt
am nächsten, unter diesen Volksangehörigen an Stamm- und Volks-
genossen des Königs selbst, an Kossäer, zu denken, welchen der
König neue und bessere Wohnsitze zu eigen gab. Wie ich schon
anderwärts vermuthet, wird dieses Land Asnunnak wohl identificirt
werden dürfen mit jener schon in ältester Zeit wiederholl genannter
Stadt und Landschaft Es-nun-na w, auf dem C\ ruscylinder V R 35, 3 1
mät Es-nu-nak geschrieben, welche an der Grenze Elams westlich vom
Iknii d. i. dem Kercha gelegen ist :J. In diesem zwar den Ueber-
schwemmungen ausgesetzten, aber äusserst fruchtbaren, dabei poli-
tisch bedeutsamem Gebiet Südbabyloniens verstärkte also Agum den
i Guide p. 9.
2 Näheres über dieses Land siehe Paradies S. (04 f. 270.
3) Zum Lautwerth ia des Zeichens ab siehe >'■ 189. Der Name isl sumerisch
und bed. »grosses Haus« Giossliausen). Die Schreibung Ii-nu-ndk scheint I R 66
No. ± col. II :( vorzuliegen. Für ttmunak Abnwnah wie für Umlias sieh,» Paradies
S. 23 0 f.
A. Der babylonische Kossäer-König Agum. (jj
kossäischen Einfluss drunten am persischen Meerbusen, welchen wir
schon zur Zeit des Simmassihu. jenes Kossäerkönigs aus der Dynastie
des »Meerlandes« (siehe oben S. 16 Anm.) , zu constaliren hatten.
Ja sehe ich recht, so ist der bekannte jüngere Name für jene im
Sumerischen Esnunak genannte Provinz, nämlich Um-li-ia-as , echt
kossäisch, gebildet genau so wie Ub-ri-ia-as, der kossäische Name
Rämän's. Kossäe'r also seit dem 16. Jahrhundert von Akkad bis
hinab zum persischen Meer in machtvollster Stellung — ists ver-
wunderlich, dass das hebräische Volk, dessen Gesichtskreis, was Ba-
bylonien und Assyrien betrifft, nicht über das 16. Jahrhundert zurück-
reicht, wie ja die alte Reichshauplstadt Assür den Hebräern unbekannt
ist, ists verwunderlich dass das hebräische Volk die babylonische
Staatenbildung überhaupt auf 125120. dass es Nimrod, den Jäger und
Städtegründer, zu einem Kuschiten oder besser Kossäer l macht ? und
gewinnt nicht die in meinem Werk über die Lage des Paradieses
vorgetragene Ansicht, es möchte das 12513 der Paradieseserzählung von
Babylonien zu verstehen sein und der Name Kasdim selbst mit diesem
Volk Kassü in Zusammenhang stehen, mehr und mehr an Gewicht?
Ich schliesse diesen Anhang mit einer tabellarischen Uebersicht
über die Geschichte Babyloniens von dem ersten Kossäerkönig ab bis
auf Phul, also über den V. und VI. Abschnitt, in welchen die Beros-
seische Tradition die Geschichte Babyloniens eintheilt (V.: 9 Araber-
könige 245 Jahre. — Post quos annos etiam ipsam Semiramidem
in Assyrios dominatam esse tradit. — II.: 45 Könige bis Phul 526
Jahre) 2.
Ein Komma hinter den Namen bez. deren Appositionen bezeichnet
unmittelbare Nachfolge; Punkte verbinden diejenigen babylonischen
und assyrischen Könige, deren Gleichzeitigkeit monumental be-
zeugt ist.
1) Die Ansicht Schraders (Keilinschriften und das Alte Testament, 2. Aufl.,
S. S7 ff.) und Hommels (Äugst). Allg. Z. Beil. 1881, S. 3354 b) , dass das U5>3
Gen. 2, 13. 10, S einfach auf Missvers tändniss beruhe, drängt sich auch mir
mehr und mehr auf.
2) Auch die den 9 Araberkönigen vorausgehenden 49 C h aldae o ru m reges
(mit im Ganzen 458 Jahren), welche sicherlich ebenfalls in Babylon residirten,
sind jetzt wenigstens ihren Namen und ihrer ungefähren Reihenfolge nach bekannt
62
A. Der babylonische Kossäer-König Agum.
Babylonische Könige. Assyrische Könige.
(. I Araber- oder Ko s s ä e r k ö n i g e
c. 1523—1280 v. Chr.
Fehlen I oder 2 Kossäerkönige.
Karaindas Asiirbelnisesu c. 1470,
Burnaburiä&, des Vorigen Sohn,
Puzur-Asür e. 1440, wahrsch.
d. Vor. S.,
Asüruballit c. 1440, höchst
wahrsch. d. Vor. S.,
BelnirAri. d. Vor. S.,
Karahardas, des Vorigen Sohn,
Nazibugas,
Kurigalzu, jüngerer Sohn desBur-
naburiäs,
Pudilu. d. Vor. S.,
Nazimaraddas Räniänniräri I. d. Vor. S.,
Karaburiäs Salmannssir I c. 1330, d. Vor. S.,
Tukulti-Adar I c. 1305, d.Vor.S..
vorübergehend Eroberer Babylons.
Semiramis
c. 1280—1257 v. Chr.
45 Könige bis Phnl
1237 — 731 v. Chr.
(Semitisch-kossäische Periode bis c. 910 .
Rämän [baliddina?] Belkudürusur c. 1220,
Adarpalesara c. 1200, wahrsch.
d. Vor. S.,
Adar Zamama sumiddina Asürdan I c. 1175, d.Vor.S..
(regierte 60 Jahre vor Tiglathpileser I
und wurde sehr all
Siminassiliii IT Jahre,
Eamukinzeru '. ( J.,
kassunädinalm 6 .1., Mutakkil-Nusku, d. Vor. S.,
(Ina) Eulbarsurkiddina 15 .1.,
Nabükudürusur 2 .1., Asurreüsiüäi c. 1130, d. Vor. S.,
Amel-äukamuna 21 , 'Vfo) J.,
Ein Elamil 6 .1.
Marduknädinahe wenigstens 10 .1. . . Tukulttpalesara I c. 4 4 4 5 — we-
nigstens I I 05, d. Vor. S.,
Marduk&äpikzermäti, |
Ramanbaliddina Sohn des fisak- l . . A&ürbelkäla c. I400, d.Vor.S
kilsaduni
A. Der babylonische Kossaer-König Agum.
63
Babylonische Könige.
Assyrische Könige.
Kudür-Bel,
i
Asürhirbi.
Sagasaltias c. 1050, d. Vor. S.
o
Agum,
V
Agum (kakrime), d. Vor. S.
i%
Erbä-Marduk.
Melisihu, d. Vor. S. '?,
3 ö
Mardukbaliddina I, d. Vor. S.
Ulamburiäs.
a '5b
Kara-Bel.
ZI. -
Erbä-Rämän.
Ulamharbe\
Melihali.
Meli-Sibarrn.
'S ®
. 'S
Melisah.
o t-
— o
Ca -3
Nimgirabi.
G o
Asürnädinähe.
Nimgirabisah.
o -3
Nimgirabiburiäs.
0 ^
Karasah.
C -
£ 0
Nazisihu.
Naziburiäs.
Asürdän II c. 930— 911,
Samasmudammik, j
Nabüsumiskun. I
Rmnänniräri II 911—890, d. Vor.
Asürnäsirpal 884—860, d. Vor. S.,
Salmänussir II 860—824, d. Vor. S.,
Tukulti-Adar II 890—884, d. Vor. S.}
Sibir. |
Nabübaliddina l . . . . ]
wenigstens 31 J.,j l
Marduksumiddina, d. Vor. S. I
Mardukbalatsuikbi äamsi-Räman III 824— 81 1, d.Vor.S.,
Ramannirari III 811—782, d. Vor. S.,
Salmänussir III 782—772,
Asürdän III 772—754,
Nabonassar 747 — 733, Asürniräri 754 — 745,
Nadios 733 — 731,
Ukinzer (Chinziros 731) Tukullipalesara II (Phul) 745 — Ti'T.
Phul (Porös 731—727.
Es fehlen uns hiernach nur noch zwei an den 9 Kossaerkönigen und
fünf an den 45 Königen bis Phul. Ob unter diese fünf der König
R&m-üu A-gam[?)-u?n IV R 35 No. 8 gehöre, lasse ich dahingestellt.
B.
Der
babylonische nicht-kossäische König Hammurabi.
In der oben S. 19 ff. erwähnten und auszugsweise mitgetheilten
» Rassam'schen Königsliste« folgen col. I 48 und 49 auf die Ueber-
schrift: »die folgenden waren König von Babylon nach der Fluth ; in
gegenseitige Reihenfolge sind sie nicht gereiht«, zunächst die beiden
Namen Ha-am-mu-ra-bi und .' m-mi-di-dug-ga , an welche sich dann
mit Kurgalzu sieben Kossäernau^n *«nschliessen. Die Bemerkung der
Ueberschrift »in gegenseitige Reihenfolge sind sie nicht gereiht«
warnt ausdrücklich davor, jene beiden Könige mit einander wie auch
mit Kurgalzu und den ihm stammverwandten Herrschern chronologisch
zusammenzureihen, und der nichts weniger als kossäische Name Am-
mi-di-dug-ga schiebt obendrein einen Riegel zwischen Hammurabi und
die Kossäer. Es ist also, was diese Königsliste betrifft, durch nichts,
absolut nichts angezeigt, Hammurabi mit den Kossäern in nähere Ver-
bindung zu bringen und selbst zu einem Kossäer zu stempeln. Die
fast allgemeine Ansicht, Hammurabi sei ein Kossäer gewesen, wider-
streitet dem klaren Wortlaute jener Ueberschrift und bildet einen
Fundamentalirrthum fast aller bisher aufgestellten altbabylonischen
chronologischen Systeme1. Und wenn einige (zeitweilig ich selbst)
soweit gegangen sind, den Namen, was an sich möglich, Hammuragas
l Pinches [im Guide to the Kouyunjik Gaüery , p. 5. 8) scheint sogar 2
Könige Namens Hammurabi anzunehmen: den der Rassam'schen Königsliste wel-
chen er einer Kassite dynasty angehören lässt, und den, von welchem wir nicht-
semitische und semitische Inschriften besitzen. Von letzterem bemerkt Pinches:
He ' upposed tu have /»■<■,! ,,\ kus.site or Cossaean descent, bui ii seems more li-
kely that he was a native o[ Babylonia , nauu-d n/tcr a very atuient and, perhaps,
renowned conqueror of Babylonia.
ß. Der babylonische nicht-kossäische Konig Bammurabi. 65
zu lesen, um ihm auch äusserlich einen kossaischen Anstrich zu geben,
so widerstreitet dem, dass der Name Hammurabi's allüberall und selbst
in Texten, welche möglichst mit einfachen Sylbenzeichen geschrieben
sind, in seinem letzten Bestandteil durchweg nur bi, niemals ga-as,
sich geschrieben findet.
Es lässt sich jetzt aber auch direct beweisen, dass Hammurabi
lange vor der Zeit der 9 Araber- oder Kossäerkönige und der an
sie sich anschliessenden semitisch-kossäischen Periode regiert hat. Das
Zeitalter Hammurabi's sowohl wie Ammididugas erhellt wenigstens im
Allgemeinen aus jenem bekannten kleinen neubabylonischen Thon-
tafelchen (bezeichnet 80. I 1 — 12. 3), welches auf der Vorderseite 11
Könige der Dynastie (palü) von Tin-tir fc* d. i. Babylon, auf der Bück-
seite H Könige1 der Dynastie von ^j^.-£ ^yy ki aufweist. Da sich
die letzteren 11 Könige der Bückseite, wie mir Pinches auf Grund
einer neuen von ihm gefundenen babylonischen Königsliste2 freund-
lich mitlheilte , unmittelbar an ine 11 Könige der Vorderseite an-
1) Das Täfelchen selbst summirt irrig 10 Könige. — Ich habe in Mürdter's
Kurzgefasster Geschichte Babyloniens und Assyriens (Stuttgart 1882) S. 277 das in
Rede stehende Täfelchen ein »Schülerläfelchen « genannt. Es wird als solches
durch seine äussere Form wie durch seinen Inhalt erwiesen. Wie wir eine Reihe
von Schülerläfelchen besitzen, welche kleine Abschnitte aus dem grossen Syllabar
Sb enthalten oder sonst der Erlernung der sumerischen und assyrischen Schrift
und Sprache gewidmet sind (mehrere derselben sind bekanntlich V R 31 veröffent-
licht) , so ist unser Täfelchen augenscheinlich ein Excerpt aus einem grösseren
chronologischen Werke. Was sich Dr. Hommel gedacht haben mag, als er diese
meine unumstösslich richtige Anschauung »ungeheuerlich« nannte, welche »nur
dazu geeignet sei, die Assyriologie in weitesten Kreisen zu discredi-
tiren«!! (siehe Vorsemilische Kulturen, S. 339). Als ob es nicht gute, ja vor-
zügliche Schüleiarbeiten gäbe! Auch nicht der leiseste Zweifel an dem Werthe
obigen Täfelchens liegt in meiner Bezeichnung, im Gegentheil erkläre ich offen
und ohne Uebertreibung, dass mir dieses winzige Thontäfelchen des jungen Baby-
loniers unendlich viel werthvoller und verlässiger ist als alle bisherigen chronolo-
gischen Systeme der ältesten Geschichte Babyloniens miteinander. Wenn auf der
Hammurabi-Inschrift des Louvre der Name des Vaters IJammurabis anders als
Sinmuballit zu lauten scheint, so mag Hommel überzeugt sein, dass auch ich dem
jungen Babylonier weit eher traue als einer augenscheinlich wenig genauen und
mit willkürlichen Ergänzungen ausgestalteten modernen Textedition.
2) Recht baldige Veröffentlichung dieser nach Pinches' mündlichen Andeu-
tungen gewiss sehr werthvollen Königsliste möge auch hierdurch in Anregung ge-
bracht sein.
Delitzsch, Kossäer. 5
66
B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi.
XV
Jahre b.
XXXV
»
XIV
».
XVIII
»
XXX
»
LV
»
XXXV
»
XXV
»
XXV
»
XXI
»
XXXI
»
Dynastie von
Babvlon.
schliessen, so erhalten wir in ununterbrochener chronologischer Reihen-
folge die folgenden 22 Könige:
1. Su-mu-a-bi a, König,
2. Su-mu-la-an .'
3. Sa-bu-ü, des Vorigen Sohn',
i. A-bil-üu Sind; d. Vor. S.,
5. iiu Sin d-mu-bal-lit, d. Vor. S.,
6. Ha-ani-niu-ra-bi. d. Vor. S..
7. Sa-am-su-i-lu-na, d. Vor. S.,
8. E-bi-sum, d. Vor. S.,
9. Am-mi-di-ta-na, d. Vor. S..
10. Am-mi-di-düg e-ga, d. Vor. S.,
11. Sa-am-su('?)-di-ta(?)-tam, d. Vor. S
12. An-ma-an, König.
13. Ki-an-ni-bi.
14. Dam-ki-ni-ni-sü.
15. Is-ki-bal.
16. Sü-us-si.
17. Gul'-ki-^.
18. Kir-gal-?g-mas, des Vorigen Sohnc.
19. A-? g-kalam-ma, des Vorigen Sohn.
20. A-kur-ul-an-na.
21 . Me-lam h-hur-kur-ra .
22. üu E-a-ga-mil1.
a) Sämtlichen Namen geht das Determinativ t voraus. h) Durchweg ideo-
graphisch >^^ [mtt XV u. s. f. geschrieben. c geschrieben durchweg.' mdr
{T^TTT- d] geschrieben ^{. <-', geschrieben >^^T>-T. f (p^^tl. =) das
fragliche neubabylonische Zeichen ist ^^: ^y jzY v\; Pinches (in Proceedings,
11Ul January 1881, p. 43] liest das Zeichen didi (?). h) geschrieben mit dem
Zeichen ne. l) Zeichen is, mtl. Pinches {l. c.) liest ha [?).
FrageD wir. welcher der sechs von Herossos überlieferten Perio-
den babylonischer Geschichte diese Könige zuzuweisen sind, so kann,
da die V. Periode der 9 Araberkönige und die VI. der !•"> Könige
bis auf Phul . nicht minder die II. der mediseh-elamilisehon Fremd-
herrschaft von seihst wegfallen1, zunächsl die IV., den Araberkönigen
[ Dynastie von ^J^> ^
1) Dass die 22 Könige lange vor S i in m ;i s> i li u und dessen Nachfolger re-
gier! halten, zeig! auch das s. i 'i IV. Anm. :( besprochene Tafelfragment; denn wäh-
rend die Notizen über Simmassihu u. s. f. auf col. V erhallen sind, bietet, durch
B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi. 67
voraufgebende, Periode von 49 Königen mit im Ganzen 458 Jahren
in Betracht kommen. Aber auch diese hält nicht Stich. Denn wenn
die 11 Könige der Dynastie von Babylon bereits 304 Jahre Begierungs-
dauer für sich in Anspruch nehmen, so würden für die übrigen
38 Könige nur 154 Jahre verbleiben — eine Durchschnittszeit von
nur 4 Jahren scheint aber kaum glaublich. Die 11 Könige der Dy-
nastie von Babylon aber loszutrennen und den 1 1 Königen des III.
Berosseischen Zeitabschnittes von unbestimmter Dauer (von 248 Jah-
ren?) gleichzusetzen, scheitert ebenfalls an jenen 304 Jahren : meinte
Berossos wirklich die 11 Könige obigen Täfelchens, unter ihnen Ham-
murabi , so wusste er gewiss auch tue genaue Zeitdauer dieser älte-
sten und bedeutendsten babylonischen Dynastie, und schaltete diese
Könige mit dreihundert Jahren nicht zwischen die Elamiten und
die 49 Könige (von 1983 oder meinetwegen 1958 v. Chr. an). So
bleibt einzig und allein der grosse I. Abschnitt von 86 Königen1,
welche der medisch-elamitischen Fremdherrschaft vorausgingen. Und
dass diesem Abschnitt Hammurabi, seine Vorgänger und Nachfolger
einzugliedern sind, lässt sich, vielleicht wenigstens, monumental noch
erweisen. Ich stütze mich für diese Yermuthung auf die leider un-
vollständige Tafel, welche III B 38 No. 2 veröffentlicht ist und deren
abermalige Veröffentlichung nebst genauer Beschreibung höchst wün-
schenswert!) scheint. Das Tafelfragment enthält auf der Vorderseite
eine gewiss aus babylonischen Quellen geschöpfte Beschreibung der
letzten Jahre des babylonischen Reichs vor der elamitischen Erobe-
rung und all der Noth und Trauer, welche die fremdländischen Ty-
rannen über Sumcr und Akkad gebracht. Auf der Bückseite aber
lesen wir, verstehe ich anders das Fragment richtig, einen Klag-
gesang des letzten jener babylonischen Könige. In diesem geschieht
nun auch einer Stadt Namens Kar-dür-A-bil-uu Sin Z. 64) Erwäh-
grosse Lücken getrennt, die vorausgehende col. IV die Anfangszeichen obiger
22 Königsnamen (nämlich der Namen von 2. 3. 4. 5. 12). Beide Columnen ge-
hören der Rückseite der Tafel an, nicht der Vorderseite, wie Pinches eine Zeit
lang annahm (siehe Proceedings, 11th January 1881, p. 42).
1) Trotz der diesen 86 Königen von Berossos zugeschriebenen langen Regierungs-
dauer von 33091 (34091) Jahren können dieselben unmöglich als samt und son-
ders vor- d. h. ungeschichtlich gefasst werden.
t)s B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi.
nuDg. Sind wir berechtigt, den Abil-Sin. nach welchem diese Stadt
benannt ist, mit dem gleichnamigen 4. König obiger Liste zu identi-
ficiren, so müssen diese sämtlichen Könige in der Zeit vor der ela-
mitischen Fremdherrschaft *, also während des dritten vorchristlichen
Jahrtausend und zwar vor c. 2300 regiert haben.
Ich weiss nun wohl , dass einige diese ganze Betrachtung für
überflüssig halten und mir Nichtkenntniss einer völlig gesicherten
historischen Thatsache vorwerfen werden . der Thatsache nämlich,
dass ja Hammurabi es gewesen, der die elamitische Fremdherrschaft
in der Stadt Larsam gestürzt und Kudurmabuks Sohn, den König vod
Larsam , besiegt habe 2. Allein dieses Factum scheint mir ganz und
gar nicht gesichert, es ruht vielmehr, so viel ich sehe, auf einer ver-
hängnissvollen Täuschung, auf voreiliger Identification zweier grund-
verschiedener Namen und Persönlichkeiten: der König Rem-Sin,
der Zeitgenosse Hammurabi's vgl. z. B. IV B 3G No. 21 . hat mit
dem elamitischen Königssohn Ära d-Si n gar nichts zu schaffen. .Man
hat ihre Namen lediglich identisch gemacht, indem man Arad-Sin
1) Gemäss V R 6, 107 ff. erbeutetr Asürbänipal bei der Eroberung von Susa
(frühestens 643, spätestens 640 v. Chr. auch das Bildniss der Göttin Nana von
Erech , nachdem dieses 4635 Jahn' vgl. III K !s No. 1 Obv. 16) in Feindesland
gewesen war. Die Eroberung Erechs durch den Elainiten Kudurnanhundi Ku-dur-
na-hu-un-di III R 38 No. 2 Obv. 60. No. 1 Obv. 12] fand hiemach etwa 2280 statt.
Da aber gemäss III R 38 No. 2 Obv. 60 nicht Kudurnanhundi selbst, vielmehr sein
Vater es war, der den babylonischen König . . . swm-iddina verjagte, andrerseits
aber die Eroberung Erechs nicht allzuspat dem Falle der damaligen Hauptstadt
Babylon gefolgt ^<'in dürfte, so erhalten wir für den Beginn der elamitischen Ty-
rannis rund 2300 v. Chr. Von den 8 »medischen Tyrannen« des Bcrossos im;
im Ganzen 224 Jahren- sind bis jetzt dir folgenden 7 bekannt: der »Vater« Ku-
durnanlnindis , sein Sohn Kudurnanhundi, Simtisilhak I H ± No. 111 ■"> , sein Sohn
Kudur-.Mabuk und dessen Sohn Arad-Sin [für die beiden letzteren siehe I R 2
No. III. 5 No. XVI. IV H 35 No. 6 ; der biblische Kedor-Lacomer [Kudur-Lagamara
and endlich der Humbaba (h-i- Izdubar-Legenden.
■i So sagt Pinches [Guide p. 8 <Hammurabi ruled ut Babylon, ivhilst
Kudur-Mabug and Rim-Agu his son governed the south and east of the country; l/ut,
being <i more vigorous ruler und warrior, he defeated their forces and made liimself
master of the whole <>[ Babylonia«. Ebenso äusserte sich schon George Smith
im Assyrian Discoveries p. 233 f. Und ähnlich bemerkt II mel in Vorsemitische
Kulturen s. 344: »Nun wis-m wir aus Contracttafeln aus Chamrauragas Zeit, dass
er ihn König Eriv-Aku von Larsa und die mit diesem verbündeten Elamiten be-
siegte und damit überhaupt den Königen von Larsa ''in Ende machte,
B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi. 69
nichtsemitisch Erö(m)-Aku, und Röm-Sin dem entsprechend R<hn-Aku.
ja sogar Rdv-Aku las. Aber hiergegen spricht einmal, dass das Ideo-
gramm des Mondgottes in zu sonst immer nur Sin zu lesen ist, die
Lesung Aku dagegen stets durch rein phonetische Schreibung A-ku
an die Hand gegeben wird '; und sodann, selbst die Berechtigung der
Lesung Aku zugegeben, würde ja doch in Erö{m)-Aku der erste Na-
mensbestandtheil das sumerisch-akkadische Wort 0rö[m) »Knecht, Die-
ner«, in Rim-Aku dagegen das semitische Wort römu »Geliebter« sein.
Zwei Namen und Personen aber, so verschieden wie Erö (m) -Aku
«Diener des Mondgottes« und ROm-Akic »Liebling des Mondgottes« (ein
Name wie Naräm-Sin) mit einander zu vermengen , ist ebenso uner-
hört als wollte man Asürnäsirpal und Asürbänipal wegen ihres ähn-
lich lautenden Namens zu Einer Person stempeln. So fallt Hammu-
rabi's Gleichzeitigkeit mit der Schlusszeit der elamitischen Tyrannis
schon aus rein sprachlichen Gründen , und meiner eigenen chronolo-
gischen Einreihung Hammurabi's steht wenigstens von dieser Seite
her kein Hinderniss im Wege2.
Was nun den Namen Hammurabi's betrifft, so sind zunächst
etliche Bemerkungen über die Namen seiner unmittelbaren Vorgänger
und Nachfolger vorauszuschicken. Man mag betreffs Lesung und
Deutung jener Königsnamen noch so zurückhaltend sein, so viel steht
1) Die auch von mir früher angenommene Einheit von Kudurmabuks Sohn
Arad-Sin bez. Ere(m)-Aku mit dem biblischen "■'"~x mochte ich nicht mehr so
zuversichtlich vertreten. — Durch nichts berechtigt scheint mir auch die vielfach
zu lesende Umschreibung der beiden obigen Namen durch Rini-agu; denn wenn-
gleich das babylonische Pantheon einen Gott Agu aufweist (siehe III R 66 Obv. 14 a.
Rev. 25b: ilu A-gu-u) , so müsste doch erst bewiesen werden, einmal dass dies ein
Name des Mondgottes ist, und sodann dass wir das Ideogramm en zu mit diesem
Namen lesen dürfen. An dem Namen Re-im-üu A-gam{gu1)-um, eines — vielleicht
weit jüngeren — Königs von Babylon (IV R 35 No. 8) hat jene Umschreibung
offenbar keinerlei Stütze.
2) Das genaue Datum von Hammurabi's Regierungszeit würde vielleicht durch
col. II des Nabüna'id-Cylinders (I R 69) überliefert sein, wäre nicht der betref-
fende Abschnitt leider bis zur Unbrauchbarkeit beschädigt. Zur Zeit sind die
col. II Z. 4 in Bezug auf Hammurabi und den Sonnentempel in Larsam erwähn-
ten «700 Jahre« historisch nicht zu verwerthen. Vgl. auch George Smith's Be-
merkungen in den Transactions of the Society of Biblical Archaeology, vol. I, 1872,
p. 61.
70 B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi.
gewiss fest, dass die Namen 3. Säbü »Krieger«, 4. Abil-Sin »Sohn
Sin's«, 5. Sin-muballfy »Sin schenkt das Leben«, 7. Samsu-üünai
»Samas ist (unser?) Gott«, 8. Ebisum »handelnd« gutsemitisch, da-
gegen die Namen 15. Iskibal » Ueberwältiger (?) des feindlichen Lan-
des«2, 17. Gulkikur »Vernichter des feindlichen Landes«3, 20. Akur-
ul '.' -tuia »Bels Sohn ist der Schmuck (?) des Himmels«4, 21. M&lam-
kurkura »Glanz der Lander«6 nichtsemitisch, sumerisch -akkadisch
sind6. Die Namen bezeugen die bedeutungsvolle Thatsache. dass
1) So, mit na am Schlüsse, auch IV R 36 No. 45 — 69 {Sa-am-su-i-lu-un .
Smith, Transactions I, p. 62 erwähnt auch die Schreibung Sa-am-su-i-lu-an.
2) Ist der auf bal endende Name der »Rassam'schen Königslisle« (col. I) zu
Iskibal zu ergänzen , so würde obige Deutung durch die assyrische Uebersetzung
Säpin mät nukurti gesichert sein. Für ki-bal = assyr. mät nukurti siehe z. B. II R 38,
I7g.h. IV R 26, 1/2 a. 30, 8/9 a. Ist is vielleicht phonetische Schreibung für das
Zeichen II R 48, 23 c?
3) Für gut = abätu »zu Grunde gehen«, II I »zu Grunde richten« siehe
S^ 338. II R 19, 59/60. 63/64 b. Ki-kur = mät nukurti bedarf keiner Erklärung.
Die Rassam'sche Königsliste bietet einen auf sar (.^V, auslautenden Königsnamen
mit der assyrischen Uebersetzung Mu-ab-bit kis-sa-ti »Vernichter der Gesamtheit«.
Hiernach wohl liest Pinches [Proceedings, 11 th January 1881, p. 43) auch den obi-
gen Namen Gul-läsar.
4) In der Rassam'schen Königsliste durch Mär ihr B61 ü-su-um sämS-e er-
klärt. Als »grosser Berg« h'ndel sich Bei auch in col. III ebendieser Liste ge-
schrieben. Zu ^f:T^ = asämu siehe S>> 100 und vgl. meine Assyrischen Lese-
Mucke, 2. Aufl., S. 73 Z. 16 IT.
5) Für me-lam zum sumerischen Lautwerth lam des Zeichens nc siehe
Paul Haupt, Sumerische Familiengesetze, S. 55 f., sowie das Täfelchen K. 4142
= assyr. mSlammu, sarüru u. s. f. »Glanz« siehe IV R 18, 50/51 a u. a. St. m. einer-
seits, II R 35, 4 — 9 e. f andrerseits. Der Königsname gereicht der in meiner Schrift
The Hebrew Language etc. p. 55 f. gegebenen Erklärung des assyrisch-hebräischen
sarru, ~~ zu erneuter Bestätigung.
6) Als semitisch könnten sonst vielleicht noch die Namen I [Su-mu-äbfl ,
1 1 lhniiii-ilu-f. , 13 [Itti-ilu-ni-bil . 14 Damki-ili-sul) , 22 [JSa-gämüJ} gehalten
werden; als nichtsemitisch gehen sich auch die Namen 1S und 19. — Der
Käme X. 10 Ammi-diduga, welchen die Rassam'sche Königsliste durch Kim-tum
Uet-tum "die Familie ist festgegründet oder wahr« (legitim) übersetzt, ist in hi-
nein zweiten Bestandtheil sicher nichtsemitisch; für dz und duga »festsetzen, be-
stimmen» vgl. II R 7, 33. 3 5 e. f. Dagegen ist mir ein nichtsemitisches Wort anvmi
»Familie« nicht bekannt. Ist etwa arrmi semitisch vgl. hehr, z".' und dann i\w
/weite Namensbeslandtheil dem Nichtsemitischen nur entlehnt? und verhält es sich
n ii der Uebersetzung durch Kimtum kcttinu ähnlich wie beim Namen Hammurabi
siehe unten .' — Der .Name '/,. 1 i Sussi veranlasst mich zu einer kurzen Notiz,
die natürlich zu dem Namen als solchen ausser Beziehung steht. Seitdem ass\r.
der fünfte« = hansu, hamsu erwiesen ist, lasse ich auch das in den Texten
B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi. 71
noch nach Hammurabi's Zeit das nichtsemitische Volk Babyloniens,
das sog. sumerisch-akkadische Volk auch politisch eine mächtige
Stellung einnahm und dem babylonischen Staat sogar Könige aus sei-
ner Mitte gab1. Dass die sumerisch-akkadische Sprache zu Ham-
murabi's Zeit noch in lebendigem Gebrauch gewesen sein muss, ist
schon hiernach unzweifelhaft; es wird zudem noch handgreiflich be-
wiesen durch die theils semitisch theils sumerisch geschriebenen, aus
der Zeit Hammurabi's und seines Sohnes Samsu-ilüna datirten Privat-
contracte, deren sumerische Unterschriften von Smith IV II 36 ver-
öffentlicht worden sind. Auch die Zweifel, welche ich frühers gegen
die Beweiskraft der, leider so fragmentarischen, bilinguen Inschrift
Hammurabi's2 im Britischen Museum geäussert3, nehme ich um so
lieber zurück, seitdem der von Rassam gefundene bilingue. im sog.
akkadischen Dialekt und in Semitisch-Babylonisch geschriebene Thon-
cylinder Samassumukins, des Bruders Asurbanipals, einerseits und
die den Ausgrabungsarbeiten des französischen Consuls de Sarzec zu
verdankenden Denkmäler von Telloh andrerseits meine Ansichten
Nebukadnezars wiederholt vorkommende Adverbium sassis (Neb. Bab. I 29), sas-
sänis, im Hinblick auf Parallelstellen, einfach als = sansis, samsis, samsänis
»sonnencleich«, wie ich denn auf einer noch unveröffentlichten Tafel in der Phrase
Sumsu ztrsu »seinen Namen, seinen Samen mögen sie wegraffen« das erstere Wort
su-us-su geschrieben las.
1) Dass Iskibal, Melamkurkura u. s. f. nicht etwa nur ideographische Schreib-
weisen sind, lehren alle übrigen, rein phonetisch geschriebenen, Königsnamen
des in Rede stehenden Täfelchens. Lediglich sumerische Benennung von Haus
aus semitischer Könige aber scheint mir durch die Anzahl d.eser sumeri-
schen Königsnamen ausgeschlossen.
2) Von dieser bilinguen Inschrift Hammurabi's bemerkte schon Smith iu sei-
nen Assyriern Discoveries p. 233: Another new monument discovered at Babylon is a
large heavy stone with a bilingual inscription of Hammurabi. This bilingual text is
written in double columns, on one side the Turanian, and on the other side the cor-
responding Semitic text«. Die Inschrift wurde dann von A. Amiaud in Recueil
de travaux relatifs ä la philologie et ä l'archeologie egyptienne et assyrienne, I, 1879,
p. 180—190, zum Gegenstand eingehenderer Untersuchung gemacht, unter dem
Titel: l'ne inscription bilingue de Hammourabi, roi de Babylone. (Du XVe au XXe
siede avant J. Chr.).
3) Im Jahresbericht über die morgenlandischen Studien im Jahre 1880,
Leipzig 1883, S. 68. Für die von Hommel in den »Noten, Nachtragen« etc. zu
seinen° Vorsemitischen Kulturen S. 512 gewagte Verdächtigung brauche und finde
ich kein Wort der Erwiderung.
72 B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi.
über die nichtsemitische Sprache Babyloniens und deren Dialekte
wesentlich geklärt und geändert haben.
Inmitten von 21 theils semitischen theils sumerisch-akkadischen
Namen scheint mir ein vereinzelter Kossäername unmöglich — es
bleibt nur übrig, den Namen Hammurabi entweder für semitisch-
babylonisch oder für sumerisch zu halten. Der Name mag an sich,
wie ich mit Bezug auf das S. 14 Gesagte abermals hervorhebe, recht
wohl sumerisch sein und Hammurabi selbst dennoch Semit bleiben,
auf welch Letzteres die Namen seines Urgrossvaters bis herab auf
seinen Enkel zunächst hinweisen. Dass der Name Hammurabi in der
That nicht semitisch sei, scheint daraus unzweifelhaft hervorzugehen,
dass er ja in der Rassam'schen Königsliste (siehe oben S. 20) durch
Kim-ta ra-pa-as-tum übersetzt wird. Und dennoch glaube ich den
Namen als semitisch beweisen zu können. Gelingt der Beweis,
so würde der Verfasser der Königsliste den Namen , der unter den
babylonischen Königen nicht fehlen sollte, lediglich der Gleichmässig-
keit halber durch ein Synonym übersetzt haben, wie dies vielleicht
auch bei Ammi-diduga der Fall ist (siehe S. 72 Anm. 6) und wie sich
verwandte Fälle auch sonst in den lexikalischen Arbeiten der Baby-
lonier und Assyrer nachweisen lassen1. Dass nun rabi »gross« sehr
wohl durch rapsu (rapastu) »weit, ausgedehnt, zahlreich« wieder-
gegeben werden konnte, bedarf keines Nachweises ; dass aber humum
ein semitisches Wort ist , darauf führen schon die anderen Namens-
schreibungen IJu-mu-ra-bi (siehe Smith in Transactions I, p. 55) und,
mit Mimation des ersten Namensbestandtheils, Ea-am-mu-um-va-bi
IV K 36 No. 25). Warum nun nicht ein babylonisches humum »Fa-
milie« annehmen, da noch dazu ha-am-mu in dem Vocabular II R 27
No. 2, 57 nicht allein als guisemitisches Wort bezeugt, sondern noch
dazu mit a-la-pu-ü (5]btf) zu Einer Gruppe verbunden und unmittel-
bar von Mnnu »Nest" (dann auch »Familie«) gefolgt ist? und da
ausserdem der Stamm humumu in der Bed. »zusammenschliessen,
zusammenfassen, zusammenbinden«, syn. kasäru, sieh beweisen lässt2'/
1) Vgl. z. B. V R 13, 20. 2i a. b.
-l Zur Bed. »ernten« 6s6du Sb -271 ; die Bed. »ernten« stellt lest durch Stellen
wie A.surn. II in. III :(-2. 82, vgl. 1Xr1?j kam das auch durch hamämu übersetzte
B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi. 73
Wie kimtu »Familie« ursprünglich den »Bund« bedeutet, von kamu
»binden«, ebenso hammu. Der Name Hammurabi ist hiernach wirk-
lieh semitisch1, gutsemitisch wie der andere babylonische Königsname
m au Sin-ra-bi2, und damit wäre auch der letzte Schein, als sei Ham-
murabi ein Kossäer, beseitigt.
Als Semit hat Hammurabi natürlich auch rein semitische In-
schriften hinterlassen. Es mag mir gestattet sein, zum Schlüsse dieser
Abhandlung eine dieser ältesten semitischen Inschriften, die wir be-
sitzen, hier mitzutheilen , nämlich die kleine jetzt im Louvre befind-
liche und vor wenigen Jahren von Menant veröffentlichte3, von welcher
mir schon Jahre zuvor durch Vermittelung eines mit Bagdad in Ver-
bindung stehenden Leipziger Kaufmanns ein Papierabklatsch zuge-
gangen war. Die mit sehr schönen und grossen altbabylonischen Schrift-
zeichen geschriebene Inschrift lautet:
Obv. Rev.
A-na üu Marduk sar nisi1
s,.-
nie- n- im
ü Ak-ka-di-im
na-di-in hegallia sar ki-ib-ra-tim
5 a- na ili1' 5 ar- ba- im
sumerische Wort nr nach derselben Bedeutungsentwickelung, welche in hebr. rcx
vorliegt und welche ich auch für assyr. kasäru, hebr. nsj? annehme (siehe Hebrew
Language, p. 53 f.). Die Bed. »Himmelsgegend, Sphäre«, welche das Nomen ham-
mämu an Stellen wie Sarg. Cyl. 9 aufweist, geht auf die Bed. »Seite« zurück und
diese ist, wie so oft, als die » einschliessende« benannt. Auch Stellen wie II R 60
No. 2 Rev. 34. 64, 48 a. 57, 27 c. d zeigen hamdmu in ähnlicher Anwendung wie
sonst kasäru sich gebraucht findet.
1) Dass Hammurabi semitisch sei, war von je her auch Menants Ansicht; nur
irrte er, wenn er meinte [Une nouvelle inscription de Hammourabi, Paris 1880, p. 9),
der Name sei »forme rdgulierement comme tous les noms propres assyro-chaldeens
du norn d'une divinite et dun radical verbal« — wir sind seitdem eines Besseren
belehrt. Findet sich der Name Hammurabi mit dem Götterdeterminativ üu ein-
geleitet (siehe Transartions I, p. 55), so erklärt sich dieses wie etwa vor dem
Königsnamen Isme-Dagän (I R 2 No. V).
2) Siehe Rassam'sche Königsliste col. III. Dass die Babylonier den (-Vokal
im Nominativ lieben, ist bekannt.
3) Une nouvelle inscription de Hammourahi, roi de Babylone (XVIe siede avant
./. fhr.)-: Recueil de travaux rel. ä la philol. etc. II, 76 ff. (Auch separat unter
gleichem Titel erschienen, Paris 1880).
74 B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi.
Obv. Rev.
be-el 6-sag-ila im- nu iiu Belh
mäta1 u ni-[si?
a-na be-li-im
10 na- bi- ü 10 si- ir- ra- zi- na1
ü e
- zi- da
ec-
ni- sü
Ha-am-
-mu-ra-bi
na-
[d]
bi- ü
an- nim e
mu
üu Belh
[mi-]
gi1- ir
ilu
Samas
re'ü
na-ra-am
ilu
Marduk
sarru
dannuk
id- di- nu- sum
a- na ga- ti- sü
ü- ma- al- li- ü
a-na üu Marduk.
ili ba- ni- sü
15 iiu Samas 15 in Bar-zi-pa ki
all na-ra-mi-su
da
parakka-sü el-lam
ib- ni- sum.
a) geschrieben he-gal, woraus hegalli ein Lehnwort. b) geschrieben ni-ni.
e) ideographisch >— v geschrieben. d) fehlt wohl nichts. e Menant : celui qui
proclame de dieu Anu; aber an nim wird meines Wissens der Gott Anu niemals
geschrieben. f) Raum für Ein Zeichen, doch braucht keines gestanden zu haben.
*) fehlt wohl nichts. •') geschrieben Sn kid. \ ^>-tt^^- k) ideographisch
da hon geschrieben. l) Ideogramm un. m) geschrieben, wie oft, mit dem
Zeichen ni (Sa I 13—15); vgl. I R 69 col. III 24. ») — sirrat-sinal, vgl. I R 69
col. III 26. Oder steckt darin das oben S. 26 unerklärt gelassene Wort ;«-»«?
»Merodach, dem grossen Herrn, dem Spender von Ueberfluss,
dem göttlichen Herrn Esagilas und Ezidas, seinem Herrn — Hammu-
rabi. der Gnadenverkünder, der Berufene (?) Bels, der Verehrer Samas*,
i\ev von .Merodach geliebte Hirte, der mächtige König, der König des
Volkes Sumör und Akkad, der König der vier Weltgegenden : zur
Zeit da Bei Land und Leute zu beherrschen ihm verlieh, mit ihrem ?)
Scepter ihn belehnte, hat er Merodach, dem (mite der ihn geschall'eu,
in Borsippa , seiner Lieblingsstadt, sein glänzendes Heiligthum Ezida
gebaut .
Dass <\<\- Verfasser der »Bassanvschen Königsliste « die Beihe der
Qachsintfluthlichen Ki)nige Babylons mit Fug und Hecht mit llam-
murabi beginnen konnte diesem ebenso kriegsliicliligen als für die
Wohlfahrt seines Landes väterlich besorgten, wahrhaft grossen Herr-
B. Der babylonische nicht-kossäische König Hammurabi. 75
scher, wurde bereits S. 22 bemerkt. Am m i diduga verdankt seine
zweite Stelle vielleicht nur seinem Namen, der ähnliches bedeutet
wie der seines Ururgrossvaters. Unmittelbar nach ihnen aber wusste —
und dies ist bezeichnend — der Verfasser keinen anderen zu nennen
als, viele Jahrhunderte überspringend, den »König ohne Gleichen .
Kurgalzu den Kossäer.
^N^(|t)$€H<ä--
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.